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  • Reimann, Lukas (svp/udc, SG) NR/CN
  • Schmid, Martin (fdp/plr, GR) SR/CE

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Im Konkordanzsystem Schweiz mangelt es – anders etwa als in einem System mit einem Präsidenten – an Köpfen, mit denen man aufgrund der zunehmenden Personalisierung Medienberichte besser verkaufen kann. Es verwundert deshalb nicht, dass sich die Medien für einzelne Exekutivmitglieder interessieren sowie gerne und häufig auch Spekulationen über Rücktritte und mögliche Nachfolgerinnen und Nachfolger amtierender Bundesrätinnen und Bundesräte anstellen. Dies taten sie auch bereits kurz nach der Wahl des neuen Bundesrates Cassis: Schliesslich ist nach der Wahl auch für das Regierungskollegium immer auch vor der Wahl.
In der Tat hatte Doris Leuthard ja bereits im Sommer 2017 ihren Rücktritt auf spätestens Ende der Legislatur im Herbst 2019 angekündigt. Dies war eine Steilvorlage für die Medien, die insbesondere den Umstand thematisierten, dass mit dem Rücktritt der Aargauerin nur noch eine Frau, nämlich Simonetta Sommaruga, in der Regierung sässe und die CVP deshalb gut daran täte, Frauen als mögliche Kandidatinnen aufzubauen – häufig genannt wurden die Ambitionen von Viola Amherd (cvp, VS). Freilich standen bei den Christdemokraten auch einige Männer in den Startlöchern: In den Medien kursierten insbesondere die Namen von Parteipräsident Gerhard Pfister (cvp, ZG), der Ständeräte Konrad Graber (cvp, LU) und Pirmin Bischof (cvp, SO), aber auch Benedikt Würth (SG, cvp), Regierungsrat des Kantons St. Gallen, und Bundeskanzler Walter Thurnherr wurden als Kandidaten gehandelt. Der Bundeskanzler winkte jedoch relativ rasch ab und auch Parteipräsident Pfister zog sich mit dem Argument zurück, einen Austausch im Präsidium kurz vor den Wahlen vermeiden zu wollen. Auch Konrad Graber nahm sich mit seiner Ende August gemachten Ankündigung, bei den eidgenössischen Wahlen 2019 nicht mehr antreten zu wollen, aus dem Rennen.
Ende April 2018 gab dann auch Johann Schneider-Ammann bekannt, dass er keine weitere Legislatur mehr anstrebe. Neben der Forderung, dass auch die FDP nun ein Frauenticket aufstellen müsse, wurde mit der Ankündigung des Berner Magistraten auch die Diskussion um einen konzertierten Doppel- (zusammen mit Leuthard) oder gar Dreierrücktritt (zusammen mit Ueli Maurer) angestossen. Das Parlament müsse eine möglichst grosse Auswahl haben, damit eine genügend grosse Frauenvertretung gesichert sei, lautete der Tenor in den Medien. Auch das Kandidatenkarussell für die Nachfolge des Berner Magistraten begann sich rasch zu drehen. Neben Karin Keller-Sutter (fdp, SG), die bei der Wahl Schneider-Ammanns 2010 noch unterlegen war, brachten die Medien Parteipräsidentin Petra Gössi (fdp, SZ), die Ständeräte Andrea Caroni (fdp, AR), Martin Schmid (fdp, GR) und Ruedi Noser (fdp, ZH) sowie Nationalrat Beat Walti (fdp, ZH) ins Spiel. Auch beim Freisinn zogen sich einige potenzielle Papabili allerdings bereits vor dem definitiven Rücktritt Schneider-Ammans zurück. So gab Petra Gössi etwa zu Protokoll, ihrer Partei eine Kandidatur nicht zumuten zu wollen. Mit dem Namen Keller-Sutter wurde in den Medien häufig auch der Anspruch der Zentral- und Ostschweiz auf einen Bundesratssitz zur Sprache gebracht.
Rücktrittspotenzial sahen die Medien schliesslich auch bei Ueli Maurer, bei dem sie vermuteten, dass er mit 67 Jahren und nach zehn Jahren im Amt bald genug haben könnte. Von verschiedener Seite wurde Magdalena Martullo-Blocher (svp, GR) als mögliche Nachfolgerin ins Spiel gebracht, die in mehreren Interviews ihre Bereitschaft signalisierte. Hierfür kam aber wenig später ein Dementi von der SVP-Spitze – Vater Christoph Blocher gab zu Protokoll, dass er seine Tochter nicht in das «Gefängnis» Landesregierung stecken wolle. Maurer selber gab in einem Interview zu Protokoll, dass er auf das Ende einer Legislatur zurücktreten werde – ob 2023, 2027 oder 2031 sei noch offen.
Ein vorläufiges Ende nahm zumindest ein Teil der Spekulationen Mitte September, als sowohl Johann Schneider-Ammann als auch Doris Leuthard ihren Rücktritt auf Ende 2018 bekannt gaben. In der Tat gilt die Herbstsession ein Jahr vor den Wahlen als idealer Zeitpunkt für einen Rücktritt vor Ende einer Legislatur, weil so Ersatzwahlen noch vor Ende eines Jahres stattfinden können. Rücktritte in einem Wahljahr selber gelten eher als unschicklich. Freilich war laut Aussage von Doris Leuthard der Doppelrücktritt vorher nicht abgesprochen worden; Schneider-Ammann habe immer davon gesprochen, erst auf Ende Legislatur 2019 zurückzutreten. In den Medien wurde das Vorpreschen des FDP-Bundesrats – er hatte seinen Rücktritt zwei Tage vor Doris Leuthard der Presse verkündet – als geplanter Mediencoup gewertet.

Spekulationen Rücktritt Bundesräte nach der Wahl von Cassis

Après un débat fleuve au Conseil national, la révision totale de la loi sur les marchés publics a été débattue au Conseil des États. L’objectif est d’harmoniser la législation et de prendre en considération les nouvelles exigences de l’Organisation mondiale du commerce (OMC). Au vote sur l’ensemble, le projet de révision a été adopté sans opposition. Par contre, des divergences existent sur certains articles. Premièrement, avec le soutien des sénateurs PDC et UDC, la volonté du Conseil national de prendre en compte lors de l’évaluation des offres, les différents niveaux de prix pratiqués dans les pays a été également retenue par la chambre des cantons. Les sénateurs, par 32 voix contre 7, souhaitent ainsi garantir des conditions équitables pour les entreprises suisses. Deuxièmement, les conditions de travail en vigueur en Suisse devront être respectées par les soumissionnaires pour les contrats en Suisse. Mais, afin d’éviter un protectionnisme accru à l’intérieur des frontière, cette contrainte ne s’applique pas au lieu précis où la prestation est fournie. Cette adaptation, suggérée par Martin Schmid (plr, GR) a été validée par 21 voix contre 17. Troisièmement, également par 21 voix contre 17, seul le critère du prix a été retenu pour les prestations standardisées. Quatrièmement, la volonté de la gauche d’empêcher les chaînes de sous-traitance, pratique à fort risque de sous-enchère salariale, a été rejetée par 26 voix contre 15. Cinquièmement, une divergence avec le Conseil national existe au niveau des exceptions. Le Conseil des États a exclu les organisations d’insertion socioprofessionnelle des exceptions pour les marchés publics. Finalement, par 20 voix contre 17, la chambre des cantons a retiré au Contrôle fédéral des finances (CdF) le droit de viser les documents pour les marchés de gré à gré qui dépassent 1 million de francs. L’objet retourne à la chambre du peuple afin d’examiner les divergences.

Message sur la révision du droit des marchés publics
Dossier: Bundesgesetz über das öffentliche Beschaffungswesen. Totalrevision

Nach den Rücktrittsankündigungen von Johann Schneider-Ammann und Doris Leuthard nahmen zwar die Rücktrittsspekulationen ein Ende, dafür kurbelten die Medien das Kandidatenkarussell umso schneller an und lancierten im Vorfeld der Ersatzwahlen in den Bundesrat fleissig mögliche Nachfolgerinnen und Nachfolger.
Die von vielen Seiten geforderte Doppelvakanz liess zahlreiche Szenarien möglich erscheinen, klar schien aber, dass mindestens eine Frau in die Landesregierung einziehen sollte, damit das Gremium nicht nur durch eine Bundesrätin – Simonetta Sommaruga – repräsentiert werde. Die grössten Chancen wurden nicht nur deshalb Karin Keller-Sutter (fdp, SG) eingeräumt. Die Ständerätin (seit 2011) wurde auch als Top-Favoritin gehandelt, weil sie aus der Ostschweiz stammt, derjenigen Region also, die seit längerem nicht mehr im Bundesrat vertreten war. Zwar war die St. Gallerin bereits 2010 als Regierungsrätin zu Bundesratswahlen angetreten, unterlag damals allerdings Schneider-Ammann. In der Zwischenzeit hatte sich die Ständerätin in Bern aber einen Namen gemacht und wurde auch von politischen Gegnern gelobt. Auch die Parteipräsidentin der FDP, Petra Gössi (fdp, SZ), wurde von den Medien auf den Schild gehoben, obwohl sie bereits früher bekannt gegeben hatte, nicht als Bundesratskandidatin zur Verfügung zu stehen. Weitere in den Medien gehandelte FDP-Kandidatinnen waren Regine Sauter (fdp, ZH), Doris Fiala (fdp, ZH) oder Christa Markwalder (fdp, BE). Männliche Kandidierende schienen es neben der Favoritin Keller-Sutter, die Anfang Oktober als eine der ersten offiziell ihre Kandidatur bekannt gab, ebenfalls schwierig zu haben. Zwar wurden Ruedi Noser (fdp, ZH), Martin Schmid (fdp, GR) oder Hans-Peter Portmann (fdp, ZH) von den Medien früh ins Spiel gebracht, diese hätten aber neben der St. Galler Ständerätin lediglich eine Rolle als «Winkelried» – sie opferten sich also selbst, damit ein Zweierticket aufgestellt werden könnte – wie etwa das St. Galler-Tagblatt schrieb. Statt Ankündigungen von Kandidaturen kamen denn aus den Reihen der FDP vielmehr Absagen: Sauter, Schmid, Portmann und Noser – alle winkten mit dem Verweis auf die ideale Kandidatur von Keller-Sutter ab. Schliesslich stellten sich neben Keller-Sutter der Schaffhauser Regierungsrat Christian Amsler (SH, fdp) und Ständerat Hans Wicki (fdp, NW) zur Verfügung.
Auch bei der CVP wurden einer Frau und langjährigen eidgenössischen Parlamentarierin sehr gute Chancen eingeräumt, Nachfolgerin von Doris Leuthard zu werden: Viola Amherd (cvp VS). Die Walliserin – seit 2005 in Bern – sei im Parlament beliebt. Allerdings wurde in den Medien auch ein Rechtsstreit bekannt, in den Amherd verwickelt sei. Es handle sich dabei freilich nicht um ein Strafverfahren, sondern um eine zivilrechtliche Auseinandersetzung. Eine Erbengemeinschaft aus Amherd und ihrer Schwester soll über Jahre zu hohe Mietzinsen kassiert haben. Bei den christlichdemokratischen Männern machten die Medien mehr Potenzial aus als bei der FDP: Weil Karin Keller-Sutter als Kronfavoritin galt, könnten sich die CVP-Männer wohl mehr Chancen ausrechnen, so der Tenor. Obwohl auch er schon lange abgesagt hatte, galt Parteipräsident Gerhard Pfister (cvp, ZG) deshalb vielen als Geheimfavorit. Häufig genannt wurden auch Stefan Engler (cvp, GR), Daniel Fässler (cvp, AI), Pirmin Bischof (cvp, SO), Peter Hegglin (cvp, ZG) und Erich Ettlin (cvp, OW). Auch der amtierende Bundeskanzler Walter Thurnherr wurde – trotz seiner deutlichen Absage – in den Medien immer wieder als Wunschkandidat bezeichnet. Mit Elisabeth Schneider-Schneiter (cvp, BL) wurde von der Basler Zeitung eine weitere mögliche Frauenkandidatur ins Spiel gebracht, die zudem den Vorteil hätte, den Kanton Basel-Landschaft zu vertreten, der seit 1897 auf eine Vertretung in der Landesregierung warte. Auch dem St. Galler Regierungsrat Benedikt Würth (SG, cvp) wurden gute Chancen eingeräumt. Weil die Ersatzwahl von Doris Leuthard aufgrund des Anciennitätsprinzips zuerst stattfinden würde, galt Würth in den Medien zudem als potenzieller Verhinderer von Karin Keller-Sutter, wäre doch eine St. Galler-Doppelvertretung in der Landesregierung kaum haltbar. Die Urner Zeitung brachte schliesslich die Urner Regierungsrätin Heidi Z'graggen (UR, cvp) ins Spiel, die zu Protokoll gab, dass es wichtig sei, dass die Zentralschweiz einen Anspruch auf einen Sitz im Bundesrat erhebe. Früh machte die CVP zudem klar, dass sie mit mindestens einer Frau auf einem Doppelticket antreten werde. Mitte Oktober gab Peter Hegglin als erster aus dem Kreis der CVP seine Kandidatur bekannt. Nur wenige Tage später warfen auch Heidi Z'graggen und Elisabeth Schneider-Schneiter ihren Hut in den Ring. Und auch Viola Amherd gab Ende Oktober, also kurz vor Meldeschluss, bekannt, für die Nachfolge von Doris Leuthard bereit zu sein. Aus dem Rennen nahmen sich hingegen Erich Ettlin und Pirmin Bischof. Und auch Gerhard Pfister und Bundeskanzler Walter Thurnherr wurden nicht müde, zu betonen, dass sie nicht zur Verfügung stünden, was von einzelnen Medien prompt kritisiert wurde. Der Blick mahnte etwa, dass die CVP nicht die besten Kandidierenden aufstellen würde.

Sowohl die FDP als auch die CVP liessen durch die Medien verlauten, dass sie sehr viel Wert auf die Prüfung der Kandidierenden legen würden. Diese Verlautbarung drängte sich insbesondere auch deshalb auf, weil der ehemalige FDP-Bundesratskandidat und Genfer Regierungspräsident Pierre Maudet (GE, fdp) wegen einiger Ungereimtheiten im Zusammenhang mit seinem Regierungsmandat in die Schlagzeilen geraten war. Die Westschweizer Zeitungen Tribune de Genève und Le Temps schrieben deshalb von einer eigentlichen «Lex Maudet». Noch einen Schritt weiter ging die CVP, die die Kandidierenden nicht von einem eigenen Parteigremium prüfen lassen wollte, wie dies die FDP vorsah, sondern von einem externen, aus Juristinnen und Juristen geleiteten Prüforgan.

Die Fraktionen entschieden sich dann am 16. November je für ein Doppelticket. Die FDP hob wie erwartet Karin Keller-Sutter zusammen mit Hans Wicki auf den Schild. Wie wenig umstritten die St. Galler Ständerätin war, zeigte der Umstand, dass sie von 41 FDP-Fraktionsmitgliedern im ersten Wahlgang 38 Stimmen erhalten hatte, wie das St. Galler Tagblatt zu berichten wusste. Für Wicki sprachen sich 29 FDP-Parlamentsmitglieder aus, Amsler erhielt 12 Stimmen. Dies zeige deutlich, dass die FDP die von vielen Seiten proklamierte zusätzliche Bundesrätin aus der eigenen Partei wolle.
Der Entscheid der CVP wurde als eigentlicher Überraschungscoup gehandelt. Zwar hatte man mit der Nomination von Viola Amherd gerechnet, aber die Kandidatur von Heidi Z'graggen hatte niemand erwartet. Die BaZ sprach gar von einer Desavouierung gegen die bekannteren Hegglin und Schneider-Schneiter. Letztere witterte gar eine «Verschwörung der Berggebiete gegen die Nordwestschweiz». Z'graggen habe bei der Anhörung am meisten überzeugt und den Favoriten Hegglin schon im ersten Wahlgang aus dem Rennen geworfen, wie einzelne Fraktionsmitglieder gegenüber den Medien aussagten. Fraktionspräsident Filippo Lombardi (cvp, TI) wollte allerdings keine Zahlen publik machen. Das reine Frauenticket der CVP wurde als starkes Signal gewertet, mit dem der FDP ziemlich der Wind aus den Segeln genommen werde, so der Kommentar zahlreicher Medien. Statt über die Kronfavoritin Keller-Sutter zu schreiben, nahmen diese nun vielmehr die unbekanntere Heidi Z'graggen in ihren Fokus. Die wie schon bei der Nachfolge von Didier Burkhalter geplante Roadshow der FDP, mit der man in diversen Kantonen die Kandidierenden vorstellen wollte, verkam so zu einem eigentlichen Rohrkrepierer und verbrauchte – ganz im Gegensatz zur Wahl von Ignazio Cassis vor einem Jahr – kaum mehr Druckerschwärze.

Die «drei Frauen und der Quotenmann», wie der Blick titelte, wurden in der Folge von allen Medien durchleuchtet. Während sich die Medienschaffenden und Kommentatoren bei der FDP einig waren, dass Karin Keller-Sutter praktisch bereits gewählt sei, betrachtete man das Rennen bei der CVP als offen im Ausgang. Den Medien ging es in den darauffolgenden Tagen insbesondere darum, die in Bern noch ziemlich unbekannte Heidi Z'graggen zu präsentieren. Die Urner Regierungsrätin sah sich selber eher am rechten Flügel ihrer Partei. Sie galt vor allem in der Sozial- und Migrationspolitik als konservativer, aber auch als wirtschaftsnäher als die vor allem gesellschaftspolitisch eher linker eingeschätzte Viola Amherd. Damit begannen die Mutmassungen, dass Z'graggen von der SVP allenfalls zur Favoritin gemacht werden könnte. Weil Z'graggen als Präsidentin der Eidgenössischen Heimatschutzkommission auch eine «linke Ader» habe, so die Urner Zeitung, könnte sie allenfalls auch bei links-grün punkten. Amherd sah sich hingegen immer wieder aufgrund des vor allem von der Weltwoche befeuerten Rechtsstreits in ein schiefes Licht gerückt. Aber auch Z'graggen verfolgte ein Vorfall, der sich an einer Podiumsveranstaltung abgespielt hatte: Sie hatte einen Zuhörer im Saal als «Depp» bezeichnet, dies dann aber beharrlich als akustisches Missverständnis abgetan.

Die Hearings der verschiedenen Fraktionen nahmen dem Ausgang dann etwas die Spannung. Schon eine Woche vor den Wahlen gab die SVP die Resultate ihrer Anhörungen bekannt. Sie unterstützte zwar mehrheitlich Z'graggen, vor allem die Bauern in der Volksparteifraktion sprachen sich aber für Amherd aus, was in den Medien als steigende Wahlchancen für die Walliserin interpretiert wurde. Karin Keller-Sutter erhielt beim Hearing bei der SVP mehr Stimmen als Hans Wicki. Eine Wahlempfehlung wollte die SVP allerdings intern nicht vorgeben. Bei der FDP-Fraktion, die die Hearings einen Tag vor der Bundesratsersatzwahl durchführte, gab man zwar ebenfalls keine Empfehlung ab, die Mehrheit der Mitglieder sprach sich aber für Amherd aus, die vor allem mit ihren Dossierkenntnissen überzeugen konnte, die bei ihr als Nationalrätin grösser seien als bei der Urner Regierungsrätin. Z'graggen sei zwar gut gewesen, aber Amherd sei besser gewesen, zitierte die NZZ ein Fraktionsmitglied, das nicht genannt werden wollte. Auch die SP liess verlauten, man habe die Qual der Wahl zwischen zwei exzellenten Politikerinnen. Bei den Grünen, die ihre Überlegungen einen Tag vor den Wahlen bekannt gaben, konnte Z'graggen mit authentisch vorgetragenen Sorgen um den Klimawandel punkten, aber auch bei ihnen sei Amherd eher im Vorteil, wie Balthasar Glättli (gp, ZH) zu Protokoll gab. Klarer waren die Stellungnahmen zu den FDP-Kandidierenden. Die SP sprach sich klar für Keller-Sutter aus, die zwar deutlich rechts positioniert, aber sehr offen für Kompromisse sei. Bei der CVP, die keine Wahlempfehlung abgeben wollte, dürfe die St. Gallerin ebenfalls mit mehr Stimmen rechnen als Wicki, so ein CVP-Fraktionsmitglied. Die Fraktionen der GLP und der BDP sprachen sich für Amherd aus. Ausschlaggebend sei unter anderem auch die offenere europapolitische Haltung Amherds, gaben Vertreterinnen der beiden Parteien bekannt. Die beiden kleinen Fraktionen empfahlen zudem Karin Keller-Sutter. In den Medien ging man einen Tag vor der Wahl davon aus, dass Amherd und Keller-Sutter wohl gewählt würden. Z'graggen sei zwar politisch nicht so weit von Amherd entfernt, für Letztere spreche aber wohl die grössere Erfahrung.

Die «überschätzte Show», wie die Basler Zeitung die Wahl im Vorfeld bezeichnete, oder «die inszenierte Volkswahl», wie die NZZ titelte, sei in den letzten 40 Jahren zu einem «publikumswirksamen Spektakel geworden». Nicht nur die Medien, sondern auch die Parteien forcierten den Wettbewerb lange im Vorfeld. Der Wahlakt selber war dann allerdings alles andere als ein Spektakel.
Zuerst wurden die Verabschiedungen von Doris Leuthard und Johann Schneider-Ammann vorgenommen. Nationalratspräsidentin Marina Carobbio Guscetti (sp, TI) lobte die Verdienste Leuthards im Volkswirtschaftsdepartement und im UVEK sowie die «Verbindung ihrer Popularität mit einem ausgeprägten politischen Instinkt». Die scheidende CVP-Magistratin sei nicht nur eine «Grand Dame politique», sondern ganz einfach eine «Grande Dame», die ein Stück Geschichte mitbestimmt habe. Leuthard selber rief das Parlament auf, auch in Zukunft auf Konkordanz, Konsens und Kompromiss zu setzen. Die Schweiz gebe es nur einmal und es lohne sich, für das schöne Land zu kämpfen. Die von 2006 bis 2018 dem Bundesrat angehörende Aargauerin erhielt zum Abschied stehende Ovationen. Johann Schneider-Ammann – seit 2010 im Bundesrat – wurde von der Nationalratspräsidentin in ihrer Abschiedsrede mit dem Namenswechsel des Volkswirtschaftsdepartement (EVD) 2013 in Verbindung gebracht. Dass aus dem EVD das WBF, das Departement für Wirtschaft, Bildung und Forschung geworden sei, zeige, wie sehr dem Berner Magistraten vor allem das duale Berufsbildungssystem am Herzen gelegen habe. Die Abschiedsrede Schneider-Ammanns löste einige Heiterkeit aus. Sein Lieblingsmöbel sei sicher nicht dieses Rednerpult. Es seien acht emotionale Jahre gewesen, auch wenn man ihm das nicht immer angesehen habe. Er wünsche sich, dass alle Parlamentsmitglieder den Mut haben, das Wohl des Landes vor das eigene zu stellen. Auch der scheidende FDP-Magistrat erhielt stehende Ovationen.
Im Gegensatz zu früheren Jahren sprachen nicht alle Fraktionschefinnen und -chefs im Vorfeld der einzelnen Wahlgänge. Einzig für die CVP begab sich Filippo Lombardi nach vorne, um den Zweierticketvorschlag seiner Partei zu präsentieren. Für viele überraschend stand dann bereits im anschliessenden 1. Wahlgang fest, dass Viola Amherd neue Bundesrätin und Nachfolgerin von Doris Leuthard werden würde. Im Vorfeld war man von mindestens zwei Wahlgängen ausgegangen. Die Mehrheit des Parlaments hatte allerdings augenscheinlich keine Lust auf Spielchen. Mit 148 Stimmen übersprang Viola Amherd das absolute Mehr von 121 Stimmen souverän. Auf Heidi Z'graggen entfielen 60 der 244 ausgeteilten Wahlzettel. Gerhard Pfister erhielt 17 Stimmen, 15 Stimmen entfielen auf Diverse und 4 Wahlzettel blieben leer. Amherd erklärte Annahme der Wahl und dankte Heidi Z'graggen für den fairen Wahlkampf. Sie sei gerne bereit, sich für die Zukunft des Landes einzusetzen.
Auch die anschliessende Ersatzwahl für Johann Schneider-Ammann ging in Rekordzeit über die Bühne. Auch hier ergriff lediglich der Fraktionssprecher der FDP, Beat Walti (fdp, ZH) das Wort. Auch Karin Keller-Sutter wurde bereits im ersten Wahlgang zur Magistratin gekürt. Sie erhielt 154 Stimmen, nötig gewesen wären 119. Zwar gingen zahlreiche Stimmen auf Diverse (27) und 6 der 243 eingelangten Wahlzettel blieben leer, Hans Wicki konnte aber lediglich 56 Parlamentsmitglieder von sich überzeugen. Auch Karin Keller-Sutter erklärte Annahme der Wahl und wies darauf hin, dass damit ein «dornenvolles Kapitel in der Geschichte der freisinnigen Frauen» beendet werde: Nach fast dreissigjähriger Absenz dürfe sie nun als zweite Frau die FDP im Bundesrat vertreten.

In den Medien wurden die Bundesrätinnen Nummer acht und neun gefeiert. Zwar seien der Kanton Uri und der Kanton Nidwalden, die neben den Kantonen Jura, Schaffhausen und Schwyz noch nie einen Bundesrat gestellt haben, erneut leer ausgegangen. Dass die nationale Exekutive aber wieder mit drei Frauen besetzt werde, sei aus verschiedenen Gründen eine Zäsur. Erstens dürfte die «Konkordanz der Geschlechter» (Tages-Anzeiger) nun wohl zum Normalfall werden, zweitens seien in der Geschichte der Schweiz noch nie zwei Bundesrätinnen gleichzeitig gewählt worden und drittens sei es in den letzten 30 Jahren nur zwei Exekutivmitgliedern gelungen, gleich im ersten Wahlgang das absolute Mehr zu überspringen – Doris Leuthard und Kaspar Villiger. Auf den Frauen ruhe die Hoffnung und die Wahl würde wohl auch mehr Frauen für eine Kandidatur für die nationalen Wahlen 2019 motivieren, betonten die Medien. Die Auffrischung im Bundesrat komme zudem angesichts wichtiger anstehender Probleme – erwähnt wurden die gescheiterten Abstimmungen zur Altersreform 2020 und zur USR III – zum richtigen Moment. Das «unspektakuläre Spektakel» (St. Galler Tagblatt) habe aber auch die momentane Harmonie im Bundeshaus widerspiegelt, was sich auch in der gleichzeitig stattfindenden Wahl des Bundespräsidenten und der Vizepräsidentin gezeigt habe. Die Weltwoche hoffte allerdings, dass die Politik nicht so brav werde, wie im Wahlkampf beschworen. Und die Hoffnung der WoZ war, dass die Frauenwahl bewirke, dass sich der Bundesrat nun nicht noch weiter nach rechts bewege, sondern dass es zu einer Aufweichung der Fronten kommen könnte.

Für die Medien gab es nach den Wahlen freilich neue Nahrung für Spekulationen, ging es doch nun um die Frage, wer welches Departement übernehmen wird. Der wirkliche Krimi folge erst – so die NZZ. Darüber hinaus wurde spekuliert, dass auch die SVP, die als einzige Regierungspartei noch nie eine Frau im Bundesrat hatte, wohl jetzt mehr Nachwuchsarbeit verrichten müsse. Die Aargauer Zeitung zitierte Parteistrategen und Beobachter – ohne freilich Namen zu nennen – die erwarteten, dass Ueli Maurer 2019 zurücktreten werde und von Magdalena Martullo-Blocher (svp, GR) beerbt werden würde.

Bundesratsersatzwahlen 2018 – Nachfolge Johann Schneider-Ammann und Doris Leuthard
Dossier: Bundesratswahlen seit 2008

In der Herbstsession 2018 beriet das Parlament die parlamentarische Initiative für eine befristete Verlängerung der Zulassungsbeschränkung nach Art. 55 KVG. Zuvor hatte sich der Bundesrat in einer Stellungnahme für die Vorlage ausgesprochen, weil damit für den Fall einer Verzögerung bei der Änderung des KVG bezüglich der Zulassung von Leistungserbringenden (BRG 18.047) ein Zeitraum ohne Zulassungsbeschränkung verhindert werden könne. Die Detailberatung des Bundesratsgeschäfts müsse jedoch umgehend angegangen werden, betonte der Bundesrat. Im erstbehandelnden Nationalrat erläuterten die Kommissionssprecher Nantermod (fdp, VS) und Hess (bdp, NR) sowie Gesundheitsminister Berset noch einmal die Geschichte der Zulassungsbeschränkung, ihre Relevanz und die Notwendigkeit einer weiteren – letzten – Verlängerung derselben. Diskussionslos und stillschweigend genehmigte der Rat die Vorlage in der Detailberatung und übergab sie mit 160 zu 1 Stimme in der Gesamtabstimmung dem Zweitrat. Ein ähnliches Bild präsentierte sich im Ständerat, der die Initiative am folgenden Tag in der Gesamtabstimmung einstimmig mit 36 zu 0 Stimmen guthiess. Auch die Schlussabstimmungen stellten keine grossen Hürden mehr dar, mit 194 zu 1 Stimme respektive 41 zu 0 Stimmen (bei 2 Enthaltungen) verabschiedete das Parlament die erneute, befristete Verlängerung der Zulassungsbeschränkung für Ärzte. Einzig Lukas Reimann (svp, SG) lehnte die Verlängerung ab, während Hannes Germann (svp, SH) und Martin Schmid (fdp, GR) sich ihrer Stimme enthielten.

Befristete Verlängerung der Zulassungsbeschränkung nach Artikel 55a KVG

Bezüglich der Motion Reimann (svp, SG) zur Abschaffung der Kontrollmarke zur Typengenehmigung von Strassenfahrzeugen folgte der Ständerat in der Herbstsession 2018 stillschweigend dem Antrag seiner Kommission: Diese hatte mit 7 zu 4 Stimmen (bei einer Enthaltung) beantragt, die Motion anzunehmen. Ständerat Janiak (sp, BL) führte dazu aus, die Minderheit habe auf einen Antrag auf Ablehnung verzichtet, weil die Kommissionsmehrheit das Anliegen im Bewusstsein guthiess, dass ein Wechsel von der Aufklebe-Kontrollmarke hin zu einer Informatiklösung Zeit brauche. Dass die Aufklebe-Kontrollmarke nicht mehr zeitgemäss sei, darin sei sich die Kommission einig gewesen. Bundesrätin Leuthard zeigte sich froh über die pragmatische Art und Weise der Zustimmung der KVF-SR, insbesondere über die Freiheit in der Umsetzung der Motion, welche sich aus den mündlichen Ausführungen der Kommission ergebe.

Abschaffung der Kontrollmarke zur Typengenehmigung von Strassenfahrzeugen

Selon Lukas Reimann (udc, SG), le droit de douane imposé selon le poids pour les voitures de tourisme engendre non seulement une charge administrative disproportionnée, mais semble également désuète. L'importation des voitures de tourisme est soumise à la TVA et à l'impôt sur les véhicules automobiles. De plus, l'art. 8 de la loi sur le tarif des douanes (LTaD) impose une taxe supplémentaire selon le poids du véhicule. Alors que les recettes de ce tarif douanier correspond à moins d'un pour cent du produit imposé sur l'importation de voitures de tourisme, il entraîne des frais administratifs conséquents pour les douanes et les entreprises. Le parlementaire Reimann propose donc la suppression de ce droit de douane.
Le Conseil fédéral s'est prononcé en défaveur de la motion. Tout d'abord, il rappelle que ces droits de douane sont liés à des accords internationaux qui ne peuvent pas être révoqués si facilement. Puis, il précise qu'un rapport sur la simplification des formalités douanières (14.3014) est en cours.
Le Conseil national a adopté la motion par 122 voix contre 60 et 1 abstention. Le camp rose-vert a été rejoint par 10 voix du PDC, mais cela n'a pas pesé lourd dans la balance.

Importation de voitures de tourisme. Eviter la bureaucratie et la paperasse disproportionnée

Nachdem der Bundesrat in seiner Botschaft vom Mai 2018 vorgeschlagen hatte, das derzeit befristete Wasserzinsmaximum doch nicht auf CHF 80 pro Kilowatt Bruttoleistung zu senken, sondern dieses in der Höhe von CHF 110 bis ins Jahr 2024 beizubehalten, zeigte sich im August auch die UREK-SR mit zehn zu zwei Stimmen mit diesem Entscheid einverstanden. Eine Senkung des Wasserzinsmaximums hätte gemäss deren Befürwortern den Vorteil, dass Wasserkraftwerksbetreiber entlastet und Arbeitsplätze in den Bergregionen gesichert würden. Dem gegenüber standen jedoch die Randregionen, die in der Vernehmlassung ein finanzielles und regionalpolitisches Interesse an angemessen hohen Wassernutzungsentschädigungen geltend gemacht hatten. Im Zentrum der bundesrätlichen Vorlage steht erstens die Änderung des Wasserrechtsgesetzes mit der Weiterführung des oben erwähnten Zinses bis ins Jahr 2024. Zweitens soll gleichzeitig die von der nationalrätlichen Energiekommission eingereichte Motion (14.3668) zur Wasserzinsregelung nach 2019 abgeschrieben werden. Als dritter Punkt sah der Bundesrat in seinem Entwurf vor, dass bei Investitionen in Wasserkraftanlagen die Wasserzinsen für einen Zeitraum von zehn Jahren entfallen sollen. Damit soll ein gewisser Fördermechanismus für den Ausbau der Wasserkraft Einzug haben. Als vierter Punkt sollen die Behördenzuständigkeiten bei der Wasserkraftnutzung von Grenzgewässern präzisiert werden. Mit diesen vier Vorschlägen des Bundesrates zeigte sich eine Mehrheit der Kommission einverstanden. In Ergänzung zum bundesrätlichen Entwurf verlangte die Kommissionsmehrheit jedoch fünftens, dass nach 2024 bei der Regelung der Wasserzinsabgabe ein fixer und ein variabler Teil erarbeitet werden soll. Als letztes Element der Vorlage verlangte die Kommissionsmehrheit zusätzlich, dass die bestehenden Regelungen weitergeführt werden sollten, falls in der Revision des StromVG kein marktnahes Strommarktmodell termingerecht in Kraft treten würde. Die UREK-SR nahm die gesamte Vorlage schliesslich einstimmig bei einer Enthaltung an.

Obwohl es sich bei dieser Vorlage nur um eine Übergangsvorlage handelte, sorgte das Thema Wasserrechtsgesetzesänderung in der Herbstsession 2018 im Ständerat für viel Diskussionsstoff. Dabei wurden drei grosse Konflikte ersichtlich: Der erste Konflikt behandelte die Frage nach der Höhe des Wasserzinsmaximums selber. Eine Kommissionsminderheit Luginbühl (bdp, BE) plädierte im Rat dafür, das Maximum in Art. 49 Abs. 1 WRG nicht bei CHF 110 zu belassen, sondern dieses auf CHF 90 zu senken. Die Minderheit begründete dies damit, dass die Probleme der Wasserkraft nicht einfach nur auf ruinöse Unternehmensstrategien zurückzuführen seinen, wie dies gemäss Martin Schmid (fdp, GR) die Mehrheit der Kantone in der Vernehmlassung angedeutet hatte, sondern die Wasserzinsabgaben mit einem Anteil von beinahe einem Drittel der Gestehungskosten einfach zu hoch seien und die Wasserkraftwerke dadurch belasteten. Mit einer Senkung des Wasserzinses und der damit verbundenen Unterstützung der Unternehmen könnten zudem Arbeitsplätze in den Randregionen gesichert werden. Im internationalen Vergleich sei die Abgabe zudem viel zu hoch und die Idee des Wasserzinses, einer Abgabe der Konsumenten an die Berggebiete, sei schon in der NFA eingebunden. Gerade letzteres Argument konterte aber beispielsweise Thomas Hefti (fdp, GL) vehement und unterstrich, man dürfe die NFA und den Wasserzins nicht gegeneinander ausspielen, da dies zwei völlig verschiedene Instrumente seien.
Befürworter der 110-Franken-Obergrenze deuteten darauf hin, dass die jeweiligen Kantone nicht gezwungen seien, die CHF 110 einzufordern. Sie könnten auch einen viel tieferen Wasserzins berechnen, um die Wasserkraftwerke nicht aufs Spiel zu setzen und sich dadurch selber zu schaden. Genannt wurden in der Diskussion beispielsweise die Kantone Jura mit einem sehr tiefen Wasserzins von nur CHF 40 oder der Kanton Waadt mit CHF 80. Einige Ratsmitglieder waren zudem der Meinung, dass eine Senkung des Wasserzinses die Wettbewerbsfähigkeit der betroffenen Unternehmen nicht stärke und man vielmehr auch auf das interne Verrechnungswesen schauen müsse.
Die zwei weiteren Konflikte fanden sich in Art. 49 Abs. 1bis WRG. Gegenüber dem Entwurf des Bundesrates hatte die Kommissionsmehrheit – wie schon in der Einleitung angedeutet – zwei zentrale Änderungen vorgenommen. Eine davon war, dass sie im Gesetz verankern wollte, dass der Bundesrat für die Zeit nach dem 1. Januar 2025 den Wasserzins aus einem fixen und einem variablen Teil zusammenzusetzen habe. Bei guter Geschäftslage würden so dank des variablen Teils den Bergkantonen grössere Einnahmen zukommen, während in schlechten Zeiten die Wasserkraftunternehmen weniger stark mit den Wasserzinsen belastet würden. Auch Bundesrätin Doris Leuthard begrüsste die Festlegung dieser Ausgestaltungsvariante, da die Wissenschaft schon jetzt erklärte, dass dies wohl die beste Variante sei und der Bund so viel Aufwand einsparen könnte. Eine Minderheit Hösli (svp, GL) beantragte dem Rat jedoch, dem Bundesrat keine Vorgabe bei der Ausgestaltung des zukünftigen Wasserzinses im Rahmen der Revision des StromVG zu machen.
Zuletzt gab auch die von der Kommissionsmehrheit ergänzte Klausel im selben Absatz zu reden, die besagt, dass das aktuelle Wasserzinsmaximum automatisch ab dem 1. Januar 2025 verlängert würde, sollte das neue Strommarktmodell nicht rechtzeitig in Kraft treten. Gegen eine solche, ihrer Meinung nach überflüssige, automatische Weiterführung des bisherigen Regimes wehrten sich Roland Eberle (svp, TG) sowie Robert Cramer (gp, GE). Diese Klausel sei ein falscher Anreiz, kein neues Marktmodell zu schaffen, da den Bergkantonen bei einer Verweigerung neuer Marktmodelle eine Weiterführung der bisherigen Praxis gesichert wäre. Für diese Automatisierung sprach sich hingegen unter anderen Werner Hösli aus. Er argumentierte, dies sei eine unbürokratische und effiziente Lösung, die eine erneute Debatte um den Wasserzins bei Ausstehen eines neuen Marktmodells verhindern könne.
In den Detailabstimmungen folgte die Mehrheit der kleinen Kammer in allen Anliegen der Kommissionsmehrheit. So sprach sich der Ständerat mit 30 zu 13 Stimmen dafür aus, das Wasserzinsmaximum bei CHF 110 zu belassen. Betreffend die Einführung des flexiblen Wasserzinses fand sich eine knappe Mehrheit mit 22 gegen 20 Stimmen. Die automatische Verlängerung des Wasserzinsmaximums erachteten 20 Ständerätinnen und Ständeräte als sinnvoll, während sich 15 gegen eine solche aussprachen und fünf sich in dieser Frage enthielten. Stillschweigend folgte der Rat in den übrigen Bestimmungen dem Antrag der UREK-SR und schrieb auf Vorschlag des Bundesrates die Motion der UREK-NR (Mo. 14.3668) ab. In der Gesamtabstimmung herrschte nebst fünf Enthaltungen aber Einigkeit.

Modification de la loi sur les forces hydrauliques (MCF 18.056)
Dossier: Sicherungsmassnahmen für den Erhalt der Schweizer Wasserkraft ab dem Jahr 2015
Dossier: Wasserzins nach 2019

Malgré le fort soutien dont a bénéficié la motion Pezzatti devant la chambre du peuple, la CEATE-CE propose aux sénateurs et sénatrices de la rejeter. Le rapporteur de la commission, Martin Schmid (plr, GR), justifie cette position par le fait que, comme présenté par le Conseil fédéral dans sa prise de position, un système de reconnaissance mutuelle existe déjà aujourd'hui avec l'UE en ce qui concerne les autorisations de mise sur le marché des biocides. Il précise également que, contrairement aux dires du motionnaire, le travail ne se duplique pas lorsqu'une entreprise souhaite mettre son produit sur le marché d'un autre pays, celui-ci devant simplement contrôler que le biocide respecte les normes indigènes. Bien que reconnaissant que les émoluments demandés en cas de contrôle d'un produit ou de renouvellement de mise sur le marché peuvent s'avérer élevés pour les PME, la commission a obtenu de l'administration fédérale la garantie que ceux-ci n'allaient pas augmenter ces prochaines années. Comme rappelé par Alain Berset, ces émoluments sont, de plus, relativement bas, en comparaison aux pays voisins. Le président de la Confédération note également qu'en cas d'acceptation de la motion et de reconnaissance automatique des biocides au niveau national, ce serait aux cantons de se charger de voir si des adaptations de ces produits seraient encore nécessaires pour respecter les normes nationales; un transfert de tâches que les autorités fédérales ne souhaitent pas. La motion est tacitement rejetée par la chambre haute.

Autoriser les biocides et produtis phytosanitaires

Die Basler Zeitung und der Tages-Anzeiger berichteten im September 2018 über Mitgliederschwund, Inaktivität und finanzielle Schwierigkeiten bei der AUNS. Von ehemals 50'000 zähle der Verband heute noch 30'000 Mitglieder; auch sei der Verein mit der Zeit gealtert: Sehr engagierte Mitglieder aus den Zeiten der EWR-Abstimmung, als noch Christoph Blocher den Verband geleitet hatte, habe man unterdessen infolge von Todesfällen verloren, wie der Jahresbericht 2017 der AUNS zitiert wurde. Da mit diesem Mitgliederschwund auch «grosszügige Gönner» verloren gegangen seien, wirke sich das auch auf das Budget aus: Bereits seit Längerem verfolge der Verband ein Sparprogramm, sodass Stellen gestrichen und günstigere Räumlichkeiten hätten gesucht werden müssen. Wie die Basler Zeitung festhielt, monierten AUNS-Mitglieder unter vorgehaltener Hand gar, der derzeitige Präsident Lukas Reimann setze die Prioritäten falsch, indem er etwa an Veranstaltungen teure Gäste wie den britischen Ukip-Chef Nigel Farage oder die ehemalige deutsche AfD-Chefin Frauke Petry einlade. Reimann konterte, ihm sei eine AUNS, die viel Geld ausgebe und etwas bewege, wichtiger als eine AUNS «mit vollem Konto und leerer Agenda». Auch könnten gerade über Social Media viele neue Mitglieder angeworben werden, nur würden diese leider nicht jeden Monat CHF 1'000 zahlen wie «einige Kämpfer der ersten Stunde». Die Inaktivitäts-Vorwürfe erklärte Reimann gegenüber der Presse damit, dass man bereits seit mehreren Jahren auf zahlreiche Aktionen verzichtet habe, um Kräfte zu sparen, welche zur Bekämpfung des institutionellen Rahmenabkommens mit der EU hätten gebraucht werden sollen – nur sei es bis jetzt eben nicht zu einem Rahmenabkommen gekommen.
Dass im November über die Selbstbestimmungsinitiative abgestimmt werde und im Folgejahr über die Übernahme der EU-Waffenrichtlinie, komme der AUNS gelegen – damit könne man beweisen, dass man nicht inaktiv geworden sei, so Reimann.

Die Auns schwächelt

In der Herbstsession 2018 beschäftigte sich der Ständerat mit der Revision des Verrechnungssteuergesetzes, insbesondere mit den drei vom Nationalrat gegenüber der bundesrätlichen Botschaft geschaffenen Änderungen. Beim «Kernstück der Revision», wie es Kommissionssprecher Bischof (cvp, SO) ausdrückte, hatte sich die WAK-SR mit 9 zu 3 Stimmen auf die Seite des Nationalrats geschlagen: Nachmeldungen sollen nicht nur bis zum Ende der Einsprachefrist zur Veranlagung möglich sein, sondern auch, solange Veranlagungs- oder Nachsteuerverfahren noch nicht rechtskräftig abgeschlossen sind, die Veranlagung also noch hängig ist. Diese Möglichkeit gelte aber nicht endlos, erklärte Bischof dem Rat: Bereits mit der bisherigen Rechtsetzung sei eine Rahmenfrist von 3 Jahren im Regelfall vorgesehen. Finanzminister Maurer erachtete diese Änderung als problematisch: Die Steuerpflichtigen hätten die Pflicht, die Veranlagung zu prüfen, wodurch fahrlässig verursachte falsche Angaben bereits entdeckt werden sollten. Liesse man den Steuerpflichtigen aber so viel Spielraum, wie es der Nationalrat und die Kommission beabsichtigten, würden es einige Personen womöglich «darauf ankommen lassen». Dann könnten sie die Rückerstattungen der Verrechnungssteuer bei einer allfälligen Verfahrenseröffnung «in letzter Minute» noch geltend machen und dies als Fehler oder Unterlassung deklarieren. Auch eine Minderheit Levrat (sp, FR) sprach sich für die Regierungsvorlage aus. Das Argument der Befürworter der nationalrätlichen Lösung, wonach die Regelung nur für Fahrlässigkeit, nicht aber für Betrugsabsichten gelte, liess Levrat nicht gelten: Solche Betrugsabsicht könnten kaum je nachgewiesen werden, argumentierte er. Trotz dieser Einwände folgte der Ständerat der Mehrheit seiner Kommission mit 30 zu 13 Stimmen.
Ein weiterer Streitpunkt betraf das Inkrafttreten des neuen Gesetzes. Aufgrund verfassungsrechtlicher Bedenken und Unsicherheit darüber, ob eine generelle Rückwirkung bis zum 1. Januar 2014 – wie sie der Nationalrat beschlossen hatte – auch für rechtskräftig abgeschlossene Fälle gelten würde, reichte eine Minderheit um Martin Schmid (fdp, GR) einen Alternativvorschlag ein: Eine Rückwirkung soll dann möglich sein, wenn «über den Anspruch auf Rückerstattung der Verrechnungssteuer noch nicht rechtskräftig entschieden worden ist.» Diesem Minderheitsantrag folgte der Ständerat mit 24 zu 18 Stimmen (bei 1 Enthaltung). Zudem nahm die kleine Kammer einen Änderungsantrag der Kommission bezüglich der Meldefrist für Gewinne aus Geldspielen an, da diesbezüglich eine Inkongruenz zum Geldspielgesetz bestanden hatte. In der Gesamtabstimmung stimmte die Ständekammer der Revision des Verrechnungssteuergesetzes mit 30 Stimmen bei 11 Enthaltungen zu.

Noch in der Herbstsession 2018 bereinigten die Räte die Verrechnungssteuerrevision. Ohne grosse Diskussionen folgte der Nationalrat der kleinen Kammer in allen restlichen Differenzen und stimmte der Vorlage stillschweigend zu. Mit 38 zu 1 Stimmen (bei 6 Enthaltungen) und 137 zu 55 Stimmen (bei 1 Enthaltung) nahmen die beiden Räte die Revision in den Schlussabstimmungen an, im Nationalrat sprachen sich die Fraktionen der SP und der Grünen geschlossen gegen die Vorlage aus.

Revision der Verrechnungssteuer

Étant donné la révision de l’article 2 de l’ordonnance sur la saisie et la réalisation de parts de communautés (OPC), la commission des affaires juridiques du Conseil national (CAJ-CN) a proposé à sa chambre de classer l’initiative parlementaire de Lukas Reimann (udc, SG). L’objet a été classé sans discussion.

Verarrestierung von Liquidationsanteilen

Die 2010 eingereichte Motion Reimann (svp, SG) zum Einhalt der Verfolgung religiöser Minderheiten im Irak wurde im Sommer 2018 im Rahmen des Bundesratsberichts über die Motionen und Postulate der gesetzgebenden Räte (BRG 18.006) abgeschrieben.
Die enge Verknüpfung zwischen Fragen der Religionsfreiheit und der politischen Rahmenbedingungen im Irak und im Mittleren Osten sei seit der Behandlung der Motion neuerlich durch die Lageentwicklung in der Region unterstrichen worden, erklärte der Bundesrat im Bericht. Seit dem militärischen Schlag gegen den Islamischen Staat (IS) habe es ernstzunehmende Versuche zur Versöhnung und Miteinbeziehung von Minderheiten gegeben. Die Schweiz engagiere sich daher weiter für Stabilisierungsmassnahmen, indem sie auf bilateraler Ebene beispielsweise Weiterbildungsprogramme internationaler Organisationen (IKRK, Unicef) unterstütze oder sich in Projekte zur Förderung des humanitären Völkerrechts im Irak einbringe. Auf multilateraler Ebene strebe die Schweiz eine breitere Aufklärung über die Tötung und Vertreibung christlicher und weiterer Minderheiten an. Ein wichtiger Schritt in diese Richtung sei bereits im Mai an der «Madrid International Conference on the Victims of Ethnic and Religious Violence in the Middle East» gemacht worden. Daher erachtete der Bundesrat das Anliegen der Motion als erfüllt und beantragte sie zur Abschreibung.

Verfolgung religiöser Minderheiten im Irak (Mo. 10.4158)

Im März 2017 reichte der Kantonsrat von St. Gallen eine Standesinitiative ein, die zum Ziel hatte, die Schweizer Vorsorgeeinrichtungen, ausdrücklich genannt wurden die Pensionskassen, der AHV-Ausgleichsfonds sowie die (Freizügigkeits-)Stiftungen der zweiten und dritten Säule, von den Negativzinsen auszunehmen. Aufgrund des Tiefzinsumfeldes sei es für die Vorsorgeeinrichtungen schwierig, Renditen zu erwirtschaften, erklärte der St. Galler Kantonsrat. Zudem würden bei einer Aufkapitalisierung öffentlicher Pensionskassen – wie sie der Kanton St. Gallen plane – noch mehr Negativzinsen anfallen. Im Mai 2018 entschied die WAK-SR einstimmig, der Standesinitiative keine Folge zu geben, da die Geldpolitik in der Verantwortung der Nationalbank liege. Damit die Negativzinsen im Stande seien, den Druck auf den Schweizer Franken zu reduzieren, dürfe es nur so wenige Ausnahmen wie möglich geben, argumentierte die Kommission. Zudem stelle das weltweite Tiefzinsumfeld eine grössere Herausforderung für die Vorsorgeeinrichtungen dar als die Negativzinsen.
Im Mai 2018 behandelte der Ständerat die Vorlage; Paul Rechsteiner (sp, SG) hatte einen Antrag auf Folge geben gestellt. Pirmin Bischof (cvp, SO) erklärte als Kommissionspräsident, dass die WAK-SR die Vorlage ausführlich behandelt habe. Man habe einen Bericht zur Geldpolitik aus dem Dezember 2016 sowie die Stellungnahme des Bundesrates zur Motion Kuprecht (Mo. 15.3160) in Betracht gezogen und sei überzeugt, dass ausschliesslich die SNB für die Geldpolitik verantwortlich sei und sie diese folglich unabhängig gestalten können müsse. Wie bereits die WAK-SR erklärt hatte, seien zudem die Anlagen kaum von den Negativzinsen betroffen. Hingegen fürchte man den präjudiziellen Charakter einer solchen Entscheidung: Andere Institutionen, zum Beispiel Lebensversicherungen, könnten ebenfalls eine Ausnahme von den Negativzinsen verlangen. Schliesslich seien die zentrale Bundesverwaltung sowie die Compenswiss, also der AHV/IV/EO-Ausgleichsfonds, bereits von den Negativzinsen ausgenommen.
Paul Rechsteiner bedauerte, dass sich die WAK-SR nicht ausführlicher mit der Standesinitiative beschäftigt habe, denn eine Ausnahme der Vorsorgeeinrichtungen würde den Wechselkurs nicht beeinflussen und somit dem Zweck der Negativzinsen, die Anlagen auf dem Schweizer Markt weniger attraktiv zu machen, nicht zuwiderlaufen. Die übrigen Redner zeigten ein gewisses Verständnis für die Standesinitiative des Kantons St. Gallen und anerkannten das angesprochene Problem. Während aber Alex Kuprecht (svp, SZ) um Annahme des Vorstosses bat, sahen Martin Schmid (fdp, GR) und Hannes Germann (svp, SH) die Lösung des Problems woanders: Schuld seien die Negativzinsen – Germann sprach von einer «schleichenden Enteignung des Volkes» –, man solle daher keine weiteren Ausnahmen machen, stattdessen solle die SNB die Negativzinsen so schnell wie möglich abschaffen. Schliesslich sprach sich der Ständerat mit 32 zu 6 Stimmen (bei 3 Enthaltungen) gegen Folge geben aus.

Befreiung der Altersvorsorgegelder in der Schweiz von den Negativzinsen der Schweizerischen Nationalbank

Wie schon die Motion Reimann (svp, SG) in der Frühlingsession 2018 fand auch das ähnliche Anliegen von Irène Kälin (gp, AG), den Parlamentarierinnen und Parlamentariern sei nicht mehr wie bisher ein Generalabonnement (GA) erster, sondern neu zweiter Klasse zu bezahlen, im Rat keine nennenswerte Unterstützung.
Ein GA erster Klasse sei ein unnötiger Luxus, begründete die Neo-Parlamentarierin in der Ratsdebatte. Sie könne zudem der Begründung für die ablehnende Haltung des Büros nichts abgewinnen. Freilich sei es so, dass Ratsmitglieder während ihrer Zugfahrt arbeiteten und es sei auch so, dass der Lärmpegel und die dichtere Belegung dies in der zweiten Klasse schwieriger machten. Es gebe aber zahlreiche Pendlerinnen und Pendler, für die dies ebenfalls der Fall sei und die sich ein GA erster Klasse nicht leisten könnten. Edith Graf-Litscher (sp, TG) führte für das Büro aus, dass auch zu berücksichtigen sei, dass die Reise von Bern für viele Ratsmitglieder lange dauere und man jene mit langer Strecke eher benachteiligen würde. Nur weil einzelne Abgeordnete eine kürzere und ruhigere Reisestrecke hätten oder den Zug nicht als Arbeitsort nutzten, sollten andere, die möglichst ungestört und konzentriert arbeiten wollten, nicht eingeschränkt werden. Im Ratsreglement sei vermerkt, dass Parlamentarierinnen und Parlamentarier entweder ein GA erster Klasse oder einen entsprechenden Pauschalbetrag erhalten. Es sei jedem Nationalrat und jeder Nationalrätin freigestellt, diesen Pauschalbetrag zu beziehen und damit ein GA zweiter Klasse zu erstehen. Den 141 Gegenstimmen standen lediglich 31 befürwortende Stimmen gegenüber, die mit 28 Stimmen überwiegend aus der SVP-Fraktion stammten. Diese Zahl entspricht zwar der Zustimmung zur Motion Reimann, innerhalb des SVP-Lagers gab es aber einige Positionswechsel in der Frage.

Reiseentschädigung für Ratsmitglieder

Mit einer Motion verlangte Nationalrat Lukas Reimann (svp, SG), dass Parlamentsmitglieder sowie Kaderangestellte des Bundes und der Bundesbetriebe nur noch GA zweiter statt erster Klasse erhalten sollen. In Anbetracht erneuter Preiserhöhungen der SBB sei es an der Zeit, den Bundeshaushalt mit diesem Schritt zu entlasten. Parlamentsmitglieder seien in der zweiten Klasse zudem volksnäher unterwegs, befand der Motionär. Die Motion fand im März 2018 nicht einmal in der SVP-Fraktion eine Mehrheit und wurde mit 28 gegen 154 Stimmen (9 Enthaltungen) abgelehnt.

Zweite statt erste Klasse

Eine Motion von Nationalrat Lukas Reimann (svp, SG), welche die Anerkennung von Nafta-Standards bei Personenwagen im Import bezweckte, fand in der grossen Kammer keine Mehrheit. Der Motionär beklagte eine übermässige Bürokratie beim Import von Personenwagen aus den Nafta-Staaten, obwohl diese Fahrzeuge den EU-Standards in der Regel genügten. Der Bundesrat hielt in seiner Stellungnahme jedoch fest, dass sich die Standards von Nafta und EU hinsichtlich der Sicherheit durchaus unterschieden und auf einen zusätzlichen Nachweis für Nafta-Importe nicht verzichtet werden könne. Im März 2018 lehnte der Nationalrat die Motion mit 73 gegen 119 Stimmen (1 Enthaltung) ab.

Anerkennung von Nafta-Standards bei Personenwagen

Die von seiner Motion bezweckte Abschaffung der Kontrollmarke zur Typengenehmigung von Strassenfahrzeugen soll, so Motionär Reimann (svp, SG), die Bürokratie verringern und Bund, Kantone und Wirtschaft von einem Zusatzaufwand entlasten. Während Nationalrat Reimann die Kontrollmarke einfach abschaffen wollte, sprach sich Bundesrätin Leuthard im Rat dafür aus, die Erfassung von typengenehmigten Fahrzeugen beim Import am Zoll mittelfristig elektronisch durchzuführen und auf diese Weise auf die Kontrollmarke zu verzichten. Ein zentrales System aufzubauen, welches allen beteiligten Stellen zur Verfügung stehe, brauche aber Zeit – der Verzicht auf die Kontrollmarke sei deshalb nicht so schnell vorzunehmen, wie sich der Motionär dies vorstelle. Im Nationalrat fand Reimanns Anliegen aber Gehör: Gegen die Nein-Stimmen von SP, Grünen und CVP nahm der Rat die Motion mit 111 zu 77 Stimmen (0 Enthaltungen) an.

Abschaffung der Kontrollmarke zur Typengenehmigung von Strassenfahrzeugen

Mittels einer Motion wollte Lukas Reimann (svp, SG) ein öffentliches Hearing vor Bundesratswahlen einführen. „Ich bin doch nicht dumm”, zitierte der St. Galler SVP-Nationalrat Ignazio Cassis, der dies vor seiner Wahl zum Bundesrat am Ende des Hearings bei der SVP-Fraktion auf die Frage geantwortet habe, ob er bei der Anhörung in der SP-Fraktion die gleichen Antworten geben werde. Es sei ein Problem, so Reimann in der Begründung für seinen Vorstoss, dass Kandidierende den Fraktionen nach dem Mund redeten und sich diese kein ehrliches Bild machen könnten. Dies wäre nicht der Fall, wenn Bundesratskandidierende in einem öffentlichen und überparteilichen Hearing Rede und Antwort stehen müssten.
Während der Debatte zur Motion zu Beginn der Frühjahrssession 2018 verstieg sich der Motionär zur nachher von einigen Ratskollegen beanstandeten Bemerkung, dass Bundesrat Cassis während des SVP-Hearings gar das Ende der Personenfreizügigkeit versprochen habe. Ein öffentliches Hearing würde die Kandidierenden an ihre Versprechen binden. Das Büro – vertreten durch seine Sprecherin Edith Graf-Litscher (sp, TG) – machte geltend, dass der Vorstoss sowohl aus praktischen wie auch aus inhaltlichen Gründen abzulehnen sei. Ein öffentliches Hearing sei nicht effizient, weil die einzelnen Fraktionen wohl trotzdem noch eigene Anhörungen durchführen würden. Zudem wäre bei einer Doppel- oder Dreifachvakanz ein eigentlicher Marathon zu leisten, wenn von jeder Fraktion drei Kandidierende vorgeschlagen würden und jede Partei spezifische Fragen stellen würde. Schliesslich stehe es heute schon jeder Fraktion offen, die eigenen Hearings öffentlich durchzuführen und so Transparenz zu schaffen. Mit 148 Stimmen pflichtete der Nationalrat der Position, dass von der Änderung kein Mehrwert zu erwarten sei, bei. Unterstützung erhielt die Idee lediglich von 26 SVP-Mitgliedern sowie zwei SP-Räten.

Öffentliches Hearing vor Bundesratswahlen

Im Januar 2018 empfahl die WAK-NR die Motion Schmid (fdp, GR) zur Streichung der Pflicht, die Steuererklärung zu unterzeichnen, einstimmig mit einer Enthaltung zur Annahme. Die Kommission befürwortete den Vorstoss, da er eine rein elektronische Einreichung der Unterlagen erlaube, die Prozesse vereinfache, mit der Digitalisierung einhergehe und in einigen Kantonen bereits Tatsache sei. In der Frühjahrssession folgte der Nationalrat ohne Gegenantrag dem Bundesrat, dem Ständerat und seiner Kommission. Somit liegt es nun am Bundesrat, die dafür notwendigen Gesetzesänderungen zu erlassen, dabei aber auch die Beweissicherung und die Haftungsfrage zu regeln – wie die WAK-NR betont hatte.

Streichung der Pflicht, die Steuererklärung zu unterzeichnen

Zwischen der Behandlung der Initiative im Parlament im September 2017 und der Volksabstimmung im März 2018 riss die Berichterstattung und die Debatte über die Initiative zur Abschaffung der Billag-Gebühren nicht mehr ab. Insbesondere nachdem Medienministerin Doris Leuthard im Oktober 2017 die neue Radio- und Fernsehabgabe von 365 Franken pro Jahr präsentiert hatte, gab es für die Medien kein Halten mehr. Diskutiert wurden in der Folge alle möglichen Aspekte der Vorlage. Relativ schnell beschrieben war der Inhalt der Initiative: Die Empfangsgebühr für Radio und Fernsehen soll abgeschafft werden und der Bund soll in Friedenszeiten keine Radio- und Fernsehstationen betreiben oder subventionieren dürfen. Stattdessen soll er entsprechende Konzessionen versteigern. Welche Auswirkungen eine solche Änderung hätte, wer sie befürwortete oder bekämpfte und wer wie davon betroffen wäre, sorgte in der Folge in Medien und Gesellschaft für viel Gesprächsstoff und wurde in über 7'000 Presseartikeln und 68'000 Tweets, Letztere gemäss (Fög) alleine zwischen anfangs Januar und Mitte Februar 2018, diskutiert.

Zu Beginn des Abstimmungskampfes besonders interessant war die Frage nach den Initianten und Befürwortern der Vorlage. Diese stellten gemäss Le Temps eine «alliance de circonstance» zwischen verschiedenen Akteuren vor allem aus der Deutschschweiz dar: neoliberale Rechte insbesondere aus der Zürcher SVP; junge Libertäre, die dadurch ihre Vision einer ultraliberalen Welt verbreiten wollten, sowie private Verleger, die sich Vorteile aus der Initiative erhofften. Die Hauptakteure der No-Billag-Komitees kamen folglich mit Olivier Kessler, Co-Initiator der Initiative und einstigem Präsidenten der Jungen SVP Schwyz, mit Thomas Juch, No-Billag-Co-Präsident und Vizepräsident der Jungfreisinnigen, mit Andreas Kleeb, Kommunikationsstratege und ehemaligem Parteipräsidenten der FDP Zug, und mit den Präsidenten der Unterstützerkomitees der Romandie, dem Jungfreisinnigen Nicolas Jutzet, und des Tessins, dem SVP-Gemeinderat von Lugano, Alain Bühler, aus dem Umfeld junger Libertärer. Deren Bewegung erlangte in der Folge durch Zeitungsinterviews und Auftritte in Diskussionsrunden einige mediale Aufmerksamkeit.
Anfangs sprach sich neben den Initianten kaum jemand für die Initiative aus; unterstützt wurde sie lediglich von der Zürcher SVP und vom Gewerbeverband, die beide relativ früh die Ja-Parole beschlossen hatten. Auch die Aktion Medienfreiheit, eine Gruppe privater Verleger präsidiert von Natalie Rickli (svp, ZH), sprach sich für die Vorlage aus, da ihr die Aktivitäten der SRG zu weit gingen. Lange fragten sich die Medien, was die SVP machen werde: Es seien bei ihr zwar schon immer Sympathien für die Initiative zu spüren gewesen, aber die Partei sei diesbezüglich gespalten. Eine Halbierung der Gebühr, wie es ihr Gegenvorschlag vorgesehen hatte, wäre von den meisten Exponentinnen und Exponenten bevorzugt worden, war zu lesen. Ebendiese Forderung anstelle der radikaleren Nullforderung hatte Nationalrätin Rickli den Initianten bereits vor Lancierung des Volksbegehrens nahegelegt. Die Medien erklärten die Zurückhaltung der SVP damit, dass es sich beim Thema der Initiative nicht um ein Kernanliegen der SVP handle und die im Januar 2018 lancierte Begrenzungsinitiative viele Ressourcen binde. Im Laufe der Kampagne sprachen sich jedoch immer mehr Mitglieder der SVP für die Initiative aus, unter ihnen auch alt-Bundesrat Christoph Blocher und Nationalrätin Magdalena Martullo-Blocher (svp, GR). Kurz vor der Abstimmung empfahl die SVP schliesslich mit 242 zu 17 Stimmen ein Ja zur Initiative. Zudem fassten die EDU und die Unabhängigkeitspartei up! die Ja-Parole.
Da zu Beginn der Kampagne noch unklar war, ob sich die SVP oder der Gewerbeverband finanziell beteiligen würden, setzten die Befürworter der Initiative auf Crowdfunding. Dieses sorgte für Aufmerksamkeit, nachdem der Betreiber der Crowdfunding-Seite erklärt hatte, die Sammelaktion für die Initiative zu stoppen und die bereits erhaltenen Gelder zurückzubezahlen. Die No-Billag-Initiative sei schlecht für die Kohäsion der Schweiz und als privates Unternehmen habe man das Recht, den Auftrag zu verweigern, erklärte die Geschäftsleitung. Olivier Kessler wertete dies als Sabotage und Affront gegen die Leute, die bereits insgesamt CHF 11‘500 für die Initiative gespendet hätten. Knapp 24 Stunden später startete das Crowdfunding auf einer privaten Seite erneut und erzielte nun – aufgrund von Solidaritätsbekundungen oder Gratiswerbung – mehr Spendengelder als zuvor: In den ersten 48 Stunden erhielten die Befürworter Spenden über CHF 22‘000, bis Ende Dezember 2017 nahmen sie insgesamt CHF 86‘000 mittels Crowdfunding ein.

Das Lager der Initiativgegner war relativ breit aufgestellt. Von den Parteien gaben die SP, die Grünen, die CVP, die BDP, die GLP, die EVP und die CSP die Nein-Parole heraus, genauso wie zum Beispiel Operation Libero, die Schweizerische Bischofskonferenz, die KdK und die Westschweizer Regierungskonferenz. Zögerlicher zeigten sich Economiesuisse und FDP. Die Freisinnigen fassten zwar mit 204 zu 82 Stimmen klar die Nein-Parole, machten aber an der Delegiertenversammlung ihrem Unmut gegenüber der SRG Luft. FDP-Präsidentin Petra Gössi (fdp, SZ) fasste die Position der Partei entsprechend zusammen: «Es braucht Anpassungen, aber keine Revolution.» Auf deutliche Ablehnung stiess die Initiative hingegen bei der CVP, von den Medien häufig als «SRG-Partei» bezeichnet. Mit 50 zu 0 Stimmen beschloss der Parteivorstand die Nein-Parole entsprechend deutlich; die CVP übernahm zudem die Leitung der Kampagne. Trotz ihrer ablehnenden Haltung gegenüber dem Volksbegehren geizten zahlreiche Initiativgegner nicht mit Kritik an der SRG und betonten, dass sie für den Gegenvorschlag gestimmt hätten, wenn dieser zustande gekommen wäre.
In Übereinstimmung mit der breiten Gegnerschaft der Initiative entstanden zahlreiche verschiedene Contra-Komitees. Dazu gehörten ein überparteiliches Komitee «Nein zu No Billag», dem sich über 140 nationale Parlamentarierinnen und Parlamentarier anschlossen, der Verein «Nein zum Sendeschluss», dem verschiedene zivilgesellschaftliche Akteure, darunter der Schriftsteller Pedro Lenz, der Direktor der Schweizer Journalistenschule und ehemalige SRF-Chefredaktor Diego Yanez sowie die Co-Präsidentin von Operation Libero Laura Zimmermann, angehörten. Operation Libero engagierte sich auch in einer eigenen Kampagne und erhoffte sich, mit Crowdfunding CHF 280‘000 zu erhalten, was dem Betrag entspricht, den die Bewegung bereits für ihre Kampagne gegen die Durchsetzungsinitiative auf dieselbe Weise erzielen konnte. Dieses Ziel erreichte Operation Libero im Dezember 2017 nach lediglich einer Woche Sammelaktion: Nachdem eine Vorumfrage der Sonntagszeitung einen deutlichen Vorsprung der Befürworter gezeigt hatte, schossen die Spenden durch die Decke. Zudem setzten sich das Komitee «NEIN zu No-Billag», bestehend aus engagierten Personen aus der Zivilgesellschaft, das Schweizer Syndikat Medienschaffender (SSM) mit der Kampagne «Made in Switzerland», Kulturschaffende mit dem «Aufruf der Kulturschaffenden gegen No-Billag» und der «Verein für die Rettung meiner Lieblingssendung», der eigens für diese Kampagne ins Leben gerufen worden war, gegen die Initiative ein. Zudem entstanden verschiedene Regionalkomitees in der Romandie, dem Tessin und im Bündnerland.

Breit diskutiert wurden in den Medien auch die Argumente der Befürworter und Gegner der Initiative. Die Initianten argumentierten, durch die Abschaffung der sogenannten «Zwangsgebühren» könne die Bevormundung der Bürger durch den Staat zumindest im Medienbereich gestoppt werden. Die Bürger sollten die Freiheit haben, zu wählen, was sie sehen und bezahlen wollen, erklärte Nicolas Jutzet. Dies betreffe insbesondere die jüngere Generation, die kaum noch lineares Fernsehen nutze: Untersuchungen des Fög sowie von Mediapulse und Vimentis verdeutlichten, dass nur noch 14 Prozent der 18- bis 24-Jährigen Fernsehen als Hauptinformationsquelle nutzen, die Marktanteile insbesondere von SRF 1 in dieser Altersgruppe deutlich niedriger liegen als für ältere Gruppen und Junge unzufriedener sind mit der SRG als ältere Personen.
Überdies würden die Gebühren einen fairen Wettbewerb und damit die Entstehung eines «vielseitigen und qualitativ hochstehenden Fernsehmarktes in der Schweiz» verhindern, argumentierte Mitinitiant Sebastian Frehner (svp, BS). Eines der prominentesten Argumente der Befürworter bezog sich demnach auf die Rolle der SRG. Die Befürworter der Initiative erachteten die No-Billag-Initiative als Möglichkeit, die Übermachtstellung der SRG zu brechen und dadurch die privaten Medienunternehmen zu stärken. Die SRG ruiniere mit ihren Gebührenmilliarden und einer aggressiven Wettbewerbsstrategie die privaten Medienhäuser, da sie durch den Startvorteil der Gebührenfinanzierung die Privaten am Werbemarkt unter Preisdruck setze und einfacher in neue Geschäftsfelder vorstossen könne, wurde argumentiert. Mit dieser Meinung standen die Initiativbefürworter nicht alleine da. Bis weit ins gegnerische Lager pflichtete man den Initianten bei, dass die SRG die Presse und die privaten Sender konkurriere, obwohl sie dies rechtlich nicht dürfe. Eine finanzielle Unterstützung der SRG sei nötig, erklärten hingegen die übrigen Initiativgegner. Dass bei den Medien der freie Markt, den die Initianten forderten, nicht spiele, könne man am Beispiel der Zeitungen sehen, erklärte Martin Candinas (cvp, GR). Daher bedürfe es bei Produktion und Verteilung von politischen und kulturellen Inhalten eines staatlichen Eingriffs, war in Le Temps zu lesen. Ohne staatliche Unterstützung könnten die Kosten zur Bereitstellung dieser Informationen nicht gedeckt werden. Da es sich für die grossen Medienunternehmen nicht lohnen würde, sich an der Versteigerung der Konzessionen zu beteiligen, käme eine Ersteigerung einzig für Milliardäre in Frage, betonte Roger Nordmann (sp, VD) zudem. Folglich käme es bei Annahme der Initiative zu einer sogenannten «Berlusconisierung» der Medienlandschaft: Einzelne finanzstarke Personen oder Unternehmen würden zukünftig den Medienmarkt und damit die Meinungsbildung dominieren.
Welche direkten Folgen eine Annahme der Initiative für die SRG hätte, war sehr umstritten und entwickelte sich immer mehr zur Glaubensfrage. Während Medienministerin Leuthard sowie mehrere Exponenten der SRG betonten, dass eine Annahme der Initiative das Ende der SRG bedeuten würde, bezweifelten dies die Initianten. Leuthard erklärte, dass die Initiative so klar formuliert sei, dass der Bundesrat sie per Verordnung umsetzen würde – das entsprechende Gesetz könne wohl kaum rechtzeitig erarbeitet werden. Man würde daher die Gebühren innerhalb eines Jahres zurückfahren. Auch SRG-Präsident Jean-Michel Cina, SRG-Generaldirektor Gilles Marchand sowie SRF-Direktor Ruedi Matter betonten, dass es bei einer Annahme zu einem Lichterlöschen bei der SRG und zu einer sukzessiven Entlassung der 6'000 Mitarbeitenden kommen würde. Insbesondere da bei Annahme der Initiative ein Grossteil der Bürger sofort aufhören würde, Gebühren zu bezahlen, wodurch die SRG in kürzester Zeit Liquidationsprobleme bekäme. Danach gäbe es in der Schweiz nur noch hoch kommerzielles Fernsehen mit viel Werbung. Dieser Darstellung widersprachen die Initianten: Sendungen mit hohen Einschaltquoten liessen sich über den Werbemarkt weiterhin finanzieren, betonte zum Beispiel Andreas Kleeb. Die SRG würde durch die Initiative zu einem gewöhnlichen Medienunternehmen, das sich am Markt bewähren müsste, erklärte auch Christoph J. Walther, Fachjournalist für Medien. Die Weltwoche rechnete aus, dass die SRG CHF 310 Mio. einnehmen könnte, wenn nur ein Viertel aller heutigen SRG-Nutzerinnen und -Nutzer die SRG-Programme zukünftig abonnieren würde. Da man bezüglich Werbung freier wäre, könnte man den Zuschauerrückgang durch längere Werbefenster sowie Werbung in Internet und Radio kompensieren. Auch der emeritierte Rechtsprofessor Rainer J. Schweizer hielt die Darstellung eines abrupten Endes der SRG für übertrieben. Er erklärte, die SRG würde vorläufig ihren Programmauftrag behalten und könnte weiter existieren, bis das Parlament das RTVG angepasst habe, weil dieses eine stärkere rechtliche Wirkung habe als die Ausführungsbestimmungen der Initiative. Um die Diskussionen zur Zukunft der SRG bei Annahme der Initiative auf eine solidere Basis zu stellen, hatte die KVF-NR bereits im April 2017 einen Bericht des BAKOM zu zwei Budgetvarianten der SRG gefordert, der im Juni 2017 erschien.
Nicht nur die SRG, auch die 21 respektive 13 regionalen Radio- und Fernsehstationen würde eine Annahme der Initiative vor grosse Probleme stellen, gaben Letztere zu bedenken. Diese erhalten ebenfalls CHF 68 Mio., zukünftig sogar CHF 81 Mio., aus dem Gebührentopf und sind zu etwa 50 Prozent gebührenfinanziert. Ohne diese Unterstützung könnten sie somit kaum überleben. Silvio Lebrument, Geschäftsführer der Somedia, erklärte, auch für den Radio- und Fernsehsender Südostschweiz würde eine Annahme der Initiative das Aus bedeuten. Folglich kritisierte auch der Verband der Schweizer Regionalfernseher Telesuisse die Initiative stark.
Eine Annahme der Initiative hätte schliesslich gemäss den Initiativgegnern auch negative Konsequenzen für die (Sprach-)Minderheiten. So erklärte Medienministerin Leuthard im Dezember, dass die Initiative diese deutlich stärker treffen würde als die Deutschschweiz. Heute fände eine Quersubventionierung der französisch- und italienischsprachigen Sender durch die Deutschschweizer Gebührenzahlenden statt: RSI zum Beispiel erhält 20.5 Prozent der Gebühreneinnahmen für 8.1 Prozent der Einwohnerinnen und Einwohner. Ohne diese Umverteilung könnten Radio- und Fernsehsender in anderen Sprachregionen kaum produziert werden, da die Märkte zu klein seien, erklärte Pascal Crittin, Direktor von RTS. Ausschliesslich werbefinanziert liesse sich hochwertiges Fernsehen nicht produzieren, bei einem Ja müsse RTS daher schliessen. Entsprechend kritisch zeigten sich die Medien und Akteure in der Romandie bezüglich der Initiative. Relativ lange war die Diskussion zur Initiative in den Westschweizer Medien deutlich weniger virulent als in der Deutschschweiz, die Initiative galt als chancenlos. Zudem sei das Westschweizer Fernsehen gemäss Peter Rothenbühler, langjährigem Chefredaktor von Le Matin, dank verschiedener hervorragender Informationssendungen in der Bevölkerung fest verankert. Aufgrund ausgewogener Informationsveranstaltungen und kontroverser Diskussionen sei auch der Vorwurf, die Sender seien politisiert, nie aufgekommen. Diese positive Einstellung zur SRG zeigte sich auch in der von Année Politique Suisse untersuchten Inseratekampagne: Im Vergleich zu früheren Vorlagen wurden in den französischsprachigen oder zweisprachigen Kantonen überdurchschnittlich viele Contra-Inserate publiziert, jedoch beinahe keine Pro-Inserate.
Speziell war die Lage für den Kanton Tessin, wo RSI mit 1100 Stellen, 500 Stellen bei Zulieferern und einer Wertschöpfung von CHF 213 Mio. gemäss einer Studie des Wirtschaftsforschungsinstituts BAK Basel einer der grössten Arbeitgeber des Kantons ist. RSI-Direktor Maurizio Canetta betonte entsprechend die Gefahr der Vorlage für den Südkanton. Da das Tessin aktuell dreimal mehr Geld aus dem Gebührentopf erhalte, als es einzahle, würden bei Annahme der Initiative nur noch kommerzielle Gewinne zählen, die Regionalität ginge verloren. Mittelfristig müsse RSI schliessen, dann könnten nur noch italienische Sender empfangen werden. Trotz oder gerade wegen der starken Lage von RSI entwickelte sich im Tessin eine überaus starke Befürworterkampagne zur Initiative. Mit fast 60 Inseraten im untersuchten Zeitraum und den untersuchten Zeitungen – von denen jedoch mehr als die Hälfte in der Lega-nahen Zeitung «Il Mattino della Domenica» erschienen waren – legten sich die Befürworter mächtig ins Zeug, wie die Auswertung von Année Politique Suisse zeigte. Hauptsächlich kritisierten sie darin die Grösse der SRG und die staatliche Kontrolle des Fernsehens.
Ebenfalls besonders stark betroffen war der Kanton Graubünden als einziger dreisprachiger Kanton. Martin Candinas erklärte, die Vorlage sei ein Frontalangriff auf das rätoromanische Radio- und Fernsehangebot und ein Kahlschlag für den Medienplatz Schweiz. Der Kanton Graubünden würde bei einer Annahme der Initiative aus den Medien verschwinden, berichtet werden würde nur noch über Naturkatastrophen, ergänzte Nationalrätin Silva Semadeni (sp, GR). Die Initiative müsse klar abgelehnt werden, damit ein deutliches Signal für eine starke SRG gesendet werden könne, die in der Lage wäre, Minderheitensprachen, Berggebiete und periphere Regionen zu berücksichtigen. Im Laufe der Kampagne wurden die Initiativgegner immer deutlicher, Ständerat Stefan Engler (cvp, GR) etwa sprach vom Verlust eines Stückes Identität der Rätoromanen und von «einer Katastrophe für den Kanton Graubünden». Entsprechend aktiv zeigten sich die Bündner Initiativgegner auch in der Kampagnenphase – in keinem anderen Kanton zählte Année Politique Suisse mehr Contra-Inserate.
Das Argument der Sprachminderheiten war jedoch auch in der Deutschschweiz relevant. Hier sahen die Initiativgegner nicht nur die Schweizer Medienlandschaft, sondern mit ihr gar die nationale Kohäsion gefährdet. Diese beruhe nämlich gemäss NZZ unter anderem auf der Bereitschaft, die kleineren Sprachregionen mit Nachrichten und Unterhaltung zu bedienen und die kulturelle Vielfalt zu fördern. Durch die Initiative würde «einer der letzten Stützpfeiler unseres gemeinsamen Schweizer Dachs» verloren gehen, erklärte Nationalrat Christoph Eymann (lpd, BS).
Gegen eine solche «Überhöhung» der SRG wehrten sich wiederum die Befürworter der No-Billag-Initiative: Die Initiativgegner würden die SRG zur Rettung der vierten Gewalt und die No-Billag-Abstimmung zur Schicksalsfrage für die Schweiz hochstilisieren, kritisierte Nationalrat Lukas Reimann. Dabei hätten Umfragen gezeigt, dass selbst von den Initiativgegnern eine Mehrheit nicht glaube, dass die SRG mit Annahme der Initiative untergehen würde. Schliesslich bestritten die Befürworter der Initiative nicht nur die Darstellung der Medienministerin und der SRG-Verantwortlichen, wonach die SRG bei Annahme der Initiative nicht überleben könne, sie kritisierten insbesondere auch deren Weigerung, einen Plan B vorzulegen. Die SRG-Führung habe die Pflicht, den Fortbestand des Unternehmens sowie die Fortbeschäftigung der Mitarbeitenden unter allen Umständen zu sichern, erklärte unter anderem Nationalrat Gregor Rutz (svp, ZH). Dies veranlasste Andreas Kleeb, aber auch den Verleger der AZ Medien, Peter Wanner, zu Spekulationen, wonach die SRG über einen Plan B verfüge, diesen aber aus taktischen Gründen nicht kommuniziere.

Die Kampagnen zur No-Billag-Initiative konzentrierten sich stark auf Onlinekommentare und soziale Medien. Die Twitter-Aktivitäten zu No-Billag starteten anfangs Oktober und stiegen bis Ende Februar stetig an. Das Fög zählte von Januar bis Mitte Februar 2018 insgesamt 68'000 Tweets. Die Untersuchung des Fög bestätigte auch die oftmals geäusserte Vermutung, dass es bei den Twitter-Aktivitäten zu einer Bildung von Informations-Filterblasen komme: Grösstenteils bekamen die Nutzer nur Inhalte zu Gesicht, die mit ihren eigenen Ansichten übereinstimmten. Ausserordentlich stark tobte der Abstimmungskampf auch in den Medien. Das Fög bezeichnete die No-Billag-Initiative als «Sonderfall», da die Initiative über die ganze Kampagnendauer überdurchschnittlich viel Aufmerksamkeit in den Medien erzielt hatte. Das Fög zählte in den 14 Wochen vor der Abstimmung in den untersuchten Zeitungen 1049 inhaltliche Artikel zur Vorlage – insgesamt war die Rede von über 7000 Artikeln –, deutlich mehr als bei anderen vielbeachteten Vorlagen wie der Unternehmenssteuerreform III, der Durchsetzungsinitiative, der Masseneinwanderungsinitiative oder gar beim RTVG. Die Tonalität bezüglich der Initiative war in beinahe allen untersuchten Medien negativ, einzig die Weltwoche berichtete mehrheitlich positiv darüber. Vergleichsweise gut schnitt die Initiative auch bei der Aargauer Zeitung, 20 Minuten, der BaZ und der Sonntagszeitung ab. Überdurchschnittlich viel Resonanz erhielten gemäss dem Fög die Pro-Akteure jedoch neben der Weltwoche auch in den untersuchten Programmen der SRG. Während die Kampagne somit im inhaltlichen Teil der Zeitungen überdurchschnittlich stark vertreten war, zeigte sich in den Inseratespalten kein auffälliges Bild: Die Komitees schalteten im Vergleich mit Abstimmungen der vergangenen vier Jahre nur durchschnittlich viele Zeitungsinserate.

Am häufigsten porträtiert wurde die Position von Vertretern der Zivilgesellschaft, wie die Studie des Fög zeigte. Diese gehörten gemäss Fög überdies zu den grössten Kritikern der Initiative. So meldeten sich im Laufe der Kampagne zahlreiche zivilgesellschaftliche Organisationen zu Wort; Diego Yanez, Vorstandsmitglied des Komitees «Nein zum Sendeschluss», sprach von einem «Ruck, der durch die Zivilgesellschaft» ging. Bekämpft wurde die Vorlage von vielen Seiten: Der Gehörlosenbund zum Beispiel sprach sich gegen die Initiative aus, da man auf Sendungen mit Untertiteln oder in Gebärdensprache angewiesen sei. Bereits das heutige Angebot sei ungenügend, eine Annahme der Initiative würde aber die Situation noch verschlechtern, erklärte Corinne Parrat, die gehörlose Miss-Handicap 2009. Auch die Sportfans und -organisatoren meldeten sich zu Wort. Sie sorgten sich, dass nach Annahme der Initiative kaum noch Sportübertragungen im Free TV zu sehen sein würden. Seit Beginn der Erhebung 2013 waren die zehn meistgeschauten Sendungen im SRF Sportübertragungen, von den Top 100 beinhaltete fast jede zweite Sendung Sport. Insbesondere Anhänger von Nischensportarten waren besorgt: Private würden wohl kaum Berichte zu über 100 verschiedenen Sportarten ausstrahlen, wie es die SRG tue, war zu vernehmen. Auch Swiss Olympic beteiligte sich an der Diskussion: Die SRG sei einer «der wichtigsten Sportförderer der Schweiz», sowohl für Elite- als auch für Breitensport. Ein Ja wäre daher das Ende von mehr als nur der SRG.
Auch von kultureller Seite wurde Kritik an der Initiative laut. Die Interessengemeinschaft Volkskultur, der 33 Verbände und 400‘000 Aktivmitglieder angehören, fasste einstimmig die Nein-Parole. Präsident Albert Vitali (fdp, LU) erklärte, bei Annahme der Initiative sei zum Beispiel die Übertragung von Schwing- und Jodelfesten in Gefahr, weil Private die Kosten der Übertragung nicht stemmen könnten. Die Nein-Parole erliessen auch der Blasmusikerverband sowie der Eidgenössische Jodelverband. «Für die Freunde der Volkskultur ist die Initiative ein Affront», betonte die Präsidentin des Jodelverbands Kathrin Niederberger. Für Brauchtumsfeste sei die SRG ein unverzichtbarer Partner.
Anders sah es hingegen lange Zeit bei der Schweizer Musikbranche aus. Noch im November 2017 kritisierte die Sonntagszeitung, dass sich diese nicht zur Vorlage äusserte, obwohl die SRG die Karrieren der Schweizer Musiker entscheidend gefördert habe. So würden jährlich CHF 300 Mio. von der SRG zu den Künstlern fliessen, was für einige mehr als 40 Prozent des Einkommens ausmache. Da Privatradios einen deutlich niedrigeren Anteil an Schweizer Musik spielten als die SRG-Kanäle, seien die Musiker auf Letztere angewiesen. Ähnlich sehe es bei der Filmbranche aus, betonten die Medien. Die SRG habe in den letzten 30 Jahren CHF 300 Mio. in die Filmförderung investiert und unterstütze zudem jährlich Schweizer Filme mit CHF 30 Mio. bis 40 Mio. Dieser Aufruf zeigte Ende 2017 Wirkung, als unter dem Motto «Nein zum Blackout – Nein zu No Billag» Werbespots mit zahlreichen verschiedenen Schauspielerinnen und Schauspieler ausgestrahlt wurden. Finanziert wurden diese vom Dachverband der Schweizer Film- und Audiovisionsbranche Cinésuisse, der darauf hinweisen wollte, dass zahlreiche Filme wie «Die Schweizermacher» oder «Heidi» ohne die enge Partnerschaft mit der SRG nicht hätten realisiert werden können.
Diese Solidaritätsbekundungen lösten jedoch nicht nur Begeisterung aus. Die Weltwoche sah sich in ihrer Kritik bestätigt: Durch die Initiative würden die Verflechtungen der SRG sichtbar; diese mache sich die Abhängigkeiten zahlreicher Akteure für ihre Zwecke zu Nutze. Dabei kritisierte die Weltwoche insbesondere die Printmedien, welche die SRG über die Jahre abhängig gemacht habe. Zum Beispiel zahle sie jährlich mehrere Millionen Schweizerfranken an die Somedia, die NZZ-Gruppe sowie die AZ-Medien und insgesamt flössen jährlich CHF 67.5 Mio. an private Radio- und Fernsehstationen. Das erkläre auch, warum von dieser Seite nur leichte Kritik an der SRG geäussert würde. Diejenigen, die auf diese Weise von der SRG profitierten, hätten sich nun auch gegen die Initiative ausgesprochen, erklärte die Weltwoche. Allgemein blieb die Haltung der Zeitungen zur Initiative jedoch unklar. Der Verlegerverband (VSM) mochte anfangs keine klare Ja- oder Nein-Parole fassen, empfahl schliesslich aber trotz bestehender Differenzen die Ablehnung der Initiative. Zwar sei man für die Gebührenfinanzierung, mache aber die Stärke des Engagements von den Zugeständnissen der SRG abhängig, erklärte Geschäftsführer Andreas Häuptli. Die SRG solle demnach langfristig ohne Werbung und Sponsoring auskommen und die Kommerzialisierung des Angebots reduzieren, wurde gefordert. Auch der Westschweizer Verband Médias Suisses sprach sich gegen die Initiative aus, wollte aber die Contra-Kampagne nur unterstützen, wenn die SRG auf zielgerichtete Werbung verzichte und aus der Admeira austrete.

Unter besonderer Beobachtung standen auch während der Kampagnenphase die SRG und ihre Mitarbeitenden: Vielfach wurde befürchtet, dass sie aufgrund der für sie weitreichenden Konsequenzen der Initiative nicht würden neutral bleiben können. Mitte Oktober definierte die SRG interne Leitlinien, die es ihren Mitarbeitenden erlaubten, ihre Position über soziale Netzwerke zu vertreten und das Programmangebot und die Werte der SRG proaktiv zu betonen. Die Mitarbeitenden durften hingegen keine direkten Abstimmungsempfehlungen abgeben. In ihren Sendungen nahm die SRG gemäss Fög eine klar kritische Haltung zu der Initiative ein, die negative Tonalität von SRF und RTS entsprachen jedoch der durchschnittlichen Haltung der Medien, erklärte das Fög weiter. Überdurchschnittlich grosse Resonanz erhielten jedoch die Statements der Befürworter bei der SRG. Diese zeigten sich jedoch mit dem Verhalten der SRG und ihrer Mitarbeitenden im Rahmen des Abstimmungskampfes nicht zufrieden und kritisierten deren «breit angelegte Informationskampagne», wie es der Bote der Urschweiz formulierte. Insbesondere Sendungen zur Initiative selbst, vor allem die Arena respektive ihr Moderator Jonas Projer wurden kritisiert. Olivier Kessler beschuldigte Projer als SRG-Angestellten und «Zwangsgebühren-Profiteur» zu wenig unabhängig zu sein, um die Sendung zur No-Billag-Initiative fair zu leiten. Er habe die Sendung einseitig moderiert und die Initiativbefürworter deutlich häufiger unterbrochen als die Gegner, ergänzte Kessler auf seinem Blog. Auf diese Anschuldigungen entgegnete Projer, dass die wichtigsten Themen beider Seiten angesprochen worden seien und die Redezeit ausgeglichen gewesen sei – man habe dies absichtlich gemessen. Unterstützung erhielt Projer im Nachhinein von SRG-Ombudsmann Roger Blum, der die Sendung aufgrund zahlreicher Beschwerden überprüfte. Demnach habe Projer Kessler deutlich weniger kritische und mehr unkritische Fragen gestellt als Bundesrätin Leuthard, habe diese aber nie, Kessler sowie Joachim Eder als Vertreter der Initiativgegner aber gleich häufig unterbrochen. Insgesamt seien die Befürworter zwar deutlich häufiger unterbrochen worden, eine «förmliche Diskriminierung» habe der Ombudsmann aber nicht festgestellt. Das hatten einige Zuschauer freilich anders wahrgenommen, in den sozialen Medien gingen die Wogen hoch. In einer Twitter-Nachricht wurden Projer und seine Kinder gar mit dem Tod bedroht, worauf dieser Strafanzeige einreichte.
Die SRG wurde jedoch nicht nur wegen dem Inhalt ihrer Sendungen, sondern auch wegen deren Kampagnenfinanzierung kritisiert. Die Initiativbefürworter befürchteten, die SRG setze Gebührengelder für den Abstimmungskampf ein, was zum Beispiel Stefan Ammann, Präsident der Jungfreisinnigen, als Beeinflussung wertete. Entsprechende Anfragen von Sylvia Flückiger-Bäni (A. 17.5446) und Lukas Reimann (A. 17.5455) im Parlament ergaben, dass die SRG zwar nicht über ein Budget für die Abstimmungsdebatte verfügte, wohl aber Geld für Medienanfragen aus dem Budgetposten «Public Affairs» bereitgestellt hatte. Dieser betrug fürs Jahr 2016 CHF 400‘000. Der Bundesrat erklärte diesbezüglich, die Trägerschaft der SRG habe das Recht und die Pflicht, Diskussionen über den Service public zu führen, jedoch müssten die Auftritte sachlich und transparent sein. Gemäss den Initiativ-Befürwortern war hingegen auch das äusserst heikel, da dadurch Arbeitszeit von Personen mit gebührenfinanzierten Löhnen in Anspruch genommen werde. Ferner brauche die SRG keine Plakate mehr zu finanzieren, weil sie stattdessen auf bereits bekannte Gesichter setzen könne.

Volksinitiative "Ja zur Abschaffung der Radio- und Fernsehgebühren" (No Billag-Initiative)

Mit 9 Vorstössen pro Kopf hatten sich die Parlamentsmitglieder im Jahr 2017 nach einer kurzen Baisse im Vorjahr (1'972 Vorstösse; 8 pro Kopf) wieder wesentlich mehr Arbeit aufgehalst. Dabei kann bei allen Vorstossarten eine Zunahme beobachtet werden: Es wurden mehr Anfragen (102; 2016: 87), mehr Anliegen für die Fragestunde (663; 2016: 607), mehr Postulate (204; 2016: 174), mehr Motionen (403, 2016: 342) und auch mehr parlamentarische Initiativen (129; 2016: 106) eingereicht. Noch nie wurden zudem so viele Interpellationen eingereicht wie 2017 (718; 2016: 656).
Zwar gingen die 2017 vorgelegten Bundesratsgeschäfte ein wenig zurück (67; 2016: 72) und das Parlament hatte etwas weniger Wahlgeschäfte (23; 2016: 29) sowie eine Petition (22; 2016: 23) weniger zu erledigen als im Vorjahr, die Kantone reichten aber 2017 mehr Anliegen in Form von Standesinitiativen (22) ein als noch 2016 (19).

In den Medien wurde Jean-Luc Addor (svp, VS) als «Vorstosskönig» (St. Galler Tagblatt) ausgemacht, der seit seiner Wahl 2015 am meisten Vorstösse eingereicht habe. Er sei sich bewusst, dass seine Vorstösse Kosten verursachten und dies nicht dem Ziel seiner Partei, einen sparsamen Umgang mit Steuergeldern zu pflegen, entspreche; er mache aber einfach die Arbeit, für die er gewählt worden sei. Und auch die SVP sei für ein aktives Parlament, das eine Gegenmacht zur Exekutive und Verwaltung sein müsse. Am anderen Ende der Skala fand sich Hermann Hess (fdp, TG), der ebenfalls 2015 in den Nationalrat gewählt worden war und bisher keinen einzigen Vorstoss eingereicht und nie das Wort ergriffen hatte. Es gebe im Parlament «viel warme Luft ohne Aussicht auf Resonanz, die vorab der Pflege der eigenen Bekanntheit zu dienen scheint», gab der Thurgauer dem St. Galler Tagblatt preis.
Die Weltwoche rechnete vor, dass die Vorstösse von Claude Béglé (cvp, VD), der ebenfalls durch grosse Aktivität auffiel, die Steuerzahlenden seit seinem Amtsantritt 2015 CHF 544'680 gekostet habe. Das Wochenblatt berief sich auf den Betrag von CHF 6'120, den ein Vorstoss die Verwaltung im Schnitt koste – eine Zahl, die 2007 von den Parlamentsdiensten als Antwort auf eine Interpellation Spuhler (svp, TG) (Ip. 07.3176) als Mittel errechnet worden war. Der Bundesrat hatte damals in seiner Antwort festgehalten, dass es sich aufgrund des wenig aufwendigen Verfahrens und der kleinen Anzahl untersuchter Vorstösse (7 Motionen, 3 Postulate, 4 Interpellationen) lediglich um eine Schätzung handle.

Die Ratsmitglieder hatten 2017 freilich nicht nur Vorstösse eingereicht, sondern auch erledigt und waren diesbezüglich ebenfalls fleissiger als noch im Vorjahr. Die Verwaltung und die Exekutive beantworteten im Berichtsjahr 96 Anfragen (2016: 83), 663 Fragen in der Fragestunde (2016: 607) und 628 Interpellationen (2016: 625). Die Räte erledigten 303 Postulate (2016: 288), 458 Motionen (2016: 458) und 104 parlamentarische Initiativen (2016: 82). Allerdings wurden weniger Bundesratsgeschäfte (74; 2016: 87), weniger Standesinitiativen (18; 2016: 32) und weniger Petitionen (26; 2016: 39) behandelt als noch 2016. Die Anzahl erledigter Wahlgeschäfte war gleich gross wie im Vorjahr (26). Damit hatten National- und Ständerat 2017 total 2'396 Geschäfte erledigt, was eine Arbeitslast bedeutete, die praktisch dem langjährigen Durchschnitt (2'397 erledigte Geschäfte pro Jahr zwischen 2000 und 2017) entsprach.

Allerdings waren unter den erledigten Motionen und Postulaten auch ein Grossteil von gar nicht behandelten Anliegen, weil diese zurückgezogen oder unbehandelt abgeschrieben worden waren. Dies war bei fast einem Drittel aller 2017 erledigten Motionen (20.7% der 458 im Jahr 2017 erledigten Motionen wurden zurückgezogen und 10.7% abgeschrieben) und immerhin noch bei jedem fünften Postulat (12.9% zurückgezogen; 7.3% abgeschrieben) der Fall. Erfolgreich waren 21.8 Prozent aller Motionen, womit die Erfolgsrate gegenüber 2016 (28.7%) zwar gesunken war, aber leicht über dem langjährigen Schnitt (zwischen 2000 und 2017: 21.2%) lag. Erfolgreicher waren 2017 die Postulate: 54.1 Prozent dieser Vorstösse waren angenommen worden (2016: 53.5%; Schnitt: 47.6%). Die grössere Erfolgsrate bei den Postulaten dürfte mit der geringeren Verbindlichkeit zu tun haben, aber auch mit dem Umstand, dass sie nicht von beiden Räten überwiesen werden müssen. So wurden immerhin 18.3% der 458 erledigten Motionen zwar vom Erstrat angenommen, aber vom Zweitrat abgelehnt.

Die Aargauer Zeitung interessierte sich eingehender für dieses Phänomen und fand heraus, dass der Ständerat wesentlich häufiger Anliegen aus dem Nationalrat versenke als umgekehrt. Die Zeitung berief sich auf Zahlen der laufenden Legislatur und rechnete aus, dass von 106 im Nationalrat angenommenen Motionen deren 60 nachträglich vom Ständerat abgelehnt worden seien, wohingegen von 26 in der kleinen Kammer angenommenen Motionen lediglich sechs von der grossen Kammer kassiert worden seien. Das «Muster des grosszügigen Nationalrats gegen den pedantischen Ständerat» wurde in der Zeitung von verschiedenen Parlamentsmitgliedern diskutiert. Es zeige, dass der Ständerat eine abgehobene Kammer sei, «die schlicht am Volk vorbeipolitisiert», gab Walter Wobmann (svp, SO) der Zeitung zu Protokoll. Und auch Fabio Regazzi (cvp, TI) machte beim Ständerat oft eine «Ablehnung aus Prinzip» aus. Gegen diese Behauptung wehrte sich Ständerat Martin Schmid (fdp, GR): Der Nationalrat nehme häufig ohne Debatten eine Reihe von Motionen einfach an. Zudem spielten in der Volkskammer parteipolitische Motive eine viel grössere Rolle. Das verspreche zwar Publizität, sei aber nicht effektiv. Im Ständerat seien die Hemmungen grösser, überhaupt einen Vorstoss einzureichen, erklärte auch Pirmin Bischof (cvp, SO).

Auch die Sonntagszeitung interessierte sich für das Schicksal von Motionen und Postulaten, und zwar für die «Vorstossguillotine» der Abschreibung eines Vorstosses, die fällt, wenn dieser nicht innert zwei Jahren behandelt wird. Die Zeitung rechnete Quotienten aus der Anzahl eingereichter und abgeschriebener Postulate und Motionen von der 45. bis zur 49. Legislatur aus und kam zum Schluss, das die Fraktionen der Polparteien eine grössere Abschreibungsquote hätten als die Mitte-Parteien. 32.7 Prozent der Vorstösse der Grünen wurden nie behandelt, bei der SP betrug dieser Anteil 27.6 Prozent und bei der SVP 27.1 Prozent. Die CVP (22.6%), die BDP (18.9%), die GLP (18.4%) und die FDP (17.2%) hatten hingegen weniger Abschreibungen zu verzeichnen. Die Meinungen zu diesen Zahlen gingen auseinander. Während Jürg Stahl (svp, ZH), der selber eine hohe individuelle Abschreibungsquote verzeichnete, diese als «sinnvollen Selbstreinigungsmechanismus des Parlaments» bezeichnete, fand es Margret Kiener Nellen (sp, BE) «störend, dass Vorstösse der Polparteien häufiger abgeschrieben werden». Alle Anliegen müssten sachlich und nicht parteipolitisch geprüft werden. Ob ein Vorstoss traktandiert wird oder nicht, entscheiden die Büros der beiden Kammern. Zwischen 2003 und 2008 wurde die automatische Abschreibung nach zwei Jahren ausgesetzt, die Büros mussten jeweils begründen, weshalb ein Vorstoss hätte abgeschrieben werden sollen. Allerdings wurde der Automatismus 2008 wieder eingeführt.

Arbeitsbelastung 2017
Dossier: Geschäftsstatistik der Bundesversammlung

Der Kanton Freiburg reichte im Sommer 2016 eine Standesinitiative für eine allgemeine Steueramnestie ein. Mittels der angeregten Gesetzesänderung sollen hinterzogene Vermögenswerte auf einfache Weise nachträglich deklariert werden können. Die Vorteile einer Steueramnestie seien vielfältig: Allen voran profitiere die öffentliche Hand von nicht unerheblichen Mehreinnahmen – bei der letzten Steueramnestie im Kanton Freiburg 1969 waren rund CHF 334 Mio. nachträglich besteuert worden. Zudem würden zahlreiche Bürger mit nicht deklarierten Vermögenswerten aufgrund der Entwicklungen auf internationaler Ebene sowie dem „bröckelnden Bankgeheimnis“ gerne ihre Vermögenswerte regularisieren. Folglich befürworteten der Staatsrat und der Grosse Rat des Kantons Freiburg eine Ausweitung solcher Möglichkeiten, seien in ihren Bestrebungen aber durch ein Urteil des Bundesgerichts gegen eine Steueramnestieregelung des Kantons Tessin zurückgebunden worden. Ein Rechtsgutachten habe zudem gezeigt, dass die Pläne des Kantons Freiburg mit der Bundesverfassung und dem StHG unvereinbar seien. Dies erhoffte sich der Kanton Freiburg mithilfe der Standesinitiative zu ändern.

Sowohl in der WAK-SR als auch anschliessend in der kleinen Kammer fand die Initiative keinen Anklang, da es bereits die Möglichkeit zur einmaligen straflosen Selbstanzeige von Steuersündern gebe. Martin Schmid (fdp, GR) erklärte in der Ständeratsdebatte zudem für die WAK-SR, dass eine Steueramnestie eines grundlegenden Systemwechsels beim Verrechnungssteuerrecht bedürfe. Zudem schade es der Steuermoral, wenn die geschuldeten Steuern nicht vollständig nachgezahlt werden müssten. Als Vertreter des Kantons Freiburg plädierte Beat Vonlanthen (cvp, FR) dennoch für eine Annahme der Initiative. Er wagte sich an heikle ethische Fragen, wie "Ist eine generelle Steueramnestie ethisch vertretbar?". Um solche Fragen diskutieren zu können und folglich eine generelle Steueramnestie nicht grundsätzlich auszuschliessen, bat er den Ständerat, der Initiative Folge zu geben. Vom zweiten Freiburger Vertreter im Ständerat, Christian Levrat (sp, FR), erfuhr Vonlanthen keine Unterstützung: Dieser störte sich daran, dass der Ständerat zwei Stunden zuvor auf eine Revision des Steuerstrafrechts verzichtet hatte, weil in der Schweiz so eine ausserordentlich grosse Fiskalmoral herrsche, jetzt aber dennoch eine Steueramnestie nötig sei. Stattdessen schloss sich Beat Rieder (cvp, VS) dem Freiburger Anliegen mit einem Plädoyer für die Steuerhoheit der Kantone an. Diese sei mit der Harmonisierung der direkten Steuern der Kantone und Gemeinden beschnitten worden, nun müsse man den Mut haben, sie den Kantonen in dieser spezifischen Frage zurückzugeben. Der Ständerat entschied sich jedoch mit 34 zu 7 Stimmen (1 Enthaltung) gegen eine solche Änderung und gab der Initiative keine Folge.

Allgemeine Steueramnestie

In der Herbstsession 2017 beriet der Ständerat als Zweitrat das Bundesgesetz über die Stempelabgaben. Martin Schmid (fdp, GR) im Namen der WAK-SR und Finanzminister Maurer betonten einerseits die Wichtigkeit der Vorlage für den Schweizer und insbesondere den Tessiner Finanzplatz und strichen andererseits die eindeutige Annahme im Erstrat hervor. Diesem Beispiel folgte auch der Ständerat und nahm den Entwurf einstimmig an (43 zu 0). In den Schlussabstimmungen gab es keine Überraschungen mehr, beide Kammern bestätigten ihre vorangegangenen Entscheide einstimmig.

Änderung des Bundesgesetzes über die Stempelabgaben (17.018)
Dossier: Anerkennung bestimmter italienischer Finanzintermediäre als Börsenagenten

Le Conseil national a refusé en septembre 2017 une motion Reimann (udc, SG) intitulée: Autorisation de séjour ou d'établissement. Exclure les allocataires sociaux. Les députées et députés ont suivi l'avis du Conseil fédéral, qui considérait que les modifications apportées en décembre 2016 à la loi sur les étrangers étaient suffisantes pour atteindre les objectifs poursuivis par la motion. L'objet a été refusé par 115 voix contre 68 et 1 abstention.

Autorisation de séjour ou d'établissement. Exclure les allocataires sociaux

Ziemlich überraschend – sogar für seine eigene Partei – gab Didier Burkhalter Mitte Juni 2017 seinen Rücktritt bekannt. Nach acht Jahren im Bundesrat – zwei Jahre als Innen- und sechs Jahre als Aussenminister – und vorher sechs Jahren im Nationalrat habe er das Bedürfnis, etwas anderes zu machen: „J'ai ressenti le besoin de changer de vie”. In den Medien war Burkhalter seit einiger Zeit zwar als etwas amtsmüde dargestellt worden – insbesondere seine häufige Absenz in Bundesbern und der Umstand, dass er lieber von Neuenburg aus arbeite, wurden moniert –, zudem habe er zunehmend den Rückhalt für das Europadossier verloren, der Rücktritt war aber doch nicht erwartet worden. Insbesondere auch, weil er wenige Tage vor einer EU-Standortbestimmung im Bundesrat erfolgte. Der Zeitpunkt des Rücktritts wurde denn auch als äusserst ungünstig bezeichnet, weil die Regierung dadurch aussenpolitisch während Monaten gelähmt sei, so etwa die Reaktion von CVP-Präsident Gerhard Pfister.
Die Bilanz zu Burkhalters Wirken, die in den Medien im Anschluss an die Rücktrittserklärung gezogen wurde, war gemischt. Burkhalter sei ein guter Bundesrat gewesen, „weltoffen und weltfremd zugleich” so etwa die BaZ. Zwar habe Burkhalter auf dem internationalen Parkett brilliert – von praktisch allen Medienbeiträgen erwähnt wurde immer wieder seine Rolle als Vorsitzender der OSZE in der Ukraine-Krise –, in der Innen- bzw. Europapolitik habe er sich aber immer wieder selbst ins Abseits gestellt. Die Erwartungen, die man in ihn gesetzt habe, etwa als Gegenspieler von Christoph Blocher das Rahmenabkommen mit der EU abzuschliessen, habe er nicht erfüllt. Dass das EU-Dossier an einem toten Punkt angelangt sei, sei „le gros point noir de son bilan”, schlussfolgerte die Tribune de Genève. Darüber hinaus habe er sich von seiner Partei immer mehr distanziert. Als Westschweizer Liberaler habe er eine Mitte-Links-Politik priorisiert, was ihm in der Partei angekreidet worden sei, so die NZZ. Als Indiz für das schlechte Verhältnis zwischen Partei und Magistrat wurde der Umstand gedeutet, dass die FDP erst rund zwei Stunden vor der Ankündigung vom Rücktritt in Kenntnis gesetzt worden sei. Vor allem von rechtsbürgerlicher Seite wurde der Vorwurf immer lauter, dass Burkhalter daran schuld sei, dass sich die SVP-FDP-Mehrheit in der Exekutive nicht deutlicher zeige.

Bereits am Tag der Rücktrittsmeldung stellten die Medien Spekulationen bezüglich potenzieller Nachfolger an. Gute Karten habe vor allem Ignazio Cassis, der aktuelle Fraktionspräsident der FDP, da der Anspruch des Kantons Tessin, nach 1999 wieder einen Sitz in der Regierung zu haben, kaum mehr umgangen werden könne und die Westschweiz auch mit nur noch zwei Magistraten adäquat vertreten sei. Werde der Sitz jetzt nicht dem Tessin zugesprochen, würden wohl weitere 10 Jahre vergehen, bis es eine neue Chance gäbe, rechnete Ex-FDP-Präsident Fulvio Pelli vor. Neben Cassis wurden auch dem Tessiner Staatsrat Christian Vitta und der ehemaligen National- und Staatsrätin Laura Sadis sowie Karin Keller-Sutter und Martin Schmid als Vertreterin oder Vertreter der Ostschweiz, die ebenfalls seit längerem Anspruch auf einen Bundesratssitz erhebt, gute Chancen eingeräumt. Die Romandie sei aber nicht zum Vornherein auszuschliessen, weil die Freisinnig-Liberalen in der Westschweiz deutlich auf dem Vormarsch seien. Den verlorenen Sitz werde die französische Schweiz wohl nicht kampflos preisgeben, war in den Medien zu lesen. Aus der Westschweiz fielen denn auch rasch die Namen des Genfer Regierungsrats Pierre Maudet und des Nationalrats Christian Lüscher. Die beiden Waadtländer Staatsräte Jacqueline de Quattro und Pascal Broulis, aber auch Nationalrätin Isabelle Moret und Ständerat Olivier Français wurden trotz ihres Handicaps, wie bereits Guy Parmelin aus dem Kanton Waadt zu stammen, ebenfalls als valable Kandidatinnen und Kandidaten auf das sich drehende Karussell gesetzt. Auch der Name Raphaël Comte wurde für den Kanton Neuenburg ins Spiel gebracht.

Dass die FDP einen Anspruch auf einen zweiten Bundesratssitz hat, war kaum umstritten. Die Parteileitung machte rasch klar, dass es sich beim Nachfolger von Burkhalter um einen „Lateiner” handeln soll – ob Tessiner oder Romand liess man bewusst offen. Die FDP-Frauen, die seit 1989 keine Vertretung mehr in der Landesregierung gehabt hatten, forderten per Kommuniqué bei dieser oder spätestens der nächsten Vakanz eine Bundesrätin. Auch die Grünen verlangten, dass die FDP eine Frau portiere. Die SVP forderte einen Kandidaten mit klar bürgerlichem Profil. Die Mitte-Rechts-Mehrheit müsse jetzt endlich auch im Bundesrat durchgesetzt werden. Die FDP machte früh deutlich, dass man sicher kein Einerticket präsentieren wolle. Bis Mitte August hatten die Kantonalsektionen Zeit, Vorschläge zu machen. Die Fraktion wollte sich dann Anfang September entscheiden.

Die Tessiner Kantonalsektion portierte – nach langer Diskussion, ob man ein Einer- oder ein Zweierticket präsentieren wolle – am 1. August einzig Ignazio Cassis. Sowohl Sadis als auch Vitta sagten Cassis ihre Unterstützung zu. Obwohl Sadis sowohl die Ansprüche aus dem Tessin, als auch der Frauenvertretung hätte erfüllen können, wurde sie nicht berücksichtigt. Vor allem ihre (zu) lange Absenz von der (nationalen) Politik dürfte hierfür mitentscheidend gewesen sein. Mit nur einem Kandidaten aus dem Tessin würde zudem das Risiko von Stimmenaufteilung minimiert, so die kantonale Parteileitung. Das Einerticket wurde auch als Referenz an die Romandie interpretiert; der Weg sei jetzt offen, um eine Frau aus der Romandie zu portieren. Die Frauenfrage wurde auch deshalb noch virulenter, weil Doris Leuthard ebenfalls am 1. August ihren Rücktritt ankündigte. Als Kandidatinnen aus der Romandie gerieten insbesondere Isabelle Moret und Jacqueline de Quattro in den Fokus. Der zweite offizielle Kandidat war dann allerdings doch wieder ein Mann: Am 8. August wurde Pierre Maudet von der Genfer Kantonalsektion einstimmig auf den Schild gehoben. Der Genfer Regierungsrat rechnete sich zwar nur geringe Chancen aus, wollte aber mit Jugend, Modernität und Urbanität punkten. Der zweite, lange ebenfalls als Kandidat gehandelte Genfer, Christian Lüscher, hatte sich kurz zuvor aus persönlichen Gründen selber aus dem Rennen genommen und eine Lanze für seinen jüngeren Genfer Parteikollegen gebrochen. Komplizierter gestaltete sich die offizielle Nominierung der dritten potenziellen Kandidatin. In der Presse wurde ein parteiinterner Zwist über und zwischen den drei Papabili der FDP-Sektion Waadt vermutet. Jacqueline de Quattro und Olivier Français zogen sich dann allerdings zurück, um den Platz für Isabelle Moret frei zu machen, die sich zwar erst spät – und später als die beide anderen – für eine Kandidatur entschieden hatte, am 10. August von ihrer Kantonalsektion aber als einzige Kandidatin aufgestellt wurde.

Nach Ablauf der Meldefrist standen also drei Kandidierende aus drei Kantonen fest. Sofort gingen die Spekulationen los, ob die FDP ein Zweierticket oder ein Dreierticket aufstellen würde. Dabei schien klar, dass Cassis gesetzt war, folglich entweder nur gegen Moret oder aber gegen Moret und Maudet antreten würde. Der Umstand, dass Moret zwar aus dem Kanton Waadt kommt, die FDP aber nicht auf eine mögliche Frauenvertretung verzichten konnte, sowie der umtriebige „Wahlkampf” von Maudet – der Blick sprach von schlechten Karten, die der Genfer aber brillant spiele – waren wohl die Hauptgründe für das Dreierticket, das die FDP-Fraktion offiziell am 1. September aufstellte. Das „tricket” (LT), das in der Fraktion knapp mit 22 zu 19 Stimmen beschlossen worden sei, stosse niemanden vor den Kopf, sei aber auch der Weg des geringsten Widerstands (NZZ) und ein klarer Etappensieg für Maudet (BaZ). Das Dreierticket wurde auch als gute Kunde für den Favoriten Cassis gewertet, dessen Chancen sich dadurch noch weiter erhöhten, weil sich die Stimmen seiner Gegner aufteilen dürften.

Die Kandidatin und die beiden Kandidaten wurden in der Presse unterschiedlich porträtiert. Cassis galt von Anfang an als eigentlicher Kronfavorit. Einziges Manko des in Bundesbern bestens vernetzten Tessiner Arztes sei seine mit der Präsidentschaft beim Krankenkassenverband Curafutura verbundene Nähe zu den Krankenkassen. Insbesondere der Lega, aber auch der SP, war dieses Amt von „Krankencassis” (SGT, So-Bli, TA, WW) ein Dorn im Auge. Ausführlich diskutiert wurde zudem die politische Position des Tessiners. Das Parlamentarierrating der NZZ zeigte, dass er seit seinem Amtsantritt als Fraktionspräsident der FDP vom linken Rand der Partei leicht in die Mitte gerückt war. Insbesondere die SVP betrachtete Cassis freilich als den ihr am nächsten stehenden der drei Kandidierenden. Letztlich gab es aber kaum etwas, was die „occasione d'oro per il Ticino” (CdT) behindert hätte. Die zahlreichen giftigen Angriffe auf die Gesundheitspolitik von Cassis konnten ihm scheinbar nichts anhaben. Auch seine doppelte Nationalität bzw. der Umstand, dass er seinen italienischen Pass abgab und damit zwar Applaus von rechts, aber auch Kritik von links erhielt und eher unfreiwillig eine Debatte um die doppelte Nationalität von Mitgliedern von Bundesbehörden lancierte – diskutiert wurde sogar die Frage, ob man als Doppelbürger loyal sein könne –, schadete dem Südschweizer nicht.
Der grosse Trumpf von Isabelle Moret sei, dass sie eine Frau sei, war den Medien zu vernehmen. Die dezidiert bürgerlich politisierende 46-Jährige spreche drei Landessprachen fliessend, sei gut vernetzt, in den über 10 Jahren im Nationalrat aber kaum aufgefallen. Dies beinhalte immerhin auch, dass sie bisher keine Fehler gemacht habe (TA). Moret selber betonte von Anfang an, dass „Frausein” kein politisches Argument sei. Sie wolle lieber mit ihrer Dynamik punkten und frischen Wind ins Europadossier bringen. Sie betonte allerdings auch, dass sie die erste Mutter mit Schulkindern in der Exekutive wäre. Allerdings hinterliess die Anwältin laut verschiedenen Medien in ihrem Wahlkampf keinen überzeugenden Eindruck (WW), wurde von vielen Seiten angegriffen und wirkte ab und zu nicht wirklich souverän (NZZ). Ihr Wahlkampf sei „ungenügend” (SGT) und „harzig” (AZ) und wurde gar als chaotisch bezeichnet (24 Heures).
Pierre Maudet, 39 Jahre alt, wurde als politisches Naturtalent beschrieben. Der forsche und ambitionierte Regierungsrat habe sich innert kurzer Zeit vom Stadtpräsidenten zum Aushängeschild der Kantonsregierung entwickelt, was ihm auch Vergleiche mit dem französischen Präsidenten Emmanuel Macron einbringe (AZ). Sein Nachteil sei allerdings die schwache Vernetzung in Bundesbern. In der Regel würden die Bundesparlamentarierinnen und -parlamentarier einen Bundesrat oder eine Bundesrätin aus den eigenen Reihen vorziehen. Sein Wahlkampf wurde hingegen als exzellent bezeichnet (Blick). Maudet sei vor allem in der Deutschschweiz unterschätzt worden, was das Beste sei, was einem Politiker passieren könne (TA). Vor allem inhaltlich konnte Maudet mit verschiedenen originellen Positionen überzeugen: Er spreche als einziger wirklich „Klartext” (BaZ), gelte in der Europafrage aber als EU-Turbo (WW), was ihn bei der Ratsrechten wohl Stimmen kosten werde.

Die „Kampagne” vor den Bundesratswahlen – eigentlich ein Unding, wenn man bedenkt, dass der Bundesrat von der Vereinigten Bundesversammlung und nicht von der Bevölkerung gewählt wird – nahm ein Ausmass an, das angesichts der Ausgangslage erstaunte. Da die Bundesratswahlen eine in der Schweizer Politik eher seltene Chance für eine Personalisierung der Politik bieten, liefen die Medien auf Hochtouren. In der APS-Zeitungsdokumentation finden sich von Burkhalters Rücktrittsankündigung Mitte Juni bis Ende September mehr als 800 Zeitungsartikel zum Thema Bundesratswahlen. Die FDP selber trug freilich mit geschicktem Politmarketing das Ihre dazu bei, dass die Berichterstattung am Kochen blieb. Mit einer FDP-Roadshow tingelten die Kandidierenden durch die Schweiz. Zahlreiche Homestories, Lifechats, Bevölkerungsbefragungen und gar graphologische Gutachten fanden den Weg in die Presse. Inhaltlich ging es letztlich primär um die Frage, ob die Vertretung der Sprachregion oder die Vertretung der Frauen höher gewichtet werden soll. Oder mit anderen Worten: ob die 20 Jahre Bundesrat ohne Tessiner oder die 30 Jahre ohne FDP-Frau beendet werden sollten. Wirklich inhaltliche Diskussionen wurden hingegen kaum geführt, auch wenn die Aussen- bzw. Europapolitik bzw. der Reset-Knopf, den Cassis in den Verhandlungen mit der EU zu drücken angekündigt hatte, sich angeboten hätten.

Nach der offiziellen Bekanntgabe des Dreiertickets standen am 12. und am 19. September die Hearings auf dem Programm, womit auch die anderen Parteien wieder stärker in den medialen Fokus gerieten. Den Auftakt machte die SVP, deren Parteipräsident Albert Rösti die beiden Romand.e.s stark kritisierte und sich früh für Cassis aussprach. Wichtigstes Kriterium für die Volkspartei sei die Haltung zum Rahmenabkommen mit der EU. Allerdings wurde gemutmasst, dass die Bauern in der SVP-Fraktion wohl eher auf Moret setzen würden, da diese mehr Sympathien für die Anliegen der Landwirtschaft gezeigt habe. Unzufrieden mit dem Dreierticket zeigte sich die SP: „Zwei Super-Lobbyisten und ein Hardliner in der Aussenpolitik” weckten keine Begeisterung (SP-Fraktionspräsident Roger Nordmann in der BZ). Inhaltliche Kriterien stellten die Genossen aber – wie auch die CVP und die GP – nicht auf. Der CVP-Parteipräsident Gerhard Pfister hatte sich allerdings ebenfalls schon früh für die Ansprüche des Tessins, also für Cassis, ausgesprochen. Dieser sei allerdings für einige CVP-Mitglieder zu weit rechts, mutmasste die Zeitung LeTemps. Nach den Hearings zeigten sich die Parteien zwar noch bedeckt – mit Ausnahme der SVP, die demonstrativ für Cassis Stellung bezog –, die Favoritenrolle des Tessiner Kandidaten schien sich allerdings noch einmal verstärkt zu haben. Maudet schien hingegen eher nicht auf Wohlwollen gestossen zu sein. Die SP und die CVP konnten sich nicht auf einen der drei Kandidierenden einigen und gaben entsprechend keine Wahlempfehlung ab – anders als die FDP- und die GLP-Fraktion, die alle drei Kandidierenden empfahlen, die SVP-Fraktion, die sich für Cassis aussprach, die GP-Fraktion, die Moret empfahl, und die BDP-Fraktion, die Maudet auf den Schild hob.

Kurz vor der Ersatzwahl bilanzierte die WOZ die vorherrschende Meinung, dass sich grundsätzlich keine Überraschung abzeichne: Die Bundesratswahlen hätten bisher viel Tamtam, aber nur wenig Spannung verheissen. Mit der Diskussion verschiedener Szenarios versuchten die Medien dieser Spannungslosigkeit entgegenzuwirken. Drei Möglichkeiten, Cassis zu verhindern, seien denkbar: Isabelle Moret könne dank ihrem Frauenbonus und der Unterstützung aller Bauernvertreter sowie mit Hilfe der Stimmen all jener Parlamentarierinnen und Parlamentarier, welche die Frauenfrage möglichst rasch klären wollten, gewinnen; ein Sieg von Pierre Maudet wäre dann möglich, wenn sich die Mehrheit der Bundesversammlung von seinen Fähigkeiten überzeugen liesse. Dies sei durchaus möglich, wenn es ab dem dritten Wahlgang zu einem Zweikampf zwischen Cassis und Maudet kommen würde. Ins Spiel gebracht wurde mit Laura Sadis auch eine Sprengkandidatin, die vor allem bei der Linken auf Unterstützung zählen könnte. Roger Nordmann gab zu Protokoll, dass die Tessinerin in der Tat die Synthese der drei aktuell Kandidierenden gewesen wäre: „Elle a une expérience d’exécutif, elle est italophone et elle a la capacité d’être une femme” (LT). Die Lust der SP auf Experimente halte sich allerdings in Grenzen.

Die Ersatzwahl am 20. September war schliesslich noch weniger spannend, als von den zahlreichen Medien vor Ort befürchtet worden war. Schon im zweiten Wahlgang wurde Ignazio Cassis zum 87. Bundesrat gewählt und zum Nachfolger von Didier Burkhalter gekürt. Der achte Bundesrat aus dem Kanton Tessin hatte bereits im ersten Wahlgang 109 Stimmen erhalten, damit allerdings das absolute mehr von 122 Stimmen verfehlt. Weil die Basler Nationalrätin Sibel Arslan (basta, BS) im ersten Durchgang fehlte, waren lediglich 245 Wahlzettel eingegangen. Die Baslerin erklärte ihr Fernbleiben als stillen Protest gegen den Rücktritt von Bundesrat Burkhalter, dessen Abschiedsrede sie bewegt habe. Wie erwartet splitteten sich die Stimmen für Maudet (62 Stimmen) und Moret (55 Stimmen) auf. Diverse erhielten 16 Stimmen und drei Stimmzettel waren leer geblieben. Weil von den Diversen niemand zehn Stimmen erreicht hatte, wurden keine Namen genannt. Ob also beispielsweise Laura Sadis im Rennen war oder nicht, wird das Geheimnis des Stimmbüros bleiben. Im zweiten Umgang fielen zahlreiche Stimmen für Moret auf Cassis. Die 125 Stimmen reichten dem Tessiner knapp für die absolute Mehrheit. Maudet konnte zwar noch einmal zulegen und erhielt 90 Stimmen, dies reichte allerdings nicht für einen dritten Wahlgang. Moret ihrerseits erhielt lediglich noch 28 Stimmen. Eine Stimme entfiel auf Diverse und zwei Stimmzettel blieben erneut leer – wahrscheinlich stammten sie von den beiden Lega-Parlamentariern, die zwar für eine Tessiner Vertretung waren, nicht aber für Cassis stimmen wollten.
In den Medien wurde gemutmasst, dass vor allem die Stimmen der SVP entscheidend gewesen seien, von denen im ersten Durchgang vereinzelte noch an Moret gegangen, dann aber geschlossen für Cassis eingelegt worden seien. Weil Moret im ersten Wahlgang auch von ihrer eigenen Partei zu wenig Unterstützung erhalten habe, hätte die SP im zweiten Wahlgang umgeschwenkt und ziemlich geschlossen für Maudet gestimmt, um die Wahl von Cassis zu verhindern. Den Namen Moret hätten lediglich noch die Grünen sowie einige Ratsmitglieder aus der BDP, der CVP, der GLP und der SVP auf den Wahlzettel geschrieben.

Cassis erklärte die Annahme der Wahl und bedankte sich bei allen Ratsmitgliedern, auch bei denen, die ihm die Stimme verwehrt hätten. Man könne anderer Meinung sein, letztlich würden aber alle die gleichen übergeordneten Ziele für die Schweiz anstreben. Freiheit sei auch immer die Freiheit der anders Denkenden, zitierte er Rosa Luxemburg, womit er vor allem die Ratslinke überraschte und sichtlich erfreute. Er verspreche vor allem seiner Frau, der Gleiche zu bleiben wie vor der Wahl. Er fühle sich vor allem der Kollegialität verpflichtet und werde als Brückenbauer die ganze Schweiz vertreten. Bereits um 9.30 nahm die Sitzung mit der Vereidigung des neuen Bundesratsmitglieds ihr Ende.

Die Regionen- und Sprachenfrage sei letztlich stärker gewichtet worden als die Frauenfrage, so die Bilanz in den Medien am Tag nach der Wahl. „E la Svizzera è più svizzera”, die Schweiz sei wieder ein bisschen mehr Schweiz, titelte der Corriere del Ticino. Die Wahl von Cassis sei keine Überraschung und Maudet habe eine ehrenvolle Niederlage eingefahren, so die ziemlich einhellige Meinung in den Deutsch- und Westschweizer Medien. Vor wenigen Wochen hätte niemand in Bundesbern den Genfer gekannt und jetzt habe er 90 Stimmen erhalten. Allerdings zeige seine Nichtwahl auch die Schwierigkeiten für einen Kandidierenden, der nicht der Bundesversammlung angehört. Für Moret hingegen, sowie für die Vertretung der Frauen im Bundesrat im Allgemeinen, sei der Ausgang der Wahlen eine Schmach. Verschiedene Politikerinnen kritisierten, dass das Beispiel Moret gezeigt habe, dass an Frauen wesentlich höhere Massstäbe gesetzt würden als an Männer. Die SP habe Cassis nicht verhindern können und müsse sich nun Vorwürfe gefallen lassen, weshalb sie auf Maudet gesetzt und so die Vertretung der Frauen hintergangen habe. Die SP wies die Kritik allerdings an die FDP zurück: Wäre Laura Sadis portiert worden, hätte die SP sie unterstützt. Während sich die Rechte auf einen Mitte-Rechts-Bundesrat freute – Cassis wisse, wem er seine Wahl zu verdanken habe, liess sich SVP-Präsident Rösti nach der Wahl zitieren –, winkte die Linke ab: Es müssten auch im neuen Gremium nach wie vor unterschiedliche Koalitionen geschmiedet werden, so etwa SP-Parteipräsident Christian Levrat. Die WOZ befürchtete allerdings eine Zunahme der Polarisierung. Mit der Wahl von Cassis sei die Kirche aber wieder im Dorf und die Sprachenfrage für eine Weile geregelt. Jetzt müssten die Regionen wieder besser vertreten werden – so der Tenor vor allem aus der Ostschweiz. Verschiedene Politikerinnen forderten zudem eine adäquatere Vertretung von Frauen. Die Idee einer parlamentarischen Initiative, mit der eine angemessene Frauenvertretung in der Verfassung festgeschrieben werden soll, verdichtete sich. Die FDP-Frauen forderten zudem bei der nächsten FDP-Vakanz ein Frauen-Zweierticket.

Über die nach der Ersatzwahl anstehende Departementsverteilung war bereits früh spekuliert worden. Insbesondere Alain Berset waren Ambitionen auf das frei gewordene EDA nachgesagt worden. Allerdings hätte der Departementswechsel von Berset einen unangenehmen Beigeschmack gehabt, weil kurz nach der Departementsverteilung die Abstimmung zur Altersreform 2020 anstand, für die Berset mit Herzblut geworben hatte. Der Wechsel ins Aussendepartement hätte von der Stimmbevölkerung als Flucht interpretiert werden können. Der Bundesrat solle deshalb mit der Departementsverteilung warten, forderte der ehemalige SVP-Präsident Toni Brunner (svp, SG) kurz vor den Bundesratswahlen in der Presse. Wenn nämlich die AHV-Vorlage verloren ginge, wäre Berset nicht mehr der richtige Innenminister. Ende September kam es dann aber schliesslich zur mehrheitlich erwarteten Departementsverteilung. Das freie EDA wurde vom neuen Kollegiumsmitglied Ignazio Cassis übernommen. Er setzte damit eine eigentliche Tradition fort, da Tessiner Bundesräte sehr häufig als Aussenminister amteten. Die Italianità und seine Vielsprachigkeit dürften Vorteile des neuen EDA-Chefs sein. Mit ein Grund dafür, dass sonst alles beim Alten blieb, dürfte auch die im Vorfeld der Bundesratswahl gemachte Aussage von Cassis gewesen sein, dass es vielleicht nicht gut sei, wenn er mit seinen Verbindungen das Innendepartement übernehmen würde. Cassis werde als Aussenminister „der bessere Burkhalter” sein, weil er mehr Verständnis für die Deutschschweiz habe, besser kommuniziere und mehr Kampfgeist habe, urteilte der Tages-Anzeiger. Auf ihn wartet nun das komplexe Europadossier – und zahlreiche Erwartungen von links bis rechts.

Bundesratsersatzwahl 2017 – Nachfolge Didier Burkhalter
Dossier: Bundesratswahlen seit 2008