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  • Rutz, Gregor (svp/udc, ZH) NR/CN
  • Aebischer, Matthias (sp/ps, BE) NR/CN

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La CTT-CN a décidé, par 12 voix contre 11, de ne pas donner suite à l'initiative parlementaire visant à soumettre la Société suisse de radiodiffusion et télévision (SSR) au Contrôle fédéral des finances (CDF). Elle estime que les mesures prévues par la loi fédérale sur la radio et la télévision (LRTV) sont suffisamment complètes et permettent de protéger la SSR de l’influence de l’Etat sur la conception des programmes. Elle propose donc au Conseil national de rejeter l'initiative. Une minorité, emmenée par Gregor Rutz (udc, ZH), a rappelé que des entreprises d'importance comparable, auxquelles la Confédération a délégué des tâches, sont elles soumises au CDF. Par déduction, la minorité estime que la SSR devrait donc aussi être soumise cas au CDF.

Soumettre la Société suisse de radiodiffusion et télévision (SSR) au Contrôle fédéral des finances (Iv.pa. 22.498)

Sollen Abstimmungsresultate aus Kommissionssitzungen veröffentlicht werden? Ja, findet Andreas Glarner (svp, AG) und forderte mittels parlamentarischer Initiative Transparenz über das Abstimmungsverhalten in Kommissionsberatungen. Bürgerinnen und Bürger hätten das Recht darauf zu wissen, ob die von ihnen gewählten Abgeordneten auch in den Kommissionen «die im Wahlkampf und auf Podien versprochenen Positionen» vertreten, so die Begründung des Initianten. Nein, fand hingegen die Mehrheit der SPK-NR, die mit 18 zu 6 Stimmen empfahl, der Initiative keine Folge zu geben. Kommissionsmitglieder müssten frei und ohne Handlungsdruck auch mal ihre Meinung ändern können, damit Kompromisse möglich werden, so die Argumentation im Kommissionsbericht. Zudem sei bereits heute eine gewisse Transparenz gegeben, weil im Falle von Minderheitsanträgen die Namen der entsprechenden Antragstellenden in Kommissionsberichten und auf den Fahnen veröffentlicht würden.
Zwei der sechs Mitglieder der SVP-Fraktion, die die Kommissionsminderheit bildeten, meldeten sich bei der Ratsdebatte zur Initiative in der Wintersession 2022 zu Wort: Zuerst führte der Initiant selber aus, dass es ihm nicht um eine Offenlegung der Kommissionsprotokolle gehe, sondern lediglich um die Publikation der Abstimmungsresultate. Gregor Rutz (svp, ZH) sekundierte mit dem Argument, dass man auch mit der geforderten Transparenz seine Meinung ändern dürfe, um notwendige Kompromisse zu schmieden. In diesem Falle könne man dies den eigenen Wählerinnen und Wählern dann auch erklären. Für die Kommissionsmehrheit sprachen Greta Gysin (gp, TI) und Gerhard Pfister (mitte, ZG). Neben der Notwendigkeit von Vertraulichkeit für Deliberation hinterfragte Pfister auch den Mehrwert einer Publikation von Abstimmungsresultaten, wenn die ihnen zugrundeliegenden Debatten und Argumente nicht ebenfalls veröffentlicht würden. In der Abstimmung folgte einzig die geschlossen stimmende SVP-Fraktion der Minderheit und der Initiative wurde mit 139 zu 51 Stimmen keine Folge gegeben.

Transparenz über das Abstimmungsverhalten in Kommissionsberatungen (Pa.Iv. 21.444)

Mitte November 2022 trafen sich Vertreterinnen und Vertreter von Bund, Kantonen und Sozialpartnern zum neunten nationalen Spitzentreffen der Berufsbildung. Wichtigster Punkt war dabei die Verabschiedung eines Massnahmenpakets zur besseren Positionierung der Höheren Fachschulen (HF). Dieses Massnahmenpaket war aufgrund der beiden überwiesenen Motionen von Anita Fetz (sp, BS; Mo. 18.3240) und von der WBK-NR (Mo. 18.3392) erarbeitet worden. Es umfasste unter anderem die Umsetzung eines Bezeichnungsschutzes der Institution «Höhere Fachschule» und die Prüfung des Titels «Professional Bachelor», wie er in einer Motion von Matthias Aebischer (sp, BE; Mo. 20.3050) gefordert worden war. Mit diesen Massnahmen werde insbesondere das Ziel verfolgt, dass die HF ein eindeutiges und attraktives Profil haben und auf der Tertiärstufe des Schweizer Bildungssystems klar positioniert werden. Ausserdem solle die Nähe zum Arbeitsmarkt als Alleinstellungsmerkmal der HF-Ausbildungsgänge bestehen bleiben.
Das SBFI werde die Massnahmen ab 2023 in Abstimmung mit der TBBK weiterverfolgen und zeitnah konkretisieren.
Im Weiteren wurde am Spitzentreffen auch ein Commitment verabschiedet, damit Erwachsene einfacher einen Berufsabschluss erreichen können. Die Betroffenen sollen eine auf sie abgestimmte Beratung erhalten, bereits erlangte Kompetenzen besser anrechnen lassen können sowie leichteren Zugang zu Ausbildungsplätzen und Qualifikationsverfahren erhalten.

Akademisierung der Höheren Berufsbildung
Dossier: Höhere Fachschulen

2. November 2022: Der Rücktritt von Simonetta Sommaruga

Am 25. Oktober, also kurz nachdem die fünf Kandidierenden der SVP offizialisiert waren, gab Simonetta Sommaruga via den Departementssprechenden bekannt, dass sie ihre Regierungstätigkeit temporär unterbrechen müsse, da ihr Ehemann Lukas Hartmann hospitalisiert worden sei. Dies war dann auch die Ursache für die wenige Tage später sehr überraschend erfolgende Rücktrittsankündigung der amtierenden Energie- und Verkehrsministerin: Am 2. November gab Simonetta Sommaruga ihren auch für sie persönlich abrupten Rücktritt auf Ende Jahr bekannt, weil der Hirnschlag ihres Mannes für sie ein schwerer Schock gewesen sei und gezeigt habe, dass sie die Schwerpunkte in ihrem Leben anders setzen wolle. Den Tränen nahe beteuerte die Bernerin, dass sie gerne Bundesrätin gewesen sei und eigentlich geplant habe, dies auch noch eine Weile zu bleiben. So ein Schicksalsschlag stimme aber nachdenklich und verschiebe die Prioritäten. Die 2010 in den Bundesrat gewählte Simonetta Sommaruga war zuerst Justizministerin bevor sie 2019 das UVEK übernommen hatte.

In den Medien wurde die SP-Magistratin als populäre Bundesrätin gewürdigt, die allerdings häufig Abstimmungsniederlagen in Kauf habe nehmen müssen (Le Temps) – die Schlimmste darunter sei wohl das Ja zur Masseneinwanderungsinitiative der SVP gewesen. Im Zentrum ihrer Arbeit hätten stets die Menschen gestanden, urteilte der Blick. Die NZZ bezeichnete sie als «clever» und «beharrlich» mit einem «Hang zur Perfektion», der ihre Auftritte auch «angestrengt und belehrend» habe wirken lassen. Sie habe aber für eine SP-Bundesrätin auch dank «stoischer Beharrlichkeit» letztlich überraschend viele Vorlagen durch das Parlament gebracht. Die Aargauer Zeitung würdigte Simonetta Sommaruga als «Mensch gewordenes Verantwortungsgefühl», als «Bundesrätin, die niemals die Kontrolle verlieren will». Alle ausser der SVP hätten sie geliebt, titelte La Liberté. Die WoZ erinnerte angesichts der Betroffenheit, die Simonetta Sommaruga bei ihrer Rücktrittsmedienkonferenz ausgelöst hatte, daran, dass die Magistratin seit ihrer Wahl in den Bundesrat immer wieder von Teilen der Medien und der SVP angegriffen worden sei: «An der Bernerin offenbarte sich die Verunsicherung rechter Männer vor linken, machtbewussten Frauen», so die WoZ. In der Tat warf etwa Roger Köppel (svp, ZH) der Magistratin nach ihrem auch für den Bundesrat und ihre Partei überraschenden Rücktritt in der Weltwoche Parteikalkül und «Flucht» vor, weil sie schon lange «ermattet und ermüdet» sei. Dies stiess in vielen Medien freilich auf Kritik, da der Entscheid private Gründe habe und Respekt verdiene, so etwa der Tages-Anzeiger. Allerdings kommentierte die NZZ, dass der Rücktritt zwar verständlich sei, in Anbetracht der schwierigen Lage hinsichtlich Energieversorgung aber zur Unzeit komme. Ihre Nachfolgerin oder ihr Nachfolger müsse nun innert kürzester Zeit «eine der schwersten Krisen für die Schweiz seit Jahrzehnten» meistern.

Auch bei der SP begann das von den Medien in Schwung gehaltene Kandidierendenkarussell noch am Tag der Demission von Simonetta Sommaruga zu drehen. Daran beteiligte sich freilich auch aktiv die Parteispitze, die unmittelbar ankündigte, dass die SP ein reines Frauenticket präsentieren werde, wobei egal sei, aus welcher Sprachregion die Kandidatinnen stammten. Da die SP mit Alain Berset bereits einen Mann in der Bundesregierung habe und den Grundsatz der Geschlechterparität pflegen wolle, sei ein reines Frauenticket angezeigt, so die Begründung des SP-Co-Präsidiums aus Mattea Meyer (sp, ZH) und Cédric Wermuth (sp, AG). In den Medien wurden entsprechend schnell Favoritinnen ernannt: Sehr häufig fielen dabei die Namen der Ständerätin Eva Herzog (sp, BL), der Nationalrätinnen Flavia Wasserfallen (sp, BE) und Nadine Masshardt (sp, BE) sowie der Regierungsrätinnen Jacqueline Fehr (ZH, sp) oder Evi Allemann (BE, sp). Obwohl sich vor allem die Westschweizer Medien nur geringe Chancen für eine Kandidatur aus der Westschweiz ausrechneten (beispielsweise Le Temps), da in diesem Fall vier nicht deutschsprachige Personen im Bundesrat sitzen würden – zwei davon für die SP –, fielen auch die Namen der Regierungsrätinnen Rebecca Ruiz (VD, sp) und Nuria Gorrite (VD, sp) sowie der Ständerätinnen Marina Carobbio (sp, TI) und Elisabeth Baume-Schneider (sp, JU). Co-Präsidentin Mattea Meyer (sp, ZH) gab hingegen sofort bekannt, nicht zur Verfügung zu stehen.

Die in den Medien als vorschnell kritisierte Ankündigung der Parteispitze, ein reines Frauenticket präsentieren zu wollen, gab Raum für weitere Spekulationen. Ständerat Daniel Jositsch (sp, ZH) etwa wurden laut Medien schon lange Bundesratsambitionen nachgesagt. Diese würden freilich stark geschmälert, wenn eine Deutschschweizer SP-Frau Simonetta Sommaruga beerben würde, weil für eine allfällige spätere Nachfolge von Alain Berset dann wohl Westschweizer Männer im Vordergrund stehen würden. Auch Regierungsrat Beat Jans (BS, sp) und die Nationalräte Matthias Aebischer (sp, BE) oder Jon Pult (sp, GR) dürften ob der Ankündigung «frustriert» sein, mutmasste La Liberté. Für den Westschweizer Nationalrat Pierre-Yves Maillard (sp, VD) sei der Fokus auf eine (Deutschschweizer) Frau hingegen eine gute Nachricht, mutmasste der Tages-Anzeiger wiederum im Hinblick auf eine Nachfolge von Alain Berset. Zu den eigentlichen Verliererinnen der SP-Strategie gehörten neben den Deutschschweizer Männern aber auch die Westschweizer Frauen, die sich eine Kandidatur eher zweimal überlegen dürften, analysierte 24Heures. Einerseits seien die Chancen gering, dass das Parlament eine vierte romanischsprachige Person in den Bundesrat wähle, und andererseits werde wohl bei einem Rücktritt von Alain Berset dann lediglich ein Männerticket aufgestellt.

Der SP blieben für die Kandidierendensuche nur wenige Tage. Sie setzte sich als Meldeschluss den 21. November, damit die Fraktion am 26. November ein Zweierticket nominieren konnte. Der Rücktritt Simonetta Sommarugas habe die Partei auf dem falschen Fuss erwischt, beurteilte der Blick die kurze Zeitspanne. Bevor sich die ersten Kandidierenden meldeten, kam es wie zuvor schon bei der SVP auch bei der SP zu einer Reihe von medial mehr oder weniger stark begleiteten Absagen. Ausser Mattea Meyer verzichteten neben den genannten Favoritinnen Jacqueline Fehr, Nadine Masshart, Rebecca Ruiz, Nuria Gorrite und Marina Carobbio auch die Nationalrätinnen Priska Seiler Graf (sp, ZH), Barbara Gysi (sp, SG), Edith Graf-Litscher (sp, TG), Yvonne Feri (sp, AG) und die Zürcher Stadtpräsidentin Corine Mauch (ZH, sp) mit offiziellen Presseauftritten auf eine Kandidatur. Nach kurzer Bedenkzeit und grosser medialer Aufmerksamkeit verzichtete auch die ehemalige Aargauer Ständerätin Pascale Bruderer (AG, sp) auf eine Kandidatur. Sie war gar mittels Petition von mehreren Personen zu einer Kandidatur aufgefordert worden. Das habe sie sehr berührt, eine Rückkehr in die Politik sei aber für sie kein Thema. Auch die Absage von Flavia Wasserfallen war den Medien mehr als eine Kurzmeldung wert. Wie Esther Friedli (svp, SG) bei der SVP wollte sich die Bernerin auf die Ständeratswahlen 2023 konzentrieren und den Sitz des auf Ende Legislatur zurücktretenden Hans Stöckli (sp, BE) verteidigen.

Im Gegensatz zu Jon Pult, der den Entscheid der SP-Spitze für ein reines Frauenticket befürwortete und sich entsprechend nicht zur Verfügung stellte, wollte sich Daniel Jositsch nicht aus dem Rennen nehmen. Er erhielt dabei Zuspruch von bürgerlichen Parlamentarierinnen und Parlamentariern, die das Vorgehen der SP-Parteileitung in den Medien als «diktatorisch» (Alfred Heer, svp, ZH) bezeichneten oder kritisierten, dass es «mit Gleichberechtigung nicht mehr viel zu tun habe» (Josef Dittli, fdp, UR). Jositsch liess verlauten, dass er sich eine Kandidatur überlege, wenn die Fraktion auch Männer zulasse. Dafür werde er sich parteiintern einsetzen, weil er ein reines Frauenticket als «diskriminierend» erachte. Es handle sich um eine Einschränkung der Wahlfreiheit, die dem Passus in den Statuten der SVP nahekomme, der jedes Mitglied automatisch ausschliesse, wenn es eine Wahl annehme, ohne von der Partei nominiert worden zu sein. Seine damit offiziell angekündigte Kandidatur brachte dem Zürcher Ständerat zahlreiche negative Kommentare ein. Der am rechten Rand der SP politisierende Daniel Jositsch fordere seine eigene Partei heraus und schaffe sich damit zahlreiche Feinde, befand LeTemps. Die «Granate Jositsch explodierte im Gesicht der SP», titelte 24Heures: «Il est vieux, blanc, mâle et riche», also alles, was die neue Garde der SP im Moment «verabscheue», so die Westschweizer Zeitung. Der Tages-Anzeiger warf Jositsch vor, mit dem «unsäglichen Theater» Frauen zu brüskieren, solange diese in den verschiedenen politischen Gremien nach wie vor nicht angemessen vertreten seien. Er sei auf einem «Egotrip», überschätze sich völlig und zeige damit nachgerade auf, dass er eben nicht geeignet sei für ein Bundesratsamt, zitierte der Blick verschiedene SP-Stimmen. Er habe Goodwill verspielt und müsse für den «Hochseilakt ohne Netz» wohl noch büssen. Die WoZ kritisierte, dass nach «173 Jahren Patriarchat [...] ein Mann auch heute noch nicht glauben [will], dass der eigene Karriereverzicht ein Akt der Gleichstellung sein kann». Auch die Weltwoche schrieb von «Selbstdemontage». Allerdings erhielt Jositsch auch Unterstützung aus der eigenen Fraktion. Sich auf ein reines Frauenticket zu konzentrieren sei «demokratisch und strategisch ungeschickt», meldete sich etwa Nationalrätin Franziska Roth (sp, SO) im Blick zu Wort. Es brauche Wettbewerb zwischen Frauen und Männern und keine Reduktion der Kandidierenden auf ihr Geschlecht. Roberto Zanetti (sp, SO) kritisierte vor allem die Parteileitung: «Ich mag es nicht, wenn man mir vorschreibt, wie ich mir meine Gedanken machen soll», so der Ständerat, der in der Folge ein Dreierticket vorschlug. Die Frage werde fraktionsintern wohl noch zu reden geben, vermutete der Blick. Die Fraktion selber versuchte etwas den Wind aus den Segeln zu nehmen, indem sie verkündete, den Vorschlag der Parteispitze für ein reines Frauenticket bzw. den Antrag von Jositsch auf ein gemischtes Ticket an ihrer Fraktionssitzung am 18. November zu diskutieren. Es sei der Verdienst von Jositsch, dass das Thema offen diskutiert werde, urteilte die NZZ. Er verdiene auch deshalb einen «fairen Prozess».

Nach der Kandidatur von Jositsch verging einige Zeit, bis die ersten Kandidatinnen ihre Bewerbung einreichten. Die erste Frau, die sich schliesslich am 10. November mit einer Kandidatur meldete, war Evi Allemann. Damit habe es die SP «geschafft, eine junge Mutter ins Rennen zu schicken [... und] mit einer Art Sanna Marin [...] für frischen Wind [zu] sorgen» (die finnische Ministerpräsidentin Sanna Marin war jüngste Ministerpräsidentin weltweit und bei ihrem Amtsantritt Mutter einer einjährigen Tochter). Die ehemalige Nationalrätin und seit 2018 Berner Regierungsrätin – und Mutter zweier Kinder im Alter von elf und sieben Jahren, wie sogleich in allen Medien berichtet wurde – habe allerdings national kaum Schlagzeilen gemacht, zudem könnte es ein Nachteil sein, dass sie seit fünf Jahren nicht mehr im nationalen Parlament sitze, mutmasste der Blick. Allemann sei nicht die Wunschkandidatin der SP gewesen, wusste 24Heures. Sie habe nicht das Charisma von Flavia Wasserfallen, die in Bundesbern wesentlich häufiger als Favoritin genannt worden sei. Die Kandidatur von Evi Allemann, die eine Bilderbuchkarriere ohne Kanten aufweise und bereits mit 20 Jahren in den Berner Grossen Rat gewählt worden war – 1998 war sie die jüngste Kantonsparlamentarierin der Schweiz – und 2003 den Sprung in den Nationalrat geschafft hatte, habe aber ein grosses «ouf de soulagement» bei der Parteileitung ausgelöst, so 24Heures weiter. Evi Allemann sei auch in bürgerlichen Kreisen beliebt und zeichne sich durch Pragmatismus aus. Sie habe zudem auf Anhieb jedes politische Mandat erhalten, das sie angestrebt habe, so der Tages-Anzeiger. Dass sie nicht mehr in Bundesbern sei, sei für die ehemalige VCS-Präsidentin allerdings ein Handicap, urteilte auch die NZZ.

Als klare Favoritin wurde in den Medien freilich Eva Herzog gehandelt, die tags darauf ihre Kandidatur bekannt gab. «Eva Herzog est la Albert Rösti du Parti socialiste» – sie sei die mit Abstand am häufigsten genannte Favoritin –, berichtete etwa Le Temps über die Kandidatur der Basler Ständerätin. Sie könne einige Trümpfe aufweisen, wie etwa ihre 19-jährige Erfahrung als Finanzvorsteherin des Kantons Basel-Stadt und ihre Ständeratskarriere seit 2019. Ihre gescheiterte Bundesratskandidatur im Jahr 2010, als sie von der Fraktion für die Nachfolge von Moritz Leuenberger nicht aufs Ticket gesetzt worden war, sei zudem ebenfalls kein Nachteil. Schliesslich sei der Kanton Basel-Stadt seit 1973 nicht mehr im Bundesrat vertreten gewesen. Dies sei auch ein Vorteil gegenüber der Bernerin Evi Allemann, waren sich die meisten Medien einig. Auch der Blick machte Eva Herzog zusammen mit Albert Rösti sogleich zum «Favoriten-Duo» und betonte «die Lust aufs Amt und den Gestaltungswillen», den die Baslerin versprühe. Als Nachteil bezeichnete 24Heures das fehlende Charisma von Eva Herzog. Sie sei «un peu cassante», wirke häufig ein wenig spröde.

Einen weiteren Tag später warf die vierte Kandidatin der SP ihren Hut in den Ring. «Elisabeth Wer?», titelte die WoZ in Anspielung auf die zumindest in der Deutschschweiz geringe Bekanntheit von Elisabeth Baume-Schneider, die ähnlich wie Eva Herzog seit 2019 im Ständerat sitzt und vorher während 13 Jahren im Kanton Jura als Regierungsrätin das Bildungsdepartement geleitet hatte. Ebendiese Unbekanntheit sei das grosse Manko der Kandidatin aus der Romandie, waren sich zahlreiche (Deutschschweizer) Medien einig. Auch wenn von der SP-Parteileitung explizit auch Frauen aus der lateinischen Schweiz zu einer Kandidatur aufgefordert worden seien, werde die Vereinigte Bundesversammlung kaum eine Mehrheit von nicht-deutschsprachigen Personen im Bundesrat goutieren, prognostizierte Le Temps – auch wenn Elisabeth Baume-Schneider bilingue ist, ihr Vater ist Deutschschweizer. Dass die Jurassierin «rien à perdre» habe, könne ihr aber auch zum Vorteil gereichen. Die Chancen seien «mince, mais pas nulles», hoffte Le Quotidien Jurassien. Es könnte sich gar für die Zukunft lohnen, den bisher noch nie im Bundesrat repräsentierten peripheren Kanton Jura bekannter zu machen, befand Le Temps mit Blick auf eine mögliche Wahl bei einem Rücktritt von Alain Berset. Für den Kanton sei dies «une belle publicité», so Le Temps. Zudem habe die ehemalige Regierungsrätin im Jura viel Rückhalt, so die Westschweizer Zeitung weiter. In der Tat gab der jurassische Regierungsrat ihre Kandidatur gar in einem Communiqué bekannt und stellte sich mit der Ankündigung, sie könne den Röstigraben verkleinern, öffentlich hinter seine ehemalige Kollegin. In den Medien wurde zudem Elisabeth Baume-Schneiders Nähe zur Landwirtschaft betont. Thema war freilich auch ihr Alter, das als «Handicap» gewertet wurde, weil sich die SP eine jüngere Frau wünsche, so der Blick. Die 58-jährige Ständerätin aus dem Kanton Jura gab zudem in Interviews zu Protokoll, dass sie sich mit 65 Jahren pensionieren lassen wolle. Sie betrachte sich deshalb als «conseillère fédérale de transition», so ihre Aussage in 24Heures. Eva Herzog bleibe aber auch deshalb Favoritin, weil die Jurassierin eher am linken Rand der SP politisiere und das Parlament deshalb weniger gut von sich überzeugen könne als die eher am rechten Rand der SP einzuschätzende Eva Herzog, so der Blick weiter. 24Heures befand zudem, dass Elisabeth Baume-Schneider das grünste Profil der SP-Kandidierenden habe, was ihr allenfalls Stimmen von den Grünen einbringen könnte. Kaum zur Sprache kam hingegen, dass die Jurassierin in ihren Jugendjahren bei der Revolutionären Marxistischen Liga politisiert hatte, galt sie doch auch in bürgerlichen Kreisen als «sehr konziliant». In Interviews gaben Ständerätinnen und Ständeräte aus allen Lagern etwa der Aargauer Zeitung zu Protokoll, sie sei «lösungsorientiert, ohne den grossen Auftritt zu suchen», «verlässlich und kollegial», «seriös, aber nicht verbissen» und sie strahle eine «positive Leichtigkeit» aus. Hingegen wurde das Thema Mutterschaft auch bei der Kandidatin aus dem Kanton Jura diskutiert: Der Blick wusste zu berichten, dass Elisabeth Baume-Schneider zwar nicht mehr das Profil der jungen Mutter habe, wie dies von der SP gewünscht werde, sie habe aber bereits im Jahr 2000 landesweit für Schlagzeilen gesorgt, weil sie damals als Parlamentspräsidentin ihr Baby an eine Sitzung im Jurassischen Parlament mitgenommen habe. Die Frage, ob ein Exekutivamt mit Kindern möglich sei, sei für Elisabeth Baume-Schneider deshalb ein «Déjà-vu». Die Sanna Marin, die die SP heute im Bundesrat haben wolle, sei die zweifache Mutter Elisabeth Baume-Schneider schon vor 20 Jahren gewesen, bemühte die Aargauer Zeitung den Vergleich mit der finnischen Präsidentin ein weiteres Mal.

Bevor die SP über die Nominierung entschied, stand die mit einiger Spannung erwartete Lösung der «Frage Jositsch» an. In den Medien hatte der Wind in der Zwischenzeit etwas gedreht und die SP wurde für ihr mangelndes strategisches Geschick kritisiert. Dass sofort kommuniziert worden sei, nur auf Frauen zu setzen, habe die Partei unnötigen Spannungen ausgesetzt, war in zahlreichen Medien zu lesen. In der Zwischenzeit hatte sich zudem die «Reformplattform», ein loser Zusammenschluss moderat-zentristischer Kräfte der SP, hinter Jositsch gestellt. Im Hinblick auf die eidgenössichen Wahlen 2023 habe die SP aber wohl keine andere Wahl, als mit einer Frau und einem Mann im Bundesrat vertreten zu sein, was nur ein reines Frauenticket garantiere, ergänzte der Tages-Anzeiger. Als Gleichstellungspartei sei sie sonst nicht glaubwürdig. Alles andere wäre denn auch «politisches Harakiri», urteilte auch die Republik. Denn würde Jositsch auf dem Ticket stehen, würde er «mit hoher Wahrscheinlichkeit» gewählt, was dem mächtigen «Momentum von feministischer Politik» völlig zuwiderlaufen und Proteste auslösen würde. Auch der 80-köpfige Parteirat, eine Art Parlament innerhalb der Partei, stärkte der Parteileitung den Rücken und sprach sich einstimmig für ein reines Frauenticket aus. Die diese Frage letztlich entscheidende Fraktion selber tagte dann am 18. November und sprach sich laut ihrem Chef Roger Nordmann (sp, VD) klar mit 37 zu 6 Stimmen (2 Enthaltungen) dafür aus, nur Frauen zu nominieren. Daniel Jositsch habe sich eloquent verteidigt, respektiere aber das Urteil, so Nordmann weiter. Der Vorschlag für ein Dreierticket sei mit 26 zu 19 Stimmen abgelehnt worden. In einem kurzen Statement gab Daniel Jositsch im Anschluss an die Fraktionssitzung den Medien zu Protokoll, er verstehe den Entscheid, es gebe keine innerparteilichen Konflikte und er ziehe seine Kandidatur angesichts der exzellenten Kandidatinnen zurück. Die Diskussionen seien freilich nicht so glatt verlaufen, wie dies für die Presse dargestellt worden sei, wusste der Tages-Anzeiger zu berichten. Vor allem die Parteispitze habe sich von einigen Fraktionsmitgliedern harsche Kritik anhören müssen: Dass Mattea Meyer und Cédric Wermuth unmittelbar nach dem Rücktritt von Simonetta Sommaruga eigenmächtig ein Frauenticket angekündigt hätten, zeuge von schlechtem Kommunikationsstil und mangelndem Vertrauen in die Fraktion, so die interne Kritik laut Tages-Anzeiger.

Spannend blieb in der Folge also die Frage, welche beiden Kandidatinnen von der Fraktion aufs Ticket gehievt werden. Im Vorfeld der entsprechenden Fraktionsentscheidung vom 26. November hatte die SP vier von ihr so benannte «öffentliche Hearings» in Luzern, Lausanne, Zürich und Liestal geplant, in denen die drei Kandidatinnen Red und Antwort stehen – und «mit dem personellen Spektakel etwas Werbung» für die Partei machen sollten, wie die NZZ vermutete. Alle vier Hearings verliefen ohne Überraschungen. Es gebe kaum Unterschiede in den Positionen der drei Kandidatinnen war die ziemlich einhellige Meinung der Medien, was das Rennen um die Plätze auf dem Ticket freilich nur spannender mache.

Die Entscheidung der SP-Fraktion, Eva Herzog und Elisabeth Baume-Schneider auf das Ticket zu setzen, sorgte dann doch bei vielen Beobachterinnen und Beobachtern für überraschte Gesichter und einige Kritik. Der Entscheid habe etwas Zufälliges, urteilten einige Medien gestützt auf den Wahlprozess in der Fraktion, über den medial berichtet wurde. In den ersten beiden Wahlgängen waren die Unterschiede jeweils knapp, einmal verfügte Elisabeth Baume-Schneider und einmal Evi Allemann über die meisten Stimmen. Erst im dritten Wahlgang, in dem keine Zweitstimmen mehr zugelassen waren, war das Ergebnis schliesslich klar genug: 24 Stimmen für Eva Herzog, 23 für Elisabeth Baume-Schneider und lediglich noch 14 für Evi Allemann, die also für viele Fraktionsmitglieder anscheinend jeweils zweite Wahl gewesen war. Ausgerechnet die in den letzten Wochen so breit diskutierte «junge Mutter» hatte es damit nicht auf das Ticket geschafft. Dies stiess bei zahlreichen Beobachterinnen und Beobachtern auf Kritik. Die Sonntagszeitung wusste zu berichten, dass es in der Fraktion zwei Lager gegeben habe: Das eine habe auf die moderatere Eva Herzog gesetzt, während das andere vorwiegend aus Romand.e.s bestanden habe, unterstützt von Fraktionsmitgliedern, die bei der nächsten Vakanz die Wahlchancen Deutschschweizer Männer erhöhen wollten. Dieses Lager habe die eher links politisierende Westschweizer Kandidatin Elisabeth Baume-Schneider präferiert. Dies wiederum weckte Unbill bei der FDP, die sich im Vorfeld dezidiert gegen eine lateinische Mehrheit im Bundesrat ausgesprochen und bei der SP entsprechende Forderungen angemeldet hatte. Auch die SVP kritisierte die Auswahl, weil die Gefahr bestehe, dass am Schluss nur noch Kantone im Bundesrat vertreten seien, die im Finanzausgleich zu den Nehmerkantonen gehörten. Der Sonntagsblick hatte im Vorfeld der Fraktionssitzung eine Bevölkerungsbefragung durchführen lassen, bei der sich zeigte, dass die Mehrheit der Befragten ebenfalls die beiden Ständerätinnen auf das Ticket gesetzt hätte. Laut der Montagspresse änderte diese Vorauswahl allerdings wenig an der Ausgangslage: Wie bei der SVP Albert Rösti bleibe auch bei der SP Eva Herzog klare Favoritin. Die Aargauer Zeitung bezeichnete die Nomination von Elisabeth Baume-Schneider als «taktisch». Sie sei für Herzog die ungefährlichere Partnerin auf dem Ticket. Elisabeth Baume-Schneider selber war sich ihrer Outsider-Rolle bewusst, aber man könne ja nie wissen, gab sie dem Quotidien Jurassien zu Protokoll.

Bundesratsersatzwahlen 2022 – Nachfolge von Ueli Maurer und Simonetta Sommaruga
Dossier: Bundesratswahlen seit 2008

Noch in der Herbstsession 2022 bereinigte das Parlament das neue Bundesgesetz über den Jugendschutz in den Bereichen Film und Videospiele. Bei der erneuten Beratung durch den Nationalrat waren noch drei Differenzen offen: die Pflicht zur Kennzeichnung von Mikrotransaktionen, der Einbezug von Expertinnen und Experten als ständige Mitglieder in den Branchenorganisationen und ein gesetzlicher Auftrag an den Bund zur Förderung der Medienkompetenz.
Gemäss Kommissionssprecher Matthias Aebischer (sp, BE) habe sich die WBK-NR «im Sinne einer Bereinigung» entschieden, dem Ständerat in den ersten beiden Differenzen entgegen zu kommen. Für die Problematik der Mikrotransaktionen wolle die WBK-NR eine Kommissionsmotion einreichen, um das Problem entweder im Geldspielgesetz oder im Konsumenteninformationsgesetz zu regeln. Nachdem der Bundesrat und die Verwaltung der WBK-NR versichert hatten, dass der Bundesrat einschreiten könne, falls die Expertinnen und Experten in den Branchenorganisationen übergangen werden sollten, entschied die WBK-NR einstimmig, dem Ständerat zu folgen und es den Branchenorganisationen zu überlassen, wie sie die Expertinnen und Experten einbinden wollen.
Umstritten blieb die Frage, ob der Bundesrat «Massnahmen zur Förderung der Medienkompetenz und Prävention» ergreifen solle oder nicht. Eine Mehrheit der WBK-NR wollte mit 15 zu 10 Stimmen daran festhalten – einzig gestrichen werden sollte der Absatz, «dass der Bund die Kantone bei der Ausarbeitung und Weiterentwicklung von Angeboten zur Medienkompetenz unterstützen» könne. Eine Minderheit um Christian Wasserfallen (fdp, BE) wollte hingegen dem Ständerat folgen und auf die neue Bundeskompetenz im Gesetz gänzlich verzichten. Der Nationalrat folgte mit 108 zu 75 Stimmen (bei 2 Enthaltungen) jedoch seiner Kommissionsmehrheit.

Der Ständerat lenkte in der Folge auf den Mehrheitsantrag der WBK-SR ein, welche die Förderung der Medienkompetenz im Gesetz aufnehmen wollte, zumal der grösste Konfliktpunkt gemäss Kommissionssprecher Matthias Michel (fdp, ZG), die Kompetenzverschiebung von den Kantonen zum Bund, mit dem angepassten Vorschlag des Nationalrats wegfalle. Gegen einen Minderheitsantrag von Jakob Stark (svp, TG) nahm der Ständerat diese letzte Änderung am Entwurf mit 23 zu 20 Stimmen an.

Nach gut zwei Jahren kam das neue Bundesgesetz über den Jugendschutz in den Bereichen Film und Videospiele Ende September 2022 mit der Schlussabstimmung zu einem Abschluss. Der Nationalrat nahm das Gesetz mit 131 zu 56 Stimmen (bei 6 Enthaltungen) an. Einzig die geschlossen stimmende SVP-Fraktion sowie eine Minderheit der FDP.Liberalen-Fraktion lehnten das neue Bundesgesetz ab. Die kleine Kammer nahm das neue Bundesgesetz mit 40 zu 3 Stimmen (bei 2 Enthaltungen) an. Hier stammten die Stimmen gegen das Gesetz von Mitgliedern der SVP.

Bundesgesetz über den Jugendschutz bei Filmen und Videospielen (BRG 20.069)

30. September 2022: Der Rücktritt von Ueli Maurer

Obwohl immer wieder über seinen Rücktritt spekuliert worden war, kam die Ankündigung von Ueli Maurer, nach 14 Jahren Regierungstätigkeit Ende 2022 sein Bundesratsmandat niederzulegen, einigermassen überraschend. Maurer selber hatte nach den letzten Spekulationen vor gut einem Jahr verlauten lassen, er werde mindestens bis Ende Legislatur (also bis Oktober 2023) in der Regierung bleiben und dann vielleicht gar nochmals vier Jahre anhängen. Am 30. September 2022 liess er dann aber an einer Pressekonferenz verlauten, er wolle wieder «der normale Ueli» sein und habe noch einige private Projekte in Planung. Mit 71 Jahren war Maurer der älteste amtierende Bundesrat seit Einführung der Zauberformel. Maurer war 2008 für Samuel Schmid in den Bundesrat gewählt worden und hatte damit die kurze Oppositionsphase der SVP beendet. Er hatte zuerst das Verteidigungsdepartement übernommen, bevor er 2015 ins Finanzdepartement gewechselt war. In den Medien wurde Maurer als «erfolgreichster Politiker der Schweiz» (St. Galler-Tagblatt) beschrieben, allerdings auch dafür kritisiert, dass er häufig mit den Grenzen der Kollegialität gespielt habe und aufgrund seines schlechten Französisch nur einen «reduzierten Kontakt mit der Romandie» gepflegt habe (Le Temps). Im Parlament habe er als Finanzminister grossen Respekt genossen, gaben mehrere Parlamentsmitglieder zu Protokoll. Gelobt wurden zudem seine umgängliche Art, seine Dossierkenntnis und sein Pragmatismus. Er sei sich treu, bodenständig und bescheiden geblieben, urteilte der Blick. Der «widerborstige Bauernsohn» habe sich «nicht vom System vereinnahmen lassen», fasste die Aargauer Zeitung zusammen. Der «erstaunlich wandlungsfähige» Maurer gehöre «zu den Politikern, die zu Anfang ihrer Karriere belächelt, später gefürchtet oder gehasst und am Schluss respektiert werden», befand die NZZ. Auch der «launische Umgang» mit den Medien war Gegenstand der medialen Würdigungen: Der Tages-Anzeiger bezeichnete den SVP-Magistraten als den letzten «Oppositions-Bundesrat» – «mäandriered zwischen den Rollen als Staatsmann und Oppositioneller» habe er es allerdings geschafft, die Konkordanz nach den unruhigen Jahren nach Christoph Blocher und Eveline Widmer-Schlumpf wieder zu stabilisieren. Die Weltwoche vermutete, dass «dem Berner Politikbetrieb» die Spontanität Maurers bald fehlen werde. Kritischer urteilte die WoZ: Maurer habe «wesentlich dazu beigetragen [...], rechtspopulistische Hetze zu normalisieren».

Bereits am Tag nach der Rücktrittsankündigung überboten sich die Medien mit Spekulationen über mögliche Nachfolgerinnen und Nachfolger von Ueli Maurer. Am häufigsten genannt wurden die Nationalrätinnen Esther Friedli (svp, SG) und Céline Amaudruz (svp, GE), die Zürcher Regierungsrätin Natalie Rickli (ZH, svp), die Nationalräte Albert Rösti (svp, BE), Gregor Rutz (svp, ZH) und Thomas Aeschi (svp, ZG), der frühere Parteipräsident und Nationalrat Toni Brunner (SG, svp) sowie der Aargauer Regierungrat Jean-Pierre Gallati (AG, svp). Albert Rösti galt in den meisten Medien als Kronfavorit. Seine einzige Schwäche sei, dass Christoph Blocher, der «noch immer ein entscheidendes Wort mitzureden» habe, wie der Blick wusste, gegen ihn ein Veto einlegen könnte. Dies gelte nicht für Esther Friedli, die als mögliche erste SVP-Bundesrätin gehandelt wurde. Dass neben Karin Keller-Sutter eine zweite St. Gallerin bereits in der Regierung sitze, sei kein Problem, urteilten vor allem die Ostschweizer Medien. Eine früher oft gehandelte Anwärterin auf einen Bundesratssitz, Magdalena Martullo-Blocher gab hingegen noch am Tag von Maurers Rücktritt bekannt, kein Interesse am Regierungsamt zu haben. Ebenfalls unverzüglich aus dem Rennen nahmen sich Roger Köppel (svp, ZH) und Franz Grüter (svp, LU). Auch Diana Gutjahr (svp, TG) erteilte entsprechenden medialen Anfragen eine Absage, da für sie «als junge Mutter [...] der richtige Zeitpunkt für eine Bundesratskandidatur nicht gegeben» sei, wie das St. Galler-Tagblatt bedauerte. Auch Toni Brunner schloss einen Rücktritt auf die nationale Bühne bald aus und nach einiger Bedenkzeit verzichtete auch seine Lebenspartnerin Esther Friedli. Sie wolle ihre regionale Verankerung für den Ständeratswahlkampf nutzen, der aufgrund des Rücktritts von Paul Rechsteiner (sp, SG) im kommenden Frühling 2023 anstand. Bundesrätin werden sei hingegen kein Lebensziel von ihr.

Nachdem sowohl Natalie Rickli als auch der ebenfalls angefragte Regierungsrat Ernst Stocker (ZH, svp) und auch Gregor Rutz bekannt gegeben hatten, nicht für die Nachfolge Maurers kandidieren zu wollen, schien sich abzuzeichnen, dass der Kanton Zürich in Kürze zum zweiten Mal in der Geschichte nicht im Bundesrat vertreten sein könnte. Nur während knapp sieben Jahren zwischen dem Rücktritt von Elisabeth Kopp (1989) und der Wahl von Moritz Leuenberger (1995) war der bevölkerungsreichste Kanton der Schweiz nicht in der eidgenössischen Regierung präsent gewesen und stellte folglich bisher mit 20 Magistratinnen und Magistraten die meisten Bundesratsmitglieder aller Kantone. Von einer «Blamage» für die kantonalzürcherische SVP, die es versäumt habe, rechtzeitig für mögliche Nachfolgerinnen und Nachfolger zu sorgen, sprach in der Folge der Tages-Anzeiger. Dass der Zürcher Flügel nicht vertreten sei, sei aber auch darauf zurückzuführen, dass die Kantonalpartei aufgrund der reihenweisen Absagen eine «Partei der Nein-Sager» sei, so der Blick weiter. Die «oppositionelle DNA der Zürcher SVP» entpuppe sich jetzt als Nachteil, analysierte die Aargauer Zeitung.

Im Gegensatz zum «Personalproblem» der Zürcher habe die Berner SVP einen Kandidaten zu viel, kommentierte der Tages-Anzeiger die Kandidatur von Werner Salzmann (svp, BE), der am 6. Oktober als erster offiziell ankündigte, Bundesrat werden zu wollen. Der Berner Ständerat betonte, er sei als Oberst der Schweizer Armee und Sicherheitspolitiker ein idealer Kandidat für das VBS. Salzmann stamme aus der Familie des BGB-Parteigründers Rudolf Minger, dem ersten Bundesrat der BGB (und späteren SVP) und habe entsprechend ein «Bundesrat-Gen», so der Tages-Anzeiger. Salzmann könne dem Favoriten Rösti zwar gefährlich werden, innerhalb der Berner SVP werde aber befürchtet, dass der Ständeratssitz verloren gehen könnte, wenn Salzmann in den Bundesrat gewählt würde, spekulierte der Tages-Anzeiger weiter. Wenige Tage später, am 10. Oktober 2023, gab auch Albert Rösti seine Kandidatur bekannt. Der Zweikampf zwischen den beiden Bernern bringe ein wenig Salz in den Wahlkampf, urteilte La Liberté. Allerdings vermuteten die Medien, dass der ehemalige Parteipräsident Rösti im Parlament mehr Rückhalt habe als Salzmann. Die BZ urteilte entsprechend, dass Röstis Kandidatur höchstens «wegen internen Widerstands» scheitern könnte. Die NZZ befand gar, dass die Kandidatur Röstis für Langeweile sorge, weil der «anstandslos anständige [...] Panorama-Politiker» kaum anecke – was eine wichtige Voraussetzung sei, um genügend Stimmen aus dem Parlament zu erhalten. Skeptischer zeigte sich die WoZ, die sich fragte, weshalb dem «Ölkönig», der «eine riesige Schadensbilanz» aufweise, so viele Sympathien zuflögen. Starke Kritik erwuchs Rösti auch in der Weltwoche, die befürchtete, dass Rösti seinen SVP-Kurs wohl aufgeben werde, wenn er im Bundesrat sitzen werde. Roger Köppel, Chefredaktor der Weltwoche, warnte vor einem «Kuckucksei» und einem «Trojanischen Pferd» für die SVP im Bundesrat. Rösti sei «der Prototyp eines Pöstchenjägers, ein Hansdampf an allen Kassen» und er sei mit seinem «Naturell des Jasagers» und als «Briefträger bezahlter Interessen» «der Falsche». Im Sonntagsblick wurde vermutet, dass «Atom-Rösti» auch deshalb im Parlament die grössten Chancen habe, weil er nicht die Kernthemen der SVP vertrete, sondern Energiepolitik betreibe. Würde er dem UVEK vorstehen, wäre dies «ein Coup», so der Sonntagsblick. Die zahlreichen Lobby-Mandate Röstis waren in der Folge ein ziemlich häufiges mediales Thema. Der Blick erinnerte schliesslich daran, dass die SVP mit den letzten Berner Vertretern in der Landesregierung nicht sehr glücklich gewesen sei. Sowohl Adolf Ogi, der innerparteilich als zu europafreundlich gegolten habe, als auch Samuel Schmid, der als «halber Bundesrat» bezeichnet worden war, hätten in der SVP selber nur wenig Rückhalt gehabt.

Am 15. Oktober gab der Zuger Finanzdirektor Heinz Tännler (ZG, svp), seit 2006 in der Zuger Kantonsregierung, bekannt, dass er die Innerschweiz und einen «boomenden Kanton» vertreten wolle. Als «zupackender Wirtschaftspolitiker» wolle er den beiden Berner Bewerbungen etwas entgegensetzen und der Partei eine Auswahl bieten. Es sei nicht gut, dass die Zentralschweiz seit dem Rücktritt von Kaspar Villiger im Jahr 2003 nicht mehr im Bundesrat vertreten sei. In zahlreichen Gesprächen sei er darauf aufmerksam gemacht worden, dass «diese Region wieder eine Stimme in der Landesregierung haben» müsse. Er wolle aber auch alle anderen finanzstarken Kantone vertreten, so Tännler in der Ankündigung seiner Kandidatur. In den Medien wurden Tännler trotz Exekutiverfahrung eher geringe Chancen eingeräumt, da er im Gegensatz zu Salzmann und Rösti nicht dem Bundesparlament angehöre, was häufig ein Nachteil sei. Zudem stehe er als Finanzdirektor des reichen Kantons Zug vor allem bei Linken in Verdacht, «Politik für die Reichen und Mächtigen zu machen», so die Bewertung der NZZ.

Am 18. Oktober meldete auch Michèle Blöchliger (svp, NW), seit 2018 Gesundheitsministerin des Kantons Nidwalden, ihre Ambitionen an. Sie sei überzeugt, dass sie «den nötigen Rucksack» mitbringe, den es für das Amt als Bundesrätin brauche: Sie sei sich gewohnt, das Kollegialitätsprinzip zu achten, habe politische Exekutiverfahrung und bringe mit einer englischsprachigen Mutter wichtige Sprachkompetenzen mit. Die SVP könne aufatmen, weil sie doch noch eine Frau gefunden habe, befand 24Heurers. Für die Nidwaldner Regierungsrätin und Rechtsanwältin «mit juristischem Gewissen», wie die Nidwaldner Zeitung wusste, spreche nicht nur ihr Geschlecht, sondern auch der Umstand, dass aus dem Innerschweizer Kanton noch nie jemand in der Landesregierung gesessen habe. Zudem sei sie parteiintern gut vernetzt und der Umstand, dass auch innerhalb der SVP viele eine Frau auf einem Zweierticket forderten, erhöhe ihre Chancen ebenfalls, waren sich viele Medien einig. Allerdings sei sie in Bundesbern etwa auch im Vergleich zu Tännler praktisch unbekannt und liefe Gefahr, sich «in einer undankbaren Rolle als Alibikandidatin» wiederzufinden, prognostizierte die NZZ. Für Schlagzeilen sorgte in der Folge die Aussage Blöchligers, dass Wikipedia nicht zutreffende Angaben über sie verbreite. Sie besitze – im Gegensatz zu den Informationen auf Wikipedia – die britische Staatsangehörigkeit seit dem Tod ihrer Mutter nicht mehr. Der Tages-Anzeiger, der diese Aussage überprüfte, fand allerdings heraus, dass Blöchliger nie formell auf den britischen Pass verzichtet habe. Die Zeitung machte daraus auch deshalb eine Geschichte, weil die SVP 2019 mit einem Vorstoss – erfolglos – das Verbot einer doppelten Staatsbürgerschaft von Bundesratsmitgliedern gefordert hatte. «Blöchligers Hin und Her um ihre zweite Nationalität» biete neuen «Zunder für diese Debatte», so der Tages-Anzeiger. Blöchliger selber gab bekannt, dass sie offiziell auf die britische Staatsangehörigkeit verzichten werde. Allerdings war die Geschichte für viele Medien ein gefundenes Fressen. Der Tages-Anzeiger urteilte, dass sich Blöchliger mit der versuchten Vertuschung ihrer doppelten Staatsbürgerschaft – «um der eigenen Partei zu gefallen» – wohl selbst aus dem Rennen genommen habe. Als «denkbar schlecht» bezeichnete die Weltwoche den Kampagnenstart Blöchligers.

Weitere Kandidatinnen und Kandidaten hatten entsprechend der Terminplanung der SVP bis zum 21. Oktober Zeit, ihr Interesse zu bekunden. Einen Tag vor Ablauf dieser Frist meldete sich die SVP Zürich mit einem eigentlichen Überraschungscoup doch noch zurück und präsentierte den 2021 aus dem Nationalrat zurückgetretenen Hans-Ueli Vogt (svp, ZH) als Kandidierenden. Er sei aus der Politik ausgestiegen, weil ihm die parlamentarische Arbeit nicht zugesagt habe, das Bundesratsamt reize ihn aber, erklärte Vogt. Er wolle «ein Opfer erbringen», zudem sei seine Kandidatur «weder eine Verlegenheitslösung noch eine Alibiübung», gab Vogt der NZZ zu Protokoll, eine urbane Vertretung in der Landesregierung sei zudem wichtig. «Professor Vogt» sei der «Wunschkandidat» der Zürcher Kantonalsektion, betonte Kantonalpräsident Domenik Ledergerber (ZH, svp), der den Kandidierenden als «gründlich, aber zielstrebig, urban und doch bodenständig» beschrieb. In den Medien wurde die Kandidatur begrüsst. Nun habe Zürich doch noch einen Kandidaten, freute sich etwa die NZZ. Vogt sei in Bern auch nach seinem Rücktritt 2021 noch genügend bekannt und werde nach wie vor als seriöser Sachpolitiker geschätzt; vor allem auf linker Seite könne er punkten, ergänzte die NZZ. Auch 24Heures urteilte, dass Vogt mit den Eigenschaften «Intello, urbain, gay» das Zeug habe, die Kampagne aufzumischen. Innerhalb der SVP sei Vogt allerdings ein «OVNI», ein unbekanntes Flugobjekt, urteilte La Liberté. Seine Chancen wurden auch vom Tages-Anzeiger vor allem im Vergleich mit dem «berechenbareren» Albert Rösti als geringer eingestuft. Vogt sei gleichzeitig «Verlegenheitslösung und Befreiungsschlag» für die Zürcher SVP, befand die Weltwoche.

Da bis zum Ende der Meldefrist alle weiteren Favoriten abgesagt hatten – darunter etwa auch Thomas Aeschi, der nach seinem Misserfolg 2015 auf eine zweite Bundesratskandidatur verzichten und sich auf seine Parlamentsarbeit konzentrierten wollte, oder der Aargauer Regierungsrat Jean-Pierre Gallati (AG, svp), der sich bis Meldeschluss bedeckt gehalten hatte – und sich keine neuen Personen mehr gemeldet hatten, standen mit Werner Salzmann, Albert Rösti, Heinz Tännler, Michèle Blöchliger und Hans-Ueli Vogt die fünf Kandidierenden für die Nachfolge von Ueli Maurer fest. Die Partei habe sich knapp gerettet, fasste die Aargauer Zeitung zusammen. Mit einer Frau und einem Kandidaten aus Zürich könne die SVP nun doch verschiedene Optionen bieten. Die Empfehlung der Kandidierenden durch die jeweiligen Kantonalsektionen war Formsache. Für Spannung sorgte einzig die Frage, ob die Kantonalberner Sektion eine Vorselektion treffen und lediglich einen der beiden Kandidierenden vorschlagen würde. Sie schob die Frage einer allfälligen Vorselektion allerdings an die nationale Findungskommission weiter und nominierte sowohl Albert Rösti als auch Werner Salzmann einstimmig. Besagte Findungskommission nahm sich dann bis Mitte November Zeit, die Kandidierenden auf Herz und Nieren zu prüfen, um der Fraktion einen Vorschlag zu unterbreiten.
Wie schon die Kantonalberner scheute sich dann allerdings auch die Findungskommission, eine Vorentscheidung zu treffen. Alle fünf Kandidierenden seien wählbar und in den Hauptthemen strikt auf der Parteilinie. Sie würden einen eindrücklichen Leistungsausweis und die nötige Führungserfahrung mitbringen. Die von alt-Nationalrat Caspar Baader (BL, svp) präsidierte Kommission empfehle der Fraktion zudem, ein Zweierticket zu bilden. Somit stand also die Fraktion in der Verantwortung, die Vorauswahl zu treffen. An der Favoritenrolle von Albert Rösti ändere dies nichts, waren sich die Medien einig. Spannend sei einzig, wer neben ihm aufs Ticket komme, so etwa die NZZ.
Am 18. November entschied sich dann die SVP-Fraktion für ein Zweierticket aus Albert Rösti und Hans-Ueli Vogt. Rösti sei in der ersten Runde mit 26 von 51 Stimmen zum einen Kandidaten auf dem Zweierticket bestimmt worden, wussten die Medien zu berichten. In dieser ersten Runde hätten Michèle Blöchliger vier und Heinz Tännler lediglich eine Stimme auf sich vereinen können. Vogt sei auf 13 und Salzmann auf 5 Stimmen gekommen. Dreimal sei es dann in der Folge zu einem 25:25 Unentschieden zwischen dem Berner und dem Zürcher Kandidaten gekommen, bevor wahrscheinlich eine sich bis dahin enthaltende Stimme in der fünften Runde den Ausschlag für Hans-Ueli Vogt gegeben habe. Das Ringen zeige, dass fraktionsintern befürchtet werde, dass Vogt im Parlament auf linker Seite Stimmen holen könnte und so zum «Rösti-Verhinderer» werde, analysierte die NZZ. Das Rennen zwischen Bern und Zürich sei nun neu lanciert, waren sich die meisten Medien einig.

Bundesratsersatzwahlen 2022 – Nachfolge von Ueli Maurer und Simonetta Sommaruga
Dossier: Bundesratswahlen seit 2008

In der Herbstsession 2022 folgte der Nationalrat mit 103 zu 69 Stimmen bei 4 Enthaltungen dem Antrag des Bundesrates und stimmte der Abschreibung der Motion Regazzi (mitte, TI) für eine «Ausweisung von Terroristinnen und Terroristen in ihre Herkunftsländer, unabhängig davon, ob sie als sicher gelten oder nicht», zu. Die vorberatende SPK-NR hatte ihrem Rat mit 14 zu 9 Stimmen empfohlen, dem Antrag des Bundesrates stattzugeben. Neben der im bundesrätlichen Bericht ausführlich dargelegten rechtlichen Unmöglichkeit, die Motion umzusetzen, betonte die Kommissionsmehrheit, beim Grundrechtsschutz dürfe nicht mit zweierlei Mass gemessen werden: «Ein wahrer Rechtsstaat muss auch seine Feindinnen und Feinde rechtskonform und gemäss seinen Werten behandeln», schrieb sie in der Medienmitteilung. Im Ratsplenum erklärte Kommissionssprecher Kurt Fluri (fdp, SO), der Bundesrat habe sich darüber hinaus bereit erklärt, im Umgang mit verurteilten Terroristinnen und Terroristen, die aufgrund des Non-Refoulement-Gebots nicht ausgeschafft werden können, alle rechtlich zulässigen Mittel zur Wahrung der Sicherheit der Schweiz auszuschöpfen. Justizministerin Karin Keller-Sutter ergänzte, man prüfe im Einzelfall, ob vom Herkunftsstaat die diplomatische Zusicherung erlangt werden kann, dass die betroffene Person weder gefoltert noch unmenschlich behandelt wird, sodass eine völkerrechtskonforme Ausschaffung dennoch möglich ist. Zudem werde auch jeweils geprüft, ob die Person in einen anderen Staat als ihren Herkunftsstaat weggewiesen werden kann. Gleichzeitig betonte sie, die Schweiz habe in letzter Zeit mit dem Nachrichtendienstgesetz, den Strafbestimmungen gegen Terrorismus und den präventiv-polizeilichen Massnahmen ein besseres Instrumentarium erhalten, um «mit den Personen, die wir in der Schweiz behalten müssen, umgehen zu können». Momentan handle es sich um fünf Personen, die die Schweiz aufgrund des Non-Refoulement-Gebots nicht ausschaffen könne, so die Bundesrätin.
Eine Minderheit um SVP-Nationalrat Gregor Rutz (ZH) wollte die Motion trotzdem nicht abschreiben. Es könne nicht sein, dass verurteilte Terroristinnen und Terroristen in der Schweiz blieben, und er sei nicht zufrieden damit, «dass der Bundesrat uns sagt, das ginge nicht», so Rutz. Es sei «eine Frage des gesunden Menschenverstandes», dass «wir [...] doch nicht mit unserer Rechtsordnung Leute schützen [können], die diese Rechtsordnung missbrauchen, um sie zu zerstören». Der Bundesrat müsse «noch einmal über die Bücher», denn es gebe «Möglichkeiten, wie man dieses Anliegen umsetzen kann». Einen Vorschlag, wie eine solche Umsetzung aussehen könnte, lieferte der Minderheitsvertreter dem Ratsplenum jedoch nicht. Seine Ansicht teilten die geschlossen stimmende SVP-Fraktion, die grosse Mehrheit der Mitte-Fraktion sowie FDP-Vertreterin Jacqueline de Quattro (VD), was in der grossen Kammer aber nicht zu einer Mehrheit reichte.

Ausweisung von Terroristinnen und Terroristen in ihre Herkunftsländer, unabhängig davon, ob sie als sicher gelten oder nicht (Mo. 16.3982)

Nach dem Rücktritt von Hanspeter Uster hatte die Bundesversammlung ein neues Mitglied für die Aufsichtsbehörde über die Bundesanwaltschaft (AB-BA) zu wählen. Die AB-BA setzt sich aus sieben Mitgliedern zusammen: Zwei Mitglieder müssen dem Bundesgericht bzw. dem Bundesstrafgericht angehören, zwei müssen in einem kantonalen Anwaltsregister eingetragen sein und drei dürfen als Fachperson weder einem Gericht angehören noch Anwalt oder Anwältin sein. Nun wurde eine sogenannte Fachperson gesucht.
In einer ersten Ausschreibung gingen 13 Bewerbungen ein (6 Frauen, 7 Männer), von denen laut GK-Bericht allerdings nur zwei dem Anforderungsprofil entsprachen, weshalb eine zweite Ausschreibung vorgenommen wurde, bei der sich elf Frauen und zehn Männer bewarben. Aus fünf Bewerbungen (3 Männer, 2 Frauen) entschied sich eine 9-köpfige Mehrheit der GK für Markus Schefer. Weil allerdings die 7-köpfige Minderheit der GK Lionel Seeberger bevorzugte, kam es für die relativ kurze Restzeit der Amtsperiode 2019 bis 2022 zu einer Kampfwahl. Die SVP- und die Mitte-Fraktion unterstützten Seeberger, während sich die restlichen Fraktionen für Schefer aussprachen. Aus dem Kommissionsbericht ging nicht hervor, worauf die Meinungsverschiedenheiten beruhten. Beide Kandidaten erfüllten laut Bericht die Anforderungen und parteipolitische Kriterien spielen bei der Besetzung der AB-BA offiziell keine Rolle.
In der Debatte in der Vereinigten Bundesversammlung im Sommer 2022 lobte Kommissionspräsident Mathias Aebischer (sp, BE) Schefer als «echte Bereicherung» und hob dessen ausgeprägten «Einsatz für die Rechtsstaatlichkeit» im Rahmen seines Präsidiums von Transparency International Schweiz hervor. Für die Minderheit ergriff Lorenz Hess (mitte, BE) das Wort. Grund für die ausserordentliche Situation mit zwei Kandidierenden sei, dass lediglich Lionel Seeberger das ausgeschriebene Profil erfülle, erklärte er. Er habe vertiefte Kenntnisse über Straf- und Strafprozessrecht und verfüge über Französischkenntnisse. Beide Punkte würden im «an sich sehr beeindruckenden CV» von Markus Schefer fehlen. Wolle man glaubwürdig bleiben, müsse man Kandidierende wählen, welche die Kriterien der Ausschreibung erfüllten, so Hess.
In der Folge musste sich die Vereinigte Bundesversammlung entscheiden, ob sie dem Antrag der Mehrheit oder der Minderheit folgen wollte. Mit 121 zu 106 Stimmen entschied sich die Bundesversammlung letztlich relativ knapp für die Minderheit und somit für Lionel Seeberger, der neues Mitglied der AB-BA wurde.
In der Presse wurde insbesondere die GK kritisiert, die es nicht geschafft habe, sich auf einen Kandidaten zu einigen. Die NZZ verwies auf die im Rahmen der Diskussionen um die Justizinitiative geborene Idee eines Fachbeirats, der die Gerichtskommission bei der Auswahl neuer Richterinnen oder Richter unterstützen soll.

Ersatzwahl für ein Mitglied der AB-BA (2022)
Dossier: Aufsichtsbehörde über die Bundesanwaltschaft (AB-BA)

Im März 2022 forderten Ständerat Sommaruga (sp, GE) und die Fraktion der SP (Mo. 22.3214) im Nationalrat in fast identischen Motionen die Schaffung einer Taskforce für die Sperrung von russischen und belorussischen Oligarchengeldern. Die Taskforce solle die Guthaben von reichen russischen und belorussischen Staatsangehörigen, die auf der Liste der im Kontext des Ukrainekriegs sanktionierten Personen stehen, finden, sperren und gegebenenfalls konfiszieren. Sommaruga und die SP-Fraktion nannten eine ähnliche Taskforce aus den Vereinigten Staaten als Vorbild und kritisierten das SECO dafür, dass es seit Kriegsbeginn nur eine Deklarationspflicht für solche Gelder eingeführt habe. Der Bundesrat gestand in seiner Stellungnahme, dass die Umsetzung der Sanktionen die verschiedenen Departemente vor neue Herausforderungen stelle. Die Prozesse zwischen Bundesbehörden und privaten Unternehmen funktionierten jedoch gut und seien effizient, zumindest deuteten die zahlreichen Meldungen und die hohe Summe an eingefrorenen Vermögenswerten darauf hin. Die Schaffung einer Taskforce erachtete der Bundesrat zu jenem Zeitpunkt daher als nicht notwendig. Die Schweiz habe zudem auf Einladung der Europäischen Kommission schon an mehreren Treffen der EU-Taskforce «Freeze and Seize» teilgenommen und werde sich weiterhin darum bemühen, die Wirksamkeit der Sanktionsdurchsetzung in Europa zu stärken. Aus diesen Gründen beantragte der Bundesrat die Ablehnung beider Motionen.

In der Sommersession 2022 diskutierte der Ständerat über die Motion Sommaruga und beschloss auf einen Ordnungsantrag von Benedikt Würth (fdp, SG), den Vorstoss zur Vorprüfung der zuständigen Kommission zuzuweisen. Würth erklärte, dass es unabhängig vom Ukraine-Krieg einige Entwicklungen im Bereich der «Financial Action Task Force» gebe, beispielsweise zur Identifizierung der wirtschaftlich berechtigten Personen bei juristischen Personen. Er verlangte daher, dass der Ständerat einen Bericht des EFD zur Feststellung der wirtschaftlich Berechtigten von juristischen Personen an den Bundesrat im dritten Quartal 2022 abwarten solle, um dessen Erkenntnisse in die Beurteilung einfliessen zu lassen. Motionär Sommaruga begrüsste den Ordnungsantrag, da das heikle Thema noch einige vertiefte Abklärungen nötig mache. Sommaruga forderte, dass sich die Rechtskommission mit der Motion befassen solle, da sie sich sowieso im Rahmen von Anhörungen mit der Thematik beschäftige. Tatsächlich wurde das Geschäft in der Folge der RK-SR zugewiesen.

Ebenfalls in der Sommersession 2022 befasst sich der Nationalrat im Rahmen einer ausserordentlichen Session mit der Motion der SP-Fraktion. Baptiste Hurni (sp, NE) kritisierte den Bundesrat scharf dafür, dass die Schweiz bislang nur CHF 6 Mrd. von insgesamt über CHF 200 Mrd. blockiert habe, die gemäss Schätzungen der Schweizerischer Bankiervereinigung in der Schweiz liegen würden. Er störte sich auch daran, dass der Bundesrat zwar von der multilateralen Taskforce «Russian Elites, Proxies, and Oligarchs» der G7-Staaten Kenntnis genommen habe, aber noch keine Entscheidung betreffend eine Teilnahme gefällt habe. Auch seine Parteikollegin Mattea Meyer (sp, ZH) plädierte dafür, mehr Gelder zu blockieren und den Krieg in der Ukraine «nicht mehr aus der Schweiz heraus» mitzufinanzieren. Die Meldepflicht des SECO sei hierfür nicht ausreichend, denn es sei zu einfach, die jetzigen Kontrollen zu umgehen. Die Grünliberalen kritisierten in der Person von Jürg Grossen (glp, BE) die mangelhafte Umsetzung der beschlossenen Sanktionen. Man anerkenne zwar, dass die Sperrung der Vermögenswerte nicht einfach sei – beispielsweise weil die Betroffenen mehrere Staatsbürgerschaften hätten –, aber man erwarte die Schaffung eines sauberen rechtstaatlichen Verfahrens, wie dies auch beim Potentatengeldergesetz geschehen sei. Grossen meinte, dass eine Taskforce diesbezüglich eine wichtige Aufnahme übernehmen könne. Auch die Fraktion der Grünen unterstützte das Motionsanliegen. Die Mitte sei zwar dafür, dass Bewegung in die Sanktionsumsetzung komme, lehne das Motionsanliegen jedoch ab, erklärte Philipp Bregy (mitte, VS). Die Beschlagnahmung von Vermögen sei rechtsstaatlich nicht vertretbar, nur eine Sperrung wäre vorstellbar. Da sich die Motion inhatlich nicht splitten lasse, lehne die Mitte diese deswegen ab. Bregy kündigte aber an, dass man das Thema einer Taskforce in der APK-NR wieder aufnehmen werde, falls der Bundesrat den Prozess nicht selber vorantreibe. Beat Walti (fdp, ZH) erklärte hingegen, dass die FDP mit der Arbeit der bestehenden Koordinationsgruppe Sanktionspolitik zufrieden sei und auch die «Bestrebungen bezüglich der Mitwirkung in der international ausgerufenen Taskforce» für erfolgversprechend befände. Gregor Rutz (svp, ZH) lehnte die Motion schliesslich im Namen der SVP-Fraktion gänzlich ab und warf den Unterstützerinnen und Unterstützern vor, sich gegen grundlegende Prinzipien des Rechtsstaats zu wenden. Bundesrat Parmelin erläuterte, dass die Umsetzung der Sanktionen durch die betroffenen Bundesstellen mittlerweile effizient verlaufe und auch Vermögenswerte eingefroren würden. Eine neue Taskforce erbringe keinen Mehrwert, da die Behörden im Rahmen der geltenden Rechtsgrundlagen bereits nach Vermögen suchten und diese blockieren könnten. Eine Einziehung von Vermögenswerten wäre hingegen rechtlich nicht möglich und würde eine Gesetzesrevision nötig machen, erläuterte der Bundesrat. Die grosse Kammer lehnte den Vorstoss der SP-Fraktion mit 103 zu 78 Stimmen (bei 3 Enthaltungen) gegen den Willen der SP, der Grünliberalen und der Grünen ab.

Schaffung einer Taskforce für die Sperrung von russischen und belorussischen Oligarchengeldern (Mo. 22.3236 & Mo. 22.3883)

Das Postulat für eine Anpassung der Bussen bei Blaulichtfahrern im Notfalleinsatz von Matthias Aebischer (sp, BE) wurde in der Sommersession 2022 abgeschrieben, nachdem im März 2021 ein entsprechender Bericht in Erfüllung des Postulats veröffentlicht worden war.

Anpassung der Bussen bei Blaulichtfahrern im Notfalleinsatz (Po. 19.4113)

Près de quatre mois après le rejet dans les urnes du train de mesures en faveur des médias, l'initiative parlementaire de la Commission des transports et des télécommunications (CTT-CN) figurait au menu du Conseil national. Ayant pour but de reprendre certaines mesures incontestées lors des débats sur l'aide aux médias, l'objet avait déjà suscité des désaccords au sein des commissions compétentes. Il en fût de même devant la chambre basse qui a finalement rejeté l'initiative parlementaire par 92 voix contre 87, et 6 abstentions. Une courte majorité composée des fractions UDC, PLR et verte libérale, a bénéficié de l'appui de quatre membres du Centre pour faire pencher la balance. Comme lors de la votation de février, un affrontement gauche-droite a eu lieu, avec le Centre comme juge de paix. A la tribune, le zurichois Philipp Kutter (centre, ZH) a exposé, au nom de la commission, les raisons qui ont poussé la CTT-CN à déposer cette initiative. Alors qu'il a lui-même rejeté le paquet d'aide aux médias, le trouvant trop généreux, il pense néanmoins, comme une majorité de la commission, que le besoin d'agir demeure. En ne reprenant que des mesures n'ayant pas suscité la controverse, le but n'était pas de remettre en question la décision populaire: Kutter a souligné que la commission a renoncé à une extension de l'aide indirecte à la presse ainsi qu'à l'introduction d'une aide aux médias en ligne. Le reproche d'un déni de démocratie émanait pourtant des propos de l'UDC Gregor Rutz (udc, ZH). Pour le parlementaire agrarien, l'acceptation des résultats d'une votation est tout aussi important pour le fonctionnement d'une démocratie que le sont les médias. D'après lui, cette proposition de reprendre des éléments du paquet d'aide arrive donc trop vite. Appelant à attendre le rapport sur le postulat Christ (pvl, BS) pour une réflexion à tête reposée, le député Rutz a rallié la majorité de la chambre du peuple à ses propos.

Aide aux médias. Développer ce qui fonctionne (Iv.pa. 22.425)
Dossier: Vorstösse zur Presseförderung (2000-)
Dossier: Medienförderungspolitik nach dem Scheitern des Medienpakets

La Suisse n'interdira pas l'importation de fourrures issues d'animaux maltraités, comme l'a décidé le Conseil des Etats. Une majorité de 25 voix contre 19 s'est, en effet, dégagée pour rejeter la motion Aebischer (ps, BE). La chambre haute s'est laissée convaincre par les arguments de la majorité de la CSEC-CE, pour qui les récents renforcements législatifs suffisent. Ainsi, il est désormais, par exemple, obligatoire de déclarer les modes de production non-autorisés en Suisse comme tel sur les produits et les contrôles en magasin ont été renforcés. Comme exposé par Andrea Gmür-Schönenberger (centre, LU), la majorité veut également éviter de potentiels problèmes en lien avec les accords de l'OMC, le concept de maltraitance animale n'étant pas fixé à l'internationale. Finalement, le marché s'autorégulerait en la matière selon l'élue lucernoise, la fourrure n'étant plus du tout «cool» parmi les jeunes. Les plaidoyers de Maya Graf (verts, BL), d'Elisabeth Baume-Schneider (ps, JU) et de Thomas Minder (indépendant, SH) sur les lacunes législatives en la matière, sur la compatibilité avec les règles édictées par l'OMC – l'UE a pu interdire l'importation de fourrures de blanchon (le petit du phoque) et la Suisse les fourrures de chat et de chien – ou encore sur l'inefficacité des contrôles n'auront pas réussi à convaincre suffisamment de sénatrices et de sénateurs. De son côté, le Conseil fédéral a dit vouloir attendre encore deux ans afin de pouvoir évaluer l'efficacité des mesures récemment mises en place, voire de renforcer les sanctions, avant d'aller plus loin et d'envisager une interdiction. Le dossier n'est donc, malgré le refus de ce texte, pas entièrement clos.
Dans un même geste, il n'a pas été donné suite à une pétition (21.2021) à la teneur similaire et dotée de près de 43'000 signatures.

Interdiction d'importation de produits de la pelleterie issus de la maltraitante animale (Mo. 19.4425)
Dossier: Parlamentarische Vorstösse zum Handel und Import mit Pelzprodukten
Dossier: Deklaration von Herstellungsmethoden, die den Schweizer Standards nicht entsprechen

Im Januar 2022 befasste sich die UREK-NR mit den parlamentarischen Initiativen von Hans Egloff (svp, ZH) und Gregor Rutz (svp, ZH), welche beide eine Lockerung des Schutzes von Ortsbildern nationaler Bedeutung zugunsten der Verdichtung der Siedlungsfläche nach innen vorsahen. Mit der Begründung, dass erst noch ein relevanter Bericht des ARE und des BAK abgewartet werden solle, hatte der Nationalrat die Behandlungsfrist für die Initiativen in der Wintersession 2021 um zwei Jahre verlängert. Dieser Bericht lag der Kommission in ihrer Sitzung im Januar nun vor. Die Kommission betonte, dass der Bericht erneut zeige, dass gesetzliche Änderungen vorerst nicht notwendig seien, da «mit einer frühzeitigen Planung und einer konstruktiven Zusammenarbeit aller Beteiligten gute Lösungen gefunden werden können». Der Bund werde dafür bereits im Frühling 2022 einen Leitfaden zur Anwendung des Bundesinventars der schützenswerten Ortsbilder (ISOS) mit konkreten Handlungsempfehlungen für Kantone, Städte und Gemeinden und deren Planungen veröffentlichen. Daher beantragte die Mehrheit der UREK, die beiden Initiativen abzuschreiben.

In der Frühjahrssession 2022 beugte sich der Nationalrat über die Initiativen. Michael Graber (svp, VS) plädierte im Namen einer Kommissionsminderheit, die Initiative nicht abzuschreiben, da die Anwendung des ISOS in der Praxis so falsch und restriktiv sei, dass dies verdichtetes Bauen in der ganzen Schweiz erheblich erschwere. Vielmehr brauche es gesetzliche Massnahmen. Eine Mehrheit des Rates folgte jedoch dem Antrag der Kommissionsmehrheit und schrieb die beiden Initiativen mit 101 zu 80 Stimmen und mit 101 zu 82 Stimmen ab. Für die Abschreibung stimmten die Fraktionen von SP, Grünen und GLP. Geschlossen dagegen sprach sich nur die SVP-Fraktion aus, während sich die Mitte und die FDP gespalten zeigten.

Verdichtung ermöglichen. Widersprüche und Zielkonflikte aufgrund des Isos ausschliessen (Pa.Iv. 17.525, 17.526)

In der Frühjahrssession 2022 debattierte der Nationalrat über die Vorlage seiner SPK-NR, mit der die Handlungsfähigkeit des Parlamentes in Krisensituationen verbessert werden sollte und die zahlreiche entsprechende Vorstösse aufnahm. Kommissionssprecher Gregor Rutz (svp, ZH) erinnerte an die Ursprünge ebendieser Vorstösse: Die Corona-Pandemie habe nicht nur zum abrupten Abbruch einer Session, sondern auch zur Handlungsunfähigkeit des Parlaments geführt. Die Tätigkeit der Kommissionen sei eingeschränkt, die Organisation einer ausserordentliche Session sei schwierig gewesen und das Parlament habe eine gewisse Ohnmacht gegenüber den Notverordnungen des Bundesrats verspürt. Um für zukünftige Krisen gewappnet zu sein, sei eine Subkommission mit der Ausarbeitung einer Vorlage betraut worden. Diese sei sich jedoch einig gewesen, dass die bestehenden rechtlichen Instrumente dem Parlament eigentlich auch in Krisenzeiten genügend Handlungsspielraum verschaffen würden. Allerdings seien die Strukturen teilweise träge und es fehle an Ressourcen. Hier setzte die Vorlage an, die in drei Blöcken behandelt wurde. Der erste Block zielte auf Vereinfachungen der Organisation von Sessionen und Kommissionssitzungen und insbesondere auch auf die Ermöglichung von hybriden Sitzungen ab; der zweite Block sah die Bildung einer schlagkräftigeren Verwaltungskommission anstelle der bisherigen Verwaltungsdelegation vor und im dritten Block waren Vorschläge für effizientere parlamentarische Instrumente vorgesehen. Eintreten war unbestritten.

Konkret schlug die SPK-NR im ersten Block neue Regelungen für die Einberufung von ausserordentlichen Sessionen vor. Bisher konnte ein Viertel der Mitglieder eines Rats oder der Bundesrat solche ausserplanmässigen Sitzungen einberufen. Neu soll dies auch eine parlamentarische Kommission dürfen, wenn sie dringenden Handlungsbedarf sieht. Eine ausserordentliche Session soll darüber hinaus auch verlangt werden können, wenn der Bundesrat Notverordnungen erlässt, die sich direkt auf die Verfassung stützen. In ausserordentlichen Situationen, in denen die physische Präsenz von Parlamentsmitgliedern verunmöglicht wird – gemeint waren neben Pandemien etwa auch Naturkatastrophen in bestimmten Regionen, höhere Gewalt oder behördliche Anordnungen in Form von Quarantäne –, kann die Ratsmehrheit die Möglichkeit einer virtuellen Teilnahme an den Ratsdebatten beschliessen. Explizit ausgeschlossen wurde eine virtuelle Teilnahme während des Normalbetriebs. Vorgeschlagen wurde des Weiteren, dass eine aufgrund einer Krisensituation nötige Änderung des Tagungsortes neu keinen Parlamentsbeschluss mehr benötigt, sondern von einer Koordinationskonferenz bestimmt werden kann. Ebenfalls in Block 1 wurden die Zusammenkünfte der Kommissionen in Krisenzeiten neu geregelt: In dringlichen Fällen soll neu eine ausserordentliche Kommissionssitzung mittels eines Mehrheitsbeschlusses im Zirkularverfahren beschlossen werden können. Eine virtuelle Sitzung soll dann ermöglicht werden, wenn das Kommissionspräsidium und die Kommissionsmehrheit einer solchen zustimmen. Hybride Sitzungen, also die virtuelle Teilnahme einzelner Mitglieder, sind aber nur dann vorzusehen, wenn eine Stellvertretung rechtlich nicht möglich ist.
Die Minderheitenvorschläge gegen einzelne Teile dieser Vorschläge in Block 1 wurden allesamt abgelehnt. So verlangte etwa Pirmin Schwander (svp, SZ) die ausdrückliche Nennung des Parlamentsgebäudes in Bern als normalen Tagungsort, Samira Marti (sp, BL) wollte die Anzahl zur Einberufung einer ausserordentlichen Kommissionssitzung nötiger Personen auf ein Drittel der Kommissionsmitglieder senken und verschiedene Minderheiten wollten die Möglichkeit virtueller Teilnahmen an Kommissionssitzungen entweder ganz streichen (Minderheit Addor, svp, VS) oder ausweiten (Minderheit Cottier, fdp, NE).

Auch im zweiten Block wurden sämtliche Minderheitsanträge abgelehnt. Dass eine neue, eigenständige Verwaltungskommission anstelle der bisherigen Verwaltungsdelegation geschaffen werden soll, war freilich unbestritten. Die Anträge der Minderheiten zielten vielmehr auf deren Zusammensetzung ab. Die bisherige Verwaltungsdelegation setzt sich aus den je sechs Mitgliedern der Ratspräsidien beider Räte zusammen. Neu sollten lediglich noch die beiden Ratspräsidentinnen oder -präsidenten und je vier erfahrene Mitglieder beider Kammern, welche für vier Jahre in die Verwaltungskommission gewählt werden, in der zu schaffenden Kommission Einsitz nehmen. Weil damit auch eine Entflechtung mit den Büros angestrebt wird, sollten Mitglieder des Büros, also vor allem die Fraktionspräsidentinnen und -präsidenten, nicht gleichzeitig in der Verwaltungskommission sitzen dürfen. Eine Minderheit Aeschi (svp, ZG) bekämpfte diesen Passus erfolglos und eine Minderheit Moret (fdp, VD) wollte auch die Vizepräsidentinnen oder -präsidenten der beiden Räte in die Kommission aufnehmen – ebenso ohne Erfolg. Aufgabe der Verwaltungskommission soll auch die Oberaufsicht über die Parlamentsverwaltung sein, konkret also die Bestimmung der Kommissionssekretäre und des Generalsekretärs der Bundesversammlung. Ein Minderheitsantrag Pfister wollte die Wahl der Generalsekretärin oder des Generalsekretärs neu der Bundesversammlung übertragen, was von der Mehrheit aber wohl aus Angst vor einer «Verpolitisierung des Amtes», wie Kommissionssprecher Gregor Rutz (svp, ZH) warnte, ebenfalls abgelehnt wurde.

Der dritte Block zielte auf Effizienzsteigerungen bei der Nutzung parlamentarischer Instrumente ab. Damit von Kommissionen verfasste dringliche Bundesgesetze oder Notverordnungen von der Bundesversammlung rasch behandelt werden könnten, brauche es kürzere Fristen für die Stellungnahme des Bundesrats – so der Vorschlag der SPK-NR. Diese sollen in Krisenzeiten spätestens in der nächsten ordentlichen oder ausserordentlichen Session vorliegen. Neu sollen zudem zwei gleichlautende eingereichte Kommissionsmotionen den Bundesrat im Normalbetrieb dazu verpflichten, bis zur nächsten anstehenden Session eine Stellungnahme zu verfassen. Eine Minderheit Binder-Keller (mitte, AG) und der Bundesrat wehrten sich erfolglos gegen dieses Ansinnen. Da eine Stellungnahme Zeit brauche, würde deren Qualität leiden, wenn sie rasch erfolgen müsse – so die Begründung. Insbesondere im Normalbetrieb sei für eine solche Regelung kein Mehrwert ersichtlich. Darüber hinaus sollten Kommissionsmotionen, die Änderungen von bundesrätlichen Notverordnungen verlangen, innerhalb von sechs Monaten statt wie bisher bei angenommenen Motionen innerhalb von zwei Jahren umgesetzt werden müssen. Weil dies kürzere Fristen nach sich ziehe und damit ein Vernehmlassungsverfahren nicht immer möglich sei, müssten in Krisenzeiten Kantonsregierungen und besonders betroffene Akteure konsultiert werden. Zudem muss der Bundesrat künftig von sich aus die zuständigen parlamentarischen Kommissionen konsultieren, wenn er Notverordnungen erlassen will. Neben der Minderheit Binder-Keller lagen zwei Anträge vor, mit denen eine abstrakte Normenkontrolle für solche Notverordnungen verlangt wurden. Während die Minderheit Glättli (gp, ZH) eine juristische Beurteilung über allfällige Grundrechtsverletzungen von Notverordnungen, die durch das Parlament oder den Bundesrat beschlossen werden, verlangte, sah die Minderheit Addor lediglich eine Kontrolle der bundesrätlichen Notrechtsbeschlüsse vor. Auch in Block 3 folgten komfortable Mehrheiten allen Anträgen der Kommission und lehnten damit auch diese Minderheitsanträge ab.

In der Gesamtabstimmung hiess der Nationalrat den Entwurf mit 183 zu 1 Stimme gut, die entsprechende Verordnung wurde mir 170 zu 1 Stimme (1 Enthaltung) und das Geschäftsreglement des Nationalrats mit 171 zu 1 Stimme (keine Enthaltungen) angenommen. Weil Letzteres lediglich der Zustimmung der grossen Kammer bedurfte, wurde es tags darauf bereits der Schlussabstimmung zugeführt, wo es mit 157 zu 28 Stimmen (5 Enthaltungen) angenommen wurde. Gegenstimmen und Enthaltungen stammten allesamt von Mitgliedern der SVP-Fraktion.

Kontrolle von Notrecht und Handlungsfähigkeit des Parlaments in Krisensituationen verbessern (Pa.Iv. 20.437, Pa.Iv 20.438))
Dossier: Parlament in Krisensituationen

Die SPK-NR wollte mittels einer im Januar 2022 eingereichten Motion den Bundesrat mit der Erarbeitung einer Änderung des EpG betrauen. Durch die Revision soll unter noch zu definierenden Bedingungen die Entschädigung von Personen und Unternehmen ermöglicht werden, welche ihren Geschäftsbetrieb infolge behördlicher Massnahmen einstellen oder einschränken müssen, wenn es nicht anderweitig zur Deckung der entstandenen Schäden komme. Die Entschädigungspflicht solle zeitlich limitiert sein. Mitte März 2022 kam das Geschäft in die grosse Kammer. Gregor Rutz (svp, ZH) und Damien Cottier (fdp, NE) begründeten das Kommissionsanliegen zum einen damit, dass die Entschädigungspflicht für die Bevölkerung im Zuge entstandener Schäden durch gesundheitspolitische Massnahmen im EpG bisher nicht festgehalten sei. Zum anderen könnten private Veranstalter oder Unternehmen gegenwärtig nur Schadensersatz einfordern, wenn widerrechtliches Handeln staatlicher Organe vorliege. Ursprünglich sei die Überlegung gewesen, dass es im Verantwortungsbereich der Unternehmen liege, die entsprechenden Vorsorgemassnahmen für Krisensituationen zu treffen. Allerdings sei die SPK-NR zum Schluss gekommen, dass eine Epidemie im Ausmasse der Covid-19-Pandemie zum Zeitpunkt der Ausarbeitung des EpG unvorstellbar gewesen sei und deren Folgen daher nicht allein in der individuellen Verantwortung der betroffenen Unternehmen liege. Rutz betonte indes, dass für die staatliche Ersatzpflicht eindeutige Voraussetzungen gelten müssten, die Selbstverantwortung nach wie vor im Zentrum stehe und der «Staat […] nicht zur Vollkaskoversicherung werden [soll und darf]». Der Bundesrat empfahl die Motion zur Ablehnung. Gesundheitsminister Alain Berset erklärte jedoch, dass es sich um eine formelle Ablehnung und nicht um eine Ablehnung der Sache handle. Er teile die Ansicht der Kommission bezüglich des Handlungsbedarfs, allerdings müsse dieses Anliegen im allgemeinen Rahmen der bevorstehenden Revision des EpG umgesetzt werden. Bersets Worte waren indes wenig erfolgreich. Einstimmig (176 zu 0 Stimmen) nahm der Nationalrat das Geschäft an.

Ergänzung des Epidemiengesetzes: Entschädigung bei Massnahmen (Mo. 22.3009)

Die parlamentarische Initiative von Sibel Arslan (basta, BS) war 2020 trotz gegenteiliger Empfehlung der SPK-NR von der grossen Kammer knapp mit 98 zu 85 Stimmen angenommen worden und auch die SPK-SR hatte knapp mit 7 zu 6 Stimmen für Folgegeben optiert. Statt eine Vorlage auszuarbeiten, hatte sich die SPK-NR dann allerdings – erneut sehr knapp mit 12 zu 12 Stimmen bei einer Enthaltung und Stichentscheid ihres Präsidenten Andreas Glarner (svp, AG) – dafür entschieden, den Vorstoss zur Abschreibung zu beantragen und keinen Erlassentwurf zum aktiven Stimm- und Wahlrecht für 16-Jährige auszuarbeiten.
Über diesen Abschreibungsantrag entbrannte in der Frühjahrssession 2022 eine lebhafte, mit zahlreichen Gegenfragen gespickte Debatte. Auf der einen Seite wurde für mehr «Vertrauen in die Jugend» plädiert (Corina Gredig, glp, ZH). Die alternde Gesellschaft müsse mehr junge Menschen einbeziehen, argumentierte Marianne Binder-Keller (mitte, AG). Politisches Interesse sei keine Frage des Alters und politisch interessierte Jugendliche dürften nicht gebremst werden, forderte Nadine Masshardt (sp, BE). Für die Gegenseite gab Andri Silberschmidt (fdp, ZH) seine eigenen Erfahrungen zum Besten: Es gebe genügend Werkzeuge, um in jungen Jahren auch ohne Stimm- und Wahlrecht politisch aktiv zu sein. Gleichzeitig kritisierte er die Trennung von aktivem und passivem Wahlrecht. Es leuchte nicht ein, weshalb man abstimmen und wählen sollen dürfe, nicht aber selber kandidieren. Weiter argumentierten die Gegnerinnen und Gegnern, dass man viele Dinge mit 16 noch nicht dürfe, was eben auch die Vergabe des Stimm- und Wahlrechts in Frage stelle. «Wie soll denn jemand, der offenbar nicht in der Lage ist, über den Kauf einer Flasche Wodka zu entscheiden, vernünftig über eine Mehrwertsteuerrevision abstimmen können?», fragte etwa Gregor Rutz (svp, ZH) rhetorisch. Dagegen wandte Felix Wettstein (gp, SO) ein, dass Mündigkeits- und Stimmrechtsalter auch bei der Senkung auf 18 Jahre nicht übereingestimmt hätten (das Mündigkeitsalter lag damals bei 20, heute bei 18 Jahren). Auch die Frage nach der genauen Altersgrenze wurde debattiert. Auf die wiederum rhetorische Frage von Samira Marti (sp BL), ob es korrekt sei, dass über 50-jährige darüber entschieden, wie die Welt in fünfzig Jahren aussehen solle, antwortete Marianne Binder-Keller (mitte, AG), dass es zur Lösung dieser Problematik wohl ein «Stimmrechtsalter null» brauchen würde. Am Schluss meldete sich auch Initiantin Sibel Arslan zu Wort. Eine Abschreibung der Vorlage «wäre eine Ohrfeige für die Jungen». Es gehe um deren Zukunft und ihr Einbezug stärke den Generationenvertrag – so die Baslerin.
Die Abstimmung über den Antrag für Abschreibung fiel in der Folge erneut äusserst knapp aus. Dank einigen Stimmen aus der FDP-Fraktion und knapp der Hälfte der Stimmen aus der Mitte-EVP-Fraktion wuchsen die Voten der geschlossen stimmenden SP-, GLP- und GP-Fraktionen auf 99 an, die gegen die 90 befürwortenden Stimmen – darunter die geschlossen stimmende SVP-Fraktion – obsiegten (3 Enthaltungen). Die SPK-NR wird also eine Vorlage ausarbeiten müssen.

Aktives Stimm- und Wahlrecht für 16-Jährige (Pa.Iv. 19.415)
Dossier: Stimmrechtsalter 16

Le Conseil national a donné suite à l'initiative parlementaire Regazzi (centre, TI) par 119 voix contre 71 et 3 abstentions. A la tribune, le tessinois a dénoncé le système actuel, qui équivaut selon lui à une double taxe pour les PME. Face à lui, le socialiste Matthias Aebischer (ps, BE) s'est agacé du comportement du groupe «anti-SSR», qui chercherait par tous les moyens à couper les vivres au service public. L'objet prend donc la direction du Conseil des États.

«KMU von der Mediensteuer ausnehmen» (Pa.Iv. 19.482)
Dossier: Die geräteunabhängige Radio- und Fernsehabgabe für Unternehmen in der Kritik

Der Nationalrat beugte sich in der Frühjahressession 2022 als Erstrat über die umfassende Revision des Strassenverkehrsgesetzes. Die Debatte gliederte sich in drei Blöcke – erstens umweltfreundliche Technologien und automatisiertes Fahren, zweitens Anpassungen im Bereich Via sicura sowie drittens verschiedene kleinere Änderungen, quasi ein Varia-Block. Die Ziele der Revision bestanden gemäss Kommissionssprecher Philipp Matthias Bregy (mitte, VS) in der Förderung umweltfreundlicher Technologien in der Mobilität sowie in der Überprüfung der Verkehrssicherheit.
Im ersten Block waren die neuen Bestimmungen für umweltfreundliche Technologien unbestritten; für etwas mehr Gesprächsbedarf sorgten die Regeln zum automatisierten Fahren: Die Grünen hatten hierzu drei Minderheitsanträge eingereicht: Eine Minderheit Schlatter (gp, ZH) wollte das automatisierte Fahren nur auf Autobahnen und -strassen sowie auf Nebenstrassen mit wenig Langsamverkehr zulassen. Eine weitere Minderheit Schlatter wollte das Inverkehrbringen von automatisierten Lieferrobotern verbieten. Eine Minderheit Trede (gp, BE) wiederum vertrat die Ansicht, dass Versuche mit Fahrzeugen mit einem Automatisierungssystem und die Erkenntnisse daraus nicht nur zu dokumentieren seien, sondern auch von unabhängiger Forschung begleitet werden sollen. Die Forschenden sollten dabei insbesondere die Konsequenzen für die nicht motorisierten Verkehrsteilnehmenden untersuchen. Allerdings fand keiner dieser drei Anträge eine Mehrheit.
Der zweite Block zu den Anpassungen von Via Sicura gab in der grossen Kammer viel zu reden. Die Mehrheit des Rates war sich einig, dass den verantwortlichen Behörden und Gerichten bei Geschwindigkeitsübertretungen mehr Ermessensspielraum gewährt werden solle. Folglich wurde gegen den Widerstand der Grünen und Teilen der SP beschlossen, bei Raserdelikten die Mindestfreiheitsstrafe von einem Jahr aus dem SVG zu streichen. Betreffend die Mindestentzugsdauer des Führerscheins bei Raserdelikten konnte sich ein Antrag Jauslin (fdp, AG), der demjenigen des Bundesrates entsprach, durchsetzen. Damit wurde die Mindestentzugsdauer von derzeit 24 Monate auf 12 Monate halbiert. Die Kommissionsmehrheit, welche 6 Monate gefordert hatte, sowie zwei links-grüne Minderheitsanträge, die sich für 18 respektive 24 Monate Mindestentzugsdauer ausgesprochen hatten, fanden folglich keine Mehrheit.
Im Rahmen des dritten Blocks wurde gegen den Willen des Bundesrates beschlossen, dass für fahrradfahrende Kinder bis 16 Jahre keine Helmpflicht gelten soll. Matthias Aebischer (sp, BE), Präsident von Pro Velo Schweiz, freute sich über diesen Entscheid, da das Ziel darin bestehen müsse, «dass möglichst viele Leute Velo fahren». Keine Mehrheit fanden zwei Minderheitsanträge Aebischer, wonach Fahrräder nur mit einem Mindestabstand von 1.5 Metern und im Kreisverkehr überhaupt nicht hätten überholt werden dürfen. Zudem beschloss der Nationalrat gegen den Willen der geschlossen stimmenden SP- und Grünen-Fraktionen sowie einzelner GLP- und Mitte-Mitglieder, dass neu auch motorisierte Zweiräder auf dem Trottoir abgestellt werden dürfen, sofern den zu Fuss Gehenden noch genügend Platz bleibt. Schliesslich beschloss die grosse Kammer, dass Rundstreckenrennen von Motorfahrzeugen in Zukunft grundsätzlich erlaubt werden sollen, aber der Bewilligung des jeweiligen Standortkantons bedürfen.
In der Gesamtabstimmung wurde die Vorlage mit 156 zu 28 Stimmen deutlich angenommen. Die ablehnenden Stimmen stammten von der geschlossen stimmenden GP-Fraktion. Marionna Schlatter hatte schon in ihrem Eintretensvotum darauf hingewiesen, dass die Grünen die Vorlage ablehnen würden, falls nicht noch Verbesserungen vorgenommen würden. Die Vorlage würde ansonsten dazu führen, dass «die Verantwortung für die Sicherheit an die schwächeren Verkehrsteilnehmerinnen und -teilnehmer» abgeschoben werde.

Teilrevision des Strassenverkehrsgesetzes (BRG 21.080)
Dossier: Wie soll mit Raserdelikten umgegangen werden?

Der Nationalrat befasste sich in der Frühjahressession 2022 mit einer Motion Aebischer (sp, BE) zur Titeläquivalenz für die Höhere Berufsbildung (HBB). Aebischer erläuterte, dass die Schweizerinnen und Schweizer mit einem Abschluss der HBB im Ausland oft keine Chance auf eine adäquate Stelle hätten, weil die Schweizer Abschlüsse im Ausland nicht bekannt seien; oder, «wenn sie sie [die Stelle] bekommen haben, weniger Geld verdienen, weil sie keinen Bachelor und keinen Master vorweisen können.» Daher brauche es im Zusatz zum Diplom einen entsprechenden Titel.
Bildungsminister Parmelin erläuterte anschliessend, weshalb der Bundesrat die Motion ablehne: Die Frage der Titel und die Positionierung der höheren Berufsbildung im Allgemeinen würden derzeit bereits unter Federführung des SBFI detailliert evaluiert. Diese Arbeiten sollten nun abgewartet werden, bevor weitere Entscheide getroffen würden. Ausserdem wies Parmelin darauf hin, dass die allfällige Einführung von neuen Titeln in der HBB weder zu einer Akademisierung der HBB noch zu einer Verwechslung mit den akademischen Abschlüssen auf der universitären und der Fachhochschul-Ebene führen dürfe.
Die grosse Kammer stimmte nach diesen Ausführungen mit 129 zu 54 Stimmen (bei 7 Enthaltungen) mehrheitlich für die Annahme der Motion. Die ablehnenden Stimmen stammten allen voran von den Fraktionen der SVP und der FDP.Liberalen.

Titeläquivalenz für die höhere Berufsbildung (Mo. 20.3050)
Dossier: Höhere Fachschulen

Le paquet d'aide aux médias a été rejeté en votation populaire le 13 février 2022. Ce refus ne signifie pas pour autant la fin de la discussion sur les possibilités de soutien de la part de l'état aux médias. Lors de la session de printemps, Katja Christ (pvl, BS) a remis le sujet sur le tapis via son postulat «Réfléchir dès aujourd'hui à la stratégie d'aide aux médias de demain». La conseillère nationale bâloise a relevé que ce sont certaines mesures particulières qui ont provoqué l'échec du paquet soumis à votation. Dès lors, il s'agit de déterminer comment l'État peut aider les médias, sans répéter les erreurs commises lors de la conception du paquet, surchargé selon elle. Dans le même ordre d'idée, la commission des transports et des télécommunications du Conseil national (CTT-CN) a déposé début avril une initiative parlementaire proposant de reprendre les points du paquet qui n'étaient pas contestés lors des débats parlementaires afin qu'ils entrent rapidement en vigueur.
Lors de sa prise de parole à la tribune, Gregor Rutz (udc, ZH) n'a pas adopté la même grille d'analyse que Christ. Le zurichois a interprété le vote du 13 février comme un signal d'une nouvelle direction à donner à la politique médiatique, plus orientée vers le marché et avec plus de retenue de la part de l'État. Le député conservateur a également exprimé sa volonté de revoir le mandat attribué à la RTS, suivant la ligne de son parti, qui prépare de nouvelles attaques contre le service-public, quatre ans après le rejet de l'initiative No-Billag.
S'agissant du Conseil fédéral, il a recommandé l'adoption du postulat. Le Conseil national l'a suivi en acceptant l'objet par 102 voix contre 82 (une abstention).

Réfléchir dès aujourd'hui à la stratégie d'aide aux médias de demain (Po. 21.3781)
Dossier: Vorstösse zur Presseförderung (2000-)
Dossier: Medienförderungspolitik nach dem Scheitern des Medienpakets

In der Frühjahrssession 2022 reagierte das Parlament auf den russisch-ukrainischen Konflikt, der im Februar desselben Jahres mit dem Ausbruch bewaffneter Kampfhandlungen eskaliert war. Sowohl der Nationalrat (PAG 22.023) wie auch der Ständerat (PAG 22.024) verfassten unter dem Titel «Für einen sofortigen Waffenstillstand in der Ukraine» eine öffentliche Erklärung. Darin verurteilten die Räte den russischen Angriffskrieg; forderten die Vereinbarung eines sofortigen Waffenstillstands; unterstrichen die Bedeutung des völkerrechtlich basierten globalen Sicherheitssystems; appellierten an die Konfliktparteien, das humanitäre Völkerrecht zu respektieren; solidarisierten sich mit der ukrainischen Bevölkerung; forderten den Bundesrat dazu auf den Druck auf Russland durch die Übernahme der EU-Sanktionen zu erhöhen; und verlangten, dass die Schweiz Flüchtlinge aufnehmen und ihre humanitäre Hilfe anbieten müsse.

Im Nationalrat forderte eine Minderheit Rutz (svp, ZH) die Ablehnung der Erklärung. Eine weitere Minderheit Reimann (svp, SG) verlangte die Rückweisung an die Kommission und die Erarbeitung eines Entwurfs, der es der Schweiz erlaube, den Entscheid über Sanktionen unabhängig von der EU zu treffen. Nationalrat Reimann argumentierte, dass eine «generelle Abstützung auf (sich laufend ändernde) EU-Sanktionslisten» nicht mit der Schweizer Verfassung, dem Embargogesetz oder der Schweizer Unabhängigkeit und Neutralität vereinbar sei. Minderheitsführer Rutz vertrat hingegen die Ansicht, dass die Schweiz im Rahmen dieses Konflikts am meisten beitrage, wenn sie an ihrer Neutralität festhalte und ihre Guten Dienste zum Einsatz bringe. Aussenminister Cassis machte klar, dass er es nicht als neutral erachte, «einem Aggressor in die Hände zu spielen», und begründete damit die vollständige Übernahme der EU-Sanktionen. Als Depositarstaat der Genfer Konventionen könne die Schweiz nicht untätig bleiben, wenn diese «mit Füssen getreten werden», so Cassis weiter. Der Nationalrat lehnte Reimanns Minderheitsantrag in der Folge mit 140 zu 54 Stimmen ab, jenen von Gregor Rutz mit 147 zu 41 Stimmen (bei 8 Enthaltungen), womit die Erklärung angenommen wurde.

Im Ständerat gingen sechs Anträge ein, die verschiedene Passagen der Erklärung inhaltlich anpassen oder ergänzen wollten. Ständeratspräsident Hefti (fdp, GL) erklärte, dass der Text der Erklärung aus reglementarischen Gründen nicht im Rahmen der Ratsdebatte geändert werden könne, weshalb man für jede Version einen separaten Beschluss fassen müsse. Die vier gleichlautenden Anträge Bischof (mitte, SO), Sommaruga (sp, GE), Vara (gp, NE) und Müller (fdp, LU) entsprachen dem Antrag, der vom Nationalrat am Vortag angenommen worden war. Marco Chiesa (svp, TI) wollte hingegen auf die Übernahme der EU-Sanktionen verzichten. Thierry Burkart (fdp, AG) ergänzte die nationalrätliche Version um einen Zusatz zu den humanitären Diensten der Schweiz vor Ort und der Flüchtlingsaufnahme. Letzterer Vorschlag fand grossen Anklang, sodass Bischof, Sommaruga, Müller und Vara ihre Anträge zurückzogen. Der Antrag Chiesa wurde mit 37 zu 5 Stimmen (bei 2 Enthaltungen) deutlich abgelehnt, während die Version Burkart mit 38 Stimmen (bei 6 Enthaltungen) einstimmig angenommen wurde.

Erklärung des Parlaments für einen sofortigen Waffenstillstand in der Ukraine (PAG 22.023 & PAG 22.024)
Dossier: Schweizer Reaktion auf die russischen Aggressionen in der Ukraine (ab 2014)

Der Nationalrat beschloss in der Wintersession 2021, die Frist für die Behandlung einer parlamentarischen Initiative Rutz (svp, ZH) betreffend eine Lockerung des Schutzes von Ortsbildern nationaler Bedeutung zugunsten der Förderung der Siedlungsentwicklung nach innen um zwei Jahre bis zur Wintersession 2023 zu verlängern. Der Beschluss kam auf Antrag der nationalrätlichen UREK zustande. Die Kommission begründete ihren Entscheid damit, dass sie erst noch einen vom Bundesrat in Auftrag gegebenen Bericht mit Empfehlungen bezüglich der Behandlung von Verdichtung und Ortsbildschutz im Rahmen der Interessenabwägung abwarten wolle. Die Arbeitsgruppe war vom EDI und vom UVEK im Nachgang zu einem Bericht in Erfüllung eines Postulates Fluri (fdp, SO; Po. 16.4028) zusammengestellt worden.

Verdichtung ermöglichen. Widersprüche und Zielkonflikte aufgrund des Isos ausschliessen (Pa.Iv. 17.525, 17.526)

Der Nationalrat befasste sich in der Wintersession 2021 mit dem Entwurf für ein neues Veloweggesetz. Marco Romano (mitte, TI) und Frédéric Borloz (fdp, VD) stellten die Vorlage vor, deren zentraler Aspekt in der Verpflichtung der Kantone lag, Velowegnetze zu planen und zu realisieren.
In der Eintretensdebatte hiessen Mitglieder der Grünen-, SP- und GLP-Fraktion die Vorlage des Bundesrates – unter anderem mit Verweis auf die wichtige Rolle der Veloförderung im Kampf gegen die Treibhausgase – gut und beabsichtigten, die «Verwässerungen» (Aebischer; sp, BE), die der Ständerat vorgenommen hatte, wieder rückgängig zu machen. Die Mitte- und die FDP.Liberalen-Fraktion wollten ebenfalls auf die Vorlage eintreten, äusserten sich jedoch nicht mit demselben Enthusiasmus zur Vorlage. Sie sahen vor allem «die Einräumung von Kompetenzen zugunsten von Interessenorganisationen» (Fluri; fdp, SO) kritisch, womit Fluri insbesondere auf den Beibezug von Velo-Fachorganisationen bei der Planung und dem Erhalt der Velowegnetze anspielte. Die SVP-Fraktion hingegen sprach sich gegen das Gesetz aus. Für sie bedeutete ein neues Gesetz mehr Ausgaben, welche die Auto- und Lastwagenfahrer sowie die Kantone und Gemeinden berappen müssten. Zudem werde der Ausbau der Velowege in der Stadt zu weniger Platz für die Autofahrer und auf dem Land zum Verlust von Landwirtschaftsfläche führen, befürchteten die Sprechenden der SVP-Fraktion.
Im Anschluss an das unbestrittene Eintreten wurden die einzelnen Minderheitsanträge debattiert, die sich um die Durchgängigkeit der Velowegnetze, um die Information der Öffentlichkeit, um die Aufgliederung in Haupt- und Nebenrouten und um die Fristen für die Umsetzung des Gesetzes drehten. Auch über den Einbezug und das Verbandsbeschwerderecht von Interessenorganisationen im Bereich des Veloverkehrs wurde – wie bereits im Ständerat – intensiv diskutiert. Die Minderheitsanträge wurden allesamt abgelehnt. In Übereinstimmung mit den Anträgen der Kommissionsmehrheit blieb der Nationalrat somit fast gänzlich auf der Linie des Ständerats. Allerdings wurde der Entscheid des Ständerates korrigiert, wonach die Velowegnetze nur «möglichst» sicher und die Streckenführung nur «möglichst» direkt sein solle. In der Version des Nationalrates müssen sie demnach «sicher» und «direkt» sein. Auch beim Ersatz von Velowegen entschied sich der Nationalrat für eine strengere Formulierung: Er strich den Passus, dass ein «ausgewiesenes öffentliches Interesse» an einem Ersatz vorliegen müsse; somit müssten Velowege in jedem Fall ersetzt werden.
In der Gesamtabstimmung nahm die grosse Kammer den Entwurf mit 135 zu 50 Stimmen bei 3 Enthaltungen an. Lediglich die fast geschlossen stimmende SVP-Fraktion lehnte die Vorlage ab.

Veloweggesetz (BRG 21.046)

Matthias Aebischer (ps, BE) n'a eu aucun mal à trouver une majorité pour soutenir sa motion demandant une interdiction d'importation de produits de la pelleterie issus de la maltraitance animale. Ce n'est pas la première fois que les parlementaires s'écharpent sur une telle interdiction. Mais contrairement à la dernière discussion menée en 2019 peu avant le renouvellement du Parlement, un large front issu de l'ensemble des partis souhaite désormais interdire ces produits (144 voix contre 31 et 9 abstentions). Matthias Aebischer a rappelé les lacunes de la législation actuelle datant de 2013, qui aurait dû permettre d'endiguer les importations de fourrures issues d'animaux maltraités. La Suisse connaît, de plus, déjà de telles interdictions pour les produits dérivés du phoque et des peaux de chat et de chien, l'argument d'une plainte des pays lésés auprès de l'OMC ne tenant donc pas selon l'élu socialiste. Ce dernier pouvait compter sur le soutien de l'organisation Chasse Suisse pour qui l'importation de ces produits créé une concurrence déloyale vis-à-vis des produits de chasse suisses, issus principalement du renard roux.
Les arguments du Conseil fédéral – plaidant pour une poursuite et un renforcement des contrôles – n'auront pas suffi à faire rejeter le texte. Les médias se sont faits l'écho des faiblesses du système actuel. Ainsi, on apprenait que les contrôles en la matière menés par l'OSAV en 2020 ont révélé que 80 pour cent des déclarations étaient lacunaires, les producteurs pouvant simplement indiquer «inconnue», lorsque la provenance n'est pas connue.

Interdiction d'importation de produits de la pelleterie issus de la maltraitante animale (Mo. 19.4425)
Dossier: Parlamentarische Vorstösse zum Handel und Import mit Pelzprodukten
Dossier: Deklaration von Herstellungsmethoden, die den Schweizer Standards nicht entsprechen

Er könne sich kurz halten, da es keine neuen Argumente gebe und auch in der neuerlichen Debatte keine aufgetaucht seien, gab Gerhard Pfister (mitte, ZG) in der Wintersession 2021 bei der Diskussion um die Einführung eines obligatorisches Referendums für völkerrechtliche Verträge mit Verfassungscharakter für die Kommission zu Protokoll: Die Mehrheit der SPK-NR beantrage Festhalten am ursprünglichen Nichteintretensentscheid, weil sie keinen Handlungsbedarf sehe und die Vorlage zu wenig ausgereift sei. Eine erstarkte Minderheit – ursprünglich hatte die Kommission die Vorlage mit 17 zu 8 Stimmen abgelehnt, im zweiten Durchgang standen sich 13 zu 11 Stimmen bei 1 Enthaltung gegenüber – wolle vor allem auch den Kantonen mit Berücksichtigung des Ständemehrs mehr Gewicht geben.
Die erneute Debatte war nötig geworden, weil der Ständerat auf die Vorlage eintreten wollte, obwohl die grosse Kammer zuvor schon nichts von der Idee hatte wissen wollen. Die Sprecherinnen und Sprecher der Fraktionen hatten vor dem Votum Pfisters ihre Positionen noch einmal ausgeführt. Marco Romano (mitte, TI) sprach sich im Namen der Mitte für eine Stärkung der Volksrechte, für die Zustimmung zum Beschluss des Ständerats und also für Eintreten aus. Die SP-Fraktion – vertreten durch Samira Marti (sp, BL) – war für Festhalten. Marti warf dem Ständerat vor, mit der Forderung nach dem obligatorischen Referendum die Macht der Kantone über Gebühr stärken zu wollen. Damit würden nicht nur «die Stimme der Stimmbürgerinnen und Stimmbürger» und damit das «Demokratieprinzip» an und für sich geschwächt, zudem bedeute die notwendige Zustimmung der Kantone insbesondere bei Verträgen, in denen es um Grundrechte gehe, «höhere Hürden für einen effektiven Menschenrechtsschutz». Mit der Einführung des Ständemehrs würde überdies die im Moment auch im Rahmen der Covid-19-Pandemie viel diskutierte Spaltung der Gesellschaft noch weiter vorangetrieben. Gregor Rutz (svp, ZH) warb im Namen der SVP-Fraktion für Eintreten: Es gebe immer mehr Staatsverträge, die «direkt oder indirekt auf unsere Kompetenzordnung zugreifen», weshalb es notwendig sei, solche Abkommen Volk und Ständen zu unterbreiten. Nachdem Nationalratsvizepräsident Martin Candinas (mitte, GR) die Positionen der drei restlichen Fraktionen bekannt gegeben hatte – die FDP-Fraktion unterstütze die Minderheit, die GLP- und die GP-Fraktionen die Mehrheit – erklärte Kommissionssprecher Pfister den Grund für die Erstarkung der Kommissionsminderheit: Verschiedene Kommissionsmitglieder hatten entschieden, dem Ständerat entgegenzukommen. Dies wollte aber eine deutliche Mehrheit der grossen Kammer nicht: Zum zweiten Mal lehnten die SP-, GLP- und die GP-Fraktionen die Vorlage geschlossen ab. Die Mitte-Fraktion war gespalten und auch die FDP-Liberale Fraktion stimmte trotz anderslautender Fraktionsempfehlung grossmehrheitlich gegen Eintreten. Damit standen 114 Stimmen 69 Stimmen, die vor allem aus der SVP- und der Mitte-Fraktion stammten, gegenüber und versenkten die Vorlage endgültig.

Obligatorisches Referendum für völkerrechtliche Verträge mit Verfassungscharakter (BRG. 20.016)
Dossier: Obligatorisches Referendum für völkerrechtliche Verträge mit Verfassungscharakter