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  • Vodoz, Olivier (GE, lp/pl)

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Im Kanton Genf, wo die bürgerlichen Parteien vier Jahre zuvor dank eines zerstrittenen Linksblocks sämtliche Regierungssitze erobern konnten (3 LP, 2 CVP, 2 FDP), kündigten sich spannende Wahlen an. Die Frage lautete dabei spätestens nach der Präsentation einer bürgerlichen Fünferliste nicht mehr, ob das "homogene" Regierungsmodell beibehalten wird, als vielmehr, ob die Bürgerlichen die Regierungsmehrheit retten können. Denn das Versprechen einer gradlinigen bürgerlichen Politik hatte sich als uneinlösbar erwiesen; die Regierung war wiederholt in Volksabstimmungen gescheitert. Ausserdem war sie insbesondere in Fragen der Finanzpolitik uneinig. Zusätzliche Spannung erhielten die Wahlen durch die freiwilligen Rücktritte von Olivier Vodoz (lp) und Jean-Philippe Maitre (cvp) und die zwei unfreiwilligen Rücktritte von Philippe Joye (cvp) und Claude Haegi (lp). Joye wurde nach privaten Vorkommnissen die Unterstützung seiner Partei und der Liberalen entzogen. Haegi wurde von seiner Partei fallengelassen. Diese hatte zuvor auf einer Dreierliste bestanden und neben den Bisherigen Haegi und Martine Brunschwig Graf auch Michel Balestra zum Kandidaten nominiert. CVP und FDP, die - auch angesichts der bürgerlichen Wahlverluste bei den Parlamentswahlen - eine gemeinsame Fünferliste (2 LP, 2 FDP, 1 CVP) wollten, um sich nicht Hegemonieansprüche vorwerfen lassen zu müssen, zeigten sich verärgert und drohten mit einer eigenen Liste. Drei Wochen vor der Wahl lenkten die Liberalen auf einen Zweiervorschlag ein, opferten aber den eher im Hintergrund agierenden Haegi zugunsten des radikal auftretenden und Bankkreisen nahestehenden Balestra. Anders als die Rechte trat die Linke diesmal geschlossen auf. Die SP liebäugelte zwar mit drei Kandidaturen, schliesslich stimmte sie aber einer gemeinsamen Fünferliste zu, auf der je zwei Kandidaten der SP und der Linksallianz (PdA, Solidarités und unabhängige Sozialisten) sowie ein Grüner vertreten waren. Der frühere SP-Stadtrat und heutige Nationalrat Christian Grobet, der 1993 massgeblich zum Ausschluss der Linken aus der Regierung beigetragen hatte, kandidierte für die Linksallianz.

Die Stimmbeteiligung war mit gut 48% ungewöhnlich hoch und führte zu Überraschungen und einer völlig veränderten Regierungszusammensetzung (2 FDP, 2 SP, 1 CVP, 1 GP, 1 LP). Die Bürgerlichen konnten die Regierungsmehrheit mit vier Sitzen aber retten. Das beste Resultat erreichte Guy-Olivier Segond (fdp), knapp gefolgt von den beiden SP-Kandidaten Micheline Calmy-Rey und, mit grossem Abstand, Laurent Moutinot. Damit eroberte die SP ihre 1993 verlorenen zwei Regierungssitze zurück. Platz vier belegte Gérard Ramseyer (fdp), womit die Freisinnigen ihre beiden Bisherigen problemlos durchbrachten. Überraschend folgte danach der Kandidat der Grünen, Anti-AKW-Anwalt Robert Cramer, was den Grünen erstmals den Einzug in die Genfer Regierung bescherte. Er schlug sogar die Bisherige Brunschwig Graf (lp), die auf dem enttäuschenden sechsten Platz landete. Den letzten zu vergebenden Regierungssitz konnte überraschend Carlo Lamprecht für die CVP retten. Der Partei, die im voraus auf einen ihrer beiden bisherigen Sitze verzichtet hatte, war allgemein das Ausscheiden aus der Regierung vorausgesagt worden. Die Kandidatin der Links-Allianz, Erica Deuber-Pauli, verlor auf Lamprecht über 2000 Stimmen. Die grossen Verlierer dieser Wahlen waren die Liberalen, die als stärkste Partei im Grossen Rat zwei ihrer drei Regierungssitze verloren. Die Wähler goutierten ihr Wahlscharmützel offensichtlich nicht.

Damit ging das erstmals in einem Kanton mit einer relativ starken Linken gestartete Experiment einer bürgerlichen Koalitionsregierung nach vier Jahren zu Ende, und Genf kehrte vom Konkurrenz- zum Konkordanzmodell zurück. Dass die kompromisslos auftretenden Grobet und Balestra abgeschlagen auf den Plätzen neun und zehn landeten, zeigt auf, dass die Wähler der Grabenkämpfe müde waren und eine Regierung der Mitte wünschten. Nach Vorbild der französischen Nachbarn boten sie aber Hand zu einem neuen Experiment: einer Kohabitation von bürgerlicher Exekutive und linker Legislative.

Staatsratswahlen Genf 1997
Dossier: Kantonale Wahlen - Genf
Dossier: Kantonale Regierungswahlen 1997

Die Genfer Regierungswahlen, welche jeweils vier Wochen nach den Parlamentswahlen stattfinden, waren einerseits durch die Trennung des bisherigen SP-Regierungsrats Grobet von seiner Partei geprägt, andererseits hatte der Bürgerblock durch die erfolgreichen Parlamentswahlen Auftrieb erhalten. Die bürgerliche Entente stellte eine Siebner-Liste auf, während sich die neu gegründete "Alliance de gauche" zusammen mit der SP und den Grünen erst nach langem Zögern und internen Grabenkämpfen für eine gemeinsame Sechser-Liste entschieden. Die Strategie der bürgerlichen Parteien, alles auf eine Karte zu setzen und dem durch die internen Spannungen geschwächten links-grünen Spektrum keinen Sitz mehr zuzugestehen, hatte bei der Wählerschaft Erfolg. Zum ersten Mal in der Nachkriegsgeschichte eroberten die bürgerlichen Parteien sämtliche Regierungssitze. Die FDP konnte ebenso wie die LP einen zusätzlichen Sitz gewinnen. Ihr bisheriger Staatsrat, Guy-Olivier Segond, erreichte das beste Resultat, während der neue Gérard Ramseyer das Schlusslicht bildete. Die Liberalen konnten neben ihren beiden Bisherigen, Olivier Vodoz und Claude Haegi, mit Martine Brunschwig Graf die erste Frau in die Genfer Regierung Einsitz nehmen lassen. Bei der CVP wurde der Bisherige Jean-Philippe Maître als Drittbester wiedergewählt, während der Neue Philippe Joye auf dem zweitletzten Rang landete. Entgegen den Erwartungen aufgrund des guten Resultates bei den Parlamentswahlen landete der umstrittene Grobet unter den nichtgewählten rot-grünen Kandidaten sowohl hinter den beiden Sozialdemokraten, der erstmals kandidierenden Micheline Calmy-Rey und dem Bisherigen Bernard Ziegler, als auch dem Grünen Rebeaud. Ganz abgeschlagen waren der Linksalternative Ducommun der Liste "Solidarités" und PdA-Nationalrat Jean Spielmann. Die Wählerschaft der Entente, von welcher nur ein Fünftel die Einheitsliste verändert eingelegt hat, zeigte mehr Linientreue als die Linke, deren Anhängerschaft ihre Einheitsliste zu einem Drittel verändert in die Urne legte. Unter den Verlierern war also nicht nur die SP wie bei den Parlamentswahlen, sondern die gesamte Linke. Die Stimmbeteiligung von 41,9% war deutlich höher als bei den letzten Regierungswahlen (33,2%) und bei den Parlamentswahlen (35,4%).

Regierungsratswahlen Genf 1993
Dossier: Kantonale Wahlen - Genf
Dossier: Kantonale Regierungswahlen 1993