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  • Vara, Céline (gp/verts, NE) SR/CE
  • Rutz, Gregor (svp/udc, ZH) NR/CN

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Auf Antrag des Bundesrates oder eines Viertels der Mitglieder des Nationalrats – sowie seit 2000 auch auf Antrag eines Viertels der Mitglieder des Ständerats – werden beide eidgenössischen Räte zu einer ausserordentlichen Session einberufen. Seit 2000 verlangten die Mitglieder des Nationalrats insgesamt beinahe 40 Mal eine ausserordentliche Session, jedoch nur einmal ein Viertel der Ständeratsmitglieder und zwar im Frühling 2020 zur Bewältigung der Covid-19-Krise. Das Einberufungsrecht von fünf Kantonen war bis zu seiner Abschaffung im Jahr 1999 nie benutzt worden. Seit einer Revision des Parlamentsgesetzes (Pa.Iv. 10.440) können ausserordentliche Sessionen, sofern sie zu Vorstössen und nicht zu Erlassentwürfen, Wahlen oder Erklärungen des Bundesrates oder der Räte verlangt werden, nur beantragt werden, wenn in beiden Parlamentskammern gleichlautende Motionen hängig sind. Damit sollte gewährleistet werden, dass sich – wie es die Verfassung verlangt – beide Räte zur ausserordentlichen Session versammeln. In der Vergangenheit war es vereinzelt vorgekommen, dass der Ständerat zur ausserordentlichen Session zusammenfand, jedoch in diesem Rahmen gar keine Beschlüsse zu fassen hatte. Durch diese neue Regelung liegt die Traktandierung der ausserordentlichen Sessionen zumindest teilweise bei der Ratsminderheit, die diese beantragt: Neben den von den Antragsstellenden ausgewiesenen, in beiden Räten hängigen Beratungsgegenständen können die Büros der beiden Räte die ausserordentliche Session um weitere Beratungsgegenstände erweitern.

Im Jahr 2023 fanden in den eidgenössischen Räten insgesamt sechs ausserordentliche Sessionen statt. Damit schliesst das Jahr 2023 zu den Spitzenreitern auf; im Wahljahr 2011 sowie im Vorjahr 2022 gab es ebenso viele ausserordentliche Sessionen. Neben der dreitägigen ausserordentlichen Session zur CS im April 2023 wurden fünf weitere ausserordentliche Sessionen einberufen, die jedoch – was dem Regelfall entspricht – an eine ordentliche Session angehängt werden konnten. Neben einer ausserordentlichen Session zur Gleichstellung am Tag des feministischen Streiks vom 14. Juni sowie einer ausserordentlichen Session zum Thema «Wohnen und Mieten» angehängt an die Herbstsession 2023 führten National- und Ständerat auf Verlangen der SVP im Jahr 2023 drei ausserordentliche Sessionen zum Thema Asyl durch. Dies stellt einen alleinigen Rekord dar; bisher war es erst im Jahr 2015 beim Höchstwert an Asylgesuchen seit 1999 zu mehr als einer ausserordentlichen Session zu diesem Thema im gleichen Jahr gekommen.

Die während den drei ausserordentlichen Sessionen zum Thema Asyl behandelten Vorstösse aus der Feder der SVP waren kaum von Erfolg gekrönt. In der ausserordentlichen Session «Migration» im Anschluss an die Sommersession 2023 waren insgesamt fünf gleichlautende Motionen der SVP-Fraktion oder von deren Mitgliedern in beiden Räten traktandiert. Von diesen fünf Vorstössen wurden drei von beiden Räten abgelehnt (Mo. 22.4397 und Mo. 23.3086; Mo. 23.3074 und Mo. 23.3085; Mo. 23.3200 und Mo. 23.3211). Zwar vermochten die zwei verbleibenden Forderungen der SVP zur Aussetzung des Resettlement-Programms 2024/25 (Mo. 23.3096) und zur Erhöhung der Rückführungen und Ausweisungen (Mo. 23.3082) jeweils eine bürgerliche Mehrheit im Ständerat zu überzeugen, nicht so jedoch im Nationalrat, der die Forderungen ablehnte (Mo. 23.3072; Mo. 23.3073). Darüber hinaus behandelte der Nationalrat im Rahmen dieser ausserordentlichen Session drei weitere Vorstösse von Mitgliedern anderer Parteien, die allesamt angenommen wurden, darunter eine Motion Romano (mitte, TI; Mo. 22.4186) für ein Rückübernahmeabkommen mit Österreich, ein Postulat Marti (sp, BL; Po. 23.3203) zur Evaluation der privaten Unterbringung von Flüchtlingen oder vorläufig Aufgenommenen sowie ein Postulat Bellaiche (glp, ZH; Po. 23.3042) zum Aufzeigen von Chancen und Herausforderungen einer 10-Millionen-Schweiz.

In der im Anschluss an die Herbstsession 2023 stattfindenden ausserordentlichen Session «Zuwanderung und Asyl» lagen dem Ständerat zwei Motionen von Marco Chiesa (svp, TI) vor, während im Nationalrat zwei gleichlautende Vorstösse der SVP-Fraktion respektive von Gregor Rutz (svp, ZH) traktandiert waren. Weder die Forderung mit dem Titel «Keine 10-Millionen-Schweiz!» (Mo. 23.3777 und Mo. 23.3832) – ebenso lautet der Titel einer von der SVP aktuell lancierten Volksinitiative – noch die Forderung nach der Durchführung von Asylverfahren ausserhalb der Schweiz (Mo. 23.3851 und Mo. 23.3950) fanden in den Räten breitere Zustimmung über die Fraktionsgrenzen hinaus. Erfolgreich waren im September 2023 die beiden anderen, in der ausserordentlichen Session des Nationalrats traktandierten Geschäfte: eine Motion der FDP-Fraktion zur Verringerung der irregulären Sekundärmigration (Mo. 23.3533) sowie ein Postulat Pfister (mitte, ZG; Po. 23.3859) zur Auslotung der Chancen, die eine Reform des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems für die Schweiz brächte. Vier weitere Vorstösse von Mitte-Links, insbesondere zur Erhöhung der humanitären Hilfe an die Ukraine – drei davon gleichlautend – waren vom Büro-NR ursprünglich ebenfalls für die ausserordentliche Session im Nationalrat traktandiert gewesen, wurden aufgrund eines erfolgreichen Ordnungsantrags Bregy (mitte, VS) jedoch zunächst an die zuständige Kommission zur Vorberatung zugewiesen (Mo. 23.3422; Mo. 23.3423; Mo. 23.3425; Mo. 23.3255).

Die in der Wintersession 2023 von Mitgliedern der SVP-Fraktion einberufene ausserordentliche Session war gegen eine im Sommer vom SEM beschlossene Praxisänderung gerichtet, gemäss welcher weiblichen afghanischen Asylsuchenden grundsätzlich die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen ist. Im Rahmen dieser ausserordentlichen Session behandelten beide Räte insgesamt je eine Motion, die diese Praxis rückgängig machen wollte: der Nationalrat die Motion Rutz (svp, ZH; Mo. 23.4241) und der Ständerat die gleichlautende Motion Bauer (fdp, NE; Mo. 23.4247), die nach den eidgenössischen Wahlen von Damian Müller (fdp, LU) übernommen worden war. Einen Beschluss fassten die Räte im Rahmen der ausserordentlichen Session indes nicht; zwecks vertiefter Abklärungen und der Erstellung einer grundlegenden Auslegeordnung stimmten die Räte aber je einem Ordnungsantrag auf Zuweisung an die Kommission zu.

Der nach den eidgenössischen Wahlen im Oktober 2023 neu zusammengesetzte Nationalrat beugte sich in der Wintersession über die beiden Motionen von SVP-Mitgliedern, die der Ständerat im Rahmen der ausserordentlichen Session im Juni befürwortet hatte. Während er die Motion zur Aussetzung des Resettlement-Programms 2024/2025 ablehnte, befürwortete er eine abgeänderte Version der Motion Salzmann (svp, BE) mit der Forderung nach einer Rückführungsoffensive (Mo. 23.3082), die nun zurück an den Ständerat geht. Der Nationalrat fasste diesen Beschluss auf Anraten einer breiten Kommissionsmehrheit, nachdem diese unter anderem die Kantone angehört hatte. Bereits definitiv überwiesen werden konnte die Motion Romano (Mo. 22.4186), die ein Rückübernahmeabkommen mit Österreich anstrebt: In der ersten Session der 52. Legislatur bekräftigte der Ständerat die im Rahmen der ausserordentlichen Session im Juni durch den Nationalrat ausgedrückte positive Haltung zum Anliegen. Damit gehört letzterer Vorstoss zu einer der wenigen der äusserst zahlreichen Motionen im Bereich Asyl, die 2023 Zustimmung in beiden Räten fanden – die meisten dieser Motionen scheiterten bereits im Erstrat.

Die SVP verlangt 2023 drei ausserordentliche Sessionen zu Asyl

In ihrem Bericht begründete die RK-SR, weshalb sie mit 8 zu 0 Stimmen (3 Enthaltungen) die vom Nationalrat noch teilweise gutgeheissene Motion von Lukas Reimann (svp, SG) für eine Justizreform, mit der Gerichtskosten reduziert und die durchschnittliche Verfahrensdauer verkürzt werden, vollständig zur Ablehnung empfehle. Es gehe dabei lediglich um Buchstabe b der Motion, also um die Frage der Verkürzung der Verfahren, da Buchstabe a (die Reduktion der Gerichtskosten), vom Nationalrat bereits abgelehnt worden sei. Mit der Anfang 2023 beschlossenen Änderung der Zivilprozessordnung sei die Verkürzung der Gerichtsverfahren bereits geregelt worden. Es sei verfrüht, mit einer Motion bereits wieder eine neue Revision anzustossen.
Nachdem Céline Vara (gp, NE) in der Wintersession 2023 die ablehnende Haltung der Kommission und Bundesrätin Elisabeth Baume-Schneider jene des Bundesrats erörtert hatten, lehnte der Ständerat das Begehren stillschweigend ab.

Eingeschränkter Zugang zur Justiz. Recht und Gerechtigkeit für alle sicherstellen! (Mo. 21.3388)

Im Oktober 2023 reichte die RK-SR ein Postulat zur Prüfung einer Kronzeugenregelung ein. In einem Bericht solle der Bundesrat darlegen, welche Vor- und Nachteile die Einführung einer Kronzeugenregelung im Schweizer Straf- und Strafprozessrecht mit sich brächte. Insbesondere solle er dabei die internationale Erfahrung mit solchen Rechtssystemen berücksichtigen. Wie Kommissionssprecher Jositsch (sp, ZH) erläuterte, resultiere dieses Postulat aus einer Anhörung der Bundesanwaltschaft, welche dargelegt habe, dass sie ohne eine Kronzeugenregelung ausserordentliche Schwierigkeiten habe, Ermittlungen gegen die organisierte Kriminalität und Terrorismus durchzuführen. Über die definitive Einführung einer Kronzeugenregelung könne zu einem späteren Zeitpunkt befunden werden, führte Jositsch weiter aus und betonte, dass er persönlich einer solchen bislang immer äusserst kritisch gegenübergestanden habe. Der Bundesrat verwies in seiner Stellungnahme auf die 2017 abgelehnte Motion Janiak (sp, BL; Mo. 16.3735) und argumentierte analog zu damals, dass die Kronzeugenregelung dem schweizerischen Rechtsstaatsprinzip widerspreche und auch ein Bericht keine weitere Klärung diesbezüglich brächte. Er beantragte daher die Ablehnung der Motion. Mit den gleichen Bedenken äusserten sich im Plenum Beat Rieder (mitte, VS) und Céline Vara (gp, NE) – beide ebenfalls Mitglieder der Rechtskommission –, welche zusätzlich die Übernahme von Rechtspraktiken aus dem angelsächsischen Raum als kritisch betrachteten und unterdessen zum Schluss gelangt waren, das Postulat seie aus diesen Gründen abzulehnen. Der Ständerat folgte jedoch dem Antrag seiner Kommission und überwies das Postulat in der Wintersession 2023 mit 22 zu 16 Stimmen.

Prüfung einer Kronzeugenregelung (Po. 23.4317)

Im November 2023 reichten die beiden Kommissionen für Rechtsfragen je eine gleichlautende Motion zur Modernisierung des Gewährleistungsrechts ein (Mo. 23.4316 und Mo. 23.4345). Sie forderten, dass die aus dem Jahr 1910 stammenden Rechtsgrundlagen gemäss dem im Postulat 18.3248 aufgezeigten Handlungsbedarf bezüglich der geplanten Obsoleszenz revidiert werden. Der Bundesrat beantragte die Annahme der Motionen.
Die beiden Räte behandelten die Motionen in der Wintersession 2023. Im Nationalrat wurde die Motion der RK-NR von Benjamin Fischer (svp, ZH) bekämpft. Fischer befürchtete, dass der Ausbau des Gewährleistungsrechts einen Kostenanstieg für die Hersteller von Produkten mit sich führen würde. Solange die Eckwerte einer möglichen Revision des Gewährleistungsrechts nicht bekannt seien, müsse auf eine solche Revision verzichtet werden. Der Nationalrat schenkte dem Anliegen von Benjamin Fischer jedoch kein Gehör und nahm die Motion mit 120 zu 64 Stimmen, wobei die Gegenstimmen hauptsächlich aus den Reihen der SVP-Fraktion stammten, an.
Der Ständerat behandelte die Motion ihrer RK-SR zusammen mit der ähnlich gelagerten Motion Streiff (evp, BE) 19.4594. Nachdem Céline Vara (gp, NE) die Vorgeschichte der Motion erläutert hatte und Bundesrätin Baume-Schneider den gesetzgeberischen Handlungsbedarf bestätigte, nahm der Ständerat die Motion seiner Rechtskommission stillschweigend an.
Mit der Annahme in beiden Räten sind die beiden gleichlautenden Motionen an den Bundesrat überwiesen.

Modernisierung des Gewährleistungsrechts (Mo. 23.4316 und Mo. 23.4345)

Mittels einer Motion forderte die RK-SR, dass die «Behandlung von Kindern, die mit einer Variation der geschlechtlichen Entwicklung (DSD) geboren wurden», verbessert wird. Das Geschäft wurde in der Wintersession 2023 vom Ständerat diskutiert. Céline Vara (gp, NE), welche den Vorstoss seitens der Kommission vorstellte, führte aus, dass die vorliegende Motion durch eine ähnliche Motion Michel (fdp, ZG; Mo. 22.3355), welche ein strafrechtliches Verbot von geschlechtsverändernden Eingriffen bei intersexuellen Kindern forderte, angestossen worden sei. Wie der Motionär teile auch die Kommission die Auffassung, dass auf nicht angezeigte medizinische Eingriffe – dazu zählten chirurgische oder hormonelle Massnahmen – verzichtet werden sollte, da die Entscheidung über die Geschlechtszuweisung beim Kind selber liegen müsse. Anders als Michel vertrete die RK-SR hingegen die Meinung, dass von der strafrechtlichen Norm abgesehen werden sollte, weil dadurch die individuelle Betreuung eines jeden einzelnen Kindes verunmöglicht würde. Stattdessen sollten die betroffenen Kindern und deren Eltern eine kompetente und spezialisierte Beratung erhalten, die auf einer zeitnahen Erstellung medizinisch-ethischer Richtlinien durch die SAMW basiert. Matthias Michel erklärte sich im Falle einer Annahme der Kommissionsmotion bereit, seine eigene Motion zurückzuziehen. Bundesrätin Viola Amherd befürwortete das von der RK-SR ausgearbeitete Geschäft ebenfalls. In der Folge nahm der Ständerat die Motion stillschweigend an.

Verbesserung der Behandlung von Kindern, die mit einer Variation der geschlechtlichen Entwicklung (DSD) geboren wurden (Mo. 23.3967)

Als Zweitrat widmete sich der Ständerat in der Wintersession 2023 einer parlamentarischen Initiative zur Anpassung des Verzugszinssatzes des Bundes an die Marktzinsen. Die Mehrheit der RK-SR stellte einen Antrag auf Nichteintreten, da sie den aktuellen festen Zinssatz als allgemein bekannt und akzeptiert ansah. Der Kommissionssprecher, Carlo Sommaruga (sp, GE), argumentierte, dass die Einführung eines variablen Zinssatzes sowohl für Verwaltungen als auch für Unternehmen zusätzlichen Aufwand bedeuten würde. Zudem könne ein Zinssatz von 5 Prozent über dem Durchschnitt als Druckmittel auf Schuldner wirken, um ausstehende Zahlungen zu begleichen. Indem sie Nichteintreten beantrage, schliesse sich die Mehrheit der Rechtskommission der Sichtweise der meisten Kantone an, wie der Kommissionssprecher erläuterte. Ein Gegenantrag auf Eintreten wurde von der Minderheit Vara (gp, NE) vorgebracht. Céline Vara betonte die Notwendigkeit, die Verschuldung in der Schweiz anzugehen, da diese etwa 10 Prozent der Bevölkerung betreffe und schwerwiegende gesundheitliche Probleme sowie wirtschaftliche Schäden verursachen könne. Die Einführung eines variablen Zinssatzes sei eine Möglichkeit, eine fairere Schuldenrückzahlung zu erreichen und stelle ein einfaches Modell dar, da der gesetzliche Rahmen für eine automatische jährliche Aktualisierung des Zinssatzes sorge. Zudem argumentierte sie, dass ein hoher Verzugszinssatz keinen Anreiz schaffe, dass Schuldner ihre Rechnungen schneller begleichen würden; im Gegenteil verschärfe es die Situation derjenigen, die bereits Schwierigkeiten hätten, ihre Schulden zu begleichen. Ausserdem solle der Verzugszinssatz nicht als Strafe dienen, sondern lediglich die Kosten der Verzögerung widerspiegeln. Bundesrätin Elisabeth Baume-Schneider hielt dagegen, dass der Verzugszinssatz auch eine teilweise strafende Komponente enthalte, da säumige Schuldner nicht gleich behandelt werden dürften wie gewissenhafte Schuldner, die ihre Rechnungen pünktlich bezahlten und die Wiedergutmachung des Schadens durch die Zahlungsverzögerung bereits durch den Artikel 106 des OR abgedeckt sei. Ausserdem sei das vorgeschlagene System nicht so einfach, wie behauptet werde, da es eine gewisse zusätzliche Arbeitsbelastung mit sich bringe. Aus diesen Gründen und aufgrund der bewährten schweizerischen Rechtstradition lehnte der Bundesrat die Änderung ab und empfahl, entsprechend der Kommissionsmehrheit nicht auf das Geschäft einzutreten. Dieser Empfehlung folgte der Ständerat und sprach sich mit 20 zu 17 Stimmen (bei 6 Enthaltungen) gegen Eintreten aus, womit das Geschäft zurück an den Nationalrat ging.

Verzugszinssatz des Bundes. Anpassung an Marktzinsen (Pa.Iv. 16.470)

Nachdem der Nationalrat während der Herbstsession 2023 die Motion Roduit (mitte, VS) mit dem Titel «Endometriose. Schluss mit den medizinischen Irrungen und Wirrungen» angenommen hatte, befasste sich der Ständerat in der darauffolgenden Wintersession mit dem Geschäft. WBK-SR-Sprecherin Isabelle Chassot (mitte, FR) betonte die Relevanz, welche der Endometrioseforschung zukomme. Dennoch empfehle die Kommission, den Vorstoss abzulehnen. Die Freiburgerin begründete diese Haltung damit, dass zur Festlegung von Forschungsthemen transparente und koordinierte Regeln existierten, an denen die ständerätliche WBK festhalten wolle. Projekte zur Endometriose könnten etwa durch das NFP 83 «Gendermedizin und -gesundheit» unterstützt werden. Anders sah dies Céline Vara (gp, NE), welche die Annahme der Motion beantragte. Sie begründete ihren Antrag unter anderem damit, dass die spezifisch weibliche Krankheit Endometriose nicht in das Thema «Gender» passe und die Forschungsförderung für Endometriose verglichen mit anderen Krankheiten gering ausfalle. Weiter verwies sie auf die Petition «Endometriose – Geben Sie Betroffenen eine Stimme!» (Pet. 22.2012), welche mit über 18'000 Unterschriften eine breite Unterstützung erfahren hatte. Nichtsdestotrotz lehnte der Ständerat die Motion mit 23 zu 11 Stimmen (bei 9 Enthaltungen) ab.

Endometriose: Schluss mit den medizinischen Irrungen und Wirrungen (Mo. 22.3224)
Dossier: Behandlung der Petitionen der Frauensession 2021 in parlamentarischen Vorstössen

Die kleine Kammer behandelte in der Herbstsession 2023 eine Motion der APK-NR, welche eine Stärkung der Organisationsstrukturen zur politikkohärenten Umsetzung der Agenda 2030 forderte. Für die Mehrheit der APK-SR erläuterte Benedikt Würth (mitte, SG) die Gründe, die für eine Ablehnung der Motion sprachen. Die Umsetzung der Agenda 2030 sei ein wichtiges Anliegen, das auch die Kommission unterstütze. Es sei ebenfalls so, dass es noch viele Lücken bei der Erreichung der verschiedenen Nachhaltigkeitsziele gebe. Dies liege jedoch nicht an den Organisationsstrukturen. Diese sollten in den Augen der Kommissionsmehrheit schlank und effizient bleiben, erläuterte Würth. Ausserdem sei es nicht die Aufgabe des Parlaments sondern des Bundesrates, diese Strukturen aufzustellen. Würth schloss mit der Bemerkung, dass die Kommission im Übrigen mit Bedauern zur Kenntnis genommen habe, dass sich das SIF aus der Organisationsstruktur zurückziehe, zumal die Schweiz in Sachen nachhaltiger Finanzplatz eine Spitzenposition einnehmen wolle. Im Namen der APK-SR-Minderheit plädierte Céline Vara (gp, NE) für Annahme der Motion, damit für die Umsetzung der Agenda 2030 mehr Ressourcen eingesetzt werden. Die gegenwärtige Organisationsstruktur sei nicht geeignet, die Ziele der Agenda 2030 zu erreichen.
Der Ständerat sprach sich im Anschluss mit 27 zu 12 Stimmen gegen die Motion aus.

Renforcer les structures organisationnelles pour une mise en oeuvre cohérente de l'Agenda 2030 (Mo. 22.4280)
Dossier: UNO: Nachhaltige Entwicklung

Depuis le début de l'année 2023, divers objets (23.401, 23.402, 23.403, 23.3005) ont souhaité modifier la loi sur le matériel de guerre (LFMG). Dans le même ordre d'idée, la motion 23.3585, déposée par la CPS-CE, souhaite modifier l'art. 22 de la LFMG en y ajoutant un point b. Ce dernier prévoit une dérogation du droit d'exportation d'armes lors de circonstances exceptionnelles ou si les intérêts du pays en termes de politique extérieure et de sécurité sont en jeu. De plus, le projet demande d'informer la CPS-CE et la CPS-CN de toute dérogation. Aussi, en cas de dérogation par voie d'ordonnance, les conditions pour la prolonger y sont énumérées. Ce changement rappelle les discussions de l'été 2021 autour de l'initiative populaire 21.021. En effet, lors des discussions du contre-projet, la réforme qui permettait au Parlement d'exercer une compétence de dérogation aux critères d'autorisation de la LFMG avait été rejetée.
Le Conseil fédéral est favorable à la motion. La modification de l'article 22 permettrait aux Sept sages d'adapter la politique d'exportation d'armes en fonction du contexte de politique extérieur et de la politique de sécurité. De plus, cet ajout n'invaliderait en rien la Convention de la Haye – base servant à définir la neutralité suisse – et n’enfreindrait pas le droit international. «Seule cette compétence dérogatoire permettrait au Conseil fédéral de réagir de manière appropriée et rapide aux nouvelles circonstances de la politique de sécurité, naturellement, toujours dans les limites fixées par le droit international et les obligations qui en découlent pour la Suisse», a résumé Guy Parmelin durant les débats au Conseil des Etats.
La minorité Jositsch (ps, ZH), Vara (vert-e-s, NE), Zopfi (vert-e-s, GL) a prôné le rejet de la motion, arguant que cette dernière est un retour en arrière. «Hätten wir dann noch eine halbwegs neutrale Position in diesem Konflikt ?», a ainsi demandé Daniel Jositsch durant les débats, après avoir suggéré que des armes suisses pourraient se retrouver dans une guerre similaire à celle qui ravage l'Ukraine au moment des débats si la motion était acceptée.
Avant le vote, il a encore été rappelé que la motion n'a pas d'effet rétroactif. En ce sens, elle ne s'applique pas à la réexportation vers l'Ukraine qui est actuellement une zone de guerre.
La motion a été acceptée par 27 voix contre 11. Le PS et les Vert-e-s ont constitué la majorité des oppositions.

Modification de la loi sur le matériel de guerre (Mo. 23.3585)
Dossier: Vorstösse zur Änderung des Kriegsmaterialgesetzes (Wiederausfuhr von Kriegsmaterial)

Die Idee der parlamentarischen Initiative von Gregor Rutz (svp, ZH), die Einreichung von parlamentarischen Initiativen und Vorstössen während Sondersessionen zu verbieten, sei in der SPK-SR auf viel Sympathie gestossen, eröffnete Andrea Caroni (fdp, AR) sein Votum für ebendiese Kommission in der Herbstsession 2023. Auch wenn der Nationalrat der Initiative mit 115 zu 78 Stimmen Folge gegeben habe, empfehle die ständerätliche Kommission mit 9 zu 2 Stimmen eine Ablehnung, was primär formale Gründe habe. Es sei zwar in der Tat stossend, dass in Sondersessionen, die ja eigentlich zum Abbau der Geschäftslast eingeführt worden seien, «bisweilen mehr neue Geschäfte hängig gemacht» als abgebaut würden. Allgemein betreffe die parlamentarische Initiative aber vor allem ein Problem des Nationalrats, was sich auch daran zeige, dass die letzte Sondersession des Ständerats 2009 stattgefunden habe. Statt eine Gesetzesänderung anzustreben, solle der Nationalrat deshalb eine untergeordnete Bestimmung in sein Geschäftsreglement einführen. Die Kommission habe mit dem Initianten gesprochen, der sich mit dieser Idee einverstanden erklärt habe. Weil aufgrund dieser Argumentation auch der Antrag von Esther Friedli (svp, SG), der Initiative Folge zu geben, zurückgezogen wurde, folgte der Ständerat dem Antrag seiner Kommission stillschweigend und gab der Initiative Rutz keine Folge. Es ist also davon auszugehen, dass im Nationalrat eine Geschäftsreglementsänderung angestossen werden wird.

Sondersessionen auf Kernzweck zurückführen – Abbau der Geschäftslast (Pa.Iv. 22.433)
Dossier: Massnahmen gegen zu viele parlamentarische Vorstösse

En mai 2023, en raison de plusieurs débats parlementaires – deux rapports du Conseil fédéral et une motion – le service civil et la protection civile ont attiré l'attention des médias. D'après le Blick, la nécessité d'agir serait grande. En effet, les rapports du Conseil fédéral avancent que non seulement la protection civile, mais aussi l'armée pourrait manquer d'effectif prochainement. Si les solutions pour remédier à ce problème sont diverses, les opinions à leurs sujets divergent grandement sous la coupole, tout comme dans les médias.
Dans les pages de la NZZ, Christoph Hürlimann, entrepreneur et premier-lieutenant, a remis le service civil en question en évoquant une expérience personnelle qui s'est déroulée dans une maison de retraite durant la pandémie. Il a ainsi demandé «wie kann ich dies meinen Soldaten erklären, die anstrengende Übungen durchführen, wochenlang mit vielen anderen in einer Zwangsgemeinschaft leben und bei Verstössen gegen Befehle mit Arrest oder Busse bestraft werden? », après avoir raconté sa rencontre avec un civiliste qui pouvait préparer sa rentrée universitaire entre les contrôles de certificats covid. En opposition à cette déclaration se tiennent les propos recueillis par l'Aargauer Zeitung. D'après Maximiliano Wepfer de Kibesuisse, les civilistes sont essentiels pour faire face au manque de personnel dans le domaine de la santé et du social. De plus, en mars déjà, contrairement à ce que certains fervents défenseurs de l'armée suisse affirmaient, Céline Vara (vert-e-s, NE) défendait que «c'est une erreur de croire qu'en tapant sur le service civil, l'armée en ressortira grandie». Comme la motion de la CPS-CN qui visait la fusion immédiate de la protection civile et du service civil a été refusée et que le Conseil fédéral n'a pas encore terminé la loi permettant d'obliger les civilistes à effectuer une partie de leur service civil dans la protection civile, l'avenir du service civil, de la protection civile et de l'armée reste encore à définir.

Protection civile ou service civil, à qui la priorité?

Anfang März 2023 reichte Judith Bellaiche (glp, ZH) ein Postulat ein, mit dem sie den Bundesrat beauftragen wollte, in einem Bericht das Zukunftsbild einer Schweiz mit 10 Millionen Einwohnerinnen und Einwohnern zu schildern. Der Bericht sollte Chancen und Herausforderungen sowie Massnahmen und Lösungen zur Überwindung der Herausforderungen darstellen. Mit ihrem Vorstoss wollte Bellaiche die Ängste und Befürchtungen in der Bevölkerung bezüglich einer Schweiz mit 10 Millionen Personen, die bewusst verbreitet würden, bekämpfen.
In seiner Stellungnahme beantragte der Bundesrat, das Postulat anzunehmen, und erklärte, er werde das Anliegen im Rahmen der Botschaft zur Legislaturplanung 2023-2027 aufgreifen.
Im Rahmen der Sommersession 2023 beschäftigte sich der Nationalrat mit dem Vorstoss. Dies war nötig geworden, weil Gregor Rutz (svp, ZH) mit einem Minderheitenantrag die Ablehnung des Postulats beantragte, da er eine Beschönigung des Bevölkerungszuwachses und der Zuwanderung befürchtete. Statt «schöne[r] Worte» brauche es Lösungen, da die Zuwanderung zunehme und das Problem mit der Umsetzung der Masseinwanderungsinitiative nicht gelöst worden sei. Mit 122 zu 62 Stimmen (1 Enthaltung) nahm der Nationalrat das Postulat an – der Bundesrat wird nun den entsprechenden Bericht ausarbeiten.

Positiv geprägte Vision einer 10-Millionen-Schweiz (Po. 23.3042)

In der Frühjahrssession 2023 beugten sich die Räte über die Differenzen der Vorlage, die aus zwei parlamentarischen Initiativen der SPK-NR, mit denen die Handlungsfähigkeit des Parlaments in Krisensituationen (Pa.Iv. 20.437) sowie die Kontrolle des bundesrätlichen Notrechts in Krisen (Pa.Iv. 20.438) verbessert werden soll, hervorgegangen war.
Die einzige, aber umstrittene verbliebene Differenz bestand in der Frage, ob eine neue Verwaltungskommission geschaffen werden soll, mit der die aktuelle Verwaltungsdelegation (VD) ersetzt werden soll. Im Unterschied zu Letzterer, die aus sechs Mitgliedern besteht (je drei aus dem Büro-SR und dem Büro-NR), bestünde das neue Gremium aus 10 Mitgliedern (je vier gewählte Stände- bzw. Nationalrätinnen oder -räte und die beiden Ratspräsidien), wäre neu eine ständige Kommission und entsprechend unabhängiger von den wechselnden Ratspräsidien und den Büros. Die Skepsis gegen eine solche «parlamentarische Führungsreform» sei gross, erörterte Andrea Caroni (fdp, AR) im Ständerat für die SPK-SR. Eine von den anderen Leitungsorganen derart abgekoppelte Kommission würde in einer Krise Abläufe wohl eher verzögern. Die SPK-SR verschliesse sich nicht einer Diskussion über Änderungen der Organe, aber eine solche solle nicht in dieser Vorlage umgesetzt werden, welche ja primär auf die Krisenresistenz des Parlaments fokussiere. Die Kommission empfehle entsprechend Festhalten am ursprünglichen ständerätlichen Entscheid, also ein gänzlicher Verzicht auf eine Verwaltungskommission. Dafür biete man gerne Hand für eine neue Vorlage, mit der aber nicht unbedingt ein neues Gremium eingeführt, sondern die VD gestärkt werden könne, um die Aufsicht über die Parlamentsdienste zu verbessern. Auch Thomas Hefti (fdp, GL) meldete sich zu Wort. Er habe fünf Jahre im Büro und drei Jahre in der VD gesessen und frage sich, was der Nationalrat bzw. die SPK-NR an der VD zu bemängeln hätten. Die aus den Ratsprotokollen herleitbaren Vorwürfe – Mangel an Kontinuität, an Legitimität, an Sozialkompetenz und an Unabhängigkeit – seien einfach zu entkräften und er hoffe, dass der Nationalrat die Vorlage in einen unbestrittenen Teil und den Teil mit der Frage nach der Verwaltungskommission splitte, um die Vorlage nicht zu gefährden. Diskussionslos folgte die kleine Kammer in der Folge ihrer SPK-SR und entschied sich für Festhalten.

In der zweiten Sessionswoche wurde die Differenz im Nationalrat diskutiert. Für die SPK-NR sprachen Gregor Rutz (svp, ZH) und Damien Cottier (fdp, NE). Sie berichteten, dass die Kommission in der Tat zwei Teile der Vorlage sehe, einen unbestrittenen Teil, dank dem sich das Parlament in Krisenzeiten neu rascher versammeln und Beschlüsse fassen kann, sowie den Teil mit der Leitung von Parlament und Parlamentsdiensten. Es sei eben für die Handlungsfähigkeit des Parlaments wichtig, dass dessen Leitung unabhängig sei und über genügend Ressourcen verfüge, um Sitzungen auch in Krisenzeiten vorbereiten zu können. Dieser Teil lasse sich darum eben eigentlich nicht abtrennen, wie vom Ständerat mit seinem Festhalteentscheid vorgeschlagen. Trotzdem empfehle die SPK-NR, dem Ständerat zu folgen und die Idee einer Verwaltungskommission ganz aus der Vorlage zu streichen. Es werde aber eine Kommissionsinitiative lanciert, mit der die Diskussion um eine Reform über die Parlamentsleitung neu angestossen werden soll. Auch die grosse Kammer folgte ihrer Kommission diskussionslos.

Die Vorlage musste in der Folge noch einmal in den Ständerat, weil dieser vor der Differenzbereinigung als Entgegenkommen eine interne Revisionsstelle in der VD vorgeschlagen hatte. Diese war nun hinfällig und musste auch von der kleinen Kammer noch gestrichen werden, was wiederum diskussionslos geschah.

In den Schlussabstimmungen passierten Bundesgesetz und Verordnung beide Kammern einstimmig (NR: 197 zu 0 Stimmen, keine Enthaltung; SR: 42 zu 0 Stimmen, keine Enthaltung). Neu können also in Krisenzeiten ausserordentliche Sessionen rascher einberufen, virtuelle Teilnahmen an Ratssitzungen ermöglicht sowie Rats- oder Kommissionssitzungen gänzlich virtuell durchgeführt werden. Darüber hinaus muss der Bundesrat zu einer gleichlautenden, von den Kommissionen beider Räte und spätestens eine Woche vor einer Session eingereichten Motion noch in der gleichen Session bis zur Beratung der entsprechenden Motion Stellung nehmen.

Kontrolle von Notrecht und Handlungsfähigkeit des Parlaments in Krisensituationen verbessern (Pa.Iv. 20.437, Pa.Iv 20.438))
Dossier: Parlament in Krisensituationen

In der Frühjahrssession 2023 beugten sich die Räte über die Differenzbereinigung zum Bundesgesetz über den Einsatz elektronischer Mittel zur Erfüllung von Behördenaufgaben (EMBAG). Das Gesetz schafft die Grundlagen für eine Digitalisierung der Bundesverwaltung, indem es vor allem Standards und Interoperabilität festlegt und dem Bund die Möglichkeit für Vereinbarungen mit Partnerinnen und Partnern schafft, die ähnliche Standards und Plattformen nutzen.

Der Ständerat hatte in der Wintersession 2022 mehrere Differenzen geschaffen und auch im Nationalrat lagen zahlreiche Minderheitsanträge vor. Einig waren sich die Fraktionssprechenden darüber, dass Digitalisierung vor allem in der Bundesverwaltung dringend nötig sei, weil die Schweiz diesbezüglich «nicht einmal im Mittelfeld» liege, wie etwa Corina Gredig (glp, ZH) für die GLP-Fraktion ausführte. Allerdings brauche es einheitliche Standards, weshalb sie in einem Minderheitsantrag forderte, die Kantone und die dezentralen Verwaltungseinheiten zu solchen einheitlichen Standards zu verpflichten – dies hatte der Ständerat in seiner zweiten Lesung noch abgelehnt. Dieser Punkt war jedoch im Nationalrat sehr umstritten, Marco Romano (mitte, TI) und Damien Cottier (fdp, NE) setzten sich im Namen ihrer Fraktionen für eine föderalistische Lösung ein, während Gerhard Andrey (gp, FR) und Angelo Barrile (sp, ZH) für ihre Fraktionen für eine ganzheitliche Lösung, die nicht nur auf Bundes-, sondern auch auf Kantons- und Gemeindeebene gelte, plädierten. Finanzministerin Karin Keller-Sutter erklärte, der Bundesrat begrüsse den Kompromissvorschlag der SPK-NR, die dezentralen Verwaltungseinheiten generell dem Gesetz zu unterstellen, der Regierung aber die Möglichkeit für Ausnahmen zu geben. Bei den Kantonen bevorzuge der Bundesrat den kooperativen Ansatz, weil eine von den Kantonen nicht mitgetragene Harmonisierung kaum zielführend sein dürfte. Auch die Kommissionssprechenden Greta Gysin (gp, TI) und Andri Silberschmidt (fdp, ZH) erklärten, die SPK-NR würde gerne daran festhalten, alle Kantone zu verpflichten, sehe aber aufgrund der deutlichen Haltung des Ständerats in dieser Frage wenig Spielraum. Es sei deshalb in den Augen der Mehrheit der Kommission vernünftiger, die Kantone auszunehmen. Der Antrag der Minderheit Gredig wurde zwar – wie die Fraktionsvoten erwarten liessen – von den geschlossenen stimmenden Fraktionen der SP, GP und GLP gutgeheissen, diese 80 Stimmen unterlagen allerdings den 108 Stimmen der drei geschlossen stimmenden bürgerlichen Fraktionen.
Gregor Rutz (svp, ZH) erachtete das Gesetz im Namen der SVP-Fraktion als «Notlösung», mit dem wenigstens die «schlimmsten Defizite» behoben würden. Eigentlich bedürfe es aber einer Verfassungsänderung, das Gesetz sei wohl nur knapp verfassungskonform. Auch aus diesem Grund sei stets die Zustimmung der Kantone zu verlangen, wenn der Bund mit Gemeinden Projekte plane – stellte er folglich als Minderheitsantrag. Mit dieser Anhörungspflicht der Kantone zeigte sich die Mehrheit der SPK-NR jedoch nicht einverstanden: Die bundesrätliche Kompetenz, Vereinbarungen abzuschliessen, solle nicht eingeschränkt werden und der Minderheitenantrag Rutz sei entsprechend abzulehnen. Auch hier folgte der Rat mit 107 zu 80 Stimmen seiner Kommissionsmehrheit. Für die Kommissionsempfehlung votierten diesmal die geschlossen stimmenden Fraktionen der SP, der GLP und der GP, unterstützt von einer Mehrheit der FDP und den drei EVP-Mitgliedern der Mitte-EVP-Fraktion.
Mehrere weitere Entscheidungen traf der Rat jeweils ohne Minderheitsantrag. So erachtete die SPK-NR beispielsweise die explizite Erwähnung von Bedürfnissen spezifischer Bevölkerungsgruppen als nicht nötig. Bei der Frage zu «Open Source» hatte die Kommission einen Kompromiss ausgearbeitet: Quellcodes sollen generell transparent gemacht werden müssen, ausser wenn Drittrechte verletzt würden oder die Sicherheit in Gefahr sei. Schliesslich schlug die SPK-NR vor, die Verwaltung der Metadaten einzig beim Bundesamt für Statistik zu belassen. Oppositionslos nahm der Nationalrat diese nicht bestrittenen Empfehlungen seiner Kommission allesamt an.

Damit ging die Vorlage mit noch fünf Differenzen an den Ständerat, der diese ebenfalls in der Frühjahrssession 2023 behandelte. Die SPK-SR schlage vor, bei vier Differenzen auf den Nationalrat einzuschwenken, berichtete Benedikt Würth (mitte, SG) für die Kommission. Dem nationalrätlichen Kompromiss zu den dezentralen Einheiten empfehle die SPK-SR einstimmig zu folgen; auch das Argument des Nationalrats, dass im Gesetz die gesamte Bevölkerung berücksichtigt sei und es keine explizite Erwähnung von Minderheitengruppen brauche, habe die gesamte Kommission überzeugt; die vom Nationalrat formulierte Ausnahmeregel bei der Offenlegung des Quellcodes sei in der SPK-SR ebenfalls auf einstimmige Unterstützung gestossen; bezüglich der Zuständigkeit für die Sammlung der Metadaten hätte sich die Kommission zwar mehr Flexibilität gewünscht, auch hier könne man aber mit der Lösung des Nationalrats gut leben. Allerdings empfehle die Kommission, am ursprünglichen Entscheid des Ständerats festzuhalten, dass der Bund bei Vereinbarungen, die er mit Gemeinden abschliesst, die entsprechenden Kantone anhören müsse. Es wäre stossend, so Würth, wenn ein Kanton mit seinen Gemeinden digitale Projekte vorantreibe und der Bund mit einzelnen Gemeinden andere Projekte plane, ohne dass der Kanton dazu etwas sagen könne. Da es keinen Minderheitsantrag gab, stimmte die kleine Kammer allen Kommissionsempfehlungen stillschweigend zu.

Damit lag der Ball noch einmal beim Nationalrat. Die Kommission habe nur sehr kurz getagt, gab Kommissionssprecher Andri Silberschmidt (fdp, ZH) zu Protokoll. Sie sei einstimmig der Meinung, dass man dem Ständerat im letzten Streitpunkt folgen könne: Die Kommission sei stets der Meinung gewesen, dass der Bund die Kantone anhören würde, wenn er mit einzelnen Gemeinden Projekte plane – dies hatte auch Bundesrätin Keller-Sutter betont. Es spreche nichts dagegen, dies explizit ins Gesetz aufzunehmen. Die grosse Kammer bereinigte diese letzten Differenz schliesslich stillschweigend.

In den Schlussabstimmungen passierte das Gesetz den Nationalrat mit 183 zu 8 Stimmen (6 Enthaltungen). Die Opposition und die Enthaltungen stammten von Mitgliedern der SVP-Fraktion. Der Ständerat stimmte dem Gesetz mit 42 zu 0 Stimmen einstimmig zu.

Bundesgesetz über den Einsatz elektronischer Mittel zur Erfüllung von Behördenaufgaben (BRG 22.022)
Dossier: Bundesgesetz über den Einsatz elektronischer Mittel zur Erfüllung von Behördenaufgaben (EMBAG)

Die Forderung nach einer Vorschrift, wonach in der Werbung für Motorfahrzeuge jeweils auch auf eine alternative Mobilitätsform aufmerksam gemacht werden muss, wurde im Nationalrat im März 2023 klar versenkt. Mit 124 zu 60 Stimmen bei 6 Enthaltungen folgte die grosse Kammer damit dem Antrag seiner KVF-NR und lehnte die parlamentarische Initiative von Isabelle Pasquier-Eichenberger (gp, GE) ab. Geschlossen für die Initiative stimmten die Fraktionen der Grünen und der SP (bei 6 Enthaltungen), alle anderen Fraktionen sprachen sich geschlossen dagegen aus.
Während Pasquier-Eichenberger und Florence Brenzikofer (gp, BL) die Bevölkerung mit der Massnahme für die Themen Klimaschutz, Luftverschmutzung, Lärmbelastung und gesunder Lebensstil sensibilisieren wollten, erachtete etwa Kommissionssprecher Matthias Bregy (mitte, VS) die Massnahme als «reine Symbolpolitik». Gregor Rutz (svp, ZH) befand es zudem als stossend, dem Parlament eine «erzieherische Aufgabe» für die Bevölkerung zuzuweisen. Der zweite Kommissionssprecher Olivier Feller (fdp, VD) fügte an, dass die Initiative die Werbefreiheit und damit den ökonomischen Freiheitsgedanken einschränke. Mit dem ablehnenden Entscheid des Nationalrats war die Initiative erledigt.

In der Werbung für Motorfahrzeuge auf Alternativen aufmerksam machen (Pa.Iv. 22.436)

Vor einer Debatte müsse ein Vorstoss über ein «Preisschild» verfügen, mit dem die Verwaltungskosten für die Bearbeitung dieses Vorstosses oder für die Erarbeitung einer Studie dazu abgeschätzt werden könnten, forderte Diana Gutjahr (svp, TG) mit einer parlamentarischen Initiative. In KMU sei es selbstverständlich, dass für eine Offerte Kosten abgeschätzt würden. Solche minimalen Standards müssten auch in der Verwaltung funktionieren und die Folgekosten von parlamentarischen Vorstössen ausgewiesen werden. Die Initiantin warb deshalb in der Frühjahrssession 2023 im Nationalrat für ihr Anliegen, weil es die SPK-NR rund zwei Monate zuvor mit 14 zu 10 Stimmen (1 Enthaltung) zur Ablehnung empfohlen hatte. Für die starke Kommissionsminderheit ergriff in der Folge Gregor Rutz (svp, ZH) das Wort. Zu fragen, was ein Projekt koste, sei «das Normalste der Welt». Plane man ein Projekt am eigenen Haus, frage man sich zuerst, ob man genügend Geld dafür habe. Nur weil es sich beim Staat um Steuergeld handle, dürfe das für Vorstösse nicht anders sein. Die möglichen Kosten eines Vorstosses seien sogar zentrale Basis dafür, ob er angenommen werden solle oder nicht. Die Mehrheitsposition der Kommission wurde von Greta Gysin (gp, TI) und Marianne Binder-Keller (mitte, AG) vertreten. Als Grund für die Nein-Empfehlung wurde der unverhältnismässige administrative Aufwand und die potenzielle Einschränkung der Rechte der Parlamentsmitglieder genannt. Es sei nicht nur schwierig und zeitaufwändig, sondern eben letztlich auch teuer, die Folgekosten einzuschätzen. Ziel der parlamentarischen Initiative sei es zudem wohl letztlich, die Zahl der Vorstösse zu verringern. Die Kommissionsmehrheit wolle aber keine Einschränkungen – Vorstösse seien das wichtigste Instrument der Legislative –, sondern appelliere an die Eigenverantwortung der Parlamentarierinnen und Parlamentarier, weniger Ideen einzubringen und so mit den Steuergeldern, die für die Beantwortung von Vorstössen gebraucht werden, verantwortungsbewusster umzugehen – so die Kommissionssprecherinnen.
Die knappen Verhältnisse in der Kommission widerspiegelten sich in der Folge auch in der Abstimmung im Nationalrat: Mit 99 zu 91 wurde der Initiative keine Folge gegeben. Zünglein an der Waage war dabei die Mitte-EVP-Fraktion, bei der 11 Mitglieder für Folgegeben und 17 Mitglieder gegen Folgegeben stimmten. Die restlichen Fraktionen stimmten geschlossen dafür (SVP-, FDP-Fraktion) bzw. dagegen (SP-, GP-, GLP-Fraktion), der Initiative Folge zu geben.

Folgekosten von parlamentarischen Vorstössen ausweisen (Pa.Iv. 22.434)
Dossier: Massnahmen gegen zu viele parlamentarische Vorstösse

Während zwischen 1974 und 1997 im Schnitt rund 680 parlamentarische Vorstösse pro Jahr eingereicht worden seien, seien es im Jahr 2020 total 1'936 und im Jahr 2021 deren 1'897 gewesen – die rund 1'200 Fragen pro Jahr nicht eingerechnet, erklärte Fabio Regazzi (mitte, TI) in der Begründung einer im Juni 2022 eingereichten parlamentarischen Initiative. Diese Zahl sei auch deshalb «beängstigend», weil Vorstösse Kosten verursachten, etwa für die Bearbeitung durch die Verwaltung, aber auch, wenn etwa Expertinnen und Experten zur Beantwortung eines Postulats einen Bericht verfassten. Aufgrund einer Interpellation Spuhler (svp, TG; Ip. 07.3176) seien diese Kosten pro Vorstoss einst auf CHF 6'120 veranschlagt worden; in der Zwischenzeit dürften sie gestiegen sein. Der Bundesrat stelle sich zwar bei entsprechenden Vorstössen auf den Standpunkt, dass es unverhältnismässig sei, die Kosten von parlamentarischen Vorstössen auszuweisen, jedes KMU müsse aber Zeit und Aufwand im Vorfeld eines Projektes für die Offertstellung schätzen. Dies könne man daher auch von der Verwaltung im Vorfeld von Vorstössen verlangen, argumentierte Regazzi, was er mit seiner parlamentarischen Initiative denn auch tat.
In der Ratsdebatte während der Frühjahrssession 2023, die nötig geworden war, weil die SPK-NR der parlamentarischen Initiative mit 13 zu 11 Stimmen (1 Enthaltung) keine Folge gegeben hatte, fügte Regazzi das Beispiel seines Heimatkantons an, der eine solche Kosteneinschätzung für Vorstösse vornehme; wenn dies für den Kanton Tessin möglich sei, müsse dies auch für die Bundesverwaltung gelingen. Zudem könne mit dem Wissen über die Kosten, die letztlich die Steuerzahlenden berappen müssten, im Parlament einfacher entschieden werden, ob sich die Investition lohne, ein Vorstoss also angenommen werden solle oder nicht. Letztlich gehe es ihm mit seinem Vorschlag auch um eine Sensibilisierung: Parlamentsmitglieder müssten sich bewusster werden, dass Vorstösse Kosten verursachen. Dies solle auch dazu führen, dass weniger Vorstösse eingereicht würden, so der Initiant.
Die Mehrheit der SPK-NR habe das Setzen eines «Preisschildes» unter jeden Vorstoss aus verschiedenen Gründen als nicht zielführend erachtet, argumentierten Greta Gysin (gp, TI) und Corina Gredig (glp, ZH): In den zwei Kantonen, in denen diese Massnahme eingeführt worden sei (TI, AG), habe sich der erhoffte Rückgang der Zahl der Vorstösse nicht gezeigt; fundierte Antworten aus der Verwaltung hätten ihren Preis und es helfe letztlich niemandem, wenn Kostendruck entstehe und sich die Qualität der Arbeit der Verwaltung dadurch verringere. Die «Balance zwischen Parlament und Verwaltung» würde zudem zugunsten der Verwaltung aus dem Gleichgewicht geraten, wenn das Preisschild nicht nur an einen Vorstoss, sondern indirekt auch an ein Parlamentsmitglied geheftet werden könne. Letztlich liessen sich Demokratie und die Ausübung der Parlamentsrechte nicht mit finanziellen Kriterien messen, weshalb die SPK-NR empfehle, der Initiative keine Folge zu geben.
Gregor Rutz (svp, ZH) ergriff das Wort für die starke Kommissionsminderheit. Er habe bei der Diskussion um die parlamentarische Initiative bemerkt, dass die Bundesangestellten nicht aufschrieben, für welche Projekte sie wie viel Zeit benötigten. Dies müsse sich dringend ändern. Zudem sei das von der Mehrheit der SPK-NR vorgebrachte Argument, die parlamentarischen Rechte würden eingeschränkt, wenn die Kosten für Vorstösse ausgewiesen würden, «absurd». Auch Diana Gutjahr (svp, TG), die kurz vor der Behandlung der Initiative Regazzi mit einem ähnlichen Vorstoss gescheitert war, wollte in der Folge wissen, was die Kommission davon halte, dass in der Verwaltung keine Stundenerfassung bestehe. Kommissionssprecherin Gredig erklärte, dass es im Gegensatz zur Privatwirtschaft, wo mehrere Offerten eingeholt werden könnten, in Bundesbern nur eine Verwaltung gebe, die genau jene Arbeit verrichte, die für einen Vorstoss nötig sei.
Mit 98 zu 91 Stimmen folgte der Nationalrat schliesslich seiner Kommission. Eine knappe Mehrheit der Mitte-EVP-Fraktion, ein Mitglied der FDP-Fraktion und die geschlossen stimmenden Fraktionen von SP, GLP und GP lehnten den Vorstoss ab.

Kosten von parlamentarischen Vorstössen ausweisen (Pa.Iv. 22.435)
Dossier: Massnahmen gegen zu viele parlamentarische Vorstösse

La motion de la sénatrice neuchâteloise Céline Vara (verts, NE) pour un contrôle de l'effet des subventions sur le climat et la biodiversité a été transmise à la Commission de l'environnement, de l'aménagement du territoire et de l'énergie du Conseil des Etats (CEATE-CE) pour un examen préalable. Maya Graf (verts, BL), qui a déposé cette demande, estime, en effet, que le travail en commission permettra d'interroger l'Administration fédérale sur les différents projets du Conseil fédéral à cet égard. Comme expliqué dans la prise de position de ce dernier, l'exécutif a prévu diverses analyses dont les premiers résultats devraient être publiés en 2024. A noter que l'analyse de l'effet des subventions sur la biodiversité et le climat est l'un des objectifs inscrits dans la Stratégie pour le développement durable 2030 et demeure l'un des aspects central du Cadre mondial de de la biodiversité de Kunming approuvé par les autorités.

Pour un contrôle de l'effet des subventions sur le climat et la biodiversité (Mo. 22.4596)

«Wir haben ein Problem», begann Gregor Rutz (svp, ZH) sein Votum für seine parlamentarische Initiative, mit der er das Parlamentsgesetz um ein Verbot der Einreichung von parlamentarischen Initiativen und Vorstössen während Sondersessionen erweitern wollte. Das Parlament habe mit einer «Vorstossflut» zu kämpfen; seit den 1990er Jahren habe sich die Zahl der Vorstösse nahezu verdreifacht. Dies sei nicht nur ein Zeit-, sondern auch ein Kostenproblem. In der Begründung seiner Forderung hatte Rutz vorgerechnet, dass bei durchschnittlichen Kosten eines Vorstosses von CHF 6'120 – ein mittlerer Wert, der 2007 von den Parlamentsdiensten als Antwort auf eine Interpellation Spuhler (svp, TG: Ip. 07.3176) errechnet worden war – die Vorstösse im Jahr 2021 gegen CHF 12 Mio. gekostet hätten, Folgekosten nicht eingerechnet. 1991 sei die Möglichkeit der Sondersession eingeführt worden, damit Pendenzen abgebaut werden könnten, so Rutz weiter. Allerdings seien in allen Sondersessionen seit 2016 total 214 Geschäfte erledigt und 953 neue Vorstösse eingereicht worden, was «nicht im Ernst ein Abbau der Pendenzenlast» bedeute. Aus diesem Grund schlage er mit seiner parlamentarischen Initiative vor, dass in Sondersessionen keine neuen Anliegen eingereicht werden dürfen.
Das etwas zu lange Votum, das von Nationalratspräsident Candinas (mitte, GR) mit dem Heiterkeit auslösenden Hinweis unterbrochen wurde, dass es auch helfe, die Geschäftslast abzubauen, wenn die Redezeiten eingehalten werden, wurde von Gregor Rutz deshalb gehalten, weil die SPK-NR der parlamentarischen Initiative knapp mit 13 zu 12 Stimmen keine Folge hatte geben wollen. Der Minderheitensprecher Damien Cottier (fdp, NE) machte noch auf ein weiteres Problem der Behandlung von Vorstössen an Sondersessionen aufmerksam: Damit möglichst viele Geschäfte erledigt werden könnten, würden die Sitzungen an den drei Tagen einer Sondersession immer länger dauern. Wenn sich nichts ändere, sei es wohl bald nötig, bis um Mitternacht zu tagen oder die Sondersession um ein oder zwei Tage zu verlängern. Der Vorschlag von Gregor Rutz sei vernünftig und könne dazu beitragen, wenigstens einen Teil des Problems anzugehen.
Für die Kommissionsmehrheit sprachen Ada Marra (sp, VD) und Marianne Binder-Keller (mitte, AG). Das Parlament dürfe sich nicht selber beschränken, argumentierten sie. Wahrscheinlich würde das Verbot dazu führen, dass Vorstösse einfach in der nächsten Session eingereicht würden, was wiederum die Parlamentsmitglieder einschränke, weil sie nicht mehr zeitnah auf aktuelle Ereignisse reagieren könnten. Die wegen Covid-19 unterbrochene Frühjahrssession 2020 bzw. die nachfolgende Session, bei der die Zahl eingereichter Vorstösse explodiert sei, weise darauf hin, dass mit zeitlich verschobenen Einreichungen gerechnet werden müsse. Statt Regeln einzuführen müsse vielmehr an die Eigenverantwortung appelliert werden. In der Kommission seien aber auch andere Möglichkeiten diskutiert worden, da die zunehmende Pendenzenlast in der Tat ein Problem darstelle, berichtete Ada Marra: So könnten etwa die bevorzugte Behandlung von Vorstössen, die zahlreiche Mitunterzeichnende aufweisen, oder die Möglichkeit für Koautorenschaften von parlamentarischen Initiativen solche Lösungen darstellen. Marianne Binder-Keller zitierte eine Studie aus dem Jahr 2018/2019, die zeige, dass das Schweizer Parlament hinsichtlich institutioneller Möglichkeiten zwar im «internationalen Mittelfeld» liege, bezüglich Ressourcenausstattung aber an drittletzter Stelle. Die Forderung, parlamentarische Rechte zu beschneiden, um Kosten zu sparen, sei in Anbetracht dieser schlechten Ressourcenausstattung nicht haltbar.
Bei der Abstimmung fand die knappe Kommissionsminderheit dann eine doch recht deutliche Ratsmehrheit: Mit 115 zu 78 Stimmen (3 Enthaltungen) gab die grosse Kammer der Initiative Folge. Die geschlossen stimmenden Fraktionen der GLP, der SVP und der FDP sowie eine knappe Mehrheit der Mitte-EVP-Fraktion sprachen sich für eine Weiterverfolgung des Verbots von Vorstössen an Sondersessionen zur Eindämmung der «Vorstossflut» aus.

Sondersessionen auf Kernzweck zurückführen – Abbau der Geschäftslast (Pa.Iv. 22.433)
Dossier: Massnahmen gegen zu viele parlamentarische Vorstösse

Après le Conseil national, le débat autour de l'attractivité du service civil s'est dirigé vers le Conseil des États. La motion a été largement acceptée par 31 voix contre 9, mais non sans combat de la minorité.
À la tribune, Céline Vara (verts, NE) a évoqué une attaque contre le service civil et critiqué l'inutilité d'une telle mesure. En effet, en plus de l'incertitude sur le fait que la nouvelle disposition légale renforce vraiment l'effectif de l'armée, la conseillère aux États neuchâteloise a laissé entendre que « l'effectif de l'armée se porte à merveille » et n'a pas besoin d'être consolidé. Elle a aussi évoqué que certaines modalités de la motion iraient à l'encontre des droits humains et pourraient mener la Suisse devant la cour de justice européenne. Cependant, son intervention ainsi que celle de Lisa Mazzone (verts, GE), qui a défendu avec ferveur le service civil et sa place dans la société, n'ont pas convaincu la majorité des parlementaires. Ces derniers demeurent persuadés que la mesure est nécessaire pour répondre à la menace d'un manque d'effectif de l'armée.
Au final, cette décision a mis en exergue une grande disparité entre la majorité et la minorité du Conseil des États concernant l'approche à aborder vis-à-vis du service civil et du service militaire. Cependant, la minorité reste relativement faible, provoquant dans les faits un obstacle facile à surmonter pour la majorité du Conseil des États.

Augmenter l'effectif de l'armée en prenant des mesures pour le service civil (Mo. 22.3055)
Dossier: Bundesgesetz über den zivilen Ersatzdienst
Dossier: Alimentierung der Armee

In der Wintersession 2022 beugte sich der Ständerat als Zweitrat über die Revision des sechsten Kapitels des IPRG betreffend das internationale Erbrecht. Im Gegensatz zur Schwesterkammer war Eintreten hier unbestritten. Allerdings sorgten vier von der vorberatenden RK-SR eingebrachte Änderungsvorschläge für deutlich mehr Diskussionsbedarf als im Erstrat. Erstens ging es darum, ob im Gesetz – wie vom Bundesrat vorgesehen – ausdrücklich festgehalten werden soll, dass die Schweizer Behörden ihre Zuständigkeit von der Untätigkeit der Behörden anderer für die Zuständigkeit in Frage kommender Staaten abhängig machen können sollen. Hintergrund der Diskussion war der heute angewandte Grundsatz, dass bei verstorbenen Schweizer Bürgerinnen und Bürgern mit letztem Wohnsitz im Ausland die schweizerischen Behörden für die Nachlassabwicklung zuständig sind, sofern sich die Behörden des Wohnsitzstaates nicht damit befassen. Allenfalls kämen aber noch weitere Staaten für eine Zuständigkeit in Frage, wenn die verstorbene Person etwa noch einen anderen ausländischen Heimatstaat hatte oder Grundstücke in einem weiteren ausländischen Staat besass. Der Bundesrat wollte mit einer Ergänzung im genannten Sinne deshalb den Auffangcharakter der Schweizer Zuständigkeit festhalten: Es gehe darum, zu verhindern, dass sich niemand mit dem Nachlass eines Auslandschweizers oder einer Auslandschweizerin befasse. Es sei nicht das Ziel, dass die Schweiz möglichst das Verfahren führen könne, sondern dass Parallelverfahren und Zuständigkeitskonflikte vermieden werden, erklärte Bundesrätin Karin Keller-Sutter. Eine Minderheit Vara (gp, NE) unterstützte die Version des Bundesrates. Die Kommissionsmehrheit plädierte indes dafür, die Ergänzung zu streichen. Es sei «vielleicht nicht das Beste», so Kommissionssprecher Thomas Hefti (fdp, GL), «wenn wir der ganzen Welt kundtun, dass wir unser Recht und unsere Zuständigkeit von der Inaktivität der ausländischen Behörden abhängig machen». Mit 31 zu 10 Stimmen folgte der Ständerat dem Antrag der Mehrheit und strich die Ergänzung aus dem Entwurf. Zweiter Streitpunkt war die gleiche Bestimmung in Bezug auf ausländische Erblasserinnen und Erblasser mit letztem Wohnsitz im Ausland. In diesen Fällen käme eine Zuständigkeit der Schweizer Behörden für den in der Schweiz gelegenen Nachlass in Frage. Mit den gleichen Argumenten gelangte die Ständekammer zur gleichen Entscheidung wie zuvor.
Auch im dritten Diskussionspunkt ging es um eine vom Bundesrat vorgeschlagene Ergänzung zur Vermeidung von Zuständigkeitskonflikten. Die Regierung wollte ausdrücklich im Gesetz festhalten, dass eine Zuständigkeit der Schweizer Behörden ausgeschlossen ist, wenn die verstorbene Person im Testament oder einem Erbvertrag von ihrem Recht Gebrauch gemacht hat, den Nachlass ganz oder teilweise der Zuständigkeit eines ausländischen Heimatstaates zu unterstellen, und sich diese ausländischen Behörden mit dem Nachlass befassen. Das werde heute in der Praxis bereits so gehandhabt; es gehe lediglich um eine Klarstellung, erläuterte Bundesrätin Keller-Sutter, die sich wiederum für die Minderheit Vara aussprach. Kommissionssprecher Hefti vertrat den Mehrheitsantrag auf Streichen: Weil der Vorschlag der heutigen Rechtsprechung entspreche, werde durch den Verzicht auf den Absatz nichts geändert, man erlaube aber der Rechtsprechung, sich später allenfalls weiterzuentwickeln und fallgemässe Lösungen zu finden. Die Kantonskammer folgte auch diesem Antrag mit 28 zu 12 Stimmen und schuf so eine dritte inhaltliche Differenz zum Erstrat.
Dieses Recht, den Nachlass wahlweise dem Recht des Wohnsitz- oder eines Heimatstaates zu unterstellen, war auch Kern des vierten umstrittenen Punktes. Hier schlug die Kommissionsmehrheit eine Ergänzung vor, wonach Schweizer Bürgerinnen und Bürger nur noch das schweizerische Recht wählen können sollen. Wie Kommissionssprecher Hefti ausführte, stand dahinter die Befürchtung, dass Doppel- oder Mehrfachbürger ein ausländisches Recht wählen würden, um die Schweizer Pflichtteilsregelung zu umgehen. Minderheitssprecher Carlo Sommaruga (sp, GE) sprach sich gegen diesen Zusatz aus, weil man damit Schweizer Doppelbürgerinnen und -bürgern ein Recht vorenthalte. Im Vergleich zu Mehrfachbürgerinnen und -bürgern, die keine schweizerische Staatsbürgerschaft besitzen, würden Schweizerinnen und Schweizer mit weiteren Staatsbürgerschaften durch diese Regelung benachteiligt. Für Ausländerinnen und Ausländer gelte das Wahlrecht nämlich weiterhin, fügte die Justizministerin an, und dort habe der Gesetzgeber «die mit einer Rechtswahl verbundene Nichtgeltung des schweizerischen Pflichtteilsrechts in Kauf genommen». Diese Argumentation blieb allerdings mehrheitlich ungehört: Mit 27 zu 13 Stimmen schloss sich der Ständerat auch hier seiner Kommissionsmehrheit an. In der Gesamtabstimmung nahm die kleine Kammer die Vorlage einstimmig bei einer Enthaltung an. Mit vier inhaltlichen Differenzen geht sie zurück an den Nationalrat.

Bundesgesetz über das Internationale Privatrecht. 6. Kapitel: Erbrecht (BRG 20.034)

La CTT-CN a décidé, par 12 voix contre 11, de ne pas donner suite à l'initiative parlementaire visant à soumettre la Société suisse de radiodiffusion et télévision (SSR) au Contrôle fédéral des finances (CDF). Elle estime que les mesures prévues par la loi fédérale sur la radio et la télévision (LRTV) sont suffisamment complètes et permettent de protéger la SSR de l’influence de l’Etat sur la conception des programmes. Elle propose donc au Conseil national de rejeter l'initiative. Une minorité, emmenée par Gregor Rutz (udc, ZH), a rappelé que des entreprises d'importance comparable, auxquelles la Confédération a délégué des tâches, sont elles soumises au CDF. Par déduction, la minorité estime que la SSR devrait donc aussi être soumise cas au CDF.

Soumettre la Société suisse de radiodiffusion et télévision (SSR) au Contrôle fédéral des finances (Iv.pa. 22.498)

Sollen Abstimmungsresultate aus Kommissionssitzungen veröffentlicht werden? Ja, findet Andreas Glarner (svp, AG) und forderte mittels parlamentarischer Initiative Transparenz über das Abstimmungsverhalten in Kommissionsberatungen. Bürgerinnen und Bürger hätten das Recht darauf zu wissen, ob die von ihnen gewählten Abgeordneten auch in den Kommissionen «die im Wahlkampf und auf Podien versprochenen Positionen» vertreten, so die Begründung des Initianten. Nein, fand hingegen die Mehrheit der SPK-NR, die mit 18 zu 6 Stimmen empfahl, der Initiative keine Folge zu geben. Kommissionsmitglieder müssten frei und ohne Handlungsdruck auch mal ihre Meinung ändern können, damit Kompromisse möglich werden, so die Argumentation im Kommissionsbericht. Zudem sei bereits heute eine gewisse Transparenz gegeben, weil im Falle von Minderheitsanträgen die Namen der entsprechenden Antragstellenden in Kommissionsberichten und auf den Fahnen veröffentlicht würden.
Zwei der sechs Mitglieder der SVP-Fraktion, die die Kommissionsminderheit bildeten, meldeten sich bei der Ratsdebatte zur Initiative in der Wintersession 2022 zu Wort: Zuerst führte der Initiant selber aus, dass es ihm nicht um eine Offenlegung der Kommissionsprotokolle gehe, sondern lediglich um die Publikation der Abstimmungsresultate. Gregor Rutz (svp, ZH) sekundierte mit dem Argument, dass man auch mit der geforderten Transparenz seine Meinung ändern dürfe, um notwendige Kompromisse zu schmieden. In diesem Falle könne man dies den eigenen Wählerinnen und Wählern dann auch erklären. Für die Kommissionsmehrheit sprachen Greta Gysin (gp, TI) und Gerhard Pfister (mitte, ZG). Neben der Notwendigkeit von Vertraulichkeit für Deliberation hinterfragte Pfister auch den Mehrwert einer Publikation von Abstimmungsresultaten, wenn die ihnen zugrundeliegenden Debatten und Argumente nicht ebenfalls veröffentlicht würden. In der Abstimmung folgte einzig die geschlossen stimmende SVP-Fraktion der Minderheit und der Initiative wurde mit 139 zu 51 Stimmen keine Folge gegeben.

Transparenz über das Abstimmungsverhalten in Kommissionsberatungen (Pa.Iv. 21.444)

Im Dezember 2022 publizierte der Bundesrat den Bericht «Anpassung des Waldes an den Klimawandel» in Erfüllung einer Motion von Claude Hêche (sp, JU; Mo. 19.4177), übernommen von Stefan Engler (mitte, GR), sowie eines Postulats von Céline Vara (gp, NE; Po. 20.3750). Das Ziel des Bundesrats in diesem Themenbereich besteht darin, sowohl die Anpassungsfunktionen als auch die Emissionsreduktionsleistungen des Waldes (beispielswiese die Speicherung von CO2 im Holz) zu stärken. Zudem sollen die Wälder in der Regeneration, die sie aufgrund von klimabedingten Schäden durchlaufen müssen, unterstützt werden. Um diese Hauptziele zu erreichen, legte der Bericht in 5 Handlungsfeldern insgesamt 19 neue Massnahmen (13 Sofortmassnahmen und 6 Prüfaufträge) fest, die bis 2030 umgesetzt werden sollen. Die Umsetzung der 13 Sofortmassnahmen könne unmittelbar beginnen, hielt der Bericht fest. Die dafür notwendigen rechtlichen Grundlagen und der finanzielle Spielraum seien vorhanden. Die Prüfaufträge hingegen verlangten nach weiteren Abklärungen, da es hier um rechtliche oder finanzielle Anpassungen bestehender Regelungen gehe. Als Beispiel für eine Sofortmassnahme wurde im Bericht die Weiterentwicklung waldbaulicher Grundlagen und waldbaulicher Instrumente genannt. Ein Beispiel für einen Prüfauftrag wäre derweil, zu untersuchen, wie eine zukunftsfähige Waldverjüngung sichergestellt werden kann.

Anpassung der Wälder an die Klimaerwärmung. Wie steht es um die Biodiversität?
Dossier: Der Schweizer Wald und die Herausforderungen des Klimawandels
Dossier: Klimawandel in der Schweiz

30. September 2022: Der Rücktritt von Ueli Maurer

Obwohl immer wieder über seinen Rücktritt spekuliert worden war, kam die Ankündigung von Ueli Maurer, nach 14 Jahren Regierungstätigkeit Ende 2022 sein Bundesratsmandat niederzulegen, einigermassen überraschend. Maurer selber hatte nach den letzten Spekulationen vor gut einem Jahr verlauten lassen, er werde mindestens bis Ende Legislatur (also bis Oktober 2023) in der Regierung bleiben und dann vielleicht gar nochmals vier Jahre anhängen. Am 30. September 2022 liess er dann aber an einer Pressekonferenz verlauten, er wolle wieder «der normale Ueli» sein und habe noch einige private Projekte in Planung. Mit 71 Jahren war Maurer der älteste amtierende Bundesrat seit Einführung der Zauberformel. Maurer war 2008 für Samuel Schmid in den Bundesrat gewählt worden und hatte damit die kurze Oppositionsphase der SVP beendet. Er hatte zuerst das Verteidigungsdepartement übernommen, bevor er 2015 ins Finanzdepartement gewechselt war. In den Medien wurde Maurer als «erfolgreichster Politiker der Schweiz» (St. Galler-Tagblatt) beschrieben, allerdings auch dafür kritisiert, dass er häufig mit den Grenzen der Kollegialität gespielt habe und aufgrund seines schlechten Französisch nur einen «reduzierten Kontakt mit der Romandie» gepflegt habe (Le Temps). Im Parlament habe er als Finanzminister grossen Respekt genossen, gaben mehrere Parlamentsmitglieder zu Protokoll. Gelobt wurden zudem seine umgängliche Art, seine Dossierkenntnis und sein Pragmatismus. Er sei sich treu, bodenständig und bescheiden geblieben, urteilte der Blick. Der «widerborstige Bauernsohn» habe sich «nicht vom System vereinnahmen lassen», fasste die Aargauer Zeitung zusammen. Der «erstaunlich wandlungsfähige» Maurer gehöre «zu den Politikern, die zu Anfang ihrer Karriere belächelt, später gefürchtet oder gehasst und am Schluss respektiert werden», befand die NZZ. Auch der «launische Umgang» mit den Medien war Gegenstand der medialen Würdigungen: Der Tages-Anzeiger bezeichnete den SVP-Magistraten als den letzten «Oppositions-Bundesrat» – «mäandriered zwischen den Rollen als Staatsmann und Oppositioneller» habe er es allerdings geschafft, die Konkordanz nach den unruhigen Jahren nach Christoph Blocher und Eveline Widmer-Schlumpf wieder zu stabilisieren. Die Weltwoche vermutete, dass «dem Berner Politikbetrieb» die Spontanität Maurers bald fehlen werde. Kritischer urteilte die WoZ: Maurer habe «wesentlich dazu beigetragen [...], rechtspopulistische Hetze zu normalisieren».

Bereits am Tag nach der Rücktrittsankündigung überboten sich die Medien mit Spekulationen über mögliche Nachfolgerinnen und Nachfolger von Ueli Maurer. Am häufigsten genannt wurden die Nationalrätinnen Esther Friedli (svp, SG) und Céline Amaudruz (svp, GE), die Zürcher Regierungsrätin Natalie Rickli (ZH, svp), die Nationalräte Albert Rösti (svp, BE), Gregor Rutz (svp, ZH) und Thomas Aeschi (svp, ZG), der frühere Parteipräsident und Nationalrat Toni Brunner (SG, svp) sowie der Aargauer Regierungrat Jean-Pierre Gallati (AG, svp). Albert Rösti galt in den meisten Medien als Kronfavorit. Seine einzige Schwäche sei, dass Christoph Blocher, der «noch immer ein entscheidendes Wort mitzureden» habe, wie der Blick wusste, gegen ihn ein Veto einlegen könnte. Dies gelte nicht für Esther Friedli, die als mögliche erste SVP-Bundesrätin gehandelt wurde. Dass neben Karin Keller-Sutter eine zweite St. Gallerin bereits in der Regierung sitze, sei kein Problem, urteilten vor allem die Ostschweizer Medien. Eine früher oft gehandelte Anwärterin auf einen Bundesratssitz, Magdalena Martullo-Blocher gab hingegen noch am Tag von Maurers Rücktritt bekannt, kein Interesse am Regierungsamt zu haben. Ebenfalls unverzüglich aus dem Rennen nahmen sich Roger Köppel (svp, ZH) und Franz Grüter (svp, LU). Auch Diana Gutjahr (svp, TG) erteilte entsprechenden medialen Anfragen eine Absage, da für sie «als junge Mutter [...] der richtige Zeitpunkt für eine Bundesratskandidatur nicht gegeben» sei, wie das St. Galler-Tagblatt bedauerte. Auch Toni Brunner schloss einen Rücktritt auf die nationale Bühne bald aus und nach einiger Bedenkzeit verzichtete auch seine Lebenspartnerin Esther Friedli. Sie wolle ihre regionale Verankerung für den Ständeratswahlkampf nutzen, der aufgrund des Rücktritts von Paul Rechsteiner (sp, SG) im kommenden Frühling 2023 anstand. Bundesrätin werden sei hingegen kein Lebensziel von ihr.

Nachdem sowohl Natalie Rickli als auch der ebenfalls angefragte Regierungsrat Ernst Stocker (ZH, svp) und auch Gregor Rutz bekannt gegeben hatten, nicht für die Nachfolge Maurers kandidieren zu wollen, schien sich abzuzeichnen, dass der Kanton Zürich in Kürze zum zweiten Mal in der Geschichte nicht im Bundesrat vertreten sein könnte. Nur während knapp sieben Jahren zwischen dem Rücktritt von Elisabeth Kopp (1989) und der Wahl von Moritz Leuenberger (1995) war der bevölkerungsreichste Kanton der Schweiz nicht in der eidgenössischen Regierung präsent gewesen und stellte folglich bisher mit 20 Magistratinnen und Magistraten die meisten Bundesratsmitglieder aller Kantone. Von einer «Blamage» für die kantonalzürcherische SVP, die es versäumt habe, rechtzeitig für mögliche Nachfolgerinnen und Nachfolger zu sorgen, sprach in der Folge der Tages-Anzeiger. Dass der Zürcher Flügel nicht vertreten sei, sei aber auch darauf zurückzuführen, dass die Kantonalpartei aufgrund der reihenweisen Absagen eine «Partei der Nein-Sager» sei, so der Blick weiter. Die «oppositionelle DNA der Zürcher SVP» entpuppe sich jetzt als Nachteil, analysierte die Aargauer Zeitung.

Im Gegensatz zum «Personalproblem» der Zürcher habe die Berner SVP einen Kandidaten zu viel, kommentierte der Tages-Anzeiger die Kandidatur von Werner Salzmann (svp, BE), der am 6. Oktober als erster offiziell ankündigte, Bundesrat werden zu wollen. Der Berner Ständerat betonte, er sei als Oberst der Schweizer Armee und Sicherheitspolitiker ein idealer Kandidat für das VBS. Salzmann stamme aus der Familie des BGB-Parteigründers Rudolf Minger, dem ersten Bundesrat der BGB (und späteren SVP) und habe entsprechend ein «Bundesrat-Gen», so der Tages-Anzeiger. Salzmann könne dem Favoriten Rösti zwar gefährlich werden, innerhalb der Berner SVP werde aber befürchtet, dass der Ständeratssitz verloren gehen könnte, wenn Salzmann in den Bundesrat gewählt würde, spekulierte der Tages-Anzeiger weiter. Wenige Tage später, am 10. Oktober 2023, gab auch Albert Rösti seine Kandidatur bekannt. Der Zweikampf zwischen den beiden Bernern bringe ein wenig Salz in den Wahlkampf, urteilte La Liberté. Allerdings vermuteten die Medien, dass der ehemalige Parteipräsident Rösti im Parlament mehr Rückhalt habe als Salzmann. Die BZ urteilte entsprechend, dass Röstis Kandidatur höchstens «wegen internen Widerstands» scheitern könnte. Die NZZ befand gar, dass die Kandidatur Röstis für Langeweile sorge, weil der «anstandslos anständige [...] Panorama-Politiker» kaum anecke – was eine wichtige Voraussetzung sei, um genügend Stimmen aus dem Parlament zu erhalten. Skeptischer zeigte sich die WoZ, die sich fragte, weshalb dem «Ölkönig», der «eine riesige Schadensbilanz» aufweise, so viele Sympathien zuflögen. Starke Kritik erwuchs Rösti auch in der Weltwoche, die befürchtete, dass Rösti seinen SVP-Kurs wohl aufgeben werde, wenn er im Bundesrat sitzen werde. Roger Köppel, Chefredaktor der Weltwoche, warnte vor einem «Kuckucksei» und einem «Trojanischen Pferd» für die SVP im Bundesrat. Rösti sei «der Prototyp eines Pöstchenjägers, ein Hansdampf an allen Kassen» und er sei mit seinem «Naturell des Jasagers» und als «Briefträger bezahlter Interessen» «der Falsche». Im Sonntagsblick wurde vermutet, dass «Atom-Rösti» auch deshalb im Parlament die grössten Chancen habe, weil er nicht die Kernthemen der SVP vertrete, sondern Energiepolitik betreibe. Würde er dem UVEK vorstehen, wäre dies «ein Coup», so der Sonntagsblick. Die zahlreichen Lobby-Mandate Röstis waren in der Folge ein ziemlich häufiges mediales Thema. Der Blick erinnerte schliesslich daran, dass die SVP mit den letzten Berner Vertretern in der Landesregierung nicht sehr glücklich gewesen sei. Sowohl Adolf Ogi, der innerparteilich als zu europafreundlich gegolten habe, als auch Samuel Schmid, der als «halber Bundesrat» bezeichnet worden war, hätten in der SVP selber nur wenig Rückhalt gehabt.

Am 15. Oktober gab der Zuger Finanzdirektor Heinz Tännler (ZG, svp), seit 2006 in der Zuger Kantonsregierung, bekannt, dass er die Innerschweiz und einen «boomenden Kanton» vertreten wolle. Als «zupackender Wirtschaftspolitiker» wolle er den beiden Berner Bewerbungen etwas entgegensetzen und der Partei eine Auswahl bieten. Es sei nicht gut, dass die Zentralschweiz seit dem Rücktritt von Kaspar Villiger im Jahr 2003 nicht mehr im Bundesrat vertreten sei. In zahlreichen Gesprächen sei er darauf aufmerksam gemacht worden, dass «diese Region wieder eine Stimme in der Landesregierung haben» müsse. Er wolle aber auch alle anderen finanzstarken Kantone vertreten, so Tännler in der Ankündigung seiner Kandidatur. In den Medien wurden Tännler trotz Exekutiverfahrung eher geringe Chancen eingeräumt, da er im Gegensatz zu Salzmann und Rösti nicht dem Bundesparlament angehöre, was häufig ein Nachteil sei. Zudem stehe er als Finanzdirektor des reichen Kantons Zug vor allem bei Linken in Verdacht, «Politik für die Reichen und Mächtigen zu machen», so die Bewertung der NZZ.

Am 18. Oktober meldete auch Michèle Blöchliger (svp, NW), seit 2018 Gesundheitsministerin des Kantons Nidwalden, ihre Ambitionen an. Sie sei überzeugt, dass sie «den nötigen Rucksack» mitbringe, den es für das Amt als Bundesrätin brauche: Sie sei sich gewohnt, das Kollegialitätsprinzip zu achten, habe politische Exekutiverfahrung und bringe mit einer englischsprachigen Mutter wichtige Sprachkompetenzen mit. Die SVP könne aufatmen, weil sie doch noch eine Frau gefunden habe, befand 24Heurers. Für die Nidwaldner Regierungsrätin und Rechtsanwältin «mit juristischem Gewissen», wie die Nidwaldner Zeitung wusste, spreche nicht nur ihr Geschlecht, sondern auch der Umstand, dass aus dem Innerschweizer Kanton noch nie jemand in der Landesregierung gesessen habe. Zudem sei sie parteiintern gut vernetzt und der Umstand, dass auch innerhalb der SVP viele eine Frau auf einem Zweierticket forderten, erhöhe ihre Chancen ebenfalls, waren sich viele Medien einig. Allerdings sei sie in Bundesbern etwa auch im Vergleich zu Tännler praktisch unbekannt und liefe Gefahr, sich «in einer undankbaren Rolle als Alibikandidatin» wiederzufinden, prognostizierte die NZZ. Für Schlagzeilen sorgte in der Folge die Aussage Blöchligers, dass Wikipedia nicht zutreffende Angaben über sie verbreite. Sie besitze – im Gegensatz zu den Informationen auf Wikipedia – die britische Staatsangehörigkeit seit dem Tod ihrer Mutter nicht mehr. Der Tages-Anzeiger, der diese Aussage überprüfte, fand allerdings heraus, dass Blöchliger nie formell auf den britischen Pass verzichtet habe. Die Zeitung machte daraus auch deshalb eine Geschichte, weil die SVP 2019 mit einem Vorstoss – erfolglos – das Verbot einer doppelten Staatsbürgerschaft von Bundesratsmitgliedern gefordert hatte. «Blöchligers Hin und Her um ihre zweite Nationalität» biete neuen «Zunder für diese Debatte», so der Tages-Anzeiger. Blöchliger selber gab bekannt, dass sie offiziell auf die britische Staatsangehörigkeit verzichten werde. Allerdings war die Geschichte für viele Medien ein gefundenes Fressen. Der Tages-Anzeiger urteilte, dass sich Blöchliger mit der versuchten Vertuschung ihrer doppelten Staatsbürgerschaft – «um der eigenen Partei zu gefallen» – wohl selbst aus dem Rennen genommen habe. Als «denkbar schlecht» bezeichnete die Weltwoche den Kampagnenstart Blöchligers.

Weitere Kandidatinnen und Kandidaten hatten entsprechend der Terminplanung der SVP bis zum 21. Oktober Zeit, ihr Interesse zu bekunden. Einen Tag vor Ablauf dieser Frist meldete sich die SVP Zürich mit einem eigentlichen Überraschungscoup doch noch zurück und präsentierte den 2021 aus dem Nationalrat zurückgetretenen Hans-Ueli Vogt (svp, ZH) als Kandidierenden. Er sei aus der Politik ausgestiegen, weil ihm die parlamentarische Arbeit nicht zugesagt habe, das Bundesratsamt reize ihn aber, erklärte Vogt. Er wolle «ein Opfer erbringen», zudem sei seine Kandidatur «weder eine Verlegenheitslösung noch eine Alibiübung», gab Vogt der NZZ zu Protokoll, eine urbane Vertretung in der Landesregierung sei zudem wichtig. «Professor Vogt» sei der «Wunschkandidat» der Zürcher Kantonalsektion, betonte Kantonalpräsident Domenik Ledergerber (ZH, svp), der den Kandidierenden als «gründlich, aber zielstrebig, urban und doch bodenständig» beschrieb. In den Medien wurde die Kandidatur begrüsst. Nun habe Zürich doch noch einen Kandidaten, freute sich etwa die NZZ. Vogt sei in Bern auch nach seinem Rücktritt 2021 noch genügend bekannt und werde nach wie vor als seriöser Sachpolitiker geschätzt; vor allem auf linker Seite könne er punkten, ergänzte die NZZ. Auch 24Heures urteilte, dass Vogt mit den Eigenschaften «Intello, urbain, gay» das Zeug habe, die Kampagne aufzumischen. Innerhalb der SVP sei Vogt allerdings ein «OVNI», ein unbekanntes Flugobjekt, urteilte La Liberté. Seine Chancen wurden auch vom Tages-Anzeiger vor allem im Vergleich mit dem «berechenbareren» Albert Rösti als geringer eingestuft. Vogt sei gleichzeitig «Verlegenheitslösung und Befreiungsschlag» für die Zürcher SVP, befand die Weltwoche.

Da bis zum Ende der Meldefrist alle weiteren Favoriten abgesagt hatten – darunter etwa auch Thomas Aeschi, der nach seinem Misserfolg 2015 auf eine zweite Bundesratskandidatur verzichten und sich auf seine Parlamentsarbeit konzentrierten wollte, oder der Aargauer Regierungsrat Jean-Pierre Gallati (AG, svp), der sich bis Meldeschluss bedeckt gehalten hatte – und sich keine neuen Personen mehr gemeldet hatten, standen mit Werner Salzmann, Albert Rösti, Heinz Tännler, Michèle Blöchliger und Hans-Ueli Vogt die fünf Kandidierenden für die Nachfolge von Ueli Maurer fest. Die Partei habe sich knapp gerettet, fasste die Aargauer Zeitung zusammen. Mit einer Frau und einem Kandidaten aus Zürich könne die SVP nun doch verschiedene Optionen bieten. Die Empfehlung der Kandidierenden durch die jeweiligen Kantonalsektionen war Formsache. Für Spannung sorgte einzig die Frage, ob die Kantonalberner Sektion eine Vorselektion treffen und lediglich einen der beiden Kandidierenden vorschlagen würde. Sie schob die Frage einer allfälligen Vorselektion allerdings an die nationale Findungskommission weiter und nominierte sowohl Albert Rösti als auch Werner Salzmann einstimmig. Besagte Findungskommission nahm sich dann bis Mitte November Zeit, die Kandidierenden auf Herz und Nieren zu prüfen, um der Fraktion einen Vorschlag zu unterbreiten.
Wie schon die Kantonalberner scheute sich dann allerdings auch die Findungskommission, eine Vorentscheidung zu treffen. Alle fünf Kandidierenden seien wählbar und in den Hauptthemen strikt auf der Parteilinie. Sie würden einen eindrücklichen Leistungsausweis und die nötige Führungserfahrung mitbringen. Die von alt-Nationalrat Caspar Baader (BL, svp) präsidierte Kommission empfehle der Fraktion zudem, ein Zweierticket zu bilden. Somit stand also die Fraktion in der Verantwortung, die Vorauswahl zu treffen. An der Favoritenrolle von Albert Rösti ändere dies nichts, waren sich die Medien einig. Spannend sei einzig, wer neben ihm aufs Ticket komme, so etwa die NZZ.
Am 18. November entschied sich dann die SVP-Fraktion für ein Zweierticket aus Albert Rösti und Hans-Ueli Vogt. Rösti sei in der ersten Runde mit 26 von 51 Stimmen zum einen Kandidaten auf dem Zweierticket bestimmt worden, wussten die Medien zu berichten. In dieser ersten Runde hätten Michèle Blöchliger vier und Heinz Tännler lediglich eine Stimme auf sich vereinen können. Vogt sei auf 13 und Salzmann auf 5 Stimmen gekommen. Dreimal sei es dann in der Folge zu einem 25:25 Unentschieden zwischen dem Berner und dem Zürcher Kandidaten gekommen, bevor wahrscheinlich eine sich bis dahin enthaltende Stimme in der fünften Runde den Ausschlag für Hans-Ueli Vogt gegeben habe. Das Ringen zeige, dass fraktionsintern befürchtet werde, dass Vogt im Parlament auf linker Seite Stimmen holen könnte und so zum «Rösti-Verhinderer» werde, analysierte die NZZ. Das Rennen zwischen Bern und Zürich sei nun neu lanciert, waren sich die meisten Medien einig.

Bundesratsersatzwahlen 2022 – Nachfolge von Ueli Maurer und Simonetta Sommaruga
Dossier: Bundesratswahlen seit 2008