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  • Roduit, Benjamin (pdc/cvp, VS) CN/NR
  • Nordmann, Roger (sp/ps, VD) NR/CN

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In der Herbstsession 2021 lehnte der Ständerat eine Motion von Marina Carobbio Guscetti (sp, TI) ab. Die Motionärin hatte eine Vereinfachung und Erweiterung der Regelungen zur Wiedererlangung der Erwerbsfähigkeit in zahlreichen Gesetzen gefordert, etwa im AVIG, IVG, UVG, EOG oder im VVG. Zudem verlangte sie eine ergänzende Regelung für einen «Verdienstersatz bei Erwerbsausfall bei Personen in atypischen und prekären Arbeitsformen, für Selbstständigerwerbende und für Freischaffende in Theater und Film». Um zukünftig grosse finanzielle Probleme durch Erwerbslücken aufgrund von Arbeitslosigkeit, Krankheit oder Unfall bei den Selbständigerwerbenden zu verhindern, solle ihr Versicherungsschutz und ihr Verdienstausfall zukünftig garantiert werden. Der Bundesrat entgegnete in seiner Stellungnahme, dass ein entsprechender Versicherungsschutz bei der IV und der EO bereits gegeben sei, bei der Unfallversicherung und der Krankentaggeldversicherung müssten sich die Selbständigerwerbenden hingegen freiwillig versichern, wie auch im Rahmen des Postulats Nordmann (sp, VD; Po. 12.3087) noch einmal bestätigt worden sei. Nicht möglich sei schliesslich eine Arbeitslosenversicherung für Selbständigerwerbende, wie sie auch das Postulat Roduit (mitte, VS; Po. 20.4141) vorsehe, zumal hier das Missbrauchspotenzial zu gross sei. Mit 25 zu 11 Stimmen lehnte der Ständerat die Motion ab.

Erwerbsersatzordnungen an die veränderte Arbeitswelt anpassen

Mit 139 zu 43 Stimmen hiess der Nationalrat einen Ordnungsantrag von Roger Nordmann (sp, VD), die Diskussion über die Motion von Baptiste Hurni (sp, NE) zu verschieben, gut. Normalerweise wird diskussionslos über einen Vorstoss abgestimmt, wenn der Urheber oder die Urheberin im Rat nicht anwesend und nicht offiziell entschuldigt ist. Baptiste Hurni sei vor vier Tagen Vater geworden und befinde sich nun zwei Wochen im Vaterschaftsurlaub, was offiziell im Parlamentsrecht nicht als Entschuldigungsgrund gelte, erklärte Nordmann die Abwesenheit seines Ratskollegen und seinen Ordnungsantrag. Gleichzeitig forderte er das Büro auf, Vaterschaftsurlaub als Abwesenheitsgrund zu klassifizieren.
Trotz einiger ablehnender Stimmen aus der SVP-, der FDP- und der Mitte-Fraktion gegen den Ordnungsantrag wird das Anliegen des frischgebackenen Vaters, Betrug bei Unterschriftensammlungen zu bekämpfen also doch noch diskutiert werden. Hurni hatte Anstoss genommen an Pressemeldungen, in denen berichtet wurde, dass im Rahmen des Referendums gegen das «Verbot der Diskriminierung aufgrund der sexuellen Orientierung» sowie beim Referendum gegen den «Vaterschaftsurlaub» mit falschen Angaben Unterschriften gesammelt worden waren. Im ersten Fall wurden anscheinend Signaturen mit dem Hinweis erschlichen, dass sich die Vorlage gegen Homophobie richte, im zweiten Fall wurde für (statt gegen) Vaterschaftsurlaub geworben. Mit der Motion fordert der Neuenburger Sozialdemokrat eine Änderung des Strafgesetzbuches, damit solche Irreführungen geahndet werden können und entsprechende Unterschriften zurückgezogen und für ungültig erklärt werden können.

Betrug bei Unterschriftensammlungen bekämpfen (Mo. 19.4431)

Nach dem Ständerat entschied sich in der Sommersession 2021 auch der Nationalrat stillschweigend, der Standesinitiative des Kantons Genf gegen eine Erhöhung der Krankenkassenprämien 2020 keine Folge zu geben. Er folgte damit dem Antrag der SGK-NR, die sich zuvor mit 15 zu 7 Stimmen (bei 2 Enthaltungen) gegen Folgegeben ausgesprochen hatte, da sie die Standesinitiative als obsolet und weitgehend erfüllt erachtete. In der Herbstsession 2021 zog Roger Nordmann (sp, VD) eine Motion (Mo. 19.3989) zurück, mit der seine Fraktion ebenfalls einen Verzicht auf eine Prämienerhöhung für das Jahr 2020 gefordert hatte. «[O]n ne peut donc plus rien faire», da das entsprechende Jahr bereits vorbei sei, begründete Nordmann den Rückzug.

Keine Erhöhung der Krankenkassenprämien 2020 (Kt.Iv. 19.309)
Dossier: Anstieg der Krankenkassenprämien dämpfen (seit 2020)

Nachdem das Büro-NR die beiden parlamentarischen Initiativen der Grünen (20.403) und der SP-Fraktion (20.404) für die Einsetzung einer PUK zur Aufarbeitung der Crypto-Affäre im November 2020 mit 8 zu 5 Stimmen abgelehnt hatte, befasste sich in der Frühjahrssession 2021 der Nationalrat damit. Neben dem ablehnenden Antrag der Mehrheit lagen ihm auch zwei Minderheitsanträge für die Annahme der beiden Initiativen vor. Die Vertreterinnen und Vertreter der SP und der Grünen, die im Ratsplenum für Folgegeben plädierten, attestierten der GPDel zwar gute Arbeit, sahen in deren Bericht aber einige Fragen unbeantwortet, insbesondere jene, ob die Schweiz mit dem Vorgehen im Fall Crypto AG die Neutralität verletzt habe. Im «vielleicht grössten aussenpolitischen Skandal der jüngeren Schweizer Geschichte», wie Roger Nordmann (sp, VD) die Crypto-Affäre bezeichnete, habe die Öffentlichkeit Transparenz verdient, so Aline Trede (gp, BE). Es sei wichtig für die Glaubwürdigkeit der Schweiz, «dass das Parlament alles getan hat, um den Sachverhalt aufzuklären», ergänzte Edith Graf-Litscher (sp, TG). Demgegenüber argumentierte die Mehrheit des Büros, eine PUK würde keine neuen Erkenntnisse bringen, weil alle Dokumente und Akten bereits von der GPDel aufgearbeitet worden seien. Der Nationalrat folgte mit 123 zu 66 bzw. 122 zu 67 Stimmen dem Mehrheitsantrag und gab den beiden Initiativen keine Folge. Die Minderheiten hatten – mit Ausnahme von Pirmin Schwander (svp, SZ), der der SP-Initiative zustimmte – ausserhalb der initiierenden Fraktionen kein Gehör gefunden. Damit ist die Forderung nach einer PUK zur Crypto-Affäre vom Tisch.

Crypto-Affäre

In der Wintersession 2020 befasste sich der Nationalrat als Erstrat mit der Motion seiner UREK zur Schaffung einer gesetzlichen Grundlage für Investitionskontrollen bei kritischen Infrastrukturen. Die grosse Kammer folgte dabei mit 138 zu 41 Stimmen bei 10 Enthaltungen einem Antrag Girod (gp, ZH) zwecks Rückweisung der Motion an die Kommission. Wie Girod im Rat erklärte, sei man in der UREK-NR durch informelle Gespräche zum Schluss gekommen, dass die ursprüngliche parlamentarische Initiative Badran (sp, ZH; Pa.Iv. 16.498) der bessere Weg sei, um hiesige zentrale Infrastrukturen vor der Kontrolle durch ausländische Investoren zu schützen. Es dürfe aufgrund dieser Kommissionsmotion nicht zu einer weiteren Verzögerung der parlamentarischen Initiative Badran kommen, da zeitnahes Handeln geboten sei. Eine gescheiterte SP-Minderheit Nordmann (sp, FR) hatte gar verlangt, die Motion ganz abzulehnen, um der Kommission das klare Signal zu geben, sich direkt mit der von beiden Kommissionen angenommenen und von der Verwaltung vorbereiteten parlamentarischen Initiative zu beschäftigen. Doch auch mit der Rückweisung wird sich die Kommission wieder vorrangig mit der sistierten und weiter fortgeschrittenen Forderung Badran beschäftigen müssen.

Investitionskontrollen bei kritischen Infrastrukturen schaffen (Mo. 20.3461)
Dossier: Ausländische Investitionen in Schweizer Unternehmen
Dossier: Schutz kritischer Infrastrukturen

In der Wintersession 2020 befasste sich der Nationalrat als Zweitrat mit der Vorlage zum Tabakproduktegesetz. Die grosse Kammer war sich einig, dass Handlungsbedarf angezeigt sei – so ist gemäss Kommissionssprecher Lorenz Hess (bdp, BE) die Regelung von Tabakprodukten im Lebensmittelgesetz «weder zweckdienlich noch zeitgemäss», Benjamin Roduit (cvp, VS) erklärte für die Kommission, dass durch das Gesetz die Ratifizierung des 2004 unterzeichneten WHO-Rahmenübereinkommens zur Eindämmung des Tabakgebrauchs realisiert werden könne und Andreas Glarner (svp, AG) gab zu verstehen, dass niemand den Tabakkonsum durch Kinder unterstütze. Trotzdem stellte letzterer einen Rückweisungsantrag. Gerade in Zeiten der Krise schade man mit dem Gesetz neben verschiedenen Branchen in den Bereichen Veranstaltungen, Werbung und Kommunikation auch den Medien, Läden sowie den angeschlagenen Tabakprodukteherstellern. Weiter gelte es, zwischen den verschiedenen Rauchsystemen zu differenzieren. Wenig begeistert vom Rückweisungsantrag zeigte sich nicht nur Gesundheitsminister Berset, welcher den Nationalrat dazu aufforderte, damit aufzuhören, «Pingpong zu spielen», sondern auch die grosse Mehrheit der grossen Kammer, die den Antrag mit 126 zu 43 Stimmen (bei 2 Enthaltungen) ablehnte.
Der erste Tag der Ratsdebatte war den Punkten «Zusammensetzung und Emissionen» sowie der Verpackung gewidmet. Bei der ersten Thematik folgte der Nationalrat seiner vorberatenden SGK-NR und sprach sich unter anderem für die von der Kommission beantragte Anpassung aus, dass Inhaltsstoffe, welche zur Steigerung des Suchtpotentials dienen oder die Inhalation erleichtern, verboten werden sollten, wovon beispielsweise Mentholzigaretten betroffen wären. Weiter wollte die grosse Kammer dem Bundesrat die Kompetenz zugestehen, über die zulässigen Zutaten in Tabakprodukten zu bestimmen. Ein Minderheitsantrag Weichelt-Picard (al, ZG), der darauf abzielte, nur noch biologisch abbaubare Zigarettenfilter zu erlauben, fand indes kein Gehör.
Betreffend die Verpackungsangaben beschloss die grosse Kammer eine Vereinfachung der Produktinformationen auf resp. in der Verpackung. Stattdessen sollen die Hersteller und Herstellerinnen die Informationen auf geeignete Weise, beispielsweise per Online-Packungsbeilage, verfügbar machen. Katharina Prelicz-Huber (gp, ZH) versuchte ferner vergeblich, die Ratsmitglieder von einer neutralen Einheitsverpackung zu überzeugen, da die «Verpackung eine grosse Wirkung auf die Animation zum Rauchen» verfüge. Aber auch der SVP rund um Thomas Aeschi (svp, ZG) gelang es ihrerseits mittels verschiedener Minderheitsanträgen nicht, eine Mehrheit für eine Abschwächung der an den Verpackungen angebrachten Warnhinweise zu gewinnen.
Am zweiten Debattentag nahm sich der Nationalrat mit der Werbung für die Tabakprodukte dem umstrittensten Punkt der Vorlage an. Während sich die Ratslinke für ein weitgehendes, respektive die SP gar für ein vollständiges Werbeverbot einsetzte, wollte die SVP ganz von einem Werbeverbot absehen. Regine Sauter (fdp, ZH) betonte für die FDP die Wirtschaftsfreiheit und dass nicht vergessen werden dürfe, dass es sich bei Zigaretten um ein legales Produkt handle, für welches entsprechend Werbung gemacht werden dürfe. Im Wissen um die Volksinitiative «Ja zum Schutz der Kinder und Jugendlichen vor Tabakwerbung» schlug die grosse Kammer insgesamt einen Mittelweg zwischen der von der Landesregierung und dem Stöckli eingenommenen Position ein, wobei weitgehend die von der vorberatenden Kommission entwickelten Anträge übernommen wurden. Anders als der Ständerat, der Werbung in Zeitungen, Zeitschriften und Internetseiten verbieten wollte, die von Minderjährigen besucht werden können, schränkte der Nationalrat dieses Verbot auf Presseerzeugnisse und Internetseiten ein, die an unter 18-Jährige gerichtet sind. Weiter untersagte der Nationalrat Werbung im öffentlichen Raum, in Kinos sowie auf Plakaten, die öffentlich sichtbar sind. Im Vergleich zum Ständerat wollte der Nationalrat bei den Einschränkungen zur Verkaufsförderung weniger weit gehen. So sollen diese nur Tabakprodukte zum Rauchen, nicht aber elektronische Zigaretten und «Gegenstände, die eine funktionale Einheit mit einem Tabakprodukt bilden» betreffen. Ausgenommen werden vom Verbot soll ferner die Verkaufsförderung von Zigaretten und Zigarillos in Form von Degustationen und Kundenpromotionen, da es sich um Genussmittel und nicht um Einstiegsprodukte handle. Nicht länger erlaubt sein soll zudem das Sponsoring von Veranstaltungen, die über einen internationalen Charakter verfügen oder Minderjährige als Zielpublikum haben. Auch bei Events, für deren Organisation der Bund, die Kantone oder die Gemeinden zuständig sind, sollen Tabakproduktehersteller nicht als Sponsoren in Erscheinung treten dürfen. Auf eine Meldepflicht für die Ausgaben in den Bereichen Werbung, Verkaufsförderung und Sponsoring wollte der Nationalrat hingegen verzichten.
Denkbar knapp – und entgegen der Position des Ständerats und der SGK-NR – stimmte die grosse Kammer mit 95 zu 94 Stimmen für einen Antrag aus den Reihen der SVP, wonach die Kantone nicht befugt sind, weitergehende Massnahmen zu erlassen. Unbestritten hingegen war das schweizweite Verkaufsverbot an Minderjährige sowie die Erlaubnis von Testkäufen zur Überprüfung, ob die Altersgrenze von 18 Jahren tatsächlich eingehalten wird. Ferner stimmte der Nationalrat Anträgen von Martin Landolt (mitte, GL) zu, der forderte, dass E-Zigaretten und Tabakprodukte zum Erhitzen in Restaurations- und Hotelbetrieben sowie in spezialisierten Verkaufsgeschäften in gewissen Zonen verwendet werden dürfen.
In der Gesamtabstimmung, in welcher der Entwurf mit 84 zu 59 Stimmen angenommen wurde, enthielten sich mit 47 Nationalrätinnen und -räten relativ viele Parlamentarierinnen und Parlamentarier ihrer Stimme. Es waren dies in erster Linie Mitglieder der Grünen-Fraktion und der FDP.Liberalen-Fraktion. Während der Stimmverzicht Ersterer vermutlich darauf zurückzuführen ist, dass sich diese schärfere Massnahmen gewünscht hätten, dürfte es sich bei Letzteren wohl um Beweggründe rund um die Wirtschaftsfreiheit handeln. Die Nein-Stimmen stammten vorwiegend aus dem Lager der SVP. Als einzige Partei geschlossen für die Vorlage stimmte die Fraktion der Grünliberalen.

Tabakproduktegesetz (BRG 15.075)
Dossier: Tabakproduktegesetz

In der Sondersession Ende Oktober 2020 war es am Nationalrat, eine Motion der SGK-SR zur Besteuerung von E-Zigaretten zu beraten. Dabei hatte er über eine von der SGK-NR geforderte Erweiterung des Motionstexts zu befinden. In dieser Ergänzung ging es darum, die Besteuerungsbestimmungen von elektronischen Zigaretten nicht vor der Verabschiedung des TabPG (BRG 15.075) in Kraft zu setzen. Dem Zusatz liege die Überlegung zugrunde, dass mehrere der vorliegenden Besteuerungsvarianten auf einem Vergleich von Risiko-, Mengen- und Preiskriterien mit herkömmlichen Zigaretten beruhten, weshalb das Anliegen der Motion nicht unabhängig betrachtet werden könne, sondern die Bestimmungen des künftigen TabPG beachtet werden müssten, erklärte Verena Herzog (svp, TG) für die Kommission. Benjamin Roduit (cvp, VS), der die Ergänzung ursprünglich in die Kommission eingebracht hatte, machte darauf aufmerksam, dass E-Zigaretten – deren Ungefährlichkeit keinesfalls unumstritten sei – gerade bei Jugendlichen als Einsteigerprodukt ins Rauchen diene. Folglich sei es wichtig, wirksame Präventionsmassnahmen gegen dieses Sprungbrett zu ergreifen. Weil Kosten für junge Menschen häufig einen entscheidenden Faktor darstellten, setze die Motion dort an. Mit 126 Stimmen zu 42 Stimmen (bei 5 Enthaltungen) sprach sich die grosse Kammer für den Kommissionsantrag und gegen einen Antrag von Andreas Glarner (svp, AG) aus, der kritisierte, dass es in der Motion nicht um die Prävention, sondern um die Kompensation der durch den Umstieg auf E-Zigaretten wegfallenden Tabaksteuern gehe. Er lehne jedoch «[s]ämtliche neuen Steuern, Gebühren und Abgaben» ab und beantragte daher die Ablehnung der Motion.

Besteuerung von elektronischen Zigaretten (Mo. 19.3958)

Im Dezember 2019 reichten Vertreterinnen und Vertreter der SP-, Grünen-, Mitte- sowie der FDP.Liberale-Fraktion vier gleichlautende parlamentarische Initiativen ein (Pa.Iv. 19.504 Munz (sp, SH); Pa.Iv. 19.505 Roduit (cvp, VS); Pa.Iv. 19.506 Eymann (lpd, BS); Pa.Iv. 19.507 Trede (gp, BE)). Mit diesen Vorstössen wurde der Bundesrat aufgefordert, für vergünstigte Tarife im öffentlichen Verkehr für Schulklassen zu sorgen. Exkursionen von Schulklassen erfüllten wichtige pädagogische, soziale und kulturelle Funktionen für die Kinder und Jugendlichen und sollten entsprechend gefördert werden, so die Initiantinnen und Initianten.
Die zuständige KVF-NR befasste sich im Oktober 2020 mit den Initiativen und gab dem Vorhaben mehrheitlich Folge (15 zu 10 Stimmen). Die Kommission vertrat die Ansicht, dass ausserschulische Aktivitäten für die Bildung der Kinder und Jugendlichen wichtig seien. Eine Minderheit war hingegen der Auffassung, dass damit in die Kompetenz der Kantone und Gemeinden eingegriffen würde, die für Bildungsfragen zuständig seien.

Vier parlamentarische Initiativen zu vergünstigten Tageskarten für Schulklassen (Pa.Iv. 19.504; Pa.Iv. 19.505; Pa.Iv. 19.506; Pa.Iv. 19.507)

Noch bevor der Abstimmungskampf zur Änderung der direkten Bundessteuer zur steuerlichen Berücksichtigung der Kinderdrittbetreuungskosten, über die im Mai 2020 hätte abgestimmt werden sollen, richtig begonnen hatte, gab der Bundesrat im März 2020 bekannt, die Abstimmung aufgrund des Corona-bedingten Lockdowns auf September 2020 zu verschieben.
Die Abstimmungsvorlage umfasste zwei Aspekte: einerseits die im Titel aufgeführte Erhöhung des Drittbetreuungsabzugs von CH 10'000 auf CHF 25'000, andererseits die der Vorlage von der bürgerlichen Parlamentsmehrheit hinzugefügte Erhöhung des Kinderabzugs von CHF 6'500 auf CHF 10'000. Im Zentrum der Abstimmungskampagne stand der zweite Aspekt, die Erhöhung des Kinderabzugs, wobei dieselbe Frage die Diskussion dominierte, die schon im Rahmen der Parlamentsdebatte im Mittelpunkt gestanden hatte: Wer profitiert von den Kinderabzügen? Zur Beantwortung dieser Frage stützten sich beide Seiten auf die Daten der ESTV, welche Finanzminister Maurer in der Parlamentsdebatte präsentiert hatte.
Die Befürworterinnen und Befürworter stellten den Nutzen der Vorlage für den Mittelstand in den Mittelpunkt ihrer Kampagne. «Der Mittelstand profitiert», warb etwa die CVP auf ihrer Internetseite. Stütze man sich auf die Definition des BFS für «Mittelstand», erhalte der Mittelstand 49 Prozent der Ermässigungen, argumentierte Marianne Binder-Keller gegenüber dem Sonntagsblick. Gegen diese Darstellung wehrten sich die Gegnerinnen und Gegner der Vorlage: Der (obere) Mittelstand profitiere zwar auch, in erster Linie nütze die Vorlage aber vor allem den Gutverdienenden, kritisierten sie: Je höher das Einkommen, desto grösser sei der Spareffekt. 70 Prozent der Gesamtentlastung kämen so den 15 Prozent der Familien mit den höchsten Löhnen zu, während 45 Prozent der Familien keine Entlastung erfahren würden, da sie keine Bundessteuern bezahlten. Gar als «Klientelpolitik» bezeichnete etwa das liberale Komitee, vor allem bestehend aus Mitgliedern der GLP, die Vorlage. Noch einseitiger sei die Verteilung schliesslich, wenn nicht nur die Familien, sondern alle Haushalte, also auch die Alleinstehenden und die kinderlosen Paare, die ja ebenfalls von den Steuerausfällen betroffen wären, berücksichtigt würden, betonte überdies Jacqueline Badran (sp, ZH). Berücksichtige man diese ebenfalls, profitierten lediglich sechs Prozent aller Haushalte von 70 Prozent der Steuerausfälle. Man lasse jedoch den Mittelstand im Glauben, dass er von der Vorlage profitiere, indem in der Debatte sowie im Abstimmungsbüchlein jeweils das steuerbare Einkommen aufgeführt werde. Dies sei «total irreführend» (Badran gemäss Blick), da niemand die Höhe seines persönlichen steuerbaren Einkommens kenne. Die ESTV begründete die Verwendung des steuerbaren Einkommens jedoch damit, dass sich der tatsächliche Steuerbetrag beim Bruttoeinkommen zwischen verschiedenen Personen stark unterscheiden könne.
Obwohl die Befürworterinnen und Befürworter immer betonten, dass die Mehrheit der Familien profitiere, gab zum Beispiel Philipp Kutter (cvp, ZH), der die Erhöhung der Kinderabzüge im Nationalrat eingebracht hatte, in einem Interview gegenüber der NZZ unumwunden zu, dass die Vorlage auch eine Steuersenkung für Gutverdienende beinhalte: Über den Steuertarif seien allgemeine Steuersenkung für Gutverdienende «chancenlos», mehrheitsfähig sei einzig der «Weg über die Kinderabzüge».

Nicht nur der Mittelstand, sondern auch die Familien standen im Zentrum der Vorlage. Diese müssten endlich unterstützt werden, betonte Philipp Kutter, was mithilfe der aktuellen Vorlage möglich sei: 60 Prozent aller Familien könnten von einer Erhöhung des Kinderabzugs profitieren. Dem entgegnete etwa die NZZ, dass die Familien in den letzten Jahren stark entlastet worden seien (v.a. durch die Reduktion der Bundessteuer für Haushalte mit Kindern), deutlich stärker zumindest als Kinderlose. Brigitte Häberli-Koller (cvp, TG) befürwortete indes insbesondere, dass durch die aktuelle Vorlage alle Familienmodelle unabhängig der Betreuungsform entlastet würden. Die Gesellschaft habe als Ganzes ein Interesse daran, dass die Leute Kinder bekommen, ergänzte Kutter. Familiäre Strukturen seien für die Gesellschaft wichtig, überdies sei man dadurch weniger auf Zuwanderung angewiesen, die ja ebenfalls teilweise auf Ablehnung stosse. Demgegenüber wurde in der NZZ die Frage diskutiert, ob Kinderabzüge überhaupt gerechtfertigt seien. So könne man es als private Konsumentscheidung ansehen, Kinder zu haben; in diesem Falle würden Kinderabzüge der Besteuerung nach wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit widersprechen. Es gäbe aber einen politischen Konsens, dass das Steuerrecht Kinderkosten berücksichtigen solle. Die Entscheidung, wie diese Unterstützung erfolgen solle (durch degressiv wirkende Kinderabzüge, neutral wirkende Abzüge vom Steuerbetrag oder durch progressiv wirkende Kinderzulagen zum Erwerbseinkommen), sei dann eine weitere, umverteilungspolitische Entscheidung.

Ein weiteres Argument der Gegnerinnen und Gegner der Erhöhung des Kinderabzugs lag in den daraus folgenden hohen Kosten: Die Vorlage verursache voraussichtlich fast 40mal höhere Kosten, als für die Erhöhung des Drittbetreuungsabzugs geplant worden war, und übertreffe damit auch die Kosten der medial deutlich umstritteneren Verlängerung des Vaterschaftsurlaubs. Dadurch sei zukünftig weniger Geld für andere, sinnvollere Projekte vorhanden, argumentierten sie. SP, Grüne und die Kritikerinnen und Kritiker der Vorlage aus der FDP stellten dabei insbesondere die Individualbesteuerung in den Mittelpunkt. Dieser sprachen sie eine deutlich grössere Wirkung auf die Erwerbstätigkeit von Frauen zu als den Drittbetreuungsabzügen. Da sie aber ebenfalls zu hohen Steuerausfällen führen würde, befürchteten sie, dass die Abschaffung der Heiratsstrafe bei Annahme der aktuellen Vorlage auf die lange Bank geschoben würde, weil kein Geld mehr vorhanden wäre. Verstärkt wurde dieses Argument durch die hohen Kosten zur Bewältigung der Corona-Pandemie: Hatte der Bundesrat während der Budgetdebatte fürs Jahr 2020 noch mit einem Überschuss von CHF 344 Mio. gerechnet, wurde jetzt ein Defizit über CHF 20 Mrd. erwartet. Die Medien vermuteten von diesem Defizit nicht nur Auswirkungen auf die Vorlage zum Drittbetreuungs- und zum Kinderabzug, sondern auch auf die gleichzeitig stattfindenden Abstimmungen zu den Kampfflugzeugen und über den Vaterschaftsurlaub. «Angesichts enormer Zusatzlasten kann sich unsere Gesellschaft erst recht keine Steuergeschenke mehr leisten, die nichts bringen», argumentierte etwa GLP-Nationalrat Thomas Brunner (glp, SG). Das sahen die Befürwortenden anders, Philipp Kutter etwa betonte: «Das wird den Bund nicht umbringen».

Schliesslich waren sich Befürwortende und Gegnerschaft nicht einig, inwiefern das ursprüngliche Ziel der Vorlage, die Förderung der Beschäftigung hochgebildeter Personen, insbesondere von Frauen, durch die Ergänzung der Kinderabzüge gefördert wird. Raphaela Birrer argumentierte im Tages-Anzeiger, dass die Erhöhung der Kinderabzüge die Anreize zur Erhöhung der Erwerbstätigkeit verstärke. In einer Studie zur Wirkung der beiden Abzüge (Kinderabzug und Drittbetreuungsabzug) auf die Erwerbstätigkeit bestätigte Avenir Suisse diesen Effekt nur bedingt: Zwar senkten beide Abzüge den Grenzsteuersatz (also die Besteuerung von zusätzlichem Einkommen) und förderten damit die Erwerbstätigkeit, jedoch sei der entsprechende Effekt des Kinderabzugs gering. Zudem senke er auch den Grenzsteuersatz von Einverdienerhaushalten, wodurch die Erwerbstätigkeit von Frauen nicht gesteigert werde. Von der Erhöhung des Betreuungskostenabzugs sei hingegen ein deutlich stärkerer Effekt auf die Erwerbstätigkeit zu erwarten, damit könne der Anreiz des aktuellen Steuersystems für Zweitverdienende, nicht oder nur wenig zu arbeiten, gemildert werden. Die GLP stellte entsprechend insbesondere diesen Aspekt in den Mittelpunkt und sprach von einer Mogelpackung, weil die Vereinbarkeit von Beruf und Familie durch die Erhöhung des Kinderabzugs nicht verbessert werde. Nationalrätin Christa Markwalder (fdp, BE), die sich ebenfalls im liberalen Komitee engagierte, reichte im Juni 2020 eine parlamentarische Initiative (Pa.Iv. 20.455) ein, mit der sie das Originalanliegen der Vorlage, also den Drittbetreuungsabzug, erneut aufnahm. Damit sollte dieser bei einer Ablehnung der Vorlage möglichst schnell verwirklicht werden können.
Die Frage, ob die Vorlage Anreize zur Erhöhung der Erwerbstätigkeit beinhalte oder nicht, hatte aber noch eine zweite Komponente. So störte sich die Weltwoche überhaupt daran, dass das Steuerrecht «für alle möglichen Zwecke instrumentalisiert» werde. Es sei nicht dafür da, «bestimmte Lebensmodelle zu fördern», argumentierte Katharina Fontana. Zudem sei es unmöglich, Steuergerechtigkeit herzustellen, zumal sich niemand jemals gerecht besteuert fühle.

Bezüglich der Komitees gibt es weniger zu sagen. Auf der Befürworterseite der Vorlage standen insbesondere die CVP und die SVP. Ja-Parolen gaben auch die BDP, EVP und die FDP.Liberalen aus, unterstützt wurden sie vom Gewerbeverband. Die Medien interessierten sich indes insbesondere für die Position der Freisinnigen, zumal sie die Vorlage im Parlament anfangs bekämpft, ihr mit ihrem Meinungswandel dann aber zum Durchbruch verholfen hatten. Nun wolle sich die Partei nicht an der Kampagne beteiligen, so die WOZ, zumal sie intern gespalten war: Einzelne Personen, darunter Ständerat Andrea Caroni (fdp, AR) und Nationalrätin Christa Markwalder, sprachen sich gegen die Vorlage aus und beteiligten sich gar am liberalen Nein-Komitee. Dieses setzte sich insbesondere aus Mitgliedern der GLP zusammen und kämpfte vor allem dagegen, dass die «Mogelpackung» viel koste, aber keine oder gar negative Auswirkungen hätte. Damit würden «keine Anreize für arbeitstätige Elternteile geschaffen», betonte Kathrin Bertschy (glp, BE). Auf linker Seite kämpften vor allem die SP und die Grünen, welche die Unterschriften für das Referendum gesammelt hatten, für ein Nein. Unterstützt wurden sie von den Gewerkschaften, aber auch Avenir Suisse sprach sich gegen die Kinderabzüge aus. Stimmfreigabe erteilten hingegen unter anderem die FDP Frauen. Sie befürworteten zwar den Drittbetreuungsabzug, störten sich aber an den hohen Kosten des Kinderabzugs, durch den das wichtigere Projekt der Individualbesteuerung weiter hinausgeschoben werde. Auch der Arbeitgeberverband entschied sich für Stimmfreigabe, nachdem er das Projekt im Parlament noch bekämpft hatte, da es «kaum zu einer stärkeren Arbeitstätigkeit der Eltern beitrage», wie der Blick berichtete. Dasselbe geschah mit Economiesuisse, der das Kosten-Nutzen-Verhältnis der Vorlage anfangs zu wenig ausgewogen gewesen sei. Der Sonntags-Blick vermutete, dass sich die Verbände nicht zu einer Nein-Parole hätten durchringen können, da das Referendum «aus dem falschen politischen Lager» stammte. Interessant war für die Medien schliesslich auch die Position des Bundesrates, insbesondere von Finanzminister Maurer. Dieser hatte die Vorlage im Parlament mit deutlichen Worten bekämpft, vertrat nun aber – wie im Gesetz für politische Rechte geregelt – die Position des Parlaments. Ersteres hatte er so gut getan, dass sich auch die NZZ nicht sicher war, ob er denn nun die Vorlage persönlich befürworte, wie seine Partei, oder sie ablehne.

Der Abstimmungskampf zur Vorlage verlief ungemein schwach. So stand sie deutlich im Schatten der Corona-Pandemie sowie der anderen vier Vorlagen. Sie wurde gemäss Analysen vom Fög und von Année Politique Suisse einerseits nur sehr schwach in Zeitungsinseraten beworben und andererseits auch in den Medien vergleichsweise selten thematisiert. Die briefliche Stimmabgabe deutete anfänglich auf mässiges Interesse am Super-Sonntag hin, wie der Abstimmungstag mit fünf Vorlagen in den Medien genannt wurde. Die SP schaltete sieben kurze Animationsfilme und gab ein Comic-Heftchen zu den Filmen aus, um zu verhindern, dass die Vorlage untergeht. Die ersten Vorumfragen Mitte August 2020 zeigten dann auch, dass die Meinungsbildung zur Vorlage noch nicht weit fortgeschritten war. Auf diese Tatsache wurde in den entsprechenden Berichten das Zwischenergebnis, wonach die Sympathisierenden von SP und Grünen die Vorlage mehrheitlich befürworteten, zurückgeführt. Besserverdienende gaben zu diesem Zeitpunkt an, der Vorlage eher zuzustimmen. Christian Levrat (sp, FR) hoffte, diese Personen durch die Kampagne noch umstimmen zu können. Die erste Tamedia-Umfrage ergab insgesamt eine Zustimmung («dafür» oder «eher dafür») von 55 Prozent und eine Ablehnung von 37 Prozent, während die SRG-Vorumfrage mit 51 Prozent zu 43 Prozent zu ähnlichen Ergebnissen kam. Diese Zahlen kehrten sich bis zum Termin der letzten Welle Mitte September um: Die Tamedia-Umfrage ergab eine Zustimmung von 46 Prozent und eine Ablehnung von 51 Prozent, die SRG-Umfrage eine von 43 Prozent zu 52 Prozent. Bei den Sympathisierenden von SP und Grünen war die Zustimmung vom ersten zum zweiten Termin gemäss SRG-Umfragen um 19 respektive 14 Prozentpunkte gesunken, bei den Sympathisierenden der GLP ebenfalls um 12 Prozentpunkte. Bei den übrigen Parteien nahm sie ebenfalls leicht ab.

Das Resultat der Abstimmung zur Änderung der direkten Bundessteuer über die steuerliche Berücksichtigung der Kinderdrittbetreuungskosten war schliesslich deutlicher, als die Vorumfragen und die Ausgangslage viele Kommentatorinnen und Kommentatoren hatten vermuten lassen: Mit 63.2 Prozent Nein-Stimmen lehnte das Stimmvolk die Vorlage mit einer vergleichsweise hohen Stimmbeteiligung von 59.2 Prozent deutlich ab. Dieses Nein lasse jedoch einigen Interpretationsspielraum, betonten die Medien. So gab es zwischen den Kantonen doch beträchtliche Unterschiede: Am kritischsten zeigte sich die Stimmbevölkerung im Kanton Appenzell-Ausserrhoden (28.1%), gefolgt von denjenigen in Appenzell-Innerrhoden (29.3%) und Bern (29.5%), am höchsten lag die Zustimmung im Tessin (52.0%) und in Genf (50.1%), beide Kantonsbevölkerungen hätten die Vorlage angenommen. Allgemein wurde gemäss BFS ersichtlich, dass die italienischsprachige (52.0%) und die französischsprachige Schweiz (48.5%) der Vorlage deutlich mehr abgewinnen konnten als die Deutschschweiz. Kaum Unterschiede waren zwischen Stadt und Land erkennbar: Die ländlichen Regionen (35.3%) lehnten die Vorlage ähnlich stark ab wie die Kernstädte (35.8%). Das Resultat könne nicht mit dem Links-Rechts-Schema erklärt werden, betonte die NZZ. Stattdessen seien vor allem die persönliche Einstellung zur Familienpolitik und zur Rolle des Staates relevant gewesen. Die externe Kinderbetreuung würde in der Romandie stärker akzeptiert und durch den Staat stärker unterstützt als in der Deutschschweiz, betonte denn auch CVP-Ständerätin Marianne Maret (cvp, VS) gegenüber der NZZ. Entsprechend habe in der Westschweiz vor allem der Drittbetreuungsabzug im Mittelpunkt gestanden, während in der Deutschschweiz hauptsächlich über den Kinderabzug diskutiert worden sei, stellte SP-Nationalrätin Franziska Roth (sp, SO) fest. Eine zu späte Kampagne in der Romandie machte schliesslich SP-Nationalrat Roger Nordmann für den hohen Anteil Ja-Stimmen in der französischsprachigen Schweiz verantwortlich. Christian Levrat erachtete das Ergebnis insgesamt als Absage des Volkes an die bürgerliche Steuerpolitik und als Ausblick auf andere bürgerliche Projekte zur Abschaffung der Stempelabgabe, der Industriezölle, des Eigenmietwerts oder der Heiratsstrafe. Stattdessen müssten nun Familien mit tiefen und mittleren Einkommen entlastet werden, insbesondere durch die Senkung der Krankenkassenprämien und die kostenlose Bereitstellung von Kita-Plätzen. Philipp Kutter wollte die Entlastung von Familien weiterverfolgen und plante anstelle des Kinderabzugs einen Abzug vom Steuerbetrag. Dass neben der Erhöhung des Kinderabzugs auch die Erhöhung des Drittbetreuungsabzugs gescheitert war, erachtete Christa Markwalder nicht als entmutigend und setzte auf ihre eingereichte parlamentarische Initiative. Anders als bei der ersten Behandlung des Themas im Nationalrat, als sich die SP- und die Grüne-Fraktion gegen Eintreten ausgesprochen hatten, kündigte Christian Levrat an, die parlamentarische Initiative zu unterstützen. Dies sei aber nur ein erster Schritt, zusätzlich brauche es auch Lösungen, die sich für die Mehrheit der Bevölkerung auszahlten.


Abstimmung vom 27. September 2020

Beteiligung: 59.2%
Ja: 1'164'415 (36.8%)
Nein: 2'003'179 (63.2%)

Parolen:
- Ja: BDP (1*), CVP, EVP (1*), FDP (1*), SVP; SGV
- Nein: EDU, GLP (1*), GPS, PdA, SD, SP; SGB, SSV, Travail.Suisse, VPOD
- Stimmfreigabe: Economiesuisse, SAV
* Anzahl abweichender Kantonalsektionen

Steuerliche Berücksichtigung der Kinderdrittbetreuungskosten

S'il reconnaît le principe fondamental de liberté du commerce, Benjamin Roduit (pdc, VS) estime qu'une adaptation du code des obligations est indispensable afin de redonner des moyens aux registres du commerce pour éviter des situations intolérables. Le Conseil fédéral s'est opposé à la motion. Il a estimé que la législation actuelle était adéquate. La motion a été classée, faute d'avoir été traitée dans un délai de deux années.

Redonner des moyens aux registres du commerce (Mo. 18.3991)

Die in der Regel als relativ unbestritten geltenden Gesamterneuerungswahlen des Bundesgerichts wurden 2020 zur Vorlage für eine fast epische Diskussion um die Gewaltenteilung. Den Wahlen für die Amtsperiode 2021-2026 war nämlich die medial virulent diskutierte Ankündigung der SVP vorausgegangen, Yves Donzallaz, einen der SVP angehörenden Bundesrichter, nicht wiederzuwählen.
Ursprung der Weigerung der SVP war unter anderem ein Entscheid des Bundesgerichtes im Sommer 2019, einem Amtshilfegesuch Frankreichs zuzustimmen, das die Auslieferung von Bankkundendaten verlangte. In diesem Urteil hatte besagter Donzallaz laut Blick «das Zünglein an der Waage» gespielt, zum Unverständnis seiner Partei. In der Folge stellten SVP-Politiker in den Medien offen die Frage, «ob wir Bundesrichter unserer Partei wiederwählen wollen, wenn sie in keiner Weise unser Gedankengut vertreten» – so etwa Fraktionschef Thomas Aeschi (svp, ZG) in der Sonntagszeitung. Pirmin Schwander (svp, SZ) forderte in der gleichen Zeitung gar ein Amtsenthebungsverfahren gegen den eigenen Bundesrichter. Thomas Matter (svp, ZH) wiederum kündigte in der Liberté an, dass er den Namen dieses Richters bei dessen Wiederwahl sicher nicht vergessen werde. Donzallaz war laut der Basler Zeitung bereits 2015 von der Weltwoche als «Abweichler» bezeichnet worden, weil er mitentschieden hatte, dass das Freizügigkeitsabkommen mit der EU Vorrang vor der Masseneinwanderungsinitiative der SVP habe.
Gegen die Reaktion der SVP wurde in den Medien rasch Kritik laut. Sie wurde von vielen Kommentatorinnen und Kommentatoren als Angriff auf die Unabhängigkeit der Judikative oder als Respektlosigkeit gegenüber der Gewaltenteilung verurteilt. Diskutiert wurde in der Folge auch, ob Parteipolitik überhaupt einen Einfluss auf die Rechtsprechung haben dürfe – eine Frage, die auch mit der Justizinitiative einer Antwort harrt, die im Tages-Anzeiger als «grösste Profiteurin der Querelen» bezeichnet wurde. Auch die Weltwoche kritisierte einen Angriff auf die Gewaltenteilung, allerdings aus alternativer Perspektive: Die Judikative setze sich beim Urteil über die Herausgabe der Bankkundendaten im Verbund mit der Exekutive über die Legislative und den Souverän hinweg. Zu reden gab schliesslich auch der unmittelbar nach der SVP-Kritik gefällte Entscheid des SVP-Fraktionschefs Thomas Aeschi, in der Gerichtskommission Einsitz zu nehmen. Die SVP mache «die Richterwahlen zur Chefsache», urteilte die Aargauer Zeitung.

Kurz nach der Entscheidung des Bundesgerichtes im Herbst 2019 ebbte die entsprechende Diksussion zwar wieder ab, allerdings nur um rund ein Jahr später bei der Vorbereitung der Wiederwahl der Richterinnen und Richter des Bundesgerichts wieder sehr laut zu werden. Der Sonntagsblick berichtete rund drei Wochen vor der für die Herbstsession 2020 angesetzten Wahl von mehreren Quellen, die bestätigten, dass die SVP in der vorberatenden GK beantragt habe, Yves Donzallaz nicht mehr als Vertreter der SVP zu behandeln und ihn nicht mehr zur Wiederwahl zu empfehlen. Die Kommissionsmehrheit habe jedoch nicht auf die Forderungen eingehen wollen. In der NZZ gab Donzallaz zu Protokoll, dass die SVP seit Jahren versuche, die Justiz zu instrumentalisieren. Den Versuchen, das Recht einer politischen Ideologie zu unterwerfen, müsse aber entschieden entgegengetreten werden. Er sei nicht verpflichtet, gegenüber einer Partei Entscheidungen zu rechtfertigen. Zwar sei es legitim, die Rechtsprechung zu kritisieren, nicht aber Richterinnen und Richter persönlich anzugreifen. Donzallaz berichtete auch, dass er von keinen Druckversuchen durch andere Parteien wisse. «Ganz ehrlich glaube ich, es handelt sich dabei um ein spezifisches Problem der SVP», betonte er. In der Aargauer Zeitung bestätigte ein ehemaliger SVP-Bundesrichter, der jedoch nicht namentlich genannt werden wollte, dass Druckversuche der Volkspartei schon in den 1990er Jahren vorgekommen seien. Man habe sich aber stets auf den Standpunkt gestellt, dass man nicht auf das Parteibuch vereidigt worden sei.

Einige Wellen warf auch, dass Donzallaz von seiner eigenen Partei vor dem Wahlgeschäft zu einem Hearing eingeladen wurde. Der Bundesrichter selber sprach von einer «Gewissensprüfung». Er habe während der Diskussion vor der Fraktion ausgeschlossen, dass er beim Urteilen ein Parteiprogramm anwenden könne, da er nur Verfassung und Gesetz verpflichtet sei. Für die SVP-Fraktion argumentierte hingegen Gregor Rutz (svp, ZH), dass jede Richterin und jeder Richter eine politische Grundhaltung habe, die das eigene Urteil beeinflussen würde. Der Parteienproporz sei dazu da, dies zu berücksichtigen und auszugleichen. Wenn nun aber ein Richter die Grundhaltung «seiner Partei» nicht mehr teile, dann müsse Letztere korrigierend eingreifen. Laut Tages-Anzeiger machte die SVP ihrem Richter das Angebot, aus der Partei auszutreten. Als Parteiloser würde er auch von der SVP wiedergewählt, sei ihm beschieden worden.

Die politische Kritik am Verhalten der SVP wurde in der Folge lauter. Dass die Volkspartei die Institutionen nicht mehr respektiere, müsse Konsequenzen haben, forderte CVP-Präsident Gerhard Pfister (cvp, ZG) im Tages-Anzeiger. SP-Präsident Christian Levrat (sp, FR) forderte ein Nachdenken über ein neues Wahlsystem, wenn sich die SVP aus dem Konsens über einen freiwilligen Parteienproporz und die Unabhängigkeit der eigenen Richterinnen und Richter verabschiede. Diskutiert wurde etwa eine Wahl auf Lebenszeit, um Unabhängigkeit nach einer gewissen pluralistisch garantierten Wahl zu garantieren. Kritisiert wurden auch die Mandatssteuern, mit denen Richter zu stark an die eigene Partei gebunden würden. Zudem müsste auch eine Anzahl parteiloser Richter gewählt werden, vorgeschlagen etwa von einer unabhängigen Fachkommission. Freilich gab CVP-Bundesrichterin Julia Hänni im Blick zu bedenken, dass die Unabhängigkeit der Judikative in jedem System vor allem auch vom Respekt der Politik vor dieser Unabhängigkeit abhänge.

Am 9. September 2020 entschied die GK, alle wieder antretenden Bundesrichterinnen und Bundesrichter zur Wiederwahl zu empfehlen. Tags darauf gaben die Parteispitzen der CVP, FDP und SP bekannt, den eigentlich für die anstehende Herbstsession geplanten «Konkordanzgipfel», bei dem das Verfahren für die Besetzung des Bundesrats beziehungsweise die Suche nach einer neuen Zauberformel hätten diskutiert werden sollen, nicht durchführen zu wollen. Man könne mit einer Partei, welche die Institutionen geringschätze, nicht über Konkordanz diskutieren – so die Begründung. Die NZZ schlussfolgerte daraus, dass die SVP nicht nur die Unabhängigkeit der Justiz gefährde, sondern auch ihre eigene Position – auf dem Spiel stünden gar die eigenen Bundesratssitze. SVP-Fraktionschef Thomas Aeschi wehrte sich gegen den Vorwurf, die Partei halte nichts von der Gewaltentrennung. Bei den Gesprächen mit Donzallaz habe sich gezeigt, dass dieser die Werte der SVP nicht mehr vertrete. Die Partei könne deshalb die Verantwortung für dessen Wahl nicht mittragen. Seine Weigerung, aus der Partei auszutreten, zeuge zudem von «Charakterschwäche». Über Konkordanz werde man so oder so wieder reden; die Absage des Gipfels sei wohl eher dem Umstand geschuldet, dass man dafür keinen geeigneten Termin gefunden habe.

Noch mehr Öl ins Feuer goss dann die SP mit der Forderung, die Richterwahlen zu verschieben. Fraktionschef Roger Nordmann (sp, VD) wollte einen entsprechenden Ordnungsantrag einreichen. Es sei vor der Wahl abzuklären, wie unabhängig die Richterinnen und Richter der SVP seien. Sollte dieser Antrag nicht durchkommen, drohte Christian Levrat im Sonntagsblick, würde er gegen die Wiederwahl aller SVP-Richterinnen und -Richter stimmen. Auch dies provozierte Kritik: So äusserte sich etwa der Grüne Ständerat Matthias Zopfi (gp, GL) im Tages-Anzeiger, dass die anderen Parteien die Richterwahlen nicht noch mehr «verpolitisieren» sollten. Für GLP-Präsident Jürg Grossen (glp, BE) wäre eine kollektive Nichtwahl eine weitere Schwächung der Institution. Man habe ja kein Problem mit dem Gericht, sondern mit der SVP.

Wie so vieles in der Schweizer Politik wurde dann auch die Wahl der Bundesrichterinnen und Bundesrichter parlamentarisch wesentlich weniger heiss gegessen als es im Vorfeld medial aufgekocht wurde. Freilich wurden am 23. September 2020 in der Vereinigten Bundesversammlung im Rahmen des Ordnungsantrags der SP-Fraktion nochmals die parteipolitischen Klingen gekreuzt. Daniel Jositsch (sp, ZH) führte für seine Partei aus, dass die SVP «den politischen Kampf aus dem Parlament hinaus ins Bundesgericht tragen» wolle. Die Abwahlempfehlung eines eigenen Bundesrichters werfe die Frage auf, ob andere SVP-Richterinnen und -Richter noch unabhängig urteilen würden, wenn sie eine Abwahl befürchten müssten. Die Frage nach der Unabhängigkeit der SVP-Richterinnen und -Richter müsse die GK ab sofort vor jeder Wiederwahl prüfen, weshalb die Wahlen auf die Wintersession verschoben werden sollten. Andrea Caroni (fdp, AR) fasste als Sprecher der GK das Prozedere zusammen: Weil bei keiner der 37 wieder kandidierenden Personen Hinweise auf Amtspflichtverletzung gefunden worden seien, würden auch alle zur Wiederwahl empfohlen – diese Überprüfung sei nota bene die einzige Aufgabe der GK. Alle Fraktionen hätten den Entscheid, alle Richterinnen und Richter zur Wiederwahl zu empfehlen, unterstützt – mit Ausnahme der SVP, die die Wiederwahl von Bundesrichter Yves Donzallaz nicht unterstütze. Man habe in der GK auch über eine Verschiebung der Wahl und eine Art Gewissensprüfung diskutiert, dies aber verworfen, eben gerade weil die Unabhängigkeit der Judikative geschützt werden müsse. Mit einer Verschiebung würden alle 37 Kandidierenden dem Generalverdacht ausgesetzt, «Parteisoldaten» zu sein. Andererseits sei kaum zu erwarten, dass sich aufgrund einer Gewissensprüfung jemand als «fremdgesteuerten Parteisoldat» bezeichnen werde.
In der Folge legte Thomas Aeschi für die SVP auch im Parlament noch einmal dar, weshalb sie ihren Bundesrichter nicht zur Wiederwahl empfehlen könne. «Nicht die SVP politisiert die Justiz; die Justiz hat begonnen zu politisieren», führte der Fraktionschef aus. Da dürfe es nicht verwundern, dass die Zusammensetzung des Bundesgerichtes zum Thema werde. Man befürchte insbesondere, dass EU-Recht über Schweizer Recht gestellt werde, wogegen sich die SVP vehement wehre. Wenn nun aber ein eigener Richter die Werthaltungen seiner Partei nicht mehr teile, dann könne die SVP die Verantwortung für ihn nicht mehr tragen. «Wenn Sie, die anderen Fraktionen, Yves Donzallaz wiederwählen, sind Sie verantwortlich für sein künftiges richterliches Wirken: Dann ist er Ihr Richter, dann ist es Ihre Verantwortung», so Aeschi zum Schluss.

In der Folge wurde der Ordnungsantrag der SP-Fraktion mit 42 zu 190 Stimmen (6 Enthaltungen) abgelehnt – Zustimmung fand er ausschliesslich bei den Mitgliedern der SP-Fraktion. Anschliessend wurden alle 37 Kandidierenden wiedergewählt. Da auf den Wahlzetteln alle 37 Namen standen und lediglich gestrichen werden konnten, interessierten natürlich die individuellen Resultate. Am wenigsten von den 239 möglichen Stimmen erhielt wie erwartet Yves Donzallaz. Seine 177 Stimmen lagen aber klar über den nötigen 120 (absolutes Mehr). Die restlichen Kandidierenden erhielten zwischen 197 (Andreas Zünd, SP) und 236 Stimmen (Luca Marazzi, FDP; Thomas Stadelmann, CVP).
Auch die zur Wiederwahl stehenden 12 nebenamtlichen Bundesrichterinnen und -richter schafften die erneute Wahl problemlos (mit zwischen 220 und 236 von 240 möglichen Stimmen). Für den zurücktretenden Ulrich Meyer (SP) wurde Christoph Hurni (GLP) zum ordentlichen Richter gewählt (mit 232 von 241 Stimmen; 9 Wahlzettel blieben leer). Und schliesslich barg auch die Ergänzungswahl von sechs nebenamtlichen Richterinnen und Richtern keine Überraschungen mehr. Auch hier erhielten alle mehr als 200 von 239 möglichen Stimmen.

Freilich – so schloss die NZZ bereits am Tag vor der Wahl – stand das Schweizer Justizsystem bei diesen Wiederwahlen auf dem Prüfstand, auch wenn der Wahltag selbst ohne Überraschung endete. Eine Justizreform sei unumgänglich, folgerte auch der Tages-Anzeiger. Der Angriff der SVP sei zwar gescheitert und ein «Psychodrama» sei verhindert worden – so auch Le Temps, Tribune de Genève und Liberté –, die Justiz stehe nun aber unter Spannung. Dafür, dass die Diskussionen um die Wahl von Richterinnen und Richtern nicht versandet, wird auf jeden Fall die Justiz-Initiative sorgen.

Bundesgericht. Gesamterneuerungswahlen für die Amtsperiode 2021-2026
Dossier: Unabhängigkeit der Judikative

Zwischen dem 14. und dem 21. September 2020 fand das Differenzbereinigungsverfahren zum Covid-19-Gesetz statt. Dabei blieb das Programm der beiden Räte sehr gedrängt. Gleich zu Beginn des Verfahrens nahm der Nationalrat einen Ordnungsantrag Weichelt-Picard (al, ZG) an und verschob wie darin gefordert die Behandlung des Geschäfts auf den Folgetag, um der Kommission eine ausführlichere Diskussion der Differenzen zu ermöglichen.
Bei den Beratungen selber konnten die Räte dann die meisten Aspekte bereinigen, einzelne Fragen zu den Härtefallmassnahmen und zur Erwerbsersatzordnung blieben jedoch bis zum Schluss offen.

Bereinigen konnte das Parlament unter anderem die Fragen zum Gegenstand des Gesetzes. Hier pflichtete der Nationalrat dem Vorschlag des Ständerats bei, wonach der Bundesrat seine aussergewöhnlichen Befugnisse nur dann einsetzen darf, wenn eine Behandlung durch das Parlament zeitlich nicht möglich ist. Bezüglich des Einbezugs von Sozialpartnern, Gemeinden und Städten bei der Erarbeitung von Massnahmen brachte die Mehrheit der SGK-NR ihren anfänglichen Vorschlag erneut vor: So sollten zwar die Sozialpartner, nicht aber die Verbände von Gemeinden und Städten einbezogen werden. Entgegen anderen Anträgen der Minderheiten Prelicz-Huber (gp, ZH) im Nationalrat und Dittli (fdp, UR) im Ständerat stimmten beide Parlamentskammern diesem Vorschlag zu.

Bezüglich des Gesundheitsbereichs war lediglich die Frage nach dem Verbot von medizinischen Tätigkeiten noch offen. Hier wollte der Ständerat ausdrücklich festhalten, dass eine solche Einschränkung nur bei nicht dringenden Behandlungen möglich sein soll. Dem stimmte der Nationalrat zu, packte die Bestimmung aber in eine schlankere Formulierung.

Auch bei den ALV-Massnahmen, spezifisch bezüglich der Entschädigung von Lohnfortzahlungen durch die Arbeitgebenden, wurden sich die Räte einig. Der Ständerat hatte diesbezüglich zuvor kritisiert, dass der Bundesrat in den meisten Fällen Massnahmen vorschlage, welche eine Weiterarbeit der Betroffenen ermögliche, und es für diese Fälle keine Entschädigung brauche. Der Nationalrat nahm folglich den Vorschlag seiner Kommission an, wonach die Entschädigungen ausdrücklich auf Fälle eingegrenzt werden sollten, bei denen die Arbeit aufgrund behördlicher Massnahmen eingestellt werden muss. Dieser Formulierung konnte sich in der Folge auch der Ständerat stillschweigend anschliessen.

Bei den Ausländer- und Asylmassnahmen folgte der Nationalrat dem Ständerat bezüglich der Möglichkeit zur Fristerstreckung bei Ausreise, dem Erlöschen von Asyl und von vorläufigen Aufnahmen, obwohl er in der ersten Debatte einen entsprechenden Minderheitsantrag Crottaz (sp, VD) noch abgelehnt hatte. Diese Massnahme sei nötig, falls die epidemiologische Lage eine Ausreise aufgrund geschlossener Grenzen nicht erlaube, erklärte Kommissionssprecherin Humbel (cvp, AG). Der Nationalrat lehnte den Minderheitsantrag de Courten (svp, BL), der an der bisherigen Entscheidung des Nationalrats festhalten wollte, ab. Auch den ständerätlichen Vorschlag, wonach der Bundesrat bei Grenzschliessungen die Reisefreiheit der Grenzgängerinnen und Grenzgänger sowie von Einwohnerinnen und Einwohnern gewährleisten solle, hiess die grosse Kammer entgegen einem Minderheitsantrag Aeschi (svp, ZG) gut.

Bei den insolvenzrechtlichen Massnahmen stimmte der Nationalrat auf Antrag seiner Kommission der vom Ständerat geschaffenen Regelung, wonach auch bei Überschuldung eine Abweichung vom Gesetz möglich sein soll, stillschweigend zu. Hingegen beharrte er darauf, dass Transporteure nicht für Zollschulden, welche durch den Covid-19-bedingten Konkurs von Empfängern oder Importeuren entstanden ist, haftbar gemacht werden können. Hier gab sich der Ständerat in der nächsten Behandlungsrunde geschlagen.

Eine Lösung fand man auch bei den Massnahmen in der ALV. Offen war hier noch die Frage, ob Mitarbeitenden auf Abruf, in einem zeitlich begrenzten Arbeitsverhältnis, in einem Lehrverhältnis oder Temporärarbeitskräften ebenfalls Anspruch auf Erwerbsausfallentschädigungen zugesprochen werden kann. Der Nationalrat beharrte auf dieser Ausweitung, worauf die SGK-SR einen Kompromissvorschlag machte: Mitarbeitende auf Abruf in unbefristeten Arbeitsverhältnissen sollten EO beantragen können, nicht aber die übrigen aufgezählten Gruppen. Trotz anderslautenden Minderheitsanträgen im Ständerat (Graf, gp, BL) und Nationalrat (Prelicz-Huber) willigten beide Räte in diesen Kompromiss ein.

Bis zum Schluss umstritten waren Aspekte des Kulturbereichs. Zwar konnten die Räte auch in diesem Bereich zahlreiche Differenzen ausräumen. So einigten sie sich darauf, die Leistungsvereinbarungen der Kantone mit CHF 100 Mio. zu unterstützen, wie es der Nationalrat vorgeschlagen hatte. Zudem willigte der Nationalrat ein, dass der Bund bei den Sportvereinen keine Rangrücktritte machen soll. Bei der Unterstützung für besonders stark betroffene Unternehmen setzte sich der Nationalrat bezüglich der Kann-Formulierung durch: Die Unterstützung bleibt somit für den Bundesrat freiwillig. Zudem kann der Bundesrat diesbezüglich zukünftig A-Fonds-perdu-Beiträge ausrichten. Man einigte sich überdies darauf, dass Unternehmen zwar prinzipiell nur Härtefallmassnahmen beanspruchen können, wenn sie keine anderen Finanzhilfen beanspruchen, schränkte diese Regelung aber noch etwas ein: KAE, EO und die Covid-Kredite sollen dabei nicht berücksichtigt werden. Dass teilweise nur um einzelne Ausdrücke gestritten wurde, zeigte die Frage, wie «fit» die Unternehmen zum Erhalt von Härtefallmassnahmen sein müssen. Einig war man sich, dass Unternehmen ohne Zukunftsperspektive keine Hilfe mehr erhalten sollten. Die Räte entschieden sich jedoch gegen die Begriffe «gesund» (Ständerat, erste Behandlung), «profitabel» (Nationalrat, zweite Behandlung) und «profitabel und überlebensfähig» (Ständerat, zweite Behandlung) und bevorzugten stattdessen «profitabel oder überlebensfähig» (Nationalrat, dritte Behandlung). Ein weiterer Versuch durch eine Minderheit Weichelt-Picard, Unterstützung für die Institutionen der familienergänzenden Kinderbetreuung zu erhalten, diesmal über deren Aufführung bei den besonders stark betroffenen Branchen, scheiterte erneut.
Bis zum Schluss des Differenzbereinigugsverfahrens umstritten blieb schliesslich die Frage der Definition eines Härtefalls und seiner Bedingungen. Kann ein Härtefall als Rückgang des Jahresumsatzes auf unter 60 Prozent des mehrjährigen Durchschnitts (Ständerat) definiert werden, wobei auch die Gesamtvermögenssituation berücksichtigt werden soll, oder müssen dafür vielmehr die Zahlen zur Umsatzeinbusse und zum Insolvenzrisiko betrachtet werden (Nationalrat)? Diese Frage musste in der Einigungskonferenz entschieden werden, die gleich im Anschluss an die Differenzbereinigung stattfand.

Ebenfalls keine Einigung im Differenzbereinigungsverfahren fand man bei einzelnen Massnahmen zur Entschädigung des Erwerbsausfalls. Einig wurde man sich zwar bezüglich der Frage, ob Selbständigerwerbende und Personen in arbeitgeberähnlicher Stellung ebenfalls Anspruch auf EO erhalten sollten. Hier setzte sich der Nationalrat durch, der eine entsprechende Regelung gefordert hatte. Die Schaffung einer Obergrenze des anzurechnenden Betrags bei EO (erste Behandlung des Nationalrats) respektive eine Obergrenze des anrechenbaren Einkommens (zweite Behandlung des Nationalrats) legten die Räte jedoch nicht fest, weil sie die Schaffung eines Schwellenwertes verhindern wollten; diese Fragen soll der Bundesrat in entsprechenden Verordnungen entscheiden. Des Weiteren war umstritten, ob ein Erwerbsausfall nachgewiesen werden muss und ob die selbstdeklarierte Höhe des Erwerbsausfalls ausbezahlt werden soll. Dies wollte der Nationalrat aufgrund eines breit abgestützten Einzelantrags Mettler/Meyer/Rösti/Roduit durch Stichproben sicherstellen, was der Ständerat mit einer etwas abgeänderten Formulierung akzeptierte. Schliesslich gab sich der Ständerat auch bei der Verwendung der Arbeitgeberbeitragsreserven durch die Arbeitgeber zur Bezahlung der BVG-Beiträge geschlagen.
Nicht einig wurde man sich auch bei der Frage, wer EO erhalten soll. Anfänglich stritten sich die Räte diesbezüglich darüber, ob nur bei Unterbrechung oder auch bei massgeblicher Einschränkung der Erwerbstätigkeit Erwerbsersatz ausgerichtet werden kann. Dann schlug der Ständerat vor, die Einschränkungen zu beziffern: Bei Umsatzeinbussen von mindestens 60 Prozent im Vergleich zu den Vorjahren soll ein EO-Bezug möglich sein. Der Nationalrat fürchtete sich jedoch diesbezüglich vor Schwelleneffekten und nahm einen entsprechenden Einzelantrag Mettler/Meyer/Prelicz-Huber/Roduit/Rösti/Sauter an, weshalb der Ständerat die Regelung präzisierte: Bei einer Umsatzeinbusse von mindestens 65 Prozent gilt man als «massgeblich eingeschränkt», bei Umsatzeinbussen zwischen 60 und 65 Prozent können Erwerbsausfallentschädigungen dann beantragt werden, wenn das durchschnittliche massgebliche Einkommen 2015 bis 2019 unter CHF 90'000 liegt. Ansonsten wird ein Einkommen von CHF 90'000 angerechnet. Wichtig sei der Kommissionsmehrheit, dass die gesamte Vermögens- und Kapitalsituation berücksichtigt werde, betonte Kommissionssprecher Rechsteiner (sp, SG). Über diesen Vorschlag musste entsprechend ebenfalls die Einigungskonferenz entscheiden.
Umstritten war diesbezüglich auch die Frage, bis wann Artikel 10 zum Erwerbsausfall gelten soll. Der Bundesrat hatte eine Geltungsdauer bis Ende 2022 vorgeschlagen, der Nationalrat wollte diese aber auf Juni 2021 beschränken. Aufgrund eines Einzelantrags Feller (fdp, VD) erlaubte die grosse Kammer überdies eine rückwirkende Inkraftsetzung dieses Artikels auf den 17. September 2020. Damit wollte er die Möglichkeit auf Rückwirkung schaffen, welche der Bundesrat in einer Medienmitteilung angekündigt hatte, aber die ohne Rechtsgrundlage nicht möglich sei, betonte Feller. Nachdem die SGK-SR noch die Kann-Formulierung zur Rückwirkung gestrichen hatte, willigten beide Räte ein.

Bundesgesetz über die gesetzlichen Grundlagen für Verordnungen des Bundesrates zur Bewältigung der Covid 19-Epidemie (Covid-19-Gesetz; BRG 20.058)
Dossier: Covid-19-Gesetz und Revisionen

In der Herbstsession 2020 machte sich der Nationalrat an die Beratung des Covid-19-Gesetzes, was mit 10 Mehrheits-, 33 Minderheits- und 27 Einzelanträgen eine lange Sache zu werden versprach. Für die Kommission erklärten Philippe Nantermod (fdp, VS) und Ruth Humbel (cvp, AG) den Rahmen des Gesetzes. Dieses definiere, «was der Bundesrat tun darf, um die Auswirkungen der Covid-19-Epidemie auf Gesellschaft, Wirtschaft und Behörden zu bekämpfen», fasste Ruth Humbel seinen Inhalt zusammen. Damit würde «Notrecht in ordentliches Recht überführt» und entsprechend für einen Teil der 18 seit März 2020 geschaffenen Verordnungen, die sich direkt auf die Verfassung gestützt hatten, eine gesetzliche Grundlage geschaffen, erklärte Bundeskanzler Walter Thurnherr, der den Bundesrat in der Debatte vertrat. Das Covid-19-Gesetz solle gemäss den Kommissionssprechenden überdies dringlich erklärt, aber nur bis Ende 2021 (einzelne Ausnahmen bis Ende 2022) gültig sein; hier war der Bundesrat den Vernehmlassungsteilnehmenden entgegengekommen. Einerseits stellte Philippe Nantermod das Gesetz als Rückkehr zum «normalen Recht» dar, betonte jedoch auch, dass es dem Bundesrat sehr wichtige Kompetenzen erteile. Die SGK-NR sei sich aber einig gewesen, dass das Gesetz nötig sei; entsprechend sei sie einstimmig darauf eingetreten und habe die Vorlage schliesslich mit 18 zu 6 Stimmen bei 1 Enthaltung angenommen. Ruth Humbel ergänzte ausdrücklich, dass es – entgegen der zahlreichen Briefe, die sie diesbezüglich empfangen habe – im Covid-19-Gesetz weder um Impfungen im Allgemeinen noch um eine Impfpflicht im Speziellen gehe.
In der nachfolgenden Behandlung nahm der Nationalrat zahlreiche Änderungen am bundesrätlichen Entwurf vor und nahm die neue Version zum Schluss deutlich an.

Vor der Detailberatung lagen dem Nationalrat aber ein Antrag Addor (svp, VS) auf Nichteintreten sowie ein Antrag Schwander (svp, SZ) auf Rückweisung des Gesetzes an den Bundesrat vor. Jean-Luc Addor begründete seinen Nichteintretensantrag damit, dass dem Bundesrat keine Blankovollmacht ausgestellt werden dürfe, sondern dass das Parlament nötige Massnahmen per ordentlichem Gesetz erlassen solle. Die aktuellen Massnahmen seien unverhältnismässig und nur aufgrund künstlich aufrechterhaltener Angst durchsetzbar, kritisierte er. Diese «Gesundheitsdiktatur» müsse entsprechend beendet werden. Pirmin Schwander begründete seinen Ordnungsantrag ähnlich: Der Bundesrat solle sich zukünftig nicht auf Notrecht stützen, sondern die Bundesversammlung für dringende Bundesbeschlüsse einberufen. Dabei ging er davon aus, dass die bestehenden Bundesbeschlüsse zu den Finanzausgaben zur Bekämpfung der Folgen der Corona-Pandemie ausreichten, und betonte, dass der Bundesrat ansonsten dort Lücken schliessen solle, wo dies noch nötig sei. Philippe Nantermod entgegnete im Namen der Kommission, dass es im Gesetz eben nicht nur um Budgets und Haushaltsbefugnisse gehe, sondern auch um den Rahmen für die Umsetzung der finanziellen Bestimmungen. Entschiede sich der Rat für Nichteintreten, würden überdies alle geltenden Bundesratsverordnungen hinfällig, wodurch die entsprechenden Entlastungsmassnahmen – zum Beispiel im Rahmen der EO – entfallen würden. Mit 173 zu 18 Stimmen sprach sich der Rat in der Folge gegen den Ordnungsantrag Addor und mit 163 zu 26 Stimmen (bei 4 Enthaltungen) gegen den Ordnungsantrag Schwander für Eintreten aus. Die ablehnenden Stimmen stammten jeweils aus der SVP-Fraktion.

Anschliessend folgte die Detailberatung, bei der die verschiedenen Artikel in unterschiedlichem Masse umstritten waren. Bereits beim ersten Artikel, welcher den Gegenstand des Gesetzes zum Inhalt hatte, nahm der Nationalrat einige Änderungen vor. In der bundesrätlichen Version besagte der Artikel nur, dass es im Gesetz ausschliesslich um die Bewältigung der Covid-19-Pandemie geht und dass der Bundesrat auch die Kantone in die Erarbeitung von Massnahmen einbezieht, wenn sie in ihrer Zuständigkeit betroffen sind – eine Konzession, die der Bundesrat nach der Vernehmlassung an die Kantone gemacht hatte. Diesen Einbezug wollte die SGK-NR auf die Sozialpartner, eine Minderheit Prelicz-Huber (gp, ZH) sowie Einzelanträge der SPK-NR und der KVF-NR auch auf Verbände der Gemeinden und Städte ausdehnen. Damit die Massnahmen zufriedenstellend umgesetzt werden könnten, sei es wichtig, dass alle wichtigen Akteure einbezogen würden, erklärte Katharina Prelicz-Huber. Für den Bund seien bei der Umsetzung nur die Kantone direkte Ansprechpartner, zudem seien Gemeinden und Städte vom Covid-19-Gesetz gar nicht direkt betroffen, erwiderte hingegen der Kommissionssprecher. Dennoch folgte der Rat sowohl der Kommissionsmehrheit bezüglich der Kantone als auch der Minderheit Prelicz-Huber sowie den Einzelanträgen bezüglich der Städte und Gemeinden deutlich (191 zu 3 Stimmen; 150 zu 43 Stimmen bei 2 Enthaltungen). Doch nicht nur Kantone, Städte und Gemeinden, auch die Organe der Bundesversammlung sowie die Präsidentinnen oder Präsidenten der zuständigen Kommission wollte der Nationalrat in dringlichen Fällen einbezogen wissen. Er folgte dabei zwei Einzelanträgen Rutz (svp, ZH) und stellte sich damit gegen Anträge seiner Kommission (153 zu 39 Stimmen bei 1 Enthaltung; 192 zu 2 Stimmen bei 1 Enthaltung). Kommissionssprecher Nantermod hatte diese Forderungen zuvor mit der Begründung abgelehnt, dass die Anhörung des Parlaments beim ordentlichen Recht, um das es hier gehe, bereits im Parlamentsgesetz geregelt sei.
Erfolgreich waren auch die Einzelanträge Glättli (gp, ZH) und Grüter (svp, LU), welche die Einreichung von fakultativen Referenden temporär ohne Stimmrechtsbescheinigungen möglich machen und die Bundeskanzlei mit der nachträglichen Bescheinigung der Stimmen bei den Gemeinden beauftragen wollten (140 zu 52 Stimmen bei 2 Enthaltungen). Stillschweigend nahm der Rat zudem einen Vorschlag der Kommission an, wonach sich der Bundesrat zum Erlass seiner Massnahmen an verfügbare Daten bezüglich Überlastung des Gesundheitssystems, Sterblichkeit sowie schwerer Krankheitsverläufe orientieren solle. Abgelehnt wurden hingegen eine Änderung des Ziels des Gesetzes hin zu einer Bekämpfung der Übersterblichkeit infolge der Covid-19-Epidemie anstelle der Bekämpfung der Epidemie selber, wie es der Bundesrat formuliert hatte (Einzelantrag Nidegger, svp, GE: 141 zu 52 Stimmen) sowie ein Minderheitsantrag Glarner (svp, AG; 137 zu 54 Stimmen), der das Subsidiaritätsprinzip ausdrücklich im Gesetz verbriefen wollte. Zuerst müsse auf Eigenverantwortung und kantonale Mittel gesetzt werden, bevor der Bund eingreife, begründete Thomas de Courten (svp, BL) diesen Minderheitsantrag. Die Kommissionsmehrheit erachtete eine solche Klarstellung als unnötig, zumal das Subsidiaritätsprinzip bereits in der Verfassung verankert sei.

Besonders umstritten waren die Bestimmungen zum Ausländer- und Asylbereich, die mit zahlreichen Minderheits- und Einzelanträgen hinterfragt wurden. Hier sah das Covid-19-Gesetz vor, dem Bundesrat die Kompetenz zu erteilen, vom AIG und Asylgesetz abweichende Bestimmungen bezüglich Einreise, gesetzlicher Fristen und Unterbringung von Asylsuchenden zu erlassen. Eine erfolgreiche Kommissionsmehrheit wollte jedoch die Einreisebeschränkungen beim Familiennachzug und bei Konkubinatspartnerinnen und -partnern und ihren Kindern von dieser Möglichkeit ausschliessen, um übermässig lange Familientrennungen wie beim Lockdown im Frühling zu verhindern. Zudem wollte eine Minderheit Meyer (sp, ZH) den Zugang zu Asylverfahren ausdrücklich gewährleisten, um zu verhindern, dass die Möglichkeiten für Asylsuchende, einen Asylantrag zu stellen, wie im Frühling eingeschränkt würden. Dies widerspreche dem zwingenden Völkerrecht, betonte sie. Die Kommissionssprechenden Nantermod und Humbel lehnten eine entsprechende Regelung ab, zumal sie dem zwingenden Völkerrecht angehöre und somit in jedem Fall anwendbar sei. Entsprechend sprach sich der Nationalrat auch mit 122 zu 71 Stimmen (bei 1 Enthaltung) für den Vorschlag der Kommission und gegen den Minderheitsantrag Meyer aus.
Die übrigen Anträge in diesem Themengebiet waren ebensowenig erfolgreich. Eine Minderheit Crottaz (sp, VD) schlug vor, die Fristen nicht nur wie vom Bundesrat beantragt beim Familiennachzug, dem Erlöschen von Aufenthaltsbewilligungen und der Erneuerung von biometrischen Ausweisen verlängern zu können, sondern auch bei der Ausreise, beim Erlöschen von Asyl und bei vorläufigen Aufnahmen. Man könne die betroffenen Personen nicht zwingen, in ihr Heimatland zurückzukehren, wenn die Epidemie dort unkontrolliert wüte. Bei der Unterbringung von Asylsuchenden solle zudem gemäss einer weiteren Minderheit Crottaz der nötigen physischen Distanz Rechnung getragen werden, weshalb im Gesetz nicht nur Unterbringungszentren des Bundes, sondern auch alle anderen Strukturen, die Migranten aufnehmen können, erwähnt werden sollen. Zu beiden Vorschlägen lagen gleichlautende Einzelanträge aus der SPK-NR vor, dennoch lehnte der Nationalrat beide Anliegen ab (123 zu 72 Stimmen, 122 zu 72 Stimmen). Ebensowenig von Erfolg gerkrönt war eine Minderheit Glarner (141 zu 54), die verlangte, die Ausschaffungshaft verurteilter krimineller Ausländerinnen und Ausländer verlängern zu können, wenn ihre Ausreise im Moment nicht möglich sei. Gemäss Gesetz müssten diese aus der Haft entlassen werden. Zusätzliche Unterstützung für Flüchtlinge und Sans-Papiers, die wegen Covid-19 besonderer Unterstützung bedürften, forderte hingegen eine Minderheit Prelicz-Huber. Dies liege jedoch in der Zuständigkeit der Kantone, betonte Nantermod für die Kommission. Mit 128 zu 69 Stimmen wurde auch dieser Vorschlag abgelehnt.

Ebenfalls für ausführliche Diskussionen sorgten die Bestimmungen zur Entschädigung des Erwerbsausfalls. Diese wollte der Bundesrat ausschliesslich für Personen vorsehen, die ihre Erwerbstätigkeit aufgrund von Corona-Massnahmen unterbrechen müssen, und dafür Bestimmungen zu Beginn und Ende des Anspruchs, zur Höhe der Taggelder und Bemessung sowie zum Verfahren erlassen können. Albert Rösti (svp, BE) schlug in einem Einzelantrag vor, die Entschädigungen nicht nur bei Unterbrechung, sondern auch bei Einschränkung der Erwerbstätigkeit zu ermöglichen. Die bundesrätliche Kann-Formulierung zur Entschädigung wollte eine Minderheit Meyer zudem in eine Pflicht umwandeln: In gewissen, in einer Liste aufgeführten Fällen soll eine Erwerbsausfallentschädigung zwingend anfallen. In gemeinsamen Einzelanträgen schlugen Melanie Mettler (glp, BE), Mattea Meyer und Albert Rösti sowie Sidney Kamerzin (cvp, VS) und Marie-France Roth Pasquier zudem vor, EO-Entschädigungen auch an Selbstständige in arbeitgeberähnlicher Position auszubezahlen. Hier zeigte sich der Nationalrat zu einem gewissen Ausbau gewillt: Er bevorzugte den Einzelantrag Rösti gegenüber dem Minderheitsantrag Meyer (108 zu 86 Stimmen) und nahm die Anträge Mettler/Meyer/Rösti sowie Kamerzin/Roth Pasquier mit 191 zu 3 Stimmen deutlich an. Damit schuf er eine allgemeine Möglichkeit zur Entschädigung bei Einschränkungen der Erwerbstätigkeit und eine spezifische Entschädigungsmöglichkeit für einen Teil der Selbständigen.
Nicht nur bezüglich der Antragsberechtigten, auch bezüglich der Höhe des Anspruchs auf EO nahm der Nationalrat Änderungen vor. So beschränkte er die Obergrenze des anzurechnenden Betrags auf CHF 90'000 (Einzelantrag Badran, sp, ZH: 103 zu 90 Stimmen bei 1 Enthaltung) und schränkte die Entschädigung im Umfang des selbstdeklarierten Erwerbsausfalls auf Fälle ein, bei denen ein Erwerbsausfall nachgewiesen wurde (Einzelantrag Grossen, glp, BE: 164 zu 29 Stimmen). Schliesslich entschied sich die grosse Kammer für den Mehrheitsantrag und gegen eine Minderheit Gysi (sp, SG) und erlaubte den Arbeitgebenden weiterhin, bei Liquiditätsengpässen ihre Arbeitgeberbeitragsreserven zur Bezahlung der Pensionskassenbeiträge zu verwenden (130 zu 64). Barbara Gysi hatte sich an dieser Möglichkeit gestört, da solche Reserven zukünftig abziehbar von den Steuern wiederaufgebaut werden könnten, dies also ein «Vehikel zur Steuerersparnis» darstelle.

Umstritten waren auch die Massnahmen zur ALV; hier übernahm der Bundesrat die Regelungen aus der neusten Version der Covid-19-ALV-Verordnung. So sollte er die Möglichkeit erhalten, vom AVIG abweichende Bestimmungen bezüglich Anspruch auf KAE, Ablauf des Anmeldungs- und Abrechnungsverfahrens zu KAE, Berücksichtigung von Abrechnungsperioden und zur Rahmenfrist bei der ALV zu erlassen. Die Kommissionsmehrheit, verschiedene Minderheiten und Einzelanträge bemühten sich insbesondere darum, den Kreis der Unterstützten innerhalb und ausserhalb der KAE zu vergrössern. Die Kommission wollte etwa den Anspruch auf Mitarbeitende auf Abruf, Personen im Lehrverhältnis und Angestellte bei Temporärfirmen ausdehnen, eine Minderheit Prelicz-Huber wollte Personen mit verschiedenen Arbeitgebenden, Projektaufträgen oder Gagen sowie Personen in arbeitgeberähnlicher Stellung miteinbeziehen. Die Kommission setzte sich gegen eine Minderheit Dobler (fdp, SG), welche die Ausdehnung des Anspruchskreises verhindern wollte, mit 111 zu 81 Stimmen (bei 3 Enthaltungen) durch, eine weitere Ausdehnung im Sinne der Minderheit Prelicz-Huber lehnte der Nationalrat aber mit 110 zu 85 Stimmen ab. Eine Minderheit Feri (sp, AG) beantragte darüber hinaus die Schaffung einer Möglichkeit für eine von KAE-unabhängige Unterstützung für Institutionen der familienergänzenden Betreuung, da diese systemrelevant seien. Zwar hätten viele Kantone, Städte und Gemeinden das Problem «an die Hand genommen», es bestehe aber noch immer Unsicherheit bezüglich Zuständigkeit und Finanzierung. Eine Minderheit Weichelt-Picard (al, ZG) wollte die Regierung sogar zur Unterstützung dieser Institutionen verpflichten. Der Rat bevorzugte zwar die Kann-Formulierung von Yvonne Feri gegenüber der Muss-Formulierung von Manuela Weichelt-Picard (140 zu 46 Stimmen bei 8 Enthaltungen), lehnte Erstere anschliessend aber mit 100 zu 93 Stimmen (bei 3 Enthaltungen) knapp ab.
Auch die übrigen Anträge in diesem Themenbereich waren allesamt erfolglos: Die grosse Kammer lehnte zwei Vorschläge einer Minderheit Maillard (sp, VD) ab: Einerseits sollten Arbeitnehmende mit tiefen Löhnen unterstützt werden, indem ihr Lohnersatz auf 100 Prozent erhöht werden sollte (126 zu 68 Stimmen bei 1 Enthaltung). Andererseits sollten die Reserven der Krankenkassen auf 150 Prozent der gesetzlich vorgeschriebenen Höhe gesenkt und der frei werdende Betrag den Versicherten im ersten Halbjahr 2021 ausbezahlt werden, um die Kaufkraft allgemein zu stärken (117 zu 77 Stimmen bei 1 Enthaltung). Abgelehnt wurde überdies auch eine Minderheit Glarner (135 zu 59 Stimmen bei 1 Enthaltung), die freiwillige Leistungen an juristische Personen mit Sitz in der Schweiz zu deren Unterstützung während der Corona-Krise steuerlich abzugsfähig machen wollte.

Eine ähnliche Stossrichtung wie die Massnahmen zur ALV hatte der Artikel zum Arbeitnehmerschutz, der Massnahmen zum Schutz besonders gefährdeter Arbeitnehmenden zum Inhalt hatte, mit denen Arbeitgebenden zusätzliche Pflichten auferlegt werden können sollten. Diesbezüglich wollte die Kommission einen Anspruch auf Rückerstattung der Kosten bei Lohnfortzahlung durch die Arbeitgebenden einführen. Würde also aufgrund des Gesetzes eine Quarantäne beschlossen, müsste das Gehalt der Arbeitnehmenden womöglich vom Staat übernommen werden, erklärte Philippe Nantermod. Eine Minderheit I Aeschi (svp, ZG) lehnte diese Forderung ab: Dadurch auferlege man dem Bund neue Pflichten, obwohl man nicht wisse, was die Massnahme kosten würde. Eine Minderheit II Prelicz-Huber wollte den Artikel hingegen so umformulieren, dass nicht nur besonders gefährdete Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer unterstützt werden sollten, sondern auch andere Arbeitnehmende. Die Kommissionsmehrheit setzte sich mit 134 zu 61 Stimmen und 126 zu 66 Stimmen gegen die beiden Minderheiten durch; der Nationalrat schuf folglich einen entsprechenden Anspruch für die Unternehmen.

Eine breite Palette an Handlungsmöglichkeiten behielt sich der Bundesrat im Kulturbereich vor. So wollte er die Möglichkeiten behalten, Unternehmen und Kulturschaffende zu unterstützten, sich weiterhin mit maximal CHF 80 Mio. an Leistungsvereinbarungen der Kantone zu beteiligen, Suisseculture im Jahr 2021 mit CHF 20 Mio. zu unterstützen, einen Anteil an die Lebenshaltungskosten für Kulturschaffende zu zahlen, Entschädigungen für Kulturvereine im Laienbereich zu erbringen sowie die Beitragskriterien und Bemessungsgrundlagen für Finanzhilfen im Kulturbereich festzulegen. Trotz dieser vielen Massnahmen wurden in diesem Bereich zahlreiche Minderheits- und Einzelanträge von Personen gestellt, welchen die Massnahmen des Bundesrates zu wenig weit gingen. So wollte eine Kommissionsmehrheit den Kredit für die Leistungsvereinbarungen auf CHF 100 Mio. und eine Minderheit II Porchet (gp, VD) gar auf CHF 150 Mio. erhöhen, während eine Minderheit Glarner den bundesrätlichen Vorschlag bevorzugte. Mit 117 zu 78 Stimmen und 127 zu 68 Stimmen setzte sich die Kommissionsmehrheit diesbezüglich durch. Mehr Geld forderte eine weitere Minderheit Porchet auch für Suissculture (CHF 50 Mio.), was der Nationalrat jedoch ablehnte. Minderheits- und Einzelanträge Rytz (gp, BE), Roduit (cvp, VS) und Paganini (cvp, SG) forderten überdies eine Unterstützung des Bundesrates im Eventbereich (Rytz), in der Reisebranche (Roduit) sowie allgemein für von den Folgen von Covid-19 besonders stark betroffene Unternehmen in verschiedenen, abschliessend aufgelisteten Branchen (Paganini). Nachdem Rytz und Roduit ihre Anträge zugunsten des Antrags Paganini zurückgezogen hatten, stimmte der Nationalrat Letzterem mit 192 zu 1 Stimmen (bei 2 Enthaltungen) überdeutlich zu und löste die nötige Ausgabenbremse. Auch die Fussball- und Eishockeyvereine sollten beruhend auf Einzelanträgen von Matthias Aebischer (sp, BE), Philipp-Matthias Bregy (cvp, VS), Jürg Grossen, Diana Gutjahr (svp, TG) und Christian Wasserfallen (fdp, BE) mit zinslosen Darlehen unterstützt werden, welche in zehn Jahren zurückgezahlt werden müssen (135 zu 34 Stimmen bei 19 Enthaltungen). Dazu müssten die Vereine Sicherheiten im Umfang von 25 Prozent vorlegen, dafür wären Rangrücktritte durch den Bund – also eine Einwilligung des Bundes, dass seine Forderungen im Falle einer Insolvenz letzte Priorität hätten – möglich. Nicht erfolgreich waren hingegen Minderheitsanträge von Barbara Gysi für einen Einbezug der Dachverbände im Kulturbereich bei der Erarbeitung der entsprechenden Beitragskriterien (112 zu 83 Stimmen bei 1 Enthaltung) sowie von Léonore Porchet für eine Ausfallversicherung für Veranstaltungen im Stile von Versicherungen gegen Nuklear- oder Elementarschäden (124 zu 68 Stimmen bei 2 Enthaltungen).

Bezüglich der Massnahmen im Bereich der Grundversorgung bestanden zwar weniger Minderheits- oder Einzelanträge, dennoch nahm dieser Bereich gemäss zahlreichen Sprechenden in der öffentlichen Kritik am Covid-19-Gesetz eine wichtige Rolle ein. So wollte der Bundesrat die Gesundheitsbranche verpflichten können, den Bestand an Heilmitteln und Gütern der Gesundheitsversorgung zu melden, und verlangte verschiedene Ausnahmekompetenzen zur Gewährleistung der Versorgung der Bevölkerung. Dabei standen gemäss Regierung vor allem die Bewilligungspflicht für Tätigkeiten und Medikamente im Mittelpunkt. Die Kritikerinnen und Kritiker – vor allem ausserhalb des Parlaments – werteten dies aber als Möglichkeit, einen Impfzwang einzuführen. Entsprechend häufig verwiesen auch verschiedene Sprechende während der Debatte darauf, dass es hier nicht um Impfungen gehe und dass beruhend auf dem Covid-19-Gesetz auch kein Impfzwang eingeführt werden könne. Doch auch Mitglieder des Parlaments zeigten sich kritisch gegenüber der Möglichkeit, dass Arzneimittel unter Umgehung eines Teils der bisherigen Bedingungen zugelassen werden könnten. Eine Minderheit Weichelt-Picard forderte entsprechend, dass die Arzneimittel, deren Zulassungsverfahren angepasst werden könnten, im Gesetz ausdrücklich aufgezählt würden. Ein Einzelantrag Gafner (edu, BE) wollte die Ausnahme bei der Zulassungspflicht gar ganz aus dem Gesetz streichen. Dem entgegnete Kommissionssprecher Nantermod, dass schnelles Handeln bei der Medikamentenzulassung zentral sei, damit man Patientinnen und Patienten nicht hoffnungsvolle, wirksame Therapien vorenthalten müsse. Mit 153 zu 33 Stimmen (bei 1 Enthaltung) und 140 zu 48 Stimmen lehnte der Nationalrat sowohl den Minderheitsantrag als auch den Einzelantrag Gafner ab. Manuela Weichelt-Picard beantragte des Weiteren, dass der Bundesrat wichtige medizinische Güter, die er zuvor beschafft hatte, lagern solle und dass er die Kostenübernahme für Covid-Analysen regeln müsse, nicht könne, wie der Bundesrat in seinem Entwurf vorgeschlagen hatte. Auch diese Minderheitsanträge waren nicht von Erfolg gekrönt: Mit 126 zu 69 Stimmen sprach sich die grosse Kammer dagegen aus, dass der Bundesrat die dringenden medizinischen Güter selber lagere, und blieb mit 127 zu 68 Stimmen bei der Kann-Formulierung zur Übernahme der Covid-Analyse-Kosten.

Keine Änderungen nahm der Nationalrat am bundesrätlichen Vorschlag zum Medienbereich vor, wo Grundlagen geschaffen werden sollten, mit denen die Kosten der Tageszustellung der Regional- und Lokalpresse bis zum Inkrafttreten des Massnahmenpakets zur Förderung der Medien vollständig übernommen werden und sich der Bund an den Kosten der Tageszustellung der überregionalen- und nationalen Presse mit 27 Rappen pro Exemplar beteiligen könnte. Dies war insbesondere aufgrund eines Einbruchs der Werbeeinnahmen bei den Printmedien nötig geworden und von zwei Motionen der KVF-NR und KVF-SR (Mo. 20.3145 und Mo. 20.3154) verlangt worden. Überdies sollte ein Teil der Abonnementskosten von Keystone-SDA durch den nicht verwendeten Betrag der Radio- und Fernsehabgabe bezahlt werden. Als Voraussetzung für die Unterstützung sollten sich die Unternehmen jedoch verpflichten, während des aktuellen Geschäftsjahrs keine Dividenden auszuschütten. Während eine Minderheit Glarner die Massnahmen im Medienbereich vollständig ablehnte, um die Medienfreiheit und -unabhängigkeit zu wahren, wie Thomas de Courten erklärte, wollte eine Minderheit Aeschi nicht nur abonnierte, sondern auch nicht abonnierte Zeitungen, also die Gratiszeitungen, unterstützen. Es gebe auch viele Gratiszeitungen mit guter Qualität, argumentierte Aeschi. Beide Anträge lehnte der Nationalrat ab (Antrag Glarner: 124 zu 69 Stimmen bei 3 Enthaltungen, Antrag Aeschi: 116 zu 77 Stimmen bei 3 Enthaltungen). Auch einer Ausdehnung der Unterstützung bei den Abonnementskosten auf Onlinemedien, wie sie eine Minderheit Porchet vorschlug, konnte der Rat nichts abgewinnen (127 zu 67 Stimmen).

Nur eine Anpassung der deutschsprachigen an die französischsprachige Version nahm der Nationalrat bei den justiziellen und verfahrensrechtlichen Massnahmen vor. Hier beantragte der Bundesrat, im Justizbereich Fristen oder Termine stillzulegen oder wiederherzustellen, technische Hilfsmittel in Verfahren zu erlauben und andere Formen von Eingaben und Entscheiden zu ermöglichen. Mit seinem Einzelantrag wollte Jean-Philippe Maître (fdp, GE) dabei sicherstellen, dass die behördlichen, nicht nur die gesetzlichen Fristen und Termine auch in der deutschsprachigen Version verändert werden könnten (141 zu 49 bei 2 Enthaltungen).

Keine Änderungen oder Änderungsanträge gab es bei den Massnahmen im Bereich von Versammlungen von Gesellschaften, wo der Bundesrat die Möglichkeiten der schriftlichen oder elektronischen Form bei der Ausübung der Rechte sowie durch unabhängige Stimmrechtsvertretende ausdrücklich festhielt.

Bei den insolvenzrechtlichen Massnahmen schlug die SGK-NR eine Ergänzung vor: So soll der Bundesrat die Haftung für Zollschulden durch die die Zollanmeldung ausstellenden Personen aufgrund von Konkursen von Empfängerinnen und Importeuren wegen Corona-Massnahmen aussetzen können. Mit 191 zu 1 Stimme bei 2 Enthaltungen nahm der Nationalrat die entsprechende Bestimmung an.

Eine Änderung fügte der Rat schliesslich auch bei den Strafbestimmungen an, bei denen der Bundesrat bei vorsätzlicher oder fahrlässiger Zuwiederhandlung Ordnungsbussen bis CHF 300 einführen können wollte: Die grosse Kammer entschied sich hier stillschweigend, nur bei vorsätzlichen Zuwiederhandlungen Bussen zu ermöglichen.

Zwei Minderheitsanträge für Änderungen in anderen Gesetzen lehnte der Nationalrat hingegen ab: So forderte Andreas Glarner einen Verzicht auf das frühzeitige Inkrafttreten der Regelung, wonach Personen, welche ab dem Alter von 58 Jahren entlassen werden, bei ihrer Pensionskassen verbleiben können (Minderheit Glarner: 139 zu 55 Stimmen), und Katharina Prelicz-Huber wollte die soziale Abfederung von Massenentlassungen strenger regeln (Minderheit Prelicz-Huber: 127 zu 67 Stimmen bei 1 Enthaltung).

In der Gesamtabstimmung nahm der Nationalrat seinen Entwurf mit 144 zu 35 Stimmen (bei 16 Enthaltungen) an. Sowohl die Gegenstimmen als auch die Enthaltungen stammten von Mitgliedern der SVP-Fraktion. Ganz abgeschlossen war die Debatte damit aber noch nicht, am Folgetag brachte Thomas Aeschi einen Ordnungsantrag ein, in dem er forderte, dass anstelle des Bundeskanzlers ein Bundesrat das Geschäft in der nächsten Sitzung vertreten solle und dass auf eine Blockbildung in der Beratung verzichtet wird. Mit 100 zu 89 Stimmen (bei 4 Enthaltungen) stimmte der Nationalrat ersterer Forderung zu, lehnte letztere aber mit 103 zu 85 Stimmen ab.

Bundesgesetz über die gesetzlichen Grundlagen für Verordnungen des Bundesrates zur Bewältigung der Covid 19-Epidemie (Covid-19-Gesetz; BRG 20.058)
Dossier: Covid-19-Gesetz und Revisionen

En début de session d'été 2020, le Conseil national s'était rallié à la position du Conseil des Etats – en acceptant par 104 voix contre 86 – le délai de douze mois pour les militaires s'orientant vers le service civil, prévu dans le projet de révision de la loi sur le service civil (LSC). Les socialistes, les Verts, les Vert'libéraux et trois parlementaires du centre – soulignant la contribution du service civil lors de la crise du Covid-19 – restaient opposés à la mesure. Ainsi, s'agissant du paquet de mesures proposées par le Conseil fédéral, seule l'interdiction des affectations à l'étranger n'avait pas convaincu le Parlement.
Civiva, le GssA et les Verts – soutenus par le PS – avaient informé qu'ils lanceraient un référendum.
Lors du vote final, alors que le Conseil des Etats avait accepté la réforme de la LSC – par 33 voix contre 12, avec un soutien unanime du PDC –, le Conseil national l'a enterrée par 103 voix contre 90 et 5 abstentions. A la surprise générale, la majorité du Groupe du centre a rejoint le camp des opposants au durcissement des conditions d'accès au service civil. Interrogé dans les médias, le conseiller national Benjamin Roduit (pdc, VS) invite dorénavant le Conseil fédéral à présenter un projet renforçant l'armée et le service civil, au lieu de favoriser l'une de ces institutions au détriment de l'autre.

Bundesrat will Zulassungen zum Zivildienst drastisch einschränken (BRG. 19.020)
Dossier: Bundesgesetz über den zivilen Ersatzdienst

In einer im März 2018 eingereichten Motion forderte Benjamin Roduit (cvp, VS), dass der Bundesrat die Revisionsvorlage für das neue StromVG dem Parlament vorlegt und sicherstellt, dass diese Revision im Stromsektor in Einklang mit der parallel laufenden Gesetzesrevision im Gassektor (neues GasVG) steht. Der Motionär argumentierte, dass es einen Trend hin zur Koppelung der Sektoren Strom, Gas und Wärme gebe und es deshalb wichtig sei, die einzelnen Gesetzesprojekte in einem Gesamtüberblick zu beleuchten. In seiner ablehnenden Stellungnahme konstatierte der Bundesrat, dass es tatsächlich viele Interdependenzen zwischen dem Gas- und dem Strommarkt gebe und die Vorlagen nicht unabhängig voneinander betrachtet werden dürften. Er stimmte somit zwar der Forderung des Walliser Nationalrates zu, erachtete die Motion jedoch als bereits erfüllt, da er diese Abhängigkeiten bereits erkannt und bei der Ausgestaltung der beiden Gesetzesvorlagen entsprechend berücksichtigt habe. Da das Geschäft von den Räten innert der Zweijahresfrist unbehandelt blieb, wurde es im Juni 2020 abgeschrieben.

Für aufeinander abgestimmte Regelungen von Gas- und Stromsektor (Mo. 18.3336)

Nachdem der Ständerat in der Herbstsession 2019 die Motion Ettlin (cvp, OW) angenommen und sich damit dafür ausgesprochen hatte, dass zukünftig der Einkauf in die Säule 3a alle fünf Jahre für einen limitierten Einkaufsbetrag nachgeholt werden kann, setzte sich in der Sommersession 2020 die grosse Kammer mit derselben Motion auseinander. Regine Sauter (fdp, ZH) erklärte, dass die Kommissionsmehrheit dafür sorgen wolle, dass möglichst viele Personen die Säule 3a für ihre eigenverantwortliche Altersvorsorge nutzen könnten; auch jene, denen in jüngeren Jahren die entsprechenden Ressourcen gefehlt hätten. Mit 13 zu 10 Stimmen habe sich die Kommission entsprechend für Annahme der Motion ausgesprochen. Der zweite Kommissionssprecher Roduit (cvp, VS) verwies zudem darauf, dass insbesondere Frauen aufgrund einer Schwangerschaft entsprechende Lücken bei der dritten Säule aufwiesen, die nun neu eben gefüllt werden könnten. Zudem betonte er, dass zwei Drittel der Befragten in einer Umfrage des Forschungsinstituts Sotomo eine entsprechende Möglichkeit befürwortet hatten. Demgegenüber konterte Minderheitensprecherin Mattea Meyer (sp, ZH), dass die dritte Säule heute lediglich zur Steueroptimierung diene und «sehr wenig mit der Altersvorsorge an sich zu tun» habe; wer wolle, könne sich für eine Aufbesserung der Altersvorsorge bereits heute in die zweite Säule einkaufen. Zudem verwies sie auf das beträchtliche Steueroptimierungspotenzial durch die Vorlage: Eine Person mit steuerbarem Einkommen von CHF 150'000 könne alle fünf Jahre CHF 12'510 an Steuern sparen. Schliesslich müsste ein entsprechendes Register geschaffen werden, um den Überblick über die Abzüge zu behalten, was zu grossem bürokratischen Aufwand führe, sofern man – wie sie hoffe – nicht auf Selbstdeklaration setzen wolle. Ähnlich argumentierte in der Folge auch Gesundheitsminister Berset, der den Rat im Namen des Bundesrats zur Ablehnung der Motion aufforderte. Mit 112 zu 70 Stimmen (bei 1 Enthaltung) nahm der Nationalrat die Motion jedoch an; neben der SP- und der Grünen Fraktion sprachen sich 7 Mitglieder der GLP-Fraktion für eine Ablehnung aus.

Einkauf in die Säule 3a ermöglichen (Mo. 19.3702)

Eigentlich hätte sich der Nationalrat bereits in der Frühjahrssession 2020 mit der Schaffung einer gesetzlichen Grundlage zur Durchführung von wissenschaftlichen Studien zum Cannabiskonsum befassen sollen. Nachdem jedoch diese Session aufgrund des Coronavirus abgebrochen worden war, führte die grosse Kammer die Detailberatung im Juni 2020 durch.
Dabei wurden zwei Änderungen, die von der SGK-NR gegenüber dem Entwurf des Bundesrates vorgeschlagen worden waren, angenommen: Zum einen stimmte der Nationalrat einstimmig für die Untersuchung der Gesundheitszustandsentwicklung der Studienteilnehmenden. Zum anderen entschied er sich mit 112 zu 76 Stimmen (bei 6 Enthaltungen) dafür, dass die für die Projekte verwendeten Produkte aus dem Schweizer Biolandbau stammen müssen und somit die Schweizer Landwirtschaft gestärkt wird. Letzteres stiess beim Bundesrat auf keine grosse Zustimmung. Gesundheitsminister Berset gab zu bedenken, dass es nur sehr wenige Hersteller mit Erfahrung in diesem Bereich gebe und die benötigte Zeit für die Beschaffung entsprechender Produkte lang sein dürfte. Daher könne es zu Verzögerungen bei der Umsetzung der Projekte kommen.
Sämtliche Anträge von Seiten der SVP und der CVP – beide Parteien hatten sich bereits bei der Eintretensdebatte teilweise oder vollständig negativ gegenüber der Gesetzesänderung geäussert – stiessen im Nationalrat auf Ablehnung. So sprach sich die grosse Kammer mit 118 zu 75 Stimmen (bei 1 Enthaltung) resp. mit 119 zu 74 Stimmen (bei 1 Enthaltung) dagegen aus, dass die Arbeitgebenden resp. Schulen der Studienteilnehmenden über deren Teilnahme am Projekt informiert werden müssen. Therese Schläpfer (svp, ZH) hätte sich eine entsprechende Meldepflicht gewünscht, da der Cannabiskonsum zu Konzentrationsminderung und Gefährdung der konsumierenden Person oder Drittpersonen führen könne. Die SP und Teile der Mitte-Fraktion hielten dem jedoch entgegen, dass sich in diesem Fall kaum jemand mehr zur Teilnahme an den Studien bereit erklären würde. Auch die beiden Minderheitsanträge Roduit (cvp, VS) und Herzog (svp, TG), die eine Registrierung der Partizipanten und Partizipantinnen resp. die Abgabe des Führerscheins während und für eine bestimmte Zeit nach der Studienteilnahme verlangten, fanden im Nationalrat kein Gehör. Ein Antrag von Andrea Geissbühler (svp, BE), dass die Teilnehmenden das Cannabis selber finanzieren müssen und nur Personen an den Studien teilnehmen dürfen, die weder Sozialhilfegelder noch eine Invalidenrente beanspruchen, wurde mit 122 zu 70 Stimmen (bei 2 Enthaltungen) ebenfalls abgelehnt. Bezüglich des THC-Gehalts sprach sie der Nationalrat für die vom Bundesrat vorgeschlagene Begrenzung des maximalen Wertes bei 20 Prozent aus – eine Minderheit Herzog hatte eine obere Limite von 15 Prozent gefordert – und dass die Partizipanten und Partizipantinnen monatlich nicht mehr als 10 Gramm THC erhalten können. Ferner wurde unter anderem dem Antrag eine Absage erteilt, dass die Bewilligung von Pilotversuchen durch den Bundesrat statt durch das BAG erfolgen muss und Gemeinden ein Projekt nur mit der Zustimmung ihres Kantons bewilligen können. Die von der Mitte-Fraktion hervorgebrachte Forderung zur alleinigen Finanzierung der Pilotversuche durch Gemeinden und Kantone scheiterte mit 107 zu 86 Stimmen (bei 1 Enthaltung).
In der Gesamtabstimmung nahm die grosse Kammer die Vorlage mit 113 zu 81 Stimmen an, wobei die Fraktionen der SP, der GLP und der Grünen geschlossen für das Geschäft stimmten, die Stimmen der FDP-Liberalen- und der Mitte-Fraktion sich aufteilten und sich bei der SVP-Fraktion, abgesehen von Roger Köppel (svp, ZH), alle gegen die Ergänzung des Betäubungsmittelgesetzes aussprachen.

Änderung des Betäubungsmittelgesetzes (BRG 19.021)
Dossier: Voraussetzungen für die Durchführung von Studien zur regulierten Cannabis-Abgabe für Genusszwecke schaffen

Nachdem der Bundesrat in seiner Mitteilung vom 8. April 2020 bekanntgegeben hatte, keine entsprechenden Massnahmen treffen zu wollen, beabsichtigten sowohl die WAK-NR als auch die WAK-SR, gewissen Betrieben, die ihre Tätigkeit Corona-bedingt einstellen oder einschränken mussten, die Geschäftsmieten teilweise oder ganz zu erlassen. Im Vorfeld der ausserordentlichen Session zur Bewältigung der Corona-Krise reichte sowohl die WAK-NR (Mo. 20.3142) als auch die WAK-SR (Mo. 20.3161) eine entsprechende Motion ein. Während der Vorstoss der nationalrätlichen Kommission Betreibenden von Restaurants und ähnlichen Betrieben für die Zeit der behördlichen Schliessung 70 Prozent des Mietzinses erlassen sowie einen Härtefallfonds für Vermieterinnen und Vermieter in Prüfung geben wollte, forderte die ständerätliche Kommission einen vollständigen Mietzinserlass für betroffene Kleinunternehmen und Selbständige mit einem Bruttomietzins unter CHF 5'000 pro Monat, sofern diese aufgrund der Beschlüsse zur Bekämpfung des Coronaviruses ihren Betrieb schliessen oder reduzieren mussten, sowie für Betriebe, deren Umsatz im Vergleich zum Vorjahr aufgrund von Covid-19 um mehr als 50 Prozent zurückging. Wo der Mietzins CHF 5'000 übersteigt, sollte ein Anreizsystem dazu beitragen, dass sich die Mieter- und Vermieterseite auf einen Mieterlass im Umfang von zwei Dritteln einigen. In diesem Fall wäre der Bund verpflichtet, ergänzend einen Drittel der Bruttomiete bis maximal CHF 3'000 pro Monat beizusteuern, womit ein letzter Drittel zu Lasten der Vermieterinnen und Vermieter ginge. Die Finanzkommission beantragte für die Beteiligung des Bundes einen Nachtragskredit in der Höhe von CHF 50 Mio. Diese Lösung käme jedoch nur Betrieben zu Gute, die keine anderen Hilfeleistungen – etwa in Form von Corona-Krediten – in Anspruch genommen hätten.

Der Bundesrat stand beiden Anliegen ablehnend gegenüber, wobei er in seinen Antworten die in seiner Mitteilung von Anfang April vorgebrachten Gründe wiederholte: Er stelle sich grundsätzlich gegen Pauschallösungen sowie gegen einen notrechtlichen Eingriff in Vertragsbeziehungen zwischen Privaten und er habe die Mieter- und Vermieterschaft dazu aufgerufen, individuelle Lösungen zu finden. Ferner habe er die Verwaltung beauftragt, bis im Herbst 2020 ein Monitoring zur Situation bei den Geschäftsmieten zu erstellen, auf dessen Basis bei Notwendigkeit weitere Massnahmen beschlossen werden könnten. Betreffend das von der WAK-SR vorgeschlagene Anreizsystem äusserte die Regierung ferner Skepsis bezüglich dessen Umsetzbarkeit und ortete Missbrauchspotential. Falls Parteien, die bereits eine Vereinbarung getroffen hätten, dennoch vom Anreizsystem oder einem weiteren Mietzinserlass profitieren würden, wäre der Grundsatz der Gleichbehandlung verletzt. Bezüglich des von der WAK-NR vorgeschlagenen Härtefallfonds hielt der Bundesrat fest, dass dies seiner Strategie widerspreche, grundsätzlich auf Liquiditätshilfen für beide Parteien zu setzen, wobei er auf die bestehende Solidarbürgschaftsverordnung und die damit einhergehende Möglichkeit der Aufnahme zinsfreier Darlehen, u.a. zur Überbrückung von Engpässen bei Fixkosten, verwies.

Die betroffenen Verbände beurteilten die Vorstösse unterschiedlich. Der Verband Immobilien Schweiz (VIS) zeigte sich gar verantwortlich für die Fassung des Ständerates; er wolle hiermit Rechtssicherheit schaffen und Kleinunternehmen vor dem Konkurs bewahren. Während der Mieterverband beide Vorstösse unterstützte, äusserte sich der Hauseigentümerverband kritisch, insbesondere auch gegenüber dem über den Vorschlag des VIS hinausgehenden Passus, dass sämtliche Betriebe davon profitieren dürften, sofern deren Umsatz aufgrund des Coronaviruses im Vergleich zum Vorjahr um mindestens die Hälfte eingebrochen sei. In einem gemeinsamen Schreiben zu Handen des Parlaments plädierten ferner 15 der grössten Gastronomieunternehmen für einen weiteren Vorschlag, gemäss welchem die geschuldeten Mietzinse zwischen März 2020 und Februar 2021 dem Umsatz anzupassen seien. Sie erachteten die Beschränkung der Mietzinsreduktion auf die Dauer der Zwangsschliessung als zu wenig weit gehend, da die Betriebe auch mittelfristig noch finanziell zu kämpfen hätten. Eine breite Front aus betroffenen Betrieben sprachen der Motion der WAK-NR ihre Unterstützung aus.

In der ausserordentlichen Session zur Bewältigung der Corona-Krise unterstützte jeweils eine Mehrheit im National- sowie im Ständerat die Motion der jeweiligen Kommission. Dabei stellte sich die kleine Kammer mit 24 zu 19 Stimmen (keine Enthaltungen) hinter die Motion der WAK-SR. Im Nationalrat stiess die Motion der WAK-NR mit 103 zu 77 Stimmen (15 Enthaltungen) gegen den Willen einer aus SVP-Vertreterinnen und -Vertretern bestehenden Kommissionsminderheit auf Zuspruch. In der Folge zeigte sich hingegen einmal mehr die Gespaltenheit der beiden Kammern in Mietrechtsfragen (vgl. etwa hier zu den gescheiterten Mietrechtsrevisionen): So beschloss die grosse Kammer auf Anraten ihrer Kommission diskussionslos die Ablehnung der vortags vom Ständerat beratenen Motion der WAK-SR, womit dieses Geschäft vom Tisch war. Mit 15 zu 2 Stimmen bei 8 Enthaltungen habe die nationalrätliche Kommission beschlossen, das Geschäft der ständerätlichen Kommission abzulehnen, führte Kommissionssprecherin Badran (sp, ZH) im Plenum aus. Die Kommissionsmehrheit erachte dieses als nicht zielführend, ungerecht und unausgewogen.
Die WAK-SR zeigte sich ihresgleichen unzufrieden mit dem Vorschlag ihrer Schwesterkommission. Ursprünglich hatte sie mit 7 zu 4 Stimmen bei 2 Enthaltungen ebenfalls deren Ablehnung empfohlen, da sie sich aufgrund der unterschiedlich starken Finanzkraft innerhalb der Mieterschaft gegen eine Pauschallösung für alle Mieterinnen und Mieter aussprach. In Anbetracht der unterdessen abgelehnten hauseigenen Motion und der gegebenen Dringlichkeit sah sich der Ständerat indes während der ausserordentlichen Session zu Kompromissen bereit und beschloss – nach Annahme eines Ordnungsantrages Sommaruga (sp, GE) auf Rückweisung an die Kommission – am Nachmittag desselben Tages eine abgeänderte Version der Motion der WAK-NR. Diese sah vor, die Mietzinsreduktion auf Selbständigerwerbende und Unternehmen zu beschränken, die aufgrund der Covid-19-Verordnung 2 ihren Betrieb reduzieren oder gar einstellen mussten und deren monatliche Bruttomiete CHF 8'000 nicht übersteigt. Diese sollten neu Anrecht auf eine Mietzinsreduktion von monatlich maximal CHF 5'000 über die Dauer von zwei Monaten haben, womit der Ständerat in diesem Punkt auf seine ursprüngliche Fassung zurückkommen wollte. Als nicht umstritten entpuppte sich zudem die Forderung der nationalrätlichen Motion, dass der Bundesrat die Schaffung eines Härtefallfonds für die Vermieterschaft prüfen solle.
Bundesrat Parmelin, der im Rat Stellung zur abgeänderten Motion nahm, begrüsste zwar den Versuch der gezielten Entlastung kleinerer und mittlerer Unternehmen und Selbständiger, die in diesen Zeiten am meisten betroffen seien, hielt davon abgesehen aber an seiner bisherigen Argumentation fest. Die abgeänderte Motion passierte den Ständerat mit 23 zu 19 Stimmen (1 Enthaltung).
Dem Nationalrat lagen zwei Ordnungsanträge Nordmann (sp, VD) und Glättli (gps, ZH) vor, die die grosse Kammer dazu verpflichten wollten, noch in derselben Session über die vom Ständerat abgeänderte Version der Motion der WAK-NR zu beraten. Diese fanden jedoch kaum Zuspruch im bürgerlichen Lager und wurden beide abgelehnt. Somit gelangte das Parlament in einem zentralen Punkt der ausserordentlichen Session bis zu deren Abschluss zu keiner Einigung. Auf der Agenda blieb das Thema dennoch: Vertreterinnen und Vertreter der Kommission versicherten dem Nationalrat vor den Abstimmungen über die Ordnungsanträge, die WAK-NR werde das Geschäft bereits in der kommenden Woche erneut thematisieren.

Als Blamage bezeichnete die NZZ das Versäumnis der beiden Parlamentskammern, bei einem so dringend scheinenden Problem nach der ausserordentlichen Session keine Lösung präsentieren zu können. Die NZZ und die AZ schrieben diesen Umstand in erster Linie der CVP zu, die sich in Bezug auf die Ausgestaltung des Lösungsansatzes speziell gespalten gezeigt habe. Während Daniel Fässler (cvp, AI) als Präsident des VIS die vom Ständerat abgeänderte Motion unterstützt hatte, zeigten sich mit Fabio Regazzi (cvp, TI) und Leo Müller (cvp, LU) nationalrätliche CVP-Vertreter mit Verbindungen zum Gewerbeverband gegenüber den Medien skeptisch.

Kommissionen verlangen Erlass von Geschäftsmieten bei durch Corona bedingter Schliessung oder Einschränkung des Betriebs
Dossier: Diskussionen um Erlass von Geschäftsmieten während des Lockdown

Am ersten Tag der ausserordentlichen Session im Mai 2020, die der Bewältigung der Corona-Krise gewidmet war, gab Bundespräsidentin Simonetta Sommaruga eine Erklärung des Bundesrates zur Corona-Pandemie ab. Die Schweiz sei nicht unverwundbar; ein kleines Virus habe die grossen Grundrechte in Gefahr gebracht, die der Bundesrat zur Bewältigung der Krise habe beschneiden müssen, indem er Persönlichkeits- und Wirtschaftsrechte und die kantonale Hoheit eingeschränkt habe – sich dabei stets an der von der Bundesverfassung vorgesehenen Verhältnismässigkeit orientierend. Die ergriffenen Massnahmen hätten zu vielen Härtefällen geführt und die wirtschaftlichen Auswirkungen der Pandemie seien schmerzhaft. Jetzt gelte es, die Schweiz aus der Krise zu führen, wobei das Parlament wieder in der Verantwortung sei. «Unsere starke Demokratie» habe das Virus nicht beschädigen können. Es sei wichtig, dass das Parlament die Entscheide des Bundesrats hinterfrage, damit man in einem fruchtbaren Dialog gemeinsame Lösungen finde. Sie denke aber auch an die Menschen, die in der Krise Angehörige verloren haben und danke allen, die das Land stützten.
Bei der Fraktionsdebatte (Kategorie IIIa), die auf die Erklärung folgte, nahmen die Fraktionssprecherinnen und -sprecher der Fraktionsgrösse nach Stellung zur Krise. Albert Rösti (svp, BE) und Céline Amaudruz (svp, GE) dankten der Polizei, der Armee und dem Zivilschutz und kritisierten zuerst die mangelnde Vorbereitung auf die Krise. Medizinische Mittel, Medikamente und Geräte hätten nur in ungenügender Menge zur Verfügung gestanden. Mit Besorgnis nehme die SVP zudem die wirtschaftlichen Schäden wahr. Man müsse die Menschen vor Covid-19, aber auch «vor dem wirtschaftlichen Untergang» schützen. Das Notrecht sei aufzuheben und auch im Falle einer zweiten Welle nicht wieder einzusetzen. Ein zweiter Lockdown müsse vermieden werden, der Bundesrat müsse die Krisenvorsorge verbessern und die Grenzkontrollen aufrechterhalten. Die Wirtschaft müsse zudem mit tiefen Steuern, Gebühren und Abgaben in Fahrt gebracht werden.
Roger Nordmann (sp, VD) bedankte sich im Namen der SP-Fraktion beim Gesundheits- und Pflegepersonal, dem Verkaufspersonal, den Erziehungs- und Lehrpersonen, den Chauffeuren und Chauffeusen und der Polizei, die sich der Gefahr einer Covid-Erkrankung ausgesetzt hätten. Es seien die Menschen mit den häufig am schlechtesten bezahlten Berufen, die in phänomenaler Geschwindigkeit Hilfspläne ausgedacht und umgesetzt hätten. Dank ihnen sei eine Katastrophe vermieden worden. Aber auch dem Bundesrat müsse Dank ausgesprochen werden. Die SP wehre sich gegen den Versuch, einen Gegensatz zwischen Gesundheit und Wirtschaft herzustellen. Letzterer könne es nur gut gehen, wenn die Pandemie in den Griff gebracht werden könne. Der wirtschaftliche Aufschwung müsse zudem mit dem Schutz der natürlichen Ressourcen und dem Ziel einer Korrektur von Ungleichheiten verbunden werden. Weil die Pandemie global sei, könne die Schweiz die Krise nur im Verbund mit Europa angehen und müsse sich als reiches Land solidarisch mit ärmeren Staaten zeigen.
Im Namen der Mitte-Fraktion sprach Marco Romano (cvp, TI) den Menschen seinen Dank aus, die geholfen hätten, die Gesellschaft am Laufen zu halten. Auch der Bevölkerung, die sich an die Empfehlungen und die Regeln gehalten habe, gebühre Dank. Der Bundesrat müsse klarer und transparenter informieren und auf die politische und soziale Reife des Schweizer Volkes bauen. In unsicheren Zeiten brauche es eine starke Politik der Mitte und konstruktive Lösungen; es brauche nun ein Projekt für das ganze Land, um der grössten wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Herausforderung der letzten Jahrzehnte zu begegnen. Marianne Streiff-Feller (evp, BE) und Martin Landolt (bdp, GL) – ebenfalls Angehörige der Mitte-Fraktion – dankten dem Bundesrat für das umsichtige Krisenmanagement. Streiff-Feller bat die Regierung, ihre Besonnenheit beizubehalten, und Landolt betonte, dass es gut sei, dass die Führung in der Situation der Krisenbewältigung beim Bundesrat liege. Es sei wesentlich einfacher, zu kommentieren, kritisieren oder zu loben, als die konkreten Entscheide treffen und Verantwortung übernehmen zu müssen. Das Parlament müsse der Versuchung widerstehen, «sich als Schattenregierung aufzuspielen».
Für die Fraktion der Grünen ergriffen Balthasar Glättli (gp, ZH) und Léonore Porchet (gp, VD) das Wort. Sie betonten die Chancen, die aus einer Krise erwachsen können. Glättli schlug etwa vor, mit den Milliarden an Wirtschaftshilfe nicht «die graue Wirtschaft von gestern» zu unterstützen, sondern in einen Umbau hin zu einer grünen Wirtschaft zu investieren. So könnten etwa die Erfahrungen mit Telearbeit zu einer Reduktion der Mobilität genutzt oder die Quartiersolidarität bewahrt werden. Ausserdem dürfe die Klimakrise, die andere grosse Krise neben der Pandemie, die im Gegensatz zu Covid vorhersehbar sei, nicht in Vergessenheit geraten. Glättli sprach sich zudem für Massnahmen aus, die das Parlament krisenresistenter und die Verhältnismässigkeit von Notverordnungen rasch überprüfbar machen. Porchet hob die Leistungen des Gesundheitspersonals hervor und erklärte, die Grünen forderten mehr Unterstützung – etwa ganz konkret in Form eines vierzehnten Monatslohnes.
Beat Walti (fdp, ZH) und Olivier Feller (fdp, VD) sprachen für die FDP-Fraktion. Walti hob hervor, dass das Gesundheits- sowie das Wirtschaftssystem auch in dieser ausserordentlichen Lage gut funktioniert hätten. Es verdiene Anerkennung, dass viele Menschen innert kürzester Zeit ihr Leben umorganisiert hätten. Bedenklich sei allerdings, wie wenig Reserven in vielen Bereichen vorhanden seien. Viele Unternehmen stünden am wirtschaftlichen Abgrund. Deshalb müsse man jetzt die Rahmenbedingungen so ausgestalten, dass die Innovationskraft der Schweiz gestärkt und ihre globale Vernetzung verbessert würden. Man müsse den Menschen zudem Eigenverantwortung zugestehen. Feller betonte, dass es hierfür eine schnelle Rückkehr zur Normalität brauche.
Für die GLP, die kleinste Fraktion im Parlament, ergriffen Tiana Angelina Moser (glp, ZH), Jürg Grossen (glp, BE) und François Pointet (glp, VD) das Wort. Moser betonte die einmalige Solidarität, die sich in der Krise gezeigt habe. Diesem Zusammenhalt sei – zusammen mit der nicht selbstverständlichen finanziellen Stabilität und tiefen Staatsverschuldung – Sorge zu tragen. Die geplanten Eingriffe zur Bewältigung der Krise dürften nicht zu einem «Providurium» werden. Die Krise sei auch eine Chance, um Digitalisierung zu realisieren und klimaschädliche Mobilität neu auszurichten. Grossen und Pointet dankten dem Gesamtbundesrat, der konsequent aber mit Augenmass agiert habe. Freilich müssten die Entscheide aber auch kritisch diskutiert werden, damit man aus der Krise lernen könne.
Nachdem Simonetta Sommaruga auf die verschiedenen Beiträge kurz einging – sie sprach von der selbstverständlich notwendigen Aufarbeitung der Krise und dem Stresstest, dem der Föderalismus ausgesetzt gewesen sei, aber auch von den funktionierenden Wirtschaftsmassnahmen und der Zusammenarbeit mit den Nachbarstaaten –, wurde sie mit einem bunten Strauss an Fragen von Vertreterinnen und Vertretern der bürgerlichen Parteien, vor allem aber seitens der SVP-Fraktion torpediert. Nicht so sehr die beschwichtigenden Antworten der Bundespräsidentin, sondern vielmehr die Fragen selber warfen dabei ein Licht auf die unterschiedlichen Interessen und Pläne der Fraktionen, wie die Krise bewertet und mit welchen Massnahmen sie überwunden werden sollte. So kritisierte etwa Roger Köppel (svp, ZH), dass die Politik des Bundesrates «zerstörerische Auswirkungen auf Wohlstand und Gesundheit» hätten; Yvette Estermann (svp, LU) fürchtete sich vor einem Impfzwang; Thomas Aeschi (svp, ZG) befürchtete die Verlängerung des Notstands bis September; Erich von Siebenthal (svp, BE) forderte Massnahmen, damit Gottesdienste wieder möglich sind; Mike Egger (svp, SG), Erich Hess (svp, BE) und Thomas Hurter (svp, SH) wollten eine Zusicherung, dass das CO2-Gesetz nicht prioritär behandelt werde; Hans-Ueli Vogt (svp, ZH) fragte, wann der Bundesrat die ausserordentliche Lage beenden werde; und Piero Marchesi (svp, TI) verlangte eine generelle Maskenpflicht. Fragen kamen auch aus der Mitte-Fraktion – Marco Romano sorgte sich um den Grenzschutz mit Italien; Benjamin Roduit (cvp, VS) um den «Corona-Graben», also den Umstand, dass die Romandie und das Tessin stärker unter Covid-19 gelitten hätten als die Deutschschweiz; und Fabio Regazzi (cvp, TI) um die Situation der Restaurants. Für die FDP-Fraktion wollte Hans-Peter Portmann (fdp, ZH) wissen, ob für einen neuerlichen Lockdown andere Massnahmen ergriffen würden; Christian Wasserfallen (fdp, BE) interessierte sich für die Grenzmodalitäten für die Exportwirtschaft; Rocco Cattaneo (fdp, TI) fragte nach konkreten Massnahmen für die Tourismusbranche; und Frédéric Borloz (fdp, VD) wollte eine Zusicherung, dass der Inländervorrang nach wie vor Geltung habe.

Am Nachmittag hielt die Bundespräsidentin ihre Erklärung dann auch im Ständerat ab. Nicht weniger als 20 Rednerinnen und Redner meldeten sich in der kleinen Kammer im Rahmen einer «Diskussion über die Erklärung» zu Wort. Pirmin Bischof (cvp, SO) äusserte seine Dankbarkeit, dass das Parlament nun gemeinsam mit dem Bundesrat, der «sehr gut, schnell und effizient gehandelt» habe, die politische Verantwortung wieder übernehmen könne. Ruedi Noser (fdp, ZH) stellte die These auf, dass die Politik in einen «Selbstschutzmodus» verfallen sei und die Illusion schaffe, dass der Staat für jeden Schaden aufkomme. Die Aufgabe der Politik sei es aber, «den Menschen ein gutes, möglichst selbstbestimmtes Leben in Freiheit, Wohlstand und Würde zu ermöglichen». Das bedeute aber auch, dass die Gesundheit nicht einziges Ziel staatlichen Handelns sein dürfe und dafür Freiheit, Wohlstand und Selbstbestimmung nicht geopfert werden dürfen. Das Prinzip «Politik senkt Todesraten, indem sie das Leben anhält» dürfe nicht weiter gelten. Marina Carobbio Guscetti (sp, TI) erinnerte daran, dass die ärmsten der Gesellschaft nicht vernachlässigt werden dürften. Zudem habe die Krise gezeigt, dass ganz viel Solidarität herrsche, aber auch, dass das Gesundheitssystem gestärkt werden müsse. Insbesondere die Pflegeberufe müssten mehr Anerkennung erhalten. Hannes Germann (svp, SH) hob das Erfolgsmodell Schweiz hervor. Der Staat habe sich in der Krise als handlungsfähig erwiesen. Es gelte nun aber, den Ausstieg aus der Krise zu finden und dabei dieses Erfolgsmodell nicht zu gefährden. Das «gigantische Hilfspaket» schaffe Vertrauen und mache Mut. Es gelte aber, in dieser «Ausgabeneuphorie» Mass zu halten. Lisa Mazzone (gp, GE) sah im Umstand, dass man über die Begrenzung individueller Freiheiten schockiert gewesen sein, ein Zeichen dafür, wie wichtig diese fundamentalen Rechte für die Gesellschaft seien. Die Begrenzung sei aber gerechtfertigt gewesen, weil ein Gleichgewicht zwischen Freiheit und Sicherheit habe gefunden werden müssen. Dass der Bundesrat dieses gefunden habe, zeige etwa auch der Umstand, dass er nicht wie in anderen Ländern den totalen Lockdown, sondern nur ein «semi-confinement» gewählt habe. Die Genfer Neo-Ständerätin wollte in den kommenden Beratungen vor allem auch an die kranken Personen denken – sie selber kenne etwa 20 Personen, die an Covid-19 erkrankt seien – und an jene Menschen, denen auch aufgrund der Krise extreme Armut drohe. Die Folgerednerinnen und -redner reihten sich in den Dank an den Bundesrat ein und gaben ihrer Freude Ausdruck, wieder tagen zu dürfen. Auch Alex Kuprecht (svp, SZ) attestierte der Regierung «Leadership». Hätte das Parlament in der Krise Entscheidungen treffen müssen, so wären, «da bin ich mir fast sicher, heute noch kein Darlehen durch Banken, kein Erwerbsersatz und keine Kurzarbeitsentschädigung geflossen». In den meisten Ausführungen wurde daran erinnert, dass jetzt grosse Aufgaben auf das Parlament zukämen, sowohl was die Fragen der Hilfsmassnahmen für die Wirtschaft, aber auch was institutionelle Fragen betreffe. So wies etwa Andrea Caroni (fdp, AR) darauf hin, dass die Bundesversammlung auf die Gesundheitskrise unzureichend vorbereitet gewesen sei. Das müsse sich ändern. «Der Hals-über-Kopf-Abbruch der Frühjahrssession» sei «ein Tiefpunkt in der Parlamentsgeschichte des Landes» gewesen, befand gar Paul Rechsteiner (sp, SG). Immerhin hätten 32 Mitglieder des Ständerats diese ausserordentliche Session verlangt, um den verfassungsmässigen Zustand wiederherzustellen. Nicht wenige Rednerinnen und Redner aus dem bürgerlichen Lager forderten den Bundesrat auch auf, die Massnahmen zu lockern und eine Rückkehr zur Normalität anzustreben.
Am Schluss nahm Bundespräsidentin Sommaruga noch einmal Stellung. Sie sei froh, dass die Kommissionen davon abgesehen hätten, selber Notrechtsverordnungen zu erlassen. Der Bundesrat habe von Beginn an einen Mittelweg gewählt, was nun in der Tat erste Lockerungen erlaube. Aber auch hier wolle man nichts überstürzen, um eine zweite Welle zu verhindern. Mit den Öffnungsschritten sollten vor allem auch Perspektiven geschaffen werden. Zudem gehe es darum, die Verantwortlichkeiten zwischen Bund und Kantonen zu klären. Auch eine Neudefinition davon, was kritische Infrastruktur sei und wie diese aufrecht erhalten werden solle, sei nötig. Sommaruga sprach zudem von ihren Erfahrungen, die sie während der Krise «im internationalen Bereich» gemacht habe. In einer Krise schaue jeder für sich selber und auch mit Geld könne man daran nichts ändern. Wichtig seien deshalb gute Beziehungen und gute Kontakte vor allem zu den Nachbarstaaten. Zum Schluss wies die Bundespräsidentin darauf hin, dass alle Departemente und die Bundeskanzlei in der Krise viel Arbeit geleistet und sich dauernd mit grossen und komplexen Fragen beschäftigt hätten. Es sei für den Bundesrat eine enorme Belastung gewesen, die dank der Hilfe der Verwaltung habe getragen werden können. Der Bundesrat begrüsse schliesslich die anstehende und von vielen Rednerinnen und Rednern geforderte baldige Aufarbeitung der Situation.

Erklärung des Bundesrates zur Corona-Pandemie (BRG 20.208)

«Die Schweizer Demokratie machte eine Pause» fasste die WoZ rückblickend die Ereignisse um den 15. März 2020 zusammen, als Covid-19 auch das Parlament erfasste und dieses zu einem Abbruch der Frühlingssession veranlasste. Dabei zeigt die Chronologie der Ereignisse nicht nur exemplarisch, wie unvermittelt die Pandemie auch über die Schweiz hereinbrach, sondern sie regte auch Diskussionen über die Krisenresistenz der Legislative an.
Zwar waren zu Beginn der Frühjahrssession am 2. März schon dunkle Wolken am Horizont zu sehen und entsprechend hatte die Verwaltungsdelegation schon vor der Session beschlossen, keine Besucher zuzulassen. Halten sich an einem Sessionstag normalerweise mehr als tausend Personen im Bundeshaus auf, wurde – neben den mit einem Badge ausgerüsteten Interessenvertreterinnen und -vertretern – nur noch fest akkreditierten Medienschaffenden ein Aufenthalt in den Räumlichkeiten gewährt, was in der WoZ einen geharnischten Kommentar nach sich zog: Das Parlament schliesse lieber die Presse aus statt die Lobbys. Neben dem Besuchsverbot galt – wie überall – auch im Bundeshaus die Empfehlung, keine Hände zu schütteln. Allerdings war die ebenfalls empfohlene Distanz von zwei Metern in den engen Ratssälen nicht einzuhalten.
Für einen medial breit kommentierten «Eklat» (Tages-Anzeiger) sorgte dann am ersten Sessionstag Magdalena Martullo-Blocher (svp, GR), die als Einzige mit einer Schutzmaske den Ratssaal betrat und deshalb von Nationalratspräsidentin Isabelle Moret aus dem Saal gewiesen wurde – das Tragen von Masken ist in den Ratssälen nicht erlaubt. Sie wolle sich vor Ansteckungen schützen und hätte eine Absage der Session begrüsst, gab die SVP-Politikerin zu Protokoll, die dann ihren Platz immerhin für die Abstimmungen wieder einnehmen durfte, die Debatten aber im Fraktionszimmer verfolgen musste. Die «Maskerade» (Blick) wurde als «Kindergarten» (Min Li Marti, sp, ZH) oder als «coup médiatique» (Le Temps) der SVP gewertet, die damit Angst bewirtschafte. Die SVP sei jetzt plötzlich «für Verhüllung und Maulkörbe», kommentierte der Blick lapidar. Einige SVP-Ratsmitglieder verteidigten freilich die Aktion Martullo-Blochers. So berichtete etwa Alfred Heer (svp, ZH), dass er als Europaratsmitglied nicht nach Strassburg dürfte, wenn er sich in den letzten 14 Tagen in Risikogebieten aufgehalten hätte. Hier in Bern sei er freilich nicht nach seinen Auslandreisen gefragt worden.
Zu Beginn der zweiten Woche war es erneut die SVP, die auf die vor allem im Nachbarland Italien stark ansteigenden Corona-Ansteckungen reagieren wollte. Mit einem Ordnungsantrag (20.9004) verlangte SVP-Fraktionschef Thomas Aeschi (svp, ZG) einen Sessionsunterbruch. Das BAG habe neben dem «Social Distancing» auch ein Fernbleiben von öffentlichen Veranstaltungen vor allem für Risikogruppen empfohlen. Nicht nur sei im Parlament das Einhalten des Abstands nicht möglich, es gäbe auch zahlreiche Risikogruppen, so die Begründung für den Ordnungsantrag. «Analog zur Begrenzungsinitiative wäre es richtig gewesen, zu kontrollieren, wer überhaupt ins Land kommt», kritisierte Aeschi in seiner Begründung die vorangegangenen Entscheidungen des Bundesrats. Der Sprecher des Büros, Andreas Aebi (svp, BE), empfahl eine mit 10 zu 1 Stimmen (1 Enthaltung) beschlossene Ablehnung des Antrags. Man müsse sich auf Fakten stützen und solle keine Ängste schüren. Es würde als schlechtes Beispiel gewertet werden, wenn sich das Parlament «aus der Verantwortung stehlen würde». Mit 155 zu 13 Stimmen (8 Enthaltungen) wurde der Antrag deutlich abgelehnt. In der Presse wurden der Antrag der SVP und vor allem das Votum Aeschis zur eigenen Initiative als «taktisches Spielchen» (Blick) kritisiert. Mit Schüren von Angst wolle die Partei Stimmung für ihre Begrenzungsinitiative machen, vermutete etwa Roger Nordmann (sp, VD). Es wäre der SVP wohl auch gelegen gekommen, wenn mit einem Abbruch die Beratungen zu den Überbrückungsleistungen für ältere Arbeitslose, welche vielerseits als Massnahme gegen die Begrenzungsinitiative verstanden wird, auf Eis gelegt worden wären, vermutete der Blick weiter.
Freilich wurde für die zweite Woche der Zugang zum Bundeshaus noch einmal eingeschränkt. Mitgliedern des diplomatischen Corps und ehemaligen Parlamentarierinnen und Parlamentariern wurde der Zutritt verwehrt. Darüber hinaus galt die dringende Empfehlung, zu Hause zu bleiben, wenn man sich krank fühlte. Den Fraktionen wurden zudem grössere Räume für ihre Sitzungen zur Verfügung gestellt.
Den am darauffolgenden Freitag vor der dritten Sessionswoche gefällten Entscheid der Verwaltungsdelegation, die Session nicht abzubrechen – schliesslich sei das Parlament Arbeitsort und nicht «Veranstaltung» – machten dann jedoch die sich überstürzenden Ereignisse obsolet. So wurden sich die Fraktionen noch am Sonntag vor der dritten Sessionswoche einig, dass der Abbruch der dritten Sessionswoche in Anbetracht der sich rapide verschlechternden Situation – tags zuvor waren in der Schweiz 1'563 Neuinfektionen verzeichnet worden – für die Gesundheit der Parlamentsmitglieder, die einer Risikogruppe angehörten, das Beste sei. Politische Geschäfte könnten jetzt warten, gab Andrea Gmür (cvp, LU), Präsidentin der Mitte-Fraktion, der Aargauer Zeitung zu Protokoll, «wir Politikerinnen und Politiker werden nun zuerst zu Hause benötigt».
Das Parlament sei nun also doch noch zur «Einsicht» gekommen, urteilte die NZZ. Mit der Fortführung der Session hätte man ein fragwürdiges Signal an die Bevölkerung gesendet. Zwar käme es nun zwar bei einigen Geschäften zu Verzögerungen, aber es sei «nicht anzunehmen, dass Menschenleben gefährdet sind, weil National- und Ständerat ihre Entscheide erst später fällen». Freilich wurde auch Kritik am Sessionsabbruch laut. Gerade in einer Krisensituation müsse das Parlament handlungsfähig sein und entscheiden können, gab etwa Claude Longchamp in der Aargauer Zeitung zu Protokoll. Auch die nun wohl fehlende Meinungsbildung für die geplanten Abstimmungen im Mai (Begrenzungsinitiative, Jagdgesetz und Erhöhung der Kinderabzüge) wurde angemahnt. Das sei einer Musterdemokratie, als die sich die Schweiz verstehe, unwürdig, so ein weiterer Kommentar in der Aargauer Zeitung; man habe fast «den Eindruck, gewisse Nationalräte seien froh, die Verantwortung an den Bundesrat delegieren zu können. Diese Haltung ist inakzeptabel». Als Folge wurden auch die Forderungen nach einer Digitalisierung des Ratsbetriebs oder der direkten Demokratie lauter.
Zudem wurden für die für Anfang Mai anstehende Sondersession alternative Standorte gesucht. Diese solle wenn immer möglich durchgeführt werden, allerdings nicht im Bundeshaus, gaben die Ratsbüros bekannt. Diese – wie auch vor allem die Finanzkommission – tagten dann in der Tat relativ schnell wieder; vor allem virtuell. Der Abbruch der Session sei nötig gewesen, weil die Hygienemassnahmen nicht hatten eingehalten werden können, die Handlungsfähigkeit des Parlaments sei dank der Arbeit der Kommissionen aber immer gewährt gewesen, verteidigte denn auch Ständeratspräsident Hans Stöckli (sp, BE) den Entscheid. Einig waren sich Presse und Politiker immerhin darin, dass man über die Krisenresistenz des Parlaments nachdenken müsse.

Keine dritte Sitzungswoche der Frühlingssession der Bundesversammlung

Eine von Philipp Hadorn (sp, SO) eingereichte und von Roger Nordmann (sp, VD) übernommene Motion forderte vom Bundesrat Massnahmen zu einem einfacheren Datenaustausch zwischen den zuständigen Behörden für den Bau von Solar- und Fotovoltaikanlagen. Der Motionär fundierte seine Forderung mit dem Argument, dass bei verschiedenen Behörden und Formularen – darunter die Baubewilligung bei der Gemeinde, die Anträge für die Förderbeiträge bei Pronovo sowie die Anschlussbewilligung und der Sicherheitsnachweis beim eidgenössischen Starkstrominspektorat (Esti) und beim Verteilnetzbetreiber – teilweise gleiche Angaben gemacht werden müssen. Der Bundesrat beantragte die Annahme der Motion, merkte aber an, Vorgaben für ein einfacheres Verfahren nur den Stellen machen zu können, für die er weisungsbefugt ist (Pronovo, Esti und Verteilnetzbetreiber). Für die Bereiche Baubewilligung sowie Raumplanung seien die Gemeinden und die Kantone zuständig und der Bund besitze dort nur Grundsatzgesetzgebungskompetenz. Stillschweigend und diskussionslos folgte die grosse Kammer am letzten Wintersessionstag 2019 dem Bundesrat und nahm die Motion an.

Sonnenenergie fördern / Sonnenenergie Förder-Trilogie: Schnittstellen zwischen den Behörden vereinfachen (Mo. 19.4258)

Im Dezember 2019 nahm sich der Nationalrat der Pflegeinitiative und dem von der SGK-NR ausgearbeiteten indirekten Gegenvorschlag an. Das Begehren des Berufsverbandes der Pflegefachfrauen und -männer hatte laut Initiativtext «eine ausreichende, allen zugängliche Pflege von hoher Qualität», die Sicherstellung von genügend diplomierten Pflegefachpersonen und einem ihrer Ausbildung und ihren Kompetenzen entsprechenden Einsatz zum Ziel.
Die Parlamentarierinnen und Parlamentarier waren sich darüber einig, dass die aktuelle Situation problematisch sei und durch das steigende Alter der Bevölkerung der Pflegebedarf erhöht werde. So rechne man zwischen 2017 und 2035 unter anderem mit einem Anstieg von rund 200'000 auf 360'000 über 80-Jährigen, die allenfalls pflegebedürftig würden, erklärte Ruth Humbel (cvp, AG). Gemäss Philippe Nantermod (fdp, VS) würden gegenwärtig lediglich 43 Prozent des erforderlichen Personals ausgebildet und 2030 würden hierzulande 65'000 Pflegende fehlen. Um den Mangel zu beheben, würden Pflegefachpersonen aus dem Ausland rekrutiert, was nicht nur ethisch fragwürdig sei – da die Ausbildung von einem Staat bezahlt werde, der nicht von dieser Investition profitiere –, sondern auch kostspielig werden könnte, erwäge doch die WHO, eine Steuer zur Entschädigung der Ausbildungsländer einzuführen, so Greta Gysin (gp, TI). Darüber dass Handlungsbedarf bestehe, herrschte Konsens. Der Rat war sich jedoch uneinig, ob die Pflegeinitiative das richtige Mittel sei, um der Problematik zu begegnen.
Von den Unterstützerinnen und Unterstürzer der Initiative hervorgehoben wurde, dass der Beruf nicht die Anerkennung erhalte, die er verdiene. Zudem komme ihm laut Barbara Gysi (sp, SG) im Krankenkassengesetz nach wie vor der «Status eines Hilfsberufs» zu. Christian Lohr (cvp, TG), Dozent an verschiedenen Fachhochschulen für Pflegeberufe, unterstrich die Wichtigkeit der Pflegequalität, der Ausbildungsförderung und der Verbesserung der Arbeitsbedingungen. Es müsse auch etwas gegen die 46 Prozent Berufsaussteigerinnen und -aussteiger unternommen werden, zu denen sie selber auch gehöre, erklärte Manuela Weichelt-Picard (al, ZG). Die Sicherheit und das Leben der Bevölkerung stehe auf dem Spiel, so Franziska Ryser (gp, SG). Betont wurde von den Gegnerinnen und Gegnern der Initiative hingegen, dass das Regeln einzelner Berufsgruppen in der Verfassung nicht angezeigt sei und die Aufgabenverteilung zwischen Bund und Kantonen in Frage gestellt würde. Zudem sei die medizinische Grundversorgung bereits in Artikel 117a BV erwähnt, was in den Augen von Verena Herzog (svp, TG) genügte, um die Pflege zu stärken.
Der von der SGK-NR ausgearbeitete Gegenentwurf kam im Nationalrat besser an als die Volksinitiative. Jedoch gab es auch bezüglich Gegenvorschlag einige Abänderungswünsche bzw. Uneinigkeiten. Um dem Beruf Attraktivität zu verleihen, beabsichtigte eine Mehrheit der SGK-NR, den Pflegefachpersonen die selbständige Erbringung und Abrechnung einiger vom Bundesrat festgelegter Leistungen zu Lasten der OKP, die ohne ärztliche Anweisung erfolgen könne, einzuräumen. So könnten pro Jahr CHF 13 Mio. eingespart werden, erläuterte Benjamin Roduit (cvp, VS). Gegen diese Forderung sprachen sich neben dem Bundesrat auch die SVP und die FDP aus. Es bestehe die Gefahr, dass dadurch ein Präjudiz geschaffen würde und durch die grössere Zahl an Leistungserbringenden die Kosten für das Gesundheitssystem nicht abnähmen, sondern stiegen, was höhere Prämien zur Folge hätte. Eine Mehrheit der grossen Kammer liess sich allerdings nicht von diesen Worten überzeugen. Auf Anregung von Pierre-Yves Maillard (sp, VD) lehnte der Nationalrat ausserdem den Mehrheitsantrag der SGK-NR ab, dass entsprechende Leistungen Gegenstand von Vereinbarungen mit Versicherern sein müssten.
Weiter wurde bezüglich Ausbildungsförderung beschlossen, dass die Kantone den Krankenhäusern, Pflegeheimen und Spitex-Organisationen eine bestimmte Anzahl Ausbildungsplätze, die diese zur Verfügung stellen müssen, vorgeben sollen. Ebenfalls gutgeheissen wurde die Forderung, dass die Kantone dazu verpflichtet werden sollen, den angehenden Pflegefachpersonen an einer Höheren Fachschule oder Fachhochschule mit Ausbildungsbeiträgen zur Seite zu stehen. Der Bund soll die Kantone während acht Jahren für die beiden ebengenannten Punkte mit CHF 469 Mio. unterstützen. Betreffend Ausbildungsbeiträge hätten die SVP und die FDP gerne Einschränkungen auf hilfs- und unterhaltsbedürftige Personen vorgenommen. Regine Sauter (fdp, ZH) betonte, es gebe neben den Pflegestudiengängen HF oder FH auch andere Berufsbereiche, wo eine Weiterbildung anzustreben sei, dort werde allerdings auf die Eigenverantwortung der Studierenden gezählt. Damit konnte sie die Mehrheit ihrer Ratskolleginnen und -kollegen jedoch nicht überzeugen, gegen die Beiträge zu stimmen.
In der Gesamtabstimmung wurde der indirekte Gegenvorschlag mit 124 zu 68 Stimmen (bei 4 Enthaltungen) angenommen. Abgesehen von der SVP und einer Mehrheit der FDP stimmten alle Parteien dem Gegenentwurf zu. Die Pflegeinitiative konnte die Mehrheit des Nationalrates indes nicht überzeugen und so empfahl er dem Volk und den Ständen das Begehren mit 107 zu 82 Stimmen (bei 6 Enthaltungen) zur Ablehnung, wobei die SP, die Grünen, aber auch vereinzelt Mitglieder der FDP.Liberalen-, der GLP- sowie der Mitte-Faktionen für Annahme der Initiative plädierten.

Für eine starke Pflege (Pflegeinitiative). Volksinitiative und indirekter Gegenvorschlag (BRG 18.079 & Pa.Iv. 19.401)
Dossier: Die Pflegeinitiative und ihre Umsetzung

Nach den Erfolgen sowohl in den National- als auch in den Ständeratswahlen 2019 forderten die Grünen in den darauffolgenden Bundesratswahlen einen Bundesratssitz. Zwar hatte Parteipräsidentin Regula Rytz (gp, BE) am Wahlsonntag der eidgenössischen Wahlen auf eine klare Aussage dazu verzichtet und lediglich angemerkt, dass die Verteilung der Bundesratssitze nicht mehr passe. Am 22. November 2019 gab Rytz jedoch ihre Kandidatur für die Bundesratswahlen offiziell bekannt. Man habe so lange mit dem Entscheid gewartet – die Ankündigung von Rytz kam fast einen Monat nach den Nationalratsergebnissen und drei Wochen vor den Bundesratswahlen –, da man in Gesprächen mit den anderen Parteien die Wahlchancen abzuschätzen versucht habe, erklärte Rytz gegenüber dem Tages-Anzeiger. Diese Gespräche seien positiv verlaufen, woraufhin die Grünen den FDP-Sitz von Ignazio Cassis angriffen. Die FDP sei im Bundesrat rechnerisch übervertreten, weshalb Rytz eine neue Zauberformel vorschlug, gemäss der die beiden grössten Parteien SP und SVP je zwei Sitze und FDP, CVP und die Grünen je einen Sitz haben sollten. Rytz betonte die Dringlichkeit einer Fortsetzung der Klimaschutzdiskussionen und die entsprechende Unterstützung in der Stimmbevölkerung. Aus diesem Grund sei der Anspruch der Grünen auf einen Bundesratssitz gerechtfertigt, obwohl mit Ignazio Cassis ein Vertreter einer sprachlichen Minderheit angegriffen werde. Man könne – so Rytz – nicht alle Ansprüche befriedigen.
Die Zeitungen kommentierte diese verspätete Kandidatur von Rytz und ihren Start in den Bundesratswahlkampf als misslungen. Die NZZ begründete die späte Bekanntgabe damit, dass Rytz ihrer Ständeratskandidatur Priorität eingeräumt habe und folglich bei einer Wahl in den Ständerat auf die Bundesratskandidatur verzichtet hätte. Stattdessen hätte sich Rytz aus dem Ständeratsrennen nehmen und sich auf die Bundesratswahl konzentrieren müssen – war sich die Presse einig. Als entsprechend klein schätzten sie auch ihre Chancen, gewählt zu werden, ein, betonten dabei aber vor allem die entscheidende Rolle der GLP-Fraktion auf einer Seite und der CVP-EVP-BDP-Fraktion auf der anderen Seite.

Am Tag der Wahl stellte sich neben den Grünen nur die Sozialdemokratische Fraktion offiziell hinter die Forderung, die Zauberformel zu ändern und die grüne Kandidatin Regula Rytz zulasten von FDP-Bundesrat Ignazio Cassis zu unterstützen. Im Rahmen der parlamentarischen Debatte betonte SP-Fraktionspräsident Roger Nordmann (sp, VD), dass die Zusammensetzung des Bundesrates mit einer Mehrheit von je zwei Bundesratssitzen der FDP und der SVP aufgrund der Wahlerfolge der Grünen nicht mehr repräsentativ sei für die Schweiz und das Parlament. Keine Unterstützung erhielt Rytz von den übrigen Parteien. Die Grünliberale Fraktion entschied sich zwar für Stimmfreigabe, was für einigen Unmut bei den Grünen sorgte. Einige GLP-Mitglieder äusserten sich diesbezüglich im Tages-Anzeiger und erklärten, dass sie sich eine gemeinsame Strategie mit den Grünen für einen Bundesratssitz gewünscht hätten. Absprachen diesbezüglich hätten jedoch nicht stattgefunden. Auch von der CVP-Fraktion erfuhren die Grünen keine Unterstützung, diese gab an, Ignazio Cassis zu unterstützen. Nach den Wahlen äusserte sich Balthasar Glättli im Sonntags-Blick kritisch gegenüber der CVP und stellte in Aussicht, dass die Grünen zukünftig auch den Sitz von Viola Amherd angreifen könnten, falls die CVP keinen Beitrag zu einer griffigeren Klimapolitik leiste. Da auch die FDP- und die SVP-Fraktion Ignazio Cassis unterstützten, setzte sich dieser mit 145 Stimmen durch. Regula Rytz erhielt 82 Stimmen, 11 Stimmen entfielen auf Verschiedene.

Im Zusammenhang mit der Forderung der Grünen nach einem Bundesratssitz berichteten die Medien ausgiebig über eine neue Zauberformel und somit über eine neue Zusammensetzung des Bundesrates. In einem Interview schlug SP-Parteipräsident Christian Levrat (sp, FR) vor, den Bundesrat auf neun Mitgliedern zu erweitern; dies gäbe mehr Spielraum, um die grossen Parteien angemessen in die Regierung zu integrieren, die Regionen wären besser vertreten und die Bundesräte würden entlastet. Altbundesrat Christoph Blocher schlug stattdessen vor, dass sowohl die SP als auch die FDP zukünftig nur jeweils einen Sitz haben und stattdessen auch die Grünen und Grünliberalen je einen Sitz erhalten sollten (sogenannte Formel Christoph Blocher: 2-1-1-1-1-1).

Forderung der Grünen um einen Bundesratssitz

In der Wintersession 2019 machte der Nationalrat im Differenzbereinigungsverfahren zur Weiterentwicklung der IV einen grossen Schritt auf den Ständerat zu. So pflichtete er bezüglich aller offenen Differenzen seinem Schwesterrat bei – einzig bezüglich des Begriffs «Kinderrente» entschied er sich, auch weiterhin eine Ersetzung in allen Erlassen zu fordern. Dabei folgte er jedoch dem neuen Vorschlag der SGK-NR, die sich für den Begriff «Zusatzrente für Eltern» stark gemacht hatte, da auch der Begriff «Zulage für Eltern», die der Nationalrat zuvor angenommen hatte, zu ungenau sei, wie Benjamin Roduit (cvp, VS) dem Rat erklärte. Obwohl eine Minderheit Schenker (sp, BS) für die Beibehaltung des bisherigen Begriffs plädierte, nahm der Rat die Änderung mit 116 zu 77 Stimmen gegen den Willen von SP und Grünen sowie von vereinzelten Mitgliedern der GLP-, FDP- oder Mitte-Fraktion an.
Gegen den Willen der Kommissionsmehrheit, die an der Senkung der Kinderrenten festhalten wollte, folgte der Nationalrat diesbezüglich einer Minderheit Lohr (cvp, TG), der Argumentation von Yvonne Feri (sp, AG), wonach 70'000 Kinder betroffen wären und es zu einer Kostenverlagerung zu den EL kommen würde, sowie einer Petition Wermuth (sp, AG; Pe. 19.2026), die den Rat in Ergänzung zur bereits im Ständerat vorliegenden Petition Bonvin (Pe. 19.2013) bat, auf die Senkung zu verzichten. Mit 134 zu 51 Stimmen (bei 5 Enthaltungen) bereinigte der Nationalrat diese Differenz, fast die ganze SVP-Fraktion sowie 2 Mitglieder der FDP-Fraktion sprachen sich dagegen aus.
Des Weiteren lehnte die grosse Kammer einen Minderheitsantrag Herzog (svp, TG) mit 120 zu 66 Stimmen ab, der die Altersschwelle für den Verzicht auf Kürzungen beim Übergang zum stufenlosen Rentensystem bei 60 Jahren, wie es der Bundesrat vorgeschlagen und der Nationalrat bisher vorgesehen hatte, anstelle von 55 Jahren, wie es der Ständerat entschieden hatte, festsetzen wollte.
Schliesslich ging es um die Frage nach Tonaufzeichnungen bei medizinischen Gutachten, deren Einsatz Benjamin Roduit mit «dysfonctionnements scandaleux» rechtfertigte: Bekannt gewordene Fälle hätten gezeigt, dass Gutachten teilweise unsorgfältig und unsachgemäss erstellt worden seien. Tonaufzeichnungen seien nötig als Schutz der Experten vor unbegründeten Vorwürfen sowie der Versicherten vor falschen Angaben im Gutachten. Eine Minderheit Nantermod (fdp, VS) wollte hingegen den Akten ohne Aufforderung durch die Versicherten nur handschriftlich festgehaltene Notizen der Sachverständigen beilegen, weil die Aufzeichnung auf Tonträgern aufgrund des grossen Aufwands, den es gebe, wenn sich jemand «durch Stunden von Tonaufzeichnungen hören» und Ungereimtheiten suchen müsse, nicht zielführend sei, wie Regine Sauter (fdp, ZH) für die Minderheit erklärte. Mit 114 zu 78 Stimmen bestätigte der Nationalrat die Verpflichtung zu Tonträgern und bereinigte somit auch diese Differenz.

Weiterentwicklung der IV (BRG 17.022)
Dossier: Weiterentwicklung der IV (2015-2020) und die dazu führenden Vorstösse

In der Wintersession 2019 nahm sich der Nationalrat der Änderung des BetmG bezüglich Pilotversuche mit der Droge Cannabis an. Entgegen der Empfehlung seiner Kommission trat er mit 100 zu 85 Stimmen (bei 2 Enthaltungen) auf die Gesetzesvorlage ein. Während sich die SP, die GLP, die Grünen, etwas mehr als die Hälfte der FDP-Liberalen-Fraktion sowie einige Vertreterinnen und Vertreter der Mitte-Fraktion für den Experimentierartikel aussprachen, stiess dieser bei der SVP sowie der Mehrheit der Mitte-Fraktion auf taube Ohren. Lorenz Hess (bdp, BE) erklärte bei der Eintretensdebatte für letztere, dass die Sorge um den Jugendschutz zur Haltung der Fraktionsmehrheit geführt habe. Ebenfalls auf den Jugendschutz ging Verena Herzog (svp, TG) als Kommissionssprecherin ein. Statt Experimente sollten mit den Geldern besser eine wirksame Drogenprävention für eine gesunde Jugend finanziert werden. Benjamin Roduit (cvp, VS) bat seine Ratskolleginnen und -kollegen zudem, nicht auf das Geschäft einzutreten, da es sich dabei um einen ersten Schritt zur Liberalisierung handle. Anders sah dies Regine Sauter (fdp, ZH). Ihrer Meinung nach versage das aktuell geltende Gesetz, wenn es darum gehe, den Cannabiskonsum zu verhindern. Der Zugang zur Droge sei zu einfach und es herrsche ein florierender Schwarzmarkt, fand auch Léonore Porchet (gp, VD). So sei es in einigen Schweizer Städten am Sonntagmorgen einfacher, Cannabis als Brot zu erhalten. Yvonne Feri (sp, AG) hob hervor, dass die Projekte lediglich darauf abzielten, die Auswirkungen der kontrollierten Abgabe der Droge auf den Konsum, die Gesundheit und das Suchtverhalten zu eruieren. Es werde dadurch niemand zum Cannabiskonsum verleitet. In ähnlicher Manier argumentierte Gesundheitsminister Berset. Man stecke in einer Sackgasse, denn die gegenwärtige Repressionspolitik sei nicht effektiv. In der Schweiz sei fast ein Drittel der Bevölkerung bereits einmal mit Cannabis in Kontakt gekommen und mehr als 200'000 Personen konsumierten die Droge regelmässig, wobei kein Rückgang dieser Zahlen ersichtlich sei. Vor dem Hintergrund dieser Tatsache sei es daher essentiell, auf systematische und wissenschaftliche Art festzustellen, ob andere Wege einen besseren Ansatz und wirksamere Ergebnisse ermöglichen würden.

Änderung des Betäubungsmittelgesetzes (BRG 19.021)
Dossier: Voraussetzungen für die Durchführung von Studien zur regulierten Cannabis-Abgabe für Genusszwecke schaffen