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Akteure

  • Rösti, Albert (svp/udc, BE) NR/CN
  • Kuprecht, Alex (svp/udc, SZ) SR/CE

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171 Resultate
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In der Wintersession entschied sich eine für die kleine Kammer relativ knappe Mehrheit von 23 zu 18 Stimmen, auf die Vorlage zur Änderung des Geschäftsreglements des Ständerats einzutreten, mit der neu bei allen Abstimmungen auch im Ständerat Namenslisten veröffentlicht werden sollen – also nicht nur bei Gesamt- und Schlussabstimmungen, sondern bei allen Abstimmungen, die mit der 2014 eingeführten elektronischen Anlage getätigt werden. Für die SPK-SR, die den Entwurf mit 7 zu 6 Stimmen zur Annahme empfahl, sprach Thomas Minder (parteilos, TG), der Urheber der parlamentarischen Initiative, auf die der Entwurf zurückging: Die Befürchtung der Minderheit, dass sich die Debattenkultur mit Veröffentlichung der Abstimmungsresultate verschlechtere, könne er nicht nachvollziehen. Ganz im Gegenteil habe sie sich seit Einführung der Abstimmungsanlage sogar verbessert. Freilich gebe es in den Medien verbreitete Ratings und Auswertungen zum Abstimmungsverhalten. Die würden aber mit dem Einbezug von Detailabstimmungen zusätzlich «die Hunderte von spannenden Positionsbezügen, mit denen wir aufeinander zugehen, Differenzen zwischen den Räten abbauen, abseits der Parteilinie abstimmen», berücksichtigen und so eine wesentlich breitere Datengrundlage liefern.
Die Minderheit, die gegen Eintreten votierte, wurde von Daniel Jositsch (sp, ZH) vertreten. Es sei schwierig gegen die Vorlage und damit gegen die «Transparenz-Hysterie» anzutreten. Er befürchte aber, dass das Wesentliche, was den Ständerat vom Nationalrat unterscheide, durch die Neuregelung verloren ginge: die Debatte, von der die Abstimmungsresultate lediglich Resultat seien. Er habe überhaupt keine Probleme mit Ratings, wenn aber auch der Ständerat nur noch Abstimmungen für Ratings produziere, müssten sich Journalistinnen und Journalisten nicht mehr die Mühe machen, zu recherchieren, wie ein Resultat genau zustande gekommen sei und welche Argumente vorgebracht wurden. Er befürchte darüber hinaus, dass bald auch die Forderung nach Transparenz von Kommissionssitzungen kommen werde.
Die in der Folge vorgebrachten Meinungen verliefen nicht entlang der Fraktionsgrenzen. So sprach sich etwa Jositschs Fraktionskollege Hans Stöckli (sp, BE) für ein konsequentes Öffentlichkeitsprinzip aus und Lisa Mazzone (gp, GE) gab zu bedenken, dass vor allem den Bürgerinnen und Bürgern ein Dienst erwiesen werde, wenn ihnen Informationen einfacher zur Verfügung gestellt würden. Auf der anderen Seite warb Daniel Fässler (mitte, AI) mit dem Argument gegen Eintreten, dass parteitreues Abstimmen wohl zunehmen werde und man sein Abstimmungsverhalten gegenüber der eigenen Partei, dem Kanton, den Medien wesentlich häufiger rechtfertigen müsse. Auch Alex Kuprecht (svp, SZ) bedauerte, dass der «Ständerat immer nationalrätlicher geworden» sei, und befand, dass die Resistenz gegen den zunehmenden Druck der eigenen Partei nicht mehr so stark sei wie früher. Wichtig sei der Bevölkerung zudem nicht, wie man bei Detailfragen abstimme, sondern wie man zum gesamten Gesetz stehe, weshalb es die Veröffentlichung von Detailabstimmungen auch nicht brauche. Pointiert äusserte sich zum Schluss Roberto Zanetti (sp, SO): Er hätte wohl früher für Nichteintreten gestimmt, weil aber «aus der Chambre de Réflexion (...) eine Chambre der reflexartigen Vertretung der Einzelinteressen (...) und die Rumpelkammer der Steuerumgehung und Steueroptimierung geworden» sei, wolle auch er genauer nachverfolgen können, wer im Detail wie stimme.
Nachdem Eintreten beschlossen worden war, sprach sich auch eine 28 zu 14-Mehrheit für die Vorlage aus. Deutlicher war dann die Schlussabstimmung, bei der die Vorlage mit 32 zu 10 Stimmen bei 2 Enthaltungen gutgeheissen wurde. Die Gegenstimmen stammten erneut aus allen Fraktionen. Damit werden auch im Ständerat künftig sämtliche elektronisch erfassten Abstimmungsresultate veröffentlicht.

Öffentliche Abstimmungen im Ständerat (Pa.Iv. 19.498)
Dossier: Öffentliche Abstimmungen im Ständerat

La Confédération suisse fait un pas pour la protection de l'environnement. Le DDPS est en train d'élaborer un plan d'action afin de minimiser l'impact de l'armée sur les écosystèmes. En lançant une nouvelle motion, Céline Vara (verts, NE) souhaite compléter cette planification, afin d'optimiser les effets des mesures. En effet, la verte neuchâteloise estime que trois objectifs devraient être ajoutés au plan afin que la Confédération, le plus gros propriétaire foncier de Suisse, agisse de manière optimale en temps de crise climatique. L'acceptation de la motion vise la suppression à court terme de l'utilisation de pesticides de synthèse, la mise en place de corridors en faveur de la faune et la suppression de la pollution lumineuse inutile sur les sites militaires suisses.
Lors du vote, dix oppositions venant du PLR et de l'UDC ont été observées. Alex Kuprecht (udc, SZ) a justifié sa position en affirmant que le DDPS prendra en compte les objectifs posés par la motion de Vara sans qu'une nouvelle requête officielle ne soit déposée. C'est pourquoi il ne voit pas l'utilité d'une telle nouvelle motion. La majorité du Conseil des États n'étant pas de cet avis, la motion a été acceptée, engageant la Confédération sur l'autoroute des décisions qu'il reste à prendre concernant la protection de l'environnement, jugée comme étant l'une des luttes centrales de notre pays.

Une armée qui réduit son impacte sur la biodiversité (Mo. 21.4382)
Dossier: Armee und Biodiversität

Nachdem die grosse Kammer der parlamentarischen Initiative von Sidney Kamerzin (mitte, VS) Folge gegeben hatte, musste sich das Büro-SR ein weiteres Mal über das Anliegen für ein papierloses Parlament beugen. Zum zweiten Mal empfahl es den Vorstoss zur Ablehnung. Die Möglichkeit, alle Unterlagen elektronisch zu erhalten, bestehe bereits heute, wovon allerdings erst 29 Mitglieder des Nationalrats und 7 des Ständerats Gebrauch machten. Ein Grund für diese geringe Anzahl seien die noch bestehenden Nachteile. Dabei sei nicht nur an die «E-Mailflut» zu denken, sondern an die Schwierigkeit, auf alle Unterlagen zugreifen zu können, so der Bericht des Büros. Dies sei erst ab 2023 mit «CuriaPlus» möglich. Mit dieser sich im Aufbau befindlichen Plattform seien alle Kommissions- und Ratsinformationen zu einem Geschäft zentral erhältlich, durchsuch- und bearbeitbar. CuriaPlus werde eine papierlose parlamentarische Arbeit ohne Zusatzaufwand ermöglichen.
In der ständerätlichen Ratsdebatte machte sich Ruedi Noser (fdp, ZH) für die Unterstützung des nationalrätlichen Beschlusses und für Folgegeben stark. Angelehnt an die Argumente des Büro-SR würde er bei der Ausarbeitung der parlamentarischen Initiative durch das Büro-NR empfehlen, dass nicht ein Verbot von Papier verlangt wird, sondern dass das Prinzip «digital first» eingeführt werde. Anders als heute würden die Unterlagen also nicht automatisch in Papierform verteilt («Papier first»), sondern wer dies wolle, müsse Papier nachfragen. Zudem würde er empfehlen, die Initiative auf die neue Legislatur hin umzusetzen, wenn auch die neue digitale Infrastruktur zur Verfügung stehen werde. Zwar fand Noser in Hans Wicki (fdp, NW), Matthias Michel (fdp, ZG) und Lisa Mazzone (gp, GE) Unterstützung – alle drei brachten in ihren Voten zum Ausdruck, mithelfen zu wollen, weniger Papier zu produzieren. Die Mehrheit des Ständerats wollte der Initiative aber mit 25 zu 15 Stimmen (bei 3 Enthaltungen) keine Folge geben. Hauptargumente – vorgebracht von Werner Salzmann (svp, BE) und Alex Kuprecht (svp, SZ) – waren ebenfalls, dass CuriaPlus bereits im Entstehen sei und dass eine raschere Umsetzung auch mit Folgegeben der Initiative wohl kaum möglich wäre.

Papierloses Parlament (Pa.Iv. 20.442)

Nicht nur für die frischgebackene Nationalratspräsidentin, Irène Kälin (gp, AG), sondern auch für den neu gekürten Präsidenten der kleinen Kammer, Thomas Hefti (fdp, GL), musste der Festakt zur Feier der Amtsübernahme des Ratspräsidiums im Jahr 2021 aufgrund der Covid-19-Pandemie verschoben werden. Der Glarner, dessen Vater Peter Hefti (fdp, GL) bereits 1980/1981 das Präsidialamt als Kantonsvertreter innegehabt hatte – auch ein Grossvater und ein Urgrossvater Heftis waren schon im Ständerat gesessen –, wurde mit 44 von 45 gültigen Stimmen gewählt; 1 Wahlzettel war leer geblieben. Er löste damit Alex Kuprecht (svp, SZ) ab, der in seiner Abschiedsrede sein Wirken, das im zweiten schwierigen Corona-Jahr zum Ziel gehabt habe, den Geist des Ständerats als Chambre de Réflexion zu stärken, kritisch würdigte. Es sei ihm gelungen, in der kleinen Kammer den Dialog und das Verständnis zwischen jüngeren und älteren Ratsmitgliedern zu stärken. Nicht gelungen sei ihm hingegen, die zunehmende Unruhe und die abnehmende Präsenz in der kleinen Kammer zu stoppen. Es passe nicht zur «Debattenkultur» des Ständerats, wenn die notwendigen Reflexionen nicht mehr möglich seien, weil man nicht durchgehend im Ratssaal verbleibe. Hart ins Gericht ging Alex Kuprecht mit dem «unschweizerischen Verhalten» im Rahmen der Abstimmung zum zweiten Covid-Referendum. Dass Amtsträger angegangen würden, das Bundeshaus durch meterhohe Abschrankungen geschützt werden müsse oder zum Sturm auf das Bundeshaus aufgerufen werde, sei «verwerflich [...], inakzeptabel und weit von einem demokratischen Verhalten entfernt». Er hoffe aber, dass die Gräben «durch die Kraft der Demokratie» wieder zugeschüttet würden.
Auch der neugewählte Thomas Hefti machte, nachdem er Alex Kuprecht für seine Arbeit gedankt hatte, die Chambre de Réflexion zu einem Thema seiner Rede. Diese «wohlwollende Charakterisierung» müsse stets von Neuem verdient werden. Es brauche dafür nicht immer mehr Vorstösse, sondern ein «gründliches Abwägen und eine sorgfältige, durchdachte Gesetzgebung». Auch den Ball zu Corona nahm Thomas Hefti in seiner Rede auf. Nach der Abstimmung müsse man den Gegnerinnen und Gegnern die Hand reichen: «Wir werden nur gemeinsam aus dieser Pandemie herauskommen». Auch aktuelle Themen flocht der neue Ständeratspräsident in sein Votum ein: Die CO2-Ziele müssten eingehalten, aber auch die Frage gestellt werden, ob die «Politik betreffend Kernkraftwerke» überprüft werden müsse. Bei der AHV bedeute eine «geringfügige Anhebung des Pensionsalters nicht das Ende des Sozialstaates» und wegen der Aufrüstung in China und Russland müsse man in die Sicherheit investieren und rasch neue Kampfflugzeuge beschaffen.
Nach einem musikalischen Intermezzo schritt die kleine Kammer zur Wahl der restlichen Mitglieder des Büros, wobei die Bisherigen jeweils eine Stufe höher in Richtung Präsidium rutschten: Die bisherige zweite Vizepräsidentin, Brigitte Häberli-Koller (mitte, TG) stieg zur ersten Vizepräsidentin auf und erhielt, wie die bisherige Stimmenzählerin und nun zweite Vizepräsidentin, Elisabeth Baume-Schneider (sp, JU), 43 Stimmen – 2 der 45 ausgeteilten Wahlzettel blieben jeweils leer. Auf das Amt der Stimmenzählerin stieg Lisa Mazzone (gp, GE) mit 40 Stimmen hoch – von den 45 ausgeteilten Wahlzetteln waren 4 leer und einer enthielt einen anderen Namen als jenen der Genferin. Aus dem bisherigen Ersatzstimmenzähler Andrea Caroni (fdp, AR) wurde mit 37 Stimmen (44 eingelangt, davon 5 leer und 2 für Diverse) der neue Stimmenzähler. Neu zum Ersatzstimmenzähler wählten die Mitglieder der kleinen Kammer turnusgemäss einen Vertreter der SVP-Fraktion: Werner Salzmann (svp, BE) wird – eine Wiederwahl bei den eidgenössischen Wahlen 2023 und das Festhalten an der Tradition vorausgesetzt – 2025 neuer Ständeratspräsident werden. Er erhielt 43 von 45 möglichen Stimmen (1 leer, 1 Diverse).

Wahl ins Ständeratspräsidium 2021/22
Dossier: Nationalrat und Ständerat. Wahl des Präsidiums und des Büros

Für die erste Mutation der 51 Legislaturperiode im Ständerat war der Rücktritt von Christian Levrat (sp, FR) bzw. die Wahl von Isabelle Chassot (mitte, FR) zur neuen Ständerätin des Kantons Freiburg verantwortlich. Levrat war in der Herbstsession nach fast 20-jähriger Amtszeit in der kleinen (ab 2012) und der grossen Kammer (seit 2003) verabschiedet worden. Der ehemalige Parteipräsident der SP (2008-2020) sei ein «Animal politique» lobte ihn der Ständeratspräsident Alex Kuprecht (svp, SZ). Levrat trat zurück, um sein Amt als Verwaltungsratspräsident bei der Post anzutreten. Isabelle Chassot war bei den Ersatzwahlen im Kanton Freiburg von nahezu zwei Dritteln der Stimmen zur neuen Standesvertreterin gewählt worden. Sie hatte von 2001 bis 2013 in der Freiburger Regierung gesessen bevor sie acht Jahre lang als Direktorin dem Bundesamt für Kultur vorgestanden hatte. Chassot legte am ersten Tag der Wintersession 2021 den Eid ab.

Mutationen 2021
Dossier: Mutationen im nationalen Parlament

Im Jahr 2021 drehte sich die mediale Debatte im Energiebereich stark um die Frage, wie die Stromproduktion der Schweiz in Zukunft aussehen soll. Es kam die Befürchtung auf, dass künftig eine Strommangellage entstehen könnte. Dies war insbesondere auf drei Entwicklungen zurückzuführen: Erstens werden durch die schrittweise Ausserbetriebnahme der Schweizer Atomkraftwerke rund 40 Prozent der heutigen Schweizer Stromproduktion wegfallen, wie die NZZ schrieb. Zweitens wird durch den Ausbau der erneuerbaren Energien eine unregelmässigere Stromproduktion stattfinden, die speziell in den Wintermonaten zu einem Nachfrageüberhang führen könnte. Diese Lücke könnten womöglich zukünftig auch umliegende Länder nicht schliessen, da sich diese in einer ähnlichen Situation befinden und ihre Energieproduktion mittel- bis langfristig ebenfalls CO2-neutral gestalten möchten, erklärte die Argauer Zeitung. Drittens führte der Entscheid des Bundesrates, die Verhandlungen über ein institutionelles Rahmenabkommen abzubrechen, dazu, dass vorerst auch kein sektorielles Stromabkommen mit der EU abgeschlossen werden kann. Die EU hatte den Abschluss des Stromabkommens an das Zustandekommen des Rahmenabkommens geknüpft. Die Stromversorgungssicherheit leidet damit insofern, als die Schweiz von wichtigen Gremien und Plattformen des EU-Strombinnenmarktes ausgeschlossen wird und Stromlieferungen in die Schweiz teilweise unsicherer werden. Nach dem Scheitern des Rahmenabkommens sei deshalb klar geworden, dass die Situation schwierig werde, resümierte der Tages-Anzeiger. Die Schweizer Energiestrategie 2050 basiere auf der Annahme, dass ein Stromabkommen mit der EU bestehe, erklärte Ex-Nationalrat und heutiger ElCom-Präsident Werner Luginbühl anlässlich der jährlichen Medienkonferenz der nationalen Regulierungsbehörde. Ohne Abkommen werde es daher zunehmend schwierig, die Nachfrage jederzeit decken zu können. Auch das Bundesamt für Bevölkerungsschutz schätzte 2020 einen längeren Stromausfall als eine der derzeit grössten Gefahren für das Land ein.

Durch das Ausbleiben eines solchen bilateralen Abkommens droht der Schweiz – als erste Folge – der Ausschluss vom Regelenergiemarkt. So können kurzfristige Strom-Reservekapazitäten nicht mit den EU-Ländern gehandelt werden, was insbesondere die Stromversorgungssicherheit tangiert. Dies wiederum habe finanzielle Folgen, da die Stromkonzerne ihren Trumpf in den Alpen, die Pumpspeicherkraftwerke, nicht vollständig ausspielen können, um bei Spitzenzeiten mit abrufbarem Stromangebot mitmischen zu können, berichtete die NZZ. Gemäss dem Tages-Anzeiger warte Swissgrid seit Oktober 2020 auf ein Signal aus Brüssel, um die Handelsplattform formell nutzen zu können. Wie dieselbe Zeitung weiter schrieb, sei es aber vornehmlich der EU-Kommission ein Anliegen, die Schweiz von dieser Plattform auszuschliessen. Sie setze deshalb Druck auf Länder wie Deutschland und Frankreich auf, um die Schweiz nicht mehr an den Verhandlungstisch einzuladen. Als zweite Folge eines fehlenden bilateralen Abkommens kann Swissgrid auch nicht in wichtigen regulatorischen Gremien mit anderen Übertragungsnetzbetreibern Einsitz nehmen. Dies führe zu fehlender Koordination und ungeplanten Lastflüssen, respektive zur Situation, dass plötzlich unerwartet eine gewisse Strommenge durch die Schweiz fliesst und eine flexible und ineffiziente Ausgleichsmassnahme durch die Zuschaltung von Schweizer Wasserkraftkapazitäten nötig wird, erklärte die NZZ. BFE-Sprecherin Marianne Zünd resümierte, dass sich die Situation für alle Akteure in der Schweiz verschlechtern werde. «Trotz physischer Verbundenheit wird die Schweiz aber zunehmend zu einer Strominsel», schrieb die NZZ im April 2021.

Als Rezept gegen die drohende Strommangellage präsentierte der Bundesrat im Sommer unter der Federführung von Energieministerin Simonetta Sommaruga die Botschaft zur Revision des EnG und des StromVG. Die darin vorgesehenen Massnahmen waren in den entsprechenden Vernehmlassungen (Vernehmlassung des EnG; Vernehmlassung des StromVG) – zumindest im Falle des EnG – mehrheitlich auf positive Resonanz gestossen. Dieser Mantelerlass für eine sichere Stromversorgung mit erneuerbaren Energien sah nebst dem Ausbau und der Förderung der erneuerbaren Energien im Inland die Schaffung einer zusätzlichen Speicherreserve für die Wintermonate vor. Der Bundesrat wollte damit als Lösung für den Wegfall der Bandenergie aus den Atomkraftwerken die Kapazitäten im Inland stark mit erneuerbaren Energien ausbauen und eigenständig für mehr Versorgungssicherheit im Winter sorgen. Gleichzeitig gab Energieministerin Simonetta Sommaruga bekannt, den inländischen Strommarkt liberalisieren zu wollen. Der Strommarkt soll damit dank den Marktkräften effizienter werden, die erneuerbaren Energien besser integrieren, innovative Geschäftsmodelle ermöglichen und gleichzeitig den Konsumentinnen und Konsumenten bei der Stromanbieterwahl Wahlfreiheit lassen, wie der Bundesrat in einer Medienmitteilung bekannt gab.

Frischen Schub verlieh der medialen Debatte im Herbst 2021 eine Videobotschaft des Wirtschaftsministers Guy Parmelin. Darin richtete sich der Waadtländer Bundesrat an Unternehmerinnen und Unternehmer in der Schweiz mit der Bitte, sich auf allfällige Strommangellagen vorzubereiten und Konzepte auszuarbeiten, um in Notsituationen rasch stromintensive Aktivitäten kurzfristig aussetzen zu können. Konkret richtete sich diese Botschaft an rund 30'000 Unternehmen in der Schweiz, die einen jährlichen Stromverbrauch von über 100'000 kWh aufweisen. Solche Firmen könnten durch eine allfällige Anordnung des Bundesrates dazu verpflichtet werden, einen gewissen Prozentsatz am Stromverbrauch während einer Strommangellage einzusparen, erklärte der Tages-Anzeiger. Die Warnung des Wirtschaftsministers basierte auf einer Studie zur Versorgungssicherheit, die der Bundesrat in Auftrag gegeben hatte. In dieser Analyse war insbesondere ein Faktor dafür verantwortlich, dass gerade ab 2025 mit einem Engpass zu rechnen sei: Eine Vorgabe der EU, wonach ab 2025 mindestens 70 Prozent der grenzüberschreitenden Kapazitäten zwischen den EU-Staaten gehandelt werden müssen. Diese Regelung habe zur Folge, dass Exporte in Nicht-EU-Länder wie die Schweiz verringert würden und die inländische Netzstabilität hierzulande stark sinke, schlussfolgerte die Studie. Um ungeplante Lastflüsse auszugleichen, würden Wasserkraftreserven aufgebraucht werden müssen, die eigentlich für den Winter wichtig wären, um die dann anfallende Nachfrage decken zu können. In der politischen Debatte musste Energieministerin Simonetta Sommaruga viel Kritik einstecken und die Situation erklären. Sie habe sich über das alarmistische Vorpreschen ihres Amtskollegen Parmelin geärgert, folgerte beispielsweise der Tages-Anzeiger.

Nicht sehr verwunderlich präsentierten verschiedenste Politikerinnen und Politiker einen bunten Strauss an möglichen Massnahmen, um eine solche Strommangellage zu verhindern. Während die einen darauf beharrten, nun endlich mit dem Ausbau der erneuerbaren Energien vorwärts zu machen, forderten andere die Wiederbelebung der totgesagten Atomkraft, wie es beispielsweise der grosse Nachbar Frankreich unter Präsident Emanuel Macron tat. Schon im Sommer, nachdem das Schweizer Stimmvolk das CO2-Gesetz in einem Referendum knapp versenkt hatte und das Stromabkommen auf den Sankt-Nimmerleins-Tag («aux calendes grecques») verschoben worden war, wie «Le Temps» witzelte, berichtete dieselbe Zeitung von einer Wiederentdeckung der Atomenergie: Einerseits würde ein Weiterbetrieb der bestehenden Anlagen die Stromversorgungsknappheit entschärfen, andererseits eine relativ CO2-neutrale Energie liefern, so das Blatt. Weiter gingen Exponentinnen und Exponenten der SVP, die den Bau von neuen Atomkraftwerken auf das politische Parkett brachten. Die Atomkraft sei plötzlich wieder «en vogue», schrieb der Tages-Anzeiger dazu. Der Berner Nationalrat Albert Rösti wollte deshalb im Rahmen der Beratungen zum bereits erwähnten Mantelerlass für eine sichere Stromversorgung mit erneuerbaren Energien eine dahingehende Änderung des KEG beantragen, die das Neubauverbot für AKWs kippen würde. Auch Alt-Bundesrat Christoph Blocher weibelte in den Medien für neue AKWs, doch alle grossen Stromkonzerne in der Schweiz winkten bei der Frage nach neuen Anlagen ab; zu teuer, betriebswirtschaftlich nicht rentabel und gesellschaftlich nicht erwünscht, war der Tenor. Einen etwas anderen Ansatz wählte die Mitte-Partei: Parteipräsident Gerhard Pfister (mitte, ZG) brachte die Idee von einer Strom-Neat auf, die sich Parteikollege Beat Rieder (mitte, VS) ausgedacht habe. So könnte die EU von einer starken Stromleitung durch die Schweiz profitieren. Im Gegenzug würde die Schweiz bei wichtigen Gremien mitmachen dürfen, sodass die Versorgungssicherheit und die Netzstabilität verbessert würden, erhoffte sich Pfister von der Idee. Wie verschiedenste Medien schrieben, sei es aber fraglich, wie zentral die Schweiz als Stromdrehscheibe in Europa überhaupt noch sein werde. Derzeit sei es vor allem Italien, das ein starkes Interesse an einer funktionierenden Durchleitung durch die Schweiz habe. Mit dem Forcieren einer Starkstrom-Erdverkabelung zwischen Italien und Österreich schwinde allerdings diese Schweizer Trumpfkarte. Wichtig sei die Schweiz jedoch vorwiegend in Sachen Stromspeicherung, da dank den Pumpspeicherkraftwerken überschüssiger Strom auf dem EU-Markt gespeichert werden könnte. Eine andere Forderung, die auch schon länger in den politischen Debatten kursierte, war die Forderung für den Bau von Gaskraftwerken, die bei einer Strommangellage kurzfristig mit abrufbaren Kapazitäten einspringen könnten. Wie die Westschweizer Zeitung «24 heures» schrieb, schlage die Vereinigung Powerloop, der Fachverband für Energiefragen der Energiestrategie 2050, den Bau von rund 2000 kleinen Gaskraftwerken vor. Diese könnten einfach realisiert werden, bräuchten wenig Platz und könnten bei Bedarf einfach abgebaut werden, wenn dies die Situation verlange. Gemäss Aargauer Zeitung betrachtete auch der Bund CO2-kompensierte Gaskraftwerke als eine mögliche Übergangslösung. Allgemein stellt die Situation den Schweizer Strommarkt vor «riesige[...] Herausforderungen», prophezeite etwa die Aargauer Zeitung. Handkehrum könne die Gefahr eines Stromengpasses aber auch als Chance gesehen werden, damit sich das Land in eine nachhaltigere Energiewirtschaft bewege, sinnierte beispielsweise «Le Temps».

Strommangellage ab 2025
Dossier: Stromabkommen mit der EU

Am 13. September 2021 war die Covid-19-Zertifikatspflicht ausgeweitet worden. Dieses Zertifikat galt als Nachweis dafür, dass eine Person gegen Covid-19 geimpft, davon genesen oder negativ dagegen getestet worden war. Das Vorweisen eines solchen Zertifikats war zum Beispiel Bedingung für die Teilnahme an Veranstaltungen, den Besuch von Restaurants oder Kinos oder für Reisen in andere Länder. Explizit ausgenommen von der Zertifikatspflicht waren hingegen Parlamente und Gemeindeversammlungen, damit die politischen Rechte der Bürgerinnen und Bürger nicht eingeschränkt werden.
Bereits Ende August 2021 hatten sich Gesundheitspolitikerinnen der SP dafür starkgemacht, dass auch für das eidgenössische Parlament eine Zertifikatspflicht eingeführt wird; sie stiessen allerdings sogar in der eigenen Fraktion auf Widerstand. Dies wäre zwar gesundheitspolitisch sinnvoll, rechtlich aber wohl nicht machbar, so die ziemlich einhellige Meinung in allen Parteien. Eine solche Pflicht würde nicht nur gegen den Schutz der politischen Rechte verstossen, es müsste dafür wohl gar eine Gesetzesänderung beschlossen werden.
Darauf hin folgte jedoch ein ziemlich starkes mediales Gewitter: Es sei «absurd», dass das Parlament keine Zertifikatspflicht einführen und einen «Corona-Sonderzug für Politiker» fahren wolle, wetterte etwa der Tages-Anzeiger. Die «zertifikatsfreie Zone» sei ein «verheerendes Signal». Man werde so zudem den Verdacht nicht los, dass die Zertifikatspflicht wohl doch wesentlich einschneidender sei, als der Bundesrat jeweils betone. Selbst ansonsten eher massnahmenkritische SVP-Politikerinnen und -Politiker hätten gemerkt, dass «das Politikerprivileg im Volk schlecht ankommt», analysierte die Sonntags-Zeitung. Man könne nicht Gesetze machen und von den Bürgerinnen und Bürgern verlangen, diese einzuhalten, sich selbst als Parlament dann aber nicht daran halten, zitierte der Blick etwa Alex Kuprecht (svp, SZ). In der Folge forderten sämtliche Parteipräsidentinnen und -präsidenten mit Ausnahme des Präsidenten der SVP in einem offenen Brief an die Verwaltungsdelegation, für die Herbstsession eine Covid-19-Zertifikatspflicht für den Zutritt zum Parlamentsgebäude einzuführen. Es gebe «keinen überzeugenden Grund», Parlamentsmitglieder davon auszunehmen, so der Brief.

Die SPK-SR nahm in der Folge den Ball auf und reichte eine parlamentarische Initiative für eine für die Änderung der Zugangsbedingungen nötige Revision des Parlamentsgesetzes ein. Da für den Zugang nur mindestens ein Covid-19-Test nötig sei, sei es verhältnismässig, eine Covid-19-Zertifikatspflicht auch für den Eintritt zum Bundeshauses zu verlangen, begründete die Kommission ihr Vorgehen. Damit könnten auch Maskenpflicht und Plexiglaswände aufgehoben und somit die Kommunikation zwischen Parlamentsmitgliedern verbessert werden. Da die SPK-NR lediglich einen Tag nach ihrer Einreichung der parlamentarischen Initiative Folge gab, legte die ständerätliche Kommission ein paar Tage später bereits einen dringlichen Entwurf für eine entsprechende Revision des Parlamentsgesetzes vor, der vom Bundesrat begrüsst und noch in der Herbstsession 2021 von beiden Kammern beraten wurde.

Man stehe vor einem staatspolitisch brisanten Entscheid, leitete Andrea Caroni (fdp, AR) die Debatte im Ständerat ein. Man müsse sich bewusst sein, dass man damit unter Umständen Ratsmitglieder von der Teilnahme an einer Session ausschliesse. Freilich sei auch das öffentliche Interesse gross, sei doch viel mediale Kritik auf das Parlament eingeprasselt, weil zwar für den Zugang zu zahlreichen Innenräumen, nicht aber für den Zugang zum Bundeshaus eine Zertifikatspflicht gelte. Die gesetzliche Grundlage für eine Zertifikatspflicht sei nun aber nötig, weil sie nicht nur die Handlungsfähigkeit des Parlaments verbessere, sondern weil man damit auch beweisen könne, dass die vom Parlament beschlossene Pflicht auch im Bundeshaus problemlos umgesetzt werden könne. Die Kommission empfehle die Vorlage mit 9 zu 2 Stimmen zur Annahme, so der Kommissionssprecher Caroni. Mit einem Einzelantrag warb Beat Rieder (mitte, VS) in der Folge für Nichteintreten. Statt auf «Selbstverantwortung, Solidarität und Eigenverantwortung» setze man mit der Zertifikatspflicht auf «einen staatlichen Kontrollmechanismus». All diese Massnahmen würden zudem mit einem Tempo durchgepeitscht, welches die Bevölkerung spalte. Ein Ja zur Vorlage könne zudem auch als Signal an den Bundesrat gelesen werden, ohne Grenzen «grundrechtswidrige Entscheide» treffen zu dürfen. Mit 35 zu 7 Stimmen entschied sich der Ständerat allerdings für Eintreten.
Der Entwurf der SPK-SR sah vor, dass Personen ab dem 16. Altersjahr nur dann Zutritt zum Parlamentsgebäude erhalten, wenn sie ein Covid-19-Zertifikat vorweisen. Die Kosten für notwendige Tests für die Ausstellung eines Zertifikats sollten jenen Personen vergütet werden, die zwingend Zutritt zum Parlamentsgebäude benötigten. Der Verwaltungsdelegation oblag die Definition dieser Personengruppe und die Organisation der Kontrolle. Ihr wurde auch das Entscheidungsrecht übertragen, die Zertifikatspflicht wieder aufzuheben, wenn die epidemiologische Lage dies erlaubt. Stefan Engler (mitte, GR) verlangte in der Detailberatung eine Ausnahmeregelung für Personen, die eine Maske tragen und sich für das Contact Tracing registrieren liessen. Mit 21 zu 14 Stimmen (7 Enthaltungen) hiess der Ständerat diesen Antrag gut. Mit 23 zu 18 Stimmen (2 Enthaltungen) abgelehnt wurde hingegen ein Antrag einer Kommissionsminderheit, die eine Zertifikatspflicht nicht nur für den Zugang zum Parlamentsgebäude, sondern auch zu Kommissionssitzungen und ausserparlamentarischen Aktivitäten verlangt hätte. Die Gesamtabstimmung passierte der so modifizierte Entwurf mit 36 zu 6 Stimmen (1 Enthaltung).

Auch im Nationalrat wurden, einen Tag nach dem ständerätlichen Entscheid, Eintreten und Detailberatung in einer einzigen Debatte durchgeführt. Wie aufgrund des oben erwähnten Briefes der Parteipräsidien zu erwarten, wurde die Einführung einer Zertifikatspflicht von allen Fraktionen ausser der SVP begrüsst. Er habe ein «ungutes Gefühl», argumentierte Gregor Rutz (svp, ZH) für seine Fraktion. Unter Zeitdruck beschlossene Gesetze seien selten gut, weil man in Krisensituationen zu «Flüchtigkeitsfehlern» neige. Dieses schlechte Gefühl nähre sich auch am Umstand, dass man hier aufgrund medialen Drucks agiere und nicht, weil es gesundheitspolitisch nötig sei. Der SVP-Fraktionssprecher erinnerte zudem an die Geschichtsbücher: 1932 seien sozialdemokratische und kommunistische Nationalratsmitglieder per Parlamentsbeschluss ausgeschlossen worden. Der Ausschluss von Parlamentarierinnen und Parlamentariern, die sich weder testen noch impfen lassen wollten, komme dieser «verfassungsrechtlich höchst fragwürdigen» Aktion sehr nahe. Die Fraktion sehe aber auch, dass das Gesetz den Parlamentsbetrieb erleichtern würde. Die Mehrheit der SVP-Fraktion werde sich deshalb der Stimme enthalten.
Eintreten wurde in der Folge ohne Gegenantrag beschlossen. In der Detailberatung lagen zwei Minderheitenanträge vor. Eine Minderheit Binder (mitte, AG) beantragte die Streichung der vom Ständerat gemachten Ausnahme. Die Zertifikatspflicht sei keine Impfpflicht. Man könne von Parlamentsmitgliedern verlangen, dass sie sich testen lassen, weshalb eine Ausnahme nicht nötig sei, so die Argumentation dieser durch Marianne Streiff-Feller (evp, BE) vertretenen Minderheit. Eine zweite Minderheit Rutz wollte die Verwaltungsdelegation verpflichten, alle acht Wochen zu prüfen, ob die Massnahme noch notwendig sei. Beide Minderheiten wurden deutlich abgelehnt. Mit 146 zu 27 Stimmen (bei 17 Enthaltungen) passierte der gegenüber dem Ständerat unveränderte Entwurf die Gesamtabstimmung. Sämtliche Nein-Stimmen und Enthaltungen stammten von der SVP-Fraktion (mit Ausnahme einer Enthaltung aus der grünen Fraktion). 10 SVP-Mitglieder stimmten für die Änderung des Parlamentsgesetzes.

Beide Kammern stimmten wiederum nur wenige Tage später der Dringlichkeitsklausel zu – der Ständerat mit 35 zu 4 Stimmen und der Nationalrat mit 143 zu 35 Stimmen (6 Enthaltungen). Die Stimmenverhältnisse änderten sich auch in den Schlussabstimmungen am Ende der Herbstsession nicht. Der Entwurf wurde im Ständerat mit 38 zu 5 Stimmen (1 Enthaltung) und im Nationalrat mit 149 zu 35 Stimmen (12 Enthaltungen) angenommen.

In der Folge setzte die Verwaltungsdelegation die Zertifikatspflicht um. Ab dem 2. Oktober 2021 – also nach der Herbstsession 2021 – mussten alle Besucherinnen und Besucher des Bundeshauses ein Covid-19-Zertifikat vorlegen. Parlamentsmitglieder und Verwaltungsangestellte, die im Parlamentsgebäude ein- und ausgehen, konnten sich einmalig registrieren lassen, woraufhin ihr Covid-19-Zertifikat auf den elektronischen Zutrittsausweisen vermerkt wurde. Ratsmitglieder, die kein Zertifikat vorwiesen, mussten eine Maske tragen. Für die Wintersession 2021 beschloss die Verwaltungsdelegation dank der Zertifikatspflicht, die Plexiglasscheiben abzubauen und die Maskenpflicht aufzuheben.

Covid-Zertifikatspflicht im Bundeshaus

Ein «Harakiri für die Presse» seien ihre «Fake News über den Rücktritt von Ueli Maurer» gewesen, urteilte die Weltwoche über eine recht eindrückliche Zeitungsente Ende Oktober 2021. Zwar gab es in den Medien spätestens seit dem siebzigsten Geburtstag Maurers Ende 2020 immer wieder Spekulationen über eine mögliche Demission des SVP-Finanzministers. Bereits Ende 2020 hatten von Maurer etwas überraschend vorgenommene Personalrochaden im Finanzdepartement (Sonntagsblick) oder Informationen von «bundesratsnahe[n] Quellen» (Blick) zu Spekulationen um einen Rücktritt geführt. Letztere Quellen hatten angegeben, Maurer trete zurück, sollte das Rahmenabkommen mit der EU durchkommen, um dann den Widerstand der SVP anzuführen (Weltwoche). Maurer selber schloss damals freilich in Interviews nicht aus, 2023 gar noch eine weitere Legislatur anzuhängen.
Ende Oktober 2021 brachte die Aargauer Zeitung in einem Online-Artikel erneut das Gerücht in Umlauf, Ueli Maurer werde tags darauf zurücktreten. Sie stützte sich dabei auf einen nicht genannten Nationalrat, der zu Protokoll gab, dass es «klare Anzeichen dafür [gebe], dass die Bundesratssitzung vom Freitagmorgen anders ablaufen werde als gewöhnlich». Weil Maurer am Vortag nicht am SVP-Fraktionsausflug teilgenommen habe, scheine eine Demission naheliegend, urteilte daraufhin der Blick. Am folgenden Tag übernahmen sämtliche Leitmedien – mit Ausnahme der NZZ – die Meldung und vermuteten, dass der Finanzchef gleichentags seinen Rücktritt wohl auf Ende 2021 ankündigen werde. Der Tages-Anzeiger und die Aargauer Zeitung präsentierten gar mögliche Nachfolgerinnen und Nachfolger Maurers und porträtierten Albert Rösti (svp, BE), Franz Grüter (svp, LU), Gregor Rutz (svp, ZH) oder Natalie Rickli (ZH, svp) als Favoritinnen und Favoriten. Auch bei der SP tuschle man über mögliche Rücktritte, ging die Aargauer Zeitung gar noch einen Schritt weiter. Le Temps vermutete, dass es Maurer müde sei, seine Kritik an den Corona-Massnahmen wegen des Kollegialprinzips zurückhalten zu müssen.
Allerdings blieb die von den zahlreich anwesenden Medienschaffenden erwartete Rücktrittsankündigung nach der Bundesratssitzung aus. Dies sei keine «Sternstunde des Journalismus» gewesen, bilanzierte der Sonntagsblick. Die Aargauer Zeitung sprach von Gerüchten, die sich «zerschlugen». Maurer habe zudem stets gesagt, nur auf das Ende einer Legislatur zurücktreten zu wollen. Auch die NZZ meldete sich zu Wort. In einem Interview in der NZZ am Sonntag erklärte Maurer, dass ein Rücktritt «kein Thema» sei. Ausgiebig sezierte die Neue Zürcher Zeitung die «Zeitungsente des Jahres», wie sie vom Nebelspalter betitelt wurde. Am Freitag nach dem ersten Gerücht seien in der Schweizerischen Mediendatenbank über drei Dutzend Beiträge zum Rücktritt registriert worden und die grüne Fraktion habe gar eigens eine Sondersitzung einberufen, um darauf «vorbereitet» zu sein, einen Bundesratssitz anzugreifen. Als Ursprung des Gerüchts machte die NZZ einen Journalisten des Tages-Anzeigers aus, der mehrere Nationalratsmitglieder über mögliche Nachfolger Maurers befragt habe, was diese wohl zur irrigen Meinung geführt habe, der Finanzminister trete zurück. Denkbar sei auch, dass die SVP das Gerücht gestreut habe, um die eigenen Kandidierenden zu testen, so die NZZ. Die Weltwoche vermutete hingegen, dass SP-Politikerinnen und -Politiker darin eine Chance gewittert hätten, mit dem Gerücht von der «Affäre Berset» abzulenken.

Rücktritt von Ueli Maurer?

Ende August 2021 legte die UREK-NR einen Entwurf für die Revision des CO2-Gesetzes vor, mit welcher die Kommissionsinitiative «Verlängerung des Reduktionsziels im geltenden CO2-Gesetz» umgesetzt werden soll. Der Bundesrat gab im September 2021 bekannt, dass er den Kommissionsentwurf vollumfänglich unterstütze. Dieser werde aber nicht reichen, um die Emissionen bis 2030 um 50 Prozent zu reduzieren (im Vergleich zu 1990) und das netto Null Ziel bis 2050 zu erreichen.
Gegen Ende der Herbstsession 2021 und damit keine zwei Wochen nach der bundesrätlichen Stellungnahme wurde die Vorlage bereits im Nationalrat diskutiert, wo sich eine intensive Debatte mit zahlreichen Wortmeldungen entwickelte. Kommissionssprecher Bäumle (glp, ZH) erläuterte den Zweck der Gesetzesrevision. Dieser bestehe darin, «das Reduktionsziel des bestehenden Gesetzes bis Ende 2024» fortzuschreiben, sowie wichtige Massnahmen weiterzuführen – insbesondere die Rückerstattung der CO2-Abgabe an Betreiber mit Verpflichtung zur Verminderung der Treibhausgasemissionen. Auf weiterführende Massnahmen habe die Kommission verzichtet, um das Gesetz nicht zu überladen und so ein Referendum abzuwenden. Weiterführende Massnahmen seien gemäss Bäumle unumgänglich, gehörten aber in eine andere Vorlage, beispielsweise in den Gegenvorschlag zur Gletscher-Initiative. Anschliessend präsentierten die verschiedenen Fraktionen ihre Positionen und ihre entsprechenden Minderheitsanträge. Dabei lagen Anträge von links-grüner Seite, welche die Vorlage ausbauen wollten, sowie Anträge von rechts-bürgerlicher Seite, die die Vorlage straffen wollten, vor. Eine Minderheit Clivaz (gp, VS) verlangte beispielsweise die regelmässige Überprüfung der klimabedingten finanziellen Risiken durch die FINMA und die SNB und eine Minderheit Klopfenstein Broggini (gp, GE) forderte eine Lenkungsabgabe auf private Flüge. Auf der anderen Seite des politischen Spektrums trat Albert Rösti (svp, BE) dafür ein, dass der maximal zulässige Kompensationszuschlag von 5 auf 1,5 Rappen pro Liter Benzin gesenkt wird. Bei den anschliessenden Abstimmungen wurden jedoch alle diese Minderheitsanträge abgelehnt. Einzig ein Einzelantrag Regazzi (mitte, TI) fand mehrheitlich Zustimmung. Mit der Annahme dieses Antrags entschied die grosse Kammer, dass die Mandate für die derzeit mit der Umsetzung der Zielvereinbarungen betrauten Agenturen bis 2024 verlängert werden sollen. In der Schlussabstimmung votierten 143 Mitglieder des Nationalrats für die Annahme des Entwurfs; einzig die SVP-Fraktion stimmte geschlossen dagegen (53 Stimmen). Als nächstes wird sich der Ständerat mit der Vorlage befassen.

Verlängerung des Reduktionszieles im geltenden CO2-Gesetz (Pa. Iv. 21.477)
Dossier: Wie geht es nach der Ablehnung des CO2-Gesetzes an der Urne im Juni 2021 weiter?

In der Herbstsession 2021 begann der Ständerat mit der Differenzbereinigung bei der Harmonisierung der Strafrahmen. Dabei schloss er sich in zwei umstrittenen Punkten dem Nationalrat an. Einerseits verzichtete die Ständekammer nun darauf, den Wortlaut von Art. 42 StGB anzupassen, sodass bei Ersttäterinnen und Ersttätern mit günstiger Prognose weiterhin «in der Regel» eine bedingte Strafe verhängt wird und nicht nur verhängt werden «kann». Die Kommissionsminderheit hätte mit der Änderung den Entscheidungsspielraum für das Gericht vergrössern wollen, wie deren Vertreter Stefan Engler (mitte, GR) erklärte. Die Mehrheit beantragte, dem Nationalrat zu folgen und beim geltenden Recht zu bleiben, weil damit eine Anpassung von 2007 rückgängig gemacht würde, «obwohl die damalige Praxis betreffend Ersttäter mit der gleichen Begründung wie heute kritisiert wurde», wie Bundesrätin Karin Keller-Sutter anmerkte. Mit der Kann-Bestimmung schriebe man nur wieder etwas ins Gesetz, «was schon damals nicht so funktioniert hat, wie Sie es sich wünschen», kritisierte auch Mathias Zopfi (gp, GL). Der Entscheid, die Änderung fallen zu lassen, fiel bei 20 zu 20 Stimmen mit Stichentscheid des Ratspräsidenten Alex Kuprecht (svp, SZ).
Andererseits stimmte der Ständerat mit 33 zu 7 Stimmen bei einer Enthaltung dem Beschluss seiner Schwesterkammer zu, im sogenannten Raserartikel (Art. 90 Abs. SVG) die Mindeststrafe zu streichen. Dass bei Raserdelikten immer eine Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr, wenngleich möglicherweise bedingt, ausgesprochen werden müsse, sei im Vergleich zu anderen Strafrahmen unverhältnismässig. Selbst bei Vergewaltigungen seien kürzere Strafen möglich, und beim Raserdelikt werde allein die Gefährdung anderer geahndet, ohne dass es zu einem Unfall mit Verletzten oder Toten gekommen sei, so die Argumente für die Abschaffung der Mindeststrafe. EJPD-Vorsteherin Karin Keller-Sutter zeigte sich mit der Begründung einverstanden und erklärte, der Bundesrat schlage mit der Revision des SVG ebendiese Änderung vor. Sie hatte den Ständerat allerdings vergebens gebeten, jener vom UVEK erarbeiteten Vorlage nicht vorzugreifen und die Änderung dort vorzunehmen anstatt bei der Strafrahmenharmonisierung.
Ebenfalls übernahm die Kantonskammer das Konzept des Nationalrates, das bei Gewalt und Drohung gegen Behörden und Beamte aus einem zusammengerotteten Haufen heraus zwischen Gewalt an Personen und Gewalt an Sachen unterscheidet. Wer aus einer Zusammenrottung heraus Gewalt an Personen verübt, wird künftig mit Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu drei Jahren bestraft. Geldstrafen sind nur noch bei Gewalt an Sachen möglich, wobei auch hier die Mindeststrafe auf 90 Tagessätze angehoben wurde (bisher 30). Fest hielt der Ständerat indessen an seinem Beschluss, dass bei Gewalt und Drohung gegen Behörden und Beamte – unabhängig von einer Zusammenrottung – grundsätzlich eine Freiheitsstrafe auszusprechen sei und Geldstrafen nur noch in Bagatellfällen möglich sein sollen. Der Nationalrat hatte dies abgelehnt.
Für erstaunlich umfangreiche Diskussionen sorgte die Parallelität von Geld- und Freiheitsstrafen, also dass eine Mindestgeldstrafe von beispielsweise 30 Tagessätzen auch immer eine Mindestfreiheitsstrafe von 30 Tagen bedeutet. Erstaunlich deshalb, weil sich der Rat bezüglich der Parallelität einig war und nur noch darüber diskutierte, ob dieser Aspekt ausdrücklich ins Gesetz geschrieben werden muss. Der Nationalrat hatte nicht gutgeheissen, dass der Ständerat dies im Gesetz explizit festhalten wollte. Auch Bundesrätin Karin Keller-Sutter sprach sich gegen die entsprechende Ergänzung aus; dies sei «nicht nötig, da solche Zweifel weder in der Praxis noch in der Lehre bestehen». Mit 27 zu 11 Stimmen entschied sich der Ständerat dennoch dafür, diese Parallelität ausdrücklich niederzuschreiben. Der mit der Mehrheit stimmende Andrea Caroni (fdp, AR) wunderte sich denn auch etwas schalkhaft über die intensive Diskussion darüber, «ob man das, worüber man sich ja eigentlich einig ist, jetzt auch ins Gesetz schreiben soll oder nicht». Mit einigen weiteren kleineren Differenzen übergab die Ständekammer das Geschäft wieder an den Nationalrat.

Harmonisierung der Strafrahmen (BRG 18.043)
Dossier: Revision des Strafgesetzbuches (2008– )
Dossier: Harmonisierung der Strafrahmen (Besonderer Teil des Strafgesetzbuches)

Als Erstrat behandelte der Nationalrat in der Wintersession 2021 die Pensionskassenreform BVG 21. Thomas de Courten (svp, BL) und Benjamin Roduit (mitte, VS) stellten dem Rat die Vorlage und insbesondere die Änderungsanträge der SGK-NR an der bundesrätlichen Version vor. Der Bundesrat hatte in der Botschaft den von den Sozialpartnern – dem SAV, dem SGB und Travail.Suisse, nicht aber vom Gewerbeverband – ausgearbeiteten Entwurf übernommen. Die Kommissionsmehrheit erachtete aber insbesondere den darin enthaltenen Rentenzuschlag als «nicht zielführend» und als Eingriff in die Selbstständigkeit der Vorsorgeeinrichtungen, wie de Courten erläuterte. Statt einem Zuschlag «nach dem Giesskannenprinzip» sollen nur die Renten einer Übergangsgeneration und von Personen «im und nahe beim BVG-Obligatorium gezielt verbessert werden». Daneben lagen verschiedene Minderheitsanträge mit Alternativmodellen zum Rentenzuschlag vor. Doch nicht nur im umstrittensten Aspekt, dem Rentenzuschlag, auch in zahlreichen weiteren Punkten wollte die Kommissionsmehrheit vom Vorschlag der Sozialpartner bzw. dem Entwurf der Regierung abweichen.
Die Sprecherinnen und Sprecher der Fraktionen hoben in der Folge insbesondere die Relevanz der Revision hervor, zeigten sich aber bezüglich der Gründe für diese Relevanz und damit auch bezüglich der von der Kommissionsmehrheit vorgeschlagenen Massnahmen gespalten. Die Mitte, die FDP und die SVP unterstützten in ihren Voten die Kommissionsmehrheit. Für sie war eine Senkung des Umwandlungssatzes dringend, wie etwa Ruth Humbel (mitte, AG) für die Mitte betonte. Man anerkenne die Wichtigkeit von Ausgleichsmassnahmen, diese müssten jedoch auf eine Übergangsgeneration beschränkt sein, erklärte Albert Rösti (svp, BE). Regine Sauter (fdp, ZH) verlangte überdies, dass die Massnahmen «innerhalb des Systems der zweiten Säule» vorgenommen werden, und sprach sich damit gegen das von den Sozialpartnern vorgeschlagene Umlageverfahren in der zweiten Säule aus. Eine Mitteposition nahm die GLP ein: Melanie Mettler (glp, BE) betonte die Wichtigkeit einer Revision, welche anschliessend eine Volksabstimmung übersteht, weil eine erneute Abstimmungsniederlage nicht nur die «teuerste Variante ist, sondern auch diejenige, die am meisten Vertrauensverlust verursacht». Deshalb werde die GLP ein Kompromissmodell zu den Ausgleichsmassnahmen präsentieren. Katharina Prelicz-Huber (gp, ZH) zeigte sich für die Grünen vom Mehrheitsmodell enttäuscht und bezeichnete dieses gar als «Pfusch», zumal es das Hauptziel der Vorlage – ein Ende der sinkenden Realrenten – im Gegensatz zum Sozialpartnermodell nicht erfülle. Auch Pierre-Yves Maillard (sp, VD) verwies für die SP darauf, dass die Renten 2025 bei gleichem Kapital 20 Prozent niedriger sein werden als noch 2010. Man habe in den Diskussionen zwischen den Sozialpartnern zugunsten eines Kompromisses auf viele nötigen Massnahmen verzichtet – mit ihrem Vorschlag gehe die Kommissionsmehrheit aber viel zu weit: «Mesdames et Messieurs des partis bourgeois, vous allez trop loin!» Man werde eine solche Vorlage nicht akzeptieren, betonte auch Katharina Prelicz-Huber und stellte bereits vor der Detailberatung eine Referendumsdrohung in den Raum. Auch Gesundheitsminister Berset verteidigte in der Folge ausführlich den Kompromiss der Sozialpartner. «Wenn irgendjemand hier denkt, dass es möglich sein wird, in einer so komplexen Materie ohne die Sozialpartner eine Mehrheit zu finden, dann wünsche ich viel Glück.» Eintreten war in der Folge unbestritten.

Im ersten Block behandelte der Rat vor allem Fragen zu den versicherten Einkommen und zum Sparprozess. Die Kommissionsmehrheit hatte hier vorgeschlagen, die Eintrittsschwelle, ab der Einkommen bei der Pensionskasse versichert sind, fast zu halbieren (neu: CHF 12’548), der Bundesrat und eine Minderheit de Courten wollten diese bei ihrem bisherigen Wert belassen (CHF 21’510). Mit der Beibehaltung der bisherigen Eintrittsschwelle wolle man die Personen mit tieferen Einkommen nicht durch BVG-Abgaben belasten, begründete Albert Rösti den Minderheitsantrag. Die Kommissionsmehrheit erachtete eine Senkung jedoch gerade für Personen mit Teilzeitanstellungen und niedrigen Pensen als relevant und setzte sich mit dieser Ansicht mit 141 zu 49 Stimmen (bei 3 Enthaltungen) gegen den Widerstand des Grossteils der SVP-Fraktion durch. Auch die Forderung, dass sich Arbeitnehmende mit verschiedenen Arbeitgebenden obligatorisch versichern müssen, wenn ihr Gesamteinkommen die Eintrittsschwelle übersteigt, nahm die Ratsmehrheit gegen den Willen einer Mehrheit der SVP-Fraktion an und schuf damit die ersten zwei Differenzen zum bundesrätlichen Vorschlag.
Zusammen mit der Eintrittsschwelle wollte die Kommissionsmehrheit in Übereinstimmung mit dem Bundesrat auch den koordinierten Lohn (und damit den Koordinationsabzug) senken. Statt wie bisher zwischen CHF 25'095 und CHF 86'040 sollten zukünftig Einkommen zwischen CHF 12'443 und CHF 85'320 versichert werden – der Koordinationsabzug würde somit annähernd halbiert. Zwei Minderheiten I Roduit und II de Courten wünschten sich einen anteilsmässigen Koordinationsabzug von 40 Prozent (Roduit) respektive 60 Prozent (de Courten), wobei der Koordinationsabzug in der Höhe begrenzt wäre, während eine Minderheit III Mettler vollständig auf den Koordinationsabzug verzichten wollte. Albert Rösti erachtete den Vorschlag de Courtens als Kompromiss zwischen dem bisherigen und dem von der Kommissionsmehrheit vorgeschlagenen System. Erwerbstätigkeit müsse versichert sein, «egal, in welchem Erwerbsmodell sie erfolgt», begründete hingegen Melanie Mettler ihren Antrag. Die Kommissionsmehrheit setzte sich in den Abstimmungen gegen die Minderheitsanträge durch, wobei die Minderheiten nur bei der SVP-Fraktion (Minderheit II) respektive bei der GLP- und bei Teilen der FDP.Liberalen-Fraktion (Minderheit III) Anklang fanden.
Auch die Frage, ab wann sich junge Menschen für das Alter versichern müssen, war umstritten. Bisher lag die entsprechende Altersgrenze bei 24 Jahren. Während über den Versicherungsbeginn für Tod und Invalidität ab 17 Jahren kaum Worte verloren wurden, lagen zahlreiche Anträge zum Beginn des Alterssparens vor: Die Kommissionsmehrheit wollte diese Grenze auf 19 Jahre senken, während Minderheiten I Roduit und II Gysi (sp, SG) diese bei 20 respektive 24 Jahren ansetzen wollten. Durch eine Vorverlegung des obligatorischen Sparprozesses und eine Erhöhung der Altersgutschriften für Junge, wie sie ebenfalls geplant waren, würden Junge gleich doppelt belastet, kritisierte Barbara Gysi erfolglos. Die Kommissionsmehrheit setzte sich mit 122 zu 71 Stimmen und 126 zu 67 Stimmen gegen die SP, Grüne und Teile der Mitte durch. Und wie von Barbara Gysi befürchtet, erhöhte der Rat in der Folge tatsächlich auch die Altersgutschriften für Junge. Bisher waren diese in vier Stufen gestaffelt, wobei ab 55 Jahren die höchsten Altersgutschriften bezahlt werden mussten. Bundesrat und Kommissionsmehrheit sahen nun nur noch zwei Altersstufen vor (BR: 25-44 und ab 45, Kommissionsmehrheit: 20-44 und ab 45), um die Gefahr einer Entlassung für die älteren Arbeitnehmenden zu verringern. Hierzu lagen vier Minderheitsanträge vor, wobei Minderheiten Gysi und Roduit tiefere Altersgutschriften für Junge, Minderheiten de Courten und Aeschi (svp, ZG) bereits einen früheren Anstieg der Erhöhung der Altersgutschriften forderten. Erneut setzte sich der Vorschlag der Kommissionsmehrheit jedoch durch.

Im zweiten Block debattierte der Rat über die zentralen Fragen der Revision, den Mindestumwandlungssatz und die Ausgleichsmassnahmen. Neben Diskussionen und Anträgen über die Häufigkeit und Breite begleitender Berichte zur Senkung des Mindestumwandlungssatzes stellte Stefania Prezioso (egsols, GE) auch einen Einzelantrag, den Umwandlungssatz statt auf 6 Prozent (von 6.8 Prozent) nur auf 6.4 Prozent zu senken. Galt dieser Aspekt bisher weitgehend als unbestritten, begründete sie ihren Antrag nun mit der verbesserten Situation der Pensionskassen, aber auch mit einer Verlangsamung des Anstiegs der Lebenserwartung. Unterstützt wurde sie von der SP- und der Grünen Fraktion, wie etwa Barbara Gysi betonte: Man habe den Sozialpartnerkompromiss mitgetragen, aber wenn die Ratsmehrheit von diesem abweiche, sei man nicht mehr zu einer so starken Senkung des Umwandlungssatzes bereit. Über die SP und die Grünen hinaus fand der Antrag jedoch keine Zustimmung und wurde vom Nationalrat abgelehnt.
Bezüglich der Ausgleichsmassnahmen lagen dem Nationalrat vier Entwürfe vor: Die Kommissionsmehrheit wollte die Ausgleichsmassnahmen einer Übergangsgeneration von 15 Jahrgängen zugänglich machen, wobei die Zuschüsse nach Alterskategorien abgestuft werden sollten (65-61 Jahre: CHF 2400 jährlich, 60-56 Jahre: CHF 1800, 55-51 Jahre: CHF 1200). Finanziert werden sollten die Ausgleichsmassnahmen durch eine einmalige Einlage der Vorsorgeeinrichtung zum Zeitpunkt des Altersrücktritts und durch Zuschüsse des Sicherheitsfonds, welche dieser während 15 Jahren bei den Vorsorgeeinrichtungen erhebt. Eine Minderheit I de Courten wollte die vom Bundesrat beantragten Ausgleichsmassnahmen gänzlich streichen und stattdessen den in eine Altersrente umzuwandelnden Anteil des Altersguthabens während zehn Jahren nach Inkrafttreten des Gesetzes im ersten Jahr um 13 Prozent und anschliessend jeweils um 1.3 Prozentpunkte weniger pro Jahr erhöhen. Eine Minderheit II Mettler wollte wie angekündigt «den Anliegen beider politischer Lager Rechnung» tragen. Mit ihrem Vorschlag sollte das Rentenniveau für zwei Drittel der Versicherten erhalten werden, aber nur für 20 Jahrgänge: So sollte der monatliche Zuschlag, der für den ersten Jahrgang CHF 200 beträgt, jeweils um CHF 10 pro Jahrgang reduziert werden. Während 20 Jahren wären dafür Beiträge über 0.3 Prozent des versicherten Lohns nötig. Eine Minderheit III Maillard beantragte schliesslich, dem Bundesrat zu folgen und für alle zukünftigen BVG-Rentnerinnen und -Rentner Ausgleichsmassnahmen zu schaffen. Denn durch den Ausschluss der wohlhabenden Arbeitnehmenden von den Ausgleichsmassnahmen trügen diese auch nicht mehr zu deren Finanzierung bei, kritisierte Pierre-Yves Maillard die übrigen Modelle. Die Höhe der Zuschläge sollte nur bereits für die nächsten 15 Jahre festgelegt werden, finanziert würden die Zuschläge durch einen Beitrag von 0.5 Prozent des massgebenden Lohns im Umlageverfahren.
Unterstützung fanden die Minderheitsanträge nur bei den Fraktionen der SVP (Minderheit I de Courten), bei der SP und den Grünen (Minderheit III Maillard) respektive bei der SP, den Grünen und der GLP (Minderheit II Mettler) – sie alle wurden folglich zugunsten des Mehrheitsantrags verworfen. In der zentralen Frage der Vorlage entschied sich der Nationalrat somit, vom Vorschlag des Bundesrates und der Sozialpartner abzuweichen.
Abgelehnt wurde in der Folge auch ein Minderheitsantrag Meyer (sp, ZH), der – in Übereinstimmung mit der Regelung zur AHV 21 – den Rentenzuschlag bei der Berechnung der Ergänzungsleistungen nicht berücksichtigen wollte, da sonst «die Menschen mit tiefen Löhnen am Ende des Monats nicht mehr Geld zur Verfügung haben würden» als bisher, wie Yvonne Feri (sp, AG) erläuterte. Auch dieser Antrag fand jedoch über die SP, die Grünen und die GLP hinaus keine Zustimmung.

Im dritten Block standen noch diverse Detailfragen an, hier dominierten vor allem links-grüne Minderheitsanträge. Erfolglos verlangte etwa eine Minderheit Prelicz-Huber Erziehungs- und Betreuungsgutschriften wie in der AHV, eine Minderheit Meyer setzte sich für die Beibehaltung der Möglichkeit zur Weiterversicherung des Lohns für Personen ab 58 Jahren bei einer Lohnreduktion um die Hälfte ein und eine Minderheit Gysi wollte eine Definition von missbräuchlichen Tarifen für Todesfall- und Invaliditätsleistungen festlegen lassen. Erfolgreich war lediglich eine Minderheit Prelicz-Huber mit 112 zu 80 Stimmen gegen einen Antrag der Kommissionsmehrheit, mit dem der bisherige Steuerabzug von Beiträgen an die Altersvorsorge von CHF 6’900 auf CHF 10'000 erhöht werden sollte. Zustimmung hatte der Mehrheitsantrag bei Mitgliedern der SVP und der FDP erhalten.
In der Gesamtabstimmung hiess der Nationalrat die BVG 21-Reform mit 126 zu 66 Stimmen (bei 1 Enthaltung) gut. Die ablehnenden Stimmen stammten von Mitgliedern der SP und der Grünen.

Reform der Beruflichen Vorsorge (BVG 21; BRG 20.089)
Dossier: Koordinationsabzug und Eintrittsschwelle BVG

Im August 2021 brachte der Bundesrat mit der vorgeschlagenen Anpassung der Bundesbeschlüsse über den zweiten Schweizer Beitrag an ausgewählte EU-Mitgliedstaaten Bewegung in die Diskussionen um den seit 2019 eingefrorenen Beitrag in Höhe von CHF 1302 Mio. (inklusive CHF 65 Mio. Eigenaufwand der Bundesverwaltung). Nach der Aberkennung der Börsenäquivalenz durch die EU hatten sich die beiden Räte dafür ausgesprochen, die Auszahlung des Beitrags zu blockieren, bis vonseiten der EU keine diskriminierenden Massnahmen mehr in Kraft seien. In seiner Botschaft liess der Bundesrat jedoch verlauten, dass man nach dem Abbruch der Verhandlungen über das institutionelle Rahmenabkommen den bilateralen Weg fortführen und daher den Schweizer Beitrag «ohne europapolitische Bedingungen» freigeben wolle. Die Freigabe würde auch beweisen, dass die Schweiz eine verlässliche Partnerin bleibe, erklärte der Bundesrat. Dafür müsse das Parlament die Bundesbeschlüsse zu den Rahmenkrediten Kohäsion (CHF 1047 Mio.) und Migration (CHF 190 Mio.) möglichst bald – vorzugsweise noch in der Herbstsession 2021 – freigeben. Der Bundesrat wolle durch diesen Schritt den Beziehungen zur EU neue Impulse verleihen und Fortschritte in weiteren Dossiers ermöglichen, beispielsweise bei der Weiterführung der Assoziierung an das Forschungsprogramm Horizon Europe. Zudem sei eine rasche Freigabe des Rahmenkredits wichtig, weil dessen gesetzliche Grundlage bis Ende 2024 befristet sei. Basierend auf den Erfahrungen des ersten Beitrags schätzte der Bundesrat, dass die Verpflichtung der Mittel ungefähr drei Jahre brauche, weshalb eine spätere Freigabe die Vollständigkeit der Verpflichtung bedrohe. Für die Umsetzung der Auszahlung plane man zudem ein MoU zu vereinbaren, um eine Grundlage für den Abschluss der bilateralen Umsetzungsabkommen mit den Empfängerstaaten zu schaffen.
Die AZ gab tags darauf zu bedenken, dass der Zeitplan des Bundesrats illusorisch sei, da sich der Ständerat erst am letzten Sessionstag mit dem Geschäft auseinandersetze, weshalb es erst in der Wintersession in den Nationalrat gelangen könne. Zahlreiche Parlamentarier und Parlamentarierinnen äusserten sich gegenüber den Medien zwar wohlwollend zu den Plänen des Bundesrats, zeigten gegenüber dem zeitlichen Drängen jedoch wenig Verständnis. Ständerat Würth (mitte, SG) meinte, dass eine Abweichung von der Verfahrensordnung vom Bundesrat begründet werden müsse. Auch Ständeratspräsident Kuprecht (svp, SZ) teilte mit, dass das Ständeratsbüro ein dringliches Verfahren für unnötig erachte. Ähnlich klang es vonseiten der Mitte, bei der Parteipräsident Pfister (mitte, ZG) den Entscheid der EU-Kommission zur zukünftigen Schweiz-Politik abwarten wollte, wie die NZZ berichtete. Die FDP-Fraktion unterstützte zwar die Absichten des Bundesrats, liess jedoch auch Kritik an dessen Kurs anklingen. Nationalrat Portmann (fdp, ZH) verlangte Vorschläge für das weitere Vorgehen zur Entspannung der Beziehung Schweiz-EU. Auch sein Parteikollege Damian Müller (fdp, LU) erwartete, dass der Bundesrat zuerst aufzeige, welche Ziele mit der EU angestrebt werden und wie eine Gesamtstrategie aussehen solle.

Der zweite Schweizer Beitrag an ausgewählte EU-Mitgliedstaaten (Zweite Kohäsionsmilliarde)
Dossier: Schweizer Beitrag an die erweiterte EU

Der Schweizerische Freibergerverband (Fédération suisse du franches-montagnes), der sich für die Zucht von Freiberger-Pferden einsetzt, wählte im Juli 2021 den Berner SVP-Nationalrat Albert Rösti (svp, BE) zu seinem neuen Präsidenten. Rösti stammt selbst aus einer Bauernfamilie, die Freiberger-Pferde züchtete. Nachdem der bisherige Vizepräsident Christoph Haefeli seine Kandidatur fürs Präsidium zur Vermeidung einer Kampfwahl zurückgezogen hatte, war die Wahl an der Delegiertenversammlung letztlich unumstritten – Röstis Berner Herkunft und SVP-Mitgliedschaft wurden ihm im stark im Jura verankerten Verband offenbar nicht zur Last gelegt, wie der Quotidien Jurassien feststellte. Mit Rösti steht nach dem jurassischen Mitte-Nationalrat Jean-Paul Gschwind (mitte, JU) somit weiterhin ein nationaler Parlamentarier an der Spitze des Verbands. Laut Quotidien Jurassien trat Rösti sein Amt in einer für den Verband schwierigen Zeit an, die von einem deutlichen Rückgang der Anzahl Freiberger-Fohlen, Nachwuchsproblemen und verbandsinternen Spannungen geprägt sei.
Im Weiteren stimmte die Delegiertenversammlung für den Beitritt ihres Verbands zum Dachverband Schweizer Pferdezuchtorganisationen (VSP), während sie eine Angliederung an den Schweizerischen Verband für Pferdesport (SVPS) ablehnte.

Albert Rösti als neuer Präsident des Schweizerischen Freibergerverbands

La crise du Covid-19 a fait irruption dans le quotidien des suisses et des suissesses au début de l'année 2020, plongeant le pays, mais aussi le reste du monde, dans une période inhabituelle d'incertitudes. Comme l'ont constaté les médias nationaux, cette crise s'est accompagnée d'une dégradation du climat politique et sociétal, en particulier avec les deuxième et troisième vagues à l'automne 2020 et au printemps 2021. Evoqué à maintes reprises par la presse, la fracture qui s'est développée au sein de la population s'est accentuée avec l'arrivée des vaccins, et avec eux des débats autour des certificats sanitaires, des conditions d'entrée dans les événements culturels et dans les restaurants ou encore de la gratuité des tests. Des manifestations ont eu lieu à divers endroits du pays pour protester contre les mesures sanitaires. Au niveau politique, la population a certes approuvé la loi Covid-19 en votation le 13 juin 2021. Cependant, le souverain se prononcera à nouveau le 28 novembre 2021 sur la deuxième mouture de cette loi, le comité référendaire n'ayant eu aucun mal à rassembler les signatures nécessaires à la tenue d'un autre référendum.
Dans ce contexte, de nombreux et nombreuses opposants et opposantes ont dénoncé les mesures sanitaires «imposées» par le Conseil fédéral, allant jusqu'à utiliser le terme de «dictature» pour qualifier la situation actuelle. L'UDC souhaitait faire office de porte-parole à cette partie de la population et plusieurs de ses représentantes et représentants se sont montrés très critique à l'encontre des autorités. Le conseiller national zurichois Roger Köppel n'a d'ailleurs pas hésité à exiger la démission de l'entier du collège fédéral. La virulence des élu.e.s agrarien.ne.s a poussé le président de la Confédération Guy Parmelin, issu du même parti, à mettre les points sur les i à la fin du mois de février, rappelant que la Suisse est loin d'être une dictature. Certain.e.s élu.e.s cantonaux.ales ont par ailleurs pris leurs distances avec la ligne du parti, à l'exemple du ministre de la santé argovien Jean-Pierre Gallati. Selon lui, Magdalena Martullo-Blocher (GR), qui fut l'une des premières à utiliser le terme «dictature», n'aurait pas pu utiliser ce terme «si nous vivions réellement dans une dictature». Le ministre de la santé de Bâle-Campagne Thomas Weber et ses homologues bernois et zurichois Pierre Alain Schnegg et Natalie Rickli, tous membres de l'UDC, ont également trouvé les propos de Martullo-Blocher exagérés.
Le co-président du PS Cédric Wermuth se montrait critique à l'égard du parti agrarien dans les colonnes de l'Aargauer Zeitung en mars 2021. Selon lui, la communication de l'UDC était le signe d'une radicalisation des propos et banalisait certaines formes de violence. Ainsi, cela enverrait un signal à une frange très à droite de la population, donnant l'impression qu'il est permis de sortir des règles du jeu démocratique, comme cela fut le cas au États-Unis en janvier 2021 avec l'attaque du capitole par des partisans du président non-réélu Donald Trump. Pour Cédric Wermuth, ce comportement de l'UDC est d'autant plus «grotesque» que le parti occupe la présidence du Conseil national avec Andreas Aebi et celle des États avec Alex Kuprecht, en plus de la présidence de la Confédération. Le chef de la fraction UDC au parlement Thomas Aeschi soutenait cependant les propos de ses camarades de parti, regrettant un problème de concentration des pouvoirs entre les mains de l'exécutif durant la pandémie; une situation rendue possible par la loi sur les épidémies, qui n'aurait jamais dû permettre cela selon lui.

La déchirure au sein de la population – ainsi décrite dans les médias – s'est également observée à travers les nombreuses théories alternatives quant à l'origine du virus ou aux effets des vaccins. Diverses théories du complot ont ainsi eu le vent en poupe, comme l'a montré une étude de l'université de Bâle, qui a recueilli via un questionnaire anonyme en ligne les réponses de plus de 1'600 personnes en Suisse et en Allemagne. Les résultats, publiés dans la revue «Psychological Medicine», ont révélé que 10 pour cent des personnes questionnées croyaient fermement à au moins une théorie complotiste. 20 pour cent d'entre elles croyaient plus ou moins à une théorie, alors que les 70 pour cent restant n'étaient pas crédules. L'étude précise que les théories doivent être considérées de manière différenciée. Lorsqu'il s'agissait de savoir si le virus est d'origine humaine, 28 pour cent des personnes interrogées étaient convaincues que oui. 38 pour cent étaient indécises et 35 pour cent pensaient que non. Quant à la version officielle de l'origine de virus, 27 pour cent des répondant.e.s se montraient très méfiant.e.s et doutaient de sa véracité. 35 pour cent y croyaient, alors que 38 pour cent restaient indécis.es face à cette question. Les avis très différents, parfois au sein d'une même famille, ont pu mener à de profonds désaccords et parfois à des conflits. Ce sujet a beaucoup intéressé la presse, qui y a consacré de nombreux articles.
Plusieurs organisations ont profité de cette occasion pour répandre diverses théories conspirationnistes. La Sonntagszeitung a consacré un article décryptant ce phénomène. L'une de ces théories, soutenue par le Parti nationaliste suisse, d'extrême-droite, imputait la propagation du coronavirus au financier juif George Soros, qui aurait possédé une usine à Wuhan, le premier lieu où le virus a été observé. D'après l'hebdomadaire, Soros est la cible fréquente des théoriciens du complot néonazis, qui lui reprochent notamment de soutenir financièrement les voyages des migrant.e.s en direction de l'Europe. Mais les théories complotistes ne sont pas l'apanage de l'extrême-droite. Dans certains milieux de gauche, la fermeture des frontières au printemps 2020 n'a pas été perçu comme une manière de freiner la progression du virus, mais plutôt comme un acte raciste qui visait à empêcher l'arrivée de réfugié.e.s et à «préserver la structure actuelle de la société», expliquait la Sonntagszeitung. Selon l'Aargauer Zeitung, d'autres théories ont foisonné sur les réseaux sociaux, alimentées par des mouvements qui n'ont pas confiance dans les autorités.

Débats dictature ou démocratie dans la crise

Im März 2021 reichte die SGK-NR eine Motion ein, mit der sie die Vergütung von Dienstleistungen von Dritten in der Invalidenversicherung neu regeln wollte. Zur Eingliederung von IV-beziehenden Menschen in den Arbeitsmarkt kann die IV Hilfsmittel bezahlen, wozu teilweise auch Dienstleistungen Dritter gezählt werden – etwa Gebärdensprachdolmetschende, Schriftdolmetschende, Vorlesedienste oder Transportdienste. Aktuell werden solche Dienste monatlich durch die IV vergütet, wobei der Höchstbeitrag beim anderthalbfachen Mindestbetrag der ordentlichen Altersrente liegt. Diese Regelung erachtete die Kommission als zu starr, da es den Betroffenen dadurch nicht möglich sei, «arbeitsintensivere Monate mit weniger intensiven Monaten zu kompensieren». Dadurch seien die Betroffenen in ihrer Arbeitstätigkeit eingeschränkt, schlimmstenfalls drohe ihnen dadurch gar der Arbeitsplatzverlust. Neu sollen die entsprechenden Mittel folglich jährlich ausbezahlt werden, wodurch die Betroffenen die Nutzung der Dienstleistungen selbständig planen könnten.
Bei der Behandlung der Motion im Nationalrat in der Sommersession 2021 lag ein Minderheitsantrag Rösti (svp, BE) auf Ablehnung der Motion vor. Der Minderheitensprecher hob ebenfalls die Wichtigkeit dieser Instrumente für die Integration der betroffenen Personen hervor, scheute sich aber aus Finanzierungsgründen vor einem «zusätzlichen Ausbau» bei der IV. Durch die Änderung könnte der tiefere Bedarf gewisser Monate, wie er bisher aufgetreten sei, über ein Jahr hinweg kompensiert werden, was insgesamt zu höheren Kosten führen könne. Zudem habe die Verwaltung in Aussicht gestellt, dass eventuell eine beschränkte Umsetzung auf Verordnungsebene möglich sei. Gesundheitsminister Berset unterstützte die Motion im Namen des Bundesrates, schätzte die maximalen Mehrkosten auf CHF 350'000 pro Jahr und hob entsprechend den geringen Anteil dieser Änderung an den Gesamtkosten der IV hervor. Mit 133 zu 50 Stimmen nahm der Nationalrat die Motion an, abgelehnt wurde sie von einer Mehrheit der SVP-Fraktion.

Auszahlungsmodell für Dienstleistungen von Dritten im Bereich der Invalidenversicherung

In einer Monsterdebatte setzte sich der Nationalrat in der Sommersession 2021 als Erstrat mit dem Entwurf zur parlamentarischen Initiative Girod (gp, ZH) zur Förderung der Stromproduktion aus erneuerbaren Energien auseinander. Insgesamt gab es zur Frage der Gestaltung der Übergangslösung für die Förderung der erneuerbaren Energien 58 Wortmeldungen und 24 Abstimmungen bei 13 Minderheitsanträgen. Der Nationalrat trat ohne Gegenantrag auf die Debatte ein. Der Bundesrat hatte ihm zuvor geraten, nicht auf das Geschäft einzutreten, da er die Thematik im Rahmen des Bundesgesetzes über eine sichere Stromversorgung mit erneuerbaren Energien behandeln wollte. Die Regierung erachtete die vorgesehenen Massnahmen im Erlassentwurf der Initiative Girod – insbesondere auch im Hinblick auf das Ausbleiben eines Stromabkommens mit der EU nach dem Aus des Rahmenabkommens – als nicht ausreichend. Namentlich die Sicherstellung der inländischen Stromversorgungssicherheit und der Netzstabilität durch Ausbauschritte und Speicherkapazitäten für die Wintermonate kam nach Ansicht des Bundesrates im vorliegenden Entwurf zu kurz. Abgesehen davon stehe der Bundesrat der Vorlage inhaltlich nicht allzu fern, wie Energieministerin Simonetta Sommaruga im Rat erklärte. Bis auf zwei Punkte – namentlich bei der Marktprämie und der unbefristeten Gestehungskostenüberwälzung – sei der Bundesrat mit dem Vorschlag der Kommissionmehrheit einverstanden. Sie zeigte sich erfreut, dass die UREK-NR mit dieser Vorlage zentrale Elemente aus dem Bundesratsgeschäft zur Revision des EnG und des StromVG aufgenommen hatte, fand es aufgrund des genannten Zeithorizonts aber fraglich, ob es sich hierbei wirklich nur um eine «Lückenfülllösung» handle oder ob nicht eher eine ausgedehnte «Übergangslösung» beschlossen werde. Wie Kommissionsprecherin Susanne Vincenz-Stauffacher (fdp, SG) betonte, sei dieses Massnahmenpaket als Begleitmassnahme zum genannten zweiten Massnahmenpaket der Energiestrategie 2050 zu betrachten und ziele darauf ab, eine gesetzliche Förderungslücke ab 2023 zu verhindern. Die Kommission anerkenne die Ansicht des Bundesrates, die Massnahmen im Rahmen des Bundesgesetzes über eine sichere Stromversorgung mit erneuerbaren Energien behandeln zu wollen, sehe aber eine zeitliche Dringlichkeit, sodass nicht auf die Ausarbeitung einer Übergangslösung verzichtet werden könne.

In der Detailberatung stimmte der Nationalrat dem Entwurf der Kommission in allen Punkten zu und lehnte die verschiedenen Minderheitsanträge ab. So beschloss er erstens, den Investitionsbeitrag für kleine Fotovoltaikanlagen bei 30 Prozent der Investitionskosten zu belassen und damit die bestehende Regelung zu verlängern. Für grössere Fotovoltaikanlagen, die ihre ganze produzierte Strommenge einspeisen und nicht von den finanziellen Vorteilen des Eigenverbrauchs profitieren können, erhöhte der Nationalrat die Einmalvergütung auf maximal 60 Prozent der Investitionskosten. Eine SVP-Minderheit Rösti (svp, BE) verlangte, dass dies nur solchen Anlagen zugute kommen soll, die einen hohen Anteil an Winterstrom produzieren und damit der Stromknappheit in der kalten Jahreszeit entgegenwirken. Rösti erklärte im Rat, es sei sehr wichtig, hier auf die Produktion von Bandenergie zu achten, worauf vonseiten der SP- und der FDP-Fraktionen entgegnet wurde, dass auch nicht speziell auf die Wintermonate ausgerichtete Fotovoltaikanlagen Strom in der kalten Jahreszeit lieferten und jede zusätzliche Kilowattstunde die Versorgungssicherheit verbessere. Martin Bäumle (glp, ZH) räumte zwar ein, dass das Problem mit der Winterstromknappheit angegangen werden müsse, dies aber nach Ansinnen der GLP-Fraktion nicht im Rahmen dieser Vorlage gelöst werden solle.
Zweitens nahm die grosse Kammer Auktionen für die Vergabe von Einmalvergütungen bei grossen Fotovoltaikanlagen ins Gesetz auf, sodass jene Projekte den Zuschlag erhalten, die das effizienteste Angebot unterbreiten können. Die genaue Ausgestaltung der marktwirtschaftlichen Unterstützungsmassnahmen soll der Bundesrat bestimmen können. Solche Ausschreibungen waren zuvor schon von der UREK-NR im Rahmen der parlamentarischen Initiative 20.401 gefordert und insbesondere auch von der FDP-Fraktion gelobt worden, die eine marktnahe Ausgestaltung des Förderwesens unterstütze, wie beispielsweise Matthias Jauslin (fdp, AG) erläuterte. Eine unterlegene Minderheit Müller-Altermatt (mitte, SO), die von den Fraktionen der Mitte und der SVP unterstützt wurde, verlangte hingegen den Verzicht auf solche Auktionen. Der Mitte-Politiker erklärte im Rat, dass mit dieser parlamentarischen Initiative keine Weichen gestellt, sondern vielmehr eine Übergangslösung gefunden werden sollte. Es gehe bei dem vorliegenden Geschäft nur um die Verhinderung einer Förderlücke. Alles, was darüber hinaus gehe, solle im Rahmen der Beratungen des zweiten Massnahmenpaketes zur Energiestrategie beraten werden. «Wenn nun aber über die Einführung von Auktionen entschieden wird, dann nehmen wir die Beratung des halben Energiegesetzes vorweg», kritisierte Mike Egger (svp, SG) diesen Beschluss in gleicher Weise.
Drittens sollen neben Fotovoltaikanlagen auch Windkraftprojekte von Investitionsbeiträgen in der Höhe von bis zu 60 Prozent der anrechenbaren Kosten profitieren können. Die bestehenden und auslaufenden Einspeisevergütungen sollen damit ersetzt werden. Nach Ansicht der unterlegenen Minderheit Rösti sollte dieser Beitrag maximal bei 30 Prozent angesetzt werden, was aus Sicht der SP-Fraktion zum «ökonomischen Tod der Windkraft» führen würde, so Gabriela Suter (sp, AG) im Rat. Auch die Grünen erachteten es als wichtig, dass alle Technologien gleich stark unterstützt werden, betonte Delphine Klopfenstein Broggini (gp, GE). Aus Sicht der SVP-Fraktion stössen die Windturbinen in der Bevölkerung jedoch auf zu grossen Widerstand, weshalb das Geld besser in anderen Bereichen ausgegeben werden sollte, wie Mike Egger erklärte.
Viertens beschloss der Nationalrat, Biomasseanlagen – dazu gehören Biogasanlagen, Holzkraftwerke, Klärgasanlagen sowie Kehrichtverbrennungsanlagen – ebenfalls durch Investitionsbeiträge in der Höhe von maximal 60 Prozent zu fördern und das bestehende Einspeisevergütungssystem auslaufen zu lassen. Solche Anlagen könnten insbesondere im Winterhalbjahr für eine verbesserte Stromversorgungssicherheit sorgen. Zusätzlich zum Investitionsbeitrag sollen Biomasseanlagen, welche besonders hohe Betriebskosten aufweisen, von einem Betriebskostenbeitrag profitieren können. Eine stärkere finanzielle Unterstützung war von den beiden Räten bereits im Rahmen einer Motion Fässler (mitte, AI; Mo. 20.3485) gefordert worden. Eine FDP-Minderheit unter der Federführung von Matthias Jauslin hätte es bevorzugt, die Betriebskostenbeiträge nur an jene Anlagen zu vergüten, die bisher am Einspeisevergütungssystem teilgenommen hatten und deren Vergütungsdauer abgelaufen war. Er erklärte, dass mit einem Betriebskostenbeitrag für neue Anlagen erstens der anstehenden Revision des Energiegesetzes vorgegriffen und zweitens eine Technologie den anderen vorgezogen werde. Damit würden sowohl bestehende als auch neue Biomasseanlagen am «Subventionstopf» hängen. Befürwortende, wie etwa Christine Bulliard-Marbach (mitte, FR), entgegneten, dass gerade diese Chance nicht verpasst werden dürfe, sowohl den Fortbestand als auch den Zubau solcher Anlagen zu fördern, weshalb ein Betriebskostenbeitrag auch für neue Anlagen gesprochen werden müsse.

In einem zweiten Block diskutierte der Nationalrat die Wasserkraftförderung. Neue kleine Wasserkraftanlagen (bis 10 MW Leistung) sollen künftig mit bis zu 60 Prozent der Investitionskosten gefördert werden. Neue grosse Wasserkraftanlagen sollen nicht mehr wie bisher mit 40 Prozent, sondern ebenfalls mit 60 Prozent der Investitionskosten unterstützt werden und damit einen wesentlichen Beitrag zur Stromversorgungssicherheit der Schweiz leisten, entschied die Mehrheit des Nationalrates. Eine Minderheit Bäumle (glp, ZH) hätte den Beitrag für alle Wasserkraftanlagen generell bei 40 Prozent ansetzen wollen. Damit sollte weder auf die kleinen noch auf die grossen Anlagen explizit gesetzt werden, sondern vielmehr das Kosten-Nutzen-Verhältnis ins Zentrum gerückt werden, erklärte er seinen Antrag im Rat. Albert Rösti kritisierte, dass dies im Sinne einer «wahren Technologieneutralität» nicht zu befürworten sei, da damit die Wasserkraft gegenüber den anderen Energieträgern zurückgestuft würde. Eine Minderheit Kurt Egger (gp, TG) verlangte indes, dass Investitionsbeiträge bei neuen Wasserkraftanlagen erst ab einer Leistung von 3 MW gesprochen werden können, das heisst bei Anlagen, die aufgrund ihrer Grösse der Umweltverträglichkeitsprüfung unterstellt sind. Damit sollten kleine, aus ökologischen Gründen oft problematische Anlagen weniger im Förderfokus stehen. Weder die Kommissions- noch die Nationalratsmehrheit konnten sich jedoch für diese Klausel erwärmen und so wurde als allgemeine Bedingung für einen Förderbeitrag eine Leistung von mindestens 1 MW festgelegt.
Neben neuen Anlagen sollen auch erhebliche Erweiterungen und Erneuerungen bestehender Anlagen mit einer Leistung nach dem Bauprojekt von mindestens 300 kW mit Investitionsbeiträgen unterstützt werden. Eine Minderheit Munz (sp, SH) beantragte, dass solche Beiträge erst gesprochen werden können, wenn die Anlage nach dem Um- oder Weiterbau eine Leistung von mindestens 1 MW vorweist. Damit würde die gleiche Leistungsschwelle verwendet wie für die Vergabe von Investitionsbeiträgen bei Neuanlagen. Nach Ansicht der Sozialdemokratin würden Kleinwasserkraftanlagen bei hohen Kosten wenig Energie liefern und gleichzeitig grosse ökologische Schäden anrichten, weshalb eine Anhebung der Förderschwelle nötig sei. Der Nationalrat beliess die Grenze jedoch beim tieferen Wert von 300 kW.
Bei bestehenden Grosswasserkraftanlagen verlängerte der Nationalrat die ursprünglich Ende 2022 auslaufende Marktprämie, die als Reaktion auf die Preisbaisse im letzten Jahrzehnt und die damit verbundenen finanziellen Schwierigkeiten beschlossen worden war, bis Ende 2030. Die Rentabilität der bestehenden Grosswasserkraftanlagen soll damit optimiert werden, indem Marktpreise unter den Gestehungskosten korrigiert werden. Eine linke Minderheit Munz forderte analog zum Bundesrat vergebens, auf die Verlängerung zu verzichten, damit die finanziellen Mittel in den Zubau von neuen, zusätzlichen Produktionskapazitäten fliessen können. Zudem müssten die Konsumentinnen und Konsumenten als gebundene Endverbraucher mit der Marktprämie dafür sorgen, dass den Kraftwerkbetreibern eine «Optimierung der Gewinne» gewährleistet werde, erklärte die Schaffhauserin ihr Anliegen. Der Nationalrat sah vor, für die Marktprämie bei bestehenden Grosswasserkraftanlagen sowie für Investitionen und Ausbauprojekte in neue Anlagen mit einer Leistung von über 10 MW neu 0.2 Rappen pro kWh aus dem Netzzuschlagsfonds zur Verfügung zu stellen. Die unterlegene Minderheit Kurt Egger hätte diesen Höchstanteil bei den bisherigen 0.1 Rappen belassen wollen. Insgesamt sollen gemäss dem Nationalratsentscheid die Unterstützungsmassnahmen wie bisher mit 2.3 Rappen Netzzuschlag pro kWh von den Konsumentinnen und Konsumenten finanziert werden. Eine Erhöhung dieser Beiträge war im Entwurf nicht vorgesehen und wurde auch von keiner Minderheit beantragt.

Schliesslich wandte sich die grosse Kammer der Tarifgestaltung für die Endverbraucher im StromVG zu. Hier entschied sie, dass Stromversorgungsunternehmen ihre Gestehungskosten für erneuerbare, inländische Stromproduktion in die Tarife einberechnen dürfen und dies nicht mehr an das Vorhandensein einer Marktprämie gekoppelt ist. Eine Minderheit Bäumle, welche unter anderem von der SVP-Fraktion unterstützt worden war, beantragte jedoch, die Gestehungskostenüberwälzung weiterhin an die Markprämie zu knüpfen und damit indirekt mit einem Enddatum von 2030 zu versehen. Auch Simonetta Sommaruga versuchte vergeblich, die grosse Kammer davon zu überzeugen, hier nur eine Übergangslösung zu schaffen und keine unbeschränkte Verlängerung einzuführen.

Nach dreistündiger Diskussion und der mehrmaligen Erreichung des qualifizierten Mehrs bei der Ausgabenbremse verabschiedete die grosse Kammer den Entwurf zuhanden des Ständerates und der zuständigen UREK-SR.

Erneuerbare Energien einheitlich fördern. Einmalvergütung auch für Biogas, Kleinwasserkraft, Wind und Geothermie (Pa. Iv. 19.443)
Dossier: Wasserzins nach 2019

In der Sommersession 2021 war es erneut am Ständerat, die Vorlage zum Tabakproduktegesetz zu beraten. Dabei galt es, über gut 20 Differenzen zum Nationalrat zu befinden. Dieser hatte in seiner Behandlung insgesamt weniger weitreichende Regelungen beschlossen als das Stöckli in seiner ersten Beratung. Kommissionssprecher Josef Dittli (fdp, UR) erklärte, dass der Mehrheit der SGK-SR der Jugendschutz und die Ratifizierung des WHO-Übereinkommens ein Anliegen sei. Um dieses nicht zu gefährden, möchte die Kommission an einigen Artikeln festhalten oder unterbreite gangbare Kompromisse. Wie sich jedoch im Verlaufe der Behandlung zeigen sollte, folgte die kleine Kammer mehrfach Minderheits- und Einzelanträgen, welche weniger weit gehen wollten als die Kommissionsmehrheit.
Bezüglich Zusammensetzung der Tabakprodukte und ihrer Emissionen sprach sich der Ständerat mit 26 zu 18 Stimmen für einen Minderheitsantrag Müller (fdp, LU) aus, der das vom Nationalrat vorgesehene Mentholverbot streichen wollte. Gemäss Müller bestehen «keine gefestigten wissenschaftlichen Erkenntnisse» zum Abhängigkeitspotenzial solcher Stoffe. Die Kommissionsmehrheit hätte eine Lösung vorgesehen, die das Verbot auf Zigaretten und Tabak zum Selbstdrehen beschränkt, elektronische Zigaretten, erhitzte Tabakprodukte und Snus hingegen von der Regelung ausgeklammert hätte. Weiter hielt das Stöckli an seinem Beschluss fest, dass nicht der Bundesrat über die verbotenen Zutaten bestimmen können soll, sondern dass diese im Gesetzesanhang aufzuführen seien.
Bei der Verpackung wollte die Kommission an der bundesrätlichen und ständerätlichen Fassung zur Produktinformation, welche auf resp. in der Verpackung enthalten sein soll, festhalten. Jedoch setzte sich im Rat ein Einzelantrag Français (fdp, VD), welcher wie die Nationalrätinnen und -räte wollte, dass nur die wichtigsten Informationen auf der Packung enthalten seien und für den Rest beispielsweise auf eine Internetseite verwiesen werde, mit 23 zu 21 Stimmen durch. Damit sollte die Notwendigkeit von grösseren Verpackungen und einer unnötigen Erhöhung des CO2-Fussabdrucks der Produkte verhindert werden.
Im Kapitel zur Werbung, Verkaufsförderung und Sponsoring kam der Ständerat dem Nationalrat weitgehend entgegen. Mit 25 zu 17 Stimmen stimmte er für einen Einzelantrag Z'graggen (mitte, UR), die gleich wie die grosse Kammer forderte, dass Werbung in Zeitungen, Zeitschriften und auf Internetseiten, die sich direkt an Minderjährige richten, untersagt werden solle. Vom Zusatz «die von Minderjährigen eingesehen werden», wie es die erste ständerätliche Fassung beinhaltet hatte, wurde abgesehen, da daraus gemäss Z'graggen ein totales Werbeverbot resultieren würde. Weiter kippte die kleine Kammer das generelle Werbeverbot in Zeitungen, Zeitschriften, anderen Publikationen und im Internet aus dem Entwurf, indem sie im entsprechenden Punkt mit 20 zu 20 Stimmen und dem Stichentscheid des Ratspräsidenten Kuprecht (svp, SZ) dem Nationalrat folgte. Hans Stöcklis (sp, BE) Warnung, dass dadurch ein Rückzug der Volksinitiative «Ja zum Schutz der Kinder und Jugendlichen vor Tabakwerbung» unwahrscheinlich werden dürfte, und Gesundheitsminister Bersets Bedenken, dass sich eine Ratifizierung des WHO-Übereinkommens unter diesen Umständen schwierig gestalte, blieben wirkungslos.
Untersagt werden soll hingegen, wie vom Nationalrat vorgeschlagen, die Werbung auf von öffentlichem Grund aus einsehbaren Plakaten, in Kinos, in und an öffentlichen Verkehrsmitteln, in und an Gebäuden mit öffentlichem Zweck und deren Arealen sowie auf Sportplätzen und bei Sportveranstaltungen. Stillschweigend folgte die kleine Kammer dem Nationalrat zudem bezüglich Sponsoring durch Tabakfirmen, das nicht nur bei Veranstaltungen internationaler Natur verboten werden soll, sondern auch, falls die Veranstaltungen auf Minderjährige abzielten. Die bestehende Differenz zwischen den zwei Räten bei der Verkaufsförderung konnte indes nicht beseitigt werden. Mit 22 zu 16 Stimmen (bei 1 Enthaltung) hielt das Stöckli an seinem Beschluss fest, dass das Verkaufsförderungsverbot nicht nur Tabakprodukte zum Rauchen, sondern auch E-Zigaretten und «Gegenstände, die eine funktionale Einheit mit einem Tabakprodukt bilden», einschliessen soll. Dass Zigarren und Zigarillos davon ausgenommen werden sollen, hiess die kleine Kammer hingegen gut. Ferner beharrte der Ständerat auf seiner Meinung, dass die Kantone über die Kompetenz verfügen sollen, strengere Werbevorschriften zu erlassen.
Eine weitere Differenz zwischen den beiden Räten bestand im Zusammenhang mit der Meldepflicht von Ausgaben für Werbung, Verkaufsförderung und Sponsoring. Die Kommissionsmehrheit schlug einen Mittelweg zwischen der nationalrätlichen Position, auf eine Meldepflicht gänzlich zu verzichten, und der ursprünglichen ständerätlichen Fassung, welche nach den einzelnen Bereichen aufgetrennte Meldungen vorsah, vor. Konkret sollten Unternehmen lediglich zur Nennung eines einzigen Betrages für Marketingaktivitäten verpflichtet werden. Auch sollte es möglich sein, den Betrag in aggregierter Form, beispielsweise als Summe einer ganzen Branche, zu melden. Die Mehrheit des Ständerats liess sich jedoch nicht davon überzeugen und folgte stattdessen mit 24 zu 20 Stimmen einer Minderheit Gapany (fdp, FR), welche sich für die Version des Nationalrates einsetzte.
Schliesslich kam der Ständerat der Forderung des Nationalrates auf eine Änderung im Bundesgesetz zum Schutz vor Passivrauchen, welche das Verwenden von E-Zigaretten und Tabakprodukten zum Erhitzen in Restaurations- und Hotelbetrieben sowie in spezialisierten Verkaufsgeschäften in gewissen Zonen erlauben wollte, mit 39 zu 2 Stimmen (bei 3 Enthaltungen) nicht nach. Zudem beschloss das Stöckli auf Antrag seiner Kommission neu, das Tabakproduktegesetz als indirekten Gegenvorschlag zur Volksinitiative «Kinder und Jugendliche ohne Tabakwerbung» zu klassifizieren.

Tabakproduktegesetz (BRG 15.075)
Dossier: Tabakproduktegesetz

In der Sommersession 2021 behandelte der Ständerat den Vorschlag seiner SGK über die Vollstreckung der Prämienzahlungspflicht. Kommissionssprecher Rechsteiner (sp, SG) fand anerkennende Worte für die ihr zugrundeliegende Standesinitiative des Kantons Thurgau, zumal diese nicht nur vollständig umgesetzt werde – was für Standesinitiativen sehr ungewöhnlich sei –, sondern im Gesetzesvorschlag gar übertroffen werde. Basierend auf der Initiative sei die Kommission die Probleme in diesem Themenbereich mithilfe der Verwaltung, der GDK und der Versichererverbände nämlich gleich «integral» angegangen. Eintreten war in der Folge unbestritten.
Ohne Diskussionen und stillschweigend bereinigte der Ständerat anschliessend die meisten Aspekte der Vorlage: eine Übernahme von 85 Prozent der Forderungen der Krankenversicherungen durch die Kantone sowie eine Zusage von 50 Prozent des Erlöses bei Zahlung der Schuld im Gegenzug gegen die Übertragung der Verlustscheine auf die Kantone; das Verbot, volljährig gewordene Personen für ausstehende Prämien aus ihrer Kindheit zu belangen sowie das Verbot, Kinder wegen Prämienausständen auf eine schwarze Liste zu setzen und ihnen folglich Leistungen zu verweigern (entsprechend der Motion 19.4290); die Beschränkung der maximalen Anzahl Betreibungen auf zwei – ausser die Betreibungen haben zu einem Verlustschein geführt; die Einführung einer eingeschränkten Wahl der Leistungserbringenden für säumige und betriebene Prämienzahlende sowie die Ermächtigung für den Bundesrat, Bestimmungen über die Bemessung von Gebühren zu erlassen.
Bereits in der Eintretensdebatte hatte sich jedoch gezeigt, dass ein Aspekt der Vorlage sehr umstritten sein würde, nämlich die Frage, ob Listen säumiger Prämienzahlender, sogenannte schwarze Listen, zukünftig verboten werden sollen. Diesen Antrag einer Kommissionsminderheit kritisierte der Thurgauer Ständerat Jakob Stark (svp, TG), dessen Kanton entsprechende Listen führt, deutlich. In seinem Kanton habe sich gezeigt, dass etwa die Hälfte der Personen, die ihre Prämien nicht bezahlten, durchaus über genügend Geld verfügen würden. Sein Kanton biete den Betroffenen ein Case-Management an, mit dem sie ihren Finanzhaushalt sanieren könnten. Von diesem Angebot machten die meisten Leute jedoch erst dann Gebrauch, wenn sie auf der schwarzen Liste stünden. Diese Verbindung von schwarzer Liste und Case-Management sei sehr erfolgreich, so fielen in vergleichbaren Kantonen vier- bis fünfmal höhere Kosten für ausstehende Prämien an als im Kanton Thurgau. Entsprechend müsse man eine solche Verbindung eigentlich allen Kantonen vorschreiben, solle es ihnen aber zumindest nicht verbieten. Paul Rechsteiner (sp, SG) erläuterte für die Kommission, dass heute noch sechs Kantone (AG, LU, SG, TG, TI, ZG) eine solche Liste führten, während die Kantone Graubünden, Solothurn und Schaffhausen sie in den letzten Jahren abgeschafft hätten und auch der Kanton St. Gallen dabei sei, die entsprechende Regelung zu streichen. Die Kommissionsmehrheit wolle den Kantonen diese Möglichkeit belassen und stattdessen den umstrittenen Begriff eines «medizinischen Notfalls» im Hinblick auf das Gerichtsurteil von 2018 aus dem Kanton St. Gallen auf Bundesebene definieren. Josef Dittli (fdp, UR) verteidigte in der Folge den Minderheitsantrag auf Streichung der schwarzen Listen. Diese Streichung sei in der Vernehmlassungsvorlage noch enthalten gewesen und von der Mehrheit der Teilnehmenden befürwortet worden, darunter von sämtlichen Krankenversicherungen, 19 Kantonen, der GDK und der FMH. Zahlreiche Kantone hätten die Listen in der Zwischenzeit abgeschafft, da sie «nicht die gewünschten Ergebnisse» erzielt und mehr Aufwand als Nutzen gebracht hätten. Aufgrund einer Ungleichbehandlung der Versicherten hinsichtlich des Zugangs zur medizinischen Versorgung, zahlreicher Umsetzungsprobleme, fehlender Evidenz für eine Wirkung der Listen auf die offenen Ausstände, der Verlagerung des Problems an die Leistungserbringenden, eines hohen Administrationsaufwands sowie hoher Kosten beantrage die Kommissionsminderheit die Streichung der Listen. Mit 22 zu 22 Stimmen zeigte sich die Meinung im Ständerat zu dieser Frage geteilt: Mit Stichentscheid von Präsident Kuprecht (svp, SZ) sprach sich die kleine Kammer für die Kommissionsmehrheit und somit für ein Beibehalten der schwarzen Listen aus. Fast einstimmig (mit 43 zu 1 Stimme) nahm sie den Entwurf anschliessend in der Gesamtabstimmung an.

Vollstreckung der Prämienzahlungspflicht der Versicherten (Kt. Iv. 16.312)
Dossier: Schwarze Liste für säumige Prämienzahlende

90 Tage nach Beginn der zweiten Revision beriet der Ständerat in der Sommersession 2021 die dritte Revision des Covid-19-Gesetzes, die jedoch im Vergleich zu den beiden ersten Revisionen einen deutlich geringeren Umfang aufwies. Hannes Germann (svp, SH) stellte die Vorlage im Namen der WBK-SR, welche die Vorberatung für die WAK-SR aufgrund der Sportthematik der Revision übernommen hatte, vor: Hauptsächlich sollen die Erwerbsausfallentschädigung bis Ende 2021 verlängert und die finanzielle Obergrenze von A-Fonds-perdu-Beiträgen an Sportclubs aufgehoben werden. Ansonsten stünden die betroffenen Personen und Klubs ab Ende Juni 2021 ohne finanzielle Hilfe da – und dies obwohl eine «Rückkehr zur vollständigen Normalität» bis dahin nicht garantiert werden könne. Die finanziellen Folgen dieser Änderung seien bescheiden, zumal bisher lediglich ein Drittel der gesprochenen Kredite für Erwerbsausfallentschädigungen (CHF 3.1 Mrd.) verwendet worden sei und auch die Ausgaben im Sportbereich noch deutlich unter der bisherigen Schwelle von CHF 115 Mio. lägen. Entsprechend unbestritten seien die Anträge in der Kommission gewesen. Darüber hinaus habe die Kommission aber noch zusätzliche Anträge aufgenommen, die in der Kommissionssitzung mehr zu reden gegeben hätten als die bundesrätlichen Vorschläge. Diese Mehrheitsanträge der Kommission stiessen beim Bundesrat nicht auf Anklang, er beantragte sie allesamt zur Ablehnung.
Wie vom Kommissionssprecher in Aussicht gestellt, nahm der Ständerat die beiden Hauptaspekte der Vorlage, die Verlängerung der Erwerbsausfallentschädigung und die Streichung der Obergrenze für A-Fonds-perdu-Beiträge an Sportclubs, stillschweigend an und löste die nötigen Ausgabenbremsen.
Darüber hinaus hatte nun die Kommission beantragt, sämtliche Kapazitätsbeschränkungen für öffentlich zugängliche Einrichtungen und Betriebe, Veranstaltungen und private Zusammenkünfte zu streichen, sobald alle impfwilligen Erwachsenen geimpft sind. Einzig «angemessene Schutzkonzepte» sollen auch dann noch möglich bleiben. Paul Rechsteiner (sp, SG) entgegnete diesem Antrag als Sprecher der Kommissionsminderheit, dass der Ständerat auch weiterhin davon absehen solle, die vom Bundesrat beschlossenen gesundheitlichen Massnahmen zu ändern und somit in dessen Entscheidungsgewalt gemäss EpG einzugreifen. Bei einer allfälligen Verschlechterung der Situation, etwa durch eine Virusmutation, könne der Bundesrat sonst nur mit noch härteren Massnahmen wie einem Lockdown reagieren. Der Finanzminister pflichtete diesen Argumenten bei und verwies zudem auf die zahlreichen unklaren Formulierungen in der Bestimmung (etwa «ausreichend geimpft» oder «angemessene Schutzkonzepte»). Diese würden dem BAG weiterhin viel Spielraum für Entscheidungen lassen. Deutlich nahm der Ständerat jedoch die Bestimmung an.
Auch eine Ausnahmeregelung bezüglich des Covid-19-Zertifikats (GGG-Zertifikat) strebte die Kommissionsmehrheit an. Bisher seien die individualrechtlichen Folgen für Personen mit Covid-19-Zertifikat unklar, folglich wolle die Kommissionsmehrheit in einem neuen Artikel klarstellen, dass Personen mit Impf-, Test- oder Genesungsnachweis von Zugangsbeschränkungen für öffentlich zugängliche Einrichtungen und Betriebe sowie Veranstaltungen ausgenommen sind, erläuterte der Kommissionssprecher. Da diese Personen aus epidemiologischer Sicht keine Gefahr für die Gesellschaft mehr darstellten, dürften ihre Grundrechte nicht mehr eingeschränkt werden. Eine Kommissionsminderheit lehnte diese Regelung unter anderem aus Furcht vor einer Zweiklassengesellschaft ab. Ebenfalls gegen den Willen des Bundesrats nahm der Ständerat diese Ergänzung des Covid-19-Gesetzes deutlich an.
Einmal mehr diskutierte der Ständerat auch über 100-prozentige Kurzarbeitsentschädigungen für Geringverdienende. Diese Ausnahmeregelung war in der letzten Revision des Covid-19-Gesetzes bis zum 30. Juni 2021 verlängert worden, eine Minderheit Baume-Schneider (sp, JU) beantragte nun eine weitere Verlängerung bis Ende 2021. Man müsse nun wieder «einen Anreiz bieten, dass man in die Erwerbstätigkeit zurückkehrt», verteidigte Kommissionssprecher Germann die ablehnende Position der Kommissionsmehrheit. Mit der aktuellen Regelung bevorzuge man zudem Personen in Kurzarbeit gegenüber Arbeitslosen. Die Kommissionsminderheit hingegen argumentiere, dass die Covid-Situation insbesondere für Personen mit tieferen Einkommen auch weiterhin schwierig sei, so Germann. Äusserst knapp mit 22 zu 22 Stimmen und Stichentscheid von Ratspräsident Kuprecht (svp, SZ) lehnte der Ständerat die weitere Verlängerung ab.
Schliesslich folgte der Ständerat auch dem Antrag seiner Kommission, die Ausnahmeregelung, wonach Generalversammlungen von Aktiengesellschaften auch schriftlich oder elektronisch vorgenommen werden dürfen, bis zum Inkrafttreten der Revision des Aktienrechts oder maximal bis Ende 2023 zu verlängern.
Einstimmig mit 45 zu 0 Stimmen nahm der Ständerat in der Folge die dritte Revision des Covid-19-Gesetzes in der Gesamtabstimmung an.

Dritte Revision des Covid-19-Gesetzes (Änderung Covid-Erwerbsersatz und Massnahmen im Sportbereich; BRG 21.033)
Dossier: Covid-19-Gesetz und Revisionen

In der Frühjahrssession 2021 folgte der Nationalrat stillschweigend dem Antrag seiner UREK und verlängerte die Behandlungsfrist der parlamentarischen Initiative Rösti (svp, BE) zur Sicherung der Selbstversorgung mit Strom aus Wasserkraft zur Überbrückung der aktuellen Preisbaisse um zwei Jahre bis zur Wintersession 2022. In der Zwischenzeit wird sich das Parlament mit den Vorschlägen des Bundesrates zur Förderung der Wasserkraft im Rahmen des Bundesgesetzes über eine sichere Stromversorgung mit erneuerbaren Energien beschäftigen können.

Sicherung der Selbstversorgung mit Strom aus Wasserkraft zur Überbrückung der aktuellen Preisbaisse (Pa.Iv. 16.448)
Dossier: Sicherungsmassnahmen für den Erhalt der Schweizer Wasserkraft ab dem Jahr 2015

Die Auswirkungen von Covid-19 auf die Sozialwerke – konkret auf die AHV, die IV und die berufliche Vorsorge – wollte Alex Kuprecht (svp, SZ) im Juni 2020 vom Bundesrat in einem Postulat untersuchen lassen. Daten zu den «erschwerten wirtschaftlichen Umständen» durch die Covid-19-Pandemie seien für die laufenden Reformprojekte in den Sozialversicherungen wichtig, begründete er seinen Vorstoss. Zwar werde die ALV durch die Übernahme der Kosten der Kurzarbeitsentschädigung durch den Bund nicht ausserordentlich stark belastet, die Auswirkungen auf die übrigen Sozialwerke durch die eingeschränkten Beitragsflüsse etwa durch Long Covid (insbesondere auf die IV und die Pensionskassen) müssten jedoch untersucht werden, betonte Hannes Germann (svp, SH), der das Postulat von Ratspräsident Kuprecht in der Frühjahrssession 2021 begründete. Nachdem auch Bundesrat Berset das Vorhaben unterstützt hatte, nahm der Ständerat das Postulat stillschweigend an.

Auswirkungen von Covid-19 auf die Sozialwerke

Der Nationalrat behandelte die zweite Revision des Covid-19-Gesetzes in einer Open-End-Sitzung, an deren Ende er gar noch den Nachtrag I zum Voranschlag 2021 anhängte. Mit einer Dauer von 10 Stunden und 10 Minuten (von 14:30 Uhr bis 00:40 Uhr) sei dies die längste Debatte der jüngeren Parlamentsgeschichte gewesen, wie die Parlamentsdienste auf Medienanfrage bestätigten. In dieser «Monsterdebatte» (SRF Online) hatte die grosse Kammer neben der Grundsatzdebatte und unzähligen Mehrheitsanträgen auch 54 Minderheitsanträge und 25 Einzelanträge zu behandeln. Die Relevanz dieser Debatte zeigte sich auch daran, dass drei Mitglieder des Bundesrates zugegen waren: Neben Finanzminister Maurer, der auch die erste Revision sowie die Debatte im Ständerat begleitet hatte, begründete Gesundheitsminister Berset die bundesrätlichen Positionen zum umstrittensten ersten Block der Vorlage und Wirtschaftsminister Parmelin diejenigen im vierten Block zum Thema der Arbeitslosenversicherung. Dabei schuf der Nationalrat zahlreiche Differenzen zum Ständerat, insbesondere im Bereich der Härtefallhilfen, verzichtete aber auf die umstrittensten Anträge der Kommissionsmehrheit.

Eintreten war unbestritten. Insbesondere der erste Block hatte es in der Folge aber in sich, wurde hier doch die zuvor medial stark diskutierte Frage des Endes der Corona-bedingten Schliessungen in verschiedenen gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Bereichen behandelt. Bereits in der Grundsatzdebatte wiesen Esther Friedli (svp, SG) und Fabio Regazzi (mitte, TI) für die Kommission auf die Unzufriedenheit der Mehrheit der WAK-NR mit den jüngsten Handlungen des Bundesrat hin: Die Kommission habe den Bundesrat brieflich darauf hingewiesen, dass sie «eine Schliessung der Läden als nicht zielführend erachte […]; dies, weil neben den gesundheitlichen auch die wirtschaftlichen Folgen im Auge behalten werden müssen», und eine umfassende Öffnung gefordert. Trotz dieser Forderung der WAK-NR sowie weiterer Kommissionen hatte sich der Bundesrat bisher gegen kurzfristige Öffnungen entschieden, hatte aber auf den 1. März 2021 einen ersten kleineren Öffnungsschritt vorgenommen. Folglich versuchte die Kommissionsmehrheit ihre Anliegen mithilfe des Covid-19-Gesetzes durchzusetzen.
Das zentrale Anliegen der Kommissionsmehrheit stellte die Öffnung der Restaurationsbetriebe sowie der öffentlich zugänglichen Einrichtungen und Betriebe in den Bereichen Kultur, Unterhaltung, Freizeit und Sport auf den 22. März 2021 – den Tag nach den Schlussabstimmungen zur zweiten Revision des Covid-19-Gesetzes – dar. Diese Öffnungen sollten entsprechend ins Covid-19-Gesetz aufgenommen werden. Die WAK-NR hatte sich zuvor knapp mit 12 zu 11 Stimmen bei 1 Enthaltung zu diesem medial vieldiskutierten und -kritisierten Entscheid durchgerungen. Der Öffnungsplan des Bundesrates sei der Kommissionsmehrheit zu zaghaft, betonte Friedli. Die epidemiologische Lage erlaube die Öffnung der Betriebe. Die Schutzkonzepte, Massentests und Impfungen zeigten Wirkung und die Spitäler seien weniger ausgelastet; folglich seien die Schliessungen «nicht mehr verhältnismässig». Eine Minderheit I Burgherr beantragte sogar, den Öffnungstermin auf den 1. März 2021 zu legen, womit der Antragssteller zwar keine rückwirkende, jedoch eine sofortige Öffnung erreichen wollte. Alle Indikatoren zeigten – «unabhängig von den harten Massnahmen» von Dezember 2020 und Januar 2021 – eine Verbesserung der Situation an, gleichzeitig stiegen die staatlichen Ausgaben stündlich um CHF 6 Mio., ergänzte Burgherr die Argumente der Kommission. Damit zerstöre man den Schweizer Wohlstand, die Wirtschaft, die Existenzen von Menschen sowie deren Gesundheit. Es sei zwar «irgendwie verrückt, dass wir die Termine in dieses Gesetz schreiben müssen, aber leider ist das inzwischen nötig geworden». Dies sahen eine Minderheit II Grossen (glp, BE; Art. 8a) und eine Minderheit II Rytz (gp, BE; Art. 8b) anders: Sie beantragten, auf die Aufnahme dieser zwei Bestimmungen ins Covid-19-Gesetz zu verzichten. Jürg Grossen bezeichnete ein fixes Öffnungsdatum als «unverantwortlich». Er hatte in den Tagen zuvor die Schaffung einer Erklärung des Nationalrats, in welcher dieser eine Öffnung auf den 22. März 2021 forderte, initiiert, eine Verpflichtung zur Öffnung ging ihm aber zu weit. Auch er wünsche sich den Normalzustand zurück, dieser müsse aber «auch langfristig Bestand haben. Wir haben es hier aber eben mit einem Virus zu tun, das nicht das macht, was wir uns wünschen oder was wir ins Gesetz schreiben». Auch Gesundheitsminister Berset sprach sich gegen die entsprechende Regelung aus: Der Bundesrat gehe in dieselbe Richtung, in die die Kommission gehen wolle, nehme aber eine risikobasierte Öffnung vor. Der Unterschied liege entsprechend in der Geschwindigkeit. Er wolle nicht das Risiko eingehen, «dass es wieder explodiert, mit allen Konsequenzen auch für die Spitäler, für die Intensivpflegestationen». Folglich forderte er weiterhin die Möglichkeit für den Bundesrat, «in Abhängigkeit von der Situation» über eine Weiterführung der verschiedenen Massnahmen entscheiden zu können. Der Nationalrat bevorzugte in der Folge in beiden Fragen den Öffnungstermin des 22. März 2021 gegenüber einer Öffnung auf den 1. März 2021, sprach sich jedoch anschliessend für die beiden Minderheitsanträge Grossen und Rytz aus und verzichtete auf die Festschreibung fixer Öffnungstermine (121 zu 69 Stimmen bei 4 Enthaltungen respektive 122 zu 70 Stimmen bei 3 Enthaltungen). Die Position der Kommissionsmehrheit fand in der SVP fast vollständig Anklang und wurde überdies von Minderheiten der FDP.Liberalen- sowie der Mitte-Fraktion unterstützt.
Neben diesen zwei Hauptartikeln hatte die Kommissionsmehrheit in diesem Block noch zwei weitere Änderungen vorgeschlagen, nämlich einerseits eine Wiedereröffnung von Schiessständen mit Schutzkonzepten auf den 22. März 2021, die eine Minderheit Birrer-Heimo (sp, LU) ablehnte. Die Minderheitensprecherin zeigte sich genervt darüber, dass «Schiessstände […] noch einen separaten Passus [im Covid-19-Gesetz] erhalten» sollten. Auch dieser Mehrheitsantrag fand im Plenum nur bei der SVP-Fraktion und einzelnen FDP.Liberalen- und Mitte-Mitgliedern Zustimmung. Als allgemeinere Regelung wollte die Kommission andererseits festhalten, dass der Bundesrat einen Lockdown und eine Homeoffice-Pflicht nur noch «in begründeten Ausnahmefällen» und maximal für 90 Tage erlassen können sollte. Da diese Regelung rückwirkend auf den 1. Dezember 2020 in Kraft treten sollte, wäre die maximale Dauer für Lockdown und Homeoffice-Pflicht bereits am 28. Februar 2020 abgelaufen – die aktuellen Einschränkungen hätten folglich auch hier sofort aufgehoben werden müssen. Fabio Regazzi begründete diesen Entscheid der Kommissionsmehrheit damit, dass ein Lockdown und eine Homeoffice-Pflicht so weitreichende Massnahmen seien, dass man einerseits eine rechtliche Grundlage dafür schaffen, diese aber andererseits auch zeitlich begrenzen wolle. Auch diesen Vorschlag der Kommissionsmehrheit lehnte der Nationalrat jedoch ab; Zustimmung fand er bei der Mehrheit der SVP- sowie bei Minderheiten der FDP.Liberalen- und der Mitte-Fraktion.
Schliesslich beantragte die WAK-NR auch eine vom Ständerat eingefügte Bestimmung, wonach Kantonen mit guter epidemiologischer Lage und geeigneten Massnahmen Erleichterungen bezüglich des Lockdowns gewährt werden sollten, zur Annahme. Mit dieser «Lex Grischun», wie sie der Finanzminister im Rahmen der ständerätlichen Debatte bezeichnet hatte, sollte die Massentest-Strategie des Kantons Graubünden gewürdigt werden. Prisca Birrer-Heimo lehnte diesen Antrag ab und erinnerte an den «Beizen- und Einkaufstourismus in den Kantonen […], gefolgt vom Virustourismus» im Herbst 2020, als kantonal unterschiedliche Lösungen vorgelegen hatten. Damals sei bald eine national einheitliche Regelung gefordert worden, weshalb die Kantone gemäss Schreiben der GDK in dieser Frage mehrheitlich einheitliche Regeln befürworteten. Hier setzte sich jedoch die Kommissionsmehrheit, unterstützt von der SVP, den FDP.Liberalen und einer Mehrheit der Mitte-Fraktion, durch.
Darüber hinaus lagen zahlreiche weitere Öffnungsanträge von Kommissionsminderheiten oder Einzelpersonen vor. Eine Minderheit Friedli forderte ein Ende der Homeoffice-Pflicht auf den 22. März 2021 und ein Einzelantrag Aeschi (svp, ZG) die Wiedereröffnung der Aussenbereiche von Restaurants. In fünf Einzelanträgen forderte Jean-Luc Addor (svp, VS) ein Ende der Einschränkungen bei politischen Versammlungen, Versammlungen im Familien- und Freundeskreis oder im öffentlichen Raum, bei Präsenzveranstaltungen in Bildungseinrichtungen oder bei Gottesdiensten. Sämtliche Anträge blieben erfolglos und fanden nur bei der SVP-Fraktion sowie teilweise bei Minderheiten der FDP.Liberalen- und/oder der Mitte-Fraktion Zustimmung. Hingegen sprach sich der Nationalrat für eine Regelung aus einem Einzelantrag Rüegger (svp, OW) aus, die es Berufsleuten aus der Landwirtschaft, dem Bausektor sowie Handwerkerinnen und Handwerkern auf Montage erlaubt, sich in Gastrobetrieben zu verpflegen. Dies hatte zuvor auch die Petition «Beizen für Büezer» gefordert.

Ein weiteres medial stark diskutiertes Thema betraf die Rolle der Covid-19-Task Force. Die Kommissionsmehrheit wollte die Mitglieder der Task Force im Covid-19-Gesetz zur Wahrung ihres Rahmenmandats verpflichten. Demnach sollte die nach aussen gerichtete Kommunikation der Task Force nur noch durch deren Präsidentinnen oder Präsidenten erfolgen, während die übrigen Mitglieder bei öffentlicher Kommunikation deklarieren müssten, dass dies ausserhalb ihres Mandats geschehe. Dies sei gemäss Kommissionssprecher Regazzi nötig, zumal die Task Force ihr Mandat überschreite oder gar missbrauche, wenn sie den Bundesrat öffentlich belehre oder das Parlament kritisiere. Eine Minderheit Rytz, welche die Streichung dieser Regelung beantragte, fürchtete den Glaubwürdigkeitsverlust einer «aufgeklärte[n], liberale[n] Demokratie […], wenn sie der Wissenschaft einen Maulkorb umhängen will und naturwissenschaftliche Tatsachen ignoriert». Balthasar Glättli (gp, ZH) stellte zudem den Nutzen davon, die bisherige kritisierte Regelung telquel ins Covid-19-Gesetz aufzunehmen, in Frage. Mit 116 zu 78 Stimmen (bei 1 Enthaltung) setzten sich SP, GPS, GLP und eine Mehrheit der Mitte-Fraktion durch und lehnten die entsprechende Bestimmung der Kommissionsmehrheit ab. Erfolglos blieb auch eine ergänzende Forderung von David Zuberbühler (svp, AR), den Zugang zu den bundesrätlichen Medienkonferenzen in der Corona-Thematik allen Schweizer Medien, also auch den im Bundeshaus nicht akkreditierten kantonalen, regionalen oder lokalen Medien, zu eröffnen. Den Kantonen komme eine wichtige Rolle zu, weshalb auch die entsprechenden Medien die Möglichkeiten für direkte Rückfragen haben müssten.

Nicht nur an der Kommunikation durch die Task Force, auch an der Berechnung der Covid-19-Zahlen störte sich die Kommissionsmehrheit. Entsprechend forderte sie, dass in die Berechnung der Positivitätsrate neu auch die Resultate von Massentests in Unternehmen einfliessen sollten. Bisher waren diese nicht integriert worden, weil man gemäss Bundesrat Berset die administrativen Hürden für die Unternehmen nicht habe vergrössern wollen. Zudem solle über rückwirkende Korrekturen der Covid-19-Kennzahlen «offen und transparent» informiert werden. Damit solle die Sicherheit und die Sichtbarkeit der vorhandenen Informationen gewährleistet werden, argumentierte Regazzi. Zudem wollte ein Einzelantrag Humbel (cvp, AG) zur Berechnung der Positivitätsrate ausschliesslich auf PCR-Tests setzen. Eine Minderheit Gysi (sp, SG) tat diese Anträge der Kommissionsmehrheit und von Ruth Humbel jedoch als Mikromanagement ab und setzte sich mit dieser Ansicht auch durch.
Darüber hinaus störten sich die Kommission sowie Thomas Aeschi, Thomas Burgherr und Nicolo Paganini (mitte, SG) auch allgemein an den Masszahlen, auf denen der Bundesrat seine Entscheidungen basierte. Die WAK-NR schlug deshalb vor, die zu berücksichtigenden Masszahlen im Gesetz festzuhalten und dem Bundesrat die Verwendung eines Ampelsystems mit Grenzwerten, welche eine Verschärfung oder Lockerung der Massnahmen anzeigen sollten, festzuschreiben. Diese Liste von Masszahlen der Kommission wollten die Minderheiten- und Einzelanträge weiter einschränken. Gesundheitsminister Berset wehrte sich insbesondere gegen das Ampelsystem, zumal der Bundesrat anfänglich Automatismen ausprobiert habe, aber schnell festgestellt habe, dass er Flexibilität brauche. Stattdessen setze man auf Richtwerte als Entscheidungshilfen, aber nicht als automatische Entscheidungsgrundlagen. Zudem seien eben – wie zum Beispiel Thomas Aeschi seine Forderung, auf die Berücksichtigung der Positivitätsrate zu verzichten, begründet hatte – die Zahlen nicht immer korrekt; entsprechend brauche es einen «Strauss von unterschiedlichen Kriterien, und dann braucht es einfach gesunden Menschenverstand [...], um zu versuchen, einen Entscheid zu fällen». Sowohl der Mehrheitsantrag als auch sämtliche Minderheits- und Einzelanträge zu diesem Thema wurden abgelehnt, womit es bei der bundesrätlichen Fassung blieb.
In eine ähnliche Richtung ging die Idee der Kommissionsmehrheit, dem Bundesrat Massnahmen wie Contact Tracing, ein tägliches Monitoring als Entscheidungsgrundlage, Orientierung an nationalen und internationalen Erfahrungen, die Erstellung eines Impfplans oder Möglichkeiten für Quarantänelockerungen vorzuschreiben. Trotz Ablehnungsantrag des Bundesrates stimmte die grosse Kammer dieser Regelung zu. Eine Minderheit Martullo-Blocher (svp, GR) und ein Einzelantrag Addor wollten darüber hinaus den Bundesrat bei der Ergreifung weiterer Massnahmen mit bedeutenden volkswirtschaftlichen Auswirkungen dazu zwingen, vorgängig die Zustimmung der zuständigen parlamentarischen Kommissionen einzuholen. Als Alternative schlug Philipp-Mathias Bregy (cvpo, VS) in Übereinstimmung mit den parlamentarischen Initiativen 20.418 und 20.414 vor, eine neue gemeinsame Kommission beider Räte zu schaffen, die Empfehlungen an den Bundesrat ausspricht, die Sachkommissionen informiert und die bundesrätlichen Massnahmen evaluiert. Die «politische Eskalation» verdeutliche die Notwendigkeit einer «zusätzliche[n] legislative[n] Institution». Der Nationalrat lehnte den Minderheitsantrag Martullo-Blocher sowie den Einzelantrag Addor ab, während Philipp-Mathias Bregy seinen Antrag zurückzog. Stattdessen folgte der Nationalrat einem Vorschlag des Ständerates, wonach neu nicht mehr «die Kantone», also faktisch die KdK/GDK, sondern die einzelnen Kantonsregierungen in die Entscheidungen einbezogen werden müssen. Dagegen hatte sich der Bundesrat gewehrt, zumal es ihm wichtig sei, eine konsolidierte Meinung der Kantone anzutreffen.

Daneben beschäftige den Rat insbesondere auch die Frage der Impfungen, respektive der Folgen für die Geimpften und Ungeimpften. Der Ständerat wollte bei mit zugelassenen Covid-19-Impfstoffen Geimpften auf Quarantänemassnahmen verzichten, was die Kommissionsmehrheit jedoch streichen wollte, zumal nicht alle Impfstoffe gleich wirksam seien und die Regelung Ungleichheiten schaffe. Eine Minderheit Aeschi, die dem Ständerat beipflichten wollte, setzte sich äusserst knapp mit 96 zu 96 Stimmen (bei 3 Enthaltungen) und Stichentscheid von Präsident Aebi (svp, BE) durch. Mit Minderheits- und Einzelanträgen wollten Thomas Aeschi und Jean-Luc Addor zudem sicherstellen, dass niemand zu einer Impfung gezwungen oder aufgrund einer fehlenden Impfung diskriminiert werden darf und die entsprechenden Impfdaten ausschliesslich für medizinische Zwecke genutzt werden dürfen. Für die Kommission sprach sich Esther Friedli gegen eine solche Einschränkung aus, zumal diesbezüglich zuerst noch viele offene Fragen geklärt werden müssten. Die grosse Kammer lehnte beide Anträge ab und sprach sich stattdessen für zwei Anträge von Regine Sauter (fdp, ZH) und Lorenz Hess (bdp, BE) aus, wonach der Bundesrat ein international kompatibles Covid-19-Zertifikat – einen Impf- und Testnachweis (Sauter) – respektive die rechtlichen Grundlagen für ein solches Zertifikat (Hess) erstellen sollte.

Auch eine Ausweitung des vereinfachten Verfahrens zur Unterschriftenbeglaubigung auf Volksinitiativen hiess der Nationalrat gut. Schliesslich war auch ein Minderheitsantrag Glättli auf Verpflichtung der Kantone zu Contact Tracing und auf Gewährung von Bundesgeldern zur Sicherstellung der Funktionsfähigkeit des Contact Tracing-Systems erfolgreich.
Im medial viel diskutierten ersten Block waren somit nur sehr wenige Anträge erfolgreich: In den meisten Fällen folgte der Nationalrat hier dem Ständerat. Erfolglos blieben sämtliche Kommissionsanträge, welche die Handlungsfreiheit des Bundesrates einschränken wollten.

Im zweiten Block, dem gemäss Finanzminister Maurer «teuersten Teil der Vorlage», beschäftigte sich der Nationalrat mit den Härtefall-Massnahmen für Unternehmen und den Verpflichtungskrediten. Dabei bereiteten die Anträge der Kommissionsmehrheit dem Finanzminister ziemlich sicher Kopfzerbrechen, beantragte sie doch Mehrausgaben von insgesamt CHF 9 Mrd. Wie bereits in früheren Debatten zum Covid-19-Gesetz verwies Finanzminister Maurer nochmals darauf, dass der Bund nicht sämtliche entgangenen Einnahmen, sondern lediglich Härtefälle abgelten könne – die hier gestellten Anträge würden aber weit über eine Härtefallabgeltung hinausgehen. Überdies prophezeite er mögliche Rechtsstreitigkeiten in anderen Bereichen, die weniger grosszügig behandelt würden, zum Beispiel bei den KAE, Studierenden oder Lernenden. Dabei kritisierte er auch das Vorgehen der Kommission, die teilweise «wirklich faktenfrei» gehandelt habe, indem sie Entscheidungen getroffen habe, ohne deren Kosten zu kennen. Nun seien die Kosten aber bekannt, weshalb die Entscheidungen korrigiert werden müssten. Schliesslich verwies er auf die Beteiligung der Kantone an diesen Entscheidungen und auf deren starke Belastung durch die Mehrausgaben. Neben dem Finanzminister störte sich auch die SVP an diesen Zusatzausgaben und forderte in mehreren Minderheitsanträgen einen Verzicht auf eine Aufstockung der Härtefallmassnahmen. Er begreife nicht, «dass man auf der einen Seite, bei den gesundheitspolitischen Massnahmen, dem Bundesrat vollumfänglich vertraut und daran nichts ändern will, während man auf der anderen Seite den finanzpolitisch austarierten Stützungsmassnahmen dann derart misstraut», fasste Albert Rösti (svp, BE) den Unmut der SVP zusammen. Im Gegenzug verwies Esther Friedli für die Kommissionsmehrheit auf die Probleme bei den Härtefallprogrammen. Diese habe man nun erkannt und müsse sie folglich beheben.
Die folgende Beratung des zweiten Blocks wurde dann in der Tat zum Albtraum des Finanzministers. In einem ersten Schritt beschloss der Nationalrat, Härtefallhilfen unabhängig vom Gründungsdatum der Unternehmen zu sprechen. Der Bundesrat hatte, unterstützt vom Ständerat, vorgeschlagen, Unternehmen, die nach dem 1. Oktober 2020 gegründet worden waren, nicht zu unterstützen, weil diese mit einem Anstieg der Covid-19-Erkrankungen hätten rechnen müssen. Der Finanzminister beschilderte diese Zusatzausgabe der Kommissionsmehrheit mit CHF 300 Mio.
Darüber hinaus entschied sich der Nationalrat, Härtefallhilfen neu auch Unternehmen, deren Umsatz während der Covid-19-Pandemie 75 statt 60 Prozent des durchschnittlichen Umsatzes beträgt, zukommen zu lassen. Gleichzeitig sollten nicht mehr die gesamte Vermögens- und Kapitalsituation der Unternehmen, sondern nur noch ihre ungedeckten Fixkosten berücksichtigt werden. In der Praxis sei festgestellt worden, dass auch Unternehmen mit einem Umsatz leicht unter 75 Prozent des früheren Umsatzes grosse Probleme hätten und ebenfalls Härtefallunterstützung benötigten, um überleben zu können. Die Konzentration auf die nicht gedeckten Fixkosten begründete die Kommissionsmehrheit damit, dass aufgrund der Berücksichtigung der Vermögens- und Kapitallage «vor der Krise gesunde Unternehmen faktisch erst unterstützt werden, wenn sie schon fast in Konkurs sind». Dieser Entscheid des Nationalrats koste CHF 3.5 Mrd., rechnete der Finanzminister vor, damit würden 17'000 zusätzliche Betriebe berücksichtigt.
Etwa CHF 500 Mio. würde der Antrag der Kommissionsmehrheit kosten, die vom Ständerat geschaffene Pflicht zu streichen, wonach sich Eignerinnen und Eigner von Unternehmen an den Härtefallleistungen beteiligen müssen, wenn diese CHF 5 Mio. übersteigen. «Wer ein Härtefall ist, hat ja wohl kaum noch Möglichkeiten, Eigenmittel einzubringen», argumentierte Esther Friedli für die Kommission und verwies auf die Ungleichbehandlung gegenüber Unternehmen mit tieferem Jahresumsatz. Auch diesen Vorschlag der Kommissionsmehrheit nahm der Nationalrat an.
Eine Gewinnbeteiligung des Bundes bei denjenigen Unternehmen mit Jahresumsatz von über CHF 5 Mio., die A-Fonds-perdu-Beiträge erhalten hatten, hatte der Ständerat tags zuvor eingeführt. Im Geschäftsjahr der entsprechenden Härtefallhilfe sollen die Unternehmen in der Folge ihren gesamten Gewinn (maximal jedoch den Betrag, den sie vom Bund erhalten hatten minus CHF 1 Mio.) dem Bund abgeben müssen. Dagegen wehrte sich eine Minderheit Badran (sp, ZH), die auf die Definition von «A Fonds perdu» hinwies, die entsprechenden Leistungen als «Abgeltung für unverschuldeten Schaden» verstand und sich dagegen wehrte, Unternehmen, die fleissig arbeiteten, dafür zu bestrafen. Damit würge man Investitionen in die Zukunft ab. Finanzminister Maurer zeigte gewisses Verständnis für die Argumentation von Badran, sorgte sich jedoch insbesondere um die Akzeptanz dieser Massnahmen in der Bevölkerung. Auch hier zeigte sich der Nationalrat grosszügig und folgte dem Antrag Badran, der die entsprechenden Rückzahlungen auf Unternehmen ab einem Jahresumsatz von CHF 250 Mio. beschränken wollte.
Überdies folgte die Mehrheit des Nationalrats dem Ständerat auch bezüglich der Erhöhung der Höchstbeiträge bei den Härtefallhilfen für Unternehmen mit einem Umsatzrückgang von über 70 Prozent – eine Minderheit Aeschi hatte 80 Prozent gefordert. Finanzminister Maurer hatte die Zusatzkosten der beiden Anträge auf CHF 540 Mio. (Mehrheit) und CHF 470 Mio. (Aeschi) beziffert und deren Ablehnung beantragt.
Damit hatte der Nationalrat in wenigen Geschäften Zusatzausgaben in Milliardenhöhe geschaffen. Der Finanzminister sprach einige Tage später davon, dass sich der Nationalrat «in einen Ausgabenrausch gesteigert» habe – zum Ende der Beratung des Covid-19-Gesetzes durch den Nationalrat beliefen sich die Zusatzausgaben auf fast CHF 10 Mrd.

Doch nicht nur aus monetären Gründen lehnte der Bundesrat verschiedene von der Kommissionsmehrheit in diesem Block vorgeschlagene Anträge ab. So störte sich beispielsweise der Finanzminister bezüglich der von der Kommissionsmehrheit vorgeschlagenen Präzisierung des Dividendenverbots weniger an deren Kosten als daran, dass damit im Vollzug Rechtsunsicherheit geschaffen würde – Maurer sprach gar von einem «Gummiparagrafen». So sollten zwar die Ausschüttung von Dividenden und die Rückerstattung von Kapitaleinlagen verboten bleiben, aber Ausschüttungen mit Finanzierungscharakter, für Nachfolgelösungen oder an nicht-mitarbeitende Familienangehörige, Darlehen oder Lohnvorschüsse erlaubt bleiben. Die aktuelle Regelung war vor weniger als drei Monaten beschlossen worden, dennoch sprach sich die Mehrheit des Nationalrats gegen den Widerstand von SVP und FDP für die Änderung aus.
Eine weitere Änderung an Massnahmen, die erst gerade in der letzten Session beschlossen worden waren, schlug die Kommissionsmehrheit beim Handlungsspielraum der Kantone vor. So hatte das Parlament im Dezember entschieden, dass die Kantone bei den Härtefallmassnahmen nur Mindestanforderungen des Bundes einhalten müssen. Nun sollte jedoch eine Pflicht für den Bund zu einer koordinierten Umsetzung der Massnahmen und für Mindeststandards der Leistungen geschaffen werden. Darüber zeigte sich der Finanzminister ziemlich verärgert: «Meiner Meinung nach ist dieser Absatz so ziemlich das Dümmste, was Sie jetzt noch machen können». Der Bund sei seit dem 1. Dezember 2020 gemeinsam mit den Kantonen dabei, die entsprechenden Massnahmen auszuarbeiten – das Vorgehen erfolge somit bereits koordiniert. Es habe lange gedauert, nun sei man aber soweit; folglich mache es keinen Sinn, die Kantone zu zwingen, jetzt noch einmal von vorne zu beginnen. Die Kommissionsmehrheit störte sich jedoch an den unterschiedlichen kantonalen Regelungen und setzte sich mit ihrer Forderung im Nationalrat gegen die SVP, fast die ganze Mitte-Fraktion und einzelne Mitglieder der FDP-Fraktion durch.
Abgelehnt wurden hingegen zahlreiche Minderheitsanträge in diesem Block, etwa eine Minderheit Grossen für eine Erleichterung der Anspruchsvoraussetzungen für Unternehmen mit sehr hohen Umsatzausfällen, einer Minderheit Regazzi für eine neue Unterstützungsmassnahme in Form von A-Fonds-perdu-Beiträgen für Betriebe, die aufgrund von behördlichen Anordnungen geschlossen worden waren, oder eine weitere Minderheit Grossen für eine Wiederaufnahme des Solidarbürgschaftsprogramms.
Einsparungen konnte der Finanzminister schliesslich aufgrund eines Einzelantrags Markwalder (fdp, BE) verzeichnen: Darin wurde gefordert, dass die A-Fonds-perdu-Beiträge maximal den belegten ungedeckten Fixkosten entsprechen dürfen, bei Unternehmen mit über CHF 250 Mio. Jahresumsatz maximal 30 Prozent der ungedeckten Fixkosten. Damit sollten die Härtefallhilfen auf KMU fokussiert werden, da diese auch besonders stark von den Restriktionen betroffen seien. Zudem sollte eine staatliche «Überentschädigungen» verhindert werden. Gegen den Willen von SP, GLP und GP nahm der Rat diesen Antrag an.
Nicht umstritten war in diesem Block hingegen die Frage zu den Härtefallmassnahmen: Diesbezüglich schlug der Bundesrat vor, die finanzielle Beteiligung des Bundes an den Härtefallmassnahmen nicht mehr im Rahmen des Covid-19-Gesetzes, sondern neu in einem separaten Bundesbeschluss über die Finanzierung der Härtefallmassnahmen zu regeln. Mit diesem sollte ein Verpflichtungskredit von CHF 8.2 Mrd. genehmigt werden, wobei CHF 4.2 Mrd. für Unternehmen mit einem Jahresumsatz bis CHF 5 Mio., CHF 3 Mrd. für grössere Unternehmen und CHF 1 Mrd. als Bundesratsreserve eingesetzt werden sollten. Mit 192 zu 4 Stimmen nahm der Nationalrat den neuen Bundesbeschluss deutlich an. Die ablehnenden Stimmen stammten von Mitgliedern der SVP-Fraktion.

In einem dritten Block zum Thema «Arbeitslosenversicherung» vertrat Wirtschaftsminister Parmelin die Position des Bundesrates. Bei den Bestimmungen im Bereich der ALV lagen verschiedene Änderungsanträge vor. Der Bundesrat hatte vorgeschlagen, die Höchstdauer für Kurzarbeitsentschädigung zu erhöhen, zumal Unternehmen, die seit März 2020 ohne Unterbrechung auf KAE angewiesen waren, die bisherige Höchstdauer Ende August 2021 erreichen würden. Nach dem Ständerat sprach sich auch der Nationalrat für die Erhöhung aus. Überdies schlug der Bundesrat eine Streichung der Voranmeldefrist für KAE und rückwirkende Anmeldungsmöglichkeiten ab dem 18. Dezember 2020 vor, die WAK-NR wollte diese Rückwirkung bereits ab dem 1. September 2020 ermöglichen und gleichzeitig bis Ende April 2021 beschränken. Die Unternehmen seien im Dezember 2020 von den schnellen Schliessungen «überrumpelt» worden, betonte Bundesrat Parmelin, nun sollten sie die verpassten Anmeldungen nachholen können. Um die kantonalen Ämter zu schonen, begrenzte der Bundesrat die Rückwirkung aber stärker als die Kommissionsmehrheit, die sich in dieser Frage jedoch durchsetzte.
Bezüglich der ordentlichen Leistungen der ALV wollte die Kommissionsmehrheit in Übereinstimmung mit dem Bundesrat und dem Ständerat 66 zusätzliche ALV-Taggelder für die Monate März bis Mai 2021 schaffen, um der schwierigen Arbeitsmarktsituation Rechnung zu tragen. Eine Minderheit Ryser (gp, SG) wollte jedoch auch die Monate Januar und Februar in diese Bestimmung aufnehmen und die zusätzliche Anzahl Taggelder auf 107 erhöhen. Damit würden auch Personen unterstützt, die im Januar ausgesteuert wurden, zumal diese in der Folge kaum Stellen im Detailhandel oder im Gastgewerbe hätten finden können. «Wären [diese Personen] erst im März ausgesteuert worden, würden sie von einer Verlängerung profitieren», begründete Ryser den Antrag. Bundesrat Parmelin und mit ihm auch die Mehrheit des Nationalrats lehnten diese rückwirkende Massnahme aus Rücksicht auf die ohnehin schon überlasteten Durchführungsstellen und auf die zusätzlichen Kosten von CHF 1.3 Mrd. ab. Die Kommissionsmehrheit setzte sich diesbezüglich durch.
Neben diesen Änderungsvorschlägen des Bundesrates lagen erneut zahlreiche Anträge links-grüner Minderheiten auf einen Ausbau der KAE vor. Im Zentrum stand diesbezüglich die Aufstockung der KAE auf 100 Prozent für Einkommen bis CHF 3'470, wie sie im Dezember 2020 temporär bis Ende März 2021 geschaffen worden war. Eine Minderheit Ryser verlangte in Übereinstimmung mit mehreren Motionen, die Grenze für einen 100-prozentigen Anspruch auf CHF 4'000 zu erhöhen. Es habe sich gezeigt, dass die bisherige Grenze gerade für Familien zu tief liege, «das zieht eine Familie unter die Armutsgrenze». Ein Einzelantrag von Flavia Wasserfallen (sp, BE) verlangte gar 100-prozentige KAE für Einkommen bis CHF 4'412, dem Medianlohn im Gastgewerbe. Der Bundesrat verwies hingegen auf die wachsende Ungleichheit bei der Entschädigung von Arbeitslosen und Personen mit KAE und lehnte nicht nur die Erhöhung des entsprechenden Grenzbetrags, sondern auch die Verlängerung dieser Erhöhung bis Ende Dezember 2021 ab. Thomas Aeschi verwies in der Begründung seines Minderheitsantrags, mit dem er die entsprechende Regelung im März 2021 auslaufen lassen wollte, erneut auf die Öffnung der Gastronomie, welche eine solche Lösung überflüssig mache. Für die Kommission betonte Esther Friedli, dass noch immer viele Arbeitnehmende von Kurzarbeit betroffen seien und diese Massnahme folglich bis Ende Juni 2021, nicht aber bis Ende 2021 weiterlaufen soll. Diesem Votum pflichtete der Nationalrat bei und verlängerte die Dauer der bisherigen Lösung auf Ende Juni 2021. Sämtliche Minderheitsanträge lehnte er folglich ab.
Stattdessen sah eine Minderheit Bendahan (sp, VD) ein Dividendenverbot für den Zeitraum des Bezugs von KAE vor: Solange ein Unternehmen von öffentlichen Geldern profitiere, sollten die Aktionärinnen und Aktionäre keine Dividende erhalten, argumentierte er. Bisher bestand ein Dividendenverbot bereits beim Bezug von Härtefallhilfe. Bundesrat Parmelin verwies denn auch darauf, dass KAE keine Subvention, sondern eine Versicherungsleistung seien. Da damit insbesondere die Arbeitsplätze erhalten werden sollen, wäre eine Regelung, gemäss der ein Unternehmen zwischen Kurzarbeit und Dividendenzahlungen wählen muss, kontraproduktiv. Zudem müssten die Unternehmen gerade jetzt Investoren anlocken können. Wie bereits der Ständerat bei der Schaffung des Covid-19-Gesetzes sprach sich nun auch der Nationalrat gegen eine solche Regelung aus, die von der SP, der GP und zwei Mitgliedern der GLP unterstützt wurde.
Auf grossen Widerstand stiess schliesslich der Vorschlag der Kommissionsmehrheit, zur Stärkung des Detailhandels an 12 zusätzlichen Terminen Sonntagsverkäufe durchführen zu können. Deutliche Worte fand die Sprecherin des Minderheitsantrags, Prisca Birrer-Heimo, die den Antrag als «zynisch» und als «Missbrauch der Covid-19-Gesetzgebung» bezeichnete. Das Verkaufspersonal, das unter normalen Bedingungen sehr viel leiste, habe während der Pandemie «noch einen zusätzlichen Effort für die Versorgung mit Grundnahrungsmitteln geleistet». Dafür seien sie in der ersten Welle beklatscht worden, während man nun von ihnen verlange, noch verstärkt am Sonntag zu arbeiten. Und dies ohne dass die Sozialpartner konsultiert worden seien. Auch Wirtschaftsminister Parmelin verwies auf den starken Widerstand gegen Sonntagsarbeit in Teilen der Bevölkerung und empfahl den Verzicht auf eine solche Regelung. Knapp setzten sich die Minderheit und der Bundesrat mit 96 zu 93 Stimmen (bei 4 Enthaltungen) durch, womit der Nationalrat zusätzliche Sonntagsverkäufe ablehnte.
In der Folge sprach sich der Nationalrat mit 139 zu 54 Stimmen (bei 1 Enthaltung) dafür aus, dem ALV-Ausgleichsfonds CHF 6 Mrd. zur Deckung der Kosten für KAE für die Jahre 2020 und 2021 zukommen zu lassen und die entsprechende Ausgabenbremse zu lösen. Damit sollte verhindert werden, dass sich der ALV-Fonds überschuldet und die automatische Schuldenbremse in Kraft tritt. Einzig die Mitglieder der SVP lehnten die entsprechende Regelung ab respektive enthielten sich der Stimme.

In einem vierten Block behandelte der Nationalrat sämtliche übrigen im Covid-19-Gesetz geregelten Aspekte der Pandemie.
Bei den Geschäftsmieten etwa beantragte eine Minderheit Badran, die Kündigungsfristen bei Mietzinsrückständen auf 90 Tage und bei Pachtzinsrückständen auf 120 Tage zu verlängern. Im Dezember 2020 sei das Parlament davon ausgegangen, dass Vermietende und Mietende eine Lösung finden würden, was eine gesetzliche Regelung unnötig gemacht hätte – dies sei jedoch nicht der Fall gewesen. Insbesondere grosse Vermietende hätten sich in der Folge «darauf berufen, dass das Parlament hier offensichtlich keine Einigung wünsche», und den Mietenden bei Verzug mit Kündigung gedroht. Man müsse nun die Mietenden «bis zum Eintreffen der Härtefallgelder» vor Kündigungen schützen. Finanzminister Maurer erachtete diese Regelung als mit dem Covid-19-Gesetz nicht kompatibel, zumal entsprechende Härtefälle in der Härtefallverordnung geregelt seien – das Anliegen solle folglich dort aufgenommen werden. Die Minderheit setzte sich jedoch mit 98 zu 90 Stimmen (bei 6 Enthaltungen) durch.

Daneben beantragte die Kommissionsmehrheit, die Übernahme von Betriebsstätten durch ausländische Käuferinnen und Käufer erneut einer Bewilligung zu unterstellen. Damit solle verhindert werden, dass ausländische Personen die Notverkäufe von Betrieben während der Pandemie nutzten und dadurch viele Objekte in der Schweiz in fremde Hände gerieten. Bundesrat Maurer lehnte eine solche Regelung im Covid-19-Gesetz ab, nicht zuletzt, weil diese Regelung nur bis zum 31. Dezember 2021 in Kraft sein würde – anschliessend tritt das Gesetz ausser Kraft. Zudem könne eine solch gravierende materielle Änderung nicht ohne Vernehmlassung und breite Abstützung ins Gesetz aufgenommen werden. Schliesslich verwies er auf die parlamentarische Initiative 21.400, der die RK-NR bereits Folge gegeben hatte. Einen Minderheitsantrag Leo Müller (mitte, LU) auf Streichung der Massnahme war anfangs erfolgreich, nach einem Ordnungsantrag und einer Wiederholung der Abstimmung sprach sich der Nationalrat mit 113 zu 80 Stimmen (bei 1 Enthaltung) jedoch für die von der Kommissionsmehrheit vorgeschlagene Regelung aus.

Im Kulturbereich wollte die Kommissionsmehrheit dem Ständerat beipflichten, der die bisher geltende Beschränkung der Höhe der Kulturleistungen aufheben wollte. Man brauche hier analog zu den Härtefallhilfen Flexibilität, argumentierte Esther Friedli. Finanzminister Maurer fürchtete sich jedoch davor, mit dieser Ausweitung «Tür und Tor für Forderungen» zu öffnen. Die Mehrheit setzte sich aber gegen einen Minderheitsantrag Aeschi, der bei der bisherigen Regelung bleiben wollte, durch und strich die Beschränkung für Härtefallhilfen im Kulturbereich. Zudem beantragte die Kommissionsmehrheit, bei der Hilfe für Kulturschaffende die Freischaffenden ausdrücklich zu erwähnen, was eine weitere Minderheit Aeschi ablehnte. Der Finanzminister verwies auf die schwierige Definition von «freischaffende[n] Angestellte[n]» und betonte, dass die selbständigerwerbenden Freischaffenden bereits Anspruch auf den Corona-Erwerbsersatz, Ausfallentschädigung und Notfallhilfe hätten. Auch hier setzte sich die Kommissionsmehrheit jedoch durch.
Darüber hinaus schuf der Nationalrat einen von der Kommissionsmehrheit vorgeschlagenen Paragraphen, der eine Ausfallentschädigung für abgesagte oder verschobene Veranstaltungen, Messen, Gewerbeausstellungen und Jahrmärkte zwischen dem 1. Juni 2021 und dem 30. April 2022 vorsah. Damit wollte die Kommissionsmehrheit einen «Schutzschirm für die Veranstaltungsbranche», wie es Esther Friedli nannte, schaffen. Dies sollte Kulturunternehmen zur Planung neuer Veranstaltungen motivieren. Der Finanzminister bekundete zwar seine Sympathie für die Idee, verwies aber erfolglos auf die daraus resultierenden Vollzugsprobleme.
Angenommen wurde überdies ein Verbot finanzieller Beiträge an kantonale Grundeinkommen, womit die Kommission insbesondere die Bundesfinanzierung des Zürcher Modells der Ausfallentschädigung für Kulturschaffende verhindern wollte. Jedoch entsprächen weder das Zürcher noch das Basler Modell einem Grundeinkommen, betonte Prisca Birrer-Heimo, die diesen Artikel wieder streichen wollte. Durch die Annahme eines befristeten Pauschalbetrags solle lediglich eine administrative Erleichterung geschaffen werden. Zudem widerspreche der in diesem Artikel ebenfalls vorgeschriebene detaillierte Nachweis der finanziellen Einbussen der bisherigen Praxis, wonach finanzielle Einbussen nur plausibilisiert werden müssen. Knapp setzte sich die Kommissionsmehrheit mit 100 zu 92 Stimmen (bei 1 Enthaltung) durch.
Einig waren sich Kommissionsmehrheit und Bundesrat schliesslich bei der Frage der Rückwirkung im Kulturbereich: Hier gäbe es eine Lücke in der bisherigen Gesetzgebung, die durch eine Rückwirkungsklausel geschlossen werden müsse, erklärte der Bundesrat und der Nationalrat stimmte ihm zu.

Bei den Härtefallmassnahmen für Sportklubs hatte sich der Ständerat zuvor entschieden, auf die für den Erhalt von A-Fonds-perdu-Beiträgen nötigen Einkommensreduktionen bei den Sportklubs zu verzichten. Dieses Vorgehen unterstützte eine Minderheit Regazzi gegen den Willen der Kommissionsmehrheit, welche die Einkommensreduktionen beibehalten wollte. Regazzi verwies auf die Probleme von Klubs mit geringerem Budget. Diese müssten Verträge mit ihren Topspielern auflösen, welche den Klub in der Folge ablösefrei verlassen könnten, wodurch diesem Transfereinnahmen entgingen und er an Wettbewerbsfähigkeit verliere. Deshalb hätten auch kaum Super League-Klubs entsprechende Anträge gestellt. Mit 130 zu 48 Stimmen blieb der Nationalrat zwar deutlich bei der im Dezember 2020 getroffenen Regelung, der Minderheitsantrag fand jedoch in allen Fraktionen Zustimmung.

Im Medienbereich hatte der Ständerat zuvor eine Möglichkeit zur Unterstützung für private Radio- und Fernsehunternehmen geschaffen, welche auch in der Kommission nicht umstritten war. Jedoch verlangte eine Minderheit I Rytz statt einer Kann-Formulierung eine Verpflichtung, während eine Minderheit II Birrer-Heimo die entsprechenden Zahlungen nicht aus der RTVG-Abgabe tätigen wollte. Regula Rytz verwies insbesondere auf die Corona-bedingt fehlenden Werbeeinnahmen der Medienunternehmen, deren Einnahmen trotz zunehmender Mediennachfrage sänken. Prisca Birrer-Heimo wehrte sich dagegen, dass die privaten Haushalte die Medienunterstützung durch eine Erhöhung der RTVG-Abgabe finanzieren müssten. Der Nationalrat lehnte die Änderungsvorschläge von Rytz und Birrer-Heimo indes ab und folgte damit dem Ständerat.

Neu hinzugekommen war im Covid-19-Gesetz eine Regelung für Kitas. So schlug der Bundesrat in Übereinstimmung mit der angenommenen Motion 20.3917 Finanzhilfen für Kantone vor, welche die entgangenen Betreuungsbeiträge von öffentlich geführten Institutionen der familienergänzenden Kinderbetreuung übernommen hatten. Eine Minderheit Aeschi lehnte die neue Finanzhilfe ab, scheiterte damit jedoch.

In diesem vierten Block behandelte der Nationalrat auch das Thema des Erwerbsersatzes. Im Dezember hatte das Parlament die Zugangsgrenze zu EO von Umsatzeinbussen von 55 Prozent auf 40 Prozent reduziert, nun wollte die WAK-NR einen Schritt weitergehen und Selbständigerwerbstätigen ab Umsatzeinbussen von 20 Prozent Erwerbsersatz bezahlen. Eine Minderheit Mettler (glp, BE) forderte überdies, die Geltungsdauer des Erwerbsersatzes von Ende Juni 2021 bis Ende Dezember 2021 zu verlängern. Einmal mehr verwies Minderheitensprecher Aeschi auf die Kosten von «mehrere[n] hundert Millionen Franken» – CHF 200 Mio. bis Ende Juni 2021, gar zwischen CHF 600 Mio. und CHF 1 Mrd. bis Ende 2021, wie der Finanzminister daraufhin auswies. Die Kommissionsmehrheit setzte sich jedoch mit dem Argument durch, dass auch Personen mit Erwerbsausfall bis 20 Prozent «in ihrer Erwerbstätigkeit als massgeblich eingeschränkt gelten». Erfolglos blieb hingegen der Antrag auf eine zeitliche Verlängerung der Massnahme.
Für Diskussionen sorgte auch der Antrag, den im Dezember 2020 geschaffenen Anspruch auf Überbrückungsleistungen für Personen, die ab dem 1. Januar 2021 ausgesteuert würden (statt erst ab dem 1. Juli 2021), wieder zu streichen. Stattdessen wollte die Kommissionsmehrheit erreichen, dass diese Personen nicht ausgesteuert werden, bis sie Anfang Juli 2021 ÜL beziehen können. Eine Minderheit Aeschi beantragte hingegen, sowohl die im Dezember geschaffene Lösung zu streichen als auch auf die neue Lösung der Kommission zu verzichten. So seien die für einen rückwirkenden Anspruch auf ÜL nötigen Strukturen gemäss der Verwaltung noch nicht vorhanden, unterstützte Daniela Schneeberger (fdp, BL) die Minderheit. Dennoch hiess der Nationalrat den Antrag der Kommissionsmehrheit gut.
Eine Regelung für verschiedene Bereiche – KAE, EO, Härtefall, sektorielle Unterstützung – schlug schliesslich die Kommissionsmehrheit in Übereinstimmung mit einem Antrag der SGK-NR vor: Neu sollte ein Anspruch auf unverzügliche Vorschüsse geschaffen werden, wenn Gesuche nicht innert 30 Tagen bearbeitet werden. Bundesrat Parmelin verwies auf das bereits bestehende beschleunigte, summarische Verfahren bei den KAE und betonte, eine verzögerte Auszahlung von KAE liege häufig daran, dass die von den Unternehmen zur Verfügung gestellten Unterlagen nicht vollständig seien. Er unterstrich zudem die Schwierigkeit, später allfällige zu Unrecht bezahlte Leistungen wieder zurückzufordern. Der Nationalrat folgte hier dem Antrag der Kommissionsmehrheit und lehnte einen Antrag Aeschi auf Streichung ab.

Nach über 10-stündiger Debatte schritt der Nationalrat schliesslich zur Gesamtabstimmung zur zweiten Revision des Covid-19-Gesetzes, das in der grossen Kammer auf deutliche Zustimmung stiess: Mit 143 zu 35 Stimmen (bei 17 Enthaltungen) nahm der Nationalrat den Entwurf an. Sämtliche Enthaltungen und ablehnenden Stimmen stammten aus der SVP-Fraktion, von der nur zwei Personen für den Entwurf stimmten. Als weniger kritisch erachtete die SVP-Fraktion in den Gesamtabstimmungen den Bundesbeschluss über die Finanzierung der Härtefallmassnahmen nach dem Covid-19-Gesetz sowie das Bundesgesetz über die obligatorische ALV und die Insolvenzentschädigung, mit dem der ausserordentliche Beitrag 2021 an den Ausgleichsfonds geregelt wurde: Diesen Vorlagen stimmten erneut die Mitglieder aller anderen Fraktionen sowie 11 respektive 25 Mitglieder der SVP-Fraktion zu (150 zu 26 Stimmen (bei 16 Enthaltungen) respektive 165 zu 23 Stimmen (bei 6 Enthaltungen)).

Zweite Revision des Covid-19-Gesetzes (Änderung und Zusatzkredit; BRG 21.016)
Dossier: Covid-19-Gesetz und Revisionen

160 Tage nach der Schaffung des Covid-19-Gesetzes und 93 Tage nach Annahme der ersten Revision behandelte der Ständerat in der Frühjahrssession 2021 die zweite Revision des Covid-19-Gesetzes. Erneut stand das Parlament vor einem dichtgedrängten Programm, zumal das Gesetz bis zum Ende der Session fertig beraten sein musste, weil der Bundesrat ansonsten womöglich wieder auf Notrecht zurückgreifen müsste, wie etwa Ruedi Noser (fdp, ZH) erklärte. Der Zürcher Ständerat verwies denn auch auf die Problematik, ein Geschäft, in dem es um CHF 15 Mrd. geht, innert kurzer Zeit behandeln zu müssen. Der Ständerat hatte beispielsweise als Erstrat nur gerade fünf Stunden Zeit, bis die nationalrätliche Kommission seine Entscheide bereits wieder beraten sollte.
Bei der Präsentation der Revision erläuterte Kommissionspräsident Levrat (sp, FR) zum Einstieg, was nicht im Gesetz oder der Revision stehe – auch wenn man beim Lesen der Zeitungen das Gefühl habe, das seien die zentralen Elemente des Gesetzes: nämlich die Regeln zur Öffnung von Geschäften und Restaurants sowie die Meinungsäusserungsfreiheit der Covid-19-Task-Force. Damit stellte er sich ablehnend zur Forderung verschiedener Kommissionen – insbesondere der WAK-NR –, einen zwingenden Öffnungstermin etwa für Restaurants ins Covid-19-Gesetz aufzunehmen. Die WAK-SR habe sich auf die wirtschaftlichen Aspekte konzentriert, wie es ihrer Aufgabe und ihrem Kompetenzbereich entspreche, während das Notfallmanagement in der Verantwortung des Bundesrates liege.

Eintreten war in der Folge nicht bestritten, genauso wenig hatte die WAK-SR Anträge bezüglich Artikel 1 des Gesetzes, der die Grundsätze des Covid-19-Gesetzes beinhaltet, gestellt. Dennoch sorgten verschiedene Einzelanträge insbesondere der Mitte-Fraktion dafür, dass nicht nur die spezifischen vom Bundesrat geplanten Änderungen, sondern auch grundsätzliche Fragen zum Gesetz diskutiert wurden. Den Anfang machte Heidi Z’graggen (mitte, UR), die dem Bundesrat die Einhaltung des Subsidiaritätsprinzips, «die mildest- und kürzestmögliche Einschränkung des wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Lebens» sowie eine Pflicht zur umfassenden Information des Parlaments über die Massnahmen gemäss dem Epidemiengesetz vorschreiben wollte. Andrea Gmür-Schönenberger (mitte, LU) wollte den Bund zu einem Ampelsystem verpflichten, bei dem er vorgängig Kriterien und Richtwerte für Einschränkungen und Erleichterungen definieren sollte. Benedikt Würth (mitte, SG) beantragte eine Präzisierung bei der Pflicht zum Einbezug der Kantone – statt wie bisher vor allem die GDK sollten zukünftig die einzelnen Kantonsregierungen in die Entscheidungsfindung einbezogen werden. Am weitesten ging der Vorschlag von Thomas Minder (parteilos, SH), der ein Vetorecht der zuständigen Kommissionen gegen einen Lockdown, eine Ausgangssperre, grossräumige Grenzschliessungen oder Schliessungen von sehr bedeutenden Branchen schaffen wollte. In der Folge entbrannte vor allem eine Diskussion um die Frage, ob denn nun der Grundsatz des Gesetzes diskutiert werden solle, ob im Hinblick auf die Mehrheitsanträge der WAK-NR zur Öffnung der Wirtschaft mit Grundsatzdiskussionen bis nach der ersten Beratung des Nationalrats gewartet werden solle oder ob es in dieser Revision des Gesetzes einfach um eine Minderung der wirtschaftlichen Folgen gehen solle und das folglich nicht der richtige Zeitpunkt für Grundsatzdiskussionen sei. Kommissionspräsident Levrat lehnte im Namen der Kommission sämtliche Einzelanträge zum ersten Artikel ab. Dabei wies er insbesondere auf die institutionelle Ordnung hin, gemäss der das Parlament abstrakte Normen zu erlassen habe und die Regierung für deren Durchsetzung zuständig sei. Ein Vetorecht der Kommissionen sowie eine zu detaillierte Informationspflicht gegenüber dem Parlament würden dieser institutionellen Ordnung widersprechen. Eine Präzisierung im Sinne des Antrags Z’graggen sei zudem nicht nötig, da die Verhältnismässigkeit im Covid-19-Gesetz bereits jetzt vorgeschrieben sei.
Dennoch stimmte der Ständerat einigen der Einzelanträge zu Artikel 1 zu, nämlich der Pflicht für den Bundesrat, sich an der Subsidiarität zu orientieren und die Einschränkungen so kurz wie möglich zu halten (Antrag Z’graggen), vorgängig Kriterien und Richtwerte zu definieren (Antrag Gmür-Schönenberger) sowie die Kantonsregierungen einzubeziehen (Antrag Würth). Deutlich lehnte er hingegen das Vetorecht für die Kommissionen ab (Antrag Minder).
In einem Einzelantrag verlangte überdies Martin Schmid (fdp, GR), dass Kantone mit stabiler oder rückläufiger epidemiologischer Lage oder mit innovativen Massnahmen zur Bewältigung der Pandemie (beispielsweise einer Covid-19-Teststrategie) Erleichterungen erhalten. So widersprächen wirtschaftspolitische Argumente, wonach ein Kanton wirtschaftlich nicht den anderen vorgezogen werden dürfe, dem Epidemiengesetz, gemäss dem nur gesundheitspolitische Argumente zählten. Christian Levrat vertrat im Gegenzug die Ansicht, dass Schmids Vorschlag im Widerspruch zum Epidemiengesetz stehe, da Letzteres ausschliesslich Massnahmen auf nationaler Ebene vorsehe. Zudem verwies er auf die Situation im November 2020, als es zu einem «Chaos zwischen den Kantonen» gekommen sei. Dennoch sprach sich der Ständerat mit 30 zu 13 Stimmen für den Einzelantrag Schmid aus.

Hauptdiskussionspunkt bei dieser Debatte des Covid-19-Gesetzes waren hingegen die Härtefallhilfen, zu denen zahlreiche Minderheitsanträge vorlagen. Umstritten waren hier beispielsweise die Finanzierungsanteile des Bundes und der Kantone an den Härtefallhilfen. Der Bundesrat hatte vorgesehen, 70 Prozent der Kosten bei Unternehmen mit Umsatz bis CHF 5 Mio. und gar 100 Prozent bei den umsatzstärkeren Unternehmen zu übernehmen. Die WAK-SR schlug vor, den Bundesanteil bei den umsatzschwächeren Unternehmen auf 80 Prozent zu erhöhen, und nahm damit einen Antrag der Finanzdirektorenkonferenz auf, die auf die grosse Belastung der Kantone im Gesundheitsbereich hingewiesen und um eine Reduktion ihres Anteils zur Aufrechterhaltung ihrer Flexibilität gebeten hatte. Zahlreiche Befürwortende einer Erhöhung des Bundesanteils wiesen in der Folge darauf hin, dass die Grossunternehmen, deren Härtefallhilfen vollständig vom Bund finanziert werden, nicht gleichmässig verteilt seien, sondern sich auf einige wenige Kantone konzentrierten. Diese städtischen oder Agglomerationskantone würden somit vom Bund deutlich stärker unterstützt als die übrigen Kantone, weshalb man Letztere durch Erhöhung des Bundesanteils ebenfalls entlasten solle. Eine Minderheit Zanetti (sp, SO) beantragte, dem Bundesrat zu folgen: Es sei den Kantonen durchaus zuzumuten, 18 (statt 12) Prozent der gesamten Härtefallhilfen (also 20 oder 30% der umsatzschwächeren und 0% der umsatzstärkeren Unternehmen) zu übernehmen, betonte Zanetti, insbesondere wenn man bedenke, dass die Kantone zwei Drittel der Nationalbankausschüttungen erhielten – ab diesem Jahr seien dies rund CHF 1.3 Mrd. mehr als bisher, ergänzte Bundesrat Maurer. Der Finanzminister zeigte zwar Verständnis für die Unterstützung der Kantonsvertreterinnen und -vertreter für die Kantone, wies aber darauf hin, dass diese «nicht für die Kasse der Kantone verantwortlich sind, sondern […] sozusagen für meine Kasse». Äusserst knapp, mit 21 zu 21 Stimmen und Stichentscheid von Ratspräsident Kuprecht (svp, SZ) sprach sich der Ständerat für den Antrag der Kommissionsmehrheit und somit für eine Erhöhung des Bundesanteils bei den umsatzschwächeren Unternehmen aus.
Auch andere Anträge des Bundesrates zu den Härtefallmassnahmen hatte die WAK-SR in der Vorbehandlung abgeändert. So hatte der Bundesrat vorgesehen, besondere Vorschriften für Unternehmen mit einem Jahresumsatz über CHF 5 Mio. erlassen zu können. Die Mehrheit der WAK-SR spezifizierte diese besonderen Vorschriften und ergänzte die Bestimmung um die Möglichkeit, ab einem Umsatzrückgang von 80 Prozent höhere Höchstbeträge der Härtefallhilfen vorsehen zu können. Thierry Burkart (fdp, AG) ging letztere Bestimmung zu wenig weit, er forderte einerseits eine entsprechende Verpflichtung für den Bundesrat und eine Senkung der Schwelle auf 70 Prozent Umsatzrückgang. Kommissionspräsident Levrat erachtete die Schwellenhöhe als sekundär, zentral sei, dass eine solche «catégorie de cas de rigueur dans les cas de rigueur», also eine Kategorie der Härtefälle innerhalb der Härtefälle, überhaupt geschaffen werde. Der Finanzminister teilte diese Ansicht, nicht aber die Absicht, den Maximalbetrag für Härtefallhilfen, die ein einzelnes Unternehmen beziehen kann, zu erhöhen. Man habe sich mit den Kantonen darauf geeinigt, dass diese Grenze bei CHF 10 Mio. liegen solle, erklärte der Finanzminister. Nun befürchtete er, dass eine Erhöhung dieses Betrags in der Öffentlichkeit auf Unverständnis stossen könnte – eine Erhöhung sei folglich eher ein Problem der politischen Akzeptanz als der Kosten, welche die Verwaltung auf etwa insgesamt CHF 200 Mio. schätzte. Der Ständerat teilte diese Sorge jedoch nicht und folgte dem Antrag der Kommissionsmehrheit, nachdem er auch den Antrag Burkart abgelehnt hatte.
Eine Minderheit Zanetti schlug vor, die für Härtefallhilfe nötige Umsatzeinbusse in «besonderen Fällen» – etwa bei Zuliefererbetrieben – von 40 Prozent auf 25 Prozent zu senken. Wenn ein Unternehmen etwas weniger als 40 Prozent Umsatzeinbusse habe, könne es sein, dass ihm genau diese Differenz «den Hals breche». Die Kommissionsmehrheit erachtete die Definition von solchen speziell betroffenen Branchen als schwierig und sprach sich daher gegen den Antrag aus. Finanzminister Maurer verwies auf die Möglichkeit zur Spartenrechnung, welche der Bundesrat in der Zwischenzeit in der Verordnung geschaffen habe; damit «dürfte ein relativ grosser Teil dieser Probleme entschärft sein, aber nicht alle Probleme». Die übriggebliebenen Probleme könne man nun aber in der Verantwortung der Kantone belassen. Diese Meinung teilte der Ständerat und folgte der Kommissionsmehrheit.
Hingegen argumentierte die WAK-SR ihrerseits mit der Akzeptanz der Bevölkerung, als es um die Frage ging, ob Unternehmen ab einem Jahresumsatz von CHF 5 Mio., welche A-Fonds-perdu-Beiträge beziehen, das Gemeinwesen an einem allfälligen Gewinn beteiligen müssen. Die Kommissionsmehrheit schlug vor, dass die Unternehmen 100 Prozent des Gewinns im ersten Jahr und 40 Prozent während drei weiterer Jahre an den Bund abzutreten hätten. Maximal sollte die Gewinnbeteiligung aber dem erhaltenen Beitrag minus CHF 1 Mio. entsprechen. Eine Minderheit Schmid beantragte jedoch, die Gewinnbeteiligung auf das erste Jahr zu begrenzen. Ansonsten habe man während vier Jahren eine durchschnittliche Gewinnsteuer von 55 Prozent und eine Gewinnsteuererhöhung um 650 Prozent – und das nachdem man in derselben Woche die 99-Prozent-Initiative, bei der die Gewinnsteuer um 50 Prozent hätte erhöht werden sollen, als «masslos» abgelehnt habe, argumentierte Roberto Zanetti. Der Finanzminister unterstützte den Minderheitssprecher, zumal Gewinne der Unternehmen ja durchaus erwünscht seien. Deutlich, mit 32 zu 8 Stimmen (bei 1 Enthaltung), folgte der Ständerat der Minderheit und dem Bundesrat und beschränkte die Gewinnbeteiligung auf das erste Jahr.
Ferner schlug die Kommission auch vor, dass Unternehmen, die einen operativen Jahresgewinn erzielen, kein Anrecht auf A-Fonds-perdu-Beiträge haben sollen und allfällig ausbezahlte Beiträge – die durchaus entstehen können, zumal die Unternehmen Anfang Jahr ja noch nicht wissen, ob sie einen Gewinn erwirtschaften werden – zurückzahlen müssen. Auch diese Massnahme stellte der Kommissionssprecher ins Licht der politischen Akzeptanz der Covid-19-Unterstützung – die Bestimmung wurde stillschweigend angenommen.
Darüber hinaus wollte die WAK-SR eine Pflicht für die Eignerinnen und Eigner von Unternehmen schaffen, ab A-Fonds-perdu-Beiträgen von CHF 5 Mio. Eigenleistungen erbringen zu müssen. Eine Minderheit Zanetti sprach sich gegen diese Verschärfung aus. Eine solche Regelung sei in Ordnung für milliardenschwere Filialketten oder ausländische Riesenkonzerne, treffe aber die mittelständischen Unternehmen, deren Besitzerinnen und Besitzer ihr Geld eben im Unternehmen belassen hätten. Christian Levrat entgegnete jedoch für die Kommission, dass es hier nur um diejenigen Unternehmen gehe, deren Eigentümerinnen und Eigentümer über die nötigen Mittel verfügten, um Eigenkapital einzuwerfen. Auch hier unterstützte der Ständerat die Kommissionsmehrheit.

Doch nicht nur bei den Härtefallhilfen, auch in anderen Bereichen lagen Minderheitsanträge vor, etwa bei der Arbeitslosenversicherung und der Kurzarbeit. Hier hatte der Bundesrat beantragt, die Höchstdauer für KAE zu verlängern, den Anspruchsberechtigten 66 zusätzliche Taggelder für die Monate März bis Mai 2021 zuzusprechen und die Rahmenfrist für den Leistungsbezug und die Beitragszeit zu vergrössern. Dabei beantragte eine Minderheit Rechsteiner (sp, SG), 107 statt 66 zusätzliche Taggelder zu sprechen und somit rückwirkend auch die Monate Januar und Februar 2021 abzudecken. Paul Rechsteiner verwies auf die «ausserordentlich kritisch[e]» Situation der Betroffenen in bestimmten Branchen, etwa im Gastgewerbe. Man solle jetzt Personen, welche im Januar oder Februar statt März oder April 2021 ausgesteuert wurden, nicht «zwischen Stuhl und Bank fallen» lassen. Die verlangte Rückwirkung erachtete Kommissionssprecher Levrat jedoch auch als problematisch, weil es unmöglich sei, rückwirkend zu prüfen, ob die Voraussetzungen für einen Leistungsbezug in den Monaten Januar und Februar gegeben waren. Finanzminister Maurer verwies indes insbesondere auf die hohen Kosten von CHF 1.3 Mrd., die durch diese Ausdehnung auf die Monate Januar und Februar 2021 entstehen würden. Der Ständerat lehnte den Minderheitsantrag Rechsteiner in der Folge ab.
Hatte die Minderheit Rechsteiner bezüglich der Taggelder eine rückwirkende Regelung beantragt, wollte eine Minderheit Noser die rückwirkend möglichen Anträge zur Kurzarbeit, die der Bundesrat ab Dezember 2020 schaffen wollte, streichen. Mit dieser Regelung müsse jedes einzelne Gesuch seit Dezember 2020 nochmals überprüft werden – im Kanton Zürich seien dies beispielsweise 20'000 Gesuche –, was zu etwa drei bis sechs Wochen zusätzlicher Verspätung bei der Auszahlung von KAE führe. Gleichzeitig hätten nur «ganz wenige Fälle» vergessen, Kurzarbeit anzumelden, zudem könnten diese Fälle über die Härtefallhilfe abgedeckt werden. Kommissionssprecher Levrat erwiderte, dass es vor allem um kleine Unternehmen ohne Personalabteilung in Branchen, in denen Kurzarbeit ungewöhnlich sei, gehe – die grossen Unternehmen hätten die Fristen kaum verpasst. Entsprechend müsse auch nur eine kleine Auswahl der Anträge erneut behandelt werden. Der Ständerat teilte diese Einschätzung und folgte der Kommissionsmehrheit.

Im Gesundheitsbereich lagen zwei Einzelanträge von Thomas Minder vor: Er forderte einerseits, geimpfte Personen von Quarantänemassnahmen auszunehmen und andererseits die Einführung einer Impfpflicht durch Bund oder Kantone explizit zu verbieten. Damit nahm er eine Forderung wieder auf, die bereits bei der Schaffung des Gesetzes im September 2020 diskutiert worden war: Um die Impfskeptikerinnen und Impfskeptiker zu beruhigen, solle eine entsprechende Klausel eingefügt werden, auch wenn das Gesetz eigentlich das Thema Impfpflicht nicht betreffe. Damit könne im Hinblick auf die Referendumsabstimmung im Juni Klarheit geschaffen und «den Gegnern des Covid-19-Gesetzes mit Blick auf das Referendum etwas Wind aus den Segeln» genommen werden, betonte Minder. Wie bereits im September 2020 der Nationalrat sprach sich nun auch der Ständerat gegen die Aufnahme eines ausdrücklichen Verbots einer Impfpflicht aus; anders als bei der ersten Debatte dieses Themas verwies Finanzminister Maurer jedoch darauf, dass womöglich irgendwann eine Ausnahme von der Impfpflicht diskutiert werden müsse – bisher sei dies aber nie diskutiert worden. Bezüglich der Ausnahme von Geimpften von den Quarantänemassnahmen verwiesen Andrea Caroni (fdp, AR) und Hans Stöckli (sp, BE) auf einen Antrag der SPK-SR an den Bundesrat, sich unabhängig von der zweiten Covid-19-Gesetzesrevision um diese Problematik zu kümmern. Dies sei der bessere Weg, zumal noch unklar sei, inwiefern geimpfte Personen die Viren weitergeben würden, betonte Stöckli. Knapp, mit 19 zu 18 Stimmen (bei 6 Enthaltungen) nahm der Ständerat den ersten Antrag Minder an, wonach Geimpfte nicht in Quarantäne müssen.

Für rote Köpfe sorgte der Antrag der Mehrheit der WAK-SR, den Kantonen zur Stärkung des Detailhandels an bis zu zwölf zusätzlichen Sonntagen pro Jahr Sonntagsverkäufe zu erlauben. Eine Minderheit Rechsteiner lehnte den Mehrheitsantrag ab, der die «Bestimmungen über den Arbeitnehmerschutz ganz massgebend umkrempeln möchte, zulasten der Arbeitnehmenden» – und dies ohne vorgängige Anhörung der Sozialpartner, wie der Minderheitensprecher betonte. Er verwies zudem auf die wichtige Rolle des Sonntags, dem einzigen Tag, an dem alle frei hätten, und kritisierte den Zynismus, eine solche Regelung unter dem Titel «Massnahmen im Bereich des Arbeitnehmerschutzes» schaffen zu wollen. «Wir haben jetzt ein Jahr lang jeder Schweizerin und jedem Schweizer beigebracht, wie man über das Internet bestellt», darum müsse man dem stationären Handel nun mehr Spielraum geben, verteidigte Ruedi Noser das Anliegen. Zudem sei diese Bestimmung bis Ende Jahr begrenzt und enthalte eine Kann-Formulierung – die Entscheidungshoheit liege bei den Kantonen. Mit 23 zu 18 Stimmen (bei 1 Enthaltung) folgte der Ständerat der Minderheit und lehnte die Möglichkeit zur Erhöhung der Anzahl Sonntagsverkäufe ab.

Auch im Sportbereich stand ein Änderungsantrag im Raum: Eine Minderheit Noser beantragte in Übereinstimmung mit einem Antrag der WBK-NR, die Pflicht für Sportklubs, die durchschnittlichen Löhne ihrer Mitarbeitenden zu senken, wenn sie Anrecht auf A-Fonds-perdu-Beiträge haben möchten, zu streichen. Noser verwies auf die Entstehung der aktuellen Regelung: Anfänglich hätten nur Sportklubs A-Fonds-perdu-Beiträge erhalten, während die übrigen Unternehmen Kredite aufnehmen mussten – entsprechend seien die strikteren Bedingungen für die Sporthilfe gerechtfertigt gewesen. Mit der Härtefallregelung für die Wirtschaft erhielten aber andere Unternehmen unter deutlich grosszügigeren Bedingungen A-Fonds-perdu-Beiträge als die Sportklubs. Zudem stelle die Bedingung der Einkommenssenkung die Vereine vor grosse Schwierigkeiten, zumal Lohnkürzungen einer Änderungskündigung bedürften. Damit würden die Spieler aber ablösefrei, wodurch den Klubs Transferbeiträge verloren gingen. Diese Verluste seien häufig grösser als die Gelder, welche die Vereine als Unterstützung erhielten. Für die Kommission bat Christian Levrat jedoch darum, «de ne pas changer les règles du jeu en cours de partie» und verwies auch hier auf die Akzeptanz der Regelungen in der Öffentlichkeit. Diese sei gefährdet, wenn die Arbeitnehmenden in Kurzarbeit auf 20 Prozent ihres Lohns verzichten müssten, während die vom Staat unterstützten Klubs Profisportlern weiterhin ihre vollen Löhne bezahlten. Man sei hier daran, eine bessere Lösung zu finden, aber zum jetzigen Zeitpunkt solle man bei der bisherigen Lösung bleiben. Mit 20 zu 20 Stimmen und Stichentscheid von Präsident Kuprecht folgte der Ständerat dem Minderheitsantrag Noser und strich die entsprechende Bedingung.

Weniger umstritten waren die übrigen Bestimmungen, über die der Ständerat zu befinden hatte. Bezüglich der Kulturhilfe schlug die WAK-SR vor, keinen maximalen Betrag für Kulturhilfe mehr ins Gesetz zu schreiben und stattdessen einfach von «notwendigen Finanzmitteln» zu sprechen. Stillschweigend nahm der Ständerat die Änderung an und löste die dafür nötige Ausgabenbremse. Auch eine Regelung, mit welcher er den Bund zur Förderung und Übernahme der direkten und indirekten Kosten der Covid-19-Tests verpflichten wollte, hiess der Ständerat stillschweigend gut. Schliesslich befürwortete er auch die Unterstützung von privaten Radio- und Fernsehunternehmen mit maximal CHF 20 Mio. pro Sender, genauso wie die vom Bundesrat geschaffene Ergänzung des Covid-19-Gesetzes, wonach der Bund denjenigen Kantonen, welche ihre öffentlich geführten Institutionen der familienergänzenden Kinderbetreuung mit Ausfallentschädigungen unterstützt haben, Finanzhilfen in der Höhe von 33 Prozent der Ausfallentschädigungen ausrichten soll.

In der Gesamtabstimmung wurde die Änderung des Covid-19-Gesetzes nicht bestritten, die kleine Kammer nahm sie einstimmig (mit 39 zu 0 Stimmen) an. Auch der Bundesbeschluss über die Finanzierung der Härtefallmassnahmen nach dem Covid-19-Gesetz sowie der ausserordentliche Beitrag an den Ausgleichsfonds für das Jahr 2021 fanden einstimmige Zustimmung (39 zu 0 Stimmen respektive 38 zu 0 Stimmen). Damit reichte die kleine Kammer die Revision des Covid-19-Gesetzes an ihren Schwesterrat weiter.

Zweite Revision des Covid-19-Gesetzes (Änderung und Zusatzkredit; BRG 21.016)
Dossier: Covid-19-Gesetz und Revisionen

La conseillère fédérale Viola Amherd a répondu à une lettre ouverte signée par une soixantaine de personnes au sujet de l'évacuation du dépôt de munitions de Mitholz. Par souci de transparence, elle propose aux habitant.e.s de la commune des consultations pour qu'ils obtiennent des réponses à leurs questions et les détails des scénarios envisagés. Elle a également nommé le conseiller national Albert Rösti (udc, BE) pour présider le nouveau groupe d'accompagnement, chargé d'assurer le suivi critique du projet et l'implication des groupes d'intérêts externes.

Les tests hydrologiques réalisés à l'aide de traceurs, effectués le 11 mai 2020, visaient à déterminer les conditions hydrogéologiques à l'intérieur et à l'extérieur du dépôt de munitions. Les résultats indiquent une faible infiltration dans les eaux souterraines. S'agissant des résultats liés à la surveillance des eaux souterraines, des traces de TNT ont été observées à des concentrations infimes dans le Stägebach, dans la Kander et dans d'autres lieux de prélèvement. De ce fait, l'OFEV et le DDPS informent que les restes de munitions n'ont actuellement aucun effet nocif ou nuisible sur l'environnement. A l'avenir, des examens complémentaires et des investigations techniques dans le domaine de l'hydrogéologie sont prévus.

Standort Mitholz – Pläne zum Umgang mit dem ehemaligen Munitionslager

Jahresrückblick 2020: Institutionen und Volksrechte

Der Bundesrat stand als Führungsgremium 2020 ganz besonders auf dem Prüfstand, musste er doch aufgrund der Corona-Pandemie mittels Notrechts regieren. Darüber, wie gut ihm dies gelang, gingen die Meinungen auseinander. Die Konjunktur der sich bunt ablösenden Vertrauensbekundungen und Kritiken schien sich dabei mit der Virulenz der Pandemiewellen zu decken. War das entgegengebrachte Vertrauen zu Beginn des Lockdowns im März sehr gross, nahm die Kritik am Führungsstil der Exekutive und an den föderalistischen Lösungen mit dem Rückgang der Fallzahlen und insbesondere auch in der zweiten Welle zu. Eine parlamentarische Aufarbeitung der Bewältigung der Pandemie durch die Bundesbehörden durch die GPK, aber auch verschiedene Vorstösse zum Umgang des Bundesrats mit Notrecht werden wohl noch einige Zeit zu reden geben. Für eine Weile ausser Rang und Traktanden fallen werden hingegen die alle vier Jahre nach den eidgenössischen Wahlen stattfindenden Diskussionen um die parlamentarische Behandlung der Legislaturplanung sowie die bereits fünfjährige Diskussion über ein Verordnungsveto, die vom Ständerat abrupt beendet wurde. Im Gegensatz dazu wird wohl die Regelung über das Ruhegehalt ehemaliger Magistratspersonen noch Anlass zu Diskussionen geben. Den Stein ins Rollen brachte 2020 die medial virulent kommentierte Rückzahlung der Ruhestandsrente an alt-Bundesrat Christoph Blocher.

Wie kann und soll das Parlament seine Aufsicht über die Verwaltung verbessern? Diese Frage stand auch aufgrund des Jahresberichts der GPK und der GPDel im Raum. Dieser machte auf einige Mängel aufmerksam, was unter anderem zur Forderung an den Bundesrat führte, eine Beratungs- und Anlaufstelle bei Administrativ- und Disziplinaruntersuchungen einzurichten. Der seit 2016 in den Räten debattierten Schaffung einer ausserordentlichen Aufsichtsdelegation, die mit den Rechten einer PUK ausgestattet wäre, aber wesentlich schneller eingesetzt werden könnte, blies hingegen vor allem aus dem Ständerat ein steifer Wind entgegen. Ein Dorn im Auge waren dem Parlament auch die Kader der bundesnahen Betriebe: 2021 wird das Parlament über einen Lohndeckel und ein Verbot von Abgangsentschädigungen diskutieren.

Das Parlament selber machte im Pandemie-Jahr eher negativ auf sich aufmerksam. Paul Rechsteiner (sp, SG) sprach mit Bezug auf den der Covid-19-Pandemie geschuldeten, jähen Abbruch der Frühjahrssession von einem «Tiefpunkt der Parlamentsgeschichte des Landes». Das Parlament nahm seine Arbeit jedoch bereits im Mai 2020 im Rahmen einer ausserordentlichen Session zur Bewältigung der Covid-19-Krise wieder auf; Teile davon, etwa die FinDel waren auch in der Zwischenzeit tätig geblieben. Dass die ausserordentliche Session aufgrund von Hygienevorschriften an einem alternativen Standort durchgeführt werden musste – man einigte sich für diese Session und für die ordentliche Sommersession auf den Standort BernExpo – machte eine Reihe von Anpassungen des Parlamentsrechts nötig. Diese evozierten im Falle der Abstimmungsmodalitäten im Ständerat einen medialen Sturm im Wasserglas. Die Pandemie vermochte damit ziemlich gut zu verdeutlichen, wie wenig krisenresistent die Parlamentsstrukturen sind, was zahlreiche Vorstösse für mögliche Verbesserungen nach sich zog. Kritisiert wurde das Parlament auch abgesehen von Covid-19 und zwar, weil der Nationalrat eine eher zahnlos gewordene, schon 2015 gestellte Forderung für transparenteres Lobbying versenkte und damit auch künftig wenig darüber bekannt sein wird, wer im Bundeshaus zur Vertretung welcher Interessen ein- und ausgeht.

Der Zufall will es, dass die SVP 2021 turnusgemäss gleichzeitig alle drei höchsten politischen Ämter besetzen wird. In der Wintersession wurden Andreas Aebi (svp, BE) zum Nationalratspräsidenten, Alex Kuprecht (svp, SZ) zum Ständeratspräsidenten und Guy Parmelin zum Bundespräsidenten gekürt. In den Medien wurde diskutiert, wie es Parmelin wohl gelingen werde, die Schweiz aus der Covid-19-Krise zu führen. 2020 standen Regierung und Parlament aber nur selten im Fokus der Medien – ganz im Gegensatz zu den Vorjahren als die Bundesratserneuerungs- und -ersatzwahlen für viel Medienrummel gesorgt hatten (vgl. Abb. 2: Anteil Zeitungsberichte pro Jahr).

Viel Druckerschwärze verbrauchten die Medien für verschiedene Ereignisse hinsichtlich der Organisation der Bundesrechtspflege. Zum einen gab die Causa Lauber viel zu reden. Gegen den Bundesanwalt wurde ein Amtsenthebungsverfahren angestrengt, dem Michael Lauber mit seinem Rücktritt allerdings zuvorkam. Die Wahl eines neuen Bundesanwalts wurde zwar auf die Wintersession 2020 angesetzt, mangels geeigneter Kandidierender freilich auf 2021 verschoben. Die zunehmend in die mediale Kritik geratenen eidgenössischen Gerichte, aber auch der Vorschlag der SVP, ihren eigenen Bundesrichter abzuwählen, waren Nahrung für die 2021 anstehenden Diskussionen um die Justizinitiative. Was Letztere anbelangt, beschlossen die beiden Rechtskommissionen Ende Jahr, einen indirekten Gegenvorschlag zur Initiative auszuarbeiten.

Auch die direkte Demokratie wurde von den Auswirkungen der Covid-Pandemie nicht verschont, mussten doch die Volksabstimmungen vom 20. Mai verschoben werden. Darüber hinaus verfügte der Bundesrat Ende März einen Fristenstillstand bei den Initiativen und fakultativen Referenden: Bis Ende Mai durften keine Unterschriften mehr gesammelt werden und die Sammelfristen wurden entsprechend verlängert. Auftrieb erhielten dadurch Forderungen nach Digitalisierung der Ausübung politischer Rechte (z.B. Mo. 20.3908 oder der Bericht zu Civic Tech). Viel Aufmerksamkeit erhielt dadurch auch der in den Medien so benannte «Supersonntag»: Beim Urnengang vom 27. September standen gleich fünf Vorlagen zur Entscheidung (Begrenzungsinitiative, Kampfjetbeschaffung, Jagdgesetz, Vaterschaftsurlaub, Kinderabzüge). Nachdem Covid-19 die direkte Demokratie eine Weile ausser Gefecht gesetzt hatte, wurde die Abstimmung sozusagen als «Frischzellenkur» betrachtet. In der Tat wurde – trotz Corona-bedingt schwierigerer Meinungsbildung – seit 1971 erst an vier anderen Wochenenden eine höhere Stimmbeteiligung gemessen, als die am Supersonntag erreichten 59.3 Prozent.
Das Parlament beschäftigte sich 2020 mit zwei weiteren Geschäften, die einen Einfluss auf die Volksrechte haben könnten: Mit der ständerätlichen Detailberatung in der Herbstsession übersprang die Idee, völkerrechtliche Verträge mit Verfassungscharakter dem obligatorischen Referendum zu unterstellen, eine erste Hürde. Auf der langen Bank befand sich hingegen die Transparenzinitiative, deren Aushandlung eines indirekten Gegenvorschlags die Räte 2020 in Beschlag genommen hatte; Letzterer wird aber wohl aufgrund des Widerstands im Nationalrat eher nicht zustandekommen.

Jahresrückblick 2020: Institutionen und Volksrechte
Dossier: Jahresrückblick 2020