Die am sozialdemokratischen Parteitag in Lausanne revidierten Parteistatuten weisen in dieser Beziehung einige bezeichnende Neuerungen auf. Sie mildern die Bindung der Fraktion an Parteitagsbeschlüsse, vergrössern und verbreitern die Basis der Geschäftsleitung (Abkehr vom Vorortssystem) und verstärken die Unabhängigkeit der Presse (anstelle der förmlichen «Parteiblätter» treten «sozialdemokratische Zeitungen»). — Auch in der Art und Weise, wie Kandidaten aufgestellt und Parolen zu Abstimmungen ausgegeben wurden, zeigte sich der Wille der einfachen Parteibürger, ihr Mitspracherecht voll auszunützen.
So bemühten sich die Luzerner Konservativ-Christlichsozialen, den Delegierten vier verschiedene Regierungsratskandidaten zur Auswahl zu präsentieren. Bei der Aufstellung der sozialdemokratischen Regierungsratskandidaten im Kanton Zürich unterlag zunächst der vom Parteivorstand vorgeschlagene Parteisekretär Ueli Götsch. Auch nach dem späteren, unvermuteten Rücktritt seines Gegenspielers erhielt er sein Placet nur mit knappem Mehr. Der unerwartete Misserfolg des freisinnigen Kandidaten G. Schürch bei der bernischen Stadtpräsidentenwahl wurde von der Presse darauf zurückgeführt, dass die Anhänger des bei der parteiinternen Auswahl in Minderheit gebliebenen Konkurrenten nicht genügend Wahldisziplin gezeigt hätten.
Wie sehr Parteien umgekehrt berufen sind, natürliche Gegensätze des politischen Lebens in ihrem eigenen Schosse auszugleichen, das bewies etwa die lebhafte Diskussion am kantonalzürcherischen freisinnigen Parteitag, die der Parolenausgabe zum umstrittenen Gesetz über den interkommunalen Finanzausgleich voranging.

Einige Neuerungen am sozialdemokratischen Parteitag in Lausanne