Suche zurücksetzen

Inhalte

Akteure

  • Sauter, Regine (fdp/plr, ZH) NR/CN
  • Ryser, Franziska (gp/verts, SG) NR/CN

Prozesse

61 Resultate
Als PDF speichern Weitere Informationen zur Suche finden Sie hier

In der SGK-NR fand die Botschaft des Bundesrates bezüglich der Änderung des KVG hinsichtlich des Datenaustauschs und Risikoausgleichs Anklang und die Kommission beantragte im November 2023 einstimmig mit 17 zu 0 Stimmen (4 Enthaltungen) den entsprechenden Entwurf anzunehmen.
Für die Kommission präsentierten Regine Sauter (fdp, ZH) und Léonore Porchet (gp, VD) das Geschäft in der Wintersession 2023 im Nationalrat. Eintreten war unbestritten, es gab aber eine Reihe von Minderheitsanträgen: Eine Minderheit Bircher (svp, AG) forderte, dass in der Schweiz lebende Personen ohne AHV-Nummer oder Aufenthaltsrecht von der OKP ausgeschlossen werden. Der Minderheitsantrag schaffte es nicht, ausserhalb der SVP-Fraktion Fuss zu fassen und wurde abgelehnt. Ein Minderheitsantrag Aeschi (svp, ZG), der ähnlich wie Bircher Missstände bei der Krankenversicherung von Sans-Papiers ausmachte, blieb ebenfalls chancenlos. Manuela Weichelt (gp, ZG) wiederum verlangte in ihrem Minderheitsantrag die Streichung der Möglichkeit, sich rückwirkend versichern zu lassen, da dies falsche Anreize setze. Ausser der Grünen- und der SP-Fraktion stimmte ihrem Minderheitsantrag niemand zu und er wurde ebenfalls abgelehnt. Die Minderheit de Courten (svp, BL) hingegen, die forderte, dass das BFS bei den aggregierten Kosten der Versicherten die Nationalität erhebt, fand in der grossen Kammer eine knappe Mehrheit.
Der Nationalrat nahm die Revision des Bundesgesetzes mit 132 zu 0 Stimmen (62 Enthaltungen) einstimmig in der Gesamtabstimmung an, wobei alle Enthaltungen von den geschlossen stimmenden Fraktionen der SP und den Grünen stammten.

Änderung des KVG hinsichtlich Datenaustausch und Risikoausgleich (BRG 23.048)

In der Sommersession 2023 behandelte der Nationalrat als Zweitrat die Renteninitiative der Jungfreisinnigen. In der Eintretensdebatte standen sich zwei grundsätzliche Positionen gegenüber: Einerseits vertraten die Sprechenden der SVP-, SP-, Mitte- und Grünen-Fraktionen die Meinung, dass die Renteninitiative abzulehnen sei – obwohl Mitglieder der SVP-Fraktion durchaus auch Sympathien für die Initiative äusserten. Für die SVP verwies Thomas Aeschi (svp, ZG) auf die Abstimmungen zur BVG 21-Reform sowie zur 13. AHV-Rente, die beide im nächsten Jahr anstünden, sowie auf den Auftrag des Parlaments an den Bundesrat zur Ausarbeitung einer weiteren AHV-Reform für die Jahre 2030 bis 2040. Die Schaffung eines Erhöhungsautomatismus für das Rentenalter im Rahmen der Renteninitiative würde daher «das Fuder definitiv überladen». Christian Lohr (mitte, TG) betonte für die Mitte-Fraktion, dass man im Rahmen der AHV 21-Reform versprochen habe, auf baldige weitere Rentenaltererhöhungen zu verzichten, und sich seine Fraktion daran halten wolle. Grundsätzliche Ablehnung gegen eine weitere Rentenaltererhöhung taten Flavia Wasserfallen (sp, BE) und Katharina Prelicz-Huber (gp, ZH) für die SP- und die Grünen-Fraktion kund. Allfällige AHV-Finanzierungsprobleme sollten über eine «Stärkung der solidarischen Finanzierung» (Wasserfallen) gelöst werden, zumal eine Rentenaltererhöhung insbesondere Personen mit tieferen Einkommen belaste, da diese nicht über die finanziellen Mittel für eine frühzeitige Pensionierung verfügten.
Gewisses Verständnis für das Anliegen der Initiative zeigte andererseits Melanie Mettler (glp, BE) für die GLP-Fraktion. In der Tat funktioniere «der Generationenvertrag aktuell temporär nicht», weil zu wenige Arbeitstätige die Renten der Babyboomer finanzieren müssten. Das Problem könne aber nicht durch eine Rentenaltererhöhung gelöst werden. Vielmehr schlug Mettler vor, die Kommission durch Rückweisung des Entwurfs mit der Schaffung einer «Schuldenbremse für die AHV» in Form eines indirekten Gegenvorschlags zu betrauen. Dabei sollte das Parlament im Falle negativer Finanzperspektiven der AHV zum Beispiel fünf Jahre Zeit erhalten, um die AHV-Finanzierung anzupassen. Gelänge diese Neufinanzierung nicht, sollte das Rentenalter stufenweise erhöht werden, bis die Finanzperspektiven wieder im Lot wären oder eine andere Lösung vorläge.
Zur Annahme empfohlen wurde die Initiative nur von der FDP-Fraktion. Regine Sauter (fdp, ZH) erläuterte, dass die AHV-Finanzierung insbesondere für junge Leute ein Problem darstelle, man wolle daher mit der Initiative «allgemeingültige Regeln» vorsehen, damit es zukünftig nicht mehr zu «kurzfristigen Notfallübungen und politischem Hickhack» komme. Aufgrund der mangelnden Unterstützung für die Initiative schlug Sauter jedoch in einem Minderheitsantrag einen direkten Gegenentwurf zur Initiative vor, der die von Mettler vorgeschlagene Schuldenbremse ausdrücklich regelte.

Nach dem obligatorischen Eintreten stimmte der Nationalrat über den Rückweisungsantrag Mettler ab. Anfänglich mit 89 zu 89 Stimmen (bei 1 Enthaltung) und Stichentscheid von Ratspräsident Candinas (mitte, GR) abgelehnt, nahm die grosse Kammer den Rückweisungsantrag nach einem Antrag Silberschmidt (fdp, ZH) auf Wiederholung der Abstimmung nach der Rückkehr verschiedener Parlamentsmitglieder auf ihre Plätze mit 93 zu 92 Stimmen (bei 1 Enthaltung) knapp an. Für Rückweisung sprachen sich die geschlossen stimmenden Fraktionen der GLP und der FDP, eine Mehrheit der SVP-Fraktion und einzelne Mitglieder der Mitte-Fraktion aus. Die Abstimmung über den Minderheitsantrag Sauter wurde durch den Entscheid auf Rückweisung (vorläufig) obsolet.

Nur eine Woche später bat die SGK-NR die grosse Kammer jedoch bereits um Wiederaufnahme der Initiative in das laufende Sessionsprogramm. Da die Vorstellungen der Befürwortenden eines indirekten Gegenvorschlags zu weit auseinanderlägen und der Zeitplan für dessen Ausarbeitung, Vernehmlassung und Beratung zu eng wäre, solle stattdessen die Beratung der Initiative wieder aufgenommen werden, empfahl Thomas Aeschi für die Kommission. Mit 146 zu 30 Stimmen (bei 11 Enthaltungen) stimmte der Nationalrat dem Ordnungsantrag gegen den Willen der FDP-Fraktion zu.

Tags darauf setzte sich der Nationalrat somit erneut mit der Initiative auseinander, wobei ihm erneut ein Antrag auf Rückweisung an die Kommission vorlag, dieses Mal von Regine Sauter. Demnach sollte die Kommission nach Rückweisung einen neuen indirekten Gegenvorschlag ausarbeiten, in dem die Rentenaltererhöhung nicht vom Referenzalter, sondern entsprechend einer Motion Humbel (mitte, AG; Mo. 22.4430) von der Lebensarbeitszeit abhängen würde. Der Antrag scheiterte jedoch mit 140 zu 42 Stimmen (bei 7 Enthaltungen), wobei die befürwortenden Stimmen von der FDP- und einem Teil der SVP-Fraktion stammten. Bevor der Rat nun aber über die Abstimmungsempfehlung zur Initiative selbst entschied, hatte er noch über den ursprünglichen Minderheitsantrag Sauter zur Schaffung eines direkten Gegenentwurfs zu befinden. Die Ratsmehrheit entschied sich dabei mit 125 zu 61 Stimmen (bei 3 Enthaltungen), auf einen direkten Gegenentwurf zu verzichten. Der Antrag hatte bei den Mitgliedern der FDP-, GLP- und einer Minderheit der SVP-Fraktion Stimmen geholt.

Zum Abschluss stand schliesslich der Ratsentscheid über die Abstimmungsempfehlung zur Initiative an: Mit 133 zu 40 Stimmen (bei 16 Enthaltungen) folgte der Nationalrat seiner Kommissionsmehrheit und empfahl der Stimmbürgerschaft und den Kantonen die Initiative entgegen einem Antrag Nantermod (fdp, VS) zur Ablehnung. Für eine Empfehlung auf Annahme der Initiative sprachen sich dabei die geschlossen stimmende FDP-Fraktion, eine Minderheit der SVP-Fraktion sowie ein Mitglied der Mitte-Fraktion aus. Enthaltungen fanden sich auch in der GLP-Fraktion. Mit 143 zu 40 Stimmen (bei 11 Enthaltungen) respektive mit 32 zu 11 Stimmen (bei 1 Enthaltung) bestätigten beide Räte ihre vorgängigen Entscheide in den Schlussabstimmungen.

Eidgenössische Volksinitiative «für eine sichere und nachhaltige Altersvorsorge (Renteninitiative)» (BRG 22.054)
Dossier: Volksinitiativen zur Altersvorsorge (seit 2015)
Dossier: Erhöhung des Rentenalters

Im Juni 2023 publizierte der Bundesrat den Bericht «Auswirkungen von CO2-Grenzausgleichsmechanismen auf die Schweiz» in Erfüllung eines Postulats der APK-NR zu den Anreizen für einen nachhaltigen internationalen Handel.
Der Bundesrat erklärte in diesem Bericht, dass die EU ihr EHS weiterentwickle und die Einführung eines CO2-Grenzausgleichsmechanismus plane (so genannter Carbon Border Adjustment Mechanism CBAM), um der Produktionsverlagerung in Drittstaaten mit weniger strengen Umweltvorgaben entgegenzuwirken. Der CBAM werde ab Oktober 2023 getestet, ab 2026 würden sodann schrittweise Abgaben auf Importe in die EU in den Bereichen Eisen und Stahl, Aluminium, Zement, Dünger, Wasserstoff sowie Elektrizität erhoben.
Im Bericht prüfte der Bundesrat die (aussen-)wirtschaftlichen und ökologischen Auswirkungen eines CO2-Grenzausgleichsmechanismus für die Schweiz: Ein Schweizer CBAM würde lediglich den wenigen CO2-intensiven Industrieanlagen in der Schweiz zu Gute kommen, der Rest der Unternehmen würde benachteiligt, da erstere einen Grenzschutz vor emissionsintensiven Importen aus Drittstaaten geniessen würden, letztere hingegen stünden aufgrund von CO2-intensiven Vorleistungen aus Drittstaaten vor höheren Produktionskosten. Ausserdem sprächen auch Vorbehalte von Drittstaaten, die im Rahmen der WTO geäussert wurden, gegen die Einführung eines CBAM, führte der Bundesrat im Bericht aus. 2026 werde die Regierung evaluieren, wie das bis dann aufgebaute CBAM der EU funktioniere. In diesem Rahmen könne dann ein allfälliger Handlungsbedarf für die Schweiz überprüft werden. Der Bundesrat wolle jedoch das Schweizer EHS «im Gleichschritt mit der EU anpassen». Damit soll die Verknüpfung der beiden EHS weiterhin gewährleistet sein und die Voraussetzung dafür geschaffen werden, dass Schweizer Exporte in die EU vom CBAM der EU ausgenommen werden.
Mit diesem vorläufigen Nein zu einem Schweizer CBAM widersetzte sich der Bundesrat auch den Bestrebungen des Parlaments, das einer entsprechenden parlamentarischen Initiative Ryser (gp, SG) Folge gegeben hatte.

Steuerliche Anreize für einen nachhaltigen internationalen Handel (Po. 20.3933)

In der Sommersession 2023 beugte sich der Nationalrat abermals über eine allfällige Abschaffung des Eigenmietwerts. Da die Eintretensdebatte bereits in der Herbstsession 2022 geführt und das Geschäft anschliessend wieder an die WAK-NR zurückgeschickt worden war, widmeten sich die Ratsmitglieder in der aktuellen Session der Detailberatung der Vorlage. Ein Rückweisungsantrag Ritter (mitte, SG) hatte damals unter anderem bemängelt, dass trotz eines völligen Systemwechsels weiterhin Abzüge erhoben werden könnten, was fiskalisch nicht tragbar sei. Er hatte deshalb erfolgreich gefordert, dass die finanzpolitischen Auswirkungen noch einmal evaluiert werden sollten. Mithilfe einer Subkommission kam die WAK-NR dieser Forderung nach und überarbeitete ihren Entwurf. Die Kommissionsmehrheit hatte dabei entschieden, auf die meisten Abzüge zu verzichten. Lediglich im Bereich der Denkmalpflege sollten Abzüge weiterhin geltend gemacht werden können.

In der Detailberatung beschäftigte sich die grosse Kammer in einem ersten Block mit dem Systemwechsel und den Abzügen. Wie bereits in der Herbstsession 2022 – aber im Gegensatz zum Ständerat – sprach sich die WAK-NR abermals für einen kompletten Systemwechsel aus, der auch die Abschaffung des Eigenmietwerts bei Zweitwohnungen beinhaltete. Eine erfolglose Minderheit Schneeberger (fdp, BL) wollte dagegen die Fassung des Ständerats unterstützen und eine differenzierte Gesetzgebung zwischen Erst- und Zweitwohnungen anstreben. Diese Minderheit fand im Nationalrat indes über die FDP-Fraktion hinaus nur vereinzelte Unterstützung. In Übereinstimmung mit dem Ständerat sollte der Ersterwerberabzug nach Ansicht der Kommissionsmehrheit weiterhin Anwendung finden. Diesen Abzug beim erstmaligen Erwerb von Wohneigentum beabsichtigte eine Minderheit Badran (sp, ZH) hingegen aus der Vorlage zu streichen, da auch Personen, die diesen nicht nötig hätten, vom Abzug profitieren könnten. Der Minderheitenantrag scheiterte im Nationalrat jedoch aufgrund beinahe geschlossener Opposition aus den Fraktionen der Mitte, der FDP und der SVP. Einen steuerlichen Abzug von rund 30 Prozent einer potenziellen Monatsmiete bei einer selbstbewohnten Wohnung forderte ferner eine Minderheit Hess (svp, BE), wohingegen die Kommissionsmehrheit einen zusätzlichen Mietzinsabzug nicht als nötig erachtete. Die Kommissionsmehrheit setzte sich im Rat auch gegen diesen Minderheitsantrag durch, der über die SVP-Fraktion hinaus nur vereinzelte Unterstützung aus den bürgerlichen Reihen genoss. Bei Abzügen für Energie- und Umweltmassnahmen würden zu viele Steuereinnahmen verloren gehen, bemerkte Kommissionssprecher Regazzi (mitte, TI), weshalb die WAK-NR fortan lediglich Abzüge für Aufwendungen der Denkmalpflege akzeptieren wolle. Eine weitere Minderheit Schneeberger wollte bei Abzügen für Energie- und Umweltmassnahmen bleiben, erhielt im Rat jedoch fast ausschliesslich Unterstützung aus den Fraktionen der SVP und der FDP, womit auch diese Minderheit gegenüber der Kommissionsmehrheit unterlag.
In einem zweiten Block beschäftigte sich der Nationalrat mit dem Schuldzinsenabzug. Hier gab es starke Differenzen zum Beschluss des Ständerats. Insbesondere die Frage, wie hoch der Anteil an Schuldzinsabzügen gemessen am Vermögensertrag ausfallen solle, bewegte den Rat. Die Mehrheit der WAK-NR empfahl einen Schuldzinsabzug von 40 Prozent des beweglichen und unbeweglichen Vermögensertrags. Den Schuldzinsabzug von 40 Prozent lediglich auf unbewegliche Vermögenserträge anwenden wollte eine Minderheit Bendahan (sp, VD). Eine Minderheit Burgherr (svp, AG) beabsichtigte, den Beschluss des Ständerats zu unterstützen und forderte einen Schuldzinsabzug von 70 Prozent des beweglichen und unbeweglichen Vermögensertrags. Noch weiter ging SVP-Fraktionschef Thomas Aeschi (svp, ZG), welcher in einem Einzelantrag den vollen Abzug des beweglichen und unbeweglichen Vermögensertrags vorsah. Ein Minderheitsantrag Glättli (gp, ZH) forderte dagegen mit einer Abschaffung des Schuldzinsabzuges genau das Gegenteil. Auch im zweiten Block der Debatte konnte aber kein Minderheitsantrag eine Mehrheit in der grossen Kammer finden. Ebenso unterlag ein Einzelantrag Ryser (gp, SG), gemäss welchem die Vorlage zum Zwecke eines haushaltsneutralen Systemwechsels erst in Kraft treten solle, wenn der Durchschnittszinssatz 3 Prozent überschritten habe.
Schliesslich nahm der Nationalrat die so ausgestaltete Vorlage in der Gesamtabstimmung mit 109 zu 75 Stimmen (bei 8 Enthaltungen) an. Nicht unterstützt wurde die Vorlage von den geschlossen stimmenden Fraktionen der SP und der Grünen sowie von einzelnen Mitgliedern der GLP-, der SVP- und der Mitte-Fraktion.

Systemwechsel bei der Wohneigentumsbesteuerung (Pa.Iv. 17.400)
Dossier: Vorstösse zur Abschaffung des Eigenmietwerts (1992-2023)

Nachdem das Parlament in der Sommersession 2024 die erst fünfte Parlamentarische Untersuchungskommission (PUK) beschlossen hatte, gaben die Büros der beiden Kammern Mitte Juni die Mitglieder und das Präsidium der PUK bekannt. Die Untersuchungskommission, die sich den behördlichen Verantwortlichkeiten rund um den Zusammenbruch der Credit Suisse (CS) widme, werde, wie es der einfache Bundesbeschluss des Büro-NR vorgesehen habe, aus jeweils sieben Mitgliedern pro Rat bestehen, wobei sich das Präsidium aus jeweils einem Mitglied jeder Kammer zusammensetzen werde.

Die Vetretenden der beiden Räte wurden von ihren jeweiligen Büros gewählt. Der Nationalrat wird gemäss der Wahl des Büro-NR durch Alfred Heer (svp, ZH), Thomas Matter, (svp, ZH), Roger Nordmann (sp, VD), Leo Müller (mitte, LU), Franziska Ryser (gp, SG), Daniela Schneeberger (fdp, BL) und Roland Fischer (glp, LU) repräsentiert. Das Büro des Ständerats wählte folgende Ständeratsmitglieder in den Untersuchungsausschuss: Isabelle Chassot (mitte, FR), Heidi Z’graggen (mitte, UR), Philippe Bauer (fdp, NE), Andrea Caroni (fdp, AR), Werner Salzmann (svp, BE), Daniel Jositsch (sp, ZH) und Maya Graf (gp, BL).

Am 14. Juni fanden sich die beiden Büros schliesslich zu einer Koordinationskonferenz zusammen, bei welcher sie das Ratspräsidium wählten. Wie der Tages-Anzeiger nach dieser Konferenz rückblickend berichtete, «knackten drinnen im Bundeshaus die Frauen eine der letzten Männerbastionen der Schweizer Politik», während sich auf den Strassen der feministische Streiktag für mehr Gleichstellung abspielte. In der Koordinationskonferenz setzten sich noch im ersten Wahlgang Isabelle Chassot als erste Frau in einem PUK-Präsidium und Franziska Ryser als Vize-Präsidentin gegen die übrigen Kandidaten Roger Nordmann, der eigens für dieses von ihm angestrebte Amt das SP-Fraktionspräsidium aufgegeben hatte, und Alfred Heer durch.

Das PUK-Präsidium sei «eine der ganz grossen Weihen in der Schweizer Politik», denn mit Kurt Furgler und Moritz Leuenberger hatten in der Vergangenheit zwei der vier bisherigen PUK-Präsidenten in die Landesregierung Eingang gefunden, erklärte der Tages-Anzeiger im Nachgang der Wahl. Die Wahl Chassots, so mutmasste die Presse, die als Quereinsteigerin in die Finanzmarktthematik komme, sei teilweise auch ihrer Parteizugehörigkeit geschuldet. Denn die Mitte-Partei sei die einzige politische Gruppierung in Bundesbern, die im CS-Dossier nicht auf irgendeine Art und Weise vorbelastet sei, analysierte die NZZ. So richte sich die Untersuchung der PUK unter anderen gegen die Finanzministerin Karin Keller-Sutter und ihren Vorgänger Ueli Maurer, die von der FDP respektive von der SVP gestellt wurden. Wie der Tages-Anzeiger ausführte, habe die bürgerliche Mehrheit im Parlament den Posten zudem nicht der Ratslinken überlassen wollen. Denn gemäss Aargauer Zeitung (AZ) hatte sich die SP in den ersten Tagen des CS-Debakels zu klar positioniert und die NZZ war der Ansicht, dass sich die Partei in den vergangenen Monaten und Jahren als «Anti-Banken-Partei» profiliert habe. Den Grünen und der GLP fehlte es gemäss Presse an politischem Einfluss, den der «Posten dieser Gewichtsklasse» (AZ) voraussetze. Von den drei Mitte-Parlamentsmitgliedern in der PUK sei Chassot die Leitung dieser «höchst komplexen Untersuchung» schliesslich am ehesten zugetraut worden, so der Tages-Anzeiger.
Wenige Tage später eröffnete der Bundesrat in seiner Medienmitteilung, dass Karin Keller-Sutter die Landesregierung in der PUK vertreten werde. Es sei Usus, dass die Vorsteherin des Departements des zu untersuchenden Dossiers die Vertretung in der PUK übernehme.
Die damit vollständig besetzte PUK sollte ihre Arbeit nach Ablauf der Sommersession 2024 aufnehmen.

Einsetzung einer PUK zur Untersuchung der Verantwortlichkeiten der Behörden und Organe rund um die Notfusion der Credit Suisse mit der UBS (Pa.Iv. 23.427)
Dossier: Übernahme der Credit Suisse durch die UBS

Lors de la session d'été 2023, la révision totale de la loi sur les douanes (LD) et du Corps des gardes-frontière était à l'ordre du jour du Conseil national. La chambre basse est certes entrée en matière sans contre-proposition, mais a finalement renvoyé le dossier à la Commission de l'économie et des redevances (CER-CN), chargée de l'examen préalable. Celle-ci avait auparavant plaidé, sans succès, pour que le projet soit renvoyé au Conseil fédéral. Le Conseil national a voté en faveur de la poursuite des travaux par 100 voix (34 élu.e.s du PS, 28 du PLR et 38 de l'UDC) contre 78 (24 élu.e.s du Centre, 28 Vert-e-s, 15 Vert'Libéraux et 11 UDC).
La loi sur les douanes (LD) est un projet complexe remontant à 2022. Il englobe des aspects tels que la numérisation des douanes (projet DaziT), le profil professionnel des douaniers et leur formation, ainsi que le traitement des données personnelles sensibles et la migration. Sophie Michaud-Gigon (vert-e-s, VD), pour la CER-CN, a souligné que «c'est un projet complexe qui touche beaucoup de cercles et qui a donné lieu à moult rapports et co-rapports et à une cascade de propositions d'amendements. Un examen sérieux par le Parlement n'est pas possible en l'état». Le rapporteur Markus Ritter (centre, SG) a souligné que le projet touchait 57 lois différentes, présentant des problèmes juridiques et des questions fondamentales qui nécessitaient une exploration approfondie. Les Vert-e-s ont exprimé d'importantes réserves, comme Franziska Ryser (SG), qui a dénoncé les ingérences massives de l'Office fédéral des douanes (OFDF) dans la souveraineté policière des cantons. Malgré ces critiques, la majorité a insisté sur la nécessité de ne pas retarder davantage le projet. Olivier Feller (plr, VD) a rappelé que la réforme est cruciale pour garantir la sécurité juridique des employés de l'OFDF et des entreprises actives dans l'importation et l'exportation. Le vaudois a également souligné que la réforme est essentielle pour permettre la poursuite des processus de numérisation en cours et pour assurer la protection des données. Daniela Schneeberger (plr, BL) a abondé dans le même sens, présentant la réforme comme une nécessité afin de simplifier le système douanier suisse (un des plus compliqués pour les entreprises selon la bâloise) et de réduire les coûts, ajoutant que «toute la chaîne de création de valeur en profitera. Rejeter la réforme ferait perdre du temps et de l'argent». Prisca Birrer-Heimo (ps, LU) a pour sa part rappelé que sans la réforme, le projet prendrait encore trois années. Pour sa part, la ministre des finances, Karin Keller-Sutter, a défendu le caractère novateur de la révision, mettant en avant les avancées du programme DaziT. La conseillère fédérale libérale-radicale a également souligné que la réforme permettrait d'économiser 350 postes, des ressources qui pourraient être redirigées vers d'autres domaines tels que le contrôle des flux migratoires.

Totalrevision des Zollgesetzes (Transformation der Zollverwaltung; BRG 22.058)
Dossier: Totalrevision des Zollgesetzes (BRG 22.058; Umsetzung div. Motionen)
Dossier: Modernisierung und Digitalisierung der Eidgenössischen Zollverwaltung (DaziT)
Dossier: Forderungen nach einer Aufstockung des Grenzwachtkorps und Transformation der EZV (2016–)

Ende Mai 2023 beschäftigte sich der Ständerat als Zweitrat mit der Motion Sauter (fdp, ZH) zur Einführung eines E-Rezepts. Im Namen der SGK-SR legte Hans Stöckli (sp, BE) seinen Ratskolleginnen und Ratskollegen die Annahme des Geschäfts nahe. Im Gegensatz zu einer Motion Müller (fdp, LU; Mo. 20.3209), welche die kleine Kammer bereits gutgeheissen hatte, beinhalte das vorliegende Geschäft noch präzisiere Angaben bezüglich der Umsetzung. Gesundheitsminister Berset empfahl hingegen, den Vorstoss abzulehnen, da bereits entsprechende Gesetzesgrundlagen existierten. Sein Votum war im Ständerat allerdings chancenlos. Mit 34 zu 2 Stimmen (bei 1 Enthaltung) stimmte das Stöckli der Motion zu.

Einführung eines E-Rezepts (Mo. 20.3770)
Dossier: Digitalisierung im Gesundheitswesen
Dossier: Digitalisierung im Arzneimittelbereich

Am Tag nach der mitternächtlichen Ablehnung beider Bundesbeschlüsse zum Nachtrag Ia durch den Nationalrat hatten sich die beiden Räte erneut mit den Verpflichtungskrediten zur Übernahme der Credit Suisse durch die UBS auseinanderzusetzen.
Der Ständerat versuche, eine Brücke zum Nationalrat zu schlagen – «jeter un pont», betonte Kommissionssprecherin Gapany (fdp, FR) und mit ihr zahlreiche weitere Sprechende. Die FK-SR hatte zuvor grundsätzlich an den Entscheiden des Ständerats vom Vortag festgehalten – etwa am Verbot an den Bundesrat, weitere dringliche Ausfallgarantien zu sprechen, oder an den beiden vom Ständerat angenommenen Rahmenbedingungen der Kreditvergabe. Entgegenkommen wollte man dem Nationalrat nun insofern, als man – wie von der Mehrheit der FK-NR vorgeschlagen und vom Nationalrat anfänglich gutgeheissen – als zusätzliche Rahmenbedingung der Kreditvergabe eine Prüfung der Anpassung des Bankengesetzes ergänzte. Dabei sollten die Risiken durch private systemrelevante Banken minimiert werden, etwa durch eine Erhöhung der Eigenkapitalquote oder einer Beschränkung der Boni. Wie die Medien tags darauf berichteten, sollte diese Änderung ein Zugeständnis an die SP darstellen und deren Mitglieder dazu veranlassen, ins Unterstützendenlager zu wechseln. Nach der Bereinigung der Rahmenbedingungen der Kreditvergabe hiess der Ständerat die beiden Verpflichtungskredite mit 32 zu 5 Stimmen (bei 4 Enthaltungen) respektive mit 29 zu 5 Stimmen (bei 7 Enthaltungen) erneut gut.

Alle Augen waren somit auf den Nationalrat gerichtet: Dieser hatte nach der Ablehnung der beiden Bundesbeschlüsse am Vortag die Eintretensdebatte und die Detailberatung zu wiederholen. Die FK-NR habe die Differenzen zum Ständerat bereinigt und somit die vom Nationalrat geschaffenen, aber zum Schluss abgelehnten nationalrätlichen Änderungen des Vortags nicht übernommen, erläuterte Gerhard Andrey (gp, FR) für die Kommission. Bereits zu Beginn der Debatte zeigte sich die SP-Fraktion gespalten. So erklärte Fraktionssprecher Nordmann (sp, VD), dass die meisten Fraktionsmitglieder den Krediten voraussichtlich zustimmen würden, verschiedene Personen jedoch nicht an die Umsetzung der gemachten Versprechen glaubten. Diese Unsicherheit versuchten Mitglieder der SP-Fraktion mehrmals mit Fragen an Bundesrätin Keller-Sutter etwa bezüglich der Erhöhung der Eigenkapitalquote und der Beschränkung der variablen Lohnbestandteile bei Banken auszuräumen. Auch zahlreiche Mitglieder anderer Fraktionen beteiligten sich an der ausführlichen Befragung der Bundesrätin. In der Folge erklärte SP-Co-Präsident Cédric Wermuth (sp, AG), dass sich die SP-Fraktion mangels «wirklich substanzielle[r] Versprechen» des Bundesrates sowie der meisten übrigen Fraktionen gegen die Verpflichtungskredite aussprechen werde. Diese Meinung teilte weiterhin auch die SVP, für die Lars Guggisberg (svp, BE) erklärte, dass man den vorliegenden Entwurf nicht als «Basis dafür [erachte], dass es keine Too-big-to-fail-Unternehmungen mehr geben kann». Auch die Grünen zeigten sich mit dem Entwurf weiterhin unzufrieden, man habe damit die Chance vertan, «den Banken gegenüber eine klare Erwartungshaltung zu formulieren: mehr Verantwortung, wirksame Regulierungen und echte Nachhaltigkeit», betonte Franziska Ryser (gp, SG). In der Folge lehnte der Nationalrat den Bundesbeschluss über die Rahmenbedingungen der Kreditvergabe (mit 98 zu 72 Stimmen bei 12 Enthaltungen) und den Nachtrag Ia (mit 103 zu 71 Stimmen bei 8 Enthaltungen) aufgrund der ablehnenden Stimmen oder Enthaltungen der Mitglieder der SVP-, SP- und Grünen-Fraktion erneut ab. Damit waren der Nachtrag Ia sowie dessen Rahmenbedingungen zur Kreditvergabe erledigt. An dem Verpflichtungskredit änderte dies jedoch nichts, zumal die FinDel diesen zuvor bereits bevorschusst hatte.

In den Medien führte dieser Entscheid des Nationalrats zu vielen Kommentaren. In erster Linie wurde er als «Ohrfeige» (La Liberté, 24heures) an den Bundesrat verstanden, was entweder negativ als «Nachtreten» der drei Parteien nach dem Ende der Krise (La Liberté) oder positiv als Entscheid mit beträchtlicher Symbolkraft und «Dämpfer für den Bundesrat», der ihm gut tue (TA), gewertet wurde. Einige Kommentierende kritisierten die Ablehnung der Kredite als verpasste Chance: Mit den Rahmenbedingungen der Kreditvergabe hätte man Einflussmöglichkeiten gehabt, die man nun vertan habe (AZ, TA). Kritisiert wurde insbesondere die SP, FDP-Präsident Thierry Burkart (fdp, AG) etwa warf ihr gemäss Tages-Anzeiger Wortbruch vor. Umgekehrt kritisierten Mitglieder der drei ablehnenden Parteien diejenigen Parteien, die sich für Annahme der Kredite ausgesprochen hatten, da sich diese gegen wirkliche Veränderungen gesträubt hätten.

Nachträge Ia und Ib zum Voranschlag 2023 (BRG 23.007)
Dossier: Übernahme der Credit Suisse durch die UBS
Dossier: Bundeshaushalt 2023: Voranschlag und Staatsrechnung

Im März 2021 reichte Franziska Ryser (gp, SG) eine parlamentarische Initiative ein, mit der sie Grundlagen für ein CO2-Grenzausgleichssystem schaffen wollte. Ein neuer Artikel im CO2-Gesetz solle die Grundlage für ein Grenzausgleichssystem für CO2-intensive Produkte schaffen und dabei die dahingehenden Entwicklungen in der EU berücksichtigen. Ryser argumentierte, dass rund 65 Prozent des Schweizer Treibhausgas-Fussabdrucks im Ausland verursacht werde und diese Emissionen durch die Nettoeinfuhr von Waren und Dienstleistungen der Schweiz angerechnet würden. Da gewisse Staaten keine CO2-Abgaben erheben würden und deren Waren in der Schweiz dementsprechend günstiger angeboten werden könnten, entstehe für die Schweizer Wirtschaft ein sich zunehmend verschärfender Wettbewerbsnachteil. Die Einführung eines Grenzausgleichssystems könne dieses Problem beheben, indem man bei der Einfuhr die Differenz zwischen der ausländischen CO2-Abgabe und der Schweizer CO2-Abgabe verrechne. Das System setze einerseits Anreize, in der inländischen Industrie in Dekarbonisierung zu investieren, andererseits hätten auch andere Staaten vermehrt Grund, ihre klimapolitischen Massnahmen rascher umzusetzen. Da sich die EU-Kommission seit Anfang März 2021 mit der Ausarbeitung eines mit den WTO-Regeln zu vereinbarenden CO2-Ausgleichssystems auseinandersetze, solle sich auch die Schweiz an dieser Entwicklung beteiligen, das die Forderung der Motionärin. Nur so könne man ein auf den europäischen Wirtschaftsraum abgestimmtes System gewährleisten. Das gleiche Ziel hatte auch eine kurze Zeit später eingereichte Motion der WAK-NR (Mo. 21.3602), die eine Beteiligung am Grenzausgleichssystem der EU forderte.

Nachdem die UREK-NR der Initiative im April 2022 Folge gegeben hatte, tat es ihr die UREK-SR im März 2023 gleich. Damit hat die UREK-NR zwei Jahre Zeit, um einen entsprechenden Gesetzesartikel auszuarbeiten. Die Kommission des Ständerates gab in ihrer Medienmitteilung bekannt, dass sie eine Verlagerung der CO2-intensiven Schweizer Stahl- und Zementproduktion in Länder mit lascheren Klimaschutzvorschriften befürchte und daher den Handlungsbedarf anerkenne. Sie verlangte abschliessend, dass ihre Schwesterkommission den Bericht zum Postulat der APK-NR (Po. 20.3933) als Grundlage für die Erarbeitung des Grenzausgleichssystems zu verwenden habe.

Grundlagen für ein CO2-Grenzausgleichssystem schaffen

Anfang 2023 trat Regine Sauter das Präsidium des Spitalverbands H+ an. Die Generalversammlung folgte einstimmig der Empfehlung der Findungskommission, deren Chef Sauter aufgrund ihres Netzwerks in Bundesbern und ihres Gewichts im Parlament als Idealbesetzung für den Verband erachtete. Wie schon ihre Vorgängerin Isabelle Moret ist Sauter FDP-Nationalrätin und Mitglied der SGK-N. Der Spitalverband, der nach eigenen Angaben 205 öffentliche und private Spitäler, Kliniken und Pflegeinstitutionen vertritt, behält mit ihr also einen direkten Draht in dieses zentrale gesundheitspolitische Gremium. Moret war aufgrund ihrer Wahl in die Waadtländer Kantonsregierung vom Verbandsvorsitz zurückgetreten.
Sauter setzte sich in ihrer Antrittsrede zum Ziel, H+ solle «die massgebende Stimme sein, wenn es darum geht, die Rahmenbedingungen der Spital-, Klinik- und Pflegelandschaft der Schweiz für die nächsten Jahrzehnte zu definieren». Ihr Verband habe «die Kompetenz und auch die Legitimation dazu.» In einem Interview mit der NZZ äusserte sie sich kurz darauf zu weiteren gesundheits- und spitalpolitischen Positionen. Sauter sprach sich darin etwa für Versorgungsnetzwerke mit einem Spital als Zentrum aus, in denen verschiedene Akteure von Hausarztpraxen oder Permanencen über die Spitex bis zur Langzeitpflege zusammenarbeiten. Solche Netzwerke könnten etwa das Problem überlaufener Notfallstationen oder – dank einem effizienteren Einsatz des Personals – auch den Fachkräftemangel in der Pflege entschärfen. Ein weiteres Instrument gegen den Personalmangel sah Sauter in der Ausbildungsoffensive als Folge der 2021 angenommenen Pflegeinitiative. Auch das Parlament könne einen Beitrag leisten, wenn es sich künftig beim Erlass gesetzlicher Vorgaben zurückhalte, die das Arzt- und Pflegepersonal mit weiteren administrativen Arbeiten belasten würden. Mit Bezug auf die Spitalstrukturen wollte Sauter zwar «nicht pauschal» von zu vielen Spitälern in der Schweiz sprechen, befürwortete aber eine überkantonale Spitalplanung und Straffungen, die «nicht nur tiefere Kosten, sondern auch bessere Behandlungsqualität bringen» könnten. Mit Blick auf die Spitalfinanzierung forderte die Freisinnige eine Ausgliederung aller Spitäler aus der öffentlichen Verwaltung, um mehr Kostentransparenz und einen Wettbewerb mit gleich langen Spiessen zu erreichen.

Wechsel im Präsidium des Spitalverbands H+

In der Wintersession 2022 begann der Nationalrat die Beratung des neuen Gesetzes für eine Tonnagesteuer für Hochseeschiffe. Kommissionssprecherin Amaudruz (svp, GE) betonte, dass die Mehrheit der WAK-NR mit diesem Gesetz ein klares Signal an die Wirtschaft senden wolle und dass man davon ausgehe, dass die Einführung einer Tonnagesteuer zu höheren Steuereinnahmen und neuen Arbeitsplätzen führe. Die Tonnagesteuer diene dazu, Hochseetransportunternehmen in der Schweiz zu halten, nachdem deren Sonderregelungen zur Besteuerung mit dem STAF abgeschafft worden waren. Diese neue Regelung sei OECD-konform und werde auch in der EU angewendet. Finanzminister Maurer betonte, dass die Vorarbeiten zu dieser Vorlage aus einer Zeit stammten, in der es der Hochseeschifffahrt überaus schlecht ging, und erinnerte an die entsprechenden Bürgschaften des Bundes. Zwar gebe es verfassungsrechtliche Gründe für und wider eine Tonnagesteuer, jedoch sei es volkswirtschaftlich wichtig, die Hochseeschifffahrt in der Schweiz mit derjenigen im Ausland gleichzustellen. «Zum Standort Schweiz, einem zuverlässigen Standort mit hohem Know-how, gehören eben auch diese Schiffe», betonte der Finanzminister.

Im Nationalrat lagen ein Antrag Bertschy (glp, BE) auf Nichteintreten sowie ein Antrag Wermuth (sp, AG) auf Rückweisung des Entwurfs an den Bundesrat vor, wobei dieser die «ökologische und soziale Verantwortung der Schifffahrtsbranche» im Entwurf hätte stärken sollen. Zudem hatte auch die FK-NR in einem Mitbericht aus finanziellen Gründen den Verzicht auf das neue Gesetz gefordert. Kathrin Bertschy brachte verschiedene Gründe für ihren Nichteintretensantrag an: Einerseits halte man die Verfassungsmässigkeit der Vorlage, insbesondere den Grundsatz der Besteuerung nach wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit und der rechtsgleichen Besteuerung, nicht für gegeben. Zwei Gutachten seien diesbezüglich zu unterschiedlichen Schlüssen gekommen, was insbesondere an ihrer unterschiedlichen Einschätzung der Frage, ob die Hochseeschifffahrt in der Schweiz ohne diese Vorlage in ihrer Existenz gefährdet sei, gelegen habe. Aufgrund der guten aktuellen wirtschaftlichen Lage der entsprechenden Branche verneine die Minderheit diese existenzielle Bedrohung, die eine Voraussetzung für die Verfassungsmässigkeit darstelle. Zudem hätten sowohl der Bundesrat als auch die FK-NR in ihrem Mitbericht erklärt, die Auswirkungen der Vorlage auf den Bundeshaushalt seien unklar. Mit diesem Entwurf könnten Rohstoffunternehmen die OECD-Mindestbesteuerung unterwandern, zumal sie den Schifffahrtsunternehmen gemäss Schätzungen von Expertinnen und Experten eine Besteuerung von 6 bis 7 Prozent erlaube. Schliesslich verlangte Bertschy, dass nur Unternehmen von der Steuer profitieren dürften, die mindestens unter EU- oder EWR-Flagge fahren, damit sie auch die entsprechenden Arbeits- und Umwelterfordernisse erfüllen müssten. Eine entsprechende Regelung sei jedoch nach der Vernehmlassung aus dem Entwurf gestrichen worden. Ähnlich argumentierte auch Cédric Wermuth, der überdies auch die Besteuerung nach Tonnage als unsinnig hervorstrich. Wenn man aber eine Tonnagesteuer wolle, müsse diese so ausgestaltet sein, dass die ökologische und soziale Verantwortung der Branche gestärkt werde.
In der Folge lehnte der Nationalrat beide Minderheitsanträge ab (mit 107 zu 83 Stimmen bei 4 Enthaltungen respektive mit 103 zu 90 Stimmen bei 1 Enthaltung), wobei SP und Grüne sowie eine Minderheit der Mitte-Fraktion beide Minderheitsanträge annahmen, während die GLP geschlossen den Rückweisungsantrag, aber nur zur Hälfte den Nichteintretensantrag unterstützte.

In der Detailberatung vertrat die Kommissionsmehrheit zwei Änderungsanträge: Einerseits wollte sie auch die Kreuzfahrtschiffe ausdrücklich der Tonnagesteuer unterstellen, obwohl der Bundesrat diese in der Botschaft bereits als Teil des Personentransports erachtet hatte. Eine Minderheit Bertschy sprach sich gegen den Einbezug der Kreuzfahrtschiffe aus, zumal Kreuzfahrten einen «unsinnigen» Tourismuszweig darstellten, den man gegenüber dem Tourismus in der Schweiz nicht einseitig subventionieren solle. Der Nationalrat folgte jedoch seiner Kommissionsmehrheit.
Als zweite Änderung verlangte die Kommission, dass nur diejenigen Schiffe zur Tonnagesteuer zugelassen werden, deren «strategische[s] und kommerzielle[s] Management [...] in der Schweiz ausgeübt wird». Damit wollte man die Problematik lösen, dass die im Vernehmlassungsentwurf vom Bundesrat vorgeschlagene Beschränkung auf in der EU und im EWR zugelassene Schiffe gegen WTO-Recht verstossen würde. Dies war folglich auch die Kritik an einem Minderheitsantrag Badran (sp, ZH), welcher ebendiese Einschränkung forderte. WTO-konform wäre gemäss den Kommissionssprechenden auch der Antrag der Minderheit Ryser (gp, SG), nur Flotten zuzulassen, die zu 60 Prozent im Schweizer Schifffahrtsregister eingetragen sind. Diese Lösung erachtete Finanzminister Maurer jedoch als zu restriktiv und als «Schmälerung der Attraktivität der Schweizer Tonnagesteuer». Die Kommissionsmehrheit setzte sich in der Folge mit ihrem Alternativvorschlag gegen die Minderheitsanträge durch.

Darüber hinaus versuchten verschiedene Minderheiten die vorgeschlagenen Regelungen zu ver- oder entschärfen. So erachtete eine Minderheit Amaudruz den Vorschlag von Bundesrat und Kommissionsmehrheit als zu einschränkend und schlug mehrere Änderungen vor: Erstens sollte die Liste der mittels Tonnagesteuer besteuerten Zwecke nicht abschliessend genannt werden, was der Nationalrat jedoch ablehnte, weil es gemäss Kommissionssprecher Müller (mitte, LU) gegen das Legalitätsprinzip verstossen würde. Zweitens sollte die Regelung für Schiffe zur Errichtung und zum Unterhalt von Offshore-Bauwerken auf alle Seeschiffe mit maritimen Dienstleistungen für die Offshore-Industrie ausgedehnt werden. Zudem wollte Amaudruz die Regelung zu den Gewinnen aus Nebentätigkeiten, die ebenfalls via Tonnagesteuer besteuert werden können, ausweiten. Der Nationalrat lehnte jedoch sämtliche Anträge ab.
Eine Minderheit Wermuth schlug hingegen vor, die weitere, 30-prozentige Ermässigung des steuerbaren Reingewinns bei Erfüllung von ökologischen Anforderungen zu streichen. Beispiele aus anderen Staaten mit deutlich restriktiveren Regelungen hätten gezeigt, dass solche Belohnungen keine Wirkung auf die ökologischen Massnahmen auf den Schiffen hätten. Auch hier setzte sich die Kommissionsmehrheit jedoch durch und behielt die Ermässigung bei.

In der Gesamtabstimmung hiess der Nationalrat den Entwurf mit 99 zu 85 Stimmen (bei 3 Enthaltungen) gut, wobei die ablehnenden Stimmen von der SP-, der Grünen-, fast der gesamten GLP- und einer Minderheit der Mitte-Fraktion stammten.

Bundesgesetz über die Tonnagesteuer auf Seeschiffen (BRG 22.035)

Bereits in der Wintersession 2022 beriet das Parlament den Bundesbeschluss über eine besondere Besteuerung grosser Unternehmensgruppen fertig. Dies war nötig, damit die entsprechende Verordnung ab dem 1. Januar 2024 in Kraft treten und die Regelungen der OECD somit termingerecht umgesetzt werden können – vorausgesetzt, die Stimmbevölkerung heisst die Verfassungsänderung im Juni 2023 an der Urne gut.

Nach dem Ständerat, der sich bereits in der Herbstsession zur Vorlage geäussert hatte, setzte sich zu Beginn der Wintersession der Nationalrat mit dem Bundesbeschluss zur Änderung der Verfassung auseinander. Vertreterinnen und Vertreter der bürgerlichen Parteien unterstrichen in der Eintretensdebatte die Notwendigkeit der Vorlage, auch wenn sie teilweise als notwendiges Übel dargestellt wurde. Sie betonten, dass sich der Standortwettbewerb in den kommenden Jahren aufgrund der OECD-Mindestbesteuerung verstärken werde und die betroffenen Kantone ihre sinkende Steuerattraktivität kompensieren müssten. Dem pflichtete der Finanzminister später bei, als er betonte, dass es aufgrund dieser Vorlage zu grossen Veränderungen kommen werde – der Standortwettbewerb verlagere sich auf Bereiche, in denen «die Schweiz nicht mithalten kann». Vertreterinnen und Vertreter der links-grünen Parteien hingegen erachteten die OECD-Reform als Versuch, den in ihren Augen schädlichen internationalen Steuerwettbewerb einzuschränken. Entsprechend sollten die daraus resultierenden Einnahmen nicht erneut dafür eingesetzt werden, einzelne Kantone für Unternehmen attraktiver zu machen, womit auch die interkantonale Ungleichheit noch verstärkt würde. Eintreten war in der Folge unbestritten.

Die grosse Debatte betraf in der Folge die Frage, wie die aufgrund der Ergänzungssteuer erzielten Mehreinnahmen zwischen Bund und Kantonen verteilt werden sollen. Der Bundesrat hatte in Absprache mit den Kantonen eine Verteilung von 25 Prozent für den Bund und 75 Prozent für die Kantone vorgeschlagen, der Ständerat war seinem Antrag gefolgt. Eine Minderheit III Walti (fdp, ZH) vertrat diese Position im Nationalrat. Die WAK-NR befürwortete hingegen eine Verteilung von 50-zu-50 Prozent für Bund und Kantone, wobei eine Obergrenze von CHF 400 pro Einwohnerin und Einwohner geschaffen werden sollte. Einerseits sei die finanzielle Situation der Kantone deutlich besser als diejenige des Bundes, zudem sei ein Engagement des Bundes im Standortwettbewerb vonnöten, begründete Landolt (mitte, GL) im Namen der Kommission den höheren Bundesanteil. Schliesslich führe dieser Vorschlag in 16 Kantonen zu Mehreinnahmen gegenüber dem bundesrätlichen Vorschlag. Daneben lagen jedoch zahlreiche Minderheitsvorschläge vor. Zwei Minderheiten I Grossen (glp, BE) und II Feller (fdp, VD) befürworteten die Verteilung von 50 zu 50, lehnten aber die Pro-Kopf-Obergrenze ab. Die Minderheit I Grossen wollte die Gelder zu zwei Dritteln entsprechend der kantonalen Wirtschaftsleistung und zu einem Drittel entsprechend der Wohnbevölkerung auf die Kantone verteilen, während die Minderheit II Feller keine Ergänzungen vorsah. Extrempositionen nahmen die Minderheiten IV Martullo (svp, GR) sowie VI Glättli (gp, ZH) ein, die 100 Prozent der Gelder den Kantonen (Martullo) respektive dem Bund (Glättli) zukommen lassen wollten.
Finanzminister Maurer warnte den Rat eindringlich vor den Folgen einer Abweichung vom Kompromiss zwischen den Kantonen: Damit lasse man die «Solidarität auseinanderbrechen», betonte er und empfahl folglich die Minderheit IV Walti zur Annahme.
Dennoch setzte sich die Minderheit II Feller und somit die hälftige Verteilung zwischen Bund und Kantonen ohne Einschränkungen gegen die Alternativvorschläge durch. Angenommen wurde auch eine Minderheit V Leo Müller (mitte, LU), mit der die Verteilung der kantonalen Mehreinnahmen auf Gemeinden und Städte gemäss der Verteilung der Gewinnsteuern festgeschrieben werden sollte. Der Nationalrat schuf damit gleich zwei Differenzen zum Erstrat.
Erfolgreich war mit 161 zu 25 Stimmen (bei 3 Enthaltungen) überdies ein Einzelantrag Leo Müller für eine Änderung des Vorlagentitels als dritte Differenz. Dieser sollte neu die «Umsetzung des OECD/G20-Projekts zur Besteuerung grosser Unternehmensgruppen» in den Mittelpunkt stellen, nicht wie bisher die «Besteuerung der digitalen Wirtschaft». Müller hatte zuvor auf die Notwendigkeit verwiesen, dass die Vorlage bei einer Volksabstimmung einen passenden Titel aufweist.
Schliesslich folgte der Nationalrat auch einem Antrag seiner Kommissionsmehrheit und beauftragte den Bundesrat, bis sechs Jahre nach Inkrafttreten der Verordnung zur Mindestbesteuerung das entsprechende Bundesgesetz vorzulegen. Damit schuf er eine vierte Differenz zum Ständerat. Eine Minderheit Aeschi (svp, ZG) wollte ergänzend vom Bundesrat verlangen, zusammen mit der Ausführungsgesetzgebung auch eine Anpassung der NFA zu präsentieren, da das «neue[...], NFA-ähnliche[...] Umverteilungsgefäss» zusammen mit den bestehenden NFA-Gefässen angeschaut werden müsse. Der Nationalrat entschied sich jedoch mit 143 zu 46 Stimmen für den Mehrheitsantrag.

Daneben versuchten verschiedene Minderheiten, die Vorlage um weitere Elemente zu ergänzen – blieben damit aber erfolglos. Auf bürgerlicher Seite verlangte eine Minderheit Aeschi, gleichzeitig mit der Unternehmensbesteuerung auch die natürlichen Personen zu entlasten, was die Mehrheit der Sprechenden mit Verweis darauf ablehnte, dass dieser Antrag themenfremd sei und Kosten in Milliardenhöhe verursachen würde. Auch der Nationalrat sah von dieser Ergänzung ab (141 zu 48 Stimmen).
Eine weitere Minderheit Aeschi wollte erfolglos (134 zu 55 Stimmen bei 1 Enthaltung) die Reichweite der Vorlage auf juristische Personen beschränken und damit Personengesellschaften von der Regelung ausnehmen. Dies lehnte etwa Finanzminister Maurer mit der Begründung ab, dass die OECD-Regelung auch solche Unternehmen einbeziehe.
Erfolglos blieben auch zwei Minderheiten Feller für eine Einschränkung der Bestimmungen auf «grosse multinationale Unternehmensgruppen» – der Bundesrat hatte nur von «grossen Unternehmensgruppen» gesprochen. Sollte die erste Säule der OECD-Bemühungen, die sich mit der «steuerlichen Zuteilung von Gewinnen grosser Unternehmensgruppen» (EFD) beschäftigt, ebenfalls umgesetzt werden, bräuchte es bei einer solchen Ergänzung eine neue Verfassungsänderung, begründete der Finanzminister seine ablehnende Haltung. Der zweite Minderheitsantrag Feller verlangte, dass die Veranlagung zwingend durch die Kantone gemacht werden muss – bisher enthielt die Vorlage diesbezüglich Ausnahmemöglichkeiten. Kommissionssprecher Landolt betonte, dass man diese Frage absichtlich offen lassen wolle, um sie im Rahmen des späteren Gesetzgebungsverfahrens regeln zu können. Mit 130 zu 58 Stimmen (bei 1 Enthaltung) respektive 131 zu 57 Stimmen (bei 1 Enthaltung) fanden auch diese zwei Anträge keine Mehrheit. Alle vier Minderheitsanträge wurden von der SVP-Fraktion sowie von einer Minderheit der FDP-Fraktion und einzelnen Mitgliedern der Mitte-Fraktion befürwortet.

Nicht nur von bürgerlicher, auch von links-grüner Ratsseite lagen zahlreiche erfolglose Minderheitsanträge vor.
Eine Minderheit Birrer-Heimo (sp, LU) erachtete einen Vollzug der neuen Steuer durch die ESTV als sinnvoller als einen kantonalen Vollzug mit Unterstützung durch die ESTV – zumal immer mehrere Kantone betroffen seien. Finanzminister Maurer wies auf den bereits bestehenden Kontakt zwischen Kantonen und Unternehmen hin und erachtete den Vollzug durch die Kantone daher als sinnvoller. Der Minderheitsantrag scheiterte mit 110 zu 79 Stimmen.
Genauere Vorschriften für die Verwendung der Bundesgelder verlangten zwei Minderheiten I Badran (sp, ZH) und II Ryser (gp, SG). Um den «Basar» zur Verteilung der Gelder durch die ungenaue Formulierung einer «Förderung der Standortattraktivität» zu stoppen, schlug Jacqueline Badran eine Zweckbindung zur Finanzierung von familienexterner Kinderbetreuung und Franziska Ryser eine Zweckbindung zur Finanzierung der Individualbesteuerung vor. Mit beiden Vorschlägen könne das inländische Fachkräftepotenzial besser ausgeschöpft werden, betonten sie. Martin Landolt lehnte es im Namen der Kommission jedoch ab, konkrete Massnahmen zu treffen, solange die konkreten Herausforderungen noch nicht bekannt seien. Mit 97 zu 90 Stimmen bevorzugte der Nationalrat den Vorschlag der Kommissionsmehrheit gegenüber dem Minderheitsantrag I Badran, der sich zuvor ähnlich knapp gegen den Minderheitsantrag Ryser durchgesetzt hatte.

In der Gesamtabstimmung nahm der Nationalrat den Entwurf mit 127 zu 43 Stimmen (bei 18 Enthaltungen) an. Abgelehnt wurde der Entwurf von den Mitgliedern der SVP-Fraktion, Enthaltungen fanden sich in allen Fraktionen ausser derjenigen der GLP.

Besondere Besteuerung grosser Unternehmensgruppen (OECD-Mindestbesteuerung; BRG 22.036)

Ende Juni 2022 lancierte die SGK-NR eine Motion zur Förderung der Gendermedizin und griff damit zwei Petitionen aus der Frauensession 2021 auf. Die Gendermedizin untersucht und behandelt Krankheiten vor einem geschlechtsspezifischen Hintergrund. Die Annahme, dass Krankheiten geschlechtsneutral verliefen und aufträten, könne Fehldiagnosen und -behandlungen mit sich ziehen. Um dies zu verhindern, müssten bestehende Ungleichheiten in der Medizin bekämpft werden. Vor diesem Hintergrund forderte die Kommissionsmehrheit, dass ein nationales Forschungsprogramm zur Gendermedizin lanciert wird, dass Forschungsprojekte gefördert werden, welche sich mit Frauenkrankheiten beschäftigen, und dass das Geschlecht bei der Vergabe von Geldern des SNF berücksichtigt wird.
Zwei Kommissionsminderheiten waren jedoch nicht mit allen Forderungen einverstanden. Eine Minderheit Glarner (svp, AG) rief dazu auf, die ersten beiden Forderungen der Motion abzulehnen, während eine Minderheit Sauter (fdp, ZH) die Berücksichtigung des Geschlechts bei der Geldervergabe ablehnte. Nationalrat Glarner argumentierte, dass das Problem der geschlechtlichen Ungleichbehandlung in der Medizin wohl erst seit «der unsäglichen Gender-Debatte mit all ihren Absurditäten von Links-Grün» bestehe. Dahingegen anerkannte Nationalrätin Sauter die Wichtigkeit der Motion, aber sprach sich entschieden gegen die in der Motion vorgesehenen «engen Vorgaben» für zur Vergabe von Forschungsgeldern aus. Der Bundesrat wies in seiner Stellungnahme darauf hin, dass die Problematik bereits in den Antworten auf vergangene Vorstösse (etwa Mo. 19.3577) diskutiert worden sei und geschlechterspezifischer Unterschiede in der Medizin aufgrund des Postulats Fehlmann (sp, GE; Po. 19.3910) bereits untersucht würden. Des Weiteren sei eine Ablehnung der Motion nötig, damit Forschende aller Schweizer Hochschulen weiterhin gleiche Chancen beim Bewerbungsprozess für Gelder des SNF und von Innosuisse hätten.
Nach einer hitzigen Debatte nahm der Nationalrat die Forderungen zur Lancierung eines nationalen Forschungsprogramms und zur Förderung der Erforschung spezifischer Frauenkrankheiten mit 127 zu 54 Stimmen bei 2 Enthaltungen an und sprach sich somit gegen den Minderheitsantrag Glarner aus. Dem Antrag der Minderheit Sauter kam der Nationalrat indes nach und sprach sich mit 100 zu 83 Stimmen gegen die Berücksichtigung des Geschlechts bei der Vergabe von SNF-Geldern aus.

Gender-Medizin. Schluss mit Frauen als Ausnahme in der Medizin (Mo. 22.2868)
Dossier: Behandlung der Petitionen der Frauensession 2021 in parlamentarischen Vorstössen

Ende April 2022 kam das Referendum gegen die AHV21 zustande. Damit wurde an der Urne nicht nur über die Mehrwertsteuererhöhung um 0.4 Prozentpunkte respektive 0.1 Prozentpunkte und somit über eine Zusatzfinanzierung für die AHV von CHF 12.4 Mrd. bis 2032 abgestimmt – diese musste als Verfassungsänderung sowieso der Stimmbürgerschaft vorgelegt werden –, sondern auch über die übrigen Massnahmen des Reformprojekts. Dieses sah vor, das Rentenalter der Frauen in vier Schritten (2024 bis 2027) demjenigen der Männer anzupassen, wodurch die AHV bis 2032 CHF 9 Mrd. weniger ausgeben respektive mehr einnehmen sollte als bisher. Im Gegenzug sollten die ersten neun betroffenen Frauenjahrgänge Zuschläge zu ihren Renten oder günstigere Bedingungen beim Rentenvorbezug erhalten, die insgesamt CHF 2.8 Mrd. kosten sollten. Allgemein sollte der Start des Rentenbezugs flexibilisiert und neu zwischen 63 und 70 Jahren möglich werden – mit entsprechenden Abzügen und (teilweise) Gutschriften bei früherem oder späterem Bezug –, wobei die Rente nicht mehr nur vollständig, sondern auch teilweise bezogen werden kann. Dies würde bis 2032 etwa CHF 1.3 Mrd. kosten. Insgesamt könnten die AHV-Ausgaben bis ins Jahr 2032 um insgesamt CHF 4.9 Mrd. gesenkt werden.

Die Gegnerinnen und Gegner der AHV21-Reform wehrten sich vor allem gegen die Finanzierung der Reform auf dem «Buckel der Frauen» (Tages-Anzeiger), also durch die Erhöhung des Frauenrentenalters. Dadurch würde den Frauen faktisch die Rente gekürzt – ein Jahr weniger Rente entspreche CHF 26'000, rechnete das Referendumskomitee vor. Diese Reduktion würde noch nicht einmal für diejenigen Jahrgänge, welche Kompensationsmassnahmen erhielten, vollständig ausgeglichen. Besonders störend daran sei, dass Frauen noch immer einen deutlich geringeren Lohn für ihre Arbeit und einen Drittel weniger Rente als die Männer erhielten, während sie gleichzeitig sehr viel mehr unbezahlte Arbeit leisteten. Darüber hinaus erachtete die Gegnerschaft die Erhöhung des Frauenrentenalters auch als ersten Schritt hin zum Rentenalter 67, das sie jedoch unter anderem mit Verweis auf die schlechten Arbeitsmarktchancen älterer Arbeitnehmender sowie auf die Erhöhung der Langzeitarbeitslosigkeit und der Sozialhilfequote ablehnte. Schliesslich erachteten die Gegnerinnen und Gegner auch die aktuelle Situation der AHV als weniger gravierend als die Befürwortenden der Revision: Die AHV sei solide, werde aber immer durch dramatische Prognosen schlechtgeredet – diese seien bisher jedoch nie eingetroffen. Die Nein-Parole zu beiden AHV-Vorlagen gaben die SP, die Grünen, die PdA sowie die SD aus, sie wurden von den Gewerkschaften unterstützt.

Die Befürwortenden der Reform betonten, dass die AHV struktureller Reformen bedürfe, zumal sie ansonsten bereits in wenigen Jahren mehr ausgeben als einnehmen werde. Die AHV21-Reform führe durch Massnahmen sowohl auf Einnahmeseite – durch die Mehrwertsteuererhöhung – als auch auf Ausgabenseite – durch die Erhöhung des Frauenrentenalters – zu einer Verbesserung der AHV-Finanzen. Bezüglich des Arguments der Gegnerschaft, dass vor allem die Frauen für die Reform aufkommen müssten, verwiesen die Befürwortenden auf die «substanziellen Kompensationen», welche die Frauen der Übergangsgeneration erhielten. Zudem sei eine Rentenaltererhöhung der Frauen auf 65 Jahre gerechtfertigt, da sie einerseits als Teil der Gleichstellung erachtet werden könne und da die grossen Rentenunterschiede andererseits nicht aus der AHV, sondern aus der beruflichen Vorsorge stammten. Im Gegenzug forderten jedoch auch verschiedene Mitglieder der Pro-Komitees Verbesserungen für die Frauen in der zweiten Säule, vor allem beim Koordinationsabzug, welcher gesenkt werden sollte. Die Ja-Parole zu beiden Vorlagen gaben die SVP, die FDP, die Mitte, die GLP, die EVP und die EDU sowie etwa Economiesuisse, der Arbeitgeberverband, der Gewerbeverband und der Bauernverband aus.

In der medialen Berichterstattung stand vor allem die Frage nach den Auswirkungen für die Frauen sowie der Fairness ihnen gegenüber im Mittelpunkt. Im Zentrum des Interesses stand dabei der Bund Schweizerischer Frauenorganisationen, Alliance f. So zeigten sich die im Verband organisierten Frauen öffentlich gespalten: Selbst der Vorstand des Verbands bestand aus Befürworterinnen und Gegnerinnen der AHV21. Alliance f sei in einer «delikate[n] Ausgangslage», betonten folglich etwa die AZ-Medien. Als Konsequenz gab der Verband Stimmfreigabe heraus und schuf zwei Frauenallianzkomitees, ein befürwortendes und ein ablehnendes. Damit wolle man sich trotz unterschiedlicher Positionen in die Diskussion einbringen und somit verhindern, dass die Männer die Debatte um das Frauenrentenalter dominierten, betonte etwa Co-Präsidentin von Alliance f und Präsidentin des befürwortenden Frauen-Komitees, Kathrin Bertschy (glp, BE).

Zusätzliche Aufmerksamkeit erhielt die AHV21-Abstimmung Ende Mai, als das BSV die neuen Finanzperspektiven der AHV herausgab. So war der Bundesrat in der Botschaft zur AHV21 im August 2019 von einem negativen Betriebsergebnis der AHV im Jahr 2030 von CHF 4.6. Mrd. ausgegangen. Im Juni 2021 hatte das BSV für 2030 ein Defizit von CHF 3.7 Mrd. prognostiziert, in den neusten Finanzperspektiven Ende Mai 2022 war hingegen nur noch von einem Defizit von CHF 1.8 Mrd. die Rede. Das BSV erklärte diese Veränderungen mit dem guten Betriebsergebnis des AHV-Ausgleichsfonds 2021 sowie mit einem stärkeren Beschäftigungs- und Reallohnwachstum als erwartet. Diese Entwicklung zeige auf, dass die AHV in einer «systematische[n] Angstmacherei zulasten der Bevölkerung» schlechtgeredet werde, liess der SGB verlauten. Die NZZ erachtete diese Zahlen trotz der Korrekturen noch immer als schlecht, «die AHV [werde] so oder so ins Minus» rutschen.

Im Juni 2022 entschied die SGK-SR, dass ihr Entwurf zur Pensionskassenreform BVG21 noch nicht reif für die Behandlung in der Herbstsession 2022 sei. Die Gegnerinnen und Gegner der AHV21-Reform sahen darin einen Versuch, kritische Debatten zur BVG21-Reform vor der Abstimmung über die AHV21 zu verhindern. Doch auch Befürwortende der AHV21-Reform störten sich an diesem Vorgehen der Kommission, zumal man bei einer Behandlung der BVG21-Reform den Frauen hätte zeigen wollen, dass man als Ausgleich zur Rentenaltererhöhung wie mehrfach versprochen ihre Pensionskassenrenten erhöhen werde.

Zu medialen Diskussionen führten in der Folge auch die Vorumfragen. Bereits Anfang Mai berichtete die SonntagsZeitung mit Verweis auf eine Umfrage des Marktforschungsinstituts Demoscope, welche gemäss SonntagsBlick von den Befürwortenden in Auftrag gegeben worden war, dass sich 62 Prozent der SP-Sympathisierenden und 59 Prozent der Sympathisierenden der Grünen für die AHV21 aussprechen wollten. Insgesamt machte die Studie eine Zustimmung zur AHV21 von 55 Prozent aus. Darob publizierte jedoch der SGB die Resultate einer eigenen, zuvor beim Forschungsinstitut Sotomo in Auftrag gegebenen Studie, gemäss welcher die Sympathisierenden der SP die AHV21 zu 63 Prozent ablehnten, während der durchschnittliche Ja-Stimmenanteil über alle Parteien hinweg bei 48 Prozent zu liegen kam. Die Diskussion darüber, wie verlässlich Studien sind, welche von den Befürwortenden respektive der Gegnerschaft einer Vorlage in Auftrag gegeben werden, währte in den Medien jedoch nicht lange. Ab August konzentrierte sich die mediale Debatte auf die Vorumfragen von SRG/gfs.bern und Tamedia/Leewas, welche auf eine mehr oder weniger deutliche Annahme der zwei Vorlagen hindeuteten (Mehrwertsteuererhöhung: zwischen 54 und 65 Prozent, AHVG: zwischen 52 und 64 Prozent). Vor allem zeichnete sich in den Vorumfragen aber bereits ein deutlicher Geschlechtergraben ab, so sprachen sich beispielsweise Anfang August 2022 in der ersten Tamedia-Umfrage 71 Prozent der Männer für die Änderung des AHVG und somit für die Erhöhung des Frauenrentenalters aus, während diese nur 36 Prozent der Frauen befürworteten.

Hatten die Vorumfragen letztlich doch eine relativ deutliche Annahme beider AHV21-Vorlagen in Aussicht gestellt, wurde es am Abstimmungssonntag für die Gesetzesänderung sehr eng: Mit 50.55 Prozent Ja-Stimmen und gut 31'000 Stimmen Unterschied sprach sich die Stimmbürgerschaft für Annahme der Reform aus. Deutlicher fiel das Verdikt für die Zusatzfinanzierung über eine Mehrwertsteuererhöhung aus (55.07%).


Abstimmung vom 25. September 2022

Änderung des Bundesgesetzes über die Alters- und Hinterlassenenversicherung (AHVG; AHV21)
Beteiligung: 52.2%
Ja: 1'442'591 Stimmen (50.5%)
Nein: 1'411'396 Stimmen (49.5%)

Bundesbeschluss über die Zusatzfinanzierung der AHV durch eine Erhöhung der Mehrwertsteuer
Beteiligung: 52.2%
Ja: 1'570'813 Stimmen (55.1%)
Nein: 1'281'447 Stimmen (44.9%)

Parolen:
-Ja: SVP, FDP, Mitte, GLP, EVP, EDU; Economiesuisse, SAV, SBV, SGV
-Nein: SP, GPS, PdA, SD; SGB, Travail.Suisse, VPOD
* in Klammern Anzahl abweichender Kantonalsektionen


«Männer haben Frauen überstimmt», titelte in der Folge der «Blick», von einem «eklatante[n] Geschlechtergraben, wie es ihn noch nie gegeben hat», sprach die WOZ. In der Tat zeigten verschiedene Nachbefragungen einen grossen Zustimmungsunterschied zwischen Frauen und Männern. In der Vox-Analyse lag die Zustimmung zur Gesetzesänderung bei den Frauen im Schnitt bei 38 Prozent, bei den Männern bei 64 Prozent – wobei die direktbetroffenen Frauen unter 65 Jahren der Vorlage nur mit 25 Prozent (18-39 Jährige) respektive mit 29 Prozent (40-64 Jährige) zustimmten, die Frauen im Rentenalter hingegen mit 63 Prozent. In der Folge kam es in Bern und anderen Städten zu Demonstrationen, in denen Teile der Gegnerinnen der Vorlage ihre Wut über das Ergebnis ausdrückten. In einer Rede zeigte sich Tamara Funiciello (sp, BE) gemäss Medien empört darüber, dass «alte, reiche Männer» entschieden hätten, dass «Kita-Mitarbeiterinnen, Nannys, Reinigungskräfte und Pflegefachfrauen» länger arbeiten müssten. Dies führte im Gegenzug zu Unmut bei Vertreterinnen und Vertretern der bürgerlichen Parteien, welche kritisierten, dass «die Linke» den Stimmentscheid nicht akzeptieren wolle. Zudem sprach Regine Sauter (fdp, ZH) Funiciello die Berechtigung ab, im Namen aller Frauen zu sprechen, zumal Frauen keine homogene Masse bildeten. Funiciello hingegen betonte gemäss Tages-Anzeiger, dass es «für Verbesserungen [...] den Druck von der Strasse und den Dialog im Bundeshaus» brauche.

Doch nicht nur zwischen den Geschlechtern, auch zwischen den Sprachregionen zeigten sich bereits am Abstimmungssonntag grosse Unterschiede. Sämtliche mehrheitlich romanischsprachigen Kantone lehnten die Reform ab, allen voran die Kantone Jura (29% Ja-Stimmen), Neuenburg (35%) und Genf (37%), während sich nur drei deutschsprachige Kantone mehrheitlich gegen die Reform des AHV-Gesetzes aussprachen (Basel-Stadt: 47% Zustimmung; Solothurn: 49.8%, Schaffhausen: 50.0%). Die höchste Zustimmung fand sich in den Kantonen Zug (65%), Nidwalden (65%) und Appenzell-Innerrhoden (64%). «Die Deutschschweiz sichert die AHV», bilanzierte folglich etwa die NZZ, während SGB-Präsident und Nationalrat Maillard (sp, VD) die Unterschiede zwischen den Sprachregionen kritisierte, neben dem Geschlechtergraben und dem Sprachgraben aber auch einen Einkommensgraben ausmachte. Diese Ergebnisse bestätigte später auch die Vox-Analyse, welche für Personen mit Haushaltseinkommen unter monatlich CHF 3'000 eine deutlich tiefere Zustimmung zur Gesetzesänderung ermittelte als für Personen mit höheren Haushaltseinkommen (unter CHF 3'000: 32%; CHF 3'000-5'000: 49%, CHF 5'000-9'000: 52%, CHF 9'000-11'000: 59%, CHF über 11'000: 60%). Dieselben Unterschiede waren jeweils auch bei der Mehrwertsteuererhöhung erkennbar, wenn auch in geringerem Ausmass.

Als Motive für ihren Stimmentscheid machte die Vox-Analyse bei den Befürwortenden die Notwendigkeit zur Stabilisierung der AHV aus – sowohl bei der Gesetzesänderung (41%) als auch bei der Mehrwertsteuererhöhung (64%) wurde dieser Punkt häufig genannt. Zusätzlich erachteten aber die Befürwortenden die Gesetzesänderung – also wohl vor allem die Rentenaltererhöhung – auch als Schritt hin zur Gleichberechtigung (45%). Die Gegnerinnen und Gegner erachteten sowohl die Gesetzesänderung als ungerecht (84%), insbesondere im Hinblick auf die Lohnungleichheit zwischen Frauen und Männern, als auch auf die Mehrwertsteuererhöhung (46%), die vor allem einkommensschwache Personen treffe und allgemein ein «schlechtes Finanzierungsmittel» (Vox-Analyse) darstelle.

Bereits am Tag nach der Volksabstimmung zur AHV21 schwenkte das mediale Interesse weg von der Reform der AHV hin zur BVG21-Reform. Denn nicht nur die Gegnerinnen und Gegner der AHV21-Reform, sondern auch weite Teile der Befürwortenden wiesen auf die Verpflichtung oder gar das «Versprechen» (AZ) hin, die mit dieser Annahme der Reform einhergingen: Im Gegenzug müsse das Bundesparlament die Benachteiligung der Frauen bei der Altersvorsorge im Rahmen der anstehenden BVG21-Reform korrigieren.

Reform «Stabilisierung der AHV (AHV 21)» (BRG 19.050)
Dossier: Debatten um das Frauenrentenalter
Dossier: Erhöhung des Rentenalters

Pour compenser la hausse des prix de l'énergie pour les ménages à faibles revenus, la députée verte Franziska Ryser (verts, SG) propose des «allocations énergies» ciblées. Ces aides financières temporaires devraient permettre de compenser le probablement doublement des prix de l'énergie à l'horizon 2023.
Le Conseil fédéral s'est opposé à la motion. D'abord, il a reconnu que la reprise économique mondiale et la guerre en Ukraine avaient renforcé l'instabilité sur le marché de l'énergie et qu'une inflation supérieure à 2.5 pour cent devait être envisagée à moyen-terme. En revanche, il a jugé que la forte volatilité des prix empêchait une intervention fédérale urgente. Dans cette optique, il a précisé que les mesures sociales cantonales et communales sont, pour le moment, en mesure d'encaisser le choc de ce renchérissement pour les ménages à faibles revenus.
La motion a été rejetée par la chambre du peuple par 127 voix contre 67 et une abstention. L'argumentaire de la députée saint-galloise n'a convaincu que les groupes écologiste (29 voix) et socialiste (38 voix). Une motion identique 22.3805 a également été rejetée par la chambre des cantons.

Aide ciblée pour soutenir les ménages à revenus modestes face à la hausse des prix de l'énergie (Mo. 22.3782)
Dossier: Gezielte finanzielle Entlastung bei steigenden Energiepreisen
Dossier: Ausserordentliche Session 2022 zum Thema «Kaufkraft»

In der Sommersession 2022 bereinigte das Parlament die Modernisierung der Aufsicht in der 1. Säule und die Optimierung der Aufsicht in der 2. Säule. Zuerst beriet der Ständerat die offenen Differenzen und hiess die meisten Änderungen des Nationalrats gut. Einziger Streitpunkt war die Frage, ob es Einschränkungen bezüglich des Einsitzes in die Aufsichtsbehörden geben soll. Der Bundesrat hatte hier ursprünglich vorgeschlagen, Mitgliedern der Kantonsregierung den Einsitz gänzlich zu verbieten, der Nationalrat wollte nur die Angehörigen der für die Zweite Säule zuständigen Departemente vom Einsitz ausschliessen. Der Ständerat lehnte solche Einschränkungen hingegen erneut ab. Man sehe nicht ein, «wieso Regierungsräte wegen vermuteter Interessenkonflikte ausgeschlossen werden sollen, die Branche und beaufsichtigte Körperschaften jedoch in der Aufsichtsbehörde Einsitz nehmen dürfen», begründete Erich Ettlin (mitte, OW) diesen Einwand im Namen der Mehrheit der SGK-SR. Eine Minderheit Müller (fdp, LU) beantragte hingegen, die Regelung des Nationalrats zu übernehmen. Seit der Strukturreform beim BVG 2011 wolle man die Dominanz der Regierungsratsmitglieder in den regionalen Aufsichtsbehörden reduzieren, nun solle man dies explizit auf Gesetzesstufe regeln. Mit 28 zu 15 Stimmen folgte die kleine Kammer jedoch der Kommissionsmehrheit. Bereinigt wurde hingegen die Frage, ob Versicherungsträger ihre Entscheide elektronisch zustellen können sollen. Der Ständerat hatte eine solche Möglichkeit zuvor gegen den Willen des Nationalrats gutgeheissen, folgte nun aber einer Minderheit Rechsteiner (sp, SG), der auf die Tragweite dieser Bestimmung verwies. Wichtige Entscheide, die anfechtbar sein sollen, müssten auch zukünftig schriftlich erfolgen, forderte er. Zudem sei eine Vernehmlassung zur Digitalisierung in der Verwaltung und im Justizwesen im Gange, die eine umfassende Lösung dieser Problematik anstrebe. Mit 24 zu 18 Stimmen folgte der Rat der Minderheit und bereinigte diese Differenz.

In der Nationalratsdebatte stellten die Kommissionssprecherinnen Céline Amaudruz (svp, GE) und Regine Sauter (fdp, ZH) klar, wie die vom Nationalrat vorgeschlagene Bestimmung zur Mitgliedschaft in den Aufsichtsbehörden der beruflichen Vorsorge zu verstehen war: Einsitz haben dürften demnach weder Regierungsrätinnen und Regierungsräte der betroffenen Departemente, noch Mitarbeitende der betroffenen Departemente. Mit 23 zu 0 Stimmen (bei 1 Enthaltung) hatte die SGK-NR entschieden, an dieser Bestimmung festzuhalten – entsprechend folgte ihr die grosse Kammer stillschweigend. Ob diesem deutlichen Resultat in der grossen Kammer gab der Ständerat in der Folge nach und sprach sich für die vom Nationalrat formulierte Regelung aus.

Somit konnte die letzte Differenz der Vorlage bereinigt werden und die Modernisierung der AHV war bereit für die Schlussabstimmungen. Diese passierte der Entwurf ohne Widerstand: Mit 197 zu 0 Stimmen und 41 zu 0 Stimmen (bei 4 Enthaltungen) stellten sich beide Räte hinter die getroffenen Regelungen.

Aufsicht in der 1. Säule (BRG 19.080)

In der Sommersession 2022 setzte sich der Nationalrat als Erstrat mit der Prämien-Entlastungs-Initiative der SP und dem bundesrätlichen indirekten Gegenvorschlag auseinander. Thomas de Courten (svp, BL) und Benjamin Roduit (mitte, VS) präsentierten dem Rat die beiden Vorlagen. Die SGK-NR habe «Vertretungen des Initiativkomitees, der Kantone, der Versicherer und der Versicherten sowie der Leistungserbringer» angehört und die Behandlung des Geschäfts in der Folge mit demjenigen zur Kostenbremse-Initiative koordiniert, erläuterte de Courten. Dabei habe sie – basierend auf dem Bundesratsvorschlag – ein «neues Modell zum Ausbau der individuellen Prämienverbilligung» geschaffen. Gemäss diesem sollen die Kantone in einem Sozialziel den maximalen Anteil der Prämien am verfügbaren Einkommen in ihrem Kanton definieren und einen minimalen Gesamtbetrag zur Prämienverbilligung festlegen. Diesen Gesamtbetrag dürfen sie auch für die Verlustscheine nicht bezahlter Prämien einsetzen, nicht aber für Prämienverbilligungen für Beziehende von Ergänzungsleistungen – deren Kosten kämen also noch zusätzlich hinzu. Dieser Vorschlag wurde von der Kommission mit 16 zu 9 Stimmen gutgeheissen, während sie mit 17 zu 8 Stimmen die Ablehnung der Initiative beantragte. Eine Minderheit Gysi (sp, SG) forderte hingegen eine Empfehlung auf Annahme der Initiative. Gysi betonte als Mitglied des Initiativkomitees, dass «die unsozialen Kopfprämien» für Personen mit kleinen und mittleren Einkommen eine nicht mehr tragbare Belastung darstellten – sie müssten bis zu 20 Prozent ihrer Einkommen für die Krankenkassenprämien ausgeben. Obwohl die Prämien seit 1995 um 142 Prozent gestiegen seien, gäben heute zudem einige Kantone weniger Geld für die Prämienverbilligungen aus als noch vor zehn Jahren. Der indirekte Gegenvorschlag sei diesbezüglich lediglich «ein Tropfen auf den heissen Stein».
Eine Minderheit de Courten beantragte, nicht auf den Gegenvorschlag einzutreten. Die Kosten der Prämienverbilligungen seien bereits von CHF 1.5 Mrd. auf CHF 5 Mrd. jährlich angestiegen und würden mit dem Gegenvorschlag noch weiter steigen. Der Vorschlag des Bundesrates verringere die Prämienkosten nicht – zumal der «Druck auf die Prämienzahlenden» sinke, wenn jemand anderes für ihre Prämien aufkomme. Neben dem Nichteintretensantrag legte die SVP-Fraktion weitere Minderheitsanträge vor: So sollen gemäss eines Minderheitsantrags von Thomas Aeschi (svp, ZG) die Ergänzungsleistungen nicht separat ausgewiesen werden müssen, wodurch sich die Belastung für die Kantone verringern würde. Zudem sollten gemäss einer Minderheit de Courten zumindest die Verlustscheine angerechnet werden. Schliesslich sollten die Kantone anonymisierte Angaben zu den Empfängerinnen und Empfängern, unter anderem zur Staatsbürgerschaft, machen müssen (Minderheit Aeschi).
Es folgte eine angeregte und sehr ausführliche Debatte zu Krankenkassenprämien und Individualverbilligungen. Die Mitglieder der SP- und Grünen-Fraktion warben für die Initiative, empfahlen aber auch den Gegenvorschlag zur Annahme, variierten in dessen Einschätzung aber deutlich: Mattea Meyer (sp, ZH) sprach etwa von einem substanziellen Gegenvorschlag, während ihn Manuela Weichelt (al, ZG) als «Kröte» erachtete. Die Sprechenden der SVP-Fraktion lehnten sowohl Initiative als auch Gegenvorschlag als unnütz und zu teuer ab. Die Sprechenden der Mitte-, Grünliberalen- und FDP-Fraktionen zeigten sich zwar mehrheitlich nicht enthusiastisch gegenüber dem Gegenvorschlag, empfahlen ihn aber etwa als «tragbar» (Regine Sauter: fdp, ZH) oder gar als «in sich stimmig und in seiner Grösse ausreichend, um eine echte Alternative zur Volksinitiative darzustellen» (Jörg Mäder: glp, ZH) zur Annahme.
Tags darauf schritt der Nationalrat zur Abstimmung über Eintreten auf den Gegenvorschlag. Mit 134 zu 53 Stimmen sprach sich der Rat für Eintreten und gegen den Minderheitsantrag de Courten aus. Einstimmig lehnte die SVP-Fraktion Eintreten ab. In der Folge verwarf die grosse Kammer die Minderheitsanträge Aeschi und de Courten deutlich. Schliesslich nahm der Nationalrat den indirekten Gegenvorschlag mit 119 zu 66 Stimmen – die Gegenstimmen stammten von der SVP- und von Teilen der FDP.Liberalen-Fraktion – (bei 2 Enthaltungen) an. Hingegen sprach er sich mit 121 zu 67 Stimmen für eine Empfehlung zur Ablehnung der Volksinitiative und somit gegen die Minderheit Gysi aus; für eine Annahmeempfehlung stimmten die Fraktionen der SP und der Grünen. Stillschweigend verlängerte der Rat in der Folge die Behandlungsfrist der Initiative aufgrund des Gegenvorschlags bis Oktober 2023.

Eidgenössische Volksinitiative «Maximal 10 Prozent des Einkommens für die Krankenkassenprämien (Prämien-Entlastungs-Initiative)» und indirekter Gegenvorschlag (BRG 21.063)
Dossier: Anstieg der Krankenkassenprämien dämpfen (seit 2020)
Dossier: Prämienverbilligung
Dossier: Volksinitiativen zum Thema «Krankenkasse» (seit 2015)

Mittels einer im Juni 2020 eingereichten Motion wollte Regine Sauter (fdp, ZH) die Schaffung der notwendigen gesetzlichen Grundlagen zur Einführung von E-Rezepten und deren digitalen Übermittlung erreichen. Die Ärzteschaft sollte dazu verpflichtet werden, die Ausstellung und Übertragung der Heilmittelrezepte elektronisch abzuwickeln, da dadurch Medienbrüche verhindert werden könnten. Gemäss Sauter geht das elektronische Rezept mit einigen Vorteilen einher: So könnten etwa Rezeptfälschungen verhindert oder das Risiko von Fehlmedikationen und die entsprechenden Folgekosten durch eine bessere Lesbarkeit von elektronischen Rezepten verringert werden. Weil nicht alle Personen über die gleichen digitalen Kompetenzen verfügten, gelte es aber zudem, «eine angemessene Alternative zum digitalen Rezept in Papierform» auszuarbeiten. In seiner Stellungnahme von Anfang September 2020 empfahl der Bundesrat den Vorstoss zur Ablehnung, zumal die Rechtsgrundlagen für die Umsetzung des E-Rezepts in der Arzneimittelverordnung schon existierten. Zudem werde durch die Einführung des EPD ab Ende 2020 eine nahtlose Interaktion zwischen Patientenschaft und Akteurinnen und Akteuren des Gesundheitswesens – auch im Bereich der Rezepte – ermöglicht.
Die Motion kam in der Sommersession 2022 in den Nationalrat. Nachdem Sauter ihr Anliegen vorgestellt hatte, erklärte Gesundheitsminister Alain Berset, dass der Bundesrat die Entwicklung von E-Rezepten zwar unterstütze, aber in Übereinstimmung mit einer Motion der SGK-NR (Mo. 19.3955) von einem Zwang absehen wolle. Die grosse Kammer nahm die Motion jedoch mit 155 zu 29 Stimmen (bei 5 Enthaltungen) deutlich an. Sämtliche Gegenstimmen und Enthaltungen stammten von Mitgliedern der SVP-Fraktion.

Einführung eines E-Rezepts (Mo. 20.3770)
Dossier: Digitalisierung im Gesundheitswesen
Dossier: Digitalisierung im Arzneimittelbereich

In der Frühjahrssession 2022 beriet der Nationalrat die Motion Herzog (sp, BS), die eine Ergänzung des Epidemiengesetzes zur Garantie des Grenzverkehrs auch in Pandemiezeiten verlangte. Die SGK-NR beantrage die Annahme der Motion, teilte deren Sprecherin Regine Sauter (fdp, ZH) mit. Die Einschränkung des Personenverkehrs als Folge der Grenzschliessungen hätte die Bekämpfung der Pandemie beeinträchtigt, da auch das Gesundheitspersonal davon betroffen gewesen sei. Eine Bestimmung, die den Grenzverkehr auch in Krisenzeiten garantiert, der ins Covid-19-Gesetz aufgenommen wurde, sei nur befristet, weshalb für vergleichbare Situationen in der Zukunft eine Anpassung des Epidemiengesetzes notwendig sei. Benjamin Roduit (mitte, VS), ebenfalls Kommissionssprecher, kritisierte den Bundesrat und eine Kommissionsminderheit für deren ablehnende Haltung. Die Feststellung des Bundesrats, dass Grenzgänger und Grenzgängerinnen trotz der Reisebeschränkungen aus beruflichen Gründen in die Schweiz einreisen durften, überzeugte Roduit nicht. Diese Lösungen seien erst auf Druck des Parlaments und erst nach der ersten Welle gefunden worden. Auch der Einwand des Bundesrats, dass die Motion den gesundheitspolitischen Handlungsspielraum bei multilateral-verhandelten Gesundheitsbeschränkungen beschneide, liess Roduit nicht gelten. Die Schweiz sei schliesslich in Fragen der öffentlichen Gesundheit und Sicherheit souverän. Innenminister Berset gab zu, dass man ohnehin mehrere Bestimmungen des Epidemiengesetzes überarbeiten müsse und widersprach der Forderung der Motion nicht grundsätzlich. Er beharrte aber darauf, zuerst eine Analyse durchzuführen, bevor irgendwelche Konsequenzen gezogen werden könnten. Bereits im Juni 2020 habe der Bundesrat eine Revision des Epidemiengesetzes gefordert. Nun warte man ab, bis eine umfassende und vollständige Analyse der Pandemie möglich sei. Bis Mitte 2023 solle der Änderungsentwurf in die Vernehmlassung gegeben werden, erklärte Berset der grossen Kammer. Er bat den Nationalrat, keine Motionen anzunehmen, bevor nicht eine Gesamtbilanz gezogen werden konnte und beantragte die Ablehnung des Vorstosses. Da lediglich die SVP mehrheitlich gegen die Motion stimmte, wurde sie mit 127 zu 46 Stimmen (bei 2 Enthaltungen) auch vom Zweitrat deutlich angenommen.

Ergänzung des Epidemiengesetzes zur Garantie des Grenzverkehrs auch in Pandemiezeiten
Dossier: Kontrolle der Schweizer Landesgrenzen in Covid-19-Zeiten

In der Frühjahrssession 2022 beriet der Nationalrat die Modernisierung der Aufsicht in der 1. Säule und die Optimierung der Aufsicht in der 2. Säule. Die Kommission hatte zuvor nur wenige Änderungen gegenüber der ständerätlichen Version geschaffen und die Vorlage mit 18 zu 0 Stimmen bei 5 Enthaltungen gutgeheissen. Die Kommissionssprecherinnen Céline Amaudruz (svp, GE) und Regine Sauter (fdp, ZH) präsentierten dem Rat die Vorlage mit drei Aspekten im AHV- und einem Aspekt im BVG-Bereich: die Schaffung einer modernen und risikoorientierten Aufsicht, die Stärkung der Governance und der Verbesserung der Steuerung und Überwachung der Informationssysteme in der AHV sowie die punktuellen Optimierungen der Aufsicht über die 2. Säule.
In einem ersten Block beschäftigte sich der Rat mit der 1. Säule: Hier diskutierte er insbesondere über drei Minderheitsanträge. Eine Minderheit Rösti (svp, BE) setzte sich mit dem Fall einer Auflösung einer Verbandsausgleichskasse auseinander. In diesem Fall müssen andere Kassen die Rentenbeziehenden der aufgelösten Kasse übernehmen, wofür sie eine Entschädigung erhalten. Um diese Entschädigung bezahlen zu können, müssen die Ausgleichskassen jeweils Rückstellungen vornehmen. Bundesrat, Ständerat und Kommissionsmehrheit beabsichtigten nun, subsidiär auch die Gründerverbände der Ausgleichskassen für diese Entschädigungen aufkommen zu lassen – falls die aufgelöste Ausgleichskasse zu wenige Rückstellungen getätigt hatte. Die Minderheit Rösti wollte diese subsidiäre Zuständigkeit jedoch streichen, da sonst die Gefahr bestehe, dass die Ausgleichskassen die Reservebildung zu wenig ernst nehmen würden. Mit 131 zu 48 Stimmen fand dieser Vorschlag jedoch nur bei der geschlossen stimmenden SVP-Fraktion und einem Mitglied der Mitte-Fraktion Zustimmung.
Die anderen beiden Minderheiten beschäftigten sich mit den von den Durchführungsstellen verwendeten Informationssystemen. Der Bundesrat hatte deren Verwendung neu geregelt und wollte der Aufsichtsbehörde ermöglichen, den Durchführungsstellen Mindestanforderungen an ihre Informationssysteme, etwa zum Datenschutz, zu definieren. Diese Mindestanforderungen wollten der Ständerat sowie die Kommissionsmehrheit streichen, während sie eine Minderheit Gysi (sp, SG), unterstützt von Bundesrat Berset, beibehalten wollte. Für diese «sensible[n] persönliche[n] Daten» brauche es Mindestanforderungen, betonte Barbara Gysi, während sich Bundesrat Berset davon «une sorte d'uniformité minimale de l'exécution» erhoffte. Kommissionssprecherin Sauter begründete die Ablehnung der Kommissionsmehrheit gegenüber solchen Mindeststandards mit der Aufsichtsfunktion der Aufsichtsbehörde: Mit der Definition von Mindestanforderungen würde sie ins Operative eingreifen, was nicht ihre Aufgabe sei. Mit 98 zu 77 Stimmen (bei 1 Enthaltung) setzte sich die Kommissionsmehrheit durch. Eine weitere Minderheit Rösti wehrte sich dagegen, dass der AHV-Ausgleichsfonds die Entwicklungs- und Betriebskosten der Informationssysteme übernehmen soll. Konkret gehe es um die Frage, ob der Staat oder die Durchführungsstellen für die Weiterentwicklung der Informatiksysteme zuständig sein sollen. Letzteres sei vorzuziehen, da die Durchführungsstellen dann an einem möglichst effizienten System interessiert seien – entsprechend würden sie die Kosten der Informationssysteme als Verwaltungskosten verbuchen. Da es «um [gesamtschweizerisch anwendbare] kassenübergreifende Informatikanwendungen» gehe, solle der AHV-Ausgleichsfonds für deren Kosten aufkommen, betonte hingegen die Kommissionsmehrheit. Mit 132 zu 47 Stimmen folgte der Nationalrat auch hier der Mehrheit seiner Kommission.

Auch im zweiten Block zur Optimierung der Aufsicht in der beruflichen Vorsorge gab es zwei Punkte, die relativ ausführlich diskutiert wurden. Einerseits wurde die Frage der Unabhängigkeit der kantonalen Aufsichtsbehörden besprochen. Der Bundesrat erachtete diese als nicht gegeben, solange Mitglieder der Kantonsregierungen oder -verwaltungen auch Einsitz in die Aufsichtsbehörden haben, und schlug daher ein entsprechendes Einsitzverbot vor. Der Ständerat verneinte anschliessend eine solche Problematik und strich die entsprechende Regelung. Die Mehrheit der SGK-NR schlug nun quasi als Kompromiss vor, dass der Einsitz in die Aufsichtsbehörden nur Mitgliedern desjenigen kantonalen Departements untersagt werden soll, das für die 2. Säule zuständig ist. Bundesrat Berset erachtete diesen Vorschlag jedoch als in einer Kollegialbehörde nicht praktikabel. Eine Minderheit I Sauter bevorzugte die bundesrätliche Lösung, während eine Minderheit II Weichelt (al, ZG) die vorgeschlagene Regelung um ein Verbot der Beteiligung von Branchenvertretenden ergänzen wollte. Ein Ausschluss der Exekutivmitglieder, jedoch nicht der Branchenvertretenden sei «ziemlich janusköpfig» und erfülle die Auflagen der Governance nicht, befand Manuela Weichelt mit Verweis auf die zahlreichen Vertretenden von Unternehmen und Stiftungen, die mit der Durchführung der beruflichen Vorsorge verbunden sind, in den Aufsichtsbehörden. Wie bei der Oberaufsichtskommission «Berufliche Vorsorge» brauche es auch für die kantonalen Aufsichtsbehörden eine gesetzliche Regelung. Nach einigen Wirren und einer wiederholten Abstimmung setzte sich der Mehrheitsantrag gegen die zwei Minderheiten durch.
Interessenkonflikte standen auch im Mittelpunkt des zweiten Diskussionspunkts zur Aufsicht über die Pensionskassen: die Finanzierung der Vermittlertätigkeiten. Hierzu hatte der Bundesrat nach der Vernehmlassung eine Regelung ergänzt, wonach er die Vermittlungstätigkeit für über die Mindestleistungen hinausgehende Pensionskassenleistungen mittels Verordnung regeln wollte. Damit beabsichtigte er, Interessenkonflikte der Broker zu bekämpfen. Da nicht die Arbeitgebenden, sondern die Pensionskassen die Broker bezahlten, hätten Letztere Anreize, diejenigen Pensionskassen zu empfehlen, die ihnen am meisten Provisionen einbringen, ergänzte Manuela Weichelt-Picard. Zudem werde für die Vermittlung Geld der Versicherten ausgegeben, das für die Verzinsung der Guthaben eingesetzt werden könnte. Entsprechend wollte sie mit einem Minderheitsantrag dem Bundesrat folgen. Regine Sauter lehnte im Namen der Kommissionsmehrheit die Notwendigkeit einer solchen Regelung ab – die Vermittlungsgebühren würden heute transparent ausgewiesen, die KMU könnten die Kosten auch selbst übernehmen. Zudem sei diese Frage nicht in der Vernehmlassung diskutiert worden, werde stattdessen aber aktuell im Rahmen der Revision des Versicherungsaufsichtsgesetzes behandelt. Die Kommissionsmehrheit setzte sich in der Folge mit 119 zu 68 Stimmen gegen den Willen von SP, Grünen und drei Personen der Mitte-Fraktion auch hier durch.
Stillschweigend schuf der Nationalrat zudem einige weitere Differenzen zum Ständerat. Unter anderem lehnte er es ab, im Rahmen dieser Revision die Möglichkeit für eine elektronische Übermittlung von Entscheiden zu schaffen. Inhaltlich bestehe hier zwar keine Differenz zum Ständerat, jedoch könne diese Frage nicht ausschliesslich für die Ausgleichskassen geregelt werden, sondern müsse sich auf alle Sozialversicherungen beziehen. Entsprechend wollte der Nationalrat eine Revision des Verwaltungsverfahrensrechts, die bereits im Gange war, abwarten.
Trotz kleineren inhaltlichen Differenzen stiess die Vorlage insgesamt beim ganzen Nationalrat auf Anklang: In der Gesamtabstimmung nahm die grosse Kammer die Vorlage mit 186 zu 0 Stimmen einstimmig an.

Aufsicht in der 1. Säule (BRG 19.080)

In der Frühjahrssession 2022 beriet der Nationalrat als Erstrat das neue Bundesgesetz über die Regulierung der Versicherungsvermittlertätigkeit. Aufgrund der Motionen Birrer-Heimo (sp, LU; Mo. 17.3956), Bruderer Wyss (sp, AG; Mo. 17.3964) und der SGK-SR (Mo. 18.4091) habe der Bundesrat hier eine neue Regelung für eine verbindliche Branchenlösung ausgearbeitet, erläuterte Jörg Mäder (glp, ZH) für die Kommission. Gleichzeitig habe aber auch die Krankenkassenbranche eine «interne Branchenvereinbarung» geschaffen. Diese sei seit Januar 2021 in Kraft und habe zu einer Reduktion der jährlichen Klagen von 300 auf 80 geführt, sei aber nicht allgemeinverbindlich. Aus diesem Grund brauche es eben auch die bundesrätliche Vorlage, der die Kommissionsmehrheit grösstenteils folgen wolle. Die meisten Fraktionssprechenden hiessen die Vorlage denn auch gut, einzig aus der SVP-Fraktion kamen Stimmen, die das neue Gesetz als unnötig erachteten. Stattdessen schlug Thomas de Courten (svp, BL) einen anderen Lösungsweg vor: «Sagen Sie einfach höflich ‹Nein, danke›, und legen Sie den Telefonhörer wieder auf – Problem gelöst.» Eintreten wurde jedoch ohne Gegenantrag beschlossen.
In der Detailberatung schlug die Kommissionsmehrheit eine Einschränkung der bundesrätlichen Regelung vor. So sollten die Regelungen bezüglich Ausbildung und Einschränkung der Entlöhnung von Vermittlerinnen und Vermittlern auf externe Broker beschränkt werden, wodurch von den Versicherungen direkt angestellte Personen davon ausgenommen wären. Ansonsten sei diese Massnahme ein schwerwiegender Eingriff in die Entlohnung des internen Personals, argumentierte Benjamin Roduit (mitte, VS) für die Kommissionsmehrheit. Zudem hätten die internen Mitarbeitenden Interesse an langfristigen Beziehungen zu den Kunden, ergänzte Kommissionssprecher Mäder. Eine Minderheit I Mäder verlangte hingegen, bei der bundesrätlichen, umfassenderen Lösung zu bleiben. Diese Differenzierung sei «nicht im Sinne der Bevölkerung oder der Motion», begründete Melanie Mettler (glp, BE) diesen Antrag. Auch Gesundheitsminister Berset erachtete ihn als nicht nachvollziehbar. Damit könne die neu geschaffene Regelung umgangen werden, warnte er. Mit 109 zu 84 Stimmen setzte sich die Kommissionsmehrheit jedoch gegen die geschlossen stimmenden Fraktionen der SP, der Grünen, der GLP und gegen die Mitglieder der EVP durch.
Alle übrigen Änderungsanträge lehnte der Nationalrat ab, darunter zwei Anträge für weitere Einschränkungen der Regelungen, etwa den Vorschlag einer Minderheit Hess (mitte, BE). Sie erachtete die Sanktionierungsmöglichkeiten als «unverhältnismässig stark». Stattdessen sollen die Sanktionen von den Versicherungen selbst festgelegt und vom Bundesrat allgemeinverbindlich erklärt werden. Gesundheitsminister Berset erwiderte jedoch, dass der Bundesrat keine privat festgelegten Strafen als allgemeinverbindlich erklären könne, und der Nationalrat lehnte den Minderheitsantrag mit 113 zu 79 Stimmen (bei 1 Enthaltung) ab. Er war bei der SVP- und der Mitte-Fraktion, mit Ausnahme der EVP, auf Zustimmung gestossen. Auch einen Antrag Sauter (fdp, ZH), die neuen Regelungen auf die Grundversicherung zu beschränken und die Zusatzversicherungen davon auszunehmen, lehnte die Mehrheit des Nationalrats ab (108 zu 87 Stimmen bei 1 Enthaltung).
Erfolglos blieben auch die Mitglieder der linksgrünen Parteien beim Versuch, den bundesrätlichen Vorschlag verbindlicher zu machen respektive die Regelungen auszuweiten. Eine Minderheit Gysi (sp, SG) verlangte, dass die Branchenvereinbarung verbindlich erklärt werden muss, nicht nur kann. Katharina Prelicz-Huber (gp, ZH) wollte darüber hinaus sicherstellen, dass in zwei Jahren eine allgemeinverbindliche Regelung besteht – ansonsten solle der Bundesrat eingreifen. Beide Anträge scheiterten im Rat (mit 125 zu 68 Stimmen respektive 124 zu 68 Stimmen) und wurden nur von Mitgliedern der SP, der Grünen und der EVP unterstützt – genauso wie ein Antrag von Flavia Wasserfallen (sp, BE), Verträge, die durch einen Verstoss gegen das allgemeinverbindlich erklärte Verbot entstanden seien, für nichtig zu erklären. Überdies scheiterten auch die Anliegen, das «Schlupfloch» des Kaufs von Leads, bei dem die Versicherungen mit Gutscheinen «Alibipreisverleihungen» durchführten, um an Adressen zu kommen, zu schliessen (Minderheit Flavia Wasserfallen) sowie die Werbeausgaben auf maximal 0.3 Prozent der Prämieneinnahmen zu begrenzen (Minderheit Gysi) – sie wurden ebenfalls nur von der SP, den Grünen und der EVP unterstützt.
In der Gesamtabstimmung nahm der Nationalrat die Vorlage mit 162 zu 12 Stimmen (bei 22 Enthaltungen) an. Die ablehnenden Stimmen stammten von Minderheiten der SVP- und der FDP.Liberalen-Fraktion, die Enthaltungen von der Hälfte der Grünen-, einer Minderheit der SP- und einem Mitglied der SVP-Fraktion.

Bundesgesetz über die Regulierung der Versicherungsvermittlertätigkeit (BRG 21.043)

Bereits in der Frühjahrssession 2022 machte sich der Nationalrat an die Differenzbereinigung des Pakets 1b des ersten Massnahmenpakets zur Kostendämpfung im Gesundheitswesen. Offen waren zahlreiche verschiedene Aspekte, wobei der Vorschlag des Nationalrats, dass OKP-Versicherungen mit Leistungserbringenden Rabatte aushandeln und einen Teil der Einsparungen zur freien Verfügung erhalten sollen, auch ausserhalb des Parlaments für die meisten Diskussionen gesorgt hatte. Der Ständerat hatte diese Regelung abgelehnt, die Mehrheit der SGK-NR beantragte jedoch Festhalten. Kommissionssprecherin Ruth Humbel (mitte, AG) betonte, dass die Versicherungen dadurch Anreize hätten, tiefere Preise auszuhandeln, was den Versicherten zugute kommen würde. Eine Minderheit Hess (mitte, BE) sprach sich hingegen für die Streichung dieser Regelung aus, zumal sie falsche Anreize setze, den ordentlichen Tarifverhandlungen zuwiderlaufe und gegen das Gewinnverbot in der OKP verstosse. Überaus knapp mit 98 zu 97 Stimmen setzte sich der Minderheitsantrag mit Unterstützung der SP-, der Mitte-, der Grünen- und einem Mitglied der GLP-Fraktion durch. Somit war dieser Aspekt bereinigt.
Ebenfalls bereinigt wurde die Frage nach dem Beschwerderecht für Krankenkassenverbände. Hier folgte der Nationalrat knapp dem Argument der Kommission, wonach dieses das Kräftegleichgewicht zwischen den Interessen der Leistungserbringenden, Versicherungen und Versicherten sowie der Kantone fördere. Eine Minderheit Feri (sp, AG) kritisierte hingegen, dass die Versicherungen damit die Kantone in der Erfüllung ihres politischen Auftrags behindern würden, und fürchtete aufgrund der Beschwerden eine aufschiebende Wirkung bei der Spitalplanung. Mit 98 zu 94 Stimmen (bei 3 Enthaltungen) setzte sich die Kommissionsmehrheit in dieser Frage knapp gegen die geschlossen stimmenden Fraktionen der SP, Grünen und GLP, gegen die Mitglieder der EVP und gegen eine Minderheit der SVP-Fraktion durch.
Bereinigt wurden des Weiteren die Regelungen zum Substitutionsrecht, also zur Frage der Abgabe von Generika statt Originalpräparaten durch die Apothekerinnen und Apotheker. Die Kommissionsmehrheit hielt an der Formulierung fest, wonach Arzneimittel dann substituiert werden dürfen, wenn sie über eine gleiche medizinische Eignung verfügen und günstiger sind. Der Ständerat hatte darüber hinaus festgehalten, dass Ärztinnen und Ärzte weiterhin das Originalpräparat verschreiben dürfen, was eine Minderheit Humbel übernehmen wollte. Obwohl die Wirkung der Arzneimittel gleich sei, könnten sie sich bezüglich Verträglichkeit und Qualität unterscheiden, ergänzte Lorenz Hess für die Minderheit. Die Kommissionsmehrheit wollte auf diesen Zusatz verzichten, zumal die Verwaltung erklärt hatte, dass eine solche Formulierung nicht nötig sei, weil Ärzte sowieso das Recht hätten, auf Originalpräparaten zu bestehen. Mit 121 zu 70 Stimmen folgte der Nationalrat der Minderheit und somit dem Ständerat; die SVP-Fraktion, die Mehrheit der GLP-Fraktion sowie zwei Mitglieder der Grünen-Fraktion hatten vergeblich die Version der Kommissionsmehrheit befürwortet.
Auch die Frage der Parallelimporte von Generika bereinigte der Nationalrat bereits in der ersten Runde des Differenzbereinigungsverfahrens. Diese wollte der Nationalrat ursprünglich von einer Zulassung durch Swissmedic ausnehmen, der Ständerat hatte dies jedoch abgelehnt. Ohne das Zulassungsverfahren durch Swissmedic bestehe die Gefahr, dass Fälschungen oder qualitativ schlechte Arzneimittel auf den Schweizer Markt kämen, wurde argumentiert. Eine Minderheit Nantermod (fdp, VS) wollte an der Ausnahme festhalten, da Generika heute im Ausland deutlich günstiger seien als in der Schweiz und es lediglich um im EU-Raum bereits zugelassene Arzneimittel gehe. Als Kompromiss schlug Philippe Nantermod vor, dass die direktimportierten Arzneimittel auf einer BAG-Liste aufgeführt und vor dem Import bei Swissmedic gemeldet werden müssen. Mit 165 zu 28 Stimmen (bei 2 Enthaltungen) sprach sich der Nationalrat jedoch für die bisherige Regelung aus, der Minderheitsantrag fand nur bei einer Mehrheit der FDP.Liberalen-Fraktion und einer Minderheit der SP-Fraktion Zustimmung.
Bezüglich der Parallelimporte sahen überdies sowohl National- als auch Ständerat eine Vereinfachung bei der Kennzeichnung und den Arzneimittelinformationen vor. Hatte der Ständerat ursprünglich eine Kann-Formulierung bezüglich dieser Vereinfachungen eingeführt, schlug die Kommissionsmehrheit nun eine Muss-Formulierung vor. Eine Minderheit de Courten (svp, BL) beantragte jedoch, bei der Kann-Formulierung zu bleiben, da Vereinfachungen für eine Gewährleistung der Versorgungssicherheit nicht in allen Fällen nötig seien. Mit 140 zu 55 Stimmen, gegen die Mehrheit der SVP und 2 Mitglieder der SP, hielt der Nationalrat hier die Differenz aufrecht.
Die grosse Kammer schuf zudem eine neue Differenz: Mit Zustimmung der SGK-SR stellte die SGK-NR einen Rückkommensantrag bezüglich der Frage des Kostenmonitorings. Der Bundesrat hatte anfänglich ein solches vorgeschlagen, National- und Ständerat hatten dieses aber in den ersten Beratungsrunden mit knappen Mehrheiten aus der Vorlage gestrichen. Die Kommission beschäftigte sich in der Folge mit einem im Ständerat diskutierten Einzelantrag Würth (mitte, SG) für ein «Monitoring der Entwicklung der Mengen, Volumen und Kosten» sowie für Korrekturmassnahmen bei nicht erklärbaren Entwicklungen. Doch obwohl die Kommission die entsprechende Regelung erneut beraten und einen Rückkommensantrag gestellt hatte, sprach sich die Kommissionsmehrheit gegen deren erneute Aufnahme in die Vorlage aus. Die Regelung wurde aber von einer Minderheit Humbel unterstützt. Ein weiterer Minderheitsantrag Prelicz-Huber (gp, ZH), übernommen von Regine Sauter (fdp, ZH), nachdem ihn die Minderheitensprecherin zurückgezogen hatte, wollte diese Frage sistieren und damit an die Kommission zurückweisen. Diese sollte den Vorschlag in der Folge im Rahmen des indirekten Gegenvorschlags zur Kostenbremse-Initiative, der ein Kostenziel vorsah, beraten. Mit 111 zu 83 Stimmen (bei 1 Enthaltung) sprach sich der Nationalrat gegen die Sistierung aus und folgte stattdessen mit 103 zu 87 Stimmen (bei 5 Enthaltungen) der Minderheit Humbel. Die Fraktionen der SVP und FDP hatten sich für die Sistierung ausgesprochen, zusammen mit einzelnen Mitgliedern der GLP- und der Mitte-Fraktion waren sie es auch, welche auf die neue Regelung verzichten wollten. Somit hatte der Nationalrat in dieser Runde zwar zahlreiche Differenzen zum Ständerat bereinigt, gleichzeitig aber auch eine voraussichtlich stark umstrittene Differenz geschaffen.

Erstes Massnahmenpaket zur Kostendämpfung im Gesundheitswesen (BRG 19.046)
Dossier: Anstieg der Krankenkassenprämien dämpfen (seit 2020)

Der Gewerbeverein gab im Februar 2022 die Gründung einer Westschweizer Sektion bekannt. In der Romandie wird der Verein unter dem Namen «Association suisse des arts et métiers (ASAM)» auftreten.
Der Gewerbeverein war 2019 in der Deutschschweiz gegründet worden. Er versteht sich als Interessenvertretung kleinerer und mittlerer Unternehmen, welche ihre ökologische und soziale Verantwortung wahrnehmen und nachhaltig wirtschaften wollen. Der Gewerbeverein wolle damit eine Alternative bieten zu jenen Wirtschaftsverbänden, welche rückwärtsgewandte und überholte Positionen («des positions rétrogrades et passéistes») verträten, wie er in seiner Medienmitteilung erklärte. Das Co-Präsidium des Vereins haben seit dessen Gründung der Berner Gastrounternehmer Michel Gygax sowie die Unternehmerin und Nationalrätin Aline Trede (gp, BE) inne. Mit Samuel Bendahan (sp, VD) und Franziska Ryser (gp, SG) gehörten dem Vereinsvorstand zwei weitere links-grüne Nationalratsmitglieder an. In der Deutschschweiz verfügte der Gewerbeverein 2022 über die Sektionen Basel/Nordwestschweiz, Bern/Mittelland, St.Gallen/Ostschweiz sowie Zürich. Schweizweit gehörten ihm 2022 rund 350 Unternehmen als Mitglieder an, 30 davon in der neuen Westschweizer Sektion. Er war damit um ein Vielfaches kleiner als der bürgerlich geprägte Gewerbeverband, dem rund 500'000 Unternehmen angehörten.

Gründung einer Westschweizer Sektion des Gewerbevereins

In der Wintersession 2021 setzte sich das Parlament nochmals ausgiebig mit der AHV-21-Reform auseinander und bereinigte diese. Bevor der Nationalrat aber die Details der Reform besprechen konnte, musste er sich mit einer grundsätzlicheren Frage auseinandersetzen. So verlangte eine Minderheit Mettler (glp, BE) eine Rückweisung der Vorlage an die Kommission und eine Verknüpfung der Inkraftsetzung der AHV-21- mit derjenigen der BVG-21-Reform, deren Beratung das Parlament in der Wintersession 2021 ebenfalls aufnahm. Eine Verknüpfung sei nötig, weil eine Anpassung des Frauenrentenalters an dasjenige der Männer eine Senkung des Koordinationsabzugs im BVG voraussetze, betonte Melanie Mettler. Eine gleich lange Arbeitszeit für Frauen und Männer bedinge demnach «eine gleich gute Versicherung ihrer Einkommen». Dieser Antrag stiess jedoch nur in der GLP-, bei Teilen der SP- sowie bei einzelnen Mitgliedern der Grünen-Fraktion auf Zustimmung; er wurde mit 136 zu 28 Stimmen (bei 29 Enthaltungen) abgelehnt. Barbara Gysi (sp, SG) etwa erachtete eine solche Verknüpfung als gefährlich, da man zum Zeitpunkt der anvisierten Referendumsabstimmung zur AHV 21 noch nicht wisse, «wie die BVG-Revision herauskommt». Zentral sei stattdessen eine Verhinderung der Rentenaltererhöhung. Auch die Mitglieder der anderen Parteien lehnten eine Verknüpfung der zwei Vorlagen unter anderem mit Verweis auf die kritischen Voten zum Einbezug beider Säulen in die Altersvorsorge 2020 ab.

In der Detailberatung war vor allem noch die Frage nach dem Modell der Ausgleichsmassnahmen für direkt betroffene Frauenjahrgänge offen. In beiden Räten waren zuvor zahlreiche unterschiedliche Modelle diskutiert worden, zuletzt hatte sich der Ständerat für eine Kombination der verschiedenen Modelle ausgesprochen, gemäss der die Frauen aus neun betroffenen Jahrgängen Rentenzuschläge erhalten sollen, die nach Jahrgängen und nach Einkommen abgestuft werden. Zudem wollte der Ständerat den betroffenen Frauen als Alternative zu den höheren Rentenzuschlägen keine tieferen Kürzungssätze bei Rentenvorbezug anbieten, wie es der Bundesrat und der Nationalrat beabsichtigt hatten.
Die Mehrheit der SGK-NR schlug nun vor, dem Ständerat zwar bezüglich des Modells der Rentenzuschläge und der betroffenen neun Jahrgänge zu folgen, die Zuschläge jedoch für sämtliche Kategorien deutlich zu reduzieren. Im Gegenzug bestand die Kommissionsmehrheit auf den reduzierten Kürzungssätzen bei Rentenvorbezug, erhöhte diese aber quasi als Kompromissvorschlag im Vergleich zu ihrem ersten Vorschlag deutlich. Ein «zielgerichteteres» Modell wollte eine Minderheit Sauter (fdp, ZH) einführen: Mit diesem bliebe zwar das Kompensationsvolumen gegenüber der Mehrheit gleich, jedoch würden nur sieben Jahrgänge vom Rentenzuschlag profitieren, während die Kürzungssätze im Gegenzug nicht erhöht würden. Damit könnten sich gerade auch Frauen mit tieferen Einkommen eine Frühpensionierung eher leisten, bewarb die Minderheitensprecherin das Modell. Zudem sollten die Zuschläge dadurch die Maximalrente oder den Ehepaarplafond nicht übersteigen können, womit ein «grobe[r] Systemfehler» behoben werden könne. Damit werde jedoch ein Rentenvorbezug attraktiver, was man eigentlich habe verhindern wollen, kritisierte etwa Ruth Humbel (mitte, AG) den Vorschlag der Minderheit. In der Folge entschied sich der Nationalrat mit 167 zu 28 Stimmen, seiner Kommissionsmehrheit zu folgen, wobei einzig die FDP.Liberale-Fraktion den Minderheitsantrag unterstützte.
Damit hatte das Parlament auch bezüglich der Ausgleichsmassnahmen einen Grundsatzentscheid gefällt. In den folgenden Behandlungsrunden bemühten sich die Räte um einen Kompromiss bei der konkreten Ausgestaltung der Regelung. So lenkte der Ständerat in der Folge zwar bezüglich der Schaffung einer Wahlmöglichkeit zwischen einem Rentenzuschlag und einer Reduktion der Kürzungssätze bei Vorbezug ein. Er schlug aber gleichzeitig eine Erhöhung der vom Nationalrat stark gekürzten Rentenzuschläge sowie der vom Nationalrat bereits leicht erhöhten Kürzungssätze vor. Mit diesem Kompromiss zeigte sich der Nationalrat in der Folge einverstanden, womit die Ausgestaltung der Ausgleichsmassnahmen noch vor der Einigungskonferenz beschlossen werden konnte.

Offen waren zu Beginn der Wintersession auch die vom Nationalrat eingebrachte Zusatzfinanzierung der AHV durch die Nationalbank sowie die Frage, ab wann Hilflosenentschädigungen ausgesprochen werden sollen. Bei der ersten Differenz waren die Meinungen in den Räten gemacht, wobei der Ständerat am längeren Hebel sass: Dadurch, dass er zweimal auf Eintreten auf den entsprechenden Bundesbeschluss verzichtete, verunmöglichte er die Weiterverfolgung dieser durch den Nationalrat eingebrachten Idee – zumindest im Rahmen der aktuellen AHV-Revision, denn ein ähnliches Ziel verfolgte auch eine zum damaligen Zeitpunkt noch hängige Kommissionsinitiative (Pa.Iv. 20.432). Bezüglich der Hilflosenentschädigungen einigten sich die Räte auf einen Kompromissvorschlag: Anstelle der Dauer eines Jahres, in welcher eine Hilflosigkeit bisher zum Anspruch auf Hilflosenentschädigung vorliegen musste, sollte neu nur noch eine sechsmonatige Hilflosigkeit nötig sein.

Bis zum Schluss keine Einigkeit zwischen den Räten gab es bei der Frage, ob die Rentenzuschläge bei den EL als Einnahmen angerechnet werden sollen oder nicht. Der Nationalrat wollte die Rentenzuschläge von der EL-Berechnung ausnehmen, damit auch Frauen, die EL beziehen, davon profitieren können. Im Ständerat wurde hingegen argumentiert, dass eine solche Regelung dem Grundprinzip der EL widerspreche und deshalb abzulehnen sei, wie beispielsweise Kommissionssprecher Ettlin (mitte, OW) erläuterte. Die Einigungskonferenz entschied sich mit 17 zu 8 Stimmen für den nationalrätlichen Vorschlag, woraufhin die grosse Kammer ihren Antrag mit 121 zu 61 Stimmen annahm. Mit den Mitgliedern der SP- und der Grünen-Fraktion sprachen sich indes genau diejenigen Personen gegen diese Ausnahme bei den EL aus, welche diese zuvor am häufigsten gefordert hatten. Diese Ablehnung zielte wohl aber eher auf die Revision an sich und nicht auf die Regelung bezüglich der EL. Auch der Ständerat nahm den Vorschlag der Einigungskonferenz mit 31 zu 10 Stimmen (bei 3 Enthaltungen) an. Kommissionssprecher Ettlin hatte zuvor betont, dass man ob dieser Bestimmung nicht die ganze, sehr wichtige Reform gefährden wolle.

Damit standen die Schlussabstimmungen zur AHV-21-Reform an, wobei SGK-NR-Sprecher de Courten (svp, BL) das Ergebnis der parlamentarischen Debatte nochmals zusammenfasste: Durch die Frauenrentenaltererhöhung auf 65 Jahre und die Mehrwertsteuererhöhung könnten bei der AHV jährlich CHF 1.4 Mrd. gespart werden, wovon CHF 130 Mio. für Kürzungen beim Rentenvorbezug, CHF 534 Mio. als Ausgleichsmassnahmen für die Frauen und CHF 80 Mio. für die Reduktion der Karenzfrist bei der Hilflosenentschädigung gleich wieder eingesetzt würden. Mit den verbliebenen CHF 583 Mio. jährlich sollte der AHV-Fonds im Jahr 2030 ein Umlageergebnis von CHF -2,4 Mrd. und einen Fondsbestand von 89 Prozent aufweisen.
In den Schlussabstimmungen drohte den beiden Bundesbeschlüssen über die AHV-Revision und über die Zusatzfinanzierung durch eine Mehrwertsteuererhöhung schliesslich keine Gefahr mehr: Mit 125 zu 67 Stimmen (bei 1 Enthaltung) respektive 126 zu 40 Stimmen (bei 27 Enthaltungen) sprach sich der Nationalrat, mit 31 zu 12 Stimmen und 43 zu 0 Stimmen der Ständerat für die Revision aus. Die ablehnenden Stimmen und Enthaltungen stammten allesamt aus der SP- und der Grünen-Fraktion. Doch dass die AHV-21-Reform damit noch nicht vollständig abgeschlossen war, war zu diesem Zeitpunkt wohl den meisten klar: Die SP hatte bereits früh ein Referendum gegen die Rentenaltererhöhung der Frauen angekündigt und bekräftigte diese Absicht auch nach den Schlussabstimmungen gegenüber den Medien erneut.

Reform «Stabilisierung der AHV (AHV 21)» (BRG 19.050)
Dossier: Debatten um das Frauenrentenalter
Dossier: Erhöhung des Rentenalters

Als Erstrat behandelte der Nationalrat in der Wintersession 2021 die Pensionskassenreform BVG 21. Thomas de Courten (svp, BL) und Benjamin Roduit (mitte, VS) stellten dem Rat die Vorlage und insbesondere die Änderungsanträge der SGK-NR an der bundesrätlichen Version vor. Der Bundesrat hatte in der Botschaft den von den Sozialpartnern – dem SAV, dem SGB und Travail.Suisse, nicht aber vom Gewerbeverband – ausgearbeiteten Entwurf übernommen. Die Kommissionsmehrheit erachtete aber insbesondere den darin enthaltenen Rentenzuschlag als «nicht zielführend» und als Eingriff in die Selbstständigkeit der Vorsorgeeinrichtungen, wie de Courten erläuterte. Statt einem Zuschlag «nach dem Giesskannenprinzip» sollen nur die Renten einer Übergangsgeneration und von Personen «im und nahe beim BVG-Obligatorium gezielt verbessert werden». Daneben lagen verschiedene Minderheitsanträge mit Alternativmodellen zum Rentenzuschlag vor. Doch nicht nur im umstrittensten Aspekt, dem Rentenzuschlag, auch in zahlreichen weiteren Punkten wollte die Kommissionsmehrheit vom Vorschlag der Sozialpartner bzw. dem Entwurf der Regierung abweichen.
Die Sprecherinnen und Sprecher der Fraktionen hoben in der Folge insbesondere die Relevanz der Revision hervor, zeigten sich aber bezüglich der Gründe für diese Relevanz und damit auch bezüglich der von der Kommissionsmehrheit vorgeschlagenen Massnahmen gespalten. Die Mitte, die FDP und die SVP unterstützten in ihren Voten die Kommissionsmehrheit. Für sie war eine Senkung des Umwandlungssatzes dringend, wie etwa Ruth Humbel (mitte, AG) für die Mitte betonte. Man anerkenne die Wichtigkeit von Ausgleichsmassnahmen, diese müssten jedoch auf eine Übergangsgeneration beschränkt sein, erklärte Albert Rösti (svp, BE). Regine Sauter (fdp, ZH) verlangte überdies, dass die Massnahmen «innerhalb des Systems der zweiten Säule» vorgenommen werden, und sprach sich damit gegen das von den Sozialpartnern vorgeschlagene Umlageverfahren in der zweiten Säule aus. Eine Mitteposition nahm die GLP ein: Melanie Mettler (glp, BE) betonte die Wichtigkeit einer Revision, welche anschliessend eine Volksabstimmung übersteht, weil eine erneute Abstimmungsniederlage nicht nur die «teuerste Variante ist, sondern auch diejenige, die am meisten Vertrauensverlust verursacht». Deshalb werde die GLP ein Kompromissmodell zu den Ausgleichsmassnahmen präsentieren. Katharina Prelicz-Huber (gp, ZH) zeigte sich für die Grünen vom Mehrheitsmodell enttäuscht und bezeichnete dieses gar als «Pfusch», zumal es das Hauptziel der Vorlage – ein Ende der sinkenden Realrenten – im Gegensatz zum Sozialpartnermodell nicht erfülle. Auch Pierre-Yves Maillard (sp, VD) verwies für die SP darauf, dass die Renten 2025 bei gleichem Kapital 20 Prozent niedriger sein werden als noch 2010. Man habe in den Diskussionen zwischen den Sozialpartnern zugunsten eines Kompromisses auf viele nötigen Massnahmen verzichtet – mit ihrem Vorschlag gehe die Kommissionsmehrheit aber viel zu weit: «Mesdames et Messieurs des partis bourgeois, vous allez trop loin!» Man werde eine solche Vorlage nicht akzeptieren, betonte auch Katharina Prelicz-Huber und stellte bereits vor der Detailberatung eine Referendumsdrohung in den Raum. Auch Gesundheitsminister Berset verteidigte in der Folge ausführlich den Kompromiss der Sozialpartner. «Wenn irgendjemand hier denkt, dass es möglich sein wird, in einer so komplexen Materie ohne die Sozialpartner eine Mehrheit zu finden, dann wünsche ich viel Glück.» Eintreten war in der Folge unbestritten.

Im ersten Block behandelte der Rat vor allem Fragen zu den versicherten Einkommen und zum Sparprozess. Die Kommissionsmehrheit hatte hier vorgeschlagen, die Eintrittsschwelle, ab der Einkommen bei der Pensionskasse versichert sind, fast zu halbieren (neu: CHF 12’548), der Bundesrat und eine Minderheit de Courten wollten diese bei ihrem bisherigen Wert belassen (CHF 21’510). Mit der Beibehaltung der bisherigen Eintrittsschwelle wolle man die Personen mit tieferen Einkommen nicht durch BVG-Abgaben belasten, begründete Albert Rösti den Minderheitsantrag. Die Kommissionsmehrheit erachtete eine Senkung jedoch gerade für Personen mit Teilzeitanstellungen und niedrigen Pensen als relevant und setzte sich mit dieser Ansicht mit 141 zu 49 Stimmen (bei 3 Enthaltungen) gegen den Widerstand des Grossteils der SVP-Fraktion durch. Auch die Forderung, dass sich Arbeitnehmende mit verschiedenen Arbeitgebenden obligatorisch versichern müssen, wenn ihr Gesamteinkommen die Eintrittsschwelle übersteigt, nahm die Ratsmehrheit gegen den Willen einer Mehrheit der SVP-Fraktion an und schuf damit die ersten zwei Differenzen zum bundesrätlichen Vorschlag.
Zusammen mit der Eintrittsschwelle wollte die Kommissionsmehrheit in Übereinstimmung mit dem Bundesrat auch den koordinierten Lohn (und damit den Koordinationsabzug) senken. Statt wie bisher zwischen CHF 25'095 und CHF 86'040 sollten zukünftig Einkommen zwischen CHF 12'443 und CHF 85'320 versichert werden – der Koordinationsabzug würde somit annähernd halbiert. Zwei Minderheiten I Roduit und II de Courten wünschten sich einen anteilsmässigen Koordinationsabzug von 40 Prozent (Roduit) respektive 60 Prozent (de Courten), wobei der Koordinationsabzug in der Höhe begrenzt wäre, während eine Minderheit III Mettler vollständig auf den Koordinationsabzug verzichten wollte. Albert Rösti erachtete den Vorschlag de Courtens als Kompromiss zwischen dem bisherigen und dem von der Kommissionsmehrheit vorgeschlagenen System. Erwerbstätigkeit müsse versichert sein, «egal, in welchem Erwerbsmodell sie erfolgt», begründete hingegen Melanie Mettler ihren Antrag. Die Kommissionsmehrheit setzte sich in den Abstimmungen gegen die Minderheitsanträge durch, wobei die Minderheiten nur bei der SVP-Fraktion (Minderheit II) respektive bei der GLP- und bei Teilen der FDP.Liberalen-Fraktion (Minderheit III) Anklang fanden.
Auch die Frage, ab wann sich junge Menschen für das Alter versichern müssen, war umstritten. Bisher lag die entsprechende Altersgrenze bei 24 Jahren. Während über den Versicherungsbeginn für Tod und Invalidität ab 17 Jahren kaum Worte verloren wurden, lagen zahlreiche Anträge zum Beginn des Alterssparens vor: Die Kommissionsmehrheit wollte diese Grenze auf 19 Jahre senken, während Minderheiten I Roduit und II Gysi (sp, SG) diese bei 20 respektive 24 Jahren ansetzen wollten. Durch eine Vorverlegung des obligatorischen Sparprozesses und eine Erhöhung der Altersgutschriften für Junge, wie sie ebenfalls geplant waren, würden Junge gleich doppelt belastet, kritisierte Barbara Gysi erfolglos. Die Kommissionsmehrheit setzte sich mit 122 zu 71 Stimmen und 126 zu 67 Stimmen gegen die SP, Grüne und Teile der Mitte durch. Und wie von Barbara Gysi befürchtet, erhöhte der Rat in der Folge tatsächlich auch die Altersgutschriften für Junge. Bisher waren diese in vier Stufen gestaffelt, wobei ab 55 Jahren die höchsten Altersgutschriften bezahlt werden mussten. Bundesrat und Kommissionsmehrheit sahen nun nur noch zwei Altersstufen vor (BR: 25-44 und ab 45, Kommissionsmehrheit: 20-44 und ab 45), um die Gefahr einer Entlassung für die älteren Arbeitnehmenden zu verringern. Hierzu lagen vier Minderheitsanträge vor, wobei Minderheiten Gysi und Roduit tiefere Altersgutschriften für Junge, Minderheiten de Courten und Aeschi (svp, ZG) bereits einen früheren Anstieg der Erhöhung der Altersgutschriften forderten. Erneut setzte sich der Vorschlag der Kommissionsmehrheit jedoch durch.

Im zweiten Block debattierte der Rat über die zentralen Fragen der Revision, den Mindestumwandlungssatz und die Ausgleichsmassnahmen. Neben Diskussionen und Anträgen über die Häufigkeit und Breite begleitender Berichte zur Senkung des Mindestumwandlungssatzes stellte Stefania Prezioso (egsols, GE) auch einen Einzelantrag, den Umwandlungssatz statt auf 6 Prozent (von 6.8 Prozent) nur auf 6.4 Prozent zu senken. Galt dieser Aspekt bisher weitgehend als unbestritten, begründete sie ihren Antrag nun mit der verbesserten Situation der Pensionskassen, aber auch mit einer Verlangsamung des Anstiegs der Lebenserwartung. Unterstützt wurde sie von der SP- und der Grünen Fraktion, wie etwa Barbara Gysi betonte: Man habe den Sozialpartnerkompromiss mitgetragen, aber wenn die Ratsmehrheit von diesem abweiche, sei man nicht mehr zu einer so starken Senkung des Umwandlungssatzes bereit. Über die SP und die Grünen hinaus fand der Antrag jedoch keine Zustimmung und wurde vom Nationalrat abgelehnt.
Bezüglich der Ausgleichsmassnahmen lagen dem Nationalrat vier Entwürfe vor: Die Kommissionsmehrheit wollte die Ausgleichsmassnahmen einer Übergangsgeneration von 15 Jahrgängen zugänglich machen, wobei die Zuschüsse nach Alterskategorien abgestuft werden sollten (65-61 Jahre: CHF 2400 jährlich, 60-56 Jahre: CHF 1800, 55-51 Jahre: CHF 1200). Finanziert werden sollten die Ausgleichsmassnahmen durch eine einmalige Einlage der Vorsorgeeinrichtung zum Zeitpunkt des Altersrücktritts und durch Zuschüsse des Sicherheitsfonds, welche dieser während 15 Jahren bei den Vorsorgeeinrichtungen erhebt. Eine Minderheit I de Courten wollte die vom Bundesrat beantragten Ausgleichsmassnahmen gänzlich streichen und stattdessen den in eine Altersrente umzuwandelnden Anteil des Altersguthabens während zehn Jahren nach Inkrafttreten des Gesetzes im ersten Jahr um 13 Prozent und anschliessend jeweils um 1.3 Prozentpunkte weniger pro Jahr erhöhen. Eine Minderheit II Mettler wollte wie angekündigt «den Anliegen beider politischer Lager Rechnung» tragen. Mit ihrem Vorschlag sollte das Rentenniveau für zwei Drittel der Versicherten erhalten werden, aber nur für 20 Jahrgänge: So sollte der monatliche Zuschlag, der für den ersten Jahrgang CHF 200 beträgt, jeweils um CHF 10 pro Jahrgang reduziert werden. Während 20 Jahren wären dafür Beiträge über 0.3 Prozent des versicherten Lohns nötig. Eine Minderheit III Maillard beantragte schliesslich, dem Bundesrat zu folgen und für alle zukünftigen BVG-Rentnerinnen und -Rentner Ausgleichsmassnahmen zu schaffen. Denn durch den Ausschluss der wohlhabenden Arbeitnehmenden von den Ausgleichsmassnahmen trügen diese auch nicht mehr zu deren Finanzierung bei, kritisierte Pierre-Yves Maillard die übrigen Modelle. Die Höhe der Zuschläge sollte nur bereits für die nächsten 15 Jahre festgelegt werden, finanziert würden die Zuschläge durch einen Beitrag von 0.5 Prozent des massgebenden Lohns im Umlageverfahren.
Unterstützung fanden die Minderheitsanträge nur bei den Fraktionen der SVP (Minderheit I de Courten), bei der SP und den Grünen (Minderheit III Maillard) respektive bei der SP, den Grünen und der GLP (Minderheit II Mettler) – sie alle wurden folglich zugunsten des Mehrheitsantrags verworfen. In der zentralen Frage der Vorlage entschied sich der Nationalrat somit, vom Vorschlag des Bundesrates und der Sozialpartner abzuweichen.
Abgelehnt wurde in der Folge auch ein Minderheitsantrag Meyer (sp, ZH), der – in Übereinstimmung mit der Regelung zur AHV 21 – den Rentenzuschlag bei der Berechnung der Ergänzungsleistungen nicht berücksichtigen wollte, da sonst «die Menschen mit tiefen Löhnen am Ende des Monats nicht mehr Geld zur Verfügung haben würden» als bisher, wie Yvonne Feri (sp, AG) erläuterte. Auch dieser Antrag fand jedoch über die SP, die Grünen und die GLP hinaus keine Zustimmung.

Im dritten Block standen noch diverse Detailfragen an, hier dominierten vor allem links-grüne Minderheitsanträge. Erfolglos verlangte etwa eine Minderheit Prelicz-Huber Erziehungs- und Betreuungsgutschriften wie in der AHV, eine Minderheit Meyer setzte sich für die Beibehaltung der Möglichkeit zur Weiterversicherung des Lohns für Personen ab 58 Jahren bei einer Lohnreduktion um die Hälfte ein und eine Minderheit Gysi wollte eine Definition von missbräuchlichen Tarifen für Todesfall- und Invaliditätsleistungen festlegen lassen. Erfolgreich war lediglich eine Minderheit Prelicz-Huber mit 112 zu 80 Stimmen gegen einen Antrag der Kommissionsmehrheit, mit dem der bisherige Steuerabzug von Beiträgen an die Altersvorsorge von CHF 6’900 auf CHF 10'000 erhöht werden sollte. Zustimmung hatte der Mehrheitsantrag bei Mitgliedern der SVP und der FDP erhalten.
In der Gesamtabstimmung hiess der Nationalrat die BVG 21-Reform mit 126 zu 66 Stimmen (bei 1 Enthaltung) gut. Die ablehnenden Stimmen stammten von Mitgliedern der SP und der Grünen.

Reform der Beruflichen Vorsorge (BVG 21; BRG 20.089)
Dossier: Koordinationsabzug und Eintrittsschwelle BVG