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  • Roduit, Benjamin (mitte/centre, VS) CN/NR
  • Feri, Yvonne (sp/ps, AG) NR/CN

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Mit einer Motion hatte Benjamin Roduit (mitte, VS) im Frühling 2021 verlangt, dass die Regeln der französischen Sprache in allen Dokumenten der Bundesverwaltung eingehalten werde, statt dass diese im Zuge einer inklusiven oder geschlechtergerechten Sprache aufgegeben werde. Nachdem der Nationalrat das Anliegen in der Sommersession 2022 angenommen hatte, befand der Ständerat in der Wintersession 2022 darüber. Kommissionssprecherin Lisa Mazzone (gp, GE) erklärte, dass sich die SPK-SR mit 5 zu 1 Stimme (bei 5 Enthaltungen) gegen die Vorlage ausgesprochen habe, da es bereits entsprechende Weisungen von der Bundeskanzlei gebe. So werde etwa in einem Dokument explizit erwähnt, dass alternative Schreibweisen, wie etwa die Verwendung des Gendersternchens, nicht gestattet seien. Ausserdem komme die Bundeskanzlei ihrer Prüffunktion nach, etwa indem sie das Amtliche Bulletin vor der Veröffentlichung diesbezüglich kontrolliere. Da es keinen Gegenantrag gab, lehnte der Ständerat die Motion in der Folge stillschweigend ab.

Die Beachtung der Regeln der französischen Sprache ist wichtiger als Ideologie (Mo. 21.3143)

In der Wintersession setzte sich der Nationalrat als Erstrat mit der vom Gewerkschaftsbund lancierten Volksinitiative «Für ein besseres Leben im Alter (Initiative für eine 13. AHV-Rente)» auseinander. An der ausführlichen allgemeinen Aussprache mit 114 Wortmeldungen beteiligten sich zahlreiche Personen aus allen Fraktionen. Zu Beginn präsentierten Céline Amaudruz (svp, GE) und Andri Silberschmidt (fdp, ZH) die Initiative und legten die Position der Kommissionsmehrheit dar. Sie betonten, dass die AHV ihr in der Verfassung definiertes Ziel für die Mehrheit aller Rentnerinnen und Rentner gut erfülle und dass für diejenigen 12.5 Prozent, für welche die AHV eben nicht ausreiche, die Ergänzungsleistungen geschaffen worden seien. Insgesamt sei das Drei-Säulen-System der Altersvorsorge sehr leistungsstark, betonte etwa Silberschmidt. Die Initiative wolle nun aber nicht nur die Situation der bedürftigen Personen – die es durchaus gebe – verbessern, sondern allen per «Giesskannenprinzip» eine Rentenerhöhung von 8.3 Prozent gewähren. Im Jahr 2032 zum Beispiel würde dies zu Mehrausgaben von fast CHF 5 Mrd. führen, ergänzte Amaudruz. Die für eine Finanzierung nötige Erhöhung der Mehrwertsteuer um 1.1 Prozentpunkte oder der Lohnabzüge um 0.8 Prozentpunkte lehne die Kommissionsmehrheit ebenfalls ab. Schliesslich benachteilige die Initiative Personen mit einer IV- oder Hinterlassenenrente, zumal gemäss Initiativtext nur die Beziehenden einer AHV-Altersrente eine dreizehnte Rente erhalten sollten.
Diese Meinung teilten in der Folge zahlreiche Sprechende der SVP-, der FDP- und der Mitte-Fraktion. Sie lehnten zudem einen Gegenvorschlag, den Mitglieder der SP- und der Grünen-Fraktion in der Debatte mehrfach forderten, ab. Stattdessen verwiesen sie unter anderem auf eigene Projekte zur Reform der AHV, etwa auf die Renteninitiative der Jungfreisinnigen oder auf Bemühungen der Mitte-Fraktion «[pour abolir] les désavantages d'être marié» (Benjamin Roduit; mitte, VS), also zur Abschaffung der Benachteiligung der Verheirateten (bei den Steuern und den Renten). Etwas wohlgesinnter zeigten sich die Grünliberalen gegenüber der Initiative. Man lehne zwar eine Rentenerhöhung für die reichsten Haushalte ab, würde eine solche aber für die «ärmsten und ärmeren 30 bis 40 Prozent [der] Rentenhaushalte» befürworten (Melanie Mettler; glp, BE). Ihren Vorschlag für eine entsprechende Kommissionsinitiative habe die bürgerliche Mehrheit in der Kommission jedoch abgelehnt.

Somit erhielt die Volksinitiative nur aus Kreisen der SP und der Grünen Unterstützung. SGB-Präsident Maillard (sp, VD) begründete seinen Minderheitsantrag auf eine Empfehlung zur Annahme der Initiative: Er lobte die Solidarität, die man vor 75 Jahren mit der Schaffung der AHV gestärkt habe. Heute könne aber das Versprechen von damals aufgrund steigender Kosten und sinkender BVG-Renten – bei gleichem Kapital seien die Pensionskassenrenten heute 20 Prozent weniger wert als vor 15 Jahren – nicht mehr eingehalten werden. Folglich seien Massnahmen nötig; wenn nicht durch eine 13. AHV-Rente, dann solle das Parlament in einem Gegenvorschlag alternative Massnahmen vorschlagen, forderte er. Zahlreiche Sprechende der SP- und der Grünen-Fraktion ergänzten die Argumentation Maillards. So sei die Initiative gerade für Frauen, die im Schnitt eine um ein Drittel tiefere Altersrente hätten als Männer, zentral; zudem sei das «Umlageverfahren [...] am effektivsten, billigsten und fairsten» (Prelicz-Huber; gp, ZH), wurde argumentiert. Nicht gespart wurde von links-grüner Seite denn auch an Kritik an der beruflichen Vorsorge sowie an der neuen BVG-21-Reform, welche CHF 3 Mrd. koste und durch welche die Versicherten höhere Beiträge für tiefere Renten bezahlen müssten als bisher. Folglich seien die zusätzlichen Ausgaben für die AHV im Rahmen dieser Initiative sinnvoller, dadurch erhielten die Rentnerinnen und Rentner auch tatsächlich höhere Renten. Zur Finanzierung könne man daher zum Beispiel auch die «0.8 Prozent [an Lohnprozenten], die es für die Initiative braucht, vom BVG in die AHV hinüberschieben», schlug etwa Jacqueline Badran (sp, ZH) vor.

Abschliessend empfahl Gesundheitsminister Berset die Initiative im Namen des Bundesrates zur Ablehnung. Zwar müsse man eine Lösung für die gesunkenen BVG-Renten finden, dies solle aber nicht mit der vorgeschlagenen Initiative geschehen, da der dafür nötige finanzielle Spielraum in der AHV fehle. Mit 123 zu 67 Stimmen sprach sich der Nationalrat in der Folge für den Mehrheitsantrag aus und empfahl die Initiative den Stimmbürgerinnen und Stimmbürgern zur Ablehnung. Entsprechend der Wortmeldungen stimmten die Mitglieder der SP- und der Grünen-Fraktion geschlossen für den Minderheitsantrag, die übrigen Fraktionen geschlossen für den Mehrheitsantrag.

Eidgenössische Volksinitiative «für ein besseres Leben im Alter (Initiative für eine 13. AHV-Rente)» (BRG 22.043)
Dossier: Volksinitiativen zur Altersvorsorge (seit 2015)

Ende Oktober 2022 kündigte das EDA eine Auslandreise von Bundespräsident Cassis nach Rumänien an, in deren Rahmen er sich mit dem rumänischen Präsidenten Klaus Werner Iohannis, Premierminister Nicolae Ciuca und mehreren Parlamentsmitgliedern hätte treffen sollen. Dieser für Anfang November vorgesehene Besuch wurde kurz darauf jedoch aus terminlichen Gründen auf Dezember verlegt. Erst am 12. Dezember reiste Cassis begleitet von den Nationalrätinnen und Nationalräten Roduit (mitte, VS), Page (svp, FR), Walder (gp, GE) und Weber (glp, VD) – allesamt Mitglieder der parlamentarischen Freundschaftsgruppe Schweiz-Rumänien – nach Bukarest. Die beiden Delegationen tauschten sich über den Krieg in der Ukraine, die Beziehungen zwischen der Schweiz und der EU und die verstärkte Partnerschaft mit Rumänien durch den zweiten Schweizer Beitrag im Rahmen der Kohäsionszahlung aus. Gemeinsam mit dem rumänischen Finanzminister Adrian Câciu unterzeichnete Cassis anschliessend das Abkommen über die Umsetzung des zweiten Schweizer Beitrags.

Reise von Bundespräsident Cassis nach Rumänien
Dossier: Staatsbesuche im Ausland 2022

2. November 2022: Der Rücktritt von Simonetta Sommaruga

Am 25. Oktober, also kurz nachdem die fünf Kandidierenden der SVP offizialisiert waren, gab Simonetta Sommaruga via den Departementssprechenden bekannt, dass sie ihre Regierungstätigkeit temporär unterbrechen müsse, da ihr Ehemann Lukas Hartmann hospitalisiert worden sei. Dies war dann auch die Ursache für die wenige Tage später sehr überraschend erfolgende Rücktrittsankündigung der amtierenden Energie- und Verkehrsministerin: Am 2. November gab Simonetta Sommaruga ihren auch für sie persönlich abrupten Rücktritt auf Ende Jahr bekannt, weil der Hirnschlag ihres Mannes für sie ein schwerer Schock gewesen sei und gezeigt habe, dass sie die Schwerpunkte in ihrem Leben anders setzen wolle. Den Tränen nahe beteuerte die Bernerin, dass sie gerne Bundesrätin gewesen sei und eigentlich geplant habe, dies auch noch eine Weile zu bleiben. So ein Schicksalsschlag stimme aber nachdenklich und verschiebe die Prioritäten. Die 2010 in den Bundesrat gewählte Simonetta Sommaruga war zuerst Justizministerin bevor sie 2019 das UVEK übernommen hatte.

In den Medien wurde die SP-Magistratin als populäre Bundesrätin gewürdigt, die allerdings häufig Abstimmungsniederlagen in Kauf habe nehmen müssen (Le Temps) – die Schlimmste darunter sei wohl das Ja zur Masseneinwanderungsinitiative der SVP gewesen. Im Zentrum ihrer Arbeit hätten stets die Menschen gestanden, urteilte der Blick. Die NZZ bezeichnete sie als «clever» und «beharrlich» mit einem «Hang zur Perfektion», der ihre Auftritte auch «angestrengt und belehrend» habe wirken lassen. Sie habe aber für eine SP-Bundesrätin auch dank «stoischer Beharrlichkeit» letztlich überraschend viele Vorlagen durch das Parlament gebracht. Die Aargauer Zeitung würdigte Simonetta Sommaruga als «Mensch gewordenes Verantwortungsgefühl», als «Bundesrätin, die niemals die Kontrolle verlieren will». Alle ausser der SVP hätten sie geliebt, titelte La Liberté. Die WoZ erinnerte angesichts der Betroffenheit, die Simonetta Sommaruga bei ihrer Rücktrittsmedienkonferenz ausgelöst hatte, daran, dass die Magistratin seit ihrer Wahl in den Bundesrat immer wieder von Teilen der Medien und der SVP angegriffen worden sei: «An der Bernerin offenbarte sich die Verunsicherung rechter Männer vor linken, machtbewussten Frauen», so die WoZ. In der Tat warf etwa Roger Köppel (svp, ZH) der Magistratin nach ihrem auch für den Bundesrat und ihre Partei überraschenden Rücktritt in der Weltwoche Parteikalkül und «Flucht» vor, weil sie schon lange «ermattet und ermüdet» sei. Dies stiess in vielen Medien freilich auf Kritik, da der Entscheid private Gründe habe und Respekt verdiene, so etwa der Tages-Anzeiger. Allerdings kommentierte die NZZ, dass der Rücktritt zwar verständlich sei, in Anbetracht der schwierigen Lage hinsichtlich Energieversorgung aber zur Unzeit komme. Ihre Nachfolgerin oder ihr Nachfolger müsse nun innert kürzester Zeit «eine der schwersten Krisen für die Schweiz seit Jahrzehnten» meistern.

Auch bei der SP begann das von den Medien in Schwung gehaltene Kandidierendenkarussell noch am Tag der Demission von Simonetta Sommaruga zu drehen. Daran beteiligte sich freilich auch aktiv die Parteispitze, die unmittelbar ankündigte, dass die SP ein reines Frauenticket präsentieren werde, wobei egal sei, aus welcher Sprachregion die Kandidatinnen stammten. Da die SP mit Alain Berset bereits einen Mann in der Bundesregierung habe und den Grundsatz der Geschlechterparität pflegen wolle, sei ein reines Frauenticket angezeigt, so die Begründung des SP-Co-Präsidiums aus Mattea Meyer (sp, ZH) und Cédric Wermuth (sp, AG). In den Medien wurden entsprechend schnell Favoritinnen ernannt: Sehr häufig fielen dabei die Namen der Ständerätin Eva Herzog (sp, BL), der Nationalrätinnen Flavia Wasserfallen (sp, BE) und Nadine Masshardt (sp, BE) sowie der Regierungsrätinnen Jacqueline Fehr (ZH, sp) oder Evi Allemann (BE, sp). Obwohl sich vor allem die Westschweizer Medien nur geringe Chancen für eine Kandidatur aus der Westschweiz ausrechneten (beispielsweise Le Temps), da in diesem Fall vier nicht deutschsprachige Personen im Bundesrat sitzen würden – zwei davon für die SP –, fielen auch die Namen der Regierungsrätinnen Rebecca Ruiz (VD, sp) und Nuria Gorrite (VD, sp) sowie der Ständerätinnen Marina Carobbio (sp, TI) und Elisabeth Baume-Schneider (sp, JU). Co-Präsidentin Mattea Meyer (sp, ZH) gab hingegen sofort bekannt, nicht zur Verfügung zu stehen.

Die in den Medien als vorschnell kritisierte Ankündigung der Parteispitze, ein reines Frauenticket präsentieren zu wollen, gab Raum für weitere Spekulationen. Ständerat Daniel Jositsch (sp, ZH) etwa wurden laut Medien schon lange Bundesratsambitionen nachgesagt. Diese würden freilich stark geschmälert, wenn eine Deutschschweizer SP-Frau Simonetta Sommaruga beerben würde, weil für eine allfällige spätere Nachfolge von Alain Berset dann wohl Westschweizer Männer im Vordergrund stehen würden. Auch Regierungsrat Beat Jans (BS, sp) und die Nationalräte Matthias Aebischer (sp, BE) oder Jon Pult (sp, GR) dürften ob der Ankündigung «frustriert» sein, mutmasste La Liberté. Für den Westschweizer Nationalrat Pierre-Yves Maillard (sp, VD) sei der Fokus auf eine (Deutschschweizer) Frau hingegen eine gute Nachricht, mutmasste der Tages-Anzeiger wiederum im Hinblick auf eine Nachfolge von Alain Berset. Zu den eigentlichen Verliererinnen der SP-Strategie gehörten neben den Deutschschweizer Männern aber auch die Westschweizer Frauen, die sich eine Kandidatur eher zweimal überlegen dürften, analysierte 24Heures. Einerseits seien die Chancen gering, dass das Parlament eine vierte romanischsprachige Person in den Bundesrat wähle, und andererseits werde wohl bei einem Rücktritt von Alain Berset dann lediglich ein Männerticket aufgestellt.

Der SP blieben für die Kandidierendensuche nur wenige Tage. Sie setzte sich als Meldeschluss den 21. November, damit die Fraktion am 26. November ein Zweierticket nominieren konnte. Der Rücktritt Simonetta Sommarugas habe die Partei auf dem falschen Fuss erwischt, beurteilte der Blick die kurze Zeitspanne. Bevor sich die ersten Kandidierenden meldeten, kam es wie zuvor schon bei der SVP auch bei der SP zu einer Reihe von medial mehr oder weniger stark begleiteten Absagen. Ausser Mattea Meyer verzichteten neben den genannten Favoritinnen Jacqueline Fehr, Nadine Masshart, Rebecca Ruiz, Nuria Gorrite und Marina Carobbio auch die Nationalrätinnen Priska Seiler Graf (sp, ZH), Barbara Gysi (sp, SG), Edith Graf-Litscher (sp, TG), Yvonne Feri (sp, AG) und die Zürcher Stadtpräsidentin Corine Mauch (ZH, sp) mit offiziellen Presseauftritten auf eine Kandidatur. Nach kurzer Bedenkzeit und grosser medialer Aufmerksamkeit verzichtete auch die ehemalige Aargauer Ständerätin Pascale Bruderer (AG, sp) auf eine Kandidatur. Sie war gar mittels Petition von mehreren Personen zu einer Kandidatur aufgefordert worden. Das habe sie sehr berührt, eine Rückkehr in die Politik sei aber für sie kein Thema. Auch die Absage von Flavia Wasserfallen war den Medien mehr als eine Kurzmeldung wert. Wie Esther Friedli (svp, SG) bei der SVP wollte sich die Bernerin auf die Ständeratswahlen 2023 konzentrieren und den Sitz des auf Ende Legislatur zurücktretenden Hans Stöckli (sp, BE) verteidigen.

Im Gegensatz zu Jon Pult, der den Entscheid der SP-Spitze für ein reines Frauenticket befürwortete und sich entsprechend nicht zur Verfügung stellte, wollte sich Daniel Jositsch nicht aus dem Rennen nehmen. Er erhielt dabei Zuspruch von bürgerlichen Parlamentarierinnen und Parlamentariern, die das Vorgehen der SP-Parteileitung in den Medien als «diktatorisch» (Alfred Heer, svp, ZH) bezeichneten oder kritisierten, dass es «mit Gleichberechtigung nicht mehr viel zu tun habe» (Josef Dittli, fdp, UR). Jositsch liess verlauten, dass er sich eine Kandidatur überlege, wenn die Fraktion auch Männer zulasse. Dafür werde er sich parteiintern einsetzen, weil er ein reines Frauenticket als «diskriminierend» erachte. Es handle sich um eine Einschränkung der Wahlfreiheit, die dem Passus in den Statuten der SVP nahekomme, der jedes Mitglied automatisch ausschliesse, wenn es eine Wahl annehme, ohne von der Partei nominiert worden zu sein. Seine damit offiziell angekündigte Kandidatur brachte dem Zürcher Ständerat zahlreiche negative Kommentare ein. Der am rechten Rand der SP politisierende Daniel Jositsch fordere seine eigene Partei heraus und schaffe sich damit zahlreiche Feinde, befand LeTemps. Die «Granate Jositsch explodierte im Gesicht der SP», titelte 24Heures: «Il est vieux, blanc, mâle et riche», also alles, was die neue Garde der SP im Moment «verabscheue», so die Westschweizer Zeitung. Der Tages-Anzeiger warf Jositsch vor, mit dem «unsäglichen Theater» Frauen zu brüskieren, solange diese in den verschiedenen politischen Gremien nach wie vor nicht angemessen vertreten seien. Er sei auf einem «Egotrip», überschätze sich völlig und zeige damit nachgerade auf, dass er eben nicht geeignet sei für ein Bundesratsamt, zitierte der Blick verschiedene SP-Stimmen. Er habe Goodwill verspielt und müsse für den «Hochseilakt ohne Netz» wohl noch büssen. Die WoZ kritisierte, dass nach «173 Jahren Patriarchat [...] ein Mann auch heute noch nicht glauben [will], dass der eigene Karriereverzicht ein Akt der Gleichstellung sein kann». Auch die Weltwoche schrieb von «Selbstdemontage». Allerdings erhielt Jositsch auch Unterstützung aus der eigenen Fraktion. Sich auf ein reines Frauenticket zu konzentrieren sei «demokratisch und strategisch ungeschickt», meldete sich etwa Nationalrätin Franziska Roth (sp, SO) im Blick zu Wort. Es brauche Wettbewerb zwischen Frauen und Männern und keine Reduktion der Kandidierenden auf ihr Geschlecht. Roberto Zanetti (sp, SO) kritisierte vor allem die Parteileitung: «Ich mag es nicht, wenn man mir vorschreibt, wie ich mir meine Gedanken machen soll», so der Ständerat, der in der Folge ein Dreierticket vorschlug. Die Frage werde fraktionsintern wohl noch zu reden geben, vermutete der Blick. Die Fraktion selber versuchte etwas den Wind aus den Segeln zu nehmen, indem sie verkündete, den Vorschlag der Parteispitze für ein reines Frauenticket bzw. den Antrag von Jositsch auf ein gemischtes Ticket an ihrer Fraktionssitzung am 18. November zu diskutieren. Es sei der Verdienst von Jositsch, dass das Thema offen diskutiert werde, urteilte die NZZ. Er verdiene auch deshalb einen «fairen Prozess».

Nach der Kandidatur von Jositsch verging einige Zeit, bis die ersten Kandidatinnen ihre Bewerbung einreichten. Die erste Frau, die sich schliesslich am 10. November mit einer Kandidatur meldete, war Evi Allemann. Damit habe es die SP «geschafft, eine junge Mutter ins Rennen zu schicken [... und] mit einer Art Sanna Marin [...] für frischen Wind [zu] sorgen» (die finnische Ministerpräsidentin Sanna Marin war jüngste Ministerpräsidentin weltweit und bei ihrem Amtsantritt Mutter einer einjährigen Tochter). Die ehemalige Nationalrätin und seit 2018 Berner Regierungsrätin – und Mutter zweier Kinder im Alter von elf und sieben Jahren, wie sogleich in allen Medien berichtet wurde – habe allerdings national kaum Schlagzeilen gemacht, zudem könnte es ein Nachteil sein, dass sie seit fünf Jahren nicht mehr im nationalen Parlament sitze, mutmasste der Blick. Allemann sei nicht die Wunschkandidatin der SP gewesen, wusste 24Heures. Sie habe nicht das Charisma von Flavia Wasserfallen, die in Bundesbern wesentlich häufiger als Favoritin genannt worden sei. Die Kandidatur von Evi Allemann, die eine Bilderbuchkarriere ohne Kanten aufweise und bereits mit 20 Jahren in den Berner Grossen Rat gewählt worden war – 1998 war sie die jüngste Kantonsparlamentarierin der Schweiz – und 2003 den Sprung in den Nationalrat geschafft hatte, habe aber ein grosses «ouf de soulagement» bei der Parteileitung ausgelöst, so 24Heures weiter. Evi Allemann sei auch in bürgerlichen Kreisen beliebt und zeichne sich durch Pragmatismus aus. Sie habe zudem auf Anhieb jedes politische Mandat erhalten, das sie angestrebt habe, so der Tages-Anzeiger. Dass sie nicht mehr in Bundesbern sei, sei für die ehemalige VCS-Präsidentin allerdings ein Handicap, urteilte auch die NZZ.

Als klare Favoritin wurde in den Medien freilich Eva Herzog gehandelt, die tags darauf ihre Kandidatur bekannt gab. «Eva Herzog est la Albert Rösti du Parti socialiste» – sie sei die mit Abstand am häufigsten genannte Favoritin –, berichtete etwa Le Temps über die Kandidatur der Basler Ständerätin. Sie könne einige Trümpfe aufweisen, wie etwa ihre 19-jährige Erfahrung als Finanzvorsteherin des Kantons Basel-Stadt und ihre Ständeratskarriere seit 2019. Ihre gescheiterte Bundesratskandidatur im Jahr 2010, als sie von der Fraktion für die Nachfolge von Moritz Leuenberger nicht aufs Ticket gesetzt worden war, sei zudem ebenfalls kein Nachteil. Schliesslich sei der Kanton Basel-Stadt seit 1973 nicht mehr im Bundesrat vertreten gewesen. Dies sei auch ein Vorteil gegenüber der Bernerin Evi Allemann, waren sich die meisten Medien einig. Auch der Blick machte Eva Herzog zusammen mit Albert Rösti sogleich zum «Favoriten-Duo» und betonte «die Lust aufs Amt und den Gestaltungswillen», den die Baslerin versprühe. Als Nachteil bezeichnete 24Heures das fehlende Charisma von Eva Herzog. Sie sei «un peu cassante», wirke häufig ein wenig spröde.

Einen weiteren Tag später warf die vierte Kandidatin der SP ihren Hut in den Ring. «Elisabeth Wer?», titelte die WoZ in Anspielung auf die zumindest in der Deutschschweiz geringe Bekanntheit von Elisabeth Baume-Schneider, die ähnlich wie Eva Herzog seit 2019 im Ständerat sitzt und vorher während 13 Jahren im Kanton Jura als Regierungsrätin das Bildungsdepartement geleitet hatte. Ebendiese Unbekanntheit sei das grosse Manko der Kandidatin aus der Romandie, waren sich zahlreiche (Deutschschweizer) Medien einig. Auch wenn von der SP-Parteileitung explizit auch Frauen aus der lateinischen Schweiz zu einer Kandidatur aufgefordert worden seien, werde die Vereinigte Bundesversammlung kaum eine Mehrheit von nicht-deutschsprachigen Personen im Bundesrat goutieren, prognostizierte Le Temps – auch wenn Elisabeth Baume-Schneider bilingue ist, ihr Vater ist Deutschschweizer. Dass die Jurassierin «rien à perdre» habe, könne ihr aber auch zum Vorteil gereichen. Die Chancen seien «mince, mais pas nulles», hoffte Le Quotidien Jurassien. Es könnte sich gar für die Zukunft lohnen, den bisher noch nie im Bundesrat repräsentierten peripheren Kanton Jura bekannter zu machen, befand Le Temps mit Blick auf eine mögliche Wahl bei einem Rücktritt von Alain Berset. Für den Kanton sei dies «une belle publicité», so Le Temps. Zudem habe die ehemalige Regierungsrätin im Jura viel Rückhalt, so die Westschweizer Zeitung weiter. In der Tat gab der jurassische Regierungsrat ihre Kandidatur gar in einem Communiqué bekannt und stellte sich mit der Ankündigung, sie könne den Röstigraben verkleinern, öffentlich hinter seine ehemalige Kollegin. In den Medien wurde zudem Elisabeth Baume-Schneiders Nähe zur Landwirtschaft betont. Thema war freilich auch ihr Alter, das als «Handicap» gewertet wurde, weil sich die SP eine jüngere Frau wünsche, so der Blick. Die 58-jährige Ständerätin aus dem Kanton Jura gab zudem in Interviews zu Protokoll, dass sie sich mit 65 Jahren pensionieren lassen wolle. Sie betrachte sich deshalb als «conseillère fédérale de transition», so ihre Aussage in 24Heures. Eva Herzog bleibe aber auch deshalb Favoritin, weil die Jurassierin eher am linken Rand der SP politisiere und das Parlament deshalb weniger gut von sich überzeugen könne als die eher am rechten Rand der SP einzuschätzende Eva Herzog, so der Blick weiter. 24Heures befand zudem, dass Elisabeth Baume-Schneider das grünste Profil der SP-Kandidierenden habe, was ihr allenfalls Stimmen von den Grünen einbringen könnte. Kaum zur Sprache kam hingegen, dass die Jurassierin in ihren Jugendjahren bei der Revolutionären Marxistischen Liga politisiert hatte, galt sie doch auch in bürgerlichen Kreisen als «sehr konziliant». In Interviews gaben Ständerätinnen und Ständeräte aus allen Lagern etwa der Aargauer Zeitung zu Protokoll, sie sei «lösungsorientiert, ohne den grossen Auftritt zu suchen», «verlässlich und kollegial», «seriös, aber nicht verbissen» und sie strahle eine «positive Leichtigkeit» aus. Hingegen wurde das Thema Mutterschaft auch bei der Kandidatin aus dem Kanton Jura diskutiert: Der Blick wusste zu berichten, dass Elisabeth Baume-Schneider zwar nicht mehr das Profil der jungen Mutter habe, wie dies von der SP gewünscht werde, sie habe aber bereits im Jahr 2000 landesweit für Schlagzeilen gesorgt, weil sie damals als Parlamentspräsidentin ihr Baby an eine Sitzung im Jurassischen Parlament mitgenommen habe. Die Frage, ob ein Exekutivamt mit Kindern möglich sei, sei für Elisabeth Baume-Schneider deshalb ein «Déjà-vu». Die Sanna Marin, die die SP heute im Bundesrat haben wolle, sei die zweifache Mutter Elisabeth Baume-Schneider schon vor 20 Jahren gewesen, bemühte die Aargauer Zeitung den Vergleich mit der finnischen Präsidentin ein weiteres Mal.

Bevor die SP über die Nominierung entschied, stand die mit einiger Spannung erwartete Lösung der «Frage Jositsch» an. In den Medien hatte der Wind in der Zwischenzeit etwas gedreht und die SP wurde für ihr mangelndes strategisches Geschick kritisiert. Dass sofort kommuniziert worden sei, nur auf Frauen zu setzen, habe die Partei unnötigen Spannungen ausgesetzt, war in zahlreichen Medien zu lesen. In der Zwischenzeit hatte sich zudem die «Reformplattform», ein loser Zusammenschluss moderat-zentristischer Kräfte der SP, hinter Jositsch gestellt. Im Hinblick auf die eidgenössichen Wahlen 2023 habe die SP aber wohl keine andere Wahl, als mit einer Frau und einem Mann im Bundesrat vertreten zu sein, was nur ein reines Frauenticket garantiere, ergänzte der Tages-Anzeiger. Als Gleichstellungspartei sei sie sonst nicht glaubwürdig. Alles andere wäre denn auch «politisches Harakiri», urteilte auch die Republik. Denn würde Jositsch auf dem Ticket stehen, würde er «mit hoher Wahrscheinlichkeit» gewählt, was dem mächtigen «Momentum von feministischer Politik» völlig zuwiderlaufen und Proteste auslösen würde. Auch der 80-köpfige Parteirat, eine Art Parlament innerhalb der Partei, stärkte der Parteileitung den Rücken und sprach sich einstimmig für ein reines Frauenticket aus. Die diese Frage letztlich entscheidende Fraktion selber tagte dann am 18. November und sprach sich laut ihrem Chef Roger Nordmann (sp, VD) klar mit 37 zu 6 Stimmen (2 Enthaltungen) dafür aus, nur Frauen zu nominieren. Daniel Jositsch habe sich eloquent verteidigt, respektiere aber das Urteil, so Nordmann weiter. Der Vorschlag für ein Dreierticket sei mit 26 zu 19 Stimmen abgelehnt worden. In einem kurzen Statement gab Daniel Jositsch im Anschluss an die Fraktionssitzung den Medien zu Protokoll, er verstehe den Entscheid, es gebe keine innerparteilichen Konflikte und er ziehe seine Kandidatur angesichts der exzellenten Kandidatinnen zurück. Die Diskussionen seien freilich nicht so glatt verlaufen, wie dies für die Presse dargestellt worden sei, wusste der Tages-Anzeiger zu berichten. Vor allem die Parteispitze habe sich von einigen Fraktionsmitgliedern harsche Kritik anhören müssen: Dass Mattea Meyer und Cédric Wermuth unmittelbar nach dem Rücktritt von Simonetta Sommaruga eigenmächtig ein Frauenticket angekündigt hätten, zeuge von schlechtem Kommunikationsstil und mangelndem Vertrauen in die Fraktion, so die interne Kritik laut Tages-Anzeiger.

Spannend blieb in der Folge also die Frage, welche beiden Kandidatinnen von der Fraktion aufs Ticket gehievt werden. Im Vorfeld der entsprechenden Fraktionsentscheidung vom 26. November hatte die SP vier von ihr so benannte «öffentliche Hearings» in Luzern, Lausanne, Zürich und Liestal geplant, in denen die drei Kandidatinnen Red und Antwort stehen – und «mit dem personellen Spektakel etwas Werbung» für die Partei machen sollten, wie die NZZ vermutete. Alle vier Hearings verliefen ohne Überraschungen. Es gebe kaum Unterschiede in den Positionen der drei Kandidatinnen war die ziemlich einhellige Meinung der Medien, was das Rennen um die Plätze auf dem Ticket freilich nur spannender mache.

Die Entscheidung der SP-Fraktion, Eva Herzog und Elisabeth Baume-Schneider auf das Ticket zu setzen, sorgte dann doch bei vielen Beobachterinnen und Beobachtern für überraschte Gesichter und einige Kritik. Der Entscheid habe etwas Zufälliges, urteilten einige Medien gestützt auf den Wahlprozess in der Fraktion, über den medial berichtet wurde. In den ersten beiden Wahlgängen waren die Unterschiede jeweils knapp, einmal verfügte Elisabeth Baume-Schneider und einmal Evi Allemann über die meisten Stimmen. Erst im dritten Wahlgang, in dem keine Zweitstimmen mehr zugelassen waren, war das Ergebnis schliesslich klar genug: 24 Stimmen für Eva Herzog, 23 für Elisabeth Baume-Schneider und lediglich noch 14 für Evi Allemann, die also für viele Fraktionsmitglieder anscheinend jeweils zweite Wahl gewesen war. Ausgerechnet die in den letzten Wochen so breit diskutierte «junge Mutter» hatte es damit nicht auf das Ticket geschafft. Dies stiess bei zahlreichen Beobachterinnen und Beobachtern auf Kritik. Die Sonntagszeitung wusste zu berichten, dass es in der Fraktion zwei Lager gegeben habe: Das eine habe auf die moderatere Eva Herzog gesetzt, während das andere vorwiegend aus Romand.e.s bestanden habe, unterstützt von Fraktionsmitgliedern, die bei der nächsten Vakanz die Wahlchancen Deutschschweizer Männer erhöhen wollten. Dieses Lager habe die eher links politisierende Westschweizer Kandidatin Elisabeth Baume-Schneider präferiert. Dies wiederum weckte Unbill bei der FDP, die sich im Vorfeld dezidiert gegen eine lateinische Mehrheit im Bundesrat ausgesprochen und bei der SP entsprechende Forderungen angemeldet hatte. Auch die SVP kritisierte die Auswahl, weil die Gefahr bestehe, dass am Schluss nur noch Kantone im Bundesrat vertreten seien, die im Finanzausgleich zu den Nehmerkantonen gehörten. Der Sonntagsblick hatte im Vorfeld der Fraktionssitzung eine Bevölkerungsbefragung durchführen lassen, bei der sich zeigte, dass die Mehrheit der Befragten ebenfalls die beiden Ständerätinnen auf das Ticket gesetzt hätte. Laut der Montagspresse änderte diese Vorauswahl allerdings wenig an der Ausgangslage: Wie bei der SVP Albert Rösti bleibe auch bei der SP Eva Herzog klare Favoritin. Die Aargauer Zeitung bezeichnete die Nomination von Elisabeth Baume-Schneider als «taktisch». Sie sei für Herzog die ungefährlichere Partnerin auf dem Ticket. Elisabeth Baume-Schneider selber war sich ihrer Outsider-Rolle bewusst, aber man könne ja nie wissen, gab sie dem Quotidien Jurassien zu Protokoll.

Bundesratsersatzwahlen 2022 – Nachfolge von Ueli Maurer und Simonetta Sommaruga
Dossier: Bundesratswahlen seit 2008

Unter dem Eindruck der Covid-19-Pandemie wollte Benjamin Roduit (mitte, VS) den Bundesrat beauftragen, die soziale Absicherung der Selbstständigerwerbenden in einem Bericht zu untersuchen. Dabei sollen insbesondere in Krisenzeiten deutlich werdende Lücken ermittelt und Massnahmen dagegen vorgeschlagen werden – ausdrücklich störte sich der Motionär am fehlenden Anspruch der meisten Selbständigerwerbenden auf Arbeitslosenentschädigung, obwohl sie Beitragszahlungen leisten müssten.
Der Bundesrat war jedoch der Meinung, dass eine Aufnahme der Selbständigerwerbenden in die Arbeitslosenversicherung aufgrund des zu grossen Missbrauchsrisikos abzulehnen sei. Stattdessen habe man in der ausserordentlichen Situation der Corona-Pandemie eine passende, ausserordentliche Lösung für diese betroffenen Personen gefunden.
In der Herbstsession 2022 nahm der Nationalrat das Postulat mit 108 zu 75 Stimmen (bei 6 Enthaltungen) entgegen dem Willen der SVP- und der FDP.Liberalen-Fraktion an.

Für eine bessere soziale Absicherung der Selbstständigerwerbenden (Po. 20.4141)

Der Nationalrat folgte in der Herbstsession 2022 seiner vorberatenden SGK, indem er einer Standesinitiative des Kantons Aargau zur Sicherung der Landesversorgung mit essenziellen Wirkstoffen, Medikamenten und medizinischen Produkten mit 108 zu 63 Stimmen (bei 1 Enthaltung) keine Folge gab. Die Kommissionssprecher Marcel Dobler (fdp, SG) und Benjamin Roduit (mitte, VS) hatten zuvor für die Kommissionsmehrheit ausgeführt, dass das aargauische Anliegen zwar berechtigt sei, dass die Forderungen indes bereits anderweitig aufgenommen worden seien – etwa im Bericht «Versorgungsengpässe mit Humanarzneimitteln in der Schweiz: Situationsanalyse und zu prüfende Verbesserungsmassnahmen» und in der Revision des EpG. Eine Minderheit rund um Yvonne Feri (sp, AG) argumentierte vergeblich, dass es nun gelte, «den Druck hochzuhalten und zu vermeiden, dass wir künftig in einen Engpass kommen, insbesondere wenn sich wiederum eine gesundheitliche Pandemie breitmachen würde». Die Initiative ist damit erledigt.

Sicherung der Landesversorgung mit essenziellen Wirkstoffen, Medikamenten und medizinischen Produkten (Kt.Iv. 21.303)
Dossier: Wirtschaftliche Abhängigkeit verringern

Das von Balthasar Glättli (gp, ZH) mittels parlamentarischer Initiative geforderte Obligatorium für die freie Rede bei Ratsdebatten löste in der Sommersession 2022 im Nationalrat ein von einiger Heiterkeit begleitetes Frage-Antwort-Spiel aus. Der Initiant legte dar, dass es zu Beginn des Parlamentsbetriebs, also vor 172 Jahren, verboten gewesen sei, eine Rede abzulesen. Er glaube, dass frei gesprochene Reden nicht nur spannendere, sondern auch verständlichere Debatten nach sich ziehen würden, was «der Demokratie guttäte». Wer frei spreche, habe sich mit dem Thema besser auseinandergesetzt, als wer einfach ablese. Er fordere kein Verbot von Unterlagen, aber er wolle verhindern, dass eine Rede lediglich abgelesen werde. Auf die Frage von Roger Nordmann (sp, VD), ob sich Glättli bewusst sei, dass es sprachliche und rhetorisch nicht so begabte Minderheiten gebe, für die die freie Rede nicht so einfach sei – ein Punkt, den auch das Büro-NR in seinem Bericht gegen die parlamentarische Initiative vorgebracht hatte –, erwiderte der Initiant, dass es in der Tat nicht gut sei, dass man einander nicht verstehe, dies aber mit der freien Rede nichts zu tun habe. Beat Flach (glp, AG) wollte von Glättli wissen, ob er mit einem Verbot nicht überschiesse. Hier brachte der Initiant das Beispiel Grossbritanniens vor, wo man ebenfalls ein Ableseverbot kenne, das freilich mit Augenmass umgesetzt werde: «Aber es gibt dann im britischen Parlament auch den Moment, wo es aus den Reihen schallt ‹He is reading!›, weil man merkt, dass jemand nicht mehr bei der Sache ist, sondern nur noch am Papier klebt. Das will ich verhindern.». Ob denn die freie Rede nicht einfach «in zielloses, polemisches Geschwafel» ausarte, wollte Kurt Fluri (fdp, SO) wissen. Man müsse hierfür wohl zuerst Erfahrungen sammeln und dann allenfalls korrigieren, verteidigte sich Glättli. Es brauche keine Kontrolle, sondern individuelle Abwägung, wie viel man von einem Spickzettel ablesen wolle, antwortete Glättli eine Frage von Lorenz Hess (mitte, BE) und auch die Frage von Benjamin Roduit (mitte, VS), ob denn mit freier Rede nicht die Gefahr eines Überziehens der Zeit bestehe, konterte Glättli: Auch diese Regel müsste eigentlich überdacht werden und auch hier könnte man eine gewisse «souplesse» oder Flexibilität walten lassen.
Das Büro hatte zuvor mit 10 zu 1 Stimmen (bei 2 Enthaltungen) entschieden, dem Vorstoss keine Folge zu geben. Neben den in den Fragen angesprochenen Kritikpunkten (Überforderung von Minderheiten, schwierige Kontrolle, Bedeutung der «Legiferierung» statt Debattenkultur in der Schweiz) fügte das Büro im Bericht auch noch das Argument der nötigen Präzision von Reden an: Komplexe Geschäfte sowie die Berichterstattung von Kommissionsdiskussionen bedingten eine möglichst präzise und doch möglichst knappe Sprache. Dies sei in freier Rede kaum möglich. Mit Ausnahme der GLP- und der FDP-Fraktion fanden sich aus allen Fraktionen Unterstützerinnen und Unterstützer des Antrags. Die insgesamt 30 befürwortenden Stimmen reichten allerdings gegen die 129 Stimmen, die der Initiative keine Folge geben wollten, nicht aus. Ins Auge fielen die 32 Enthaltungen, die wiederum mit Ausnahme der FDP-Fraktion aus allen parlamentarischen Gruppen stammten. Damit ist die parlamentarische Initiative erledigt.

Freie Rede einführen (Pa.Iv. 21.500)

In der Sommersession 2022 setzte sich der Nationalrat als Erstrat mit der Prämien-Entlastungs-Initiative der SP und dem bundesrätlichen indirekten Gegenvorschlag auseinander. Thomas de Courten (svp, BL) und Benjamin Roduit (mitte, VS) präsentierten dem Rat die beiden Vorlagen. Die SGK-NR habe «Vertretungen des Initiativkomitees, der Kantone, der Versicherer und der Versicherten sowie der Leistungserbringer» angehört und die Behandlung des Geschäfts in der Folge mit demjenigen zur Kostenbremse-Initiative koordiniert, erläuterte de Courten. Dabei habe sie – basierend auf dem Bundesratsvorschlag – ein «neues Modell zum Ausbau der individuellen Prämienverbilligung» geschaffen. Gemäss diesem sollen die Kantone in einem Sozialziel den maximalen Anteil der Prämien am verfügbaren Einkommen in ihrem Kanton definieren und einen minimalen Gesamtbetrag zur Prämienverbilligung festlegen. Diesen Gesamtbetrag dürfen sie auch für die Verlustscheine nicht bezahlter Prämien einsetzen, nicht aber für Prämienverbilligungen für Beziehende von Ergänzungsleistungen – deren Kosten kämen also noch zusätzlich hinzu. Dieser Vorschlag wurde von der Kommission mit 16 zu 9 Stimmen gutgeheissen, während sie mit 17 zu 8 Stimmen die Ablehnung der Initiative beantragte. Eine Minderheit Gysi (sp, SG) forderte hingegen eine Empfehlung auf Annahme der Initiative. Gysi betonte als Mitglied des Initiativkomitees, dass «die unsozialen Kopfprämien» für Personen mit kleinen und mittleren Einkommen eine nicht mehr tragbare Belastung darstellten – sie müssten bis zu 20 Prozent ihrer Einkommen für die Krankenkassenprämien ausgeben. Obwohl die Prämien seit 1995 um 142 Prozent gestiegen seien, gäben heute zudem einige Kantone weniger Geld für die Prämienverbilligungen aus als noch vor zehn Jahren. Der indirekte Gegenvorschlag sei diesbezüglich lediglich «ein Tropfen auf den heissen Stein».
Eine Minderheit de Courten beantragte, nicht auf den Gegenvorschlag einzutreten. Die Kosten der Prämienverbilligungen seien bereits von CHF 1.5 Mrd. auf CHF 5 Mrd. jährlich angestiegen und würden mit dem Gegenvorschlag noch weiter steigen. Der Vorschlag des Bundesrates verringere die Prämienkosten nicht – zumal der «Druck auf die Prämienzahlenden» sinke, wenn jemand anderes für ihre Prämien aufkomme. Neben dem Nichteintretensantrag legte die SVP-Fraktion weitere Minderheitsanträge vor: So sollen gemäss eines Minderheitsantrags von Thomas Aeschi (svp, ZG) die Ergänzungsleistungen nicht separat ausgewiesen werden müssen, wodurch sich die Belastung für die Kantone verringern würde. Zudem sollten gemäss einer Minderheit de Courten zumindest die Verlustscheine angerechnet werden. Schliesslich sollten die Kantone anonymisierte Angaben zu den Empfängerinnen und Empfängern, unter anderem zur Staatsbürgerschaft, machen müssen (Minderheit Aeschi).
Es folgte eine angeregte und sehr ausführliche Debatte zu Krankenkassenprämien und Individualverbilligungen. Die Mitglieder der SP- und Grünen-Fraktion warben für die Initiative, empfahlen aber auch den Gegenvorschlag zur Annahme, variierten in dessen Einschätzung aber deutlich: Mattea Meyer (sp, ZH) sprach etwa von einem substanziellen Gegenvorschlag, während ihn Manuela Weichelt (al, ZG) als «Kröte» erachtete. Die Sprechenden der SVP-Fraktion lehnten sowohl Initiative als auch Gegenvorschlag als unnütz und zu teuer ab. Die Sprechenden der Mitte-, Grünliberalen- und FDP-Fraktionen zeigten sich zwar mehrheitlich nicht enthusiastisch gegenüber dem Gegenvorschlag, empfahlen ihn aber etwa als «tragbar» (Regine Sauter: fdp, ZH) oder gar als «in sich stimmig und in seiner Grösse ausreichend, um eine echte Alternative zur Volksinitiative darzustellen» (Jörg Mäder: glp, ZH) zur Annahme.
Tags darauf schritt der Nationalrat zur Abstimmung über Eintreten auf den Gegenvorschlag. Mit 134 zu 53 Stimmen sprach sich der Rat für Eintreten und gegen den Minderheitsantrag de Courten aus. Einstimmig lehnte die SVP-Fraktion Eintreten ab. In der Folge verwarf die grosse Kammer die Minderheitsanträge Aeschi und de Courten deutlich. Schliesslich nahm der Nationalrat den indirekten Gegenvorschlag mit 119 zu 66 Stimmen – die Gegenstimmen stammten von der SVP- und von Teilen der FDP.Liberalen-Fraktion – (bei 2 Enthaltungen) an. Hingegen sprach er sich mit 121 zu 67 Stimmen für eine Empfehlung zur Ablehnung der Volksinitiative und somit gegen die Minderheit Gysi aus; für eine Annahmeempfehlung stimmten die Fraktionen der SP und der Grünen. Stillschweigend verlängerte der Rat in der Folge die Behandlungsfrist der Initiative aufgrund des Gegenvorschlags bis Oktober 2023.

Eidgenössische Volksinitiative «Maximal 10 Prozent des Einkommens für die Krankenkassenprämien (Prämien-Entlastungs-Initiative)» und indirekter Gegenvorschlag (BRG 21.063)
Dossier: Anstieg der Krankenkassenprämien dämpfen (seit 2020)
Dossier: Prämienverbilligung
Dossier: Volksinitiativen zum Thema «Krankenkasse» (seit 2015)

Le secteur viticole suisse a connu, ces dernières années, des difficultés d'écoulement de sa production sur le marché interne. Alors que la concurrence internationale est forte, le vin suisse représente quelques 37 pour cent des parts de marché. Pour faire face à cette situation, les milieux concernés ont demandé aux autorités d'augmenter les moyens à disposition en 2020 et 2021 pour en faire la promotion, alors que CHF 2.8 millions sont aujourd'hui alloués à cet effet. Rentrant en matière pour ces deux années, en accordant CHF 1 million de plus au budget ordinaire, les autorités envisagent de réduire puis de renoncer à cette aide financière supplémentaire. Selon une majorité des membres de la CER-CN, ce rehaussage du budget a pourtant permis de faire légèrement augmenter les parts de marché du vin suisse, c'est pourquoi la commission a décidé de déposer une motion afin d'augmenter ces moyens à CHF 9 millions par année. Les vins promus devront respecter des critères de qualité et de durabilité. Cette motion de commission vient également en réaction à une initiative parlementaire déposée – puis retirée suite à l'action de la CER-CN – par le valaisan Benjamin Roduit (centre; Iv. pa. 21.461) visant une régulation des importations de vin. La commission souhaite donc privilégier l'incitation plutôt que la restriction. Elle en a également profité pour déposer une initiative parlementaire visant à la création d'une réserve climatique pour ce secteur. Lors des débats au sein du Conseil national, Markus Ritter (centre, SG), rapporteur de commission et président de l'USP, a défendu une hausse qui permettrait de se battre à armes égales avec la concurrence européenne – l'Italie investissant pas moins de CHF 18 millions dans la promotion de son vin sur le marché helvétique, avec des parts de marché à hauteur de 24 pour cent.
Dans le système actuel de soutien à la promotion des produits agricoles, la Confédération investit – jusqu'à hauteur d'un certain montant fixé à l'avance – autant que les branches concernées, selon les règles de financement paritaire, comme expliqué par le rapporteur francophone de la commission Olivier Feller (plr, VD). Augmenter le soutien des autorités à CHF 9 millions reviendrait donc à investir, en prenant en compte les montants injectés par la branche, les CHF 18 millions que dépensent les voisins du Sud. Une minorité ainsi que le Conseil fédéral se sont opposés à cette mesure tant pour des questions budgétaires, de santé publique – est-il juste d'inciter à la consommation de vin ? –, que d'équité avec la promotion d'autres produits. Guy Parmelin, pour le Conseil fédéral, a ainsi averti les député.e.s qu'en cas d'acceptation de la motion, ce seront d'autres secteurs agricoles qui verront leurs moyens dédiés à leur mise en avant s'amenuiser, le budget pour la promotion des produits agricoles faisant partie d'un pot commun. De son côté, Kathrin Bertschy (pvl, BE) a fait remarquer que, ramené à chaque bouteille de vin, le soutien suisse est plus élevé que celui engagé par la concurrence étrangère.
Lors du vote, les lignes de fractures politiques ont été supplantées par d'autres clivages, tels que le Röstigraben entre suisse-allemande et suisse latine, comme l'a fait remarquer le journal Le Temps. Ainsi, 82 pour cent des romand.e.s et tessinois.e.s ont voté en faveur de ce soutien tandis que seuls 38 pour cent des germanophones ont décidé d'en faire de même. Cela s'explique, en partie, par la localisation des lieux de production viticole, statistiquement bien plus importants dans les cantons latins que dans les cantons alémaniques. Ramené aux partis, on observe que les socialistes, les vert.e.s et les libéraux-radicaux ont comptabilisé un nombre égal de soutien et d'opposition dans leurs rangs, tandis que les membres du Centre et de l'UDC ont majoritairement soutenu le projet et que les membres vert'libéraux l'ont combattu. Au final, la proposition de la commission a été suivie par 98 député.e.s contre 61, alors que 22 parlementaires de tous bords se sont abstenu.e.s.

Augmenter les moyens pour la promotion des vins suisses (Mo. 22.3022)
Dossier: Schweizer Weinmarkt und internationale Konkurrenz

Dem Bundesrat folgend lehnte der Nationalrat in der Sommersession 2022 mit 120 zu 68 Stimmen ein Postulat Feri (sp, AG) ab, das den Bundesrat dazu aufgefordert hätte, die 2013 und 2017 beschlossene Revision der elterlichen Verantwortung nach Trennung oder Scheidung zu evaluieren. Zum einen erachtete der Bundesrat den Zeitpunkt zur Durchführung einer Evaluation aufgrund der erst kürzlich beschlossenen Änderungen als verfrüht, zum anderen sah er ein Postulat nicht als geeignetes Mittel an, um anstelle eines Berichts eine umfassende Evaluation zu fordern. Unterstützung erfuhr das Postulat von den geschlossen stimmenden Fraktionen der SP und der Grünen sowie von den drei EVP-Ratsmitgliedern.

Evaluation der Revision der elterlichen Verantwortung nach Trennung oder Scheidung (Po. 20.3972)

Weil der Bund die verdeckte Ermittlung per Anfang 2021 an die Kantone abgebe, müsse fortan eine nationale Strategie sicherstellen, dass die Verfolgung von Pädokriminellen im Internet nicht an den Kantonsgrenzen und kantonalen Rechtsunterschieden scheitere, forderte Nationalrätin Yvonne Feri (sp, AG) mit einer im Herbst 2020 eingereichten Motion. Der Bundesrat lehnte es ab, eine nationale Strategie zur Bekämpfung der Cyber-Pädokriminalität zu schaffen, da die Kantone für die Strafverfolgung von Pädokriminalität zuständig seien. Das Fedpol habe auf der Grundlage einer Vereinbarung mit den Kantonen zwischenzeitlich bestimmte Aufgaben in diesem Bereich übernommen, weil in den Kantonen die rechtlichen Grundlagen für die verdeckte Fahndung gefehlt hätten. Dies habe sich inzwischen aufgrund gesetzlicher Anpassungen in den Kantonen geändert und die KKJPD habe die entsprechende Vereinbarung auf Ende 2020 gekündigt, erläuterte der Bundesrat in seiner Stellungnahme. Dennoch nahm der Nationalrat die Motion in der Sommersession 2022 mit 114 zu 69 Stimmen bei 2 Enthaltungen an. Es brauche eine gesamtschweizerische Strategie, die über die polizeiliche Koordination hinausreiche und das Zusammenspiel von Prävention, Meldemöglichkeiten, Opferhilfe und Strafverfolgung in den Blick nehme, argumentierte die Motionärin im Ratsplenum.

Nationale Strategie zur Bekämpfung der Cyber-Pädokriminalität (Mo. 20.4084)

Im Juni 2022 schrieb der Nationalrat ein Postulat Roduit (mitte, VS) zur Frage einer staatlichen Hilfe beim Übernahmeverfahren von touristischen Beherbergungs- und Restaurationsbetrieben durch junge Generationen stillschweigend ab. Der Bundesrat hatte ein Jahr zuvor die aktualisierte Tourismusstrategie des Bundes veröffentlicht und darin das entsprechende Themenfeld behandelt.

Aider les jeunes à reprendre un établissement touristique d’hébergement et de restauration (Po. 18.4405)

Benjamin Roduit (mitte, VS) forderte in der Sommersession 2022 in Form einer Motion, dass in Zukunft bei Texten auf Bundesebene die Regeln und Weisungen der französischen Sprache eingehalten werden und dafür auf die Nutzung einer inklusiven oder geschlechtergerechten Sprache verzichtet wird. Die Debatte rund um die inklusive Sprache werde überall geführt und sei stark politisiert, deshalb müsse die Bundesverwaltung nun ein Machtwort sprechen und Regeln im Sinne einer klaren und effektiven Sprache festlegen, wie Roduit sein Anliegen erklärte. Bundeskanzler Walter Thurnherr hielt fest, dass die Bundeskanzlei diverse Weisungen und Hilfsmittel für offizielle Texte in allen vier Amtssprachen entwickelt habe, weshalb er einen weiteren solchen Auftrag als unnötig erachte. Auch der Bundesrat sprach sich gegen die Motion aus. Der Nationalrat nahm die Motion jedoch mit 98 zu 77 Stimmen (bei 6 Enthaltungen) an. Die Stimmen für den Vorstoss stammten aus den geschlossen stimmenden Fraktionen der SVP, FDP.Liberalen und der Mitte sowie von einer Person aus dem Lager der GLP.

Die Beachtung der Regeln der französischen Sprache ist wichtiger als Ideologie (Mo. 21.3143)

Nachdem der Bundesrat den Bericht in Erfüllung des Postulates Roduit (mitte, VS), der eine Prüfung der Massnahmen der Schweiz und der EU-Mitgliedstaaten zur Bekämpfung von Sozial- und Lohndumping verlangt hatte, publiziert hatte, wurde das Geschäft in der Sommersession 2022 vom Nationalrat abgeschrieben. Der Bundesrat hatte das Postulat in seinem Bericht über die Motionen und Postulate 2022 als erfüllt erachtet und die Abschreibung beantragt.

Lutte contre le dumping dans le cadre de l'application de la directive de l'UE sur les travailleurs détachés (Po. 17.3126)

Im Sommer 2020 verlangte Benjamin Roduit (mitte, VS) mittels Motion ein Verbot von Zusatzstoffen in Tabakprodukten und elektronischen Zigaretten, die das Suchtpotential oder die Toxizität erhöhen. Zudem wollte er das «Inverkehrbringen […] von Rauchtabakerzeugnissen mit einem charakteristischen Aroma» verbieten. Als Grund führte er in der Sommersession 2022 unter anderem die erhöhte Suchtwirkung, die mit dem Konsum solcher Produkte einhergehe, an. Denn durch die hinzugefügten Stoffe würden beispielsweise der Hustenreiz unterdrückt und die Nikotinaufnahme erleichtert. Ausserdem realisierten die Konsumentinnen und Konsumenten durch das Aroma den Schaden, welchen sie ihrem Körper zufügten, weniger stark. Besonders davon betroffen seien junge Menschen. So zeige etwa eine US-amerikanische Umfrage, dass vier von fünf Jugendlichen, die mit dem Rauchen beginnen, zu einem aromatisierten Produkt greifen würden. Unter anderem in der Europäischen Union, Grossbritannien, Nordirland und Kanada seien diese Zusatzstoffe bereits seit einigen Jahren verboten. Sehe man hierzulande von einem Verbot ab, beschafften sich die europäischen Jugendlichen in Zukunft aromatisierte Zigaretten aus der Schweiz, so der Motionär weiter. Das Anliegen sei bereits im Zusammenhang mit dem indirekten Gegenvorschlag zur Initiative «Kinder und Jugendliche ohne Tabak» diskutiert worden. Mit der Absicht, den Gegenentwurf zur Volksinitiative nicht allzu fest zu verschärfen, sei der Punkt damals jedoch nicht aufgenommen worden. Nach Annahme der Initiative solle dieser Punkt nun jedoch noch geklärt werden. Gesundheitsminister Berset erachtete das Anliegen des Motionärs als wichtig. Die Situation habe sich seit der ersten Bundesratsvorlage zum Tabakproduktegesetz 2015 allerdings stark verändert und es wäre nun für den Bundesrat in Anbetracht der vom Parlament verabschiedeten Regelungen schwierig, diese Motion umzusetzen. Mit 89 zu 81 Stimmen (bei 15 Enthaltungen) nahm der Nationalrat die Motion an. Dabei stimmten lediglich die GLP- und die Grünen-Fraktion geschlossen – sie sprachen sich für die Motion aus –, alle übrigen Fraktionen zeigten sich gespalten. Die Mitglieder der SP- und der Mitte-Fraktion stimmten mehrheitlich für Annahme, die Mitglieder der SVP- und der FDP.Liberalen-Fraktion mehrheitlich für Ablehnung.

Aromatisierte Zigaretten. Junge Menschen schützen (Mo. 20.3634)

Der Bundesrat sprach sich gegen die Etablierung eines Nationalen Programms zur besseren Früherkennung von Kindswohlgefährdungen aus, wie es eine Motion Feri (sp, AG) forderte. Dabei stellte er sich auf den Standpunkt, dass für die Umsetzung von Massnahmen in diesem Bereich primär die Kantone und Gemeinden in der Pflicht seien. Bereits in seinem Bericht zur medizinischen Versorgung bei häuslicher Gewalt habe er die Kantone aufgefordert, dazu ein flächendeckendes Gesamtkonzept zu erarbeiten. Der Nationalrat, der die Motion in der Sondersession vom Mai 2022 beriet, lehnte diese mit 107 zu 79 Stimmen bei einer Enthaltung ab. Neben den Fraktionen der SP und der Grünen, die das Anliegen geschlossen befürworteten, stimmte auch die GLP-Fraktion mit einer Ausnahme dafür, ebenso wie drei Mitglieder der Mitte-Fraktion.

Nationales Programm zur besseren Früherkennung von Kindswohlgefährdungen (Mo. 20.3231)

Anfang Februar 2022 reichte die nationalrätliche SGK eine Kommissionsmotion zur Ausarbeitung und Implementierung einer nachhaltigen Data-Literacy-Strategie in der digitalen Transformation des Gesundheitswesens ein. Data-Literacy – oder Datenkompetenz – bezeichnet laut Motion «die Fähigkeit, Daten kritisch zu erheben, zu verwalten, zu evaluieren und anzuwenden». Im Rahmen eines Projekts sollen Datenerhebungen und -verknüpfungen durchgeführt werden, mit denen die Erfahrungen und Folgen von unterschiedlichen Behandlungsansätzen im Zuge der Covid-19-Pandemie gesammelt und ausgewertet werden. Ein besonderes Augenmerk gelte es auf den ambulanten Bereich zu legen. Zur Entwicklung geeigneter Methodologien und Konzepte bedürfe es einer Zusammenarbeit von BAG, BFS, Berufsverbänden, Fachpersonen aus dem Bereich der Statistik und der Data-Literacy sowie den Akademien der Wissenschaften Schweiz. Yvonne Feri (sp, AG) und Benjamin Roduit (mitte, VS) stellten dem Nationalrat das Kommissionsanliegen anlässlich der Sondersession im Mai 2022 vor. Durch die Covid-19-Pandemie sei ersichtlich geworden, dass zur tatsächlichen Verbesserung der Datennutzung mehr unternommen werden müsse, als lediglich Fax durch E-Mails zu ersetzen. Es gelte, die gesammelten Daten gezielt einzusetzen, miteinander zu vergleichen und zu verknüpfen. Denn «mehr Daten [bedeuteten] nicht automatisch mehr Qualität». Gesundheitsminister Berset versicherte, dass der Bundesrat diesen Bereich als wichtig und zentral erachte, empfahl die Motion aber dennoch zur Ablehnung, da bereits einige Arbeiten dazu im Gange seien. Dazu gehörten etwa eine Plattform des BFS zur Interoperabilität von Daten, Berichte zur Verbesserung des Datenmanagements im Gesundheitsbereich und in Erfüllung eines Postulats Humbel (mitte, AG; Po. 15.4225) sowie die Unterstützung des Bundesrates für die Entwicklung der digitalen Kompetenzen in der universitären Lehre. Mit 134 zu 45 Stimmen nahm die grosse Kammer das Geschäft dennoch an. Dabei stammten alle 45 Gegenstimmen aus dem Lager des SVP-Fraktion.

Implementierung einer nachhaltigen "Data Literacy"-Strategie in der digitalen Transformation des Gesundheitswesens (Mo. 22.3016)
Dossier: Digitalisierung im Gesundheitswesen

La motion " Mesures urgentes Covid-19 pour la viticulture" souhaite remettre la production de vin suisse sur les rails de la concurrence. Elle s'inscrit dans une série de textes déposés par différents parlementaires fédéraux. Avec les difficultés accumulées durant la pandémie, Benjamin Roduit (centre, VS) estime que les producteurs de vin suisse ont besoin d'aide pour remonter la pente et pour éviter que la situation ne s'aggrave plus. Il a, en effet, été estimé que les vigneron.ne.s suisses ont perdu près de 40 pour cent de part de marché. De plus, en raison des subventions et des aides octroyées par les pays membres de l'UE, une forte inégalité et une « distorsion de concurrence » sont à remarquer, d'après l'élu valaisan. Pour relancer la consommation de vin suisse, la motion demande que les importateurs de vin proposent aussi des vins suisses. Ce type de mesures légales aurait déjà fait ses preuves dans d'autres secteurs comme l'importation de viande de bœuf.
De son côté, le Conseil fédéral a affirmé qu'en raison des mentions légales en vigueur, il ne serait pas possible de réduire la quantité de vin importée de la sorte. En effet, la quantité du contingent doit, dans tous les cas, être mise à disposition, ce qui depuis la fusion en 2001 des contingents de vin blanc et de vin rouge, représente 170 millions de litres. Cette quantité n'a cependant jamais été atteinte. De plus, le Conseil fédéral affirme qu'une telle mesure aurait des effets non désirés comme une limitation de la concurrence ou la création d'une rente d'importation, le tout ayant des conséquences sur le prix du vin ainsi que des coûts de procédure élevés. Cependant, l'exécutif ne reste pas sans rien faire. Il a approuvé, en mai 2020, un budget de CHF 10 millions afin de déclasser du vin AOC et soutenir le milieu viticole. En accordant au maximum CHF 2 pour chaque litre de vin déclassé et utilisé dans l'industrie, la Confédération entendait soutenir les vignerons, stabiliser le marché et éviter une rechute du prix du raisin pour l'année 2020. Pour toutes ces raisons, le Conseil fédéral a proposé, en août 2020, de rejeter la motion. Cette dernière a finalement été retirée en mai 2022 par le parlementaire valaisan en plénum, ce dernier étant visiblement convaincu par les arguments des autorités.

Mesures urgentes Covid-19 pour la viticulture (Mo. 20.3270)
Dossier: Schweizer Weinmarkt und internationale Konkurrenz

In der Frühjahrssession 2022 beschäftigte sich der Nationalrat als Zweitrat mit dem Sozialversicherungsabkommen mit Tunesien. Philipp Nantermod (fdp, VS), Kommissionssprecher der SGK-NR, erklärte der grossen Kammer, dass es im Abkommen um die Koordinierung der Systeme der AHV und der IV gehe. Man wolle damit einerseits Doppelversicherungen und andererseits Beitragslücken vermeiden. Die zusätzlichen Kosten für die AHV würden sich bis in 60 Jahren auf ungefähr CHF 2.7 Mio. belaufen, jedoch erwarte man erhebliche Einsparungen bei den Ergänzungsleistungen sowie bei den Zuschüssen zur Krankenversicherung und der Sozialhilfe. Seine Kommissionskollegin Yvonne Feri (sp, AG) fügte an, dass die Schweiz den Dialog mit Tunesien, trotz des unsicheren politischen Umfelds, aufrecht erhalte und damit den demokratischen Übergangsprozess und die wirtschaftliche Entwicklung unterstütze. Damit griff sie einem Minderheitsantrag Glarner (svp, AG) vor, der Nichteintreten forderte. Nationalrat Glarner begründete diesen Antrag mit der Lage in Tunesien, die von Korruption, Destabilisierung, islamischer Radikalisierung, Folter und Gewaltanwendung geprägt sei. Zudem werde Homosexualität gesetzlich unter Strafe gestellt, monierte er. Glarner brachte sein Unverständnis darüber zum Ausdruck, dass man mit einem Land ein Sozialversicherungsabkommen abschliessen wolle, gleichzeitig aber die Rückführung abgelehnter Asylbewerber aufgrund der dort vorherrschenden Umstände nicht durchführen könne. Er verwies in seinen Ausführungen auch auf eine Aussage seines SPK-NR-Kollegen Barrile (sp, ZH), wonach ehemalige tunesische Parlamentsmitglieder willkürlich verhaftet und verurteilt würden. Besagter Barrile warf Glarner daraufhin vor, das Kommissionsgeheimnis verletzt zu haben. Bundesrat Berset erinnerte die grosse Kammer daran, dass das Abkommen dem Vorteil der Bevölkerung beider Staaten gereiche. Der Minderheitsantrag würde somit primär Probleme für tausende tunesische Arbeitnehmende in der Schweiz und Schweizer Arbeitnehmende in Tunesien bedeuten. Er bat den Nationalrat daher, das Abkommen zu genehmigen. Der Minderheitsantrag auf Nichteintreten wurde mit 132 zu 54 Stimmen gegen den Widerstand der geschlossen auftretenden SVP abgelehnt. Auch bei der Gesamtabstimmung unterlag die SVP. Der Bundesbeschluss wurde mit 134 zu 54 Stimmen angenommen.

Die SVP wehrte sich auch in den darauf folgenden Schlussabstimmungen erfolglos gegen das Abkommen, das mit 140 zu 51 Stimmen im Nationalrat und im Ständerat mit 38 zu 3 Stimmen problemlos angenommen wurde.

Abkommen mit Tunesien zur sozialen Sicherheit
Dossier: Sozialversicherungsabkommen der Schweiz

In der Frühjahrssession 2022 beriet der Nationalrat die Motion Herzog (sp, BS), die eine Ergänzung des Epidemiengesetzes zur Garantie des Grenzverkehrs auch in Pandemiezeiten verlangte. Die SGK-NR beantrage die Annahme der Motion, teilte deren Sprecherin Regine Sauter (fdp, ZH) mit. Die Einschränkung des Personenverkehrs als Folge der Grenzschliessungen hätte die Bekämpfung der Pandemie beeinträchtigt, da auch das Gesundheitspersonal davon betroffen gewesen sei. Eine Bestimmung, die den Grenzverkehr auch in Krisenzeiten garantiert, der ins Covid-19-Gesetz aufgenommen wurde, sei nur befristet, weshalb für vergleichbare Situationen in der Zukunft eine Anpassung des Epidemiengesetzes notwendig sei. Benjamin Roduit (mitte, VS), ebenfalls Kommissionssprecher, kritisierte den Bundesrat und eine Kommissionsminderheit für deren ablehnende Haltung. Die Feststellung des Bundesrats, dass Grenzgänger und Grenzgängerinnen trotz der Reisebeschränkungen aus beruflichen Gründen in die Schweiz einreisen durften, überzeugte Roduit nicht. Diese Lösungen seien erst auf Druck des Parlaments und erst nach der ersten Welle gefunden worden. Auch der Einwand des Bundesrats, dass die Motion den gesundheitspolitischen Handlungsspielraum bei multilateral-verhandelten Gesundheitsbeschränkungen beschneide, liess Roduit nicht gelten. Die Schweiz sei schliesslich in Fragen der öffentlichen Gesundheit und Sicherheit souverän. Innenminister Berset gab zu, dass man ohnehin mehrere Bestimmungen des Epidemiengesetzes überarbeiten müsse und widersprach der Forderung der Motion nicht grundsätzlich. Er beharrte aber darauf, zuerst eine Analyse durchzuführen, bevor irgendwelche Konsequenzen gezogen werden könnten. Bereits im Juni 2020 habe der Bundesrat eine Revision des Epidemiengesetzes gefordert. Nun warte man ab, bis eine umfassende und vollständige Analyse der Pandemie möglich sei. Bis Mitte 2023 solle der Änderungsentwurf in die Vernehmlassung gegeben werden, erklärte Berset der grossen Kammer. Er bat den Nationalrat, keine Motionen anzunehmen, bevor nicht eine Gesamtbilanz gezogen werden konnte und beantragte die Ablehnung des Vorstosses. Da lediglich die SVP mehrheitlich gegen die Motion stimmte, wurde sie mit 127 zu 46 Stimmen (bei 2 Enthaltungen) auch vom Zweitrat deutlich angenommen.

Ergänzung des Epidemiengesetzes zur Garantie des Grenzverkehrs auch in Pandemiezeiten
Dossier: Kontrolle der Schweizer Landesgrenzen in Covid-19-Zeiten

In der Frühjahrssession 2022 zog Florence Brenzikofer (gp, BL) ihr Postulat, das den Bundesrat dazu aufgefordert hätte, die Schaffung einer unabhängigen Ombudsstelle für Asylsuchende zu prüfen, zurück. Grund dafür war, dass das SEM unterdessen beschlossen hatte, im Rahmen eines Pilotprojektes eine externe Meldestelle zu testen, wie Bundesrätin Karin Keller-Sutter während der Session ausführte. Brenzikofer hatte in ihrem Postulat Bezug auf rapportierte gewalttätige Vorfälle in Bundesasylzentren und auf den im Rahmen eines Postulats Feri (sp, AG; Po. 16.3407) erstellten Bericht genommen, der Handlungsbedarf zur Erkennung und Betreuung von frauenspezifischer Gewalt in Asylzentren aufgezeigt hatte. Der Bundesrat hatte das Postulat bereits ursprünglich zur Ablehnung empfohlen und dabei auf verschiedene, seit der jüngsten Revision des Asylgesetzes und dem Erscheinen des erwähnten Berichts ergriffene Massnahmen hingewiesen. Die grüne Nationalrätin hatte die Position vertreten, die Schaffung einer externen Anlaufstelle sei zwingend, da Asylsuchende «Konsequenzen in ihrer Wohnsituation oder im Asylverfahren befürchten» könnten, wenn sie sich nur an eine Stelle innerhalb des Bundesasylzentrums wenden könnten. Eine unabhängige Ombudsstelle oder Meldestelle – Letztere könnte ohne Gesetzesänderung geschaffen werden – könnten die Hemmschwelle für eine Meldung reduzieren, so die Postulantin.

Schaffung einer unabhängigen Ombudsstelle für Asylsuchende (Po. 20.3776)

Mittels einer Motion forderte Nationalrätin Yvonne Feri (sp, AG), dass alle Formen der sexuellen Belästigung von Kindern – insbesondere auch schriftlich und im Internet – vom Strafgesetz erfasst werden. Wenn das Opfer unter 16 Jahre alt ist, soll die Tat zudem neu von Amtes wegen und nicht mehr nur auf Antrag verfolgt werden. Bundesrätin Karin Keller-Sutter wies darauf hin, dass eine Revision des entsprechenden Artikels 198 StGB mit der Revision des Sexualstrafrechts im Parlament hängig sei und bat um Ablehnung der Motion. Mit einer knappen Mehrheit aus Mitgliedern der SP-, Mitte- und Grünen-Fraktion von 93 zu 89 Stimmen (bei 3 Enthaltungen) nahm der Nationalrat die Motion im März 2022 dennoch an.

Zwingend nötige Anpassung des Straftatbestands der sexuellen Belästigung von Kindern (Mo. 20.3690)

In der Frühjahrssession 2022 nahmen die beiden Kammern Kenntnis vom Jahresbericht 2021 der GPK und der GPDel. Im Ständerat fassten Matthias Michel (fdp, ZG), Maya Graf (gp, BL), Charles Juillard (mitte, JU) und Hans Stöckli (sp, BE) als Kommissionssprechende die zentralen Punkte des Berichts zusammen. Darüber hinaus rechnete Matthias Michel vor, dass die GPK und die verschiedenen Subkommissionen in 116 Sitzungen zusammengekommen seien. Dies sei nur möglich dank effizienter Arbeitsweise der Kommission, dank eines professionell arbeitenden GPK-Sekretariats und dank der Bereitschaft von Bundesrat und Verwaltungskadern, Red und Antwort zu stehen. Ohne Diskussion nahm der Ständerat vom Bericht Kenntnis.

Wenige Tage später tat dies auch der Nationalrat. Sie wisse, dass der GPK-Bericht «nicht das interessanteste Traktandum» sei. Dennoch sei die Aufgabe wichtig und sie würde sich freuen, «wenn sie ein Ohr dafür haben», bat Prisca Birrer-Heimo(sp, LU) in ihrem Votum als Kommissionssprecherin. Erst nach Ermahnung von Nationalratspräsidentin Irène Kälin (gp, AG) kehrte allerdings etwas Ruhe im Nationalratssaal ein und auch die Berichterstatterinnen für die Subkommissionen, Yvonne Feri (sp, AG) und Manuela Weichelt (gp, ZG), konnten die wichtigsten Punkte aus dem Bericht zusammenfassen.

Jahresbericht 2021 der GPK und der GPDel
Dossier: Jahresberichte der GPK und der GPDel

In der Frühjahrssession 2022 beriet der Nationalrat als Erstrat das neue Bundesgesetz über die Regulierung der Versicherungsvermittlertätigkeit. Aufgrund der Motionen Birrer-Heimo (sp, LU; Mo. 17.3956), Bruderer Wyss (sp, AG; Mo. 17.3964) und der SGK-SR (Mo. 18.4091) habe der Bundesrat hier eine neue Regelung für eine verbindliche Branchenlösung ausgearbeitet, erläuterte Jörg Mäder (glp, ZH) für die Kommission. Gleichzeitig habe aber auch die Krankenkassenbranche eine «interne Branchenvereinbarung» geschaffen. Diese sei seit Januar 2021 in Kraft und habe zu einer Reduktion der jährlichen Klagen von 300 auf 80 geführt, sei aber nicht allgemeinverbindlich. Aus diesem Grund brauche es eben auch die bundesrätliche Vorlage, der die Kommissionsmehrheit grösstenteils folgen wolle. Die meisten Fraktionssprechenden hiessen die Vorlage denn auch gut, einzig aus der SVP-Fraktion kamen Stimmen, die das neue Gesetz als unnötig erachteten. Stattdessen schlug Thomas de Courten (svp, BL) einen anderen Lösungsweg vor: «Sagen Sie einfach höflich ‹Nein, danke›, und legen Sie den Telefonhörer wieder auf – Problem gelöst.» Eintreten wurde jedoch ohne Gegenantrag beschlossen.
In der Detailberatung schlug die Kommissionsmehrheit eine Einschränkung der bundesrätlichen Regelung vor. So sollten die Regelungen bezüglich Ausbildung und Einschränkung der Entlöhnung von Vermittlerinnen und Vermittlern auf externe Broker beschränkt werden, wodurch von den Versicherungen direkt angestellte Personen davon ausgenommen wären. Ansonsten sei diese Massnahme ein schwerwiegender Eingriff in die Entlohnung des internen Personals, argumentierte Benjamin Roduit (mitte, VS) für die Kommissionsmehrheit. Zudem hätten die internen Mitarbeitenden Interesse an langfristigen Beziehungen zu den Kunden, ergänzte Kommissionssprecher Mäder. Eine Minderheit I Mäder verlangte hingegen, bei der bundesrätlichen, umfassenderen Lösung zu bleiben. Diese Differenzierung sei «nicht im Sinne der Bevölkerung oder der Motion», begründete Melanie Mettler (glp, BE) diesen Antrag. Auch Gesundheitsminister Berset erachtete ihn als nicht nachvollziehbar. Damit könne die neu geschaffene Regelung umgangen werden, warnte er. Mit 109 zu 84 Stimmen setzte sich die Kommissionsmehrheit jedoch gegen die geschlossen stimmenden Fraktionen der SP, der Grünen, der GLP und gegen die Mitglieder der EVP durch.
Alle übrigen Änderungsanträge lehnte der Nationalrat ab, darunter zwei Anträge für weitere Einschränkungen der Regelungen, etwa den Vorschlag einer Minderheit Hess (mitte, BE). Sie erachtete die Sanktionierungsmöglichkeiten als «unverhältnismässig stark». Stattdessen sollen die Sanktionen von den Versicherungen selbst festgelegt und vom Bundesrat allgemeinverbindlich erklärt werden. Gesundheitsminister Berset erwiderte jedoch, dass der Bundesrat keine privat festgelegten Strafen als allgemeinverbindlich erklären könne, und der Nationalrat lehnte den Minderheitsantrag mit 113 zu 79 Stimmen (bei 1 Enthaltung) ab. Er war bei der SVP- und der Mitte-Fraktion, mit Ausnahme der EVP, auf Zustimmung gestossen. Auch einen Antrag Sauter (fdp, ZH), die neuen Regelungen auf die Grundversicherung zu beschränken und die Zusatzversicherungen davon auszunehmen, lehnte die Mehrheit des Nationalrats ab (108 zu 87 Stimmen bei 1 Enthaltung).
Erfolglos blieben auch die Mitglieder der linksgrünen Parteien beim Versuch, den bundesrätlichen Vorschlag verbindlicher zu machen respektive die Regelungen auszuweiten. Eine Minderheit Gysi (sp, SG) verlangte, dass die Branchenvereinbarung verbindlich erklärt werden muss, nicht nur kann. Katharina Prelicz-Huber (gp, ZH) wollte darüber hinaus sicherstellen, dass in zwei Jahren eine allgemeinverbindliche Regelung besteht – ansonsten solle der Bundesrat eingreifen. Beide Anträge scheiterten im Rat (mit 125 zu 68 Stimmen respektive 124 zu 68 Stimmen) und wurden nur von Mitgliedern der SP, der Grünen und der EVP unterstützt – genauso wie ein Antrag von Flavia Wasserfallen (sp, BE), Verträge, die durch einen Verstoss gegen das allgemeinverbindlich erklärte Verbot entstanden seien, für nichtig zu erklären. Überdies scheiterten auch die Anliegen, das «Schlupfloch» des Kaufs von Leads, bei dem die Versicherungen mit Gutscheinen «Alibipreisverleihungen» durchführten, um an Adressen zu kommen, zu schliessen (Minderheit Flavia Wasserfallen) sowie die Werbeausgaben auf maximal 0.3 Prozent der Prämieneinnahmen zu begrenzen (Minderheit Gysi) – sie wurden ebenfalls nur von der SP, den Grünen und der EVP unterstützt.
In der Gesamtabstimmung nahm der Nationalrat die Vorlage mit 162 zu 12 Stimmen (bei 22 Enthaltungen) an. Die ablehnenden Stimmen stammten von Minderheiten der SVP- und der FDP.Liberalen-Fraktion, die Enthaltungen von der Hälfte der Grünen-, einer Minderheit der SP- und einem Mitglied der SVP-Fraktion.

Bundesgesetz über die Regulierung der Versicherungsvermittlertätigkeit (BRG 21.043)

Mittels Postulat wollte Yvonne Feri (sp, AG) den Bundesrat dazu auffordern, einen Bericht zur Kurzsichtigkeit bei Kindern in der Schweiz auszuarbeiten, wobei dieser neben der Erhebung von Prävalenz (Anzahl Betroffener), Prävention und Behandlung auch internationale Erkenntnisse beinhalten sollte. Zudem sah die Postulantin das Entwickeln einer auf dem Bericht aufbauenden Strategie vor, mit welcher die Kurzsichtigkeit von Kindern bekämpft werden soll. Als Begründung gab Feri die weltweite Zunahme an Kurzsichtigkeit bei Kindern an. Eine präventive Massnahme bestehe im Spielen im Freien, da dadurch der Medienkonsum reduziert werde und «der Wechsel der Ausrichtung auf nahe und entfernte Objekte zur gesunden Entwicklung des Auges bei[trage]». Der Bundesrat beantragte das Postulat zur Ablehnung. Er verwies auf die Nationale Strategie zur Prävention nichtübertragbarer Krankheiten 2017–2024 und auf die Aktivitäten im Bereich des Kinder- und Jugendmedienschutzes durch das BSV, mit denen dem Anliegen bereits Rechnung getragen werde. In der Frühjahrssession 2022 behandelte der Nationalrat das Postulat. Mit 108 zu 80 Stimmen (bei 1 Enthaltung) lehnte die grosse Kammer das Geschäft ab. Die Fraktionen der SP, Grünen und GLP stimmten für das Anliegen, die restlichen Fraktionen sprachen sich abgesehen von einer Ja-Stimme und einer Enthaltung aus den Reihen der SVP-Fraktion geschlossen dagegen aus.

Kurzsichtigkeit bei Kindern (Po. 20.3057)