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  • Schneider-Schneiter, Elisabeth (mitte/centre, BL) NR/CN
  • Binder-Keller, Marianne (mitte/centre, AG) NR/CN

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In der Wintersession 2023 hiess der Ständerat mit 23 zu 16 Stimmen bei 3 Enthaltungen eine Motion der RK-SR für ein Verbot der öffentlichen Verwendung von rassendiskriminierenden, gewaltverherrlichenden oder extremistischen, wie beispielsweise nationalsozialistischen, Symbolen gut. Diese wurde von der Rechtskommission als Reaktion auf die Motion Binder-Keller (mitte, AG) lanciert, die zum Ziel hatte, Nazisymbolik im öffentlichen Raum ausnahmslos zu verbieten. Im Unterschied zur Motion Binder wollte die Kommissionsmotion den Wirkungsbereich des Verbotes auf weitere extremistische, gewaltverherrlichende und rassendiskriminierende Symbole ausweiten und es der Regierung überlassen, ob das Verbot in einem Spezialgesetz oder im Strafgesetzbuch umzusetzen sei. Die Mehrheit der Ständekammer gab diesem breiter gefassten Ansatz den Vorzug, während die Mitte-Links-Minderheit lieber die Motion Binder-Keller überweisen wollte und die Kommissionsmotion daher ablehnte.

Verbot der öffentlichen Verwendung von rassendiskriminierenden, gewaltverherrlichenden oder extremistischen, wie beispielsweise nationalsozialistischen Symbolen (Mo. 23.4318)
Dossier: Verbot der öffentlichen Verwendung von nationalsozialistischen Symbolen

In der Wintersession 2023 lehnte der Ständerat die Motion Binder-Keller (mitte, AG) ab, die zum Ziel hatte, Nazisymbolik im öffentlichen Raum ausnahmslos zu verbieten. Er folgte damit, anders als der Nationalrat, der Empfehlung des Bundesrates und nahm stattdessen eine Kommissionsmotion der RK-SR an, die den Wirkungsbereich des Verbotes auf weitere extremistische, gewaltverherrlichende und rassendiskriminierende Symbole ausweiten und es der Regierung überlassen will, ob das Verbot in einem Spezialgesetz oder im Strafgesetzbuch umzusetzen sei. Die Motionärin plädierte vergeblich dafür, beide Motionen anzunehmen und so dem Verbot von nationalsozialistischer Symbolik konkret Schub zu verleihen sowie den vorangegangenen Bericht des Bundesrates gebührend zu berücksichtigen. Die enge Umsetzungsvorgabe der Motion sei zudem bewusst gewählt, um die nach Artikel 1 StGB erforderliche klare Definition zu gewährleisten. Eine Mehrheit war jedoch davon überzeugt, dass der Antrag der Kommission die genannte Forderung genügend mit einschliesse und hiess die Kommissionsmotion mit 23 zu 16 Stimmen bei 3 Enthaltungen gut. Die Gegenstimmen stammten von Mitte-Links, welche die Motion Binder-Keller überweisen wollten.

Keine Verherrlichung des Dritten Reiches. Nazisymbolik im öffentlichen Raum ausnahmslos verbieten (Mo. 21.4354)
Dossier: Verbot der öffentlichen Verwendung von nationalsozialistischen Symbolen

Sowohl der Stände- als auch der Nationalrat nahmen in der Herbstsession 2023 vom bundesrätlichen Bericht «Lagebeurteilung Beziehungen Schweiz-EU», den der Bundesrat in Reaktion auf zahlreiche politische Vorstösse nach dem Verhandlungsabbruch mit der EU erarbeitet hatte, Kenntnis.

Im Nationalrat stellten die Kommissionssprecherinnen Crottaz (sp, VD) und Moser (glp, ZH) den Bericht vor. Der Bundesrat analysiere darin vier zukünftige Handlungsoptionen in Form einer reinen Freihandelslösung, dem EWR- oder dem EU-Beitritt sowie der Fortsetzung des bilateralen Weges, erklärten sie. Er sei dabei zum Schluss gekommen, dass der bilaterale Weg nach wie vor die beste Option sei, die Beziehungen mit der EU stabil zu gestalten.
Anschliessend nahmen die Fraktionen den Bericht zum Anlass, um ihre eigene Vision der zukünftigen Beziehungen zwischen der Schweiz und der EU zu skizzieren. Während Roland Fischer (glp, LU) für die GLP-Fraktion und Nicolas Walder (gp, GE) für die Grünen den EWR- oder gar den EU-Beitritt als sinnvollste Lösung respektive zweckmässigen Plan B bezeichneten, stiess das bundesrätliche Votum für die Weiterentwicklung des bilateralen Weges bei der Mitte-Fraktion auf Wohlwollen: Elisabeth Schneider-Schneiter (mitte, BL) betonte, dass die Mitte den Paketansatz des Bundesrates, bei welchem institutionelle Fragen in jedem einzelnen Abkommen geregelt würden, unterstütze. Für die SP-Vertreterin Claudia Friedl (sp, SG) wiederum stand der Aspekt der Dringlichkeit im Vordergrund: Der bilaterale Weg müsse rasch ausgebaut und stabilisiert werden. «Ohne eine institutionelle Lösung mit der EU werden keine bestehenden Marktabkommen mehr aufdatiert und keine neuen Marktabkommen abgeschlossen werden können», betonte sie. Darunter litten viele Branchen sowie auch der Forschungsplatz Schweiz. Für Hans-Peter Portmann (fdp, ZH) von der FDP.Liberalen-Fraktion waren noch viele Fragen zum weiteren Vorgehen ungeklärt. Er stellte dem Bundesrat daher beispielsweise die Frage, ob derzeit parallel zur Aktualisierung der Bilateralen I und II auch neue Abkommen verhandelt werden könnten. Im Namen der SVP-Fraktion verlangte Roger Köppel (svp, ZH) schliesslich vom Bundesrat, dass die Schweiz weiterhin unabhängig bleibe und sich nicht der «europäischen Fremdherrschaft» unterwerfe.

Im Ständerat stellte Pirmin Bischof (mitte, SO) seitens der APK-SR den Bericht detailliert vor. Für die Kommission stehe ebenfalls der bilaterale Weg im Fokus. Alles andere sei derzeit nicht realistisch und habe negative Auswirkungen entweder auf den Wohlstand oder die Unabhängigkeit der Schweiz. Benedikt Würth (mitte, SG) erläuterte, dass die Kommission den Bundesrat anlässlich der Konsultation um Ergänzungen im Bericht zur Streitbeilegung mit der EU gebeten habe. Dem sei der Bundesrat nachgekommen. Offen blieb für Würth jedoch die Frage, was der Paketansatz des Bundesrates genau beinhalte, also konkret, ob die Schweiz beispielsweise einzeln Ja oder Nein zu einem Stromabkommen sagen könnte. Die kleine Kammer ging ebenfalls kurz auf die Motion 22.3891 des Nationalrates ein, welche einen einfachen Bundesbeschluss zum vorliegenden Bericht erwirken wollte. Der Ständerat lehnte dieses Ansinnen ab. Carlo Sommaruga (sp, GE) schlug im Gegenzug vor, dass die Räte eine gemeinsame politische Erklärung abgeben, um den Bundesrat auf seinem europapolitischen Weg zu unterstützen. Ein solches Vorgehen sei sinnvoller als die Annahme einer Motion, deren Umsetzung sehr viel Zeit in Anspruch nehmen werde. Während Andrea Gmür-Schönenberger (mitte, LU) anschliessend die Dringlichkeit neuer Verhandlungen betonte, da insbesondere der Forschungs- und Wirtschaftsstandort Schweiz unter der jetzigen Situation leide, zeigte sich Thomas Hefti (fdp, GL) pessimistisch in Bezug auf das zukünftige Verhältnis Schweiz-EU, wobei er befürchtete, dass die Schweiz zur Erzielung einer Lösung mit der EU ihre zentralen Werte aufs Spiel setzen könnte.

Parlamentarische Vorstösse in Reaktion auf den Abbruch der Verhandlungen über das institutionelle Rahmenabkommen (Po. 13.3151, Po. 14.4080, Po. 17.4147, Po. 21.3618, Po. 21.3654, Po. 21.3667, Po. 21.3678, Mo. 21.4184, Po. 21.4450, Po. 22.3172, BRG. 23.052)
Dossier: Institutionelles Rahmenabkommen
Dossier: Entwicklung der bilateralen Beziehungen mit der EU nach dem Scheitern des Rahmenabkommens

Die Motion «Gesundheit als neuer Schwerpunkt der internationalen Zusammenarbeit» von Elisabeth Schneider-Schneiter (mitte, BL) wurde in der Herbstsession 2023 im Ständerat behandelt. Im Namen der APK-SR, welche die Motion einstimmig zur Annahme empfahl, argumentierte Andrea Gmür-Schönenberger (mitte, LU), dass eine qualitativ hochstehende und faire Gesundheitsversorgung einen Schwerpunkt der internationalen Zusammenarbeit bilden solle. Die Motion wurde anschliessend stillschweigend angenommen.

Gesundheit als neuer Schwerpunkt der internationalen Zusammenarbeit (Mo. 22.3144)

Entgegen der Meinung des Nationalrats sprach sich der Ständerat im September 2023 gegen eine Motion Schneider-Schneiter (mitte, BL) aus, welche eine Obergrenze für Roaming-Gebühren gefordert hatte. Joseph Dittli (fdp, UR) empfahl als Vertreter der KVF-SR, welche sich zuvor mit 9 zu 0 Stimmen bei 3 Enthaltungen gegen die Motion ausgesprochen hatte, die Motion abzulehnen. In der Revision des Fernmeldegesetzes habe sich das Parlament 2019 dagegen entschieden, dem Bundesrat eine unilaterale Kompetenz zur Festlegung einer Preisobergrenze für Roaminggebühren zu erteilen. Weiter merkte der Kommissionssprecher an, dass die Roaming-Gebühren in den letzten Jahren massiv gesunken seien, dass bei der Schlichtungsstelle kaum mehr Beschwerden dagegen eingegangen seien und dass Kundinnen und Kunden der Mobilfunkanbieter zahlreiche Alternativen zu Roaming zur Verfügung hätten. Dies spreche gesamthaft gegen eine Obergrenze für Roaming-Gebühren. Auch der Bundesrat hatte die Ablehnung der Motion beantragt. Der Ständerat lehnte den Vorstoss in der Folge stillschweigend ab, womit die Motion erledigt war.

Abschaffung überhöhter Roaming-Gebühren (Mo. 21.3661)

Marianne Binder-Keller (mitte, AG) verlangte im Herbst 2021 in einem Postulat vom Bundesrat einen Bericht zu rassistischen und antisemitischen Vorfällen im Zusammenhang mit der Covid-19-Pandemie. Konkret sollten im Bericht etwa antisemitische Vorfälle im Rahmen von Kundgebungen untersucht und konkrete Massnahmen geprüft werden, wie beispielsweise eine systematische Erfassung von Antisemitismus.
Als das Anliegen in der Herbstsession 2023 im Nationalrat beraten wurde, erläuterte Binder-Keller, dass die Pandemie zwar mittlerweile vorbei sei, die Problematik jedoch beispielsweise im Zusammenhang mit dem Ukraine-Krieg noch immer aktuell sei. Bundesrat Alain Berset empfahl den Vorstoss im Namen der Regierung zur Ablehnung, da sie sie bereits als erfüllt erachte. Die Fachstelle für Rassismusbekämpfung veröffentliche regelmässig einen detaillierten Monitoringbericht zu dieser Thematik, der auch die Daten des Schweizerischen Israelitischen Gemeindebundes enthalte. Diese Datenlage reiche aus, damit der Bundesrat entsprechende Massnahmen erlassen könne. Mit 113 zu 64 Stimmen (7 Enthaltungen) nahm der Nationalrat die Motion dennoch an und überwies damit den entsprechenden Auftrag an den Bundesrat. Für Annahme sprachen sich die geschlossen stimmenden Fraktionen der SP, der Grünen, der Mitte und der GLP sowie je ein Mitglied der SVP- und der FDP Fraktion aus.

Rassistische und antisemitische Vorfälle im Zusammenhang mit der Covid-Pandemie (Po. 21.4137)

Suivant le Conseil des États, le Conseil national a refusé d'entrer en matière sur l'introduction d'un mécanisme de frein à la réglementation conçu pour alléger la charge administrative des entreprises lors de la session d'automne.
Le projet, élaboré à contre-coeur par le Conseil fédéral sur mandat du Parlement, propose de modifier l'article 159 de la Constitution fédérale, en y intégrant un mécanisme similaire à celui du frein aux dépenses, exigeant que les actes législatifs entraînant des charges importantes pour les entreprises soient adoptés à la majorité qualifiée (soit 101 voix au Conseil national et 24 voix au Conseil des États), plutôt qu'à la majorité simple. Le projet fixe également des seuils pour l'utilisation de ce nouvel instrument : une augmentation des coûts de réglementation pour au moins 10'000 entreprises ou de plus de 100 millions de francs pour l'ensemble des entreprises sur une période de 10 ans. Les détails de ce frein à la réglementation doivent être précisés dans la loi sur le Parlement (LParl).
D'abord, la Commission des institutions politiques du Conseil national (CIP-CN) a rejeté, à l'instar du Conseil des États, l'introduction de ce « frein à la réglementation ». La commission a en effet estimé qu'il n'est pas approprié que les actes du Parlement soient soumis à des exigences de majorité différentes en fonction de leur contenu. Par un vote de 14 voix contre 8, la CIP-CN a donc proposé de ne pas entrer en matière sur le projet. Puis, le ministre de l'économie, Guy Parmelin, a rappelé que le Conseil fédéral a rempli son mandat en élaborant ce projet, mais estime que ce n'est pas le bon moyen pour atteindre l'objectif de soulager les entreprises. En effet, il a souligné que 99,5% des projets adoptés par le Parlement auraient été adoptés même avec une majorité qualifiée, remettant ainsi en question l'impact réel de cette mesure sur les entreprises. Le vaudois a donc recommandé, au nom de Conseil fédéral, de ne pas entrer en matière sur ce projet en faveur d'une approche plus ciblée qui sera discutée avec le projet de loi fédérale sur l'allègement des coûts de la réglementation pour les entreprises (UEG).
Lors du débat, Marco Romano (centre, TI), pour la commission, a exprimé son désaccord en soulignant que soumettre les actes du Parlement à des exigences de majorité différentes en fonction de leur contenu était inacceptable du point de vue de la démocratie et sur le plan institutionnel. Il a argumenté que l'instauration d'un tel frein à la réglementation pourrait aggraver les blocages politiques. Natalie Imboden (vert-e-s, BE) a ajouté que le projet favoriserait les intérêts des entreprises au détriment d'autres intérêts sociétaux tout aussi légitimes, créant ainsi un système à deux vitesses. Marianne Binder (centre, AG) a rappelé l'existence d'un autre projet visant à limiter la réglementation des PME, qui englobait déjà les aspects du projet actuel. À l'inverse, Damien Cottier (plr, NE) a souligné le fardeau qui pèse actuellement sur les entreprises, argumentant que le projet allait dans la bonne direction. Piero Marchesi (udc, TI) a abondé dans le même sens, estimant que le frein à la réglementation permettrait aux PME de devenir plus compétitives en favorisant leur création. L'élu tessinois a également souligné que sans ce mécanisme, les PME perdraient en compétitivité.
Lors du vote final, la chambre basse a refusé d'entrer en matière sur le projet par 96 voix (l'ensemble du PS, des Vert-e-s, des Vert'libéraux et 15 élu.e.s du Centre) contre 89 (l'ensemble de l'UDC, du PLR et 11 élu.e.s du Centre) et 1 abstention (Kurt Fluri, (plr, SO).

Einführung einer Regulierungsbremse (BRG); Umsetzung Mo. 16.3360
Dossier: Effektivere Berücksichtigung von Regulierungskosten bei der Gesetzgebung
Dossier: Unternehmensentlastungsgesetz und Regulierungsbremse: Umsetzung der Motionen 16.3388 und 16.3360

Als Ergänzung eines Postulats Arslan (basta, BS; Po. 20.4327), das einen Massnahmenplan für den beruflichen Wiedereinstieg von Frauen forderte, verstand Marianne Binder-Keller (mitte, AG) ihr Postulat, mit welchem sie bezweckte, dass das durch Familienarbeit erworbene Potential für den Arbeitsmarkt besser genutzt werden solle. Gesellschaftlich und volkswirtschaftlich betrachtet sei die unbezahlte Familienarbeit von unschätzbarem Wert, so die Mitte-Politikerin in ihrer Begründung. Dennoch würden die im Rahmen dieser Tätigkeit erlangten Kompetenzen bei einem Wiedereinstieg ins Arbeitsleben kaum berücksichtigt. Deswegen fordere sie den Bundesrat dazu auf zu eruieren, wie die Familienarbeit für die Erlangung einer Erwerbsarbeit angemessen berücksichtigt werden müsste. Der Bundesrat beantragte die Ablehnung des Postulats, unter anderem mit der Begründung, dass die «Vertragsparteien selbst am besten wissen, welche Kompetenz wo gewinnbringend genutzt werden kann». Die Mehrheit im Nationalrat hingegen sah dies anders und nahm das Postulat mit 104 zu 77 Stimmen (2 Enthaltungen) deutlich an. Gegen Annahme stellten sich die Fraktionen der FDP und der SVP.

Durch Familienarbeit erworbenes Potential für den Arbeitsmarkt besser nutzen (Po. 21.3900)

Mit der Veröffentlichung des Berichts «Die Hisbollah und die Schweiz» erachtete der Bundesrat das Postulat Binder-Keller (mitte, AG) zu den Aktivitäten der schiitisch-islamistischen Hisbollah in der Schweiz als erfüllt und empfahl dessen Abschreibung. Der Nationalrat stimmte diesem Antrag in der Sommersession 2023 stillschweigend zu.

Bericht über die Aktivitäten der schiitisch-islamistischen Hisbollah in der Schweiz (Po. 20.3650)

Der Bundesrat verabschiedete im Februar 2023 den Aussenpolitischen Bericht 2022. Den Schwerpunkt bildete dabei der im Frühjahr 2022 gestartete Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine. Dieser führte in der Schweiz und in vielen anderen Staaten zu einer Energiekrise und zu einer starken Inflation. Auch eine in vielen Ländern zu spürende grössere Ernährungsunsicherheit und ganz allgemein eine grosse geopolitische Instabilität waren Folge dieses Krieges. Die Schweiz habe die Sanktionspolitik der EU gegen Russland unterstützt und sich gegenüber der Bevölkerung in der Ukraine solidarisch gezeigt, erklärte der Bundesrat im Bericht. Weiter hielt der Bericht fest, dass die im Juli 2022 in Lugano durchgeführte Ukraine Recovery Conference den politischen Prozess für den Wiederaufbau der Ukraine lanciert habe. Ein weiteres wichtiges Kapitel des Berichts widmete sich den Beziehungen der Schweiz zur EU. Diesbezüglich verwies der Bundesrat auf die im Februar 2022 festgelegte Stossrichtung für ein neues Verhandlungspaket mit der EU.
Weitere Themen waren auch das Engagement der Schweiz für einen wirkungsvollen Multilateralismus und der Einsitz der Schweiz im Sicherheitsrat der UNO für die Periode 2023–2024.
Als Anhang zum aussenpolitischen Bericht publizierte der Bundesrat den Bericht über die Menschenrechtsdiplomatie der Schweiz für die Jahre 2019–2022. Mit diesem Bericht erfüllte er das Postulat 20.4334 der APK-NR zum Menschenrechtsdialog mit China. Der Bundesrat hielt fest, dass sich die Schweiz bemühe, die bilaterale sowie multilaterale Menschenrechtsdiplomatie mit China aufrechtzuerhalten – der letzte bilaterale Austausch fand 2018 statt –, obwohl Chinas Bereitschaft, Menschenrechtsfragen zu diskutieren, in den letzten Jahren abgenommen habe. Zugleich habe sich die menschenrechtliche Lage in China in vielen Bereichen, etwa in Bezug auf die Meinungsäusserungsfreiheit oder die Rechte von Minderheiten, stark verschlechtert. Die Schweiz werde aber trotz der ernüchternden Ergebnisse in Kohärenz mit der China-Strategie 2021–2024 weiterhin versuchen, den bilateralen Menschenrechtsdialog wieder aufzunehmen.

Der Nationalrat nahm in der Frühjahrssession 2023 Kenntnis vom Bericht. Christine Bulliard-Marbach (mitte, FR) und Sibel Arslan (basta, BS) stellten den Bericht vor und erläuterten, dass dieser in der Kommission von den Fraktionen generell wohlwollend aufgenommen worden sei. Gemäss Sibel Arslan divergierten die Meinungen zur Reaktion des Bundesrates auf den Ukraine-Krieg stark: Einige hätten kritisiert, dass der Bundesrat die EU-Sanktionen gegen Russland erst auf öffentlichen Druck hin übernommen habe. Anderen wiederum habe der Bundesrat bei der Sanktionsübernahme zu rasch gehandelt und dadurch rechtsstaatliche Prinzipien verletzt. Des Weiteren habe auch die Frage der Neutralität zu reden gegeben; diese Thematik müsse in nächster Zeit vertieft diskutiert werden, lautete gemäss Arslan der Tenor in der APK-NR. Anschliessend äusserten sich die Fraktionen zu den für sie wichtigen Aspekten des aussenpolitischen Berichts. So erläuterte etwa Elisabeth Schneider-Schneiter (mitte, BL) für die Mitte-Fraktion, dass die Schweiz im Bereich der Aussenpolitik entschieden auf die Einhaltung des Völkerrechts pochen müsse. Für die SP-Fraktion äusserten Brigitte Crottaz (sp, VD) und Claudia Friedl (sp, SG) ihren Unmut darüber, dass der Bundesrat lange gezögert habe, die EU-Sanktionen gegenüber Russland vollumfänglich zu übernehmen. Tiana Moser (glp, ZH) verlangte für die GLP-Fraktion einen grösseren finanziellen Effort der Schweiz für die Ukraine, insbesondere angesichts der Tatsache, dass der Bundesrat die Wiederausfuhr von Rüstungsgütern ablehne. Für die SVP-Fraktion sprach sich Roger Köppel (svp, ZH) eben gerade gegen eine Ausfuhr von Waffen an die Kriegsparteien aus, da die Aufgabe des Bundesrates darin bestehe, die Schweiz aus diesem Krieg herauszuhalten. Auch die Grüne Fraktion sprach sich gegen den Export oder die Wiederausfuhr von Waffen aus; sie unterstütze jedoch die wirtschaftlichen Sanktionen gegen Russland, wie Denis de la Reussille (pda, NE) anmerkte. Zudem forderte der Grünen-Vertreter, dass sich der Bericht zur Aussenpolitik zukünftig vermehrt der Menschenrechtslage zuwende, und weniger von ökonomischen Aspekten geprägt sei. Schliesslich monierte Hans-Peter Portmann (fdp, ZH) im Namen der FDP-Fraktion, dass es der Bundesrat verpasst habe, eine umfassende Debatte zur Schweizer Neutralität zu führen, weil ein entsprechender Bericht von Aussenminister Cassis vom Bundesrat zurückgewiesen worden sei.
Im Ständerat wurde der Bericht in der Sommersession 2023 nur kurz von Pirmin Bischof (mitte, SO) und Aussenminister Cassis vorgestellt und sodann stillschweigend zur Kenntnis genommen.

Aussenpolitischer Bericht 2022 (BRG 23.009)
Dossier: Aussenpolitische Berichte (ab 2009)

Mit 97 zu 88 Stimmen bei 5 Enthaltungen lehnte es der Nationalrat in der Sommersession 2023 ab, die Einführung der «neuen Gendersprache» an den eidgenössischen Hochschulen und Forschungsanstalten zu verbieten. Die entsprechende parlamentarische Initiative von Therese Schläpfer (svp, ZH) fand nur bei der geschlossenen SVP-Fraktion sowie jeweils bei einer Mehrheit der FDP.Liberalen- und der Mitte-Fraktion Gehör. Im Rat torpedierten Initiantin Schläpfer und WBK-NR-Minderheitssprecherin Verena Herzog (svp, TG) die Gendersternchen und die komplizierten Sprachvorschriften an den Hochschulen. Letztere sollten sich stattdessen besser an dem Sprachleitfaden der Bundeskanzlei orientieren. Marianne Binder-Keller (mitte, AG) warf daraufhin die Frage in den Raum, ob die Lehranstalten nicht selber in der Lage seien, diese Angelegenheit eigenständig zu klären. Hier hakte auch Kommissionssprecher Christian Wasserfallen (fdp, BE) ein, der im Namen der Kommission den Handlungsbedarf zwar nicht grundsätzlich negierte, die Herangehensweise jedoch kritisierte. Eine Regelung zum Umgang mit Gendersprache sollte über alle Hochschulen hinweg gemeinsam getroffen werden und nicht nur im Bereich der ETH und EPFL, wo der Bund die Trägerschaft innehat. Bundesrat Guy Parmelin sei deshalb von der Kommission gebeten worden, sich für eine koordinierte, eigenständige Regelung unter den Hochschulen einzusetzen. Wie Kommissionssprecher Emmanuel Amoos (sp, VS) zudem erläuterte, wolle Bildungsminister Parmelin die Fragen an der Konferenz der Schweizer Hochschulen im November 2023 thematisieren. Eine Mehrheit zeigte sich damit zufrieden und die Initiative war erledigt.

Kein Gendern an den Hochschulen und Forschungsanstalten des Bundes (Pa. Iv. 22.475)

Anfang Mai 2023 überraschte der Bundesrat die breite Öffentlichkeit mit der Ernennung der bisherigen Staatssekretärin Livia Leu zur neuen Schweizer Botschafterin in Berlin. Sie werde ihre Aufgaben als Staatssekretärin bis Ende August weiterführen und im Herbst 2023 ihre neue Funktion antreten, so der Bundesrat in seiner Medienmitteilung. Damit stand auch ihr Abgang als Chefunterhändlerin für ein neues Rahmenabkommen mit der EU fest. Leu hatte eine Doppelfunktion als Leiterin des 2021 neu organisierten EDA und als Chefunterhändlerin für die Verhandlungen mit der EU inne. Als solche war Leu anfänglich für die Nachverhandlungen des Institutionellen Abkommens mit der EU verantwortlich und nach deren Scheitern im Mai 2021 für die Erarbeitung der Stossrichtung eines neuen Verhandlungspakets. Seither habe sie auf Basis dieser Grundlage die Sondierungsgespräche im Hinblick auf ein neues Verhandlungsmandat geführt, welche nun so weit fortgeschritten seien, dass bis Ende Juni über die Eckwerte eines solchen Mandats entschieden werden könne, erläuterte der Bundesrat weiter.
Er versicherte in seiner Medienmitteilung zudem, dass die Gespräche mit der EU durch diesen Wechsel nicht beeinträchtigt würden. In einem kurzen Point de Presse gab Botschafterin Leu zu verstehen, dass es ihre persönliche Entscheidung gewesen sei, noch einmal ins Ausland zu gehen und sie nicht zu diesem Schritt gedrängt worden sei. Sie schätzte ihre Mission als teilweise abgeschlossen und den Moment der Bekanntgabe als «gut gewählt» ein, da der Abschluss der exploratorischen Gespräche bevorstehe.

Leus Abgang sorgte in den Medien und bei Parlamentarierinnen und Parlamentariern gleichermassen für Kritik, wie auch für Hoffnung. Sowohl Befürworter wie Gegner einer engeren Anbindung an die EU bedauerten jedoch den Rücktritt Leus. SP-Nationalrat Eric Nussbaumer (sp, BL) nannte die Demission Leus ein «Debakel für das Verhandlungsdossier mit der EU» und «24 heures» verglich die Schweizer EU-Politik mit einem Vaudeville (einem komödienhaften Theater). Tania Moser (glp, ZH) bezeichnete die Entwicklung als «entmutigend», da sich dadurch die Verhandlungen mit der EU eher verlangsamen würden. Pro-Schweiz-Geschäftsführer Werner Gartenmann schätzte Leu als kompetente, solide Verhandlerin, die die Interessen der Schweiz verteidigt habe, wie er gegenüber «Le Temps» verriet. Auch der Zeitpunkt der Bekanntgabe wurde hinterfragt. Nationalrat Laurent Wehrli (fdp, VD) sah zwar ein, dass ein Rücktritt vor Beginn der eigentlichen Verhandlungen vorzuziehen sei, der Rücktritt als solcher sei jedoch ein Verlust, da Leu die Verantwortlichen in Brüssel bestens kenne. Ständerätin Isabelle Chassot (mitte, FR) hätte es begrüsst, dass Leu erst nach Verabschiedung des Verhandlungsmandats öffentlich zurückgetreten wäre, teilte sie «La Liberté» mit. Auch für die EU war die Nachricht von Leus Abschied nicht unbedingt eine positive Überraschung, hatte doch EU-Kommissar Maros Šefčovič noch im März angekündigt, bis Sommer 2024 ein neues Abkommen aushandeln zu wollen. Ein Sprecher der EU-Kommission liess jedoch verlauten, dass dieser Zeitplan trotz der veränderten Umstände weiterverfolgt werde.
Franz Grüter (svp, LU) – Präsident der APK-NR – bezeichneten den Zeitpunkt des Rücktrittes gegenüber dem Tages-Anzeiger hingegen als gut gewählt und Elisabeth Schneider-Schneiter (mitte, BL) sah im personellen Wechsel im Hinblick auf die Verhandlungen mit der EU sogar eine Chance. FDP-Ständerat Damian Müller (fdp, LU) lobte Leu für ihre geleistete Arbeit, und gab sich überzeugt, dass das Europadossier durch ihren Rücktritt keinen Schaden nehmen werde.

In den Printmedien brachen kurz darauf Spekulationen über die mögliche Nachfolge von Leu als Unterhändlerin aus, wobei drei Namen im Fokus standen. «La Liberté» brachte Rita Adam ins Spiel, die als Chefin der Schweizer Mission bei der EU bereits alle Personen in Brüssel kenne. Der Tages-Anzeiger nannte als weiteren Kandidaten Alexandre Fasel, der als Botschafter in London den Brexit mitverfolgt hatte und unterdessen als Sonderberater für Wissenschaftsdiplomatie in Genf amtete, und Monika Schmutz Kirgöz, die Schweizer Botschafterin in Italien, Malta und San Marino.

Staatssekretärin Livia Leu wird Botschafterin in Berlin
Dossier: Entwicklung der bilateralen Beziehungen mit der EU nach dem Scheitern des Rahmenabkommens

Entgegen dem Antrag des Bundesrates nahm der Nationalrat in der Sondersession vom Mai 2023 eine Motion Binder-Keller (mitte, AG) mit dem Ziel an, Nazisymbolik im öffentlichen Raum ausnahmslos zu verbieten. Seine Ablehnung begründete der Bundesrat unter anderem damit, dass das geltende Recht die öffentliche Verwendung von nationalsozialistischen und anderen rassistischen Symbolen zu Propagandazwecken bereits verbiete. Ohne Propagandaabsicht würden die Menschenwürde und der öffentliche Frieden indes nur «mittelbar» beeinträchtigt. Die Meinungsfreiheit gelte zwar nicht absolut, aber gemäss Rechtsprechung des Bundesgerichts sei «hinzunehmen, dass auch stossende Ansichten vertreten werden, selbst wenn sie für die Mehrheit unhaltbar sind», so die Regierung in ihrer Stellungnahme vom Februar 2022.
Wie die Motionärin ein gutes Jahr darauf im Ratsplenum schilderte, habe diese «seltsame Antwort» des Bundesrates einigen «Aufruhr» verursacht, sodass sich dieser veranlasst gesehen habe, einen Bericht zum Thema in Auftrag zu geben. Dieser sei dann zum Schluss gekommen, dass ein Verbot von Nazisymbolik machbar sei, weshalb sie den Rat ersuche, «ein solches Verbot auf den Weg zu schicken», so Binder-Keller. Bundesrätin Elisabeth Baume-Schneider bestätigte diese Folgerung und merkte an, dass die Diskussion um ein einschlägiges Verbot bei Weitem noch nicht abgeschlossen sei. Deren Fortführung werde schon durch die zwei hängigen parlamentarischen Initiativen der RK-NR (Pa.Iv. 23.400) und Barrile (sp, ZH; Pa.Iv. 21.524) garantiert, weshalb die vorliegende Motion abgelehnt werden könne. Die Mehrheit in der grossen Kammer sah dies jedoch anders und hiess den Vorstoss mit 141 zu 42 Stimmen bei 4 Enthaltungen gut. Die Gegenstimmen stammten aus den Fraktionen der SVP und der FDP.

Keine Verherrlichung des Dritten Reiches. Nazisymbolik im öffentlichen Raum ausnahmslos verbieten (Mo. 21.4354)
Dossier: Verbot der öffentlichen Verwendung von nationalsozialistischen Symbolen

Eine Mehrheit des Nationalrates war in der Sondersession im Mai 2023 der Meinung, dass eine Obergrenze für Roaming-Gebühren für die Nutzung des Handynetzes im Ausland eingeführt werden sollte. Mit 116 zu 68 Stimmen bei 4 Enthaltungen nahm die grosse Kammer eine entsprechende Motion Schneider-Schneiter (mitte, BL) an. Die Mitte-Nationalrätin beklagte die hohen Gebühren, die bei der Nutzung des Mobiltelefons mit Schweizer Telefonanbietenden im Ausland anfallen, und rief den Bundesrat in der Debatte dazu auf, in der Fernmeldeverordnung einseitig eine Preisobergrenze für Endkundentarife festzulegen. Da ein Beitritt zur EU-Roaming-Regelung – in der EU wurden sämtliche Roaminggebühren unter den Mitgliedstaaten aufgehoben – aufgrund der ungeklärten Beziehungen zur EU derzeit nicht möglich sei, sei eine Preisobergrenze der geeignete Schutz für Verbraucherinnen und Verbraucher. Bundesrat Albert Rösti erachtete eine solche einseitige Festlegung der Preisobergrenzen jedoch als nicht gangbar, weil sie einerseits bereits in der Teilrevision des Fernmeldegesetzes verworfen worden war und andererseits ausländische Telekomanbietende ohne internationale Vereinbarung nicht dazu angehalten werden könnten, Schweizer Preisobergrenzen einzuhalten. Nichtsdestoweniger folgten die geschlossenen Fraktionen der SP, der GLP, der Mitte und der Grünen zusammen mit wenigen Mitgliedern der SVP und der FDP der Motionärin und überwiesen den Vorstoss an den Ständerat.

Abschaffung überhöhter Roaming-Gebühren (Mo. 21.3661)

Der Bundesrat publizierte im Januar 2023 den Bericht zur Aussenwirtschaftspolitik 2022 sowie vier Bundesbeschlüsse. Diese vier Beschlüsse umfassten die Genehmigung des Internationalen Kaffee-Übereinkommens von 2022, die Genehmigung des 2022 revidierten Internationalen Kakao-Übereinkommens von 2010, die Genehmigung des Abkommens zwischen dem WBF und dem Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz der Bundesrepublik Deutschland über Zusammenarbeit und Koordinierung der Wettbewerbsbehörden sowie die Genehmigung zolltarifarischer Massnahmen 2022. Der Bericht lieferte einen Überblick über die wichtigsten aussenwirtschaftspolitischen Entwicklungen im vergangenen Jahr. Prägend waren dabei die Auswirkungen des Kriegs Russlands gegen die Ukraine (insbesondere bei den globalen Produktions- und Lieferketten), die starke Inflation, die nachwirkenden Schwierigkeiten rund um die Covid-19-Pandemie, die zukünftige Stossrichtung für ein Verhandlungspaket mit der EU sowie die weltweite Tendenz zu mehr Protektionismus.

Der Nationalrat befasste sich in der Frühjahrssession 2023 mit dem Bericht. Die Fraktionen gingen auf die für sie wichtigsten Punkte ein. So warnte etwa Elisabeth Schneider-Schneiter (mitte, BL) für die Mitte-Fraktion vor der Erosion des bilateralen Wegs mit der EU und auch SP-Vertreter Fabian Molina (sp, ZH) forderte den Bundesrat auf, die Sondierungsgespräche mit der EU rasch voranzubringen. Den Sprechenden der FDP- sowie der GLP-Fraktion bereitete allen voran die Problematik des Protektionismus respektive die «zahlreichen grossen Subventionsprogramme und staatlichen Beihilfen anderer Länder» (Petra Gössi fdp, SZ) Sorgen. Auch Roland Büchel (svp, SG) kritisierte seitens der SVP den Protektionismus. Er warb als Gegenmittel dafür, den Freihandel voranzutreiben und auch mit Ländern zusammenzuarbeiten, «die nicht unseren Idealen entsprechen». Die Grünen in Person von Nicolas Walder (gp, GE) wiederum kritisierten generell die Aussenwirtschaftspolitik des Bundesrates, in welcher zu fest auf Handels- und Konsumwachstum fokussiert werde und es einen Mangel an Kontrollmechanismen für die Unternehmen gebe. In den anschliessenden Abstimmungen wurden die vier Bundesbeschlüsse einstimmig angenommen.

Der Ständerat behandelte den Aussenwirtschaftsbericht in derselben Session. Nachdem Pirmin Bischof (mitte, SO) für die Kommission sowie Wirtschaftsminister Parmelin seitens des Bundesrates die wichtigsten Themen des Berichts hervorgehoben hatten, nahm die kleine Kammer die vier Bundesbeschlüsse jeweils einstimmig an.

Aussenwirtschaftspolitik. Bericht 2022
Dossier: Aussenwirtschaftspolitische Berichte

Vor einer Debatte müsse ein Vorstoss über ein «Preisschild» verfügen, mit dem die Verwaltungskosten für die Bearbeitung dieses Vorstosses oder für die Erarbeitung einer Studie dazu abgeschätzt werden könnten, forderte Diana Gutjahr (svp, TG) mit einer parlamentarischen Initiative. In KMU sei es selbstverständlich, dass für eine Offerte Kosten abgeschätzt würden. Solche minimalen Standards müssten auch in der Verwaltung funktionieren und die Folgekosten von parlamentarischen Vorstössen ausgewiesen werden. Die Initiantin warb deshalb in der Frühjahrssession 2023 im Nationalrat für ihr Anliegen, weil es die SPK-NR rund zwei Monate zuvor mit 14 zu 10 Stimmen (1 Enthaltung) zur Ablehnung empfohlen hatte. Für die starke Kommissionsminderheit ergriff in der Folge Gregor Rutz (svp, ZH) das Wort. Zu fragen, was ein Projekt koste, sei «das Normalste der Welt». Plane man ein Projekt am eigenen Haus, frage man sich zuerst, ob man genügend Geld dafür habe. Nur weil es sich beim Staat um Steuergeld handle, dürfe das für Vorstösse nicht anders sein. Die möglichen Kosten eines Vorstosses seien sogar zentrale Basis dafür, ob er angenommen werden solle oder nicht. Die Mehrheitsposition der Kommission wurde von Greta Gysin (gp, TI) und Marianne Binder-Keller (mitte, AG) vertreten. Als Grund für die Nein-Empfehlung wurde der unverhältnismässige administrative Aufwand und die potenzielle Einschränkung der Rechte der Parlamentsmitglieder genannt. Es sei nicht nur schwierig und zeitaufwändig, sondern eben letztlich auch teuer, die Folgekosten einzuschätzen. Ziel der parlamentarischen Initiative sei es zudem wohl letztlich, die Zahl der Vorstösse zu verringern. Die Kommissionsmehrheit wolle aber keine Einschränkungen – Vorstösse seien das wichtigste Instrument der Legislative –, sondern appelliere an die Eigenverantwortung der Parlamentarierinnen und Parlamentarier, weniger Ideen einzubringen und so mit den Steuergeldern, die für die Beantwortung von Vorstössen gebraucht werden, verantwortungsbewusster umzugehen – so die Kommissionssprecherinnen.
Die knappen Verhältnisse in der Kommission widerspiegelten sich in der Folge auch in der Abstimmung im Nationalrat: Mit 99 zu 91 wurde der Initiative keine Folge gegeben. Zünglein an der Waage war dabei die Mitte-EVP-Fraktion, bei der 11 Mitglieder für Folgegeben und 17 Mitglieder gegen Folgegeben stimmten. Die restlichen Fraktionen stimmten geschlossen dafür (SVP-, FDP-Fraktion) bzw. dagegen (SP-, GP-, GLP-Fraktion), der Initiative Folge zu geben.

Folgekosten von parlamentarischen Vorstössen ausweisen (Pa.Iv. 22.434)
Dossier: Massnahmen gegen zu viele parlamentarische Vorstösse

Nationalrätin Elisabeth Schneider-Schneiter (mitte, BL) reichte im März 2022 eine Motion ein, mit der sie das Thema Gesundheit als neuen Schwerpunkt der internationalen Zusammenarbeit festlegen wollte. Gesundheit solle als Schwerpunktthema in die Botschaft zur Strategie der IZA 2025–2028 aufgenommen werden, damit die Schweiz einen Beitrag zur Stärkung der weltweiten Gesundheitssysteme leisten könne. Das wirke sich langfristig positiv auf die Wirtschaftsentwicklung in der Schweiz aus, da man die Nachfrage nach Gesundheitsdienstleistungen und Medizinalgütern anrege, argumentierte die Motionärin. Ausserdem könnten neu auftretende Krankheiten früher erkannt werden und dadurch künftige Pandemien verhindert werden.
Der Bundesrat beantragte die Annahme der Motion, da eine gute Grundversorgung im Gesundheitsbereich seiner Meinung nach bereits zu den Zielen der IZA gehöre. Die IZA-Strategie 2021–2024 habe es der Schweiz erlaubt, einen Beitrag zur globalen Bewältigung der Covid-19-Krise zu leisten, da sie über sektorübergreifende Ansätze verfüge, die sich nicht nur auf das Gesundheitswesen beschränken. Das Thema Gesundheit werde auch in der IZA-Strategie 2025–2028 von grosser Bedeutung sein, weshalb sowohl die Gesundheitsaussenpolitik als auch der Bericht des Bundesrates in Erfüllung eines Postulats der APK-NR (Po. 20.3469) berücksichtigt werden.

In der Sommersession 2022 bekämpfte SVP-Nationalrat Yves Nidegger (svp, GE) die Motion, weshalb sie erst in der Frühjahrssession 2023 im grossen Rat diskutiert wurde. Dort warf Nideggger seiner Ratskollegin vor, die Motion vor allem im Interesse der Pharmaindustrie eingereicht zu haben, und warnte vor einem Imageschaden für die Schweiz, sollte die Gesundheit zur strategischen Priorität gemacht werden. Bundesrat Cassis warb für die Annahme der Motion, da die DEZA in den vergangenen Jahren nicht nur rund 10 Prozent ihrer Mittel für Gesundheitsprojekte ausgegeben habe, sondern darüber hinaus auch diverse Gesundheitsorganisationen wie die WHO oder Unaids unterstütze. Der Nationalrat nahm die Motion mit 136 zu 53 Stimmen an, wobei die Gegenstimmen von der SVP-Fraktion stammten.

Gesundheit als neuer Schwerpunkt der internationalen Zusammenarbeit (Mo. 22.3144)

In der Frühjahrssession 2023 befasste sich der Nationalrat mit der Motion von Carlo Sommaruga (sp, GE), die eine Stärkung des Privatsektors in den Schwerpunktländern der internationalen Zusammenarbeit der Schweiz verlangte. Eine Minderheit der vorberatenden APK-NR, angeführt von Andreas Aebi (svp, BE), beantragte die Ablehnung der Motion. Kommissionssprecherin Elisabeth Schneider-Schneiter (mitte, BL) setzte sich im Namen der Mehrheit für die Annahme des Vorstosses ein und verlangte, dass die Schaffung menschenwürdiger Arbeitsplätze mittels Förderung des lokalen Privatsektors ein Schwerpunkt in der IZA 2025-2028 werden solle. Sie argumentierte, dass dadurch im Sinne der Nachhaltigkeitsziele ein Systemwechsel vor Ort initiiert werden könnte. Die Motion stehe zudem im Einklang mit dem Programm zur Weiterentwicklung der Entwicklungszusammenarbeit. Ihr Kommissionskollege Laurent Wehrli (fdp, VD) ergänzte, dass die Stärkung des Privatsektors zu weiteren thematischen Schwerpunkten der IZA beitrage, namentlich der Bekämpfung des Klimawandels und der nachhaltigen Bewirtschaftung natürlicher Ressourcen.
Minderheitensprecher Andreas Aebi teilte zwar das Anliegen der Motion, befand sie aber für überflüssig, da die Einbindung des Privatsektors laut DEZA bereits Tatsache sei. Die Motion verursache somit nur unnötige Kosten ohne wirklichen Mehrwert. Bundesrat Ignazio Cassis befürwortete im Namen des Bundesrates die Annahme der Motion und versprach, die bisher in diesem Bereich gemachten Erfahrungen in die Prioritäten der kommenden IZA-Strategie einfliessen zu lassen. Die grosse Kammer nahm die Motion mit 116 zu 61 Stimmen (bei 1 Enthaltung) deutlich an. Die Gegenstimmen stammten mehrheitlich von Mitgliedern der SVP, wobei sich diesen auch einige Vertreter und Vertreterinnen der FDP und der Mitte anschlossen.

Stärkung des Privatsektors in den Schwerpunktländern der internationalen Zusammenarbeit der Schweiz (Mo. 22.3534)

«Wir haben ein Problem», begann Gregor Rutz (svp, ZH) sein Votum für seine parlamentarische Initiative, mit der er das Parlamentsgesetz um ein Verbot der Einreichung von parlamentarischen Initiativen und Vorstössen während Sondersessionen erweitern wollte. Das Parlament habe mit einer «Vorstossflut» zu kämpfen; seit den 1990er Jahren habe sich die Zahl der Vorstösse nahezu verdreifacht. Dies sei nicht nur ein Zeit-, sondern auch ein Kostenproblem. In der Begründung seiner Forderung hatte Rutz vorgerechnet, dass bei durchschnittlichen Kosten eines Vorstosses von CHF 6'120 – ein mittlerer Wert, der 2007 von den Parlamentsdiensten als Antwort auf eine Interpellation Spuhler (svp, TG: Ip. 07.3176) errechnet worden war – die Vorstösse im Jahr 2021 gegen CHF 12 Mio. gekostet hätten, Folgekosten nicht eingerechnet. 1991 sei die Möglichkeit der Sondersession eingeführt worden, damit Pendenzen abgebaut werden könnten, so Rutz weiter. Allerdings seien in allen Sondersessionen seit 2016 total 214 Geschäfte erledigt und 953 neue Vorstösse eingereicht worden, was «nicht im Ernst ein Abbau der Pendenzenlast» bedeute. Aus diesem Grund schlage er mit seiner parlamentarischen Initiative vor, dass in Sondersessionen keine neuen Anliegen eingereicht werden dürfen.
Das etwas zu lange Votum, das von Nationalratspräsident Candinas (mitte, GR) mit dem Heiterkeit auslösenden Hinweis unterbrochen wurde, dass es auch helfe, die Geschäftslast abzubauen, wenn die Redezeiten eingehalten werden, wurde von Gregor Rutz deshalb gehalten, weil die SPK-NR der parlamentarischen Initiative knapp mit 13 zu 12 Stimmen keine Folge hatte geben wollen. Der Minderheitensprecher Damien Cottier (fdp, NE) machte noch auf ein weiteres Problem der Behandlung von Vorstössen an Sondersessionen aufmerksam: Damit möglichst viele Geschäfte erledigt werden könnten, würden die Sitzungen an den drei Tagen einer Sondersession immer länger dauern. Wenn sich nichts ändere, sei es wohl bald nötig, bis um Mitternacht zu tagen oder die Sondersession um ein oder zwei Tage zu verlängern. Der Vorschlag von Gregor Rutz sei vernünftig und könne dazu beitragen, wenigstens einen Teil des Problems anzugehen.
Für die Kommissionsmehrheit sprachen Ada Marra (sp, VD) und Marianne Binder-Keller (mitte, AG). Das Parlament dürfe sich nicht selber beschränken, argumentierten sie. Wahrscheinlich würde das Verbot dazu führen, dass Vorstösse einfach in der nächsten Session eingereicht würden, was wiederum die Parlamentsmitglieder einschränke, weil sie nicht mehr zeitnah auf aktuelle Ereignisse reagieren könnten. Die wegen Covid-19 unterbrochene Frühjahrssession 2020 bzw. die nachfolgende Session, bei der die Zahl eingereichter Vorstösse explodiert sei, weise darauf hin, dass mit zeitlich verschobenen Einreichungen gerechnet werden müsse. Statt Regeln einzuführen müsse vielmehr an die Eigenverantwortung appelliert werden. In der Kommission seien aber auch andere Möglichkeiten diskutiert worden, da die zunehmende Pendenzenlast in der Tat ein Problem darstelle, berichtete Ada Marra: So könnten etwa die bevorzugte Behandlung von Vorstössen, die zahlreiche Mitunterzeichnende aufweisen, oder die Möglichkeit für Koautorenschaften von parlamentarischen Initiativen solche Lösungen darstellen. Marianne Binder-Keller zitierte eine Studie aus dem Jahr 2018/2019, die zeige, dass das Schweizer Parlament hinsichtlich institutioneller Möglichkeiten zwar im «internationalen Mittelfeld» liege, bezüglich Ressourcenausstattung aber an drittletzter Stelle. Die Forderung, parlamentarische Rechte zu beschneiden, um Kosten zu sparen, sei in Anbetracht dieser schlechten Ressourcenausstattung nicht haltbar.
Bei der Abstimmung fand die knappe Kommissionsminderheit dann eine doch recht deutliche Ratsmehrheit: Mit 115 zu 78 Stimmen (3 Enthaltungen) gab die grosse Kammer der Initiative Folge. Die geschlossen stimmenden Fraktionen der GLP, der SVP und der FDP sowie eine knappe Mehrheit der Mitte-EVP-Fraktion sprachen sich für eine Weiterverfolgung des Verbots von Vorstössen an Sondersessionen zur Eindämmung der «Vorstossflut» aus.

Sondersessionen auf Kernzweck zurückführen – Abbau der Geschäftslast (Pa.Iv. 22.433)
Dossier: Massnahmen gegen zu viele parlamentarische Vorstösse

Im Zusammenhang mit der Covid-19-Pandemie und dem Krieg in der Ukraine kam es zu Schwierigkeiten in internationalen Lieferketten und in der Verfügbarkeit gewisser Güter und Energieträger. Im Jahr 2022 standen deshalb die wirtschaftliche Versorgungssicherheit sowie die wirtschaftliche Kriegsvorsorge vermehrt im Interesse der medialen Berichterstattung sowie im Fokus einiger parlamentarischer Vorstösse.
Zentral waren dabei die Pflichtlager, wie beispielsweise jenes für Treibstoffe: Während dieses über Jahrzehnte nie angezapft worden war, musste der Bundesrat im vergangenen Jahrzehnt mehrfach Reserven für den Markt freigeben (2010, 2015, 2018 und 2019). Zu den Hauptursachen für die Versorgungsengpässe auf dem freien Markt zählten vor allem der tiefe Rheinpegel in trockenen Sommern – welcher den Import über die Rheinschifffahrt erschwerte –, Streiks im Ausland und Probleme in Raffinerien. Auch im Sommer 2022 musste der Bundesrat das Pflichtlager teilweise freigeben – dazu beigetragen hat auch der Krieg in der Ukraine. Im März 2022 öffnete der Bundesrat zudem das Pflichtlager für Opioide. Dieser Schritt sei aufgrund einer «schweren Mangellage» an Schmerzmitteln auf dem Schweizer Markt notwendig geworden, die durch Kapazitätsprobleme in der Herstellung solcher Medikamente verursacht worden sei, erklärte der Bundesrat dazu. Neben der Freigabe von bestehenden Pflichtlagern wurden auch neue eingeführt: So kam 2022 ein Pflichtlager für Rapssaatgut neu dazu. Bereits 2020 führte der Bundesrat das Pflichtlager für Ethanol – das 2018 aufgelöst worden war – wieder ein (vgl. Mo. 20.3448), da es zu Beginn der Covid-19-Pandemie zu Versorgungsschwierigkeiten mit Ethanol für die Produktion von Desinfektionsmitteln gekommen war. Die Pflichtlager erstreckten sich im Jahr 2022 deshalb über Zucker, Reis, Speiseöle und -fette, Getreide, Kaffee, Futtermittel, Stickstoff-Dünger, Benzin, Dieselöl, Flugpetrol, Heizöl sowie Heizöl extra leicht (für Zweistoffanlagen), Uran-Brennelemente, Rapssaatgut, diverse Arzneimittel und Impfstoffe, Kunststoffe (Polyethylen-Granulate zur Herstellung von Desinfektionsmittelflaschen sowie Zusatzstoffe) und Ethanol. Wie die Aargauer Zeitung im Juni 2022 schrieb, erwiesen sich diese «Überbleibsel aus dem Kalten Krieg» plötzlich wieder als sinnvolle Massnahmen, um aktuellen Herausforderungen zu begegnen.
Auch organisatorisch erkannte der Bundesrat beim Thema der wirtschaftlichen Landesversorgung Handlungsbedarf: Im März 2022 kündigte er an, das dafür zuständige BWL personell aufstocken zu wollen. Insbesondere der Chefposten im Bundesamt soll dabei zu einer Vollzeitstelle ausgebaut werden – bisher war dieser Milizposten mit einem Pensum von 40 Prozent verbunden.
Die Frage der wirtschaftlichen Versorgungssicherheit beschäftigte auch die Mitte-Fraktion, welche bei essenziellen Gütern eine Reduktion der Abhängigkeit vom Ausland verlangte – eine Motion, die der Ständerat im Herbst 2022 als Zweitrat jedoch fallen liess. Im Sommer veröffentlichte der Bundesrat zudem einen Bericht zu einer angenommen Motion Häberli-Koller (mitte, TG; Mo. 20.3268), welche ebendiese wirtschaftlichen Abhängigkeiten bei essenziellen Gütern aufzeigte. Weiter wollte der Nationalrat auch die Situation der Versorgungssicherheit mit Metallen und seltenen Erden geklärt haben und überwies im Herbst 2022 ein entsprechendes Postulat Schneider-Schneiter (mitte, BL; Po. 20.3950) an den Bundesrat.
Des Weiteren trat das Thema der wirtschaftlichen Landesversorgung im Zusammenhang mit der drohenden Energieknappheit im Winter 2022/2023 in den Fokus der öffentlichen Debatte. Nebst den durch den Bund in Auftrag gegebenen Pflichtlagern standen auch die privaten Notvorräte im Fokus. So rief beispielsweise der Regierungsrat des Kantons Zürich im September 2022 die Bevölkerung dazu auf, einen Notvorrat anzulegen, um gegen die Energieknappheit gewappnet zu sein. Der Notvorrat solle dabei aus Wasser und Getränken, Lebensmitteln, Gebrauchsgütern, Hygieneartikeln sowie einer Hausapotheke bestehen. Auch das BLV habe in diesem Zusammenhang seine Informationstätigkeit verstärkt, berichtete die NZZ.
Die Diskussion weitete sich zuletzt auch auf den militärischen Bereich aus: Die vielen Bunkeranlagen in privaten sowie öffentlichen Gebäuden in der Schweiz gewannen im Jahr 2022 aufgrund des Kriegs in der Ukraine und der atomaren Drohungen seitens Russlands plötzlich wieder an medialem Interesse. Als einziger Kanton hat dabei Luzern die Zuteilung der Bevölkerung auf die Bunkeranlagen online veröffentlicht. Die Aargauer Zeitung berichtete zudem darüber, in welchen Kantonen genügend Schutzplätze und in welchen gemessen an der wohnhaften Bevölkerung zu wenig Schutzplätze vorhanden sind. Während etwa der Kanton Graubünden eine Abdeckung von 146 Prozent aufweise, könne der Kanton Genf nur 72 Prozent aller Einwohnerinnen und Einwohnern im Ernstfall einen Schutzplatz anbieten. Gesamtschweizerisch betrachtet bestehe allerdings eine Abdeckung von über 100 Prozent.

Gesellschaftliche Debatte um die wirtschaftliche Versorgungssicherheit im Zusammenhang mit dem Ukraine-Krieg und Covid-19
Dossier: Wirtschaftliche Abhängigkeit verringern
Dossier: Covid-19-Krise und Ukrainekrieg: Anpassung der wirtschaftlichen Landesversorgung

Anfang November 2022 gab der Bundesrat bekannt, dass das WBF gemeinsam mit dem EDA entschieden habe, die Lieferung iranischer Drohnen nach Russland zu sanktionieren. Damit übernehme die Schweiz die Sanktionen der EU gegen drei iranische Militärangehörige und eine Firma, welche an der Entwicklung und Lieferung von Drohnen an Russland beteiligt gewesen sein sollen. Diese Drohnen seien anschliessend im Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine eingesetzt worden. Die sanktionierten Subjekte durften damit nicht mehr in die EU oder die Schweiz einreisen, mit ihnen durften keine Geschäfte gemacht werden und allfällige Vermögen in der Schweiz konnten eingefroren werden. Gleichzeitig gaben beide Departemente aber auch bekannt, dass man die weiteren – im Zusammenhang mit den gegenwärtigen Protesten – erlassenen EU-Sanktionen gegenüber dem Iran nicht übernehmen wolle. Nach der Tötung von Jina Mahsa Amini in iranischem Polizeigewahrsam am 16. September 2022 war es im Iran zu landesweiten Demonstrationen gekommen, welche die iranische Regierung gewaltsam hatte niederschlagen lassen. Die EU sanktionierte daraufhin elf Personen und vier Organisationen, die sowohl mit dem Tod der jungen Iranerin als auch mit der Protestbekämpfung in Verbindung gebracht wurden. Der Bundesrat rechtfertigte den Verzicht auf die Übernahme dieser Sanktionen damit, dass die Schweiz den Tod von Amini als eines der ersten Länder auf höchster Stufe mit dem Iran thematisiert und eine «rasche, unabhängige und unparteiische Aufklärung gefordert» habe. Auch die Gewaltanwendung gegen Protestierende habe man verurteilt und den Iran auf bilateraler und multilateraler Ebene zur Einhaltung seiner menschenrechtlichen Verpflichtungen aufgefordert. Diese Massnahmen erachtete der Bundesrat als ausreichend. Zudem übernehme die Schweiz fünf Schutzmachtmandate im oder für den Iran, welche ebenfalls in die Abwägung miteingeflossen seien. Die bereits bestehenden Finanz-, Reise- und Gütersanktionen wollte der Bundesrat hingegen weiterhin aufrechterhalten.
Der emeritierte Rechtsprofessor Thomas Cottier erklärte die Zurückhaltung des Bundesrats im Tages-Anzeiger damit, dass die Schweiz bisher noch nie «thematische Menschenrechtssanktionen» – also Sanktionen gegen Staaten, die auf ihrem Gebiet Menschenrechte nicht einhalten – erlassen habe. Dementsprechend wäre eine Übernahme aller EU-Sanktionen ein Paradigmenwechsel mit Präzedenzcharakter gewesen. In der Folge hätte man diese auf weitere Staaten anwenden müssen, da die EU derartige Sanktionen beispielsweise auch gegen China erlassen habe.

Der Entscheid des Bundesrats sorgte für einige rote Köpfe in der Schweizer Parteienlandschaft. Marianne Binder-Keller (mitte, AG) forderte im Tages-Anzeiger mehr Unterstützung der Demokratiebewegung im Iran und kritisierte die nur teilweise erfolgte Sanktionsübernahme. SP-Nationalrat Fabian Molina (sp, ZH) bezeichnete den Bundesratsentscheid gar als «Skandal», für den es rechtlich keinen Grund gebe. Auch in der Bevölkerung formierte sich Widerstand gegen die offizielle Haltung der Schweiz: In Bern protestierten kurz darauf tausende Personen auf dem Bundesplatz gegen das iranische Regime und forderten eine Wende in der Schweizer Iran-Politik. Die grüne Nationalrätin Natalie Imboden (gp, BE), die ebenfalls an den Protesten teilnahm, kritisierte, dass sich die Schweiz hinter ihren Schutzmachtmandaten verstecke.

Bundesrat verhängt Sanktionen gegen den Iran
Dossier: Von der Schweiz ergriffene Sanktionen gegen andere Staaten

In Erfüllung zweier Postulate Binder Keller (mitte, AG; Po. 20.3650) und Pfister (mitte, ZG; Po. 20.3824) legte der Bundesrat im November 2022 den Bericht «Die Hisbollah und die Schweiz» vor. Der Bundesrat sprach sich im Rahmen des Berichts gegen ein Betätigungsverbot für die Hisbollah in der Schweiz aus. Laut dem Bericht würde die Hisbollah im Falle eines Verbots vermehrt im Untergrund agieren, was Überwachung und Prävention erschweren würde.

Betätigungsverbot der Hisbollah in der Schweiz (Po. 20.3824)

In Erfüllung zweier Postulate Binder-Keller (mitte, AG; Po. 20.3650) und Pfister (mitte, ZG; Po. 20.3824) legte der Bundesrat im November 2022 den Bericht «Die Hisbollah und die Schweiz» vor. Im Zentrum des Berichts standen, wie in den beiden Vorstössen gefordert, die Aktivitäten der schiitisch-islamistischen Hisbollah in der Schweiz sowie die Prüfung eines Betätigungsverbots der Hisbollah in der Schweiz.
Der Bericht zeichnete die Entstehung und die aktuelle Aufstellung der Hisbollah nach und wies eine insgesamt sehr geringe Aktivität in der Schweiz aus. Die Anzahl der Anhängerinnen und Anhänger wurde auf einige Dutzend geschätzt, wobei diese Personen der Hisbollah nicht zwingend ideologisch verbunden seien. Die verschiedenen Institutionen der Hisbollah in der Schweiz nähmen vor allem religiöse Aufgaben wahr, seien aber nicht enger mit anderen islamischen Zentren verbunden. Vereinzelt beteiligten sie sich auch an politischen, teilweise antiisraelischen Aktivitäten. Über die Mittelbeschaffung und -verschiebung der Hisbollah in der Schweiz konnten laut dem Bericht indes keine Kenntnisse gewonnen werden.
Die terroristische Bedrohung durch die Hisbollah schätzte der Bericht für die Schweiz als gering ein. Von der Bundesanwaltschaft sei bisher kein Strafverfahren gegen die Hisbollah oder mit ihr in Verbindung stehende Personen eröffnet worden. Gleichzeitig unterstrich der Bundesrat jedoch, dass die bestehenden Strukturen zur Terrorbekämpfung ausreichend seien, um mögliche terroristische Aktivitäten der Hisbollah in der Schweiz zu erkennen und zu bekämpfen.
Basierend auf diesen Erkenntnissen empfahl die Regierung, von einem Betätigungsverbot für die Hisbollah abzusehen. Ein solches würde sich einerseits negativ auf die diplomatischen und humanitären Bestrebungen der Schweiz im Nahen und Mittleren Osten auswirken. Andererseits würde die Aktivität der Hisbollah durch ein Verbot in den Untergrund verschoben, was Prävention und Eingreifen bei potentiellen terroristischen Aktivitäten erschweren würde. Die Position der Schweiz als neutrale Vermittlerin, beispielsweise zwischen dem Libanon und Ägypten oder zwischen den USA und dem Iran, könnte durch ein Betätigungsverbot für die Hisbollah massgeblich geschädigt werden, mahnte der Bundesrat im Bericht. Mit Blick auf die humanitäre Unterstützung, insbesondere im Libanon, riet die Regierung ebenfalls davon ab, die Trennung zwischen dem politischen und dem militärischen Arm der Hisbollah aufzuheben. Der politische Arm der Hisbollah sei als Regierungsmitglied und Bereitstellerin von Infrastruktur im Libanon eine wichtige Kooperationspartnerin. Der Bundesrat folgerte aus dem Bericht, dass die aktuellen Rechtsinstrumente ausreichten und keine weiteren Massnahmen zu ergreifen seien.

Bericht über die Aktivitäten der schiitisch-islamistischen Hisbollah in der Schweiz (Po. 20.3650)

Am 20. Oktober 2022 reiste Bundespräsident Cassis in die Ukraine, um sich mit Präsident Selenskyj zu treffen. Die Reise war aufgrund von Sicherheitsbedenken im Geheimen organisiert worden, trotzdem berichtete der Blick bereits vor Cassis Ankunft über den Besuch. Das EDA zeigte sich in der Folge äusserst verärgert über diese Indiskretion. Dadurch sei die Sicherheit der Delegation gefährdet worden, so ein Sprecher des Departements. Begleitet wurde der Aussenminister von Nationalrätin Marianne Binder-Keller (mitte, AG) und Ständerat Matthias Zopfi (gp, GL). Es war der zweite Besuch einer hochrangigen Schweizer Delegation seit dem Kriegsausbruch, nachdem Nationalratspräsidentin Irène Kälin (gp, AG) im April des gleichen Jahres nach Kiew gereist war. Für Aussenminister Cassis war es bereits die zweite Amtsreise in die Ukraine, eine erste hatte er 2021 vorgenommen. Am Treffen nahmen auch der ukrainische Premierminister Denys Schmyhal und Aussenminister Dmytro Kuleba teil. Die Gespräche fokussierten auf die aktuelle Kriegssituation, die humanitären Bedürfnisse der Ukraine sowie die Vorbereitungsarbeiten für den Wiederaufbau- und Entwicklungsplan des Landes. Im Rahmen der Ukraine Recovery Conference, die im Juli 2022 in Lugano stattgefunden hatte, hatte die Schweiz an der Erarbeitung des Wiederaufbauplans mitgewirkt. Cassis tauschte sich mit seinem ukrainischen Pendant Schmyhal über die Umsetzung der an der Konferenz angestossenen Massnahmen aus. Gegenüber den Medien unterstrich der Bundespräsident die Solidarität der Schweiz mit der ukrainischen Bevölkerung und kritisierte Russlands Verletzung der territorialen Integrität der Ukraine. Im Rahmen des Treffens unterzeichneten die beiden Parteien ein MoU zur digitalen Transformation und zwei Absichtserklärungen zur Zusammenarbeit in den Bereichen «vermisste Personen» und «Forensik».
In der Schweiz wurde die Amtsreise von Cassis insgesamt positiv aufgenommen. APK-NR-Präsident Franz Grüter (svp, LU) erachtete den Besuch als ein gutes Zeichen, stellte aber die Frage in den Raum, «was er damit erreichen will». Ein Schutzmachtmandat der Schweiz zwischen der Ukraine und Russland hätte der SVP-Aussenpolitiker begrüsst, für Gespräche über den Wiederaufbau des Landes sei es aber noch zu früh, wie er CH Media mitteilte. Mitte-Nationalrätin Schneider-Schneiter (mitte, BL) fand es hingegen wichtig, dass Cassis ein Follow-up der Ukraine-Konferenz durchgeführt habe.

Im Anschluss an den Staatsbesuch in der Ukraine reiste Cassis weiter nach Moldawien, um in Chișinău mit Präsidentin Maia Sandu über die Konsequenzen des Kriegs auf ihr Land und dessen humanitäre Lage zu sprechen.

Bundespräsident Cassis trifft Präsident Selenskyi
Dossier: Staatsbesuche im Ausland 2022
Dossier: Schweizer Reaktion auf die russischen Aggressionen in der Ukraine (ab 2014)

Da der Ständerat den vom Nationalrat geforderten Artikel zum Erlass autonomer Sanktionen abgelehnt hatte, musste sich der Nationalrat in der Herbstsession 2022 im Rahmen der Differenzbereinigung ein zweites Mal mit der Änderung des Embargogesetzes auseinandersetzen. Zur Debatte stand weiterhin ebenjener fragliche Artikel, mit dem der Bundesrat ermächtigt werden sollte, eigenständig Personen und Entitäten, die an schwerwiegenden Verletzungen des humanitären Völkerrechts oder der Menschenrechte beteiligt sind, zu sanktionieren. Eine knappe Mehrheit der APK-NR empfahl der grossen Kammer, dem Beschluss des Ständerats zuzustimmen, während eine Minderheit Molina (sp, ZH) weiterhin an besagtem Artikel festhalten wollte. Fabian Molina warf dem Ständerat vor, die Schweizer Neutralität mit Teilnahmslosigkeit und «völliger Indifferenz» gleichzustellen und forderte den Nationalrat dazu auf, die Diskussion über eigenständige, personenbezogene Sanktionen weiterzuführen.

Die Fraktionssprecherinnen und -sprecher der FDP-Liberalen, der Mitte und der SVP drückten alle ihre Sorge darüber aus, dass ein Ja zu eigenständigen Sanktionen eine grundlegende Veränderung der Schweizer Neutralität nach sich ziehen würde, ohne dass eine Vernehmlassung oder eine ausführliche Diskussion über die Neutralitätspolitik stattgefunden hätte. Mehrmals wurde von dieser Seite auch kritisiert, dass eigenständige Sanktionen wenig wirksam seien. Bundesrat Parmelin sprach sich ebenfalls gegen eigenständige Sanktionen der Schweiz aus, die nicht nur die Sanktionspolitik des Landes neu ausrichten würden, sondern das Land auch stark exponieren und dessen Neutralität bedrohen würden. Zudem verfügten die zuständigen Stellen des Bundes nicht über die nötigen Kapazitäten, um autonome Sanktionen umzusetzen, so Parmelin.
Dem hielten die SP, die Grünen und die Grünliberalen entgegen, dass die Schweiz eine gewisse Verantwortung bei schweren Verbrechen und Menschenrechtsverletzungen wahrnehmen müsse. Personen und Organisationen, die in schwerer Weise das Völkerrecht verletzen, sollten mittels einer eigenständigen, kohärenten und proaktiven Sanktionspolitik verfolgt werden. Der eigenständige Erlass von Sanktionen würde auch nicht bedeuten, dass die Schweiz mit diesen Sanktionen alleine auf weiter Flur dastehen würde. Man könne derartige Ausweitungen beispielsweise mit der EU vorbesprechen, so das Argument der Minderheit.

Mit 103 zu 83 Stimmen folgte der Nationalrat dem Antrag der Mehrheit und stimmte dem Beschluss des Ständerats zu. Hauptgrund für den Meinungswandel war das Umschwenken der Mitte-Fraktion, die bei der ersten Beratung der Revision noch die Idee eigenständiger Sanktionen unterstützt hatte. Fraktionssprecherin Elisabeth Schneider-Schneiter (mitte, BL) betonte jedoch, dass man den Bundesrat mit dem Nein nicht aus der Pflicht nehme, eine zeitgemässe Sanktionspolitik zu prüfen und verwies auf eine hängige Motion der APK-NR (Mo. 22.3395). Mit dem Einschwenken des Nationalrats auf die Linie des Ständerats sollte das Embargogesetz also bloss geringfügig angepasst werden. Die Schweiz kann weiterhin nur Sanktionen der UNO, der EU und der OSZE übernehmen. Ausgebaut werden sollte nur die Kompetenz des Bundesrats, bereits übernommene Zwangsmassnahmen teilweise oder vollständig auf weitere Staaten und Personen ausweiten zu können, sofern das Interesse des Landes dies erfordert.

In der Schlussabstimmung stimmte die kleine Kammer einstimmig für die Annahme der Revision. Ganz anders der Nationalrat, der den Entwurf mit 118 zu 70 Stimmen (bei 5 Enthaltungen) ablehnte. Die SVP, die im Verlauf der Herbstsession immer wieder die Übernahme der EU-Sanktionen gegen Russland kritisiert und eine Rückkehr zur integralen Neutralität gefordert hatte, wich von ihrem tags zuvor getroffenen Entscheid ab und versenkte die Revision gemeinsam mit der SP und den Grünen.

Änderung des Embargogesetzes (BRG 19.085)
Dossier: Von der Schweiz ergriffene Sanktionen gegen andere Staaten
Dossier: Schweizer Reaktion auf die russischen Aggressionen in der Ukraine (ab 2014)