Suche zurücksetzen

Inhalte

Akteure

  • Sommaruga, Carlo (sp/ps, GE) SR/CE
  • Graf, Maya (gp/verts, BL) NR/CN

Prozesse

114 Resultate
Als PDF speichern Weitere Informationen zur Suche finden Sie hier

Nach den ersten Beratungen des Entwurfs der RK-SR zum Gemeinnützigkeits- und Stiftungswesen in Umsetzung einer parlamentarischen Initiative Luginbühl (bdp, BE) waren zur Differenzbereinigung in der Herbst- und Wintersession 2021 noch zwei Differenzen offen.

Bei der ersten Differenz wollte der Nationalrat neu das Beschwerderecht im Rahmen von Stiftungen gesetzlich regeln und auf Personen ausweiten, die ein «berechtigtes Kontrollinteresse» an der Arbeit des Stiftungsrates haben. Der Ständerat folgte jedoch stillschweigend seiner Kommission, lehnte diesen Punkt ab und hielt somit an der Differenz fest. Der Artikel sei zu undeutlich formuliert, weshalb man eine Beschwerdeflut und somit eine Schwächung des Stiftungsstandorts Schweiz und der Rechtssicherheit fürchte, erklärte Kommissionssprecher Beat Rieder (mitte, VS). Zudem sei die bereits bestehende Aufsicht über Stiftungen ausreichend und funktioniere gut. Doch auch der Nationalrat hielt in der Wintersession 2021 auf Anraten seiner Kommissionsmehrheit und gegen eine Minderheit Vogt (svp, ZH) an der Differenz fest: Die Formulierung eines «berechtigte[n] Kontrollinteresse[s]» werde eine Beschwerdeflut verhindern, argumentierte Kommissionssprecherin Judith Bellaïche (glp, ZH). Erfolglos blieb auch eine Minderheit Dandrès (sp, GE), die den Beschwerdeweg noch weiter öffnen und die Bedingung eines «berechtigten Interesses» streichen wollte. In der Folge stimmten beide Räte einem Kompromissvorschlag zu: So hatte eine erfolgreiche Minderheit Sommaruga (sp, GE) im Ständerat vorgeschlagen, das Beschwerderecht begrenzter zu erweitern, als es der Nationalrat ursprünglich vorgesehen hatte. Konkret sollten Spenderinnen und Spender sowie ihnen nahestehende Personen, welche der Nationalrat einschliessen wollte, vom Beschwerderecht ausgeschlossen werden. Der Ständerat folgte diesem Vorschlag mit 26 zu 17 Stimmen. Der Bundesrat, welcher sich ursprünglich gegen eine Erweiterung ausgesprochen hatte, erachtete diesen Kompromiss ebenfalls als machbare Lösung, wie Karin Keller-Sutter erläuterte. In der Folge stimmte auch der Nationalrat dieser Lösung stillschweigend zu, womit diese erste Differenz bereinigt war. Damit haben nun Begünstigte und Gläubiger einer Stiftung, sowie Stifter und Zustifter, ihnen nahestehende Personen und Stiftungsratsmitglieder ein Beschwerderecht. Dafür muss jedoch ein berechtigtes Kontrollinteresse daran, dass die Stiftung im Sinne des Stiftungszwecks handelt, nachgewiesen werden können.

Eine zweite Differenz hatte der Nationalrat bei der Frage, ob Stiftungen, die ihre Stifungsorgane entsprechend ihrer Aufgaben entlöhnen, steuerbefreit werden können, geschaffen. Die RK-SR wollte auch hier an der ablehnenden Haltung des Ständerats festhalten, da diese Forderung in der Vernehmlassung von 18 Kantonen strikt abgelehnt worden sei, wie Kommissionssprecher Rieder die Mehrheitsposition ausführte. Die Kommission befürchtete etwa, dass Stiftungsgelder so in Löhne statt in den tatsächlichen Stiftungszweck fliessen würden. Der Ständerat folgte stillschweigend seiner Rechtskommission, woraufhin aber auch der Nationalrat an seiner Version festhielt, um eine professionellere Stiftungsführung zu ermöglichen. Zudem gehe es eben um «angemessene» und nicht um «marktkonforme» Löhne, wie der Ständerat befürchtet hatte. Die Argumentation des Ständerates sei widersprüchlich, da er den zweckmässigen Einsatz der Gelder bei den Löhnen fürchte, aber gleichzeitig eine Beschwerdemöglichkeit für solche Fälle verhindern wolle, kritisierte Kommissionssprecherin Bellaïche den Schwesterrat. Nach einem weiteren Festhalten des Ständerats lenkte der Nationalrat ein und verzichtete auf diese Ergänzung, womit auch die letzte Differenz bereinigt werden konnte.

Das Geschäft war damit für die Schlussabstimmungen bereit, welche noch in der Wintersession 2021 stattfanden. Der Nationalrat nahm den Entwurf mit 141 zu 52 Stimmen an, wobei alle ablehnenden Stimmen von Mitgliedern der geschlossen stimmenden SVP-Fraktion stammten. Der Ständerat nahm die Vorlage hingegen einstimmig mit 43 Stimmen an. Damit kamen die Beratungen zur parlamentarischen Initiative Luginbühl und zu deren Umsetzung nach gut sieben Jahren zu einem Ende.

Stärkung des Schweizer Stiftungsstandorts (Pa. Iv. 14.470)

Eine Motion der APK-NR, die einen stärkeren Einbezug des Privatsektors in die Entwicklungszusammenarbeit forderte, gelangte in der Wintersession 2021 in den Ständerat. Die Motion verlangte vom Bundesrat Massnahmen, damit die SIFEM ihre Projekte in Zukunft schwerpunktmässig mittels «Blending» – also mittels Verbindung öffentlicher A-fonds-perdu-Beiträge mit kommerziellen Mitteln wie Darlehen und Beteiligungen – umsetzt. Carlo Sommaruga (sp, GE) legte im Namen der APK-SR dar, weshalb man die Motion zur Ablehnung empfohlen hatte. Er erklärte, dass der Ausbau der geforderten Mischfinanzierung unter anderem mit der Strategie der internationalen Zusammenarbeit 2021-2024 bereits initiiert worden sei und die Hauptforderung der Motion daher als erfüllt betrachtet werden könne. Dieser Aussage stimmte auch der anwesende Bundesrat Parmelin zu. Er merkte zudem an, dass es kontraproduktiv sei, hauptsächlich subventionierte Instrumente – zu denen er auch das Blending zählte – einzusetzen. Würde man ausschliesslich das Instrument der Mischfinanzierung verwenden, das teilweise aus nicht rückzahlbaren Beiträgen bestehe, würden dadurch der Wettbewerb verzerrt und unrentable Projekte unterstützt. Ausserdem sei es unrealistisch, in den am wenigsten entwickelten Ländern, wo das Investitionsrisiko am grössten sei, den Anteil der privaten Investition durch eine Reduktion der klassischen Entwicklungszusammenarbeit steigern zu wollen. Aus diesen Gründen empfahl Parmelin die Ablehnung des Vorstosses, was der Ständerat daraufhin stillschweigend tat.

Stäkerer Einbezug des Privatsektors in der Entwicklungszusammenarbeit

Der Ständerat befasste sich in der Wintersession 2021 mit der Forderung nach einer Finanzierungsbotschaft für die Schweizer Teilnahme am EU-Austauschprogramm Erasmus plus. Brigitte Häberli-Koller (mitte, TG) erläuterte im Namen der WBK-SR, dass diese Sympathien für das Anliegen habe, jedoch mehrheitlich beantrage, die Motion abzulehnen, da die geforderte Präsentation einer solchen Botschaft bis Ende Wintersession 2021 nicht umsetzbar sei. Zudem liege seitens der EU noch kein Verhandlungsmandat vor. Carlo Sommaruga (sp, GE), der einen Minderheitsantrag auf Annahme der Motion gestellt hatte, sowie Maya Graf (gp, BL) waren anderer Meinung. Sie verwiesen auf die Relevanz dieses Austauschprogramms für junge Erwachsene und erinnerten daran, dass sich die Räte bereits für die Vollassoziierung der Schweiz ausgesprochen hatten. Es liege am fehlenden Respekt gegenüber dem Entscheid des Parlaments und am Mangel an politischem Willen seitens des Bundesrates, dass dieser in diesem Dossier nicht vorangehe. Anders sei es nicht zu erklären, dass er beispielsweise für das EU-Forschungsprogramm Horizon Europe bereits im Mai 2020 eine Finanzierungsbotschaft vorgelegt habe, obwohl dort vonseiten der EU auch kein Verhandlungsmandat vorgelegen habe.
Nachdem Bildungsminister Parmelin noch einmal dargelegt hatte, weshalb es dem Bundesrat derzeit nicht möglich sei, die geforderte Botschaft vorzulegen, lehnte die kleine Kammer die Motion mit 23 zu 14 Stimmen bei 3 Enthaltungen ab.

Finanzierungsbotschaft für die Schweizer Teilnahme an Erasmus plus (Mo. 21.3975)
Dossier: Erasmus und Horizon

L'agriculture contractuelle de proximité (ACP) ne recevra pas d'aides ciblées comme proposé par la motion Sommaruga (ps, GE). Contrairement à sa chambre sœur, le Conseil des Etats a décidé par 25 voix contre 14 (1 abstention) de ne pas soutenir ce texte, suivant ainsi l'avis de la majorité de la CER-CE qui estime que suffisamment d'instruments existent aujourd'hui déjà. De plus, d'après la commission, il serait néfaste de favoriser un système plutôt que d'autres, tout autant bénéfiques pour la durabilité et la mise en valeur des produits. La minorité, défendue tant par Adèle Thorens Goumaz (verts, VD) que par le motionnaire lui-même (un texte qu'il avait déposé lorsqu'il siégeait au Conseil national), n'a eu aucune chance, malgré une argumentation axée sur les bienfaits de l'ACP, que ce soit au niveau de la santé des consommateurs, du soutien de la production locale ou de l'impact bénéfique sur le climat et l'environnement.

L'agriculture de proximité (Mo. 18.3949)

In Erfüllung eines Postulats Graf (gp, BL) präsentierte der Bundesrat im Dezember 2021 seinen Bericht zu Ursachen von Tötungsdelikten im häuslichen Umfeld sowie zu Massnahmen zu deren Verhinderung. Dem Bericht lagen von der Universität St. Gallen im Auftrag des EBG ausgewertete Daten zu Ursachen von Homiziden innerhalb der Partnerschaft vor. Gemäss diesen Auswertungen sind die Opfer in neun von zehn Fällen weiblich. Die Studie eruierte verschiedene Risikofaktoren für Tötungsdelikte im häuslichen Umfeld, namentlich eine Trennung und die vorhergehende Ausübung von häuslicher Gewalt – inklusive Stalking –, Alkohol- und Drogenkonsum, Schusswaffenbesitz, finanzielle Schwierigkeiten oder auch «kulturell geprägte Vorstellungen über Geschlechterrollen mit einem Besitzanspruch sowie Macht- und Kontrollverhalten seitens des Mannes». Gerade im häuslichen Bereich bestehe Handlungsbedarf für Präventions- und Schutzmassnahmen, da die Tötungsdelikte dort im Gegensatz zu denjenigen ausserhalb der Partnerschaft über die Zeit nicht abgenommen hätten. Die sieben von den Autorinnen und Autoren im Bericht festgehaltenen Empfehlungen zielen unter anderem darauf ab, sowohl gewaltbetroffene als auch gewaltausübende Personen während der Trennung besser professionell zu betreuen, Schusswaffen schwieriger erhältlich zu machen und die Wirksamkeit von Präventionsinstrumenten stärker zu erforschen.
Aufgrund des Berichts beschloss der Bundesrat sechs Massnahmen: Erstens sollen fedpol und das VBS die Herkunft der für Homizide verwendeten Waffen erforschen, damit basierend auf diesen Grundlagen weitere Massnahmen zur Einschränkung des missbräuchlichen Waffengebrauchs beschlossen werden können. Zweitens soll zur Prävention von Tötungsdelikten erforscht werden, «mit welchen Massnahmen in der Schweiz auf gewaltbegünstigende Männlichkeitsvorstellungen eingewirkt werden kann». Drittens sollen Fachpersonen aus der Medizin, Psychiatrie, der Suchtberatung und dem sozialen Bereich sensibilisiert und Hilfsangebote verstärkt werden. Ebenfalls sollen – viertens – solche Hilfsangebote besser koordiniert und besser vermittelbar werden. Da etwas mehr als ein Viertel der Tötungsdelikte in der Partnerschaft mit dem Suizid des Täters oder der Täterin enden, soll fünftens diese Kategorie von Fällen verstärkt untersucht werden. Sechstens soll das SEM prüfen, wie Migrantinnen und Migranten besser über häusliche Gewalt und die für diesen Fall zur Verfügung stehenden Hilfsangebote informiert werden können.

Nach Kenntnisnahme des Berichts beschloss die WBK-NR mit 16 zu 7 Stimmen die Lancierung einer Kommissionsmotion, um regelmässige Präventionskampagnen gegen häusliche, geschlechterbezogene und sexuelle Gewalt in der ganzen Schweiz durchzuführen. Der Bundesrat stand diesem Anliegen positiv gegenüber. Ähnliche Anliegen verfolgten drei unmittelbar nach Publikation des Berichts von Nationalrätinnen unterschiedlicher politischer Lager eingereichte Motionen.

Postulat fordert Bericht zu Ursachen von Tötungsdelikten im häuslichen Umfeld (Po. 19.3618)
Dossier: Gewalt gegen Frauen* / häusliche Gewalt (ab Ratifikation Istanbul-Konvention)

In der Wintersession 2021 befasste sich der Ständerat mit der Motion der APK-NR zur Förderung der Menschenrechte in China im Rahmen der Schweizer China-Strategie. Matthias Michel (fdp, ZG) äusserte sich im Rat im Namen der APK-SR, welche die Motion im Vorfeld der Session mit 6 zu 4 Stimmen abgelehnt hatte. Michel erklärte, dass die Kommission das übergeordnete Ziel der Menschenrechtsförderung unterstütze und die chinesische Auffassung der Menschenrechte klar jener der internationalen Wertegemeinschaft widerspreche. Eine Kommissionsmehrheit sei jedoch zum Schluss gekommen, dass der Bundesrat bereits gemäss den Umsetzungsvorschlägen der Motion handle, womit diese als erfüllt angesehen werden könne. Da die Motion darüber hinausgehe und dadurch in den Kompetenzbereich des Bundesrats eingreifen würde, sei sie nicht zielführend und müsse abgelehnt werden. Carlo Sommaruga (sp, GE), der für die Kommissionsminderheit sprach, kritisierte den Bundesrat dafür, in der Vergangenheit wirtschaftliche Interessen stärker gewichtet zu haben als Fragen der Demokratie, der Rechtsstaatlichkeit und der Menschenrechte. Sommaruga insistierte, dass diesbezüglich Handlungsbedarf bestehe, beispielsweise indem man den Menschenrechtsdialog im Rahmen der Olympischen Winterspiele wiederaufnimmt und bei einer Weigerung Chinas symbolische Massnahmen ergreift. Auch die Annahme der Motion sei eine solche symbolische Geste, die China vermitteln würde, dass das Schweizer Parlament die Menschenrechte nicht einfach ruhen lasse, argumentierte Sommaruga. Der anwesende Bundesrat Cassis verkündete, dass der Menschenrechtsdialog als eines der wichtigsten bilateralen Menschenrechtsinstrumente demnächst wiederaufgenommen werde und zudem eine Bilanz über die vergangenen 30 Jahre Menschenrechtsdialog gezogen werden solle. Die restlichen Forderungen der Motion befand auch der Aussenminister für bereits erfüllt, weshalb er deren Ablehnung beantragte. Die kleine Kammer folgte der Empfehlung ihrer Kommission und lehnte den Vorstoss mit 29 zu 11 Stimmen (bei 1 Enthaltung) deutlich ab.

Motion zur Förderung der Menschenrechte in China
Dossier: Menschenrechtspolitik Schweiz-China

Aufgabe der Präsidentin oder des Präsidenten des Nationalrats ist die Leitung der Ratsverhandlungen sowie des Ratsbüros, in dem unter anderem die Session und die Tagesordnung geplant wird. Darüber hinaus repräsentiert die im Volksmund so betitelte «höchste Schweizerin oder [der] höchste Schweizer» die grosse Kammer gegen aussen. Normalerweise stimmt die Ratspräsidentin oder der Ratspräsident nicht ab, bei Stimmengleichheit gibt sie oder er allerdings den Stichentscheid. Der aus dem Amt scheidende Nationalratspräsident Andreas Aebi (svp, BE) hatte dieses Privileg während seines Amtsjahres laut Aargauer Zeitung rekordverdächtige sieben Mal.
In seiner Abschiedsrede wiederholte Andreas Aebi das bereits bei seiner Antrittsrede vor einem Jahr vorgebrachte Motiv seines Amtsjahres: Es sei ihm mit Freude und Respekt vor dem Amt häufig gelungen, für «Zusammenhalt, Zuversicht und Zufriedenheit» zu sorgen. So hätten auf seine Initiative hin rund 1'000 Schulkinder aus der Stadt ländliche Gegenden und Schulkinder vom Land eine Stadt besucht, um gegenseitiges Verständnis und eben den Zusammenhalt zu fördern. Auch wenn viel von Spaltung gesprochen werde, habe er mit solchen Aktionen viel Gemeinsames und Vereinendes als letztlich stärkere Kräfte erlebt. Andreas Aebi erhielt eine stehende Ovation und schritt alsdann zu einer seiner letzten präsidialen Amtshandlungen, der Leitung der Wahl der neuen Nationalratspräsidentin.
Zu ebendieser wurde die amtierende erste Vizepräsidentin, Irène Kälin (gp, AG) gewählt. Sie erhielt 151 von 166 gültigen Stimmen – von den 180 eingelangten Wahlzetteln blieben 13 leer und eine war ungültig; 15 Stimmen entfielen auf andere Personen. Im langjährigen Vergleich sind 151 Voten ein unterdurchschnittliches Resultat. Im Schnitt erhielten Präsidentinnen und Präsidenten seit 1960 rund 155 Stimmen. Irène Kälin war im November 2017 in den Nationalrat nachgerückt und 2019 wiedergewählt worden. Nach lediglich vier Jahren im Rat wurde die Aargauerin also höchste Schweizerin – im Schnitt sassen Präsidentinnen und Präsidenten vor ihrer Amtsübernahme bisher mehr als 14 Jahre im Rat. Mit 34 Jahren gehörte Irène Kälin zudem zu den sechs jüngsten der mit ihr total 200 Präsidentinnen und Präsidenten (Durchschnittsalter 52.4 Jahre). Sie war die 15. Frau und nach Maya Graf (gp, BL) 2012 die zweite Vertreterin der Grünen in der Geschichte des Parlaments.
Die frisch gekürte Nationalratspräsidentin bedankte sich in ihrer Antrittsrede, dass sie in das «Amt, das grösser ist als wir alle zusammen», gewählt worden sei. «Erste Bürgerin» zu sein, sei ein demokratisches Symbol für die Gleichzeitigkeit von Verschiedenheit und Einheit. Sie repräsentiere jetzt keine Partei, sondern alle Einwohnerinnen und Einwohner der Schweiz. Ihr Präsidialjahr stellte Irène Kälin unter das Motto «Vereinbarkeit». Sie erörterte, wie schwierig es sei, Nationalratsmandat und Mutterschaft unter einen Hut zu bringen. Es habe viel zu reden gegeben, als sie ihren Sohn ins Parlament mitgenommen, ihn gestillt und gewickelt und gleichzeitig politisiert habe. Statt aber über Vereinbarkeit zu reden, habe man ihr damals viele Tipps gegeben, was sie besser machen könnte und was sie falsch mache. Wenn das Milizsystem gestärkt werden solle, was ihr wichtig sei, müssten aber eben «Vereinbarkeitsstrukturen» geschaffen werden. Unter Vereinbarkeit verstehe sie aber auch die Einbindung verschiedener Meinungen. Die «Willensnation» sei eigentlich eine «Vereinbarkeitsdemokratie». Es gehe darum, Kompromisse zu finden, auch weil die Vereinbarkeit von verschiedenen politischen Meinungen sehr bereichernd sei – etwas, das sie mit ihrem Vorgänger habe erleben dürfen. Ihre politischen Überzeugungen lägen zwar maximal auseinander und doch habe sie sich mit Andreas Aebi stets über das Verbindende definiert. Man könne mit «Res» Kühe stehlen, was sie auch machen würde, hätte er nicht schon einen ganzen Stall voll.
Anschliessend kam es zu einem kurzen musikalischen Intermezzo – weil freilich Maskenpflicht herrschte, sprach 24Heure von einer seltsam bleiernen Stimmung. Unter anderem fiel auch der traditionelle Präsidentinnenapéro im Bundeshaus den Covid-19-Massnahmen zum Opfer und auch die kantonale Feier wurde auf Juni 2022 verschoben. Anschliessend wurden Martin Candinas (mitte, GR) zum ersten Vizepräsidenten und Eric Nussbaumer (sp, BL) zum zweiten Vizepräsidenten gewählt. Martin Candinas erhielt 172 von 174 gültigen Stimmen (2 gingen an Diverse; von 181 verteilten und 180 eingelangten Wahlzetteln blieben 4 leer und zwei waren ungültig) und auf Eric Nussbaumer entfielen 145 von 167 gültigen Stimmen (auf 22 standen andere Namen; von 182 verteilten und 181 eingelangten Wahlzetteln blieben 13 leer und einer war ungültig).

Wahl des Nationalratspräsidiums 2021/22
Dossier: Nationalrat und Ständerat. Wahl des Präsidiums und des Büros

Die Ratifizierung der ILO-Übereinkommen Nr. 170 und 174 stand in der Herbstsession 2021 auf dem Programm des Ständerats. Die Übereinkommen beabsichtigten industrielle Störfälle besser zu verhüten und Unfällen und Berufskrankheiten, die durch Chemikalien verursacht werden, vorzubeugen. Carlo Sommaruga (sp, GE) äusserte sich im Namen der APK-SR zum Geschäft und empfahl die Ratifizierung der beiden Verträge. Gesetzesänderungen seien nicht nötig, die Schweiz verpflichte sich nur zur regelmässigen Berichterstattung an das Überwachungsorgan der ILO, erklärte Sommaruga. Ein Teil der Kommission habe sich zwar an der geringen Ratifikationsdichte – nur 22 respektive 18 Staaten haben die Abkommen bisher ratifiziert – der Abkommen gestört, doch mit der Ratifizierung erhöhe die Schweiz ihre Glaubwürdigkeit innerhalb der ILO, was insbesondere als Gaststaat wichtig sei. Deshalb habe man sich der Position des Bundesrats angeschlossen. Der Ständerat nahm die beiden Übereinkommen mit 32 und 34 Stimmen einstimmig an.
Auch in der Schlussabstimmung tags darauf entschied die kleine Kammer mit 38 zu 4 Stimmen und 40 zu 4 Stimmen eindeutig zugunsten der Ratifikation. Im Nationalrat hielt die SVP-Fraktion an ihrer Position fest und stimmte geschlossen gegen die beiden Abkommen. Das Resultat fiel mit 142 zu 54 Stimmen und 141 zu 55 Stimmen dennoch deutlich zugunsten der Ratifikation aus.

Übereinkommen Nr. 170 und 174 mit der ILO

Die Beratung des Ständerats über die Freigabe des zweiten Kohäsionsbeitrags in der Herbstsession 2021 dauerte rund zwei Stunden. Einen Nichteintretensantrag Minder (parteilos, SH) lehnte die kleine Kammer mit 34 zu 9 Stimmen klar ab. Ständerat Minder zweifelte daran, dass die EU nach der Auszahlung der Kohäsionsmilliarde in Höhe von CHF 1.3 Mrd. ihre «Repressionen gegen die Schweiz» beenden würde. Man habe von der EU bisher keine Signale erhalten, dass dadurch die Aufnahme ins Forschungsprogramm Horizon Europe oder die Wiederinstandsetzung der Börsenäquivalenz gewährleistet würde. Eine bedingungslose Freigabe wäre daher «falsch» und «grob fahrlässig». Sein Mitunterstützer Marco Chiesa (svp, TI) äusserte seinen Unmut darüber, dass sich die Schweiz der «kolonialistischen Politik Brüssels» unterwerfen wolle und ohne Garantien Geld auszahle. Auch einige Ratsmitglieder der Mitte wie Heidi Z'graggen (mitte, UR) und Daniel Fässler (mitte, AI) störten sich daran, dass der Kohäsionsbeitrag ausbezahlt werden solle, obwohl die 2019 vom Parlament geforderte Bedingung der «Nicht-Diskriminierung» seitens der EU nicht erfüllt worden war.
Eine überwiegende Mehrheit des Ständerats wollte mit dem Entscheid jedoch einen ersten Schritt auf die EU zugehen. Matthias Michel (fdp, ZG), Sprecher der APK-SR, hielt fest, dass die Zurückbehaltung der Kohäsionsmilliarde offensichtlich keinen Druck auf die EU aufgebaut habe. Die gegenseitige «Blockadepolitik» habe auf beiden Seiten die gewünschte Wirkung verfehlt, nach dem Scheitern des Rahmenabkommens müssten nun auch diese Blockaden beendet werden. Pirmin Bischof (mitte, SO) betonte, dass die Kohäsionszahlungen nichts mit dem InstA zu tun hätten und der EU für die Teilnahme der Schweiz am Binnenmarkt geschuldet sei. Bischof meinte, die Deblockierung der bilateralen Verträge müsse der nächste Schritt sein. Obwohl die EU keine Garantie dafür abgegeben habe, so herrsche doch die Gewissheit, dass die Nichtfreigabe des Beitrags sicher nicht zur Deblockierung führe. Auch Daniel Jositsch (sp, ZH) kam zum Schluss, dass die Schweiz ohne eine Freigabe nichts erreichen könne und bemühte die Analogie eines Mietverhältnisses, bei dem der Mieter einen neuen Mietvertrag abschliessen will, obwohl er seine Miete nicht bezahlt habe. Die Zahlung des Kohäsionsbeitrags bestärke die Verlässlichkeit der Schweiz und lege die Basis für die Fortführung des bilateralen Wegs, argumentierte Andrea Gmür-Schönenberger (mitte, LU).
Bundesrat Ignazio Cassis wiederholte, dass die Zahlung keineswegs eine Garantie für die Assoziierung an Horizon Europe bedeute, obwohl die EU diese politisch sachfremden Themen miteinander verknüpft habe. Der Bundesrat sei aber bestrebt, die «Negativspirale der Konditionalitäten» zu durchbrechen und mit dem Beitrag einen ersten Schritt zu machen. Daher lehnte Cassis auch die Verknüpfung der Freigabe mit der Finanzierungsbotschaft zu Erasmus plus ab. Eine Minderheit Sommaruga (sp, GE) hatte vorgeschlagen, den Rahmenkredit nicht umzusetzen, bis der Bundesrat dem Parlament die Finanzierungsbotschaft der Teilnahme an Erasmus plus vorgelegt habe. Diesen Minderheitenantrag zog Sommaruga kurz darauf zurück, da der Nationalrat gleichentags eine Motion der APK-NR (Mo. 21.3975) angenommen hatte, welche seinem Anliegen entsprach. Aussenminister Cassis erinnerte die kleine Kammer auch daran, dass das Bundesgesetz über die Zusammenarbeit mit den Staaten Osteuropas 2024 auslaufe und Verpflichtungen nur bis dann eingegangen werden könnten. Er plädierte daher für einen möglichst baldigen Entscheid, denn anhand der Erfahrungen mit dem ersten Kohäsionsbeitrag liesse sich festhalten, dass zwischen dem Parlamentsentscheid und der Projektumsetzung rund drei Jahre vergingen. Schliesslich stimmte der Ständerat der Freigabe mit 30 zu 9 Stimmen, gegen den Willen der SVP und einiger Mitglieder der Mitte, deutlich zu.

Der zweite Schweizer Beitrag an ausgewählte EU-Mitgliedstaaten (Zweite Kohäsionsmilliarde)
Dossier: Schweizer Beitrag an die erweiterte EU

Nach der Ablehnung des totalrevidierten CO2-Gesetzes an der Urne im Juni 2021 reichte Ständerat Carlo Sommaruga (sp, GE) eine Motion ein, mit der er forderte, dass im Rahmen einer zukünftigen CO2-Gesetzgebung Mieterinnen und Mieter stärker vor Massenkündigungen und drastischen Mietzinserhöhungen aufgrund energetischer Gebäudesanierungen geschützt werden sollen. Laut dem Motionär gilt ein ähnlicher Schutz schon im Kanton Genf, was dort gut funktioniert. Der Bundesrat nahm in seiner Stellungnahme jedoch eine ablehnende Haltung ein. Bezüglich des Schutzes vor Leerkündigungen im Zusammenhang mit energetischen Sanierungen verwies die Regierung auf einen Bericht in Erfüllung eines Postulates Jans (Po. 13.3271), welcher aufzeige, dass eine Beschränkung von Förderleistungen auf Sanierungsprojekte, die ohne Wohnungskündigungen auskommen, mehr Nach- als Vorteile habe. Er wies zudem daraufhin, dass nach geltendem Mietrecht eine Kündigung missbräuchlich sei, wenn Sanierungsarbeiten durch die Weiternutzung des Gebäudes nicht oder nur wenig verzögert werden. Vor missbräuchlichen Mietzinserhöhungen seien Mieterinnen und Mieter insofern geschützt, als dass sie jede Mietzinserhöhung kostenlos vor einer Schlichtungsbehörde anfechten könnten. Nicht zuletzt habe der Bundesrat bereits Massnahmen ergriffen. Beispielsweise habe er 2014 und 2020 die VMWG angepasst, mit dem Ziel, eine finanzielle Mehrbelastung der Mieterschaft infolge energetischer Sanierungen zu verhindern.
Die kleine Kammer beugte sich in der Herbstsession 2021 über die Vorlage. Der Motionär, der auch Präsident des SMV ist, warb für sein Anliegen, unter anderem indem er Zahlen aus der Stadt Zürich erwähnte, wonach fast 40 Prozent der Sanierungsarbeiten 2017/18 zu Kündigungen geführt hätten. Weiter verwies er auf einen Artikel der NZZ am Sonntag, wonach energetische Sanierungen von der Vermieterschaft zunehmend als «Rendite-Booster» genutzt würden. Dagegen argumentierte unter anderem Brigitte Häberli-Koller (mitte, TG), Vizepräsidentin des HEV. Sie lehne die geforderte starre Verknüpfung von Sanierungsvorschriften und Mieterschaft ab, da sich diese kontraproduktiv auswirken würde. Eine Überregulierung im Sinne des Motionärs führe zu einem Stillstand bei den wichtigen Gebäudeerneuerungen. Auch der Präsident des Verbandes Immobilien Schweiz, Daniel Fässler (mitte, AI) sprach sich in seinem Votum gegen die Vorlage aus, nicht zuletzt da bei umfassenden Sanierungen Kündigungen manchmal unumgänglich seien. Trotzdem sei es nicht angezeigt, diese Sanierungen einzuschränken, da dies die Schweiz bezüglich ihrer klima- und energiepolitischen Ziele bremsen würde. Die Mehrheit des Ständerates folgte schlussendlich dem Antrag des Bundesrates und lehnte den Vorstoss mit 26 zu 12 Stimmen – bei 2 Enthaltungen – ab, womit das Geschäft erledigt war.

Mieterschutz bei energetischen Sanierungen von Immobilien in der neuen CO2-Gesetzgebung (Mo. 21.3953)
Dossier: Mietzinse: Bestimmung der Missbräuchlichkeit und Anfechtung

In der Herbstsession 2021 nahm sich der Ständerat als Zweitrat der Änderung des DNA-Profil-Gesetzes an. Er trat ohne Gegenantrag auf das Geschäft ein. Wie bereits den Nationalrat beschäftigte auch den Ständerat die Frage, welche äusserlichen Merkmale für die Phänotypisierung aus einer DNA-Spur ermittelt werden dürfen bzw. ob die Liste im Gesetz abschliessend sein soll. Der Bundesrat hatte im Entwurf eine Delegationsnorm vorgesehen, die es ihm erlaubt, in Abhängigkeit vom technischen Fortschritt weitere äusserliche Merkmale – zusätzlich zu den im Gesetzestext explizit genannten Augen-, Haar- und Hautfarbe, biogeografische Herkunft und Alter – für die Phänotypisierung zuzulassen. Der Nationalrat hatte diese Bestimmung entgegen dem Antrag seiner Kommissionsmehrheit bestätigt. Der Ständerat tat es ihm nun gleich; die Minderheit Sommaruga (sp, GE), die die Streichung der Delegationsnorm forderte, unterlag mit 26 zu 17 Stimmen. Anders als die Volkskammer sprach sich der Ständerat indes gegen die generelle Möglichkeit aus, nach einem Suizid ein DNA-Profil der toten Person zu erstellen. Für die vorberatende RK-SR sei eine solche Stigmatisierung von Suiziden unverständlich, zumal sich die meisten Suizide ohne vorherige Straftat ereigneten, erläuterte Kommissionssprecher Beat Rieder (mitte, VS). Bestünden Anzeichen auf einen Zusammenhang mit einer Straftat, könne die Staatsanwaltschaft bereits nach geltendem Recht ein DNA-Profil erstellen lassen. Die kleine Kammer folgte ihrer Kommission diesbezüglich stillschweigend und kehrte damit zur bundesrätlichen Version zurück. Differenzen zur Fassung des Bundesrats schuf der Ständerat hingegen bei den Regeln über die Löschung von DNA-Profilen. Einerseits entschied die Kantonskammer, dass DNA-Profile von Beschuldigten im Falle eines Freispruchs, einer Nichtanhandnahme oder einer Einstellung des Verfahrens nur mit Genehmigung des Zwangsmassnahmengerichts weiter aufbewahrt werden dürfen. Der Bundesrat wollte diese Entscheidung der Staatsanwaltschaft überlassen. Justizministerin Karin Keller-Sutter brachte der ständerätlichen Lösung Skepsis entgegen, verzichtete angesichts des einstimmigen Kommissionsbeschlusses jedoch auf eine Abstimmung und kündigte an, die Frage im Nationalrat noch einmal zur Diskussion zu bringen. Andererseits setzte der Ständerat die Löschfrist für DNA-Profile von schuldunfähigen Täterinnen und Tätern auf zwanzig Jahre fest. Der Bundesrat hätte diese Frist, so die EJPD-Chefin, in der Verordnung regeln wollen, begrüsste aber die «grössere Klarheit und Transparenz» des Kommissionsantrages, worauf dieser stillschweigend gutgeheissen wurde. Als Letztes diskutierte die kleine Kammer die Frage, bei welchen Delikten Phänotypisierung und Verwandtenrecherche eingesetzt werden dürfen. Der Nationalrat hatte den bundesrätlichen Vorschlag gutgeheissen, der diese Methoden für alle Verbrechen, d.h. Delikte mit Strafandrohung von mehr als drei Jahren Freiheitsstrafe, vorgesehen hatte. Der ständerätlichen Kommission war dieser Anwendungsbereich zu breit; sowohl die Mehrheit als auch die Minderheit beantragten daher die Einführung eines – mehr oder weniger umfassenden – Deliktkatalogs. Mit 31 zu 12 Stimmen nahm der Ständerat den enger gefassten Katalog der Kommissionsmehrheit an, der nur die schwersten Delikte abdeckt, insbesondere Gewalt- und Sexualdelikte. Nicht anwendbar sein sollen die neuen Ermittlungsverfahren demnach bei Vermögensdelikten wie Diebstahl oder Hehlerei. Dem so angepassten Entwurf stimmte die Ständekammer in der Gesamtabstimmung einstimmig zu.

Änderung des DNA-Profil-Gesetzes (BRG 20.088)
Dossier: DNA-Profile

Mittels Motion forderte Maya Graf (sp, BL) den Bundesrat dazu auf, mit einer Änderung an der KLV sicherzustellen, dass Demenzkranke eine an ihre Situation angepasste Versorgung bezüglich Pflegeleistungen erhalten. In der Vergangenheit habe sich herausgestellt, dass viele Leistungen, auf welche die Betroffenen angewiesen seien, nicht in den durch die KLV definierten Bereich fielen. Zwar decke das KVG etwa das Waschen und die Nahrungseingabe durch Pflegefachpersonen ab, nicht aber «die Anleitung und Überwachung bei Körperpflege und Nahrungsaufnahme», die bei an Demenz erkrankten Menschen gegebenenfalls eher nötig wäre. Weiter gehe aus der Evaluation der Nationalen Demenzstrategie 2014–2019 hervor, dass die Finanzierung von Pflegeleistungen im Bereich Demenz «nach wie vor» nicht garantiert sei. In der Herbstsession 2021 veranschaulichte Manuela Weichelt-Picard (al, ZG), welche das Geschäft nach der Wahl Grafs in den Ständerat übernommen hatte, die Lebenssituation einer demenzkranken Frau anhand eines fiktiven Beispiels. Da diese weiterhin zuhause wohnen möchte, sei sie auf gewisse Unterstützung durch Gesundheitsfachpersonen angewiesen. Die von ihr benötigten Leistungen würden jedoch nicht von der OKP übernommen, da sie nicht in das KVG eingeschlossen sind. Gesundheitsminister Berset war hingegen der Ansicht, dass diesbezüglich bereits Einiges unternommen werde – unter anderem sei in der Zwischenzeit ein Artikel der KLV in Kraft getreten, welcher die Verbesserung der Harmonisierung und Unterscheidung zwischen Pflege- und Betreuungsleistungen betreffe. Daher empfehle der Bundesrat die Ablehnung des Geschäfts. Die Mehrheit der grossen Kammer liess sich von diesen Worten jedoch nicht überzeugen. Mit 136 zu 46 Stimmen (bei 10 Enthaltungen) nahm der Nationalrat die Motion an, wobei 44 ablehnende Stimmen aus dem Lager der SVP-Fraktion stammten.

19.4194

Carlo Sommaruga (sp, GE) verlangte im Juni 2021 in einer Motion, keine Abkommen im Bereich der Polizeikooperation mit Ländern abzuschliessen, die die Menschenrechte schwerwiegend verletzen. Sommaruga wollte damit sicherstellen, dass der Bundesrat und das Fedpol bei der Ausübung ihrer neuen Kompetenzen zum Abschluss von Abkommen im Bereich der Polizeikooperation und von Vereinbarungen über operative, technische oder administrative Inhalte mit ausländischen Polizeibehörden die verfassungsrechtliche Pflicht zur Förderung und zum Schutz der Menschenrechte angemessen umsetzen. Sommaruga nannte exemplarisch ein Abkommen mit China, einem Staat der Menschenrechte schwer verletze und chinesische Staatsangehörige in der Schweiz überwache, welches aufgrund öffentlicher Entrüstung nicht erneuert worden sei. In seiner Stellungnahme berichtigte der Bundesrat, dass es sich bei dem von ihm genannten Abkommen nicht um ein polizeiliches Kooperationsabkommen, sondern um eine technische Vereinbarung gehandelt habe. Der Bundesrat achte bei Abkommen über die polizeiliche Zusammenarbeit nicht nur auf die «operationellen Bedürfnisse der Polizei», sondern auch auf die Menschenrechtslage im Vertragsstaat. Polizeiliche Kooperationsverträge dürften zudem nie genutzt werden, um Informationen zu erhalten, die nicht auf dem Rechtshilfeweg beschafft werden könnten. Probleme hinsichtlich der Menschenrechte habe es in der Vergangenheit aber auch noch nie gegeben, meinte der Bundesrat. Daher beantragte er die Ablehnung der Motion.

In der Herbstsession 2021 versuchte Motionär Sommaruga seine Ratskolleginnen und -kollegen von seinem Anliegen zu überzeugen. Er argumentierte, dass sich seine Motion nicht nur auf Abkommen über die polizeiliche Zusammenarbeit beziehe, sondern auch auf andere Abkommen technischer Natur mit Drittstaaten. Dabei gehe es aber nur um jene Staaten, die «schwerwiegende» Menschenrechtsverletzungen begingen. Sommaruga bemängelte, dass der Bundesrat in seiner Stellungnahme nicht auf die Achtung der Menschenrechte im Rahmen von «technischen Abkommen polizeilicher Natur» eingegangen sei. Wenn die Schweiz mit der Polizeistruktur eines Drittstaates zusammenarbeite, der die Menschenrechte schwer verletzt, so würde man diese Menschenrechtsverletzungen legitimieren, beklagte der Motionär. Bundesrätin Karin Keller-Sutter erklärte den Ratsmitgliedern, dass es sich bei Polizeikooperationsabkommen um eine Rechtsgrundlage für die gemeinsame Bekämpfung verschiedener Formen von Kriminalität handle. Abkommen wie jenes mit China, welches Sommaruga in der Motionsbegründung erwähnt hatte, hätten also nichts mit polizeilicher Zusammenarbeit zu tun, sondern seien Vereinbarungen auf Verwaltungsebene zur Einhaltung des Asylgesetzes. Der Ständerat folgte dem Antrag des Bundesrats und lehnte die Motion mit 24 zu 13 Stimmen ab.

Keine Abkommen im Bereich der Polizeikooperation mit Ländern, die die Menschenrechte schwerwiegend verletzen

In der Herbstsession hiessen sowohl der Nationalrat als auch der Ständerat gleichlautende Motionen der RK-SR (Mo. 21.3970) und der RK-NR (Mo. 21.3972) für eine Reform der Bundesanwaltschaft und ihrer Aufsicht gut. Damit soll der Bundesrat, der das Anliegen ebenfalls unterstützte, auf der Basis des Schlussberichts der beiden GPK zum «Aufsichtsverhältnis zwischen der Bundesanwaltschaft und ihrer Aufsichtsbehörde», den Erfahrungen der GK im Rahmen der Vorkommnisse in der Bundesanwaltschaft sowie den bereits getätigten Arbeiten im Rahmen des Postulats von Daniel Jositsch (sp, ZH) neue Rechtsgrundlagen vorlegen.
Im Ständerat legte Andrea Caroni (fdp, AR) für die Kommission dar, dass man hier Handlungsbedarf sehe. Man sei übereingekommen, hier keine parlamentarische Initiative, sondern eine Motion einzureichen, weil «dieses hochkomplexe Thema unsere Kommission beim Gesetzgebungsprozess an die Grenzen bringen würde». Fast einig seien sich die Kommissionsmitglieder zudem gewesen, dass man beim bestehenden System bleiben wolle – die GPK hatte in ihrem Bericht vom «Status Quo plus» geschrieben. Die Bundesanwaltschaft solle also weiterhin vom Parlament und nicht wieder von der Exekutive bestimmt werden. Auch das Bundesstrafgericht als weitere Bundesstrafbehörde solle nicht in die Reform mit einbezogen werden. Eine von Carlo Sommaruga (sp, GE) diesbezüglich angeregte klarere Trennung von Berufungs- und Strafkammer werde deshalb hier nicht weiterverfolgt. Die entsprechende parlamentarische Initiative sei zugunsten der vorliegenden Motion zurückgezogen worden. Hans Stöckli (sp, BE) bekräftigte im Namen der GPK, dass die Stossrichtung der Motion den Überlegungen des GPK-Berichts entspreche. Er sei froh, dass beide Vorstösse in den Kammern behandelt würden, damit man «innerhalb eines überschaubaren Zeitrahmens eine Verbesserung der Situation herbei[...]führen» könne. Ohne Diskussion nahm die kleine Kammer die Motion einstimmig an.

Mehr zu reden gab es einige Tage später im Nationalrat. Dafür sorgte nicht zuletzt eine Kommissionsminderheit aus SVP-Fraktionsangehörigen, die die Motion zur Ablehnung empfahl. Pirmin Schwander (svp, SZ) führte deren Argumente für eine «Status Quo ante»-Lösung aus: Die SVP wolle eine «richtige» Reform und keine «Minireform», welche die Probleme nicht löse, sondern nur vertusche. Der «grösste Justizskandal seit 1848» – Schwander spielte damit auf die Verjährung des Fifa-Falls an und erwähnte im gleichen Atemzug die Absetzung des ausserordentlichen Staatsanwalts Stefan Keller sowie die Vorkommnisse am Bundesstrafgericht – könne mit dem jetzigen System nicht gelöst werden. Die SVP sei aber durchaus auch offen für andere Reformen als die Rückkehr zum alten System – entsprechende Vorschläge hatte die Partei bereits in der abgelehnten parlamentarischen Initiative 19.479 vorgebracht. Sie biete aber nicht Hand für eine «Scheinlösung», so Schwander. Justizministerin Karin Keller-Sutter schloss die Debatte mit dem Hinweis, dass die Kantone signalisiert hätten, dass sie zwar Korrekturbedarf sähen, aber am bestehenden System festhalten wollten. Ausser der geschlossen stimmenden SVP-Fraktion stimmten alle Fraktionen für die Überweisung des Auftrags an den Bundesrat. Durch die Annahme der Motion (mit 128 zu 45 Stimmen) galt auch die konnexe Motion der ständerätlichen Kommission als überwiesen.

Reform der Bundesanwaltschaft und ihrer Aufsicht (Mo. 21.3972 und Mo. 21.3970)
Dossier: Reformen der Bundesanwaltschaft
Dossier: Aufsichtsbehörde über die Bundesanwaltschaft (AB-BA)

In der Herbstsession 2021 befasste sich der Ständerat mit der Motion von Eva Herzog (sp, BS), welche die Ergänzung des Epidemiengesetzes zur Garantie des Grenzverkehrs auch in Pandemiezeiten forderte. Die Motionärin zeigte sich erstaunt darüber, dass der Bundesrat die Ablehnung der Motion beantragt hatte, obwohl die in der Motion geforderte Bestimmung bereits im befristeten Covid-19-Gesetz verankert ist. Ständerätin Herzog lobte das Vorgehen des Bundesrats, der mit Fortschreiten der Pandemie die besondere Situation der Grenzregionen mehr und mehr berücksichtigt habe. Sie zeigte aber wenig Verständnis für die Aussage des Bundesrats, dass das Motionsanliegen erfüllt sei, wo doch die Covid-Verordnungen und das Covid-Gesetz nur befristet gelten. Sie gab sich auch nicht mit der Begründung des Bundesrats zufrieden, dass man mit einer derartigen Regelung im Epidemiengesetz den eigenen Handlungsspielraum eingrenzen würde, denn ihre Motion enthalte eine «Kann-Formulierung » und liesse einen genügend grossen Handlungsrahmen zu. Unterstützung erhielt Herzog von ihrem Parteikollegen Carlo Sommaruga (sp, GE), der durch die Gesetzesänderung zukünftige Spannungssituationen und Blockaden im Grenzverkehr verhindern wollte. Bundesrat Berset meinte, dass für die Erfüllung des Motionsanliegens keine gesetzliche Änderung notwendig sei und der Bundesrat das Thema wie bisher flexibel handhaben wolle. Nach der Pandemie werde eine Analyse der Lage vorgenommen, die sich auch der Überarbeitung des Epidemiengesetzes widmen werde. Weil es wahrscheinlich eine allgemeine, umfassende Diskussion darüber geben werde, was geändert oder angepasst werden müsse, lehne der Bundesrat vor Abschluss der Analyse fast alle Anträge unabhängig von deren Inhalt ab, erklärte Berset. Man spiele mit dem Antrag auf Ablehnung also nicht die Bedeutung der Motion herunter, sondern wolle vor der anstehenden Gesetzesrevision noch keine Entscheidungen treffen, die zu Unstimmigkeiten zwischen künftigen Änderungsanträgen führen könnten. Der Ständerat liess sich von der bundesrätlichen Begründung nicht überzeugen und nahm die Motion mit 29 zu 7 Stimmen an.

Ergänzung des Epidemiengesetzes zur Garantie des Grenzverkehrs auch in Pandemiezeiten
Dossier: Kontrolle der Schweizer Landesgrenzen in Covid-19-Zeiten

Zu Beginn der Herbstsession 2021 behandelte der Ständerat einen Ordnungsantrag Sommaruga (sp, GE), der die Behandlung der Bundesbeschlüsse über den zweiten Schweizer Beitrag an ausgewählte EU-Mitgliedstaaten in die erste oder zweite Sessionswoche vorziehen wollte. Ursprünglich sollte sich die kleine Kammer erst am zweitletzten Sessionstag mit der Materie beschäftigen. Sommaruga äusserte sein Unverständnis über den Zeitplan des Rats, welcher die parlamentarische Arbeit verlangsame. Er erinnerte daran, dass die EU nach dem Abbruch der Verhandlungen über das InstA die Verlängerung und Aufdatierung der bestehenden Abkommen eingefroren und zudem die Assoziierung der Schweiz an EU-Forschungsprogramme wie Horizon Europe ausgesetzt hatte. Sommaruga machte deutlich, dass nach seiner Auffassung eine Teilnahme an Horizon Europe nur nach der Freigabe der zweiten Kohäsionsmilliarde möglich sei. Der grosse Rat des Kantons Genf habe per Resolution ein rasches Handeln verlangt, genauso wie Universitäten, Fachhochschulen und die Wirtschaft, so Sommaruga. Er kritisierte, dass man am vorletzten Tag keine ruhige Parlamentsdebatte mehr führen könne und zudem ein mögliches Differenzbereinigungsverfahren auf die nächste Session verschoben werden müsste. Thomas Hefti (fdp, GL) beantragte im Namen des Büros des Ständerats die Ablehnung des Antrags. Die APK-SR habe sich im August gegen einen terminlichen Vorzug entschieden. Hefti war der Ansicht, dass das «ordentliche, solide parlamentarische Handwerk» seine Berechtigung haben müsse und die Beratung im Zweitrat sowie die Differenzbereinigung demnach in der Wintersession stattfinden sollten. Der Ständerat lehnte den Ordnungsantrag Sommaruga in der Folge mit 30 zu 14 Stimmen ab.

Der zweite Schweizer Beitrag an ausgewählte EU-Mitgliedstaaten (Zweite Kohäsionsmilliarde)
Dossier: Schweizer Beitrag an die erweiterte EU

In der Herbstsession 2021 startete der Ständerat ins Differenzbereinigungsverfahren der AHV 21-Reform, bei der die beiden Kammern sich in verschiedenen zentralen Punkten bereits einig waren – etwa bei der Erhöhung des Frauenrentenalters auf 65 Jahre oder der Verknüpfung der Mehrwertsteuererhöhung und der AHV-Reform –, aber auch noch zahlreiche, auch sehr weitreichende Differenzen bestanden. Erich Ettlin (mitte, OW) erläuterte als Kommissionssprecher noch einmal den Rahmen der Revision: Die Erhöhung des Frauenrentenalters auf 65 Jahre soll jährlich CHF 1.4 Mrd. und bis ins Jahr 2030 CHF 10 Mrd. einbringen. Davon abgezogen werden müssten die Ausgleichsmassnahmen für besonders betroffene Jahrgänge, über deren Höhe und Ausgestaltung sich Bundesrat, Nationalrat und Ständerat noch nicht einig waren: Der Bundesrat hatte Ausgleichsmassnahmen in der Höhe von einem Drittel der Gesamteinsparungen (CHF 3.3. Mrd.) vorgesehen, der Ständerat in seiner ersten Beratung Massnahmen über CHF 2.1 Mrd. und der Nationalrat solche von CHF 4.1 Mrd.

Bezüglich der Ausgleichsmassnahmen lagen dem Ständerat zwei neue Modelle vor, ein Modell der Kommissionsmehrheit sowie dasjenige einer Minderheit Müller (fdp, LU), das jedoch nicht mit Müllers Modell aus der ersten ständerätlichen Debatte übereinstimmte. Sowohl die Kommissionsmehrheit als auch die Minderheit wollten dabei prinzipiell das bisherige Trapezmodell des Ständerates mit dem bisherigen Nationalratsmodell kombinieren. Ersteres hatte Abstufungen der Rentenzuschläge nach Jahrgang der Frauen vorgesehen, Letzteres beinhaltete Abstufungen nach Einkommensgruppen – nun sollten die Rentenzuschläge folglich in beiden Modellen sowohl nach Jahrgängen als auch nach Einkommen abgestuft werden. Die Kommissionsmehrheit blieb bei der progressiv-degressiven Ausgestaltung in Trapezform, wonach die ersten drei und die letzten zwei Jahrgänge nur jeweils einen Teil des Zuschlags, nicht den vollständigen Zuschlag erhalten sollten. Die Minderheit Müller sah hingegen nur bei den ersten drei Jahrgängen gekürzte Zuschläge vor. Beide Modelle wollten jedoch die Rentenzuschläge ausserhalb des AHV-Plafonds gewähren, womit also auch Frauen, welche bereits ohne Zuschlag die Maximalrente erhielten, davon profitieren sollten. Die Unterstellung des Zuschlags unter den Plafonds war zuvor am bundesrätlichen sowie am nationalrätlichen Modell stark kritisiert worden. Insgesamt zeigte sich die Kommissionsmehrheit bei den Zuschlägen deutlich grosszügiger als die Minderheit Müller, die sowohl tiefere Grundzuschläge als auch grössere Reduktionen dieser Zuschläge (nach Jahrgängen und Einkommen) vorsah.
Ähnlich waren sich die beiden Modelle beim Gesamtbetrag, der für die Ausgleichsmassnahmen eingesetzt werden sollte: Hier hatte man sich in der Kommission zuvor mit CHF 3.2 Mrd. in etwa auf den Betrag des Bundesrates geeinigt – man wählte also einen Mittelweg zwischen den CHF 2.1 Mrd. des ersten Vorschlags des Ständerates und den CHF 4.1 Mrd. des Nationalrats. Hingegen unterschieden sich die beiden Modelle bezüglich der Anzahl zu berücksichtigender Jahrgänge: Die Kommissionsmehrheit blieb beim ständerätlichen (und bundesrätlichen) Vorschlag von neun Jahrgängen, die Minderheit Müller machte einen Schritt auf den Nationalrat zu, der sechs Jahrgänge begünstigen wollte, und schlug sieben Jahrgänge vor. Neun Jahrgänge seien nötig, weil sonst «viele tausend Frauen betroffen sind, die keine Möglichkeit mehr für einen Ausgleich haben», begründete Pirmin Bischof (mitte, SO) die Position der Kommissionsmehrheit. Damian Müller wies jedoch darauf hin, dass ab dem achten Jahrgang bereits «der nächste Reformschritt greifen» müsse, welchen die SGK-NR mit ihrer Motion in die Wege geleitet hatte.
Besonders umstritten war in der Kommission nun die Frage des Rentenvorbezugs. Der Bundesrat hatte in seinem ursprünglichen Modell vorgesehen, dass die betroffenen Jahrgänge entweder zwischen dem Rentenzuschlag oder einem Rentenvorbezug zu besseren Konditionen wählen können. Die Minderheit Müller wollte bei dieser Wahlmöglichkeit bleiben und den reduzierten Kürzungssatz bei Rentenvorbezug noch nach Einkommensgruppen abstufen. Somit sollten Frauen mit geringen Einkommen in den Übergangsgenerationen ihre Rente ohne oder nur mit geringen Einbussen vorzeitig beziehen, dabei aber nicht vom Rentenzuschlag profitieren können. Die Kommissionsmehrheit hingegen sah vor, dass die betroffenen Frauen bei einem Rentenvorbezug zwar nicht von besseren Konditionen profitieren können sollten – für sie würden somit bei einem Vorbezug dieselben Konditionen gelten wie für alle anderen Frauen –, jedoch sollten sie auch bei einem Vorbezug in den Genuss des vollen Rentenzuschlags kommen. Hier waren sich Kommissionsmehrheit und -minderheit nicht einig, welches Modell fairer sei. Minderheitensprecher Müller störte sich am Vorschlag der Kommissionsmehrheit, da die Vorbeziehenden damit «für ihren Rentenvorbezug mit einer unter dem Strich höheren Rente belohnt werden». Dagegen wehrte sich Pirmin Bischof und argumentierte, dass rentenvorbeziehende Frauen in allen Varianten der Mehrheit immer eine tiefere Rente bekämen als Frauen, die bis 65 arbeiteten. Hingegen sehe das Modell Müller, dem Modell des Nationalrats folgend, geringere Kürzungssätze beim Rentenvorbezug vor als das bundesrätliche Modell. Damit setze die Minderheit mehr Geld für Personen mit hohen Einkommen ein, da eine Senkung der Kürzungssätze gemäss Bischof «bei den hohen Einkommen betragsmässig natürlich am meisten aus[mache]». Zudem verursachten die Rentenvorbeziehenden im nationalrätlichen Modell ähnlich hohe Kosten an Ausgleichsmassnahmen wie Personen, die bis ins Alter von 65 Jahren arbeiteten und den Rentenzuschlag wählten – dies sei mit dem Kampf gegen den Fachkräftemangel nicht zu vereinbaren, erklärte Kommissionssprecher Ettlin.
Bundesrat Berset zeigte sich in der Folge von beiden Ausgleichsmodellen für die Übergangsgenerationen nicht begeistert, nannte das Kommissionsmodell jedoch «une solution équilibrée». Der Gesundheitsminister betonte insbesondere, dass die Ausgleichsmassnahmen bei der letzten erfolgreichen AHV-Revision 1994 nicht einen Drittel, sondern ganze 80 Prozent der Einnahmen betragen hätten, und warb in diesem Sinne für eine möglichst grosszügige Ausgestaltung der Massnahmen, um diese in der nötigen Volksabstimmung durchzubringen. In der Folge entschied sich der Ständerat mit 27 zu 15 Stimmen für das Modell der Kommissionsmehrheit.

Bezüglich der Mehrwertsteuererhöhung beantragte die Kommission, dem Nationalrat bei einer Erhöhung um 0.4 Prozentpunkte (beim Normalsatz sowie um je 0.1 Prozentpunkte beim reduzierten Satz und beim Sondersatz) zu folgen – der Ständerat hatte sich in seiner ersten Behandlung für eine Erhöhung um 0.3 Prozentpunkte (und je 0.1 Prozentpunkte) ausgesprochen, der Bundesrat hatte für eine Erhöhung um 0.7 Prozentpunkte plädiert. Die von der Kommission vorgeschlagene Erhöhung würde der AHV CHF 1.37 Mrd. pro Jahr einbringen, bei 0.3 Prozentpunkten wären es CHF 1.03 Mrd. Zudem lag dem Ständerat bei seiner Beratung ein Einzelantrag Noser (fdp, ZH) vor. Noser schlug eine Erhöhung um 0.3 Prozentpunkte vor, zumal er es als schwierig erachtete, den Stimmbürgerinnen und Stimmbürgern eine verglichen mit der Altersvorsorge 2020 stärkere Erhöhung der Mehrwertsteuer bei einer ansonsten kleineren Revision zu erklären. Zudem sei es sinnvoll, diese Differenz zum Nationalrat offen zu halten, um weiterhin eine Diskussion dazu zu ermöglichen. Erich Ettlin präsentierte diesbezüglich den voraussichtlichen Stand des AHV-Fonds im Jahr 2030 bei den verschiedenen Szenarien, wobei 100 Prozent die AHV-Ausgaben eines Jahres darstellten und vom Bundesrat als Ziel der Revision anvisiert worden waren. Mit dem Modell der Kommission würde der Fondsstand 2030 bei 87 bis 90 Prozent liegen (je nach Zeitpunkt des Inkrafttretens der Revision), mit dem Antrag Noser wären es zwischen 82 und 85 Prozent. Der Gesundheitsminister kritisierte den Verzicht der beiden Kammern, die Revision auf eine 100-prozentige Fondshöhe auszurichten, und argumentierte ebenfalls mit der Wirkung auf die Stimmbürgerinnen und Stimmbürger: Bei der nächsten Revision sei es schwierig zu erklären, wieso man härtere Massnahmen ergreifen müsse, nur weil man Jahre zuvor nicht bereit gewesen sei, mit einer Fondshöhe von 100 Prozent zu planen. Von den beiden Anträgen bevorzugte er folglich die stärkere Erhöhung der Kommissionsmehrheit. Diese setzte sich anschliessend mit 22 zu 20 Stimmen (bei 1 Enthaltung) knapp durch, womit die Frage der Mehrwertsteuererhöhung zwischen den beiden Räten bereinigt werden konnte.

Der Nationalrat hatte in seiner Beratung zudem eine einmalige Einlage des Bruttoertrags aus den Negativzinsen der Schweizerischen Nationalbank in den AHV-Ausgleichsfonds vorgeschlagen und dazu einen eigenen Bundesbeschluss geschaffen. Die Mehrheit der SGK-SR lehnte jedoch Eintreten auf diesen Beschluss ab, während sich eine Minderheit Germann (svp, SH) für Eintreten und für den Bundesbeschluss aussprach. Hannes Germann argumentierte, dass die Unabhängigkeit der Nationalbank mit einer einmaligen Einlage nicht beeinträchtigt werde – ansonsten würde das entsprechende Geld einfach «über die normale Gewinnverteilung laufen» und damit Kantonen und Bund zugute kommen. Über die Verrechnung der Kosten, welche den Banken anfallen, und über die Kosten für die Pensionskassen seien die Bürgerinnen und Bürger indirekt stark von den Negativzinsen betroffen. Anstatt daher die Gewinne daraus dem Bund und den Kantonen zukommen zu lassen, sollten sie über die AHV direkt der Bevölkerung zugutekommen. Paul Rechsteiner (sp, SG) unterstützte den Minderheitensprecher – neben Germann und Rechsteiner hatten auch Marina Carobbio Guscetti (sp, TI) und Maya Graf (gp, BL) den Antrag vorgängig unterzeichnet – und verwies darauf, dass zwischen 2015 und 2020 CHF 10 Mrd. an Gewinnen aus den Negativzinsen angefallen seien – bis zum Inkrafttreten der Revision würden es gar CHF 12 oder 13 Mrd. sein –, die man nun der AHV zuweisen könne. Das entspreche der Grössenordnung des Betrags, den «man den Frauen wegnimmt». Daher sei es schwierig zu erklären, wieso man auf diesen Betrag verzichten wolle, insbesondere da man das mit dem Nationalbankgold bereits einmal gemacht habe.
Erich Ettlin gab für die Kommission die Aussagen von Fritz Zurbrügg, Mitglied des Direktoriums der Nationalbank, wieder, der sich im Namen der SNB gegen dieses Vorhaben wehrte. So müsse bedacht werden, dass auch die Nationalbank Negativzinsen bezahle, etwa bei den Covid-19-Krediten, und dass «über die Hälfte der Devisenanlagen eine negative Verfallrendite» aufweise. Zudem befürchtete die Kommission, dass sich die SNB durch eine solche Auszahlung unter Druck gesetzt fühle, weil der Finanzierungsbedarf der AHV auch weiterhin bestehen bleibe. Zudem bestehe auch in anderen Bereichen entsprechender Bedarf, wobei unklar sei, wieso diese Gewinne genau für die AHV einzusetzen seien. Man schaffe damit eine Erwartungshaltung für die Zukunft. Darüber hinaus nehme man damit den Kantonen Geld weg – diese erhalten normalerweise zwei Drittel der Gewinnausschüttungen. Mit 27 zu 14 Stimmen (bei 1 Enthaltung) sprach sich der Ständerat in der Folge gegen Eintreten aus.

Ansonsten verabschiedete der Ständerat zahlreiche kleinere Regelungen stillschweigend. Abgestimmt wurde zudem über die Frage, ob der Rentenzuschlag von der Berechnung des Einkommens zum Anspruch von Ergänzungsleistungen ausgenommen werden soll oder nicht. Eine Minderheit Carobbio Guscetti beantragte diese Ausnahme, damit auch Frauen mit Ergänzungsleistungen vollständig von dem Zuschlag profitieren könnten. So müssten fast 11 Prozent aller Frauen ab dem Renteneintritt Ergänzungsleistungen beziehen, insbesondere geschiedene, alleinerziehende oder verwitwete Frauen. Erich Ettlin argumentierte für die Kommissionsmehrheit, dass eine solche Ausnahme dem Grundprinzip der EL zuwiderlaufe und man den Rentenzuschlag daher nicht von der Einkommensberechnung ausnehmen solle. Mit 28 zu 12 Stimmen folgte die Ratsmehrheit seinem Antrag.
Diskutiert wurde ebenfalls darüber, ob der Anspruch auf Hilflosenentschädigung wie bisher nach einer ein Jahr dauernden Hilflosigkeit oder bereits nach drei Monaten gewährt werden soll. Eine Minderheit Graf beantragte, diesbezüglich dem Nationalrat zu folgen und die Wartefrist zu verkürzen. Die meisten Beziehenden von Hilflosenentschädigungen seien über 80 Jahre alt und da sich ihr Zustand üblicherweise eher verschlechtere, solle man ihnen bereits nach drei Monaten die entsprechende Hilfe zukommen lassen. Damit könne man sicherstellen, dass sie solange wie möglich zuhause betreut werden können. Kommissionssprecher Ettlin verwies darauf, dass damit aber auch Personen, die sich nach einer über dreimonatigen Krankheit wieder erholten, Hilflosenentschädigungen beziehen könnten, wodurch man die Kontrollen verstärken müsste. Insgesamt führe dies zu Mehrkosten von CHF 124 Mio. Mit 30 zu 13 Stimmen lehnte der Ständerat die Verkürzung der Wartefrist ab.
Mit diesen Änderungen ging der Entwurf zur AHV 21 zurück an den Nationalrat.

Reform «Stabilisierung der AHV (AHV 21)» (BRG 19.050)
Dossier: Debatten um das Frauenrentenalter
Dossier: Erhöhung des Rentenalters

Mitte August zog Carlo Sommaruga (sp, GE) seine parlamentarische Initiative zurück, mit der er die Strafverfolgungsbehörden des Bundes stärken und effizienter machen wollte. Dieses Ziel hätte mit einer Reform in Angriff genommen werden sollen, die nicht nur die materielle Zuständigkeit, sondern auch die Organisation der Bundesanwaltschaft neu regeln sollte. Sommaruga schlug eine gemeinsame Führung von drei Bundesanwältinnen oder -anwälten und die Wahl sämtlicher Staatsanwälte durch die Bundesversammlung vor. Um deren Unabhängigkeit zu steigern, sollten zudem die Straf- und die Berufungskammer des BStGer was Ort, Raum und Personen betrifft getrennt werden. Überprüft werden solle darüber hinaus eine Neuorganisation der Aufsicht über die Bundesanwaltschaft und die Gerichte, die etwa der GPK, den eidgenössischen Räten oder einer Subkommission unterstellt werden soll. Der Genfer zog sein Anliegen zurück, weil sowohl die RK-SR als auch die RK-NR je gleichlautende Motionen einreichen wollten, mit denen eine solche Reform vom Bundesrat ausgearbeitet werden soll.

Die Strafverfolgungsbehörden des Bundes stärken und effizienter machen (Pa.Iv. 20.474)
Dossier: Reformen der Bundesanwaltschaft

Dans le cadre de la modification du code de procédure civile pour une meilleure pratique et application du droit, le Conseil des États traitait notamment de la proposition de sa commission des affaires juridiques (CAJ-CE) d'une modification de l'article 266, relatif aux mesures provisionnelles à l'encontre des médias périodiques. Peu connues du grand public, les mesures provisionnelles sont des outils d'urgence donnant à la justice la possibilité d'interdire provisoirement la publication d'un article ou d'un reportage nuisant à la réputation d'un tiers sur demande de celui-ci. Selon le code de procédure civile, l'utilisation des mesures provisionnelles est justifiée lorsque des critères stricts sont remplis, ceci afin de protéger la liberté d'expression et la liberté de la presse. L'un de trois critères principal stipule que le possible préjudice causé par la publication de l'article doit être «particulièrement grave». Par 8 voix contre 2 et 2 abstentions, la CAJ-CE souhaitait supprimer l'adverbe «particulièrement».
Une minorité composée de Carlo Sommaruga (ps, GE) et Christian Levrat (ps, FR) s'opposait à la proposition de la commission, arguant qu'il n'existe pas de besoin d'agir à l'heure actuelle. En effet, ni la doctrine juridique, ni la jurisprudence n'ont à un moment ou à un autre laissé entendre qu'un changement serait nécessaire, plaidait Sommaruga à la tribune, ajoutant qu'aucune intervention parlementaire pour une modification ou une clarification des mesures provisionnelles n'a été déposée depuis l'entrée en vigueur de l'article 266 du code de procédure civile en 2011. Les deux sénateurs socialistes regrettaient également l'absence de procédure de consultation concernant cette modification en particulier, empêchant ainsi la participation formelle des médias à ce débat qui les concernent au plus haut point. Si la modification semblait minime au premier abord, le passage d'un «préjudice particulièrement grave» à un «préjudice grave» pour justifier l'interdiction provisoire de parution d'un contenu journalistique faisait craindre une forme de censure médiatique dans le milieu de la presse. Alors que le sénateur Thomas Hefti (plr, GL), à l'origine de la proposition, souhaitait ainsi protéger les citoyennes et citoyens lambdas d'abus médiatiques, les opposant.e.s soulignaient que les mesures provisionnelles sont aujourd'hui principalement utilisées par des personnes au bénéfice d'importants moyens financiers, qui souhaitent avant tout protéger leur image. Cependant, cette image du «pauvre journaliste qui fait face à l'oligarque russe» ne plaisait pas à Beat Rieder (centre, VS). Le haut-valaisan rappelait que «des grands groupes de presse, flanqués de services juridiques bien dotés, dominent la scène médiatique» aujourd'hui.
Alors que le Conseil fédéral recommandait de suivre la minorité, les sénatrices et sénateurs se sont prononcés par 30 voix contre 12 et une abstention pour la proposition de la commission. Les représentantes et représentants des cantons considéraient ainsi que les critères à remplir pour bénéficier des mesures provisionnelles restaient assez stricts pour garantir l'efficacité du travail des médias tout en accordant une meilleure protection de la personnalité à la population.
Cette décision a fait couler beaucoup d'encre dans la presse, qui s'est montrée très critique vis-à-vis du Conseil des États. «La Liberté» reprochait notamment aux parlementaires de s'être mués en «apprentis sorcier». «Incapables d'avancer un seul exemple où l'adverbe honni aurait permis une publication dommageable», ils auraient «bâclé leur travail» et bafoué l'appellation de «chambre de réflexion» fréquemment attribuée à la petite chambre. Des échos similaires se sont fait entendre dans tout le monde suisse de la presse, qui espère désormais que le Conseil National déjuge son homologue des États.

Änderung der Zivilprozessordnung – Praxistauglichkeit und Rechtsdurchsetzung (BRG 20.026)
Dossier: Debatte über die Pressefreiheit in der Schweiz
Dossier: Revision der Zivilprozessordnung (2018–)

Die kleine Kammer nahm in der Sommersession 2021 Kenntnis vom Aussenpolitischen Bericht 2020. APK-SR-Sprecher Damian Müller (fdp, LU) fasste die wichtigsten Schlussfolgerungen des Berichts zusammen und verwies dann auf vier Fragen, welche sich die Kommission gestellt hatte. Diese betrafen die internationale Forschungs- und Bildungspolitik, das Mandat der USA im Iran, die Impfsituation des Botschaftspersonals und die Zusammenarbeit mit NGOs wie dem IKRK. Da diese Fragen zur Zufriedenheit der Kommissionsmitglieder beantwortet worden waren, sprach er dem Aussenminister ein Lob für dessen Arbeit aus.
Kritischer gab sich Carlo Sommaruga (sp, GE), der die im Bericht versprochene «Kohärenz» vor allem auf die Entwicklungspolitik bezog und in diesem Bereich noch viel Verbesserungspotenzial sah. Er kritisierte auch die im Bericht enthaltene Aussage des Bundesrats, dass der Abschluss eines institutionellen Abkommens mit der EU angestrebt werde, für dessen Abschluss man mit den Kantonen und Sozialpartnern zusammenarbeite. Der kurz darauf erfolgte Abbruch der Verhandlungen stellte für Sommaruga eine Kluft zwischen der europäischen Strategie 2020 und jener im Jahr 2021 dar. Er forderte daher vom Bundesrat eine präzise Strategie, um den im Bericht angekündigten bilateralen Weg fortführen zu können. Bundesrat Cassis bekräftigte das bundesrätliche Bekenntnis zu Europa, gab dabei aber zu bedenken, dass ein gemeinsam gestalteter bilateraler Weg aussen- und innenpolitisch getragen werden müsse. Die Partnerschaft mit der EU bleibe aber die Priorität des Bundesrats.

Aussenpolitischer Bericht 2020 (BRG 21.009)
Dossier: Aussenpolitische Berichte (ab 2009)

In der Sommersession 2021 beriet der Ständerat als Erstrat die Verankerung der nationalen Menschenrechtsinstitution (NMRI) im Bundesgesetz über Massnahmen zur zivilen Friedensförderung und zum Schutz der Menschenrechte. Die NMRI soll als unabhängige, öffentlich-rechtliche Körperschaft das bislang als Pilotprojekt geführte SKMR ablösen. Gegenüber dem bundesrätlichen Entwurf beantragte die vorberatende APK-SR eine Präzisierung, die jegliche Verwaltungs-, Gerichts- und Ombudsfunktionen für die NMRI explizit ausschliesst. Damit trage sie einem Anliegen Rechnung, das die SPK-SR in ihrem Mitbericht angebracht hatte, erläuterte Kommissionssprecher Matthias Michel (fdp, ZG). Zudem ergänzte die Kommission, dass die Kantone vor dem jeweils vierjährigen Finanzierungsbeschluss angehört werden müssen und dass im Vorstand der NMRI auf eine ausgewogene Vertretung nicht nur der Geschlechter, sondern auch der Sprachregionen geachtet werden muss. Beide Änderungen hiess der Ständerat stillschweigend gut. Eine längere Diskussion führte die Kantonskammer darüber, ob die Aufgaben der NMRI im Gesetz abschliessend aufgelistet werden sollten wie vom Bundesrat vorgesehen oder ob die Aufgabenliste durch Einfügen von «insbesondere» offen gehalten werden soll, wie es eine Minderheit Sommaruga (sp, GE) beantragte. Bundesrat Iganzio Cassis begründete die abgeschlossene Aufgabenliste mit der in den Pariser Prinzipien der UNO angelegten Forderung, dass die NMRI «ein klar festgelegtes Mandat» haben müsse. Durch die abschliessende Auflistung der Funktionen werde dies gewährleistet, eine offen gehaltene Liste schaffe dagegen Unsicherheit. Der Ständerat folgte dieser Argumentation mit 28 zu 15 Stimmen und blieb hier bei der Version des Bundesrats. In der Gesamtabstimmung nahm die kleine Kammer die Vorlage mit 34 zu 7 Stimmen bei 2 Enthaltungen an.

Schaffung einer nationalen Menschenrechtsinstitution (NMRI)
Dossier: Nationale Menschenrechtsinstitution

Die Änderung des Embargogesetzes kam in der Sommersession 2021 in den Ständerat. Damian Müller (fdp, LU) sprach sich im Namen der APK-SR für die vorgeschlagene Gesetzesänderung aus. Mit dieser soll einerseits das Einfuhrverbot von Feuerwaffen, Waffenbestandteilen, Munition und weiterer Güter aus Russland und der Ukraine fortgeführt werden, andererseits soll der Bundesrat bei vergleichbaren Situationen in Zukunft nicht mehr auf die Bundesverfassung zurückgreifen müssen. Die bisherigen Verordnungen, mit denen ein Embargo verhängt wurde, galten nur für vier Jahre mit einer einmaligen Verlängerungsmöglichkeit. Die kleine Kammer anerkannte die Notwendigkeit einer Gesetzesänderung und erweiterte gar den im Gesetz festgelegten Geltungsbereich. Künftig sollen derartige Massnahmen nicht nur auf Staaten, sondern auch auf Einzelpersonen und weitere Einheiten ausgeweitet werden können, die bisher von diesen Zwangsmassnahmen nicht erfasst sind, sofern es die Wahrung der Interessen der Schweiz erfordert. Abgelehnt wurde hingegen ein Minderheitsantrag Sommaruga (sp, GE), welcher gefordert hatte, dass der Bundesrat autonome Sanktionen gegen Personen verhängen kann, die in schwerer Weise gegen das humanitäre Völkerrecht oder die Menschenrechte verstossen. Bundesrat Parmelin hatte gegen diesen Vorschlag protestiert, weil er seiner Meinung nach einen Paradigmenwechsel in der Schweizer Sanktionspolitik und eine Abkehr von der Neutralitätspolitik darstellen würde. Er störte sich vor allem am Wort «autonom», denn die Schweiz verhänge heutzutage Strafmassnahmen nicht eigenständig, sondern schliesse sich internationalen Sanktionen an. Sommaruga hatte zwar argumentiert, dass die Schweiz bereits jetzt gegen Einzelpersonen und Entitäten vorgehe, wenn diese gegen Völkerrecht verstossen, doch dieses Argument schien im Ständerat nicht zu verfangen. Schliesslich ergänzte der Ständerat das Gesetz um einen weiteren Artikel 2a, mit dem sichergestellt werden sollte, dass Schweizer Unternehmen durch die Umsetzung der bundesrätlichen Massnahmen im internationalen Vergleich nicht benachteiligt würden. Bundesrat Parmelin war nicht erfreut über diesen Beschluss und bezeichnete den Artikel als überflüssig und «eher gefährlich», weil die Schweiz die Umsetzung der Sanktionen sowieso mit anderen Staaten koordiniere und harmonisiere. Parmelin befürchtete einen Imageschaden, da der Artikel das Vorurteil stärken könnte, die Schweiz wolle aus der Nichtumsetzung oder nur teilweisen Umsetzung von Sanktionen Kapital schlagen. Er gab darüber hinaus zu bedenken, dass der Artikel missbraucht werden könnte, um die Sanktionspolitik der Schweiz zu kritisieren.
In der Gesamtabstimmung nahm der Ständerat den von ihm ergänzten Entwurf mit 38 zu 4 Stimmen (bei 1 Enthaltung) an.

Änderung des Embargogesetzes (BRG 19.085)
Dossier: Von der Schweiz ergriffene Sanktionen gegen andere Staaten
Dossier: Schweizer Reaktion auf die russischen Aggressionen in der Ukraine (ab 2014)

Wie vom Ordnungsantrag Juillard (cvp, JU) verlangt worden war, nahm sich die SPK-SR in einer Vorprüfung der Motion von Carlo Sommaruga (sp, GE) an, die vom Bundesrat verlangte, elektronische Tools zur Ausübung der politischen Rechte zu entwickeln. Die Kommission kam im entsprechenden Bericht zum Schluss, dass «der Bundesrat (...) auf Kurs» sei. Es sei ein neuer Versuchsbetrieb für E-Voting geplant, der wissenschaftlich begleitet werde. Zudem seien im Rahmen eines Berichts zu «Civic-Tech» einige Möglichkeiten für digitalisierte politische Partizipation angedacht worden. Die Kommission sehe deshalb in der Motion keinen Mehrwert, fasste Andrea Caroni (fdp, AR) die Situation in der Frühjahrssession 2021 im Ständerat für die SPK-SR zusammen. Der im Rat anwesende Motionär erwähnte, dass er genau diese schrittweise Verbesserung mit seiner Motion habe anstossen wollen, die vom Bericht beschrieben werde. Folgerichtig zog Sommaruga nach einer längeren Auslegeordnung von Bundeskanzler Walter Thurnherr seine Motion zurück. Der Bundeskanzler beschrieb, was bisher unternommen worden sei und erwähnte dabei das Spannungsfeld, in dem sich vor allem die politischen Rechte befänden. Auf der einen Seite nutze man digitale Instrumente mit grosser Selbstverständlichkeit, auf der anderen Seite gebe es gegenüber Digitalisierung aber auch zunehmend Skepsis und Verunsicherung. Der Bundesrat wolle bestehende Instrumente nutzen und Entwicklungen von Privaten, mit denen Meinungsbildung gefördert werde, zulassen, aber immer auch die «staatspolitischen Konsequenzen der Digitalisierung bedenken». Nach wie vor gelte deshalb der Grundsatz «Sicherheit vor Tempo». Im Moment würden drei Projekte verfolgt: Ein Datenmodell, mit dem politische Geschäfte vollständig verfolgt werden können, um den Datenaustausch zwischen Behörden zu verbessern, die Prüfung der Möglichkeit einer digitalisierten Vernehmlassung sowie einer digitalen Plattform für Petitionen.

Elektronische Tools zur Ausübung der politischen Rechte (Mo. 20.3908)

In der Frühjahrssession 2021 begann mit der Beratung im Ständerat «endlich» die Behandlung der AHV 21-Reform – endlich weil die Dauer der Vorbereitung durch die SGK-SR zuvor medial stark kritisiert worden war. Kommissionssprecher Erich Ettlin (mitte, OW) stellte in seiner Rede insbesondere die demografischen Herausforderungen für die AHV in den Mittelpunkt und fasste ihre Situation in Zahlen zusammen: Dank der STAF habe das kumulierte Umlagedefizit des AHV-Ausgleichsfonds für die Jahre 2022 bis 2030 von CHF 39 Mrd. auf CHF 19 Mrd. reduziert werden können, für eine 100-prozentige Deckung des Ausgleichsfonds im Jahr 2030 liege der Finanzierungsbedarf entsprechend «nur» noch bei CHF 26 Mrd. (ohne STAF: 53 Mrd.). Dieser Finanzierungsbedarf solle durch die Erhöhung des Frauenrentenalters auf 65 Jahre und die Erhöhung der Mehrwertsteuer um 0.7 Prozentpunkte gedeckt werden. Gleichzeitig seien auch Ausgleichsmassnahmen für Übergangsjahrgänge der Frauen sowie Massnahmen für eine Flexibilisierung des Rentenbezugs zwischen 62 und 70 Jahren vorgesehen. Dennoch sei damit für Mitte der 2020er Jahre eine erneute Revision vonnöten, welche die Finanzierung der AHV über das Jahr 2030 hinaus sichern soll.
Eintreten war unbestritten und auch die erste Änderung, die auf der Fahne mit Abstand am meisten Platz einnahm, die Ersetzung des Begriffs «Rentenalter» durch «Referenzalter» in sämtlichen betroffenen Gesetzestexten, nahm der Ständerat stillschweigend an.
Eine «zentrale Bestimmung der Vorlage» (Ettlin) stellte die Erhöhung des Referenzalters der Frauen auf 65 Jahre dar, wie sie auch die Kommissionsmehrheit befürwortete. Eine Minderheit Carobbio Guscetti (sp, TI) beantragte hingegen die Streichung der Erhöhung. Die Minderheitensprecherin wies auf die ungemein schlechtere Situation der Frauen bei den Renten verglichen mit den Männern hin: Frauen erhielten etwa ein Drittel weniger Altersrenten als Männer; die Hälfte der 2018 pensionierten Frauen erhielt eine AHV-Altersrente unter CHF 1'754 pro Monat; fast ein Drittel der aktuell pensionierten Frauen erhalte kein Geld aus der Pensionskasse; die Pensionskassenrenten der Frauen seien überdies durchschnittlich nur halb so gross wie diejenigen der Männer; insgesamt müssten doppelt so viele Frauen wie Männer Ergänzungsleistungen beziehen. «Tous les indicateurs financiers et les inégalités entre les femmes et les hommes nous permettent d'affirmer que l'âge de la retraite ne doit pas être relevé tant que les conditions nécessaires à assurer une pension décente aux femmes ne sont pas remplies», argumentierte Marina Carobbio Guscetti. Mit den von der Kommissionsmehrheit zusätzlich gekürzten Ausgleichsmassnahmen erwarteten die Frauen der Übergangsjahrgänge damit reale Rentenkürzungen. Da die Rentenaltererhöhung der Frauen bereits zweimal in Volksabstimmungen abgelehnt worden sei, solle nicht auch die aktuelle Revision durch Aufnahme dieser Massnahme gefährdet werden. Kommissionssprecher Ettlin verwies bezüglich Bekämpfung der Lohnungleichheit darauf, dass diese nicht im AHVG, «sondern anders zu lösen sei», allenfalls im BVG. In der AHV bestehe «kein Problem in der Rentenhöhe», insbesondere im Hinblick auf die längere Lebensdauer der Frauen, auf die Witwenrenten, auf das Splitting oder die Erziehungsgutschriften. Gesundheitsminister Berset verwies darauf, dass diese Erhöhung – auch wenn man gute Gründe dafür habe – für die Frauen dennoch «une année de travail et de cotisations en plus et une année de rente en moins» darstelle. Dies müsse man mit entsprechend grosszügigen Ausgleichsmassnahmen berücksichtigen. Mit 30 zu 12 Stimmen (bei 2 Enthaltungen) sprach sich der Ständerat in der Folge für die Erhöhung des Referenzalters der Frauen aus.
Die meisten Sprechenden waren sich einig, dass die Ausgleichsmassnahmen für die Frauen den Knackpunkt der Reform darstellen, entsprechend umfangreich war die Anzahl der hier eingebrachten Anträge. Diese liessen sich gemäss Kommissionssprecher Ettlin in drei Kategorien aufteilen: Das Bundesratsmodell, das Trapezmodell und das Modell Müller.
Das Bundesratsmodell sah zwei verschiedene Elemente vor, zwischen denen sich die betroffenen Frauen entscheiden müssten. Einerseits sollten die Renten der Frauen aus den Übergangsjahrgängen durch eine alternative Rentenformel lebenslang erhöht werden. Minimal- und Maximalrente würden dabei gleich bleiben, aber die Renten dazwischen würden erhöht – am meisten würden Frauen mit einem Jahreseinkommen von ca. CHF 43'000 profitieren (CHF 163), der durchschnittliche Zuschlag käme bei CHF 76 zu liegen. 54 Prozent aller Frauen in den Übergangsjahrgängen erhielten dadurch höhere Renten. Andererseits sollten sich die betroffenen Frauen aber auch für eine Frühpensionierung entscheiden können, wobei ihre Renten weniger stark gekürzt würden als normalerweise. Bis zu einem Einkommen von ca. CHF 57'000 pro Jahr sollte die Rente bei einer Frühpensionierung von einem Jahr gar nicht gekürzt werden. Dieses Modell verfolgten neben dem Bundesrat auch die Kommissionsmehrheit sowie die Minderheit I Stöckli und die Minderheit II Graf (gp, BL), wobei die Kommissionsmehrheit deutlich tiefere Ausgaben plante und weniger Jahrgänge teilhaben lassen wollte (max. CHF 440 Mio., 6 Jahrgänge) als der Bundesrat (max. CHF 700 Mio., 9 Jahrgänge) oder gar die beiden Minderheiten (max. CHF 1.4 Mrd., 9 Jahrgänge respektive max. CHF 2.6 Mrd., 14 Jahrgänge). Als Vorteil dieses Modells nannte Bundesrat Berset insbesondere die Kombination der zwei Elemente «Rentenerhöhung» und «Vorbezug». Als Nachteil führte Peter Hegglin (cvp, ZG) als Anhänger des Trapezmodells auf, dass die Rentenformel sehr kompliziert sei und dass die Mindestrenten nicht angepasst würden und somit gerade diejenigen Personen, die eine Verbesserung am stärksten nötig hätten, nicht profitieren könnten. Andererseits erhielten Personen, die bereits die Maximalrenten beziehen, ebenfalls keine höheren Renten.
Alternativ wurde in der SGK-SR das sogenannte Trapezmodell diskutiert, das statt einer Anpassung der Rentenformel einen Rentenzuschlag vorsah. Dabei erhielt das Modell seinen Namen aus der anfänglich progressiven Erhöhung des Rentenzuschlags und der zum Schluss degressiven Senkung des Zuschlags. Damit sollte der Tatsache Rechnung getragen werden, dass das Rentenalter in vier Jahresschritten à je drei Monaten erhöht würde. Die Frauen des ersten Jahrgangs würden somit «nur» drei Monate später pensioniert als bisher und sollten entsprechend nicht in den Genuss eines vollen Rentenzuschlags kommen. Damit weise das Modell weniger und schwächere Schwelleneffekte auf als das Bundesratsmodell, wurde argumentiert. Zudem erhielten alle Betroffenen dieselben Zuschläge, auch Personen mit niedrigen Einkommen könnten folglich von einem Rentenzuschlag profitieren – umgekehrt hingegen auch Personen, welche bereits die Maximalrente erzielten. Dieses Modell verfolgten die Minderheiten III Hegglin, IV Stöckli und V Graf, wobei sie die Rentenzuschläge einer unterschiedlichen Anzahl Jahrgänge zukommen lassen wollten, unterschiedliche Abstufungen vorsahen und wiederum unterschiedliche Höchstausgaben planten (Hegglin: max. CHF 430 Mio., 9 Jahrgänge; Stöckli: max. CHF 700 Mio., 9 Jahrgänge; Graf: max. CHF 2.6 Mrd., 14 Jahrgänge). Vorteile bei einer frühzeitigen Pensionierung waren in diesem Modell nicht vorgesehen.
Eine Minderheit VI Müller (fdp, LU) sah ebenfalls einen Zuschlag ausserhalb der Rentenformel vor, wollte diesen aber nach Einkommenshöhe abstufen. So sollten Frauen mit tiefen Einkommen (Einkommen bis zu der vierfachen minimalen Altersrente) zusätzlich CHF 150 erhalten, Frauen mit hohen Einkommen (über derselben Schwelle) CHF 50. Hingegen sollte es keine Abstufungen nach Jahrgängen geben. Wie beim Bundesratsmodell sollten sich die Frauen jedoch auch beim Modell Müller zwischen einer höheren Rente oder einem gekürzten Abzug beim Rentenvorbezug entscheiden können. Als Nachteil des Modells nannte Kommissionssprecher Ettlin die Schwelleneffekte, hingegen profitierten diejenigen Frauen am meisten, welche die Hilfe am nötigsten hätten. Das Modell sah Ausgaben in der Höhe von maximal CHF 600 Mio. und eine Berücksichtigung von 6 Jahrgängen vor.
In den dazugehörigen Abstimmungen setzte sich das Modell der Kommissionsmehrheit zuerst gegen alle anderen Bundesratsmodelle durch. Anschliessend entschied sich der Rat bei den Trapezmodellen für das sparsamste Modell der Minderheit III Hegglin, welches sich in der Folge auch gegen das Modell Müller und gegen dasjenige der Kommissionsmehrheit durchsetzte (19 zu 12 Stimmen bei 13 Enthaltungen). Damit sah der Ständerat in der Hauptstreitfrage einen zuerst progressiv ansteigenden und anschliessend degressiv absteigenden Zuschlag für 9 Jahrgänge mit Ausgaben von CHF 430 Mio. im teuersten Jahr vor.

Umstritten war auch das Thema Flexibilisierung des Rentenantritts, das sich aus dem vieldiskutierten Rentenvorbezug und dem mehrheitlich unbeachteten Rentenaufschub zusammensetzt. Ein Rentenvorbezug war bisher für Frauen ab einem Alter von 62 Jahren und für Männer ab 63 Jahren möglich, für die Zukunft sah der Bundesrat einen Vorbezug für alle ab 62 Jahren vor. Da zudem der Kürzungssatz für einen Vorbezug seit langer Zeit nicht mehr angepasst worden war, lag dieser in der Zwischenzeit viel zu hoch. Entsprechend sollte der Bundesrat diesen zukünftig alle zehn Jahre den versicherungsmathematischen Begebenheiten anpassen. Dabei soll der Kürzungssatz jeweils so ausgestaltet werden, dass Personen, die ihre Renten vorbeziehen, diesen Vorbezug durch die Kürzung ihrer Renten selbst finanzieren. Vorbezug – sowie Aufschub der Rente – sollten damit mittelfristig kostenneutral sein. Dennoch beantragte die Kommissionsmehrheit, den Vorbezug erst ab 63 Jahren möglich zu machen. Man wolle den Vorbezug nicht zusätzlich fördern, zumal er durch die Anpassung des Kürzungssatzes bereits finanziell bessergestellt werde und bereits heute vor allem von Personen mit höheren Renten genutzt würde. Deshalb schlug die Kommissionsmehrheit vor, dass der Kürzungssatz für Personen mit tieferen Einkommen (bis zu einer vierfachen Minimalrente) um 40 Prozent reduziert werden soll. Marina Carobbio Guscetti wehrte sich gegen den Antrag der Mehrheit, den Rentenvorbezug erst ab 63 Jahren zu ermöglichen. Die Flexibilisierung zwischen dem 62. und dem 70. Lebensjahr entspreche der Realität, zudem solle man die Situation für die Frauen nicht noch weiter verschlechtern und diese nicht doppelt bestrafen. Gesundheitsminister Berset kritisierte, dass der Vorbezug ab 62 Jahren einer der einzigen Punkte gewesen sei, der in der Altersvorsorge 2020 von allen unterstützt worden sei. Man solle das aktuelle Projekt entsprechend mit dieser Änderung, die keinen finanziellen Nutzen bringe, nicht überladen. Mit 23 zu 19 Stimmen erhörte der Ständerat den Bundesrat jedoch nicht und nahm den Mehrheitsantrag der Kommission an.
Stillschweigend stimmte der Ständerat dem neuen Passus des Bundesrates zu, wonach AHV-Beiträge nach Erreichung des Referenzalters zukünftig rentenbildend sein sollen. Dies habe man in der Altersvorsorge 2020 nicht berücksichtigt, was für viele Diskussionen gesorgt habe, wie Hans Stöckli betonte. Umstrittener war hingegen der Freibetrag nach Erreichen des Referenzalters, den der Bundesrat und eine Minderheit Stöckli wie bisher beim anderthalbfachen Mindestbetrag der Altersrente belassen (CHF 16'800), die Kommissionsmehrheit jedoch auf CHF 24'000 erhöhen wollte. Zwar sei die Streichung des Freibetrags im Rahmen der Altersvorsorge 2020 stark kritisiert worden, eine Erhöhung habe jedoch – «ausser Economiesuisse und vielleicht dem Arbeitgeberverband», wie Paul Rechsteiner (sp, SG) einwand – niemand gefordert, argumentierte Stöckli. Von einer Erhöhung profitierten denn auch hauptsächlich die Arbeitgebenden, die dadurch Sozialkosten sparen könnten, kritisierte Stöckli. Erich Ettlin verteidigte den Kommissionsantrag, indem er betonte, dass dadurch mehr Anreize für einen Rentenaufschub von Personen geschaffen werden sollten, die bereits die Maximalrente erhielten. Mit 27 zu 18 Stimmen folgte der Ständerat der Kommissionsmehrheit und erhöhte den Freibetrag.

Die übrigen Aspekte waren zwar teilweise ebenfalls umstritten, führten aber zu deutlich weniger Diskussionen. So hatte der Bundesrat beabsichtigt, den Ehepaarplafond, also die Summe der Renten für Ehepaare, bei 150 Prozent zu belassen, die SGK-SR schlug hier jedoch eine Erhöhung auf 155 Prozent vor. Dieses Anliegen der «Mitte» war zuvor in den Medien ausführlich diskutiert worden. Eine Minderheit Müller beantragte, dem Bundesrat zu folgen, zumal eine Analyse des Bundesrates gezeigt habe, dass Ehepaare in der AHV (wegen der Witwen- und Witwerrente oder dem «Beitragsprivileg von nicht berufstätigen Ehepartnern») sowie allgemein in den Sozialversicherungen noch immer bevorzugt würden. Zudem sollte der Plafond nur für diejenigen Ehepaare erhöht werden, die den heutigen Plafond erreichen. Somit würden nur Personen mit mittleren und höheren Einkommen profitieren, nicht aber Ehepaare mit tiefen Einkommen. Für die Kommission zog Erich Ettlin einen Vergleich mit Konkubinatspaaren, die 200 Prozent der Rente erhielten, und verwies darauf, dass gerade Personen mit höheren Einkommen auch «solidarisch in die AHV einbezahlt[en]», zumal die AHV-Rente nach oben begrenzt sei. Mit 18 zu 13 Stimmen (bei 13 Enthaltungen) folgte der Ständerat jedoch der Minderheit Müller und lehnte die Erhöhung des Ehepaarplafonds ab.
Stillschweigend schuf der Ständerat auf Antrag seiner Kommission auch eine Verpflichtung für den Bundesrat, bis Ende 2026 eine neue AHV-Revision zur Stabilisierung der AHV für die Jahre 2030 bis 2040 vorzulegen. Umstritten war zum Abschluss der Debatte der Revision des AHVG auch die Frage, ob die entsprechende Revision mit dem Bundesbeschluss über die Erhöhung der Mehrwertsteuer verknüpft werden soll, ob also Erstere nur bei Annahme Letzterer in Kraft treten soll. Gegen den Willen des Bundesrates hatte die SGK-SR eine solche Verknüpfung geschaffen, eine Minderheit Stöckli beantragte ihre Streichung. Diese Verknüpfung sei bereits bei der Altersvorsorge 2020 massiv kritisiert worden und habe damals einen wichtigen Ablehnungsgrund dargestellt, argumentierte Stöckli. Kommissionssprecher Ettlin verteidigte die Verknüpfung insofern, als es «keine Leistung gebe, wenn die Finanzierung nicht gesichert sei». In der Folge gab es einen kurzen Wortwechsel zwischen Paul Rechsteiner, der darauf hinwies, dass es mit dieser Revision keine zusätzlichen Leistungen, nur Leistungsabbau gebe, und Erich Ettlin, der auf die Kosten für die Ausgleichsmassnahmen der Frauen verwies, welche durch die Mehrwertsteuererhöhung finanziert werden müssten. Mit 30 zu 14 Stimmen folgte der Ständerat seiner Kommissionsmehrheit.
Mit 31 zu 13 Stimmen sprach sich der Ständerat in der Folge für den von ihm geänderten Entwurf der Revision des AHVG aus. Geschlossen lehnten die Mitglieder der SP und der Grünen den Entwurf ab.

Im Anschluss an die Revision des AHVG beschäftigte sich der Ständerat mit dem Bundesbeschluss über die Erhöhung der Mehrwertsteuer, zu dem ebenfalls zahlreiche Minderheitsanträge vorlagen. Die Kommissionsmehrheit hatte die vom Bundesrat vorgeschlagene Mehrwertsteuererhöhung um 0.7 Prozentpunkte (des Normalsatzes) auf 0.3 Prozentpunkte reduziert, aber eine Möglichkeit für eine einmalige weitere Erhöhung um 0.4 Prozentpunkte geschaffen, falls der AHV-Ausgleichsfonds 90 Prozent einer Jahresausgabe unterschreitet. Zudem knüpfte die Kommission die Mehrwertsteuererhöhung an die Annahme der AHV-Revision. Minderheiten I Carobbio Guscetti (0.8%) und II Müller (0.3%) sahen weitere Varianten vor. Damian Müller argumentierte, dass «keine Steuern auf Vorrat» erhoben werden sollten. Dieses Argument teilte auch Kommissionssprecher Ettlin, der entsprechend das zweistufige Verfahren der Mehrheit lobte. Bundesrat Berset freute sich darüber, dass niemand die Zusatzfinanzierung gänzlich infrage stellte, und wies darauf hin, dass in der Tat weniger Geld benötigt werde, wenn die Ausgleichsmassnahmen tiefer angesetzt würden, als es der Bundesrat vorgeschlagen hatte: Mit dem bundesrätlichen Projekt hätte der Deckungsgrad des AHV-Ausgleichsfonds im Jahr 2030 bei 101 Prozent gelegen, mit der Reduktion der Ausgleichsmassnahmen, wie sie der Ständerat vorgenommen hatte, würde eine Mehrwertsteuererhöhung um 0.7 Prozentpunkte im Jahr 2030 zu einem Deckungsgrad von 106 Prozent führen. Mit den Beschlüssen des Ständerats und der zweistufigen Mehrwertsteuererhöhung käme der Deckungsgrad 2030 bei 89 Prozent zu liegen, mit dem Vorschlag Müller bei 84 Prozent. Mit dieser Unterfinanzierung des Ausgleichsfonds würde man die zukünftigen Reformen stark erschweren, zudem gefährdeten die tiefen Ausgleichszahlungen bereits die aktuelle Reform. Folglich bat Bundesrat Berset den Rat noch einmal um Zustimmung zum bundesrätlichen Vorschlag und um ein Rückkommen auf die höheren Ausgleichsmassnahmen im Rahmen des Differenzbereinigungsverfahrens. Auch hier sprach sich der Ständerat jedoch mit 29 zu 13 Stimmen für die sparsamste Variante aus, nämlich für die Minderheit Müller, welche die Mehrwertsteuer nur um 0.3 Prozentpunkte erhöhen wollte.
Einstimmig nahm der Ständerat den Bundesbeschluss in der Gesamtabstimmung an (40 zu 0 Stimmen, 4 Enthaltungen).

Reform «Stabilisierung der AHV (AHV 21)» (BRG 19.050)
Dossier: Debatten um das Frauenrentenalter
Dossier: Erhöhung des Rentenalters

In der Frühjahrssession 2021 wurde eine im Sommer 2020 eingereichte Motion Sommaruga (sp, GE), die vom Bundesrat unterstützende Massnahmen für Schweizer Museen bei der Rückgabe und Rückführung von Kulturgütern mit kolonialzeitlichem Hintergrund forderte, zurückgezogen. Der Motionär führte an, dass, auch wenn die Schweiz keine Kolonialmacht per se war, sie stark von der westlichen Dominanz der Kolonialzeit profitiert habe, weshalb entsprechende Massnahmen zur technischen, finanziellen und logistischen Unterstützung seitens des Bundes zur Rückführung angebracht seien.
Der Bundesrat hatte in seiner Stellungnahme vom August 2020 mit Verweis auf seine Stellungnahmen zur Motion Wermuth (sp, AG; Mo. 18.4236) sowie die Anfrage (18.1092) und Interpellation (18.4067) Sommaruga den Vorstoss zur Ablehnung beantragt. Im Weiteren hatte er darauf verwiesen, dass der Bund bereits seit 2016 im Rahmen der Provenienzforschung öffentliche und private Museen unterstütze und diese angehalten seien, ihre Forschungsresultate mit dem Internetportal der Anlaufstelle Raubkunst des BAK zu verlinken. Auch stehe der Bund bereits heute bei Kulturgüterstreitigkeiten als intermediärer Partner zur Verfügung und mit dem Kulturgütertransfergesetz bestehe auch schon eine allgemeine Rechtsgrundlage für entsprechende Belange.
In der Herbstsession 2020 hatte der Ständerat die Motion gemäss einem Ordnungsantrag Gapany (fdp, FR) an die WBK-SR zur Vorberatung überwiesen. Diese hatte in ihrem Bericht vom Februar 2021 mit 4 zu 4 Stimmen und Stichentscheid von Vizepräsident Thomas Hefti (fdp, GL) den Vorstoss zur Ablehnung beantragt. Die Kommissionsmehrheit anerkenne die Bedeutung der Provenienzforschung, sehe aber keinen unmittelbaren gesetzgeberischen Handlungsbedarf, da die Unterstützungsleistungen in diesem Bereich bereits sehr gut von der Anlaufstelle Raubkunst wahrgenommen würden, war argumentiert worden. Die Kommissionsminderheit war hingegen der Ansicht, dass die laufenden Arbeiten in diesem Bereich sowie die Zusammenarbeit der verschiedenen Akteure und die Rolle der Schweiz auf internationaler Ebene durch diesen Vorstoss gestärkt werden könnten. Im März 2021 führte Kulturminister Berset im Rahmen der Ständeratsdebatte an, dass man sich aufgrund der grossen Relevanz des Themas vorstellen könne, nach Möglichkeit bis Ende Jahr einen Bericht vorzulegen, der aufzeige ob und in welchem Umfang die bestehenden Massnahmen funktionierten und ob es doch noch allfälligen Anpassungsbedarf gebe. Die Aussicht auf diesen Bericht bewegte schliesslich den Motionär zum Rückzug seines Vorstosses.

Beteiligung der Schweizer Museen an der Rückgabe von Kulturgütern, die in der Kolonialzeit weggenommen wurden: Einrichtung eines bundesrechtlichen Verfahrens (Mo. 20.3754)