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  • Ryser, Franziska (gp/verts, SG) NR/CN
  • Büchler, Jakob (cvp/pdc, SG) NR/CN

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Nach den ersten Behandlungen der Revision des Covid-19-Gesetzes im National- und Ständerat mussten acht Differenzen ausgeräumt werden. Die ersten drei bereinigte der Nationalrat in der ersten Runde des Differenzbereinigungsverfahrens. So verzichtete die grosse Kammer auf ihre anfängliche Forderung, dass der Bundesrat für die Kosten, die den Leistungserbringenden (beispielsweise den Spitälern) durch Einschränkungen der Behandlungsmöglichkeiten zukünftig entstehen, eine Lösung suchen soll. Die Gesundheitsversorgung liege in der Verantwortung der Kantone, bekräftigte Kommissionssprecherin Esther Friedli (svp, SG) das Argument des Ständerates. Auch bei der Frage, welche Saison oder Saisons bei der Festlegung der Mindestausgaben für den Nachwuchs- oder den Frauenbereich im Sport massgeblich sein sollen, folgte der Nationalrat seinem Schwesterrat. Es habe sich gezeigt, dass gerade für die Frauenförderung ein Vergleich mit der letzten Saison am vorteilhaftesten sei, wurde argumentiert. Schliesslich pflichtete die grosse Kammer dem Ständerat auch bei den Überbrückungsleistungen bei: Zwar hatte die WAK-NR dem Nationalrat die Streichung des Anspruchs von älteren Personen, die zwischen dem 1. Januar 2021 und dem Inkrafttreten der ÜL ausgesteuert werden, empfohlen. Der Antrag hänge gemäss Kommissionssprecher Regazzi (cvp, TI) nicht direkt mit der Corona-Pandemie zusammen, da die Betroffenen bereits vor zwei Jahren entlassen worden seien. Zudem würde diese Regelung CHF 80 Mio. in fünf Jahren kosten, ergänzte Finanzminister Maurer. Samuel Bendahan (sp, VD) verwies jedoch für die Minderheit Wermuth (sp, AG) auf die Folgekosten beispielsweise für die Sozialhilfe, wenn hier keine Regelung gefunden würde, und betonte noch einmal die Wichtigkeit der Massnahme für die Betroffenen – diese hätten keine anderen Möglichkeiten als die ÜL. Mit 106 zu 88 Stimmen folgte der Nationalrat der Minderheit Wermuth und damit dem Ständerat.

Bevor sich der Ständerat der Bereinigung der fünf verbliebenen Differenzen annehmen konnte, wurde die Gesetzgebung von der immer grösser werdenden zweiten Welle der Corona-Pandemie eingeholt: Der Bundesrat hatte in der Zwischenzeit entschieden, die Massnahmen zur Bekämpfung der Pandemie zu verstärken; betroffen waren insbesondere das Gastgewerbe und die Kulturbranche, die erneut schweizweit ihren Betrieb einstellen mussten. Dies machte eine Verstärkung der Hilfsmassnahmen für die Wirtschaft notwendig, die der Bundesrat kurzfristig ins Covid-19-Gesetz aufnehmen wollte. «Wenn zusätzliche Einschränkungen kommen, braucht es dazu ein Begleitprogramm, um die finanziellen Ausfälle entsprechend abzufedern», argumentierte Bundesrat Maurer. Entsprechend schlug der Bundesrat Änderungen an bereits beratenen Gesetzesartikeln vor und stellte dazu einen Rückkommensantrag. Die Kommissionen der beiden Räte hiessen den Antrag mit Verweis auf die aussergewöhnliche Situation, welche entsprechend auch eine aussergewöhnliche Gesetzgebung notwendig mache, gut und nahmen die bundesrätlichen Anträge in die Differenzbereinigung auf. Entsprechend verwies Ständeratspräsident Kuprecht (svp, SZ) darauf, dass der Rat eine «etwas schwierige Differenzbereinigung» vor sich habe, und Kommissionssprecher Bischof (cvp, SO) verteidigte die «etwas speziell beanspruchte Gesetzgebung», «eine Gesetzgebung, wie wir sie sonst namentlich in diesem Rat nicht machen würden».
Zentral war bei dieser aussergewöhnlichen Gesetzgebung der Antrag des Bundesrates, die Mittel für die Härtefallmassnahmen aufzustocken: Neben den ersten zwei, bereits gesprochenen Tranchen über CHF 400 Mio. und CHF 600 Mio. sollte eine dritte Tranche über CHF 750 Mio. bereitgestellt werden. An den Massnahmen dieser dritten Tranche sollten sich die Kantone zu 33 Prozent beteiligen (erste Tranche: 50%, zweite Tranche: 20%). Für besonders betroffene Kantone sowie als Reserve schlug der Bundesrat zudem eine vierte Tranche ebenfalls über CHF 750 Mio. für Härtefallhilfen vor, an denen sich die Kantone nicht beteiligen müssten. Mit diesen zusätzlichen insgesamt CHF 1.5 Mrd. solle die Zeit bis zur Frühjahressession 2021 abgedeckt werden, betonte Pirmin Bischof. Unbestritten war in der WAK-SR die Erhöhung der Härtefallhilfen um CHF 1.5 Mrd. gewesen, jedoch beantragte eine Kommissionsmehrheit, diese nicht nur für besonders betroffene Kantone, sondern auch für besonders betroffene Branchen zu öffnen. Mit 27 zu 17 Stimmen lehnte der Ständerat diese Ausdehnung jedoch ab.
Auch die Anforderungen für die Härtefallhilfe wollte der Bundesrat kurzfristig anpassen. Ständerat und Nationalrat hatten in den Beratungen zuvor die für den Zugang zu Härtefallhilfen nötigen Umsatzeinbussen von mindestens 40 Prozent bestätigt. Nun bat der Bundesrat jedoch um die Möglichkeit, für die vom aktuellen Tätigkeitsverbot oder einer Tätigkeitseinschränkung betroffenen Unternehmen tiefere Hürden festlegen zu können. Stillschweigend nahm der Ständerat auch diese Änderung an.

Auch für die Kulturschaffenden forderte der Bundesrat Unterstützung, konkret nahm er weitgehend den Einzelantrag Aebischer (sp, BE) aus der ersten Behandlungsrunde des Nationalrats wieder auf. Waren die Kulturschaffenden im Rahmen der Covid-19-Verordnung noch unterstützt worden, hatte sich das Covid-19-Gesetz bisher auf Beiträge an die Kulturunternehmen beschränkt. Da aber der Kulturbereich durch den zweiten Lockdown erneut mit einem Tätigkeitsverbot belegt worden war, sollten nun auch die selbständig erwerbenden Kulturschaffenden Ausfallentschädigungen beantragen können. Den Betrag für die Leistungsvereinbarungen mit den Kantonen wollte der Bundesrat jedoch bei CHF 100 Mio. belassen, wie Finanzminister Maurer erklärte. Stillschweigend hiess der Ständerat auch diesen neusten bundesrätlichen Antrag gut.

Weiter verkompliziert wurde die aussergewöhnliche Gesetzgebung nun dadurch, dass nicht nur der Bundesrat, sondern auch die WAK-NR ob der sich veränderten Situation neue Anträge stellte, die ebenfalls einen Rückkommensantrag bedingten. Zwar nahm die WAK-SR den Rückkommensantrag ihrer Schwesterkommission an, entschied jedoch, die Erstbehandlung der Anträge dem Nationalrat zu überlassen.
In der Folge machte sich die kleine Kammer an die Bereinigung der verbliebenen «ordentlichen» Differenzen. Einig wurde man sich mit dem Nationalrat beim Dividendenverbot bei Härtefallhilfen. Hier hatte der Nationalrat dieselbe Regelung vorgeschlagen, welche bereits ins Covid-19-Solidarbürgschaftsgesetz aufgenommen worden war. Demnach dürfen Unternehmen, um Härtefallunterstützung zu erhalten, im entsprechenden Geschäftsjahr keine Dividenden und Tantiemen ausschütten oder beschliessen sowie keine Kapitaleinlagen zurückerstatten oder deren Rückerstattung beschliessen. Stillschweigend stimmte der Ständerat dieser Regelung zu.
Einig wurde man sich in derselben Behandlungsrunde auch bezüglich der Frage, ob Unternehmen Sport- und Kulturhilfen sowie Härtefallhilfen beantragen können sollten. Obwohl sich der Ständerat in seiner ersten Behandlung der Covid-19-Gesetzesrevision gegen einen solchen doppelten Anspruch auf Hilfe ausgesprochen hatte, pflichtete er ihm nun stillschweigend bei.

Für die dritte Beratung der Revision des Covid-19-Gesetzes brachte die WAK-NR im Nationalrat, wie im Ständerat bereits angekündigt worden war, durch einen Rückkommensantrag neue Differenzen auf den Tisch.
Die erste davon betraf die Erwerbsersatzordnung: Die Kommissionsmehrheit schlug nachträglich vor, Entschädigungen des Erwerbsausfalls nicht ab einer Umsatzeinbusse von 55 Prozent, sondern bereits ab 40 Prozent zu ermöglichen und sich damit an den Bedingungen für die Härtefallmassnahmen zu orientieren. Damit nahm die Kommission ein Anliegen aus den ersten Behandlungsrunden wieder auf, schwächte dieses jedoch ab. Eine Minderheit Aeschi (svp, ZG) lehnte diesen Antrag ab, zumal eine solche Regelung gemäss Bundesrat Maurer insgesamt CHF 1.5 Mrd. bis CHF 2 Mrd. kosten würde. Stattdessen schlug Aeschi vor, dem zweiten neuen Antrag der WAK-NR zu folgen, nämlich der Erhöhung der KAE auf 100 Prozent für Personen mit niedrigen Einkommen. Für die Definition von «niedrigen Einkommen» wollte sich die Kommission am Mindestlohn gemäss GAV in der Gastronomie orientieren, der bei CHF 3'470 pro Monat lag. Niemand solle demnach mit KAE weniger als diesen Lohn verdienen. KAE für Löhne zwischen CHF 3'470 und CHF 4'340 sollten überdies anteilsmässig angehoben werden, um Schwelleneffekte zu vermeiden. Mit dieser Regelung würde «Personen mit einem tiefen Monatslohn gezielt unter die Arme» gegriffen, während die Reduktion der nötigen Umsatzeinbusse beim Erwerbsausfall eine «Giesskannenlösung» darstelle, argumentierte Aeschi. Die Erhöhung der KAE bei niedrigen Einkommen wurde in der Folge ohne Minderheitsantrag stillschweigend angenommen, gleichzeitig unterstützte der Nationalrat mit 101 zu 83 Stimmen (bei 8 Enthaltungen) aber auch die Senkung der Schwelle für Erwerbsausfallentschädigungen auf 40 Prozent.
Neben diesen beiden neuen Anträgen der Kommissionsmehrheit reichte auch Jaqueline Badran (sp, ZH) einen neuen Vorschlag zu einem bereits abgeschlossenen Artikel ein, nämlich zu den A-Fonds-perdu-Beiträgen bei den Härtefallhilfen. Dabei wollte sie den Kantonen die Möglichkeit geben, diese Beiträge auf 20 Prozent zu erhöhen (bisher 10 Prozent) oder alternativ 50 Prozent der ungedeckten Fixkosten eines Unternehmens zu übernehmen. Dies gebe den Kantonen den Spielraum, den sie benötigten, argumentierte Badran. Finanzminister Maurer wehrte sich dagegen, hier weitergehende Kriterien zu schaffen, zumal sich der Bundesrat für seine vierte Tranche an Härtefallhilfen mehr Freiheiten bei der Vergabe erhoffte. Der Nationalrat lehnte den Antrag Badran ab.
Die Anspruchsvoraussetzungen dieser vierten Tranche für Unternehmen, welche von den neusten Einschränkungen seit dem 1. November 2020 betroffen waren, wollte der Bundesrat zusammen mit den Kantonen aushandeln und in einer Verordnung regeln. «Wir werden in den nächsten Wochen Flexibilität brauchen, um auf all die Besonderheiten, die in den Kantonen existieren, Rücksicht nehmen zu können», argumentierte der Bundesrat. Eine Minderheit Aeschi lehnte eine solche Lockerung ab, um eine Ungleichbehandlung der Betroffenen aufgrund unterschiedlicher Regelungen zu unterschiedlichen Zeitpunkten zu verhindern, blieb damit aber erfolglos.
Eine Minderheit Ryser (gp, SG) wollte überdies die zweite der beiden neuen Tranchen von CHF 750 Mio. auf CHF 2 Mrd. aufstocken. Die Minderheit bezweifelte, dass die vorgesehenen Reserven bis zur Frühjahrssession 2021 reichen würden, falls es zu einem erneuten Lockdown kommen würde. Diese Erhöhung der vierten Tranche fand jedoch nur bei SP, Grünen und GLP Anklang, folglich blieb der Nationalrat, wie von einer Minderheit Aeschi gefordert, bei der Version des Bundesrates.

Auch bezüglich des dritten Antrags des Bundesrates, im Kulturbereich nicht mehr nur die Kulturunternehmen, sondern wie bereits in der entsprechenden Verordnung auch die Kulturschaffenden zu unterstützen, folgte der Nationalrat dem Bundesrat. Er lehnte damit zwei Minderheitsanträge ab: Eine Minderheit Fivaz (gp, NE) verlangte eine Verdoppelung des bereitgestellten Betrags auf CHF 200 Mio., da die Situation der Kulturschaffenden heute deutlich schlechter sei als beim ersten Lockdown und somit vermutlich mehr Gelder beantragt würden. Eine Minderheit Aeschi lehnte hingegen die Ausweitung der Hilfe auf Kulturschaffende ab, da der zweite Zwischenbericht der EFK zu den Ausschüttungen während des ersten Lockdowns gezeigt habe, dass «viele Kulturschaffende mehr Geld erhalten haben, als der effektive Schaden war». Mit der Zustimmung des Nationalrats konnte das Parlament somit die neuen bundesrätlichen Regelungen bereits verabschieden.

Auch einen der ursprünglichen Anträge bereinigte der Nationalrat in dieser Runde, nämlich die Frage, ob der neu geschaffene Anspruch von Mitarbeitenden mit Temporär- oder befristeten Verträgen auf KAE rückwirkend auf den 1. September 2020 in Kraft gesetzt werden soll. Diese Frage hatte der Nationalrat bereits zweimal bejaht, wenn zuletzt auch sehr knapp mit 97 zu 97 Stimmen und Stichentscheid des Präsidenten. Die Kommissionsmehrheit beantragte jedoch, dem Ständerat und dem Bundesrat zu folgen und auf die Rückwirkung zu verzichten. Mit Verweis auf ein föderalistisches Problem – eine Regelung ab dem 1. Januar 2021 würde zwar die Verluste der Betroffenen durch die bundesrätlichen Massnahmen abdecken, nicht aber diejenigen der Unternehmen in den französischsprachigen Kantonen, die bereits seit Mitte Oktober 2020 entsprechende Verschärfungen erlassen hatten – beantragte eine Minderheit Fivaz Festhalten. Finanzminister Maurer verwies einmal mehr auf den grossen Aufwand und die Verzögerungen, die durch die neue Erstellung und Prüfung der entsprechenden Anträge entstehen würden. Dieses Mal liess sich der Nationalrat vom bundesrätlichen Argument überzeugen, entschied sich gegen eine Rückwirkung und bereinigte diese Differenz im Sinne des Ständerats.

In der letzten Runde des Differenzbereinigungsverfahrens löste der Ständerat einige verbliebene Differenzen auf, jedoch nicht alle. Eine Einigung fand sich zur Berücksichtigung der Fixkosten bei der Bestimmung der Härtefälle. Diesbezüglich hatte der Nationalrat dreimal entschieden, nicht gedeckte Fixkosten als Kriterium für Härtefälle anzuerkennen, woraufhin die WAK-SR einstimmig beantragte, der Formulierung des Nationalrats zuzustimmen. Diese lasse es zu, dass Kantone nicht in allen Gesuchen die Fixkosten überprüfen müssten, sondern nur dort, wo es Sinn mache. Auch Finanzminister Maurer zeigte sich mit der Formulierung einverstanden, solange diese «so zu verstehen [sei], dass die Situation mittels einer summarischen Prüfung und einer pauschalen Beurteilung angeschaut wird». Stillschweigend folgte der Ständerat dem Antrag der Kommission und bereinigte diese Differenz.
Bei der EO nahm der Ständerat stillschweigend die neue Änderung der WAK-NR an, wonach statt einer 55-prozentigen Umsatzeinbusse eine Einbusse von 40 Prozent nötig ist, um EO beantragen zu können. Damit wurde ein «mit der Härtefallregelung einheitlicher Satz eingeführt», wie Kommissionssprecher Bischof betonte. Die Kosten von CHF 1.5 Mrd. bis CHF 2 Mrd. sei man bereit zu sprechen, zumal die Ausweitung der EO auf Selbständige bisher statt den vermuteten CHF 5.3 Mrd. «nur» CHF 2 Mrd. gekostet habe. Gemäss einem Schreiben, welches die Kommission vor der Debatte im Rat erhalten habe, befürchteten die SKOS und die Sozialdirektorenkonferenz überdies, dass es ansonsten insbesondere bei den Selbständigerwerbenden zu einem starken Anstieg der Sozialhilfefälle kommen werde.
Auch der vom Nationalrat neu geschaffenen Erhöhung der KAE auf 100 Prozent für Personen mit Löhnen bis CHF 3'470 und einer anteilsmässigen Aufstockung der ausbezahlten Löhne bis CHF 4'340 stimmte der Ständerat stillschweigen zu – übernahm jedoch eine etwas einfachere Formulierung der Bundesverwaltung. Er legte die Geltungsdauer für diese Regelung rückwirkend auf den 1. Dezember 2020 fest, sie sollte bis zum 31. März 2021 in Kraft bleiben. Vergeblich wies Ruedi Noser (fdp, ZH) darauf hin, dass damit eben auch Personen stärker unterstützt würden, die in einem Haushalt mit einer Person mit einem zweiten, möglicherweise viel höheren Einkommen lebten, dass Nichtarbeiten damit erstmals «gleich interessant [sei] wie das Arbeiten» und dass die Betroffenen auch die Möglichkeit hätten, einer Zusatzbeschäftigung nachzugehen. Er zeigte sich aber durch die zeitliche Begrenzung der Regelung beruhigt.

Damit verblieb noch eine Differenz, zu der eine Einigungskonferenz abgehalten werden musste. Offen geblieben war die Frage zur Einkommensbeschränkung für die Sportvereine. Anfänglich hatte sich hier die Frage gestellt, ob die Löhne aller oder nur der am sportlichen Betrieb beteiligten Mitarbeitenden berücksichtigt werden sollen und ob alle Löhne über einer gewissen Grenze einzeln gekürzt werden müssten oder nur der Durchschnittslohn. Bei diesen zwei Fragen konnten sich die beiden Ratskammern auf eine Reduktion der Durchschnittslöhne aller Mitarbeitenden über einer bestimmten Grenze einigen, wobei der Nationalrat als Referenz die Einkommen der Saison 2018/2019 berücksichtigen wollte, der Ständerat diejenigen vom Stichtag 13. März 2020, also dem Tag des Lockdowns. Hier hatte sich der Ständerat zuvor erneut für Festhalten entschieden, gemäss Hannes Germann (svp, SH) aufgrund von Partikularinteressen einzelner Vereine. Eine ganze Saison inklusive Playoffs im Eishockey oder Cup-Erfolgen oder internationalen Einsätzen im Fussball bilde die Situation besser ab als die Löhne an einem einzigen Stichtag. Die Einigungskonferenz löste die Meinungsverschiedenheit, indem sie beide Versionen aufnahm: Als Referenz sollte die Saison 2018/2019 gelten, auf Antrag könnte aber auch der Stichtag 13. März 2020 herangezogen werden. Bei den KAE für tiefere Einkommen sowie bei deren Geltungsdauer folgte die Einigungskonferenz dem Vorschlag des Ständerats. Die Anträge der Einigungskonferenz waren schliesslich weder im Nationalrat noch im Ständerat umstritten: Während die grosse Kammer den Antrag der Einigungskonferenz, die Dringlichkeitsklausel sowie die Revision in der Schlussabstimmung mit einzelnen ablehnenden Stimmen von Mitgliedern der SVP-Fraktion deutlich annahm, stimmte ihnen der Ständerat jeweils geschlossen zu.

Während der ganzen Beratung der Revision des Covid-19-Gesetzes betonten zahlreiche Sprechende die aussergewöhnliche Situation, in der sich das Parlament befand: Neben dem dicht gedrängten Programm, das die jeweiligen Beratungen der Revision auf einen Tag beschränkte, und Kommissionssitzungen, die bereits um sechs Uhr morgens vor den Ratssitzungen stattfanden, wurden vor allem die direkten Auswirkungen der sich laufend ändernden Corona-Massnahmen auf die Beratung der Revision als aussergewöhnlich hervorgehoben.

Erste Revision des Covid-19-Gesetzes (BRG 20.084)
Dossier: Covid-19-Gesetz und Revisionen

Im Juni 2020, kurz nachdem der Bundesrat die Corona-bedingte Homeoffice-Empfehlung aufgehoben hatte, forderte Franziska Ryser (gp, SG) eine steuerliche Gleichstellung von Telearbeit. Demnach sollen die Auslagen für ein Arbeitszimmer abgezogen werden können, sofern dieses mindestens zweimal wöchentlich «für die Berufsausübung verwendet wird» – auch wenn der oder die Arbeitgebende einen Arbeitsplatz anbietet. Hingegen sollte durch einen solchen Abzug der Wochenaufenthalter-Abzug verfallen. Die Konzentration der aktuellen Berufskostenabzüge auf möglichst lange Anfahrtswege solle auf diese Weise korrigiert werden, forderte Ryser. Der Bundesrat pflichtete der Motionärin bei, dass vermehrte Heimarbeit die Steuerbelastung der Arbeitnehmenden erhöhe, was zu negativen Anreizen führe. Dennoch empfahl er die Motion zur Ablehnung, da er sie inhaltlich als zu kurzgreifend erachtete. Er kündigte stattdessen eine Überprüfung der entsprechenden Berufskostenabzüge an. In der Herbstsession 2020 lehnte der Nationalrat die Motion stillschweigend ab.

Steuerliche Gleichstellung von Telearbeit

In der Herbstsession 2020 behandelte der Nationalrat die Volksinitiative «Löhne entlasten, Kapital gerecht besteuern», die sogenannte 99-Prozent-Initiative. Neben dem Mehrheitsantrag der WAK-NR auf Annahme der bundesrätlichen Botschaft und somit auf Empfehlung zur Ablehnung der Initiative lagen dem Rat zwei Minderheitsanträge Bendahan (sp, VD) und Wermuth (sp, AG) vor. Die Minderheit Bendahan präsentierte dem Rat einen direkten Gegenentwurf: Anstatt Kapitaleinkommen über einem Grenzbetrag zu 150 Prozent zu besteuern, wie es die Initiative vorschlug, sollte das höhere Kapitaleinkommen gemäss Gegenentwurf gleich wie das Arbeitseinkommen zu 100 Prozent besteuert werden. Die Initiative wolle das Kapital höher besteuern, so wie zuvor die Löhne höher besteuert worden seien; wer also die Initiative für extrem halte, weil sie eine Einkommensart bevorzuge, müsse eigentlich für den Gegenentwurf stimmen. Mit diesem würden Lohn und Kapital gleich behandelt, argumentierte Bendahan. Die Minderheit Wermuth hingegen beantragte dem Rat, die Initiative zur Annahme zu empfehlen. Die zwei Minderheitensprecher stellten vor allem eine Frage in den Mittelpunkt ihrer Reden: Wieso soll Einkommen aus Erwerbsarbeit zu 100 Prozent und Einkommen aus Kapital zu einem reduzierten Prozentsatz besteuert werden? Wert und Reichtum würden «genau an einem Ort produziert werden, und das ist die menschliche Arbeit», betonte Wermuth. Da das Steuersystem dies aber nicht abbilde, nehme der «Unterschied zwischen unten und oben» auch in der Schweiz zu.
Kommissionssprecherin Schneeberger (fdp, BL) und Kommissionssprecher Regazzi (cvp, TI) nahmen den Grossteil der Kritik an der Initiative, welche in der Folge von den bürgerlichen Mitgliedern im Rat geäussert wurde, eingangs bereits vorweg. Sie kritisierten, dass der Initiativtext sehr breit formuliert sei und viel Interpretationsspielraum lasse. So werde zum Beispiel nicht klar, welche Einkommensteile zu den Kapitaleinkommen gezählt würden; denkbar sei gemäss Initiativtext, dass neben den Kapitalgewinnen auch Erträge aus beweglichem und unbeweglichem Vermögen, wie Eigenmietwerte oder Renten aus der Vorsorge, betroffen wären, auch wenn die Initiantinnen und Initianten in ihren Erklärungen von einem engeren Begriff ausgingen. Die Initiative bringe der Schweiz überdies einen komparativen Nachteil im Steuerwettbewerb und bringe eine massive zusätzliche Steuerbelastung für Unternehmen, vor allem für KMU, mit sich. In der Folge könnten die Unternehmen auch weniger investieren. Diese Wirkung würde sich vermutlich aufgrund der Corona-Krise noch verstärken. Insgesamt würden vor allem die Beschäftigten mit kleinen und mittleren Einkommen, also diejenigen Personen, die mit der Initiative besser gestellt werden sollten, durch Kündigungen oder Konkurse die Hauptlast der negativen Folgen der Initiative tragen. Mit 17 zu 8 Stimmen lehne die Kommission die Initiative daher ab.
Es folgte eine lange Debatte mit 56 Wortmeldungen und zahlreichen Nachfragen. Besonders umstritten war die Frage, ob die Schere zwischen Arm und Reich in den letzten Jahren zu- oder abgenommen habe. Grünen-Sprecherin Ryser (gp, SG) argumentierte, dass zwar die Markteinkommen in der Schweiz weltweit am gleichmässigsten verteilt seien, dass aber eben die Vermögensanteile sehr einseitig verteilt seien: 1 Prozent der Bevölkerung halte 40 Prozent der Vermögensanteile. Und diese Ungleichheit nehme seit den 1970er Jahren zu. Dem entgegnete FDP.Liberalen-Sprecherin Gössi (fdp, SZ), dass dies nur gelte, solange die steuerbefreiten Vermögen, insbesondere das Kapital der zweiten und dritten Säule der Altersvorsorge, nicht berücksichtigt würden. Nehme man diese hinzu, werde der Unterschied zwischen Arm und Reich über die Zeit nicht grösser.
Insbesondere Grünen-Sprecherin Ryser brachte überdies einige Argumente zur Entkräftung der Kritik an der Initiative vor. Der Grossteil der sozialen Sicherheit und somit der Umverteilung geschehe über die Sozialversicherungen und diese würden durch Lohnbeiträge finanziert, nicht durch Steuern auf Kapital, betonte sie. Zudem würden den KMU durch die Initiative keine Mittel entzogen, da die natürlichen Personen, nicht die KMU, zusätzlich besteuert würden. Wenn deren Besitzerinnen oder Besitzer die Kosten auf die Unternehmen abwälzten, sei das deren Entscheidung. Nachfolgeregelungen bei KMU seien aber weiterhin problemlos möglich. Schliesslich sei die Befürchtung, dass durch die Initiative vermögenshaltende Privatpersonen ins Ausland abwanderten, ein Totschlagargument, das die Politik handlungsunfähig mache.
Während sich die meisten bürgerlichen Sprecherinnen und Sprecher deutlich gegen die Vorlage aussprachen, fanden Kathrin Bertschy (glp, BE) und Michel Matter (glp, GE) für die Grünliberalen auch wohlgesinnte Worte für die Initiative. Auch sie sähen Verbesserungspotenzial im Steuersystem bezüglich der hohen Belastung der Arbeitseinkommen, der Verteilung der Einkommen und Vermögen sowie der Besteuerung nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit. Die Initiative wolle aber nicht primär die Besteuerung des Erwerbseinkommens reduzieren, sondern beinhalte vor allem Steuerermässigungen von Personen mit tiefen oder mittleren Arbeitseinkommen oder Transferzahlungen an diese. Entsprechend könne die GLP die Initiative nicht unterstützen.
Zum Schluss legte Finanzminister Maurer die Position des Bundesrates dar und stimmte in seiner Argumentation weitgehend mit derjenigen der Kommissionssprechenden überein. Ergänzend hielt er aber fest, dass die Initiative zudem zu einer weiteren Verlagerung der Steuerzahlenden von den armen zu den reichen Kantonen führe und damit den Zusammenhalt der Schweiz gefährde. Zudem bezahle ein Prozent der Steuerzahlenden bereits mehr als 40 Prozent der direkten Bundessteuer; eine noch höhere Besteuerung würde den «Bogen überspannen». Umverteilung finde somit bereits heute statt, genauso wie auch die Besteuerung von Kapital und Gewinn etwa im Eigenmietwert, der Grundstückgewinnsteuer sowie der Vermögenssteuer bereits enthalten sei. Die Schweiz habe ein ausgewogenes Steuersystem, das «weder auf die eine noch auf die andere Seite überlastet» werden solle.
Nach den ausführlichen Diskussionen schritt der Rat schliesslich zu den Abstimmungen: Mit 123 zu 62 Stimmen sprach sich die Ratsmehrheit zuerst gegen die Minderheit Bendahan und somit gegen den Gegenvorschlag und anschliessend auch gegen die Minderheit Wermuth auf Empfehlung zur Annahme der Initiative aus. Die Stimmen der Minderheiten stammten von den geschlossen stimmenden SP- und Grünen-Fraktionen.

Volksinitiative «Löhne entlasten, Kapital gerecht besteuern» (BRG 20.032)

Aufgrund der Covid-19-Pandemie beugte sich der Nationalrat als Zweitrat erst in der Herbstsession 2020 über die Legislaturplanung 2019–2023. Covid-19 war denn auch Gegenstand der Ausführungen der beiden Kommissionssprecherinnen, Céline Widmer (sp, ZH) und Simone De Montmollin (fdp, GE). Das Virus habe die Bundespolitik «durcheinandergeschüttelt». Die vor der Pandemie Ende Januar 2020 verfasste Legislaturplanung basiere auf «rosigen Zukunftsaussichten», die mitunter wie aus der Zeit gefallen wirkten, betonte etwa Widmer. Der Ständerat habe den Text bereits Corona-tauglicher gemacht, indem er in einer Präambel klargestellt habe, dass die Lehren aus der Pandemie in die Umsetzung der übergeordneten Leitlinien (Wohlstand, Zusammenhalt und Sicherheit; ergänzt mit Klimaschutz und Digitalisierung) einfliessen müssten – eine Aufforderung, die Simonetta Sommaruga in der Eröffnungsdebatte als selbstverständlich entgegennahm. In einer zweitägigen Sitzung habe die nationalrätliche Legislaturplanungskommission (LPK) aus über hundert Anträgen 25 Änderungen vorgenommen, die jene des Ständerats ergänzten und die Legislaturplanung «Corona-tauglich» machten, schloss Céline Widmer ihre Zusammenfassung. In der Detailberatung müsse allerdings auch über 60 Minderheitsanträge debattiert werden, worunter sich auch ein Rückweisungsantrag befand.
Dieser kam aus der Fraktion der Grünen, die den Bundesrat beauftragen wollten, die Legislaturplanung stärker «in den Kontext der Klimanotlage» zu stellen, wie Franziska Ryser (gp, SG) den Rückweisungsantrag begründete. Da allerdings keine der anderen Fraktionen den Antrag unterstützten und dieser entsprechend mit 166 zu 30 Stimmen abgelehnt wurde, konnte die Detailberatung mit über 80 Wortmeldungen und mehr als 50 Abstimmungen beginnen. Die von den Kommissionssprecherinnen angetönten Ergänzungen betrafen zuerst die übergeordneten Leitlinien: Die Leitlinie der Wohlstandsicherung wurde mit den Chancen nachhaltiger Entwicklung sowie dem Ziel ausgeglichener und stabiler Bundesfinanzen angereichert. In der Folge wurden die diversen Ziele der drei Leitlinien in drei Blöcken diskutiert.
Beim Thema Wohlstand (Block 1) soll laut der Mehrheit neu auch festgehalten werden, dass der Bundesrat dem Parlament eine Botschaft über die ausserordentlichen Covid-Ausgaben unterbreitet. Im Rahmen der Personalstrategie wurde der Bundesrat zu einer Stabilisierung der Personalausgaben angehalten. Ebenfalls im Rahmen der Leitlinie der Sicherung des Wohlstands war eine Mehrheit der grossen Kammer dafür, dass der Bundesrat noch in der laufenden Legislatur eine Botschaft für eine Individualbesteuerung vorlegt und eine nationale Strategie zur Vereinbarkeit von Beruf und Familie verabschiedet. Zudem sollen geeignete aussenwirtschaftliche Massnahmen in ein Aussenwirtschaftsgesetz gegossen und die Vertiefung der bilateralen Wirtschaftsbeziehungen mit der EU, Grossbritannien und den USA explizit im Bericht verankert werden. Das Ziel der Schweiz, in Bildung und Forschung führend zu bleiben, soll mit der Forderung nach Chancengleichheit ergänzt werden. Zudem sollen Anreizstrategien für die Schaffung von Lehrstellen ausgearbeitet, die Schweizer Beteiligung bei Erasmus+ gesichert und eine Strategie zur Initiierung von Forschungsprogrammen verabschiedet werden. Auch der flächendeckende Ausbau von 5G-Technologien wurde von der Mehrheit gemäss Vorschlag der LPK in die Legislaturplanung aufgenommen. Die insgesamt 20 Minderheitsanträge für die Leitlinie «Wohlstandförderung» von linker und rechter Ratsseite fanden hingegen keine Mehrheiten.
Dies war auch bei der zweiten Leitlinie (Förderung des nationalen Zusammenhalts und Stärkung der internationalen Zusammenarbeit; Block 2) mehrheitlich der Fall. Keiner der 17 Minderheitenanträge fand eine Mehrheit – mit einer Ausnahme: Eine Minderheit Humbel (cvp, AG) beantragte erfolgreich, dass der Bundesrat einen Bericht über die langfristigen Folgen der demografischen Entwicklung auf die Generationenbeziehungen ins Legislaturprogramm aufzunehmen hat. Der Begriff «Demografie» komme im Legislaturprogramm bisher überhaupt nicht vor, obwohl der demografische Wandel ein zentraler «Megatrend» sei, begründete Ruth Humbel den erfolgreichen Antrag der Mitte-Links-Minderheit. Auch bei der zweiten Leitlinie wurden alle Anträge der LPK gutgeheissen: Der Bund hat ein Verhandlungsmandat am EU-Kulturprogramm 2021-2027 (CreativeEurope) anzustreben; es sollen ein nationaler Aktionsplan zur Verminderung von Gewalt an Frauen und häuslicher Gewalt sowie die Botschaft zur Erleichterung der Vereinbarkeit von Familie und Beruf unter Einbezug der Kantone verabschiedet werden; eine Vorlage zur Weiterentwicklung und langfristigen Sicherung der AHV soll vernehmlassungsreif gemacht werden; ein Massnahmenplan zur Umsetzung der digitalen Transformation im Gesundheitswesen, Massnahmen zur Sicherstellung einer nachhaltigen Heilmittelversorgung sowie eine Botschaft zur Einführung der digitalen Patientenkarte sollen in der Gesundheitspolitik verabschiedet werden.
Im Block 3, der das Leitziel «Sicherheit und Klimaschutz» umfasste, kamen die Volksvertreterinnen und -vertreter der Bitte der Kommissionssprecherin vollumfänglich nach, nämlich «den Anträgen der Mehrheit zu folgen und die Anträge der Minderheiten abzulehnen»: In der Tat wurden die 16 Minderheitsanträge allesamt abgelehnt und die drei Ergänzungen der LPK-Mehrheit gutgeheissen: Die Förderung der Agrarforschung mit dem Ziel, Klimaveränderungen und der Verknappung natürlicher Ressourcen vorzubeugen, wurde entsprechend neu ebenso als Ziel in die Legislaturplanung 2019-2023 aufgenommen wie der Beitrag der Schweiz zur Erreichung der international vereinbarten Klimaziele, die Erhaltung der Biodiversität und ein zu verabschiedender Bericht für eine «Umfassende Risikoanalyse und -bewertung der Schweiz».
Die vom Ständerat bereits in der Sommersession vorgenommenen Vorschläge wurden von der grossen Kammer alle gutgeheissen.

Legislaturplanung 2019-2023 (BRG 19.078)
Dossier: Legislaturplanungsberichte

Der Nationalrat beriet die Änderungen am Doppelbesteuerungsabkommen mit den Niederlanden in der Frühjahrssession 2020, nachdem die WAK-NR sich kurz zuvor mit 16 zu 7 Stimmen für die Annahme sämtlicher DBA-Änderungen zur Erfüllung des BEPS-Übereinkommens ausgesprochen hatte. In der kurzen Ratsdebatte begrüsste Franziska Ryser (gp, SG) den Umstand, dass auch die SVP «die Notwendigkeit der DBAs anerkannte», und freute sich darauf, die Zusatzprotokolle mit der Unterstützung der SVP zu genehmigen. Diese Hoffnung erfüllte sich jedoch nicht ganz, denn eine Mehrheit der SVP-Fraktion stimmte gegen den Entwurf. Da sich die restlichen Fraktionen jedoch geschlossen hinter das Geschäft stellten, resultierte ein Mehr von 155 zu 26 Stimmen (bei 9 Enthaltungen).

Doppelbesteuerungsabkommen mit den Niederlanden
Dossier: BEPS-Übereinkommen mit der OECD
Dossier: Doppelbesteuerungsabkommen

Im Dezember 2019 nahm sich der Nationalrat der Pflegeinitiative und dem von der SGK-NR ausgearbeiteten indirekten Gegenvorschlag an. Das Begehren des Berufsverbandes der Pflegefachfrauen und -männer hatte laut Initiativtext «eine ausreichende, allen zugängliche Pflege von hoher Qualität», die Sicherstellung von genügend diplomierten Pflegefachpersonen und einem ihrer Ausbildung und ihren Kompetenzen entsprechenden Einsatz zum Ziel.
Die Parlamentarierinnen und Parlamentarier waren sich darüber einig, dass die aktuelle Situation problematisch sei und durch das steigende Alter der Bevölkerung der Pflegebedarf erhöht werde. So rechne man zwischen 2017 und 2035 unter anderem mit einem Anstieg von rund 200'000 auf 360'000 über 80-Jährigen, die allenfalls pflegebedürftig würden, erklärte Ruth Humbel (cvp, AG). Gemäss Philippe Nantermod (fdp, VS) würden gegenwärtig lediglich 43 Prozent des erforderlichen Personals ausgebildet und 2030 würden hierzulande 65'000 Pflegende fehlen. Um den Mangel zu beheben, würden Pflegefachpersonen aus dem Ausland rekrutiert, was nicht nur ethisch fragwürdig sei – da die Ausbildung von einem Staat bezahlt werde, der nicht von dieser Investition profitiere –, sondern auch kostspielig werden könnte, erwäge doch die WHO, eine Steuer zur Entschädigung der Ausbildungsländer einzuführen, so Greta Gysin (gp, TI). Darüber dass Handlungsbedarf bestehe, herrschte Konsens. Der Rat war sich jedoch uneinig, ob die Pflegeinitiative das richtige Mittel sei, um der Problematik zu begegnen.
Von den Unterstützerinnen und Unterstürzer der Initiative hervorgehoben wurde, dass der Beruf nicht die Anerkennung erhalte, die er verdiene. Zudem komme ihm laut Barbara Gysi (sp, SG) im Krankenkassengesetz nach wie vor der «Status eines Hilfsberufs» zu. Christian Lohr (cvp, TG), Dozent an verschiedenen Fachhochschulen für Pflegeberufe, unterstrich die Wichtigkeit der Pflegequalität, der Ausbildungsförderung und der Verbesserung der Arbeitsbedingungen. Es müsse auch etwas gegen die 46 Prozent Berufsaussteigerinnen und -aussteiger unternommen werden, zu denen sie selber auch gehöre, erklärte Manuela Weichelt-Picard (al, ZG). Die Sicherheit und das Leben der Bevölkerung stehe auf dem Spiel, so Franziska Ryser (gp, SG). Betont wurde von den Gegnerinnen und Gegnern der Initiative hingegen, dass das Regeln einzelner Berufsgruppen in der Verfassung nicht angezeigt sei und die Aufgabenverteilung zwischen Bund und Kantonen in Frage gestellt würde. Zudem sei die medizinische Grundversorgung bereits in Artikel 117a BV erwähnt, was in den Augen von Verena Herzog (svp, TG) genügte, um die Pflege zu stärken.
Der von der SGK-NR ausgearbeitete Gegenentwurf kam im Nationalrat besser an als die Volksinitiative. Jedoch gab es auch bezüglich Gegenvorschlag einige Abänderungswünsche bzw. Uneinigkeiten. Um dem Beruf Attraktivität zu verleihen, beabsichtigte eine Mehrheit der SGK-NR, den Pflegefachpersonen die selbständige Erbringung und Abrechnung einiger vom Bundesrat festgelegter Leistungen zu Lasten der OKP, die ohne ärztliche Anweisung erfolgen könne, einzuräumen. So könnten pro Jahr CHF 13 Mio. eingespart werden, erläuterte Benjamin Roduit (cvp, VS). Gegen diese Forderung sprachen sich neben dem Bundesrat auch die SVP und die FDP aus. Es bestehe die Gefahr, dass dadurch ein Präjudiz geschaffen würde und durch die grössere Zahl an Leistungserbringenden die Kosten für das Gesundheitssystem nicht abnähmen, sondern stiegen, was höhere Prämien zur Folge hätte. Eine Mehrheit der grossen Kammer liess sich allerdings nicht von diesen Worten überzeugen. Auf Anregung von Pierre-Yves Maillard (sp, VD) lehnte der Nationalrat ausserdem den Mehrheitsantrag der SGK-NR ab, dass entsprechende Leistungen Gegenstand von Vereinbarungen mit Versicherern sein müssten.
Weiter wurde bezüglich Ausbildungsförderung beschlossen, dass die Kantone den Krankenhäusern, Pflegeheimen und Spitex-Organisationen eine bestimmte Anzahl Ausbildungsplätze, die diese zur Verfügung stellen müssen, vorgeben sollen. Ebenfalls gutgeheissen wurde die Forderung, dass die Kantone dazu verpflichtet werden sollen, den angehenden Pflegefachpersonen an einer Höheren Fachschule oder Fachhochschule mit Ausbildungsbeiträgen zur Seite zu stehen. Der Bund soll die Kantone während acht Jahren für die beiden ebengenannten Punkte mit CHF 469 Mio. unterstützen. Betreffend Ausbildungsbeiträge hätten die SVP und die FDP gerne Einschränkungen auf hilfs- und unterhaltsbedürftige Personen vorgenommen. Regine Sauter (fdp, ZH) betonte, es gebe neben den Pflegestudiengängen HF oder FH auch andere Berufsbereiche, wo eine Weiterbildung anzustreben sei, dort werde allerdings auf die Eigenverantwortung der Studierenden gezählt. Damit konnte sie die Mehrheit ihrer Ratskolleginnen und -kollegen jedoch nicht überzeugen, gegen die Beiträge zu stimmen.
In der Gesamtabstimmung wurde der indirekte Gegenvorschlag mit 124 zu 68 Stimmen (bei 4 Enthaltungen) angenommen. Abgesehen von der SVP und einer Mehrheit der FDP stimmten alle Parteien dem Gegenentwurf zu. Die Pflegeinitiative konnte die Mehrheit des Nationalrates indes nicht überzeugen und so empfahl er dem Volk und den Ständen das Begehren mit 107 zu 82 Stimmen (bei 6 Enthaltungen) zur Ablehnung, wobei die SP, die Grünen, aber auch vereinzelt Mitglieder der FDP.Liberalen-, der GLP- sowie der Mitte-Faktionen für Annahme der Initiative plädierten.

Für eine starke Pflege (Pflegeinitiative). Volksinitiative und indirekter Gegenvorschlag (BRG 18.079 & Pa.Iv. 19.401)
Dossier: Die Pflegeinitiative und ihre Umsetzung

Bei den Ständeratswahlen 2019 im Kanton St. Gallen waren die St. Galler Wahlberechtigten schon das zweite Mal im laufenden Jahr dazu aufgerufen, ihre Vertreter im Stöckli zu bestimmen. Im Frühjahr, bei den Ständeratsersatzwahlen für den freigewordenen Sitz von Bundesrätin Karin Keller-Sutter (FDP) hatte sich Benedikt Würth (cvp) im zweiten Wahlgang durchgesetzt. Während Würth für die regulären Gesamterneuerungswahlen im Oktober 2019 wie erwartet antrat, um seinen erst kürzlich hart erkämpften Sitz zu verteidigen, verzichtete seine damals stärkste Gegnerin, Susanne Vincenz-Stauffacher (fdp), darauf, Würth erneut herauszufordern und konzentrierte sich stattdessen auf die Nationalratswahlen. Auch der andere bisherige Ständerat, Paul Rechsteiner (sp), bewarb sich auf ein weiteres Mandat. Für Rechsteiner wäre es die dritte Legislatur im Ständerat – zuvor hatte er wohlgemerkt schon 25 Jahre lang im Nationalrat politisiert und war somit aktuell dienstältester Bundesparlamentarier. Die aussichtsreichsten Kandidaten um einem der beiden amtierenden Ständeräte gefährlich zu werden, kamen auch bei diesen Wahlen aus der SVP und der FDP. Beide richteten ihre Kandidatur vor allem gegen Rechsteiner. Der Traum von der ungeteilten bürgerlichen St. Galler Standesstimme sollte damit 2019 endlich Realität werden. Für den Freisinn kandidierte der Digitec-Gründer und Nationalrat Marcel Dobler. Die SVP nominierte Roland Rino Büchel. Büchel war 2010 für die abtretende Jasmin Hutter in den Nationalrat nachgerutscht und hatte sein Mandat bisher zwei Mal verteidigen können. SVP-intern musste sich Büchel gegen Mike Egger durchsetzen, der im Frühjahr bei den Ersatzwahlen bereits erfolglos kandidiert hatte. Eggers damals eher enttäuschendes Resultat dürfte dazu beigetragen haben, dass sich eine Mehrzahl der SVP-Delegierten für Büchel aussprach. Die drei weiteren Kandidaturen besassen lediglich Aussenseiterchancen. Franziska Ryser (gp) hoffte, dass sie im Wahljahr der Frauen- und Klimastreiks eine Überraschung landen oder zumindest ihre Position als grüne Spitzenkandidatin für den Nationalrat zementieren könnte. Für die Grünliberalen trat Pietro Vernazza an. Vernazza war bekannter Infektologe und Chefarzt, doch er hatte bis zu den diesjährigen eidgenössischen Wahlen, wo er für beide Kammern kandidierte, wenig mit Politik am Hut gehabt. Seine Ständeratskandidatur war daher wohl auch dazu gedacht, seine Chancen für den Gewinn eines Nationalratssitzes zu steigern. Die BDP nominierte ebenfalls einen Kandidaten: Norbert Feldmann, glänzte jedoch im Wahlkampf vor allem durch Abwesenheit.

Der erste Wahlgang verlief ohne grosse Überraschungen, war doch allgemein erwartet worden, dass ein zweiter Umgang entscheiden müsste. Benedikt Würth erzielte das beste Ergebnis, doch die 70'594 Stimmen reichten knapp nicht um das absolute Mehr von 71'095 zu erreichen. Direkt hinter Würth platzierte sich Paul Rechsteiner, der 64'077 Stimmen holte. Sowohl Büchel (45'941 Stimmen) als auch Dobler (30'755) enttäuschten. Sie hatten sich erhofft, die Bisherigen stärker unter Druck setzten zu können. Nur rund 3'000 Stimmen hinter Dobler reihte sich Franziska Ryser ein, die damit einen Achtungserfolg verzeichnete. Abgeschlagen auf den letzten beiden Plätzen landeten Pietro Vernazza (12'695) und Norbert Feldmann (4'174).
Für den zweiten Wahlgang traten die drei bestplatzierten Kandidaten erneut an. Marcel Dobler zog sich explizit zugunsten des SVP-Kandidaten Büchel zurück, der sich erst nach einiger Bedenkzeit für eine Teilnahme am zweiten Wahlgang entschied. Gemeinsam weibelten FDP und SVP für die ersehnte ungeteilte bürgerliche Standesstimme mit Würth und Büchel. Doch die CVP revanchierte sich nicht und unterstützte offiziell nur ihren eigenen Kandidaten, wohl auch weil dieser innerhalb der CVP dem christlich-sozialen Flügel nahesteht. So erstaunte es denn auch nicht, dass im zweiten Wahlgang die beiden Bisherigen ungefährdet wiedergewählt wurden. Wie im ersten Wahlgang erzielte Benedikt Würth das beste Ergebnis (77'893 Stimmen). Roland Rino Büchel (45'904) fehlten schlussendlich rund 17'000 Stimmen auf Paul Rechsteiner (62'750). Die Wahlbeteiligung beim vierten Ständeratswahlgang innerhalb eines Jahres betrug magere 36.1 Prozent.

Ständeratswahlen 2019 – St. Gallen
Dossier: Resultate Ständeratswahlen 2019 (nach Kantonen)
Dossier: Eidgenössische Wahlen 2019 - Überblick

255 Kandidierende auf 25 Listen bewarben sich bei den Nationalratswahlen 2019 im Kanton St. Gallen auf einen der zwölf zu vergebenden Sitze. Der Frauenanteil auf den Listen betrug 32.9 Prozent. Die Listen wurden aufgrund des am 1.Januar 2019 in Kraft getretenen neuen Gesetzes über Wahlen und Abstimmungen neu nach dem Wähleranteil anstatt wie bisher nach dem Datum der Eingabe geordnet.

Vor vier Jahren hatten die SVP und die FDP je einen zusätzlichen Sitz gewonnen. Leidtragende waren damals die GLP und die Grünen gewesen, welche beide ihren einzigen Sitz den Bürgerlichen hatten überlassen mussten. Damit besetzten erstmals in der Nachkriegszeit nur die vier Bundesratsparteien die zwölf St. Galler Nationalratssitze (5 SVP, 3 CVP, 2 FDP, 2 SP). Neun der zwölf damals Gewählten traten 2019 an, um ihr Mandat zu verteidigen. Walter Müller (FDP) verzichtete nach 16 Jahren in der Grossen Kammer auf eine erneute Kandidatur. Schon während der Legislatur aus dem Rat geschieden waren Jakob Büchler (CVP) – für ihn war Nicolo Paganini nachgerutscht – und Toni Brunner (SVP). Brunners Rücktritt auf Ende 2018 war überraschend gekommen. Der ehemals jüngste Nationalrat der Schweiz und langjährige Präsident der SVP Schweiz begründete den Abgang mit seiner Ermüdung gegenüber dem «repetitiven Politbetrieb in Bern». Auf Brunner war der erst 25-jährige Mike Egger gefolgt, der im Frühjahr auch noch für den freigewordenen St. Galler Ständeratssitz kandidiert hatte. Doch schon im April verkündete Brunner ein politisches Comeback. Er übernahm den Posten als Wahlkampfleiter der SVP St. Gallen und unterstützte so unter anderem die Kandidatur seiner Lebensgefährtin Esther Friedli. Angeführt von Brunner peilte die SVP die Verteidigung ihrer fünf Sitze an. Eine breite rechts-bürgerliche Listenverbindung mit der FDP scheiterte allerdings auch dieses Jahr und so verband die SVP einzig mit der EDU ihre Listen. Die FDP ihrerseits ging gar keine überparteilichen Listenverbindungen ein. Sie setzte für die Wahlen voll auf ihr neues Zugpferd Susanne Vincenz-Stauffacher. Die Kantonsrätin hatte sich dank ihrem engagierten Wahlkampf bei den Ständeratsersatzwahlen im Frühjahr 2019 bei vielen Wählern profilieren können. Vincenz-Stauffacher kandidierte im Oktober nicht noch einmal für den Ständerat und fokussierte sich stattdessen voll auf den Einzug in den Nationalrat. Einen breiten Schulterschluss gelang dafür den Mitte-Parteien CVP, GLP, EVP und BDP. Die Grünliberalen erhofften sich von der Verbindung, den 2015 verlorenen Sitz wieder zurückgewinnen zu können. Neben der grossen Listenverbindung hatte die Partei noch einen zusätzlichen Trumpf: Sie trat mit dem renommierten Mediziner Pietro Vernazza auf der Liste an. Ganz anders war die Gefühls- und Ausgangslage derweil bei der CVP. Sie hatte während der letzten 20 Jahren bei den Nationalratswahlen kontinuierlich Wähleranteile verloren. Ihr dritter Sitz, den sie 2015 dank einem Restmandat noch knapp hatte verteidigen können, wackelte dieses Jahr bedrohlich. Links der Mitte gingen die Sozialdemokraten und die Grünen ihre traditionelle Listenverbindung ein. Wie die GLP gaben sich auch die Grünen kämpferisch und setzten sich die Rückeroberung des 2015 verlorenen Sitzes zum Ziel. Die damals abgewählte Yvonne Gilli trat gleich selbst zur Wiederwahl an.

Der Wahlsonntag verlief so, wie es sich die Grünen und die Grünliberalen erhofft hatten. Die grüne Welle bescherte auch im Kanton St. Gallen beiden Parteien einen Sitzgewinn. Besonders die Grünen bauten ihren Wähleranteil deutlich aus (+4.8 Prozentpunkte, neu 10.5%). Für sie zog aber nicht Yvonne Gilli sondern Franziska Ryser in den Nationalrat ein. Ryser, die gleichzeitig noch für den Ständerat kandidierte, setzte sich dank vielen Panaschierstimmen parteiintern gegen Gilli durch. Die Grünliberalen verzeichneten ein Plus von 2.4 Prozentpunkten (neu 7.3%). Ihr neuer Nationalrat hiess überraschend nicht Pietro Vernazza, sondern Thomas Brunner. Die beiden Sitzgewinne gingen auf Kosten der CVP und der SVP. Besonders bitter war das Resultat für die CVP, welche trotz eines deutlichen Wählerzuwachses (+2.2 Prozentpunkte auf 18.8%) ihren dritten Sitz nicht zu halten vermochte. Thomas Ammann wurde so nach nur einer Legislatur schon wieder abgewählt. Bei der SVP (-4.5 Prozentpunkte, neu 31.3%) traf es gleich zwei Bisherige. Thomas Müller und Barbara Keller-Inhelder verpassten die Wiederwahl. Dafür zog neu Esther Friedli in den Nationalrat ein. Mike Egger schaffte nach weniger als einem Jahr im Rat die Wiederwahl. Bei der FDP übernahm Susanne Vincenz-Stauffacher den freigewordenen Sitz von Walter Müller. Die SP büsste nur wenige Wählerstimmen ein (-1.5 Prozentpunkte) und verteidigte damit ihre zwei Sitze souverän. Zum Debakel verkam die Wahl für die BDP, welche fast ihren gesamten Wähleranteil verlor (-3.0 Prozentpunkte, neu 0.6%). Die Zusammensetzung der St. Galler Nationalratsdelegation war somit neu: 4 SVP, 2 FDP, 2 CVP, 2 SP, 1 GLP, 1 GPS. Der Frauenanteil unter den Gewählten sprang von 25 auf 42 Prozent. Die Stimmbeteiligung betrug 41.9 Prozent (-4.6 Prozentpunkte im Vergleich zu 2015).

Nationalratswahlen 2019 – St. Gallen
Dossier: Eidgenössische Wahlen 2019 - Überblick

Die Motion Büchler (cvp, SG) betreffend die Schliessung von Poststellen wurde im November 2018 vom Ständerat abgelehnt. Die KVF-SR hatte dem Rat die Ablehnung beantragt, weil die Kommission nach Annahme der Standesinitiative des Kantons Jura bezüglich des Poststellennetzes ohnehin aktiv wird. Die kleine Kammer folgte dem Antrag ihrer Kommission diskussionslos.

Schliessung von Poststellen (Mo. 16.3865)
Dossier: Poststellennetz und strategische Ausrichtung der Post

Der Berner Nationalrat Werner Salzmann (svp, BE), seines Zeichens auch Präsident des kantonalbernischen Schiesssportverbandes, forderte mittels Motion einen korrekten Einsatz der Bundesgelder für die Kugelfangsanierung. Mit einer kurz gehaltenen Forderung wollte er bei der Regierung auf eine Änderung des Umweltschutzgesetzes hinwirken, so dass für alle Schiessanlagen 40 Prozent der anfallenden Kosten vom Bund übernommen werden. Stein des Anstosses waren die zu hohen Ausgaben, die für die Sanierung von Altlasten auf 300m-Schiessplätzen anfallen. Gegenwärtig wurden diese entsprechend des Beschlusses des Parlaments im Rahmen einer parlamentarischen Initiative Büchler (cvp, SG) mit einer Pauschale von CHF 8'000 vom Bund abgegolten, was gemäss damaliger Rechnung 40 Prozent der Gesamtkosten entsprechen sollte. Nun zeigten die Erfahrungen aus ebensolchen Sanierungen, dass die CHF 8'000 nicht ausreichten und in vielen Fällen nicht einmal den Anteil von 40 Prozent abdeckten. Bis zu CHF 25'000 fielen pro Scheibe an, wie eine Auswertung in diversen Kantonen zeige, erklärte der Motionär. Zwar würden bei grösseren Anlagen mit mehr als 15 Scheiben auch Einsparungen möglich, aber weil das Gros der Schiessplätze eben über weniger als 15 Scheiben verfüge, gebe es dort eine Ungleichbehandlung. Das Bafu teile die Erkenntnisse aus dieser Bestandsaufnahme. Weil Gelder für diese Sanierungen in einem zweckgebundenen Fonds ohnehin schon bereitgestellt würden, argumentierte Salzmann weiter, müsse die gesetzliche Regelung dahingehend angepasst werden, dass eben alle Schiessanlagen (und nicht nur die grossen) von den bereitgestellten Mitteln profitieren könnten. Die Festsetzung der Beiträge auf 40 Prozent der Kosten erachtete der Motionär als besseren Weg gegenüber einem Pauschalbetrag.
Der Bundesrat unterstützte die Forderung, die in der Sommersession 2018 im Nationalrat traktandiert war. Dort gab es keinen Anlass zur Diskussion, weswegen die Motion stillschweigend angenommen wurde.

Korrekter Einsatz der Bundesgelder für die Kugelfangsanierung (Mo. 18.3018)
Dossier: Schiess- und Schützenwesen

Zwei weitere neue Ratsmitglieder wurden in der Frühjahrssession vereidigt: Nicolo Paganini (cvp, SG) ersetzte Jakob Büchler (cvp, SG) und Michael Töngi (gp, LU) rückte für Louis Schelbert (gp, LU) nach.
Büchler war nach 15 Jahren im Nationalrat zurückgetreten. Da die CVP St. Gallen eine Amtszeitbeschränkung kennt, hätte der 65-jährige nicht mehr erneut kandidieren können. Er machte deshalb dem als Anwalt tätigen Paganini Platz, der zudem seit 2011 als Direktor der Olma-Messen fungiert.
Der 65-jährige Schelbert war seit 1975 politisch tätig gewesen: zuerst in der POCH, später für die Grünen, für die er die Ochsentour vom Stadtluzerner Parlament über den Kantonsrat bis hin in den Nationalrat absolvierte, in den er nach dem Rücktritt von Cécile Bühlmann (gp, LU) 2006 nachgerutscht war. Sein Nachfolger, der 50-jährige Michael Töngi, wollte seinen Job als Generalsekretär des Schweizerischen Mieterinnen- und Mieterverbandes aufgeben. Schelbert machte keinen Hehl daraus, dass er für Töngi den Platz räumte, um dessen Wiederwahlchancen im Herbst 2019 zu erhöhen. Es sei für die Grünen in Luzern ansonsten sehr schwierig, ihr Mandat zu verteidigen.
Paganini wurde durch seinen Schwur der Eidesformel vereidigt, während Töngi das Gelübde ablegte. Seit den letzten Wahlen wurden somit im Nationalrat bereits 14 Sitze neu besetzt.

Mutationen 2018
Dossier: Mutationen im nationalen Parlament

Die Schliessung von Poststellen in der Schweiz führt zu einer schlechteren Grundversorgung, zeigte sich der St. Galler Nationalrat Jakob Büchler (cvp, SG) überzeugt und verlangte mit einer Motion, dass mit einer Anpassung der Postverordnung eine bessere und den unterschiedlichen ländlichen Verhältnissen angepasste Erreichbarkeit des Poststellennetzes und der Dienstleistungen im Zahlungsverkehr gewährleistet werde. Trotz der unterdessen erfolgten Annahme der Motion KVF-NR bezüglich der strategischen Poststellennetz-Planung zog der Motionär sein Anliegen nicht zurück, vielmehr wollte er seine Motion als Unterstützung der angenommenen Motion KVF-NR verstanden wissen. Bundesrätin Leuthard verzichtete darauf, den Antrag des Bundesrates auf Ablehnung im Plenum zu begründen. Der Nationalrat nahm die Motion am 8. März 2018 mit 134 zu 52 Stimmen (5 Enthaltungen) an.

Schliessung von Poststellen (Mo. 16.3865)
Dossier: Poststellennetz und strategische Ausrichtung der Post

Die KVF-NR reichte im März 2017 eine Motion ein, mit der sie ein Moratorium für den Serviceabbau bei den SBB-Drittverkaufsstellen forderte. Hintergrund des Vorstosses war die Ankündigung der SBB vom September 2016, 52 Drittverkaufsstellen per Ende 2017 zu schliessen. Die SBB-Drittverkaufsstellen werden von verschiedenen Partnern wie Migrolino- und Avec-Shops, Poststellen und von Privaten im Sinne des "Agenturmodells" geführt. Mit der Motion sollte der Bundesrat beauftragt werden, die SBB zu verpflichten, mit der Einstellung der Drittverkaufsstellen bis mindestens 2020 zu warten. Dies gebe genügend Zeit, um technische Lösungen für die vom Service-Abbau betroffenen Regionen zu finden. Der Bundesrat beantragte die Ablehnung der Motion. Er nehme keinen Einfluss auf die operative Tätigkeit der SBB und prüfe bereits, ob der Zugang zu den Vertriebssystemen des öffentlichen Verkehrs geöffnet werden soll, damit Dritte ohne Zustimmung eines Transportunternehmens Billette verkaufen dürfen. Der Bundesrat verwies auf seine diesbezügliche Stellungnahme vom September 2016 zur Motion Büchler (cvp, SG) "Schliessung von SBB-Ticketstellen auf dem Land" (16.3866), welche zu diesem Zeitpunkt von den Räten noch nicht behandelt worden war. Obschon sich Bundesrätin Leuthard vor dem Rat gegen die Einmischung ins operative Geschäft der SBB wehrte, wurde das Moratorium im Juni 2017 mit 93 zu 79 Stimmen bei 12 Enthaltungen vom Nationalrat angenommen.

Moratorium für den Serviceabbau bei den SBB-Drittverkaufsstellen

Nicht weniger als die „Rückkehr zur direkten Demokratie, wie sie von den Begründern der modernen Schweiz geschaffen wurde“ verlangte eine Motion Buttet (cvp, VS). Der 2015 eingereichte Vorstoss des Walliser Christdemokraten hatte seine Wurzeln in der damals recht virulent geführte Diskussion um die in den Medien so bezeichnete Initiativenflut. Um diese einzudämmen, forderte Yannick Buttet eine dynamische Anpassung der Zahl der benötigten Unterschriften für Volksinitiativen und Referenden prozentual zur Anzahl Stimmberechtigter. Er wies darauf hin, dass 1848 für eine Volksinitiative Unterschriften von 7,6% der Stimmberechtigten nötig waren, während 2011 nur noch 1,9% der Stimmberechtigten unterschreiben müssten. Buttet schlug vor, für die Initiative 4% und das Referendum 2% anzupeilen.
Justizministerin Simonetta Sommaruga wies in der während der Sondersession 2017 im Nationalrat geführten Debatte auf die Antwort des Bundesrates zum Postulat Vogler hin. Damals habe die Regierung einen Bericht versprochen, in dem die bestehenden Regelungen zum Initiativrecht hätten analysiert werden sollen. Da das Postulat allerdings bekämpft und schliesslich ohne Debatte abgeschrieben worden war, gäbe es heute keinen solchen Bericht. Sie wies darauf hin, der Bundesrat sei der Meinung, dass Änderungen bei den Volksrechten nur sehr zurückhaltend und nur mit sehr stichhaltigen Argumenten vorzunehmen sind. Eine von einer Motion intendierte Gesetzesänderung ohne vorgängige breite Diskussion lehne er deshalb ab. Auf die Nachfrage von Jakob Büchler (cvp, SG), ob die Bundesrätin nicht auch der Meinung sei, es gebe zu viele Volksinitiativen und höhere Hürden könnten diese eindämmen, reagierte Sommaruga magistral: Es sei nicht an der Regierung zu beurteilen, ob zu viele oder zu wenige Volksbegehren eingereicht würden. Die Volksinitiative als Instrument spiele aber eine wichtige Rolle im Dialog zwischen Bevölkerung und Parlament. Dass Letzteres sich vor Reformen der Volksrechte scheut, zeigte dann die recht deutliche Abfuhr, die dem Vorstoss mit 135 zu 37 Stimmen bei 13 Enthaltungen erteilt wurde. Ja sagten lediglich die BDP-Fraktion und die grosse Mehrheit der CVP, der GLP und der Grünen, wobei der Sprecher der Grünen Fraktion, Balthasar Glättli (gp, ZH), sogleich nach der Abstimmung eine Erklärung abgab, man habe sich geirrt und die Motion eigentlich ablehnen wollen.

Rückkehr zur direkten Demokratie (Mo. 15.3649)

Die Sicherheitspolitische Kommission des Nationalrates (SiK-NR) wollte mit einer Motion veranlassen, dass die Vollzugsstelle für den Zivildienst ins VBS transferiert wird und nicht länger beim WBF verbleibt. Die Kommission sah darin einen Vorteil in der Koordination: So könnten die Armeebestände besser überwacht, sowie Wechsel in andere Dienstsysteme besser dokumentiert werden. Daraus erhoffte man sich auch eine positive Wirkung auf die Rekrutierungszentren, die ebenfalls dem VBS unterstehen. Eine Kommissionsminderheit stellte sich gegen die Motion.
Ebenso positionierte sich der Bundesrat, der sich auf die Anfänge des Zivildienstes besann: Gerade weil bei der Einführung dieses Ersatzdienstes noch ein Gewissenskonflikt als vordergründige Armeeablehnung angenommen wurde, hatte man die Vollzugsstelle bewusst nicht dem damaligen Militärdepartement unterstellt, sondern beim Bundesamt für Industrie und Arbeit (BIGA), dem heutigen SECO. Diese Trennung sei nach wie vor angezeigt, so die Einschätzung der Regierung. Der anvisierte Transfer bringe auch kaum einen erkennbaren Nutzen. Wichtige Tätigkeitsbereiche der Zivildienstleistenden seien zudem im Umfeld des WBF angesiedelt, so beispielsweise die Landwirtschaft und die Bildung.

Einer kurzen Debatte im Nationalrat folgte dann jedoch die Zustimmung des Ratsplenums. Kommissionssprecher Büchler (cvp, SG) zeigte die Beweggründe der Kommission für diesen Antrag auf. Das Anliegen entstand bei der Kenntnisnahme des Berichts der „Studiengruppe Dienstpflichtsysteme” und ist im wesentlichen auf die zunehmende Zahl von Übertritten von AdA in den Zivildienst zurückzuführen. So war das erklärte Kernziel der Motion die „Sicherung der Armeebestände”, wofür es „mindestens 18'500 ausgebildeter Rekruten” bedürfe, so Büchler. Der kommissionsinterne Widerstand fusste weitgehend auf den gleichen Argumenten, wie sie der Bundesrat vorgebracht hatte. Lisa Mazzone (gp, GE) verdeutlichte die Bedeutung der institutionellen Trennung von der Armee, indem die Vollzugsstelle des Zivildienstes nicht beim VBS angesiedelt ist. Der Nationalrat überwies die Motion nach den Ausführungen von Bundesrat Schneider-Ammann mit 94 zu 85 Stimmen. Vergeblich hatte auch der Volkswirtschaftsminister die Vorzüge der gegenwärtigen Organisation unterstrichen.

Transfer der Vollzugsstelle für den Zivildienst ins VBS

Kurz nach Bekanntwerden, dass Bundesrat Parmelin das BODLUV-Projekt sistiert hatte, wollte die SiK des Nationalrates proaktiv Einfluss auf das Armeebudget nehmen und mittels Motion sicherstellen, dass im Rüstungsprogramm 2017 sämtliche Armeefinanzen für die Rüstungsausgaben eingesetzt werden können und keine Restkredite entstehen. Weil BODLUV ursprünglich für das Rüstungsprogramm 2017 vorgesehen gewesen war und folglich mit dessen zwischenzeitlichem Wegfall Gelder frei geworden waren, wollte die Kommission erwirken, dass tatsächlich CHF 5 Mrd. für die Armee ausgegeben würden und nicht etwa weniger. Dieser Meinung war auch die Regierung, wie sie in ihrer Stellungnahme bekannt gab, jedoch empfahl sie die Motion gleichwohl zur Ablehnung. Sie stellte jedoch auch bloss in Aussicht, dass die Rüstungsplanung angepasst werde und für den im RP 2017 berücksichtigten Zeitraum andere Projekte anvisiert würden. Spezifische Projekte konnten damals vom Bundesrat noch nicht benannt werden.
Kommissionssprecher Büchler (svp, SG) appellierte im Nationalrat an seine Kolleginnen und Kollegen, dass die Armeeführung dringend Planungssicherheit brauche und dafür ein Rüstungsprogramm über CHF 700 Mio. nötig sei. Dies entsprach dem für BODLUV vorgesehenen Betrag. Minderheitssprecher Flach (glp, AG) hielt nichts von diesem Antrag und nannte ihn „sicherheitspolitisch und finanzpolitisch verantwortungslos”. Es gebe gar kein Beschaffungsprojekt mit diesem hohen Finanzbedarf, das bereits beantragt werden könne. Trotz Gegenwehr – auch des Verteidigungsministers – wurde die Motion mit 126 zu 63 Stimmen angenommen.

Motion Rüstungsprogramm 2017

Nachdem das erste ordentliche Rüstungsprogramm 2015 in den Räten in der Sommer-, respektive der Herbstsession bereits genehmigt worden war, legte der Bundesrat Mitte August ein weiteres Rüstungsprogramm "plus" vor. In der Botschaft über die zusätzliche Beschaffung von Rüstungsmaterial 2015 wurden Güter im Umfang von weiteren CHF 874 Mio. beantragt. Dabei wurden dem Parlament vier Gesuche unterbreitet: eine teilweise Erneuerung der Telekommunikationsmittel der Armee (CHF 118 Mio.), eine Ergänzung der Munitionsbestände für Pistolen und Sturmgewehre (CHF 100 Mio.), die Nutzungsverlängerung eines Fliegerabwehrsystems (CHF 98 Mio.) im Rahmen des Projekts "Bodengestützte Luftverteidigung 2020" (BODLUV 2020) sowie, als Löwenanteil von CHF 558 Mio., die Werterhaltung der veralteten Duro-Fahrzeuge.
In der Eintretensdebatte im Nationalrat eröffnete der Berichterstatter der SiK-NR, Beat Flach (glp, AG), die Diskussion mit einer Globalsicht auf die Weiterentwicklung der Armee, die eine Vollausrüstung zum Ziel habe und inzwischen vom Parlament weit vorangetrieben worden sei. Deshalb seien auch die vorgelegten Investitionen berechtigt und nötig. Die ersten drei Positionen waren in der SiK denn auch nicht bestritten, wohl aber die vierte, die Aufwertung der seit 1993 beschafften Duro-Lastwagen und zwar insbesondere wegen der hohen Investition von über CHF 200'000 pro Stück. Letztlich konnte sich die Kommission aber doch durchringen, dem Gesamtpaket gute Argumente für die Beratungen mitzugeben und Eintreten mit 18 zu 7 Stimmen zu beschliessen. Erstmals äusserte sich auch die FK zu einem Rüstungsgeschäft, deren Referent Müller (cvp, LU) aus finanzieller Sicht ebenfalls grünes Licht gab, es sich jedoch nicht nehmen liess, ebenfalls Bedenken zum Duro-Werterhalt zu äussern. Da aber mit dem vom Bundesrat vorgeschlagenen Vorgehen eine längere Nutzungsdauer erzielt werden könne, als mit neu zu beschaffenden Fahrzeugen, kam auch die FK zum Schluss, dass die Investition berechtigt sei. Seinem Votum war im Wesentlichen auch zu entnehmen, dass durch frei gewordene Kapitalreserven genügend Mittel für dieses zusätzliche Rüstungsprogramm vorhanden waren.
Im Anschluss an die Kommissionspositionen wurden die Argumente der Fraktionen vorgebracht. Thomas Hurter (svp, SH) legte die Einstellung der SVP dar, die mit einer knappen Mehrheit für das Geschäft einstand. Innerhalb der sonst armeefreundlichen Partei gab es aber auch eine stattliche Gegnerschaft um den Aargauer Ulrich Giezendanner (svp, AG), der mit 22 Mitstreitern gegen die Duro-Revision einstand. Wenig überraschend wehte Gegenwind vor allem von links. Die Ablehnung von Giezendanner und Parteikollegen war denn ein von den Grünen und der SP gerne angenommener Steilpass, so dass von Beginn weg der Erfolg des bundesrätlichen Antrags nicht sicher war. Eintreten wurde schliesslich mit 136 zu 50 Stimmen beschlossen.
In der Detailberatung standen dem Antrag der Regierung zwei Kürzungsanträge aus den Reihen der SiK gegenüber, wovon einer der Mehrheitsantrag war. Ein weiterer Minderheitsantrag II (Büchler) lautete auf Zustimmung zum Entwurf des Bundesrates. Die FK stellte sich ebenfalls hinter den Antrag des Bundesrates. Die Kommissionsmehrheit wollte das Volumen zur Werterhaltung der Duro-Lastwagen um CHF 100 Mio. kürzen, jedoch ohne zu präzisieren, in welchem Bereich eingespart werden soll. Die Minderheit I (Fridez) (sp, JU) wollte den Einsatz von CHF 98 Mio. zur Beschaffung von Ersatzkomponenten der mobilen Kommunikation streichen und diese Position bei CHF 20 Mio. belassen. Die im RP 15plus skizzierte Beschaffung von neuen Kommunikationssystemen soll schrittweise bis 2027 erfolgen, wobei für eine Planungsphase eben diese übrig bleibenden CHF 20. Mio. veranschlagt worden sind. Die zu kürzenden CHF 98 Mio. seien für erste Anschaffungen vorgesehen – Käufe, die gemäss der Meinung der Kommissionsminderheit I auch zu einem späteren Zeitpunkt budgetiert werden können.
Die Wortmeldungen glichen sich in der Debatte und hauptsächlich wurde das "Fitness-Programm", wie es Nationalrat Müller (fdp, SG) nannte, für den Duro besprochen. Mehrere Votanten hielten die rund CHF 250'000 pro Duro-Umbau für zu hoch angesetzt. Auf der anderen Seite war man sich einig, dass eine Fahrzeug-Neubeschaffung kaum möglich sei, weil der Duro seinerzeit als quasi massgefertigtes Produkt an die Schweizer Armee geliefert wurde. Die Nutzungsverlängerung des Fliegerabwehrsystems kam in der Detailberatung nicht zur Sprache. In den Gesamtabstimmungen obsiegte die Kommissionsminderheit II mit 98 zu 90 Stimmen knapp, die Kommissionsminderheit I unterlag mit 52 gegen 140 Stimmen deutlich. Damit wurde das Geschäft im Sinne der Regierung an den Ständerat überwiesen. Mit 149 zu 43 Stimmen wurde überdies die Ausgabenbremse gelöst.

Rüstungsprogramm 2015

Im Nationalrat wehte der Botschaft über die Armeeeinsätze anlässlich der WEF-Jahrestreffen ein rauerer Wind entgegen als in der kleinen Kammer. In der SiK wurden bereits Minderheitsanträge behandelt, sie blieben jedoch erfolglos. In der Gesamtabstimmung beantragte die Kommission mit 17 zu 6 Stimmen Annahme der Botschaft, wie Sprecher Büchler (cvp, SG) bekannt gab. Eine Minderheit I Voruz (sp, VD) wollte den Maximalbestand der Truppe im WEF-Einsatz auf 3000 Armeeangehörige (AdA) limitieren. Eine Minderheit II Voruz (sp, VD) beantragte einen neuen Kostenverteiler, wobei die WEF-Organisation und der Kanton Graubünden je genau ein Drittel der Sicherheitskosten tragen sollen. Die SiK lehnte beide Anträge ab.
Pierre-Alain Fridez (sp, JU) unterstützte die beiden Minderheitsanträge im Plenum und gab sogleich zu, dass seine Partei eine solche Debatte gerne zum Anlass nehme, kritische Fragen zu stellen. So wurde etwa die Rolle der Armee in Frage gestellt, weil die Kernaufgabe der Sicherung dieses Anlasses eben Sache der Polizei sein sollte und nicht der Armee. So stellte Fridez zur Debatte, ob die Armee angesichts der laufenden Reformen in einigen Jahren immer noch in der Lage sein würde, Einsätze mit einem solchen Personalaufwand leisten zu können. Zum zweiten Minderheitsantrag stellte er klar, dass sich der Kanton Graubünden, aber auch die Organisatoren des WEF, mehr an den Kosten des Armeeeinsatzes beteiligen sollten.
Die Debatte gestaltete sich dann aber nicht sehr kontrovers und alle Fraktionen, ausser jene der SP, unterstützen den Mehrheitsantrag gemäss Bundesratsentwurf und Ständeratsbeschluss. Die Reduktion des Maximalbestandes der eingesetzten Truppe begründete Eric Voruz (sp, VD) mit den Erfahrungen vergangener WEF-Armeeeinsätze, in denen jeweils nicht mehr als ein Kontingent von 3000 bis 3500 AdA benötigt worden war. Überdies sah Voruz auch bezüglich Personalbestand den Kanton Graubünden in der Pflicht, mehr Polizeikräfte für das WEF zu mobilisieren, zumal die Bestandsreduktion im Rahmen der WEA künftige Einsätze der Armee im Assistenzdienst erschwere. Zum Vorschlag der Kosten-Neuaufteilung verlor der Initiant wenige Worte und blieb beim Kern seines Anliegens, die Kosten gleichmässig aufzuteilen.
Es blieb aber bei den beiden Versuchen, die Botschaft anzupassen, denn beide Minderheitsanträge wurden auch vom Ratsplenum deutlich abgelehnt. Mit 126 zu 46 Stimmen sprach sich der Nationalrat für den Bestand von weiterhin maximal 5000 AdA aus und mit 130 zu 49 Stimmen wurde die beantragte Änderung der Kostenaufteilung ebenfalls abgewiesen. In beiden Abstimmungen unterlag links-grün. In der Schlussabstimmung wurde das Geschäft schliesslich mit 132 zu 35 Stimmen bei 13 Enthaltungen angenommen.

Assistenzeinsatz der Armee am World Economic Forum 2016-2018 (BRG 15.026)
Dossier: Armee-Einsätze am World Economic Forum (WEF)

Im Februar 2015 stellte der Bundesrat mit der entsprechenden Botschaft das Rüstungsprogramm 2015 (RP 15) vor und beantragte darin einen Verpflichtungskredit über CHF 542 Mio. Drei Beschaffungen wurden vorgesehen: ein neues Aufklärungsdrohnensystem, neue geländegängige Fahrzeuge sowie ein Schiesssimulator-System für die Ausbildung am Sturmgewehr. Sämtliche Posten sollen ältere Systeme, die noch in Gebrauch sind, sich jedoch am Ende ihrer Nutzungsdauer befinden, ersetzen. So lautet auch die Einschätzung des Bundesrates, dass die Beschaffungen aus militärischer Sicht notwendig seien, denn die Weiterverwendung der bestehenden Systeme "sei aus technologischer und betriebswirtschaftlicher Sicht nicht mehr vertretbar". Das beantragte Aufklärungsdrohnensystem 15 (ADS 15) soll das noch im Einsatz stehende ADS 95 ersetzen. Die sechs neuen Drohnen "Hermes 900 HFE" des Israelischen Herstellers Elbit Systems schlagen mit CHF 250 Mio. zu Buche. Weitere CHF 271 Mio. wurden für geländegängige Fahrzeuge veranschlagt, wobei mit diesem Posten erst eine erste Tranche beschafft werden soll. Die rund 25-jährigen Steyr-Daimler-Puch 230 GE werden somit schrittweise aus dem Verkehr genommen. Ersetzt werden sie durch Mercedes-Benz G 300 CDI 4×4 Fahrzeuge, wovon vorerst 879 Stück in den Jahren 2017 bis 2022 beschafft werden sollen. Ein Schiesssimulator-System zur gefechtsmässigen Übung bindet CHF 21 Mio. und ersetzt das veraltete System von 1990. 500 Sets sollen beschafft werden und bis 2018 angeschafft worden sein.
In der Sommersession hatte sich der Nationalrat mit dem Bericht zu befassen. Namens der Mehrheit der SiK-NR beantragte Nationalrat Büchler (cvp, SG) Eintreten und griff auch gleich Bedenken zum RP 15 auf: Es handelte sich dabei um geäusserte Vorbehalte gegen die Israelischen Drohnen, wobei es um die grundsätzliche Ablehnung einer Kooperation mit Israel ging. Ein Antrag, auf die Beschaffung der Drohnen gänzlich zu verzichten, wurde in der SiK mit 16 zu 7 Stimmen abgewiesen. Eine ebenfalls eingegangene Petition "Nein zum Kauf von Drohnen aus Israel" forderte ebenfalls, diesen Posten fallen zu lassen, da vermutet wurde, dass eine militärische Zusammenarbeit mit Israel in Konflikt mit der Genfer Konvention stehe. Dieser Ansicht stand ein Schreiben der Generalsekretärin des VBS gegenüber, in welchem der SiK versichert wurde, dass der Bezug von Rüstungsgütern eines israelischen Unternehmens keinen Verstoss gegen die Genfer Konvention bedeute. Ebenfalls mit 16 zu 7 Stimmen hatte die SiK in ihren Vorberatungen dem RP 15 zugestimmt. Die Kommissionsminderheit, vertreten durch ihre Sprecherin Aline Trede (gp, BE), stellte sich gegen das RP 15 als Ganzes. Es stehe keine Strategie dahinter, so die Einschätzung der Sicherheitspolitiker aus SP und GPS. Trede verwies auch auf den zu jenem Zeitpunkt noch offenen Ausgang der Weiterentwicklung der Armee und der dadurch scheinbar unklaren Stossrichtung der Neuerungen bezüglich der Ausgestaltung der Armeeaufgaben. Daher sei es widersprüchlich, noch "schnell, schnell" Rüstungsgeschäfte zu tätigen. Weitere Gründe zur Ablehnung sah die Grüne auch in finanzpolitischer Hinsicht. In weiteren Voten wurden die Haltungen der Fraktionen dargelegt, wobei alle Parteien ausser der SP und der GPS die Vorlage unterstützen wollten. Omnipräsent war jedoch auch die gescheiterte Kampfjetbeschaffung, die dadurch frei gewordenen Gelder, aber auch die von bürgerlichen Abgeordneten geäusserte Erfordernis, nach wie vor eine Lösung für den ausstehenden Tiger-Teilersatz finden zu müssen. In der Eintretensabstimmung unterlagen die Gegner mit 53 zu 123 Stimmen, Grüne und SP stellten sich fast geschlossen gegen die Vorlage.
Die Detailberatung wurde durch drei Minderheitsanträge befeuert, die jeweils Einsparungen vorschlugen, respektive den Verzicht auf einzelne Beschaffungen verlangten. Eine Minderheit I (Allemann) (sp, BE) beantragte die Genehmigung des RP 15, jedoch ohne die Aufklärungsdrohnen, eine Minderheit II (van Singer) (gp, VD) wollte das RP 15 um einen Drittel der Geländewagen kürzen und so nur CHF 451 Mio. genehmigen und eine Minderheit III (Voruz) (sp, VD) wollte den Umfang des RP 15 wegen des tiefen Eurokurses anpassen und die Umrechnung der Geländewagen-Beschaffung zu einem Franken-Euro-Kurs von CHF 1.05 statt CHF 1.25 festlegen, womit das Gesamtvolumen des RP 15 auf CHF 478 Mio. reduziert würde. Es folgten abermals zahlreiche Wortmeldungen, vorwiegend bezüglich der Drohnen, der Rolle des Staates Israel und der Vereinbarkeit mit der Schweizer Neutralität, jedoch auch, ob nicht ein Hersteller aus einem anderen Land den Auftrag erhalten könnte. Bundesrat Maurer verteidigte das RP 15 standhaft und zusammen mit der bürgerlichen Ratsmehrheit gelang es, sämtliche Minderheitsanträge zu überstimmen. In der Gesamtabstimmung konnte dann die Vorlage des Bundesrates mit 130 zu 55 Stimmen durchgebracht werden, die Ausgabenbremse wurde mit 135 zu 46 Stimmen gelöst; in sämtlichen Ausmarchungen unterlag links-grün.

Rüstungsprogramm 2015

Der Abstimmungssonntag am 18. Mai 2014, wurde nicht nur Höhe-, sondern auch Schlusspunkt eines langwierigen Seilziehens um die Gripen-Beschaffung bzw. den Tiger-Teilersatz. Dieses grosse Rüstungsvorhaben hatte zahlreiche Hürden zu nehmen. Die letzte davon - der Urnengang - wurde 2013 durch den Bundesrat selbst ermöglicht, indem als Finanzierungsgrundlage ein Fondsgesetz vorgeschlagen wurde. Erst dieser Kniff ermöglichte es, die Finanzierung und damit sehr unmittelbar auch die Beschaffung selbst, dem fakultativen Referendum zu unterstellen. Mit der Ablehnung des Gripen-Fondsgesetzes an der Urne wurde die aufsehenerregende Kampfflugzeugbeschaffung erfolglos abgeschlossen.

Dass das Referendum ergriffen würde, war schon früh klar. Noch vor den parlamentarischen Debatten Ende 2013 kündigte die Grüne Partei an, sie werde dieses Geschäft zu verhindern suchen. Zwei Referendumskomitees hatten sich dann bereits vor der letzten Beratung im Ständerat konstituiert, so dass einer Unterschriftensammlung nichts mehr im Wege stand. Links-grün und die Grünliberale Partei stellten sich je individuell an, die nötige Anzahl Unterschriften zu sammeln. Der Erfolg liess nicht lange auf sich warten. Innert zwei Monaten und damit noch 2013, hatte das Komitee um SP und GPS rund 80‘000 Unterschriften beisammen. Damit zeichnete sich rasch ab, dass die Referendumsabstimmung bereits im Frühjahr 2014 abgehalten werden konnte. Entsprechend früh erkannte auch der Verteidigungsminister den Ernst der Lage und noch Ende 2013 stieg er in den Abstimmungskampf. Fortan standen sich bürgerliche Gripen-Befürworter und Gripen-Gegner aus links-grünen Kreisen gegenüber. Neu standen aber erstmals auch bürgerliche Politiker einer Armeevorlage kritisch gegenüber: die GLP hatte sich nicht nur an der Unterschriftensammlung beteiligt, sondern sie stellte sich fortan auch in einem Gegnerkomitee gegen die Beschaffung der Gripen-Jets.

Erster Meilenstein war Mitte Januar 2014 die Einreichung der Unterschriften. Das links-grüne Bündnis um SP, GPS und andere Organisationen konnte rund 100'000 Unterschriften für das Referendum zusammentragen, nur etwa 5'000 davon waren vom grünliberalen Anti-Gripenkomitee beigesteuert worden. Da schon Mitte Mai abgestimmt werden sollte, war die Einreichung der Unterschriften gleichzeitig der Startschuss für den Abstimmungskampf. Sogleich wurde dieser befeuert, als es nicht nur darum ging, ob sich die Herstellerfirma Saab an der Finanzierung der Ja-Kampagne beteiligen soll, sondern ob dies überhaupt zulässig sei. Das Gegnerkomitee meldete sehr rasch seine Ablehnung an. Aber auch Gripen-Befürworter standen einer finanziellen Beteiligung aus Schweden kritisch gegenüber. Thomas Hurter (svp, SH) forderte, dass sich Saab gänzlich aus der Abstimmungskampagne raushalte.

Unangenehme Tage musste der Verteidigungsminister auch im Februar erleben: Nachdem bereits der Prozess zum Typenentscheid durch verschiedene Nebenereignisse und Indiskretionen für negative Schlagzeilen gesorgt hatte, wurden auch im neuen Jahr geheime (und brisante) Informationen publik. So hatte sich Verteidigungsminister Ueli Maurer in mehreren Treffen mit dem Schwedischen Botschafter Per Thöresson ausgetauscht. Dabei soll es nicht nur um gute Kontakte gegangen sein, sondern ganz konkret um ein Engagement Schwedens im Abstimmungskampf. Diese Informationen hatte ein Schwedischer Radiosender veröffentlicht, der drei Berichte des Botschafters an das Aussen- und Verteidigungsministerium Schwedens vorliegen hatte. Der Inhalt war insofern brisant, als dass angeblich Bundesrat Maurer selbst um Unterstützung aus Schweden gebeten haben soll. Zwar solle sich Schweden nicht direkt in den Abstimmungskampf einmischen, jedoch durch verschiedene Anlässe in Schweden und der Schweiz eine positive Stimmung erzeugen. Ein Beispiel wären Journalisten-Besuche in den Saabwerken zu Informationszwecken. Maurer musste sich in der Folge erklären und versuchte den Ball flach zu halten. Dass Gespräche geführt wurden konnte er nicht in Abrede stellen, er wollte jedoch darin keine gemeinsame Kampagnenplanung sehen. Dass er sich als Vorsteher des VBS an vorderster Front für den Gripen stark mache, sei nicht mehr als opportun. Die Ungereimtheiten spielten den Gegnern dennoch in die Hände und den Befürwortern wie auch dem Verteidigungsminister selbst blieb nichts anderes übrig, als gebetsmühlenartig festzuhalten, dass der Gripen die richtige Lösung für die Schweiz sei. Fast täglich wurde in den Zeitungen über den Gripen berichtet.

Die Kampagnenleitung der Befürworter sollte von der CVP übernommen werden, allerdings stellte sie sich nur zögerlich dafür zur Verfügung, denn scheinbar sah sich Parteipräsident Darbellay mit zu wenig finanziellen Mitteln ausgestattet. Dass bis zu CHF 5 Mio. für die Befürworterkampagne aufgewendet werden sollten, liess man seitens des Vereins für eine sichere Schweiz VSS, dem CVP-Nationalrat Jakob Büchler (SG) vorsteht, unkommentiert. Auch diese Informationen stammten aus geheimen Berichten aus Schweden. Beim VSS versuchte man derweil, sich von Schweden zu distanzieren. Das Durchsickern dieser Informationen führte indes dazu, dass sich die CVP zurückzog und nicht mehr als Kampagnenleiterin fungieren wollte. Ausschlaggebend waren unter anderem auch verunglimpfende, persönliche Kommentare des Schwedischen Botschafters gegen CVP-Exponenten. Im Engagement der CVP hätte man sich auf Befürworterseite erhofft, dass Gripen-kritische Wähler in der politischen Mitte abgeholt werden könnten. Daraus wurde nun vorerst nichts. Dass zudem die Sektion der CVP-Frauen im Gegensatz zur Mutterpartei die Nein-Parole fasste, schien für die CVP ebenfalls eine Hypothek darzustellen. Wer die Kampagnenleitung übernehmen sollte, war in der Folge offen. Die CVP wollte die Volkspartei vorschicken, da es schliesslich ein Dossier ihres Magistraten sei. Bei der SVP zeigte man sich jedoch bedeckt und Parteipräsident Brunner (SG) stellte eine Einigung „in einigen Wochen“ in Aussicht, rund drei Monate vor dem Abstimmungstermin, notabene.
Während auf politischer Ebene weiter gestritten wurde, führte Saab eine regelrechte Promotionstour durch die Schweiz durch. Mitte Februar wurde an einem Anlass mit Wirtschaftsvertretern über Kompensationsgeschäfte informiert, daneben sollte der Gripen zu verschiedenen Gelegenheiten vorgeführt, beziehungsweise ausgestellt werden, etwa an Ski-Weltcuprennen oder an der Mustermesse in Basel. Dies wurde den Gripengegnern zu viel und Nationalrätin Chantal Galladé (sp, ZH) tat ihren Unmut öffentlich kund. Dass mitunter Geld fliesse, sei in Abstimmungskämpfen normal, jedoch sei die Omnipräsenz des Gripen-Herstellers Saab störend und eine „Einmischung aus dem Ausland in diesem Masse bedenklich.“ Derweil und schneller als erwartet stellte sich Ende Februar tatsächlich die SVP als neue Koordinatorin der Ja-Kampagne vor. Angesichts des nahenden Abstimmungstermins sah sie sich in der Verantwortung. Man habe keine Zeit mehr zu verlieren und wolle diese Abstimmung gewinnen, so SVP-Präsident Brunner.

Etwas Aufwind erhielt der Gripen durch eine Flugzeugentführung im Raum Genf, als der Schweiz vor Augen geführt wurde, weshalb eine intakte Luftabwehr nötig sein kann. Der Co-Pilot einer Maschine der Ethiopian Airline hatte das eigene Flugzeug nach Genf entführt, um in der Schweiz einen Asylantrag zu stellen – was jedoch erst nach dem Vorfall bekannt wurde. Zuvor irrte die vollbesetzte Passagiermaschine, von zwei Eurofighter-Jets der Italienischen Luftwaffe begleitet, über Italien, ehe sie über dem Montblanc-Massiv von der Französischen Luftwaffe weiterbegleitet wurde und schliesslich in Genf zur Landung gezwungen werden konnte. Dass die Schweizerische Luftwaffe nur zu Bürozeiten operativ ist und nicht eingreifen konnte, sorgte im Ausland für Erstaunen und in der Schweiz einerseits zur Forderung nach einem ausgebauten Luftschirm, andererseits aber auch zu Spott und Häme. Später wurde auch die Krim-Krise in der Ukraine als Argument für eine funktionierende Luftwaffe herangezogen.
Am 25. Februar präsentierte das Ja-Komitee seine Argumente für den Abstimmungskampf. „Sicherheit zuerst!“ sollte als Leitmotiv die Stimmbürgerschaft mobilisieren. Sicherheit sei die Garantie für Frieden, Freiheit und Wohlstand, so Jakob Büchler (cvp, SG). Ab März und damit rund zwei Monate vor dem Urnengang sorgte ein allfälliger „Plan B“ für Irritation. Aus verschiedenen Kreisen wurde kolportiert, Bundesrat Maurer arbeite für den Fall eines Volks-Neins an einer alternativen Gripen-Beschaffung: er wolle Gripen-Jets mieten, leasen oder über das ordentliche Armeebudget – und damit ohne Mitsprache der Stimmbevölkerung – beschaffen. Trotz Dementi Maurers selbst, seines Sekretariats und auch der armasuisse, hielt sich das Gerücht über einen allfälligen „Plan B“ hartnäckig in den Medien.
Ebenfalls Mitte März lancierte das Gegnerkomitee seinen Abstimmungskampf und setzte vor allem auf die Kostenfrage. Man wollte die Gripen-Beschaffung nicht zu einer Armee-Grundsatzfrage machen und auch nicht sicherheitspolitische Argumente ins Feld führen, da man sich daraus eher weniger Chancen versprach. Vielmehr erhoffte man sich mit dem Slogan „Kampfjetmilliarden gegen Bildung, Verkehr oder AHV“ einen Erfolg an der Urne. In der Zwischenzeit wurde der Tonfall im Abstimmungskampf gehässiger. SVP-Patron Christoph Blocher hinterfragte die Finanzierung der Gegnerkampagne, indem er den Verdacht äusserte, dass möglicherweise die beim Typenentscheid unterlegenen Rüstungskonzerne (EADS und Dassault) Geld gegen den Gripen einschiessen würden – dies, um bei einer Neu-Evaluation zum Zug kommen zu können. Aus dem bürgerlichen Nein-Komitee wurde jedoch postwendend klargestellt, man habe weder Kontakt mit anderen Rüstungsgesellschaften, noch Geld erhalten, so etwa Beat Flach (glp, AG). Gar als absurd betitelte Chantal Galladé (sp, ZH) die Vorwürfe.
Kurz darauf bemühte sich der Sonntags Blick um einen ersten Trend in der Gripen-Frage und stellte eine Ablehnung von über 60 Prozent fest. Trotz dieser erstmaligen Stimmungsaufnahme zeigte sich der Verteidigungsminister gegenüber der Presse betont gelassen und zuversichtlich. Dennoch legte er einen regelrechten Redemarathon hin und trat von April bis zur Abstimmung im Mai an über 20 Veranstaltungen für den Gripen auf.

Das bürgerliche Nein-Komitee wurde ab Anfang April aktiv. Man stehe für eine starke Armee ein, sei jedoch gegen den Gripen, weil Geld und ein Konzept fehle - Argumente, die bereits in den Parlamentsdebatten von Roland Fischer (glp, LU) vorgebracht worden waren. In diesem Nein-Komitee waren auch die CVP-Frauen vertreten.
Über Alternativen zur Gripen-Beschaffung, also wiederum über einen „Plan B“, wurde weiter berichtet, als sich im April auch der ehemalige Jetpilot und Nationalrat Thomas Hurter (svp, SH), seines Zeichens Präsident der SiK-NR, über solche Pläne äusserte. Es brauche einen „Plan B“ für den Fall, dass der Gripen an der Urne scheitern sollte. Seine Vorstellung war die Beschaffung von zwölf Fliegern alle 15 Jahre. Eine Forderung, die sogar von Parteikollegen kritisiert wurde. Hans Fehr (svp, ZH) gab etwa zu bedenken, dass es ungeschickt sei, bereits vor der Abstimmung laut über Alternativen nachzudenken. Alex Kuprecht (svp, SZ) bezeichnete die Aussage gar als „absoluten Blödsinn“. Hurter rechtfertigte seine Idee mit dem Umstand, dass beim Urnengang nicht für oder gegen neue Flieger, sondern nur für oder gegen die Art der Finanzierung abgestimmt werde. Mit einer Alternativbeschaffung würde der Volkswillen – von der SVP gemeinhin hochgehalten – also nicht umgangen. Ein erneuter Evaluationsprozess für einen neuen Flugzeugtyp würde zudem viel zu lange dauern. Deswegen müsse man sich für den Ersatz der Tiger-Flotte bereits zu diesem Zeitpunkt und auch unter Berücksichtigung eines möglichen Volks-Neins Gedanken machen.
Auch über weitere Alternativen zur Luftraumüberwachung wurde diskutiert, etwa über den Kauf gebrauchter F/A 18 Jets der neueren Generation, die Beschaffung von Kampf-Helikoptern, einen Ausbau der Boden-Luft-Fliegerabwehr (die ohnehin konkretisiert werden sollte) oder über die Aufrüstung der alten Tiger Flotte. Anfang Juni wurde bekannt, dass das VBS beabsichtige, israelische Drohnen beschaffen zu wollen. Immer mehr wurde auch die Frage debattiert, wie die budgetierten Mittel verwendet werden sollen, falls der Gripen an der Urne abgelehnt würde. Für Sicherheitspolitiker war klar, dass dieses Geld der Armee gehöre, weil es über das ordentliche Armeebudget hätte aufgebracht werden müssen. Linke Politiker hingegen sahen eine Chance, neu über die Verteilung der ca. CHF 3 Mia. zu beraten. Ihrer Vorstellung nach sollte das Geld zu Gunsten der Bildung, zur Sicherung der sozialen Sicherheit, des öffentlichen Verkehrs, oder auch zu Gunsten der Entwicklungshilfe, die richtig eingesetzt friedensfördernd wirke, eingesetzt werden. Dieser Punkt blieb freilich vorerst offen.
Als sehr unsicher musste der Erfolg der Gripen-Beschaffung ab Mitte April betrachtet werden: Nachdem die oben genannte Sonntags Blick-Umfrage noch nicht zu Unruhe bewogen hatte, tat dies die erste SRG-Trendumfrage des gfs.bern. Nur 42 Prozent der Befragten sprachen sich darin für den Gripenkauf aus, ein Ergebnis, das sich fast mit der ersten Umfrage deckte. Freilich gaben die Demografen zu bedenken, dass die Unterschiede zwischen den Ja- und Nein-Anteilen zu gering seien, um sich bereits festlegen zu können. Noch am selben Tag liess sich Bundesrat Maurer zitieren, er glaube, dass sich die Stimmbevölkerung der sicherheitspolitischen Tragweite der Gripen-Vorlage bewusst sei. Weiterhin gab sich der Verteidigungsminister kämpferisch. Sein Engagement für den Gripen gipfelte jedoch zwischenzeitlich in einem Fiasko, als Maurer in der Sendung „Rundschau“ des SRF zu einem Rundumschlag ausholte und kurz sogar die Contenance verlor. Er enervierte sich derart über die Berichterstattung zum Gripen-Kauf, dass er sich mit dem Moderator einen verbalen Schlagabtausch lieferte. Die als einseitig kritisierte Sendung löste eine Rekordzahl an Beschwerden bei der Ombudsstelle der SRG aus, die allerdings Ende Mai sämtlich abgewiesen wurden, da das Sachgerechtigkeitsgebot nicht verletzt worden sei und das Publikum durchaus in der Lage gewesen sei, sich eine eigene Meinung zum fraglichen Rundschau-Beitrag zu bilden. Dennoch wurde auch die Sendung selbst kritisiert. So habe der ausgestrahlte Bericht „die hohen Anforderungen an die Ausgewogenheit, welche im Vorfeld einer Volksabstimmung verlangt werden, nicht erfüllt.“ Zudem wurde festgehalten, dass einige der gestellten Fragen „manchmal unnötig provokativ waren“.
Später und mit zunehmender Nähe zum Abstimmungstermin setzte der Verteidigungsminister im Lichte des ungewissen Abstimmungsausgangs auf warnende Worte und beschwor die Angst vor einem ungeschützten Luftraum, ja er bediente sich gar erpresserischer Formulierungen. „Wenn man jetzt nicht Flieger bestellt, steht man zehn Jahre später ohne Luftwaffe da“, mahnte Maurer. Dass die „F/A 18 im Krisenfall nicht genügen“, doppelte auch Divisionär Bernhard Müller, stellvertretender Kommandant der Luftwaffe, nach. Doch die Stimmbevölkerung zeigte sich in der zweiten Welle der SRG Trendumfrage unbeeindruckt. Knapp zehn Tage vor der Abstimmung schien der Gripen noch immer nicht abzuheben: mit 44 Prozent Zustimmung war nach wie vor nur eine Minderheit der Befragten für die Kampfjetbeschaffung. Zudem zeichnete sich ab, dass tatsächlich die Kostenfrage entscheidendes Argument werden dürfte. Trotz der gemäss gfs.bern bereits weit fortgeschrittenen Meinungsbildung machten sich beide Lager zu einer Schlussoffensive auf. Die vier Parteipräsidenten Martin Landolt (bdp, GL), Christophe Darbellay (cvp, VS), Philipp Müller (fdp, AG) und Toni Brunner (svp, SG) – diese Parteien hatten die Ja-Parole ausgegeben – versammelten sich in der Folge in Bern zu einer Medienorientierung, um nochmals ihre besten Argumente vorzutragen. Der hochkarätig besetzte Anlass wurde kurzfristig anberaumt und zeigte die Nervosität der Parteispitzen offensichtlich. Vor dem Bundeshaus gingen sie gemeinsam symbolisch auf einer Hebebühne „in die Luft“. Ein unglücklicher Entscheid, wie sich später herausstellen sollte. Ihre von den Stadtberner Behörden nicht bewilligte Aktion führte nämlich zu einer Anzeige.

Einziger Lichtblick für die Befürworter war die Erfahrung, dass das Stimmvolk kaum je eine Armeevorlage versenkt hatte. Doch auch dieser wurde am Abstimmungstag zerschlagen. 53,4 Prozent der Stimmenden (Stimmbeteiligung: 55,5 Prozent) lehnten das Gripen-Fondsgesetz an der Urne ab, ein Erfolg für die linken Parteien, die zusammen mit der GLP die Nein-Parole beschlossen hatten und eine herbe Niederlage für Verteidigungsminister Maurer, der sich über Jahre für neue Kampfjets eingesetzt hatte. Er hielt fest, dass es ein Votum gegen den Gripen sei, nicht gegen die Armee und wiederholte, dass nun kein „Plan B“ aus der Schublade gezogen werde. Zunächst sei das Resultat zu analysieren, erst dann wollte der Verteidigungsminister über neue Varianten sprechen. Er gab jedoch auch zu bedenken, dass die Diskussion über neue Kampfflieger bald wieder beginnen müsse, zumal auch die F/A 18 Flieger irgendwann ersetzt werden müssten. Die Linken sahen sich dagegen in ihren Bemühungen gegen das teure Rüstungsgeschäft bestätigt und auch aus dem bürgerlichen Gegnerlager hörte man erleichterte Stimmen. Das Resultat zeige, dass auch viele liberale und bürgerliche Wählerinnen und Wähler den Gripen-Kauf ablehnten, so Roland Fischer (glp, LU). In seinen Augen hätten sich die zwei Gegnerkomitees gelohnt. Aus der SVP wurde hingegen konsterniert verkündet, dass man „jetzt erst recht in die Landesverteidigung investieren müsse“.
Im Nachgang an die Volksabstimmung beherrschten die Fragen um die Zukunft der Armee und der Luftwaffe den politischen Diskurs, jedoch auch und wiederholt die Frage, was mit den frei gewordenen „Gripen Milliarden“ nun geschehen soll. Ernüchtert musste auch der Wirtschaftsstandort Schweiz den Volksentscheid hinnehmen. Rund 500 Verträge mit 125 Unternehmen und einem Volumen von rund CHF 400 Mio. hatte Saab im Vorfeld der Abstimmung mit Schweizer Unternehmen unterzeichnet – Anlagen, die nun ungewiss waren. Der Rüstungskonzern Ruag befürchtete, rund 200 Stellen streichen zu müssen, unter anderem von Mitarbeitern, die bereits seit langem auch an Gripen-Konfigurationen arbeiteten.


Abstimmung vom 18. Mai 2014

Beteiligung: 56,33%
Ja: 1 345 726 (46,6%)
Nein: 1 542 761 (53,4%)

Parolen:
– Ja: SVP, CVP(3*), FDP, BDP, GLP; Economiesuisse, SGV, SOG, AUNS, Swissmem.
– Nein: SP, GPS, GLP (1*); SGB, VPOD, GSoA.
* In Klammer Anzahl abweichender Kantonalsektionen

Das Gripen-Nein veranlasste Bundesrat Maurer schliesslich auch dazu, die Weiterentwicklung der Armee (WEA) zu vertagen und die Botschaft erst im Herbst zu verabschieden. Das Reformprojekt wurde dadurch um mindestens drei Monate verzögert. Mit der dadurch gewonnenen Zeit sollen, unter anderem, finanzielle Fragen neu abgesteckt werden, die durch die abgelehnte Jet-Beschaffung aufkamen. Entscheidend war dabei, ob das Armeebudget revidiert werden musste – ein zentrales Element der WEA.
Die allfällige Geld-Neuverteilung selbst wurde vom Verteidigungsminister ausgeschlagen; er wollte die für den Jet-Kauf eingeplanten Mittel für andere Rüstungsgeschäfte einsetzen und mit CHF 790 Mio. weniger als die Hälfte der Bundeskasse zurückgeben. Dies führte zu Unstimmigkeiten innerhalb der Landesregierung, da Finanzministerin Widmer-Schlumpf in einem Mitbericht bereits Widerstand gegen dieses Ansinnen angekündigt hatte. Seitens der SP wurde eine ganz neue Ausrichtung der Armee gefordert und die Gripen-Ablehnung als Chance dafür betrachtet. Die Rückgabe der CHF 790 Mio. wurde indes von bürgerlichen Politikern nicht goutiert. Ihrer Meinung nach „gehörte“ das Geld der Armee, gleich wie es eingesetzt werden sollte. Es gebe „unzählige Möglichkeiten, dieses Geld zu verwenden“, so Jakob Büchler (cvp, SG), der das Thema in der SiK-NR nochmals durchdiskutiert wissen wollte. Im selben Zeitraum gab der Rüstungschef Ulrich Appenzeller seinen Rücktritt bekannt, womit Ueli Maurer noch ein personelles Problem zu lösen hatte. Appenzeller gab seinen Posten wegen „unterschiedlicher Auffassungen über die Ausrichtung der Armasuisse und die Rolle des Rüstungschefs“ auf.

In der Analyse der Abstimmung (Vox) wurden die ausschlaggebenden Argumente für die Ablehnung des Gripen ermittelt. Vor allem die Gruppe der jüngeren Stimmenden und Frauen sowie zahlreiche Mitte-Wählende und FDP-Anhänger waren gegen den Flugzeug-Kauf. Ein Drittel der Befragten kritisierte die hohen Kosten dieses Rüstungsgeschäfts und rund zehn Prozent gaben an, der Gripen sei nicht das richtige Flugzeug für die Schweiz. Nochmals zehn Prozent sprachen sich dafür aus, dass erst die Rolle der Ausgestaltung der Armee geklärt werden müsse, bevor ein solches Rüstungsvorhaben umgesetzt werden könne. Ebenfalls knapp zehn Prozent lehnten den Gripen wegen einer grundsätzlich ablehnenden Haltung zur Armee ab. Im unterlegenen Ja-Lager wurden überwiegend sicherheitspolitische Argumente für den Stimmentscheid vorgebracht. Die Politologen der Universität Zürich hielten zudem fest, dass im Vergleich zu anderen Abstimmungen auffällig häufig die Kampagne und die Informationspolitik der Gripen-Befürworter als Grund für ein Nein genannt wurden. So seien auch das langwierige Auswahlverfahren, wie auch die zahlreichen Ungereimtheiten und Indiskretionen über die gesamte Dauer aller Verfahren hinweg ausschlaggebend für das Nein gewesen.

Beschaffung des Kampfflugzeuges Gripen (BRG 12.085)
Dossier: Armee-Rüstungsprogramme
Dossier: Gripen-Beschaffung
Dossier: Beschaffung neuer Kampfflugzeuge
Dossier: Teilersatz der Tiger F-5 Kampfflugzeuge und Beschaffung des Gripen

2013 hatte der Nationalrat eine Motion Büchler (cvp, SG) angenommen, welche für teilinvalide Landwirte IV-Renten in einer ausreichenden Höhe forderte, um den Landwirtschaftsbetrieb weiterführen zu können. In der Frühlingssession 2014 lehnte der Ständerat das Anliegen jedoch ohne Debatte ab.

teilinvalide Landwirte

Die Revision des Epidemiengesetzes blieb 2013 auch nach der im Vorjahr abgeschlossenen parlamentarischen Beratung aktuell. Die nach mehrmaligem Hin und Her zwischen den beiden Kammern beschlossene Fassung des Gesetzes sah unter anderem ein Impfobligatorium vor, welches unter gewissen Umständen Impfungen für bestimmte Personengruppen vorsah. Diese Bestimmung sorgte für Unmut. Kurz nach der Verabschiedung der Gesetzesvorlage durch das Parlament gaben mehrere Seiten das Ergreifen des Referendums bekannt. Am 17. Januar reichten die Gegner der Vorlage rund 80 000 Unterschriften ein und übertrafen damit das erforderliche Quorum bei Weitem. Mehrere Gruppierungen (Junge SVP, Bürger für Bürger, EDU, Komitee wahre Demokratie, Human Life International, Jugend und Familie, das Netzwerk Impfentscheid) hatten sich an der Unterschriftensammlung beteiligt, jedoch ohne überparteilichen Zusammenschluss. Auch links-grüne Politiker standen dem Gesetz kritisch gegenüber, wollten aber nicht mit rechts-bürgerlichen oder christlich-konservativen Kreisen kooperieren. Eine Art Federführung übernahm das „Netzwerk Impfentscheid“ um den Naturheilpraktiker Daniel Trappitsch, welcher bereits erfolgreich gegen das Tierseuchengesetz gekämpft hatte. Als namhafte Unterstützer waren die Nationalräte Büchler (cvp, SG), Estermann (svp, LU), Freysinger (svp, VS), Kessler (glp, SG) und Schwander (svp, SZ) im Komitee dabei. Die verschiedenen Gruppierungen, welche sich gegen das Gesetz formiert hatten, führten je eigene Gründe gegen die Vorlage an. Einige, in erster Linie christliche Kreise, warnten vor einer «Frühsexualisierung»: Sie verdächtigten den Bund, mit der Gesetzesänderung die Aids-Prävention und obligatorische Sexualerziehung bereits im Kindergarten forcieren zu wollen. Andere, wie zum Beispiel der damalige Vizepräsident der Jungen SVP Schweiz, Anian Liebrand, befürchteten eine Machtkonzentration beim Bund. Tatsächlich würde dieser mit dem neuen Gesetz mehr Kompetenzen für die Bekämpfung übertragbarer Krankheiten erhalten. Hauptargument gegen das revidierte Gesetz war aber der «Impfzwang», wie ihn die Gegner nannten. Sie lehnen Eingriffe in das körpereigene Immunsystem grundsätzlich ab und befürchteten, dem Staat würde mit dem Gesetz ermöglicht, Menschen gegen deren Willen zur Impfung zwingen zu können. Der Gesetzesentwurf sah tatsächlich vor, dass der Bund in besonderen Situationen Impfungen für gefährdete oder exponierte Personen wie z.B. Pflegepersonal anordnen kann. Die Streichung dieser Bestimmung war jedoch bereits in der Nationalratsdebatte 2012 debattiert und schlussendlich mit der Begründung abgelehnt worden, es handle sich hierbei eher um eine Pflicht als einen Zwang. Die öffentliche Gesundheit sei höher einzustufen als die persönliche Freiheit, zwangsgeimpft würde jedoch niemand. Dennoch vermochte dieses Argument bei der Volksabstimmung am meisten zu mobilisieren (siehe unten), auch wenn es sich hierbei nur um einen marginalen Aspekt der gesamten Epidemiengesetz-Revision handelte. Nach der nach aussen hin unscheinbaren Diskussion im Parlament und der deutlichen Verabschiedung mit 149 zu 14 Stimmen im Nationalrat und mit 40 zu 2 im Ständerat sollten die Stimmbürgerinnen und Stimmbürger durch das erfolgreich ergriffene Referendum also trotzdem über das Gesetz befinden.

Noch im September 2013 konnte sich das Volk zum revidierten Epidemiengesetz äussern. Obschon mehrere Gruppierungen gegen das Gesetz mobilisiert hatten und so die Abstimmungsempfehlung von Regierung und Parlament bekämpfen wollten, verlief der Abstimmungskampf eher ruhig. Dies war unter anderem der gleichzeitig stattfindenden und als wichtiger empfundenen Wehrpflichts-Abstimmung zuzuschreiben und liess sich auch anhand einer Analyse von Inseraten in Schweizer Zeitungen erkennen: In den letzten acht Wochen vor Abstimmung fanden sich in über 50 Tages- und Wochenzeitungen lediglich 36 Abstimmungsinserate zum Referendum, wobei zwei Drittel für eine Annahme des Gesetzes warben. Die grössten Schlagabtausche ergaben sich rund um die Frage nach dem Impfobligatorium: Gegner stilisierten dieses zu einem Impfzwang hoch und wurden dabei von den Pressetiteln unterstützt, indem diese die Revision des Epidemiengesetzes bisweilen auf ein „Impfgesetz“ reduzierten. Die Befürworter und der Gesundheitsminister Berset gaben sich Mühe, diese Massnahme zu relativieren und aufzuzeigen, dass niemand gegen seinen Willen geimpft werden könne. Die Argumentationslinien blieben jedoch grundsätzlich starr und so wurde auch die Meinungsbildung vom sogenannten Impfzwang geprägt. Die in zwei Wellen durchgeführten Meinungsumfragen im Vorfeld der Abstimmung deuteten jedoch früh auf eine mögliche Annahme der Revision. Mitte August gaben 49% der Befragten an, eher oder bestimmt dafür zu sein, 39% waren eher oder bestimmt dagegen und 12% waren noch unentschlossen. Auffallend war, dass der grössere Anteil der Befragten ihre Stimmabsicht nur tendenziell formulierte, also „eher“ dafür oder dagegen zu sein schien. Diese Werte änderten sich nicht bis zur zweiten Erhebung rund drei Wochen vor der Abstimmung, so dass zwar nach wie vor eine Ja-Tendenz zu beobachten war, den Gegnern jedoch auch noch gut zwei Wochen für eine Schlussmobilisierung Zeit blieb. Mit fast 60% Ja-Stimmen wurde das Gesetz an der Volksabstimmung bei einer Stimmbeteiligung von 46,8% deutlich angenommen. Einzig in den Innerschweizer Kantonen Schwyz und Uri sowie in den beiden Appenzell sprach sich eine Mehrheit gegen die Vorlage aus.


Abstimmung vom 22. September 2013

Beteiligung: 46,8%
Ja: 1 395 607 (59,0%)
Nein: 968 078 (41,0%)

Parolen:
– Ja: FDP, CVP, SPS, EVP, CSP, GLP, BDP, GPS, Jungfreisinnige, Juso, Junge Grüne; FMH, Hausärzte Schweiz.
– Nein: SVP, JSVP, EDU; Schweizerischer Verein für Homöopathie.

Dass die Mehrzahl der Stimmenden ihr Votum erst sehr spät fällte und die Entschlussfassung schwer fiel, ist auch der VOX-Analyse im Nachgang der Abstimmung zu entnehmen. Eine starke Polarisierung war indes nicht auszumachen; einzig die SVP-Sympathisanten lehnten die Vorlage mit rund 55% Nein-Stimmen der Parteiparole entsprechend ab. Anhänger der FDP, der CVP und der SP hiessen das Gesetz mit Anteilen zwischen 61 und 74% Ja-Stimmen gut, wiederum in Einklang mit den Parteiempfehlungen. Besonders wichtig war in dieser Abstimmung das Regierungsvertrauen: Wer ein hohes Vertrauen in den Bundesrat hatte, folgte in den meisten Fällen der Abstimmungsempfehlung der Regierung (69% Zustimmung). Der Gegenstand der Abstimmung war jedoch nicht allen Stimmenden geläufig, glaubte doch die Mehrheit der Befragten, dass es um die Einführung des Impfzwangs gehe. Allerdings legten auch jene, die das glaubten, nicht zwangsläufig ein Nein in die Urne. Gesetzesbefürworterinnen und -befürworter nannten als häufigstes Argument den nötigen Schutz der Bevölkerung im Falle von Epidemien (21%). Dass die Durchsetzung von Impfobligatorien durch den Bund in bestimmten Fällen gerechtfertigt sei (20%) und es einer Neuregelung der Kompetenzordnung im Kampf gegen Epidemien bedürfe (18%) waren weitere wichtige Argumente für Personen, die an der Urne ein Ja einlegten. Immerhin 16% der Befürworter gaben die Abstimmungsempfehlung des Bundesrates als Hilfe für die eigene Entscheidung an. Unter den Gesetzesgegnern war die Angst um einen vermeintlichen Impfzwang das dominierende Argument in der Meinungsbildung (von 60% angegeben). Das Gesetz soll nach der Annahme per Anfang 2016 in Kraft gesetzt werden.

Totalrevision Epidemiengesetz (BRG 10.107)

Der Nationalrat nahm gegen den Antrag des Bundesrates eine Motion Büchler (cvp, SG) an, die für teilinvalide Landwirte IV-Renten in einer Höhe fordert, die eine Weiterführung des Betriebs bis zur Übernahme durch die nächste Generation ermöglicht. Der Bundesrat hatte argumentiert, die IV biete eine Kompensation für den Erwerbsfähigkeitsverlust durch Invalidität, jedoch keine Garantie dafür, auf dem angestammten Beruf zu bleiben. Eine Andersbehandlung der Landwirte laufe dem Prinzip der Volksversicherung zuwider. Die Vorlage wurde vom Ständerat 2013 noch nicht behandelt.

teilinvalide Landwirte

Als Zweitrat überwies auch die grosse Kammer eine Motion (08.3100) Burkhalter (fdp, NE), welche vom Bundesrat einen Bericht über die effizientesten Möglichkeiten zur Bekämpfung der Internetkriminalität und darauf aufbauend eine nationale Strategie dazu fordert. Im Einvernehmen mit dem Bundesrat überwies der Nationalrat auch eine Motion Büchler (cvp, SG) für eine Aufstockung des in der Bundesverwaltung mit der Bekämpfung von Computerkriminalität befassten Personals.

Bekämpfung der Internetkriminalität

En mars, une initiative parlementaire Jakob Büchler (pdc, SG) qui avait été adoptée à l'unanimité au Conseil national au mois de décembre 2008 a été approuvée par le Conseil des Etats. Elle propose la prolongation du délai d'assainissement des buttes pare-balles dans les stands de tirs jusqu'à 2012, voire 2020 hors des zones de protection des eaux. Le Conseil des Etats a ainsi suivi le Conseil national malgré une proposition de la majorité de la commission de l’environnement, de l’aménagement du territoire et de l’énergie (CEATE-CN) de ramener le délai de 2020 à 2016 hors des zones de protection des eaux.

Assainissement des buttes de tir. Prolongation du délai jusqu'en 2012