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Akteure

  • Walti, Beat (fdp/plr, ZH) NR/CN
  • Ettlin, Erich (cvp/pdc, OW) SR/CE

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In der Wintersession 2020 befasste sich der Ständerat mit dem Bundesgesetz über elektronische Verfahren im Steuerbereich und machte dabei seinem Namen als Kantonskammer alle Ehre. So korrigierte die kleine Kammer verschiedene vom Nationalrat eingefügte Änderungen entsprechend den Wünschen verschiedener Kantone.
Erstens folgte der Rat seiner FK-SR bezüglich der Möglichkeit des Bundesrates, die elektronische Durchführung von Verfahren auf Bundesebene vorschreiben zu können. Der Nationalrat hatte diese Verpflichtungsmöglichkeit gestrichen, der Ständerat kehrte jedoch zur bundesrätlichen Version zurück. Einerseits gehe es hier nicht in erster Linie um Privatpersonen, die mit der elektronischen Durchführung überfordert wären, sondern um professionelle Personengruppen, die «eigentlich über das benötigte Know-how und die Infrastruktur verfügen müssten», betonte Erich Ettlin (cvp, OW) für die Kommission. Andererseits werde der Bundesrat diese Regelung nicht sofort einführen, sondern «wenn die Zeit dafür reif ist». Als zweite Differenz zum Erstrat entschied die kleine Kammer auf Bitte der Finanzdirektorenkonferenz, den Kantonen nur die Möglichkeit zur vollständigen elektronischen Eingabe zu geben, sie aber nicht dazu zu verpflichten. Bereits heute nützten nur zwei Kantone noch kein elektronisches Verfahren, diese würden aber ebenfalls in Kürze nachziehen, erklärte der Kommissionssprecher. Drittens entschied sich der Ständerat gegen die Formulierung des Nationalrats zur Vereinheitlichung von Formularen und Datenformaten bei den Steuererklärungen – die Kantone hätten sich an der entsprechenden Formulierung gestört, erklärte Ettlin. Stattdessen nahm der Rat einen Kompromissvorschlag beruhend auf dem Vorschlag der Kantone an und fügte dabei auch einen Passus ein, wonach die Datenformate in Zusammenarbeit zwischen Bundesrat und Kantonen festgelegt würden. Stillschweigend folgte der Ständerat dem Bundesrat sowie dem Nationalrat bei der Frage der Verwendung der AHV-Nummer; im Nationalrat hatte diese Frage zuvor noch für einige Diskussionen gesorgt. Einstimmig nahm der Ständerat den Entwurf in der Folge an.

Elektronische Verfahren im Steuerbereich (BRG 20.051)

Der Ständerat nahm in der Wintersession 2020 einen Ordnungsantrag Ettlin (cvp, OW) an und sistierte die Motion der KVF-NR bezüglich der Erhöhung der Internet-Mindestgeschwindigkeit in der Grundversorgung um höchstens ein Jahr. Ettlin begründete den Antrag auf Sistierung mit den Arbeiten zur Umsetzung der Standesinitiative des Kantons Tessin «Gewährleistung eines landesweit dichten Hochbreitbandangebots», welcher bereits im Jahr 2017 Folge gegeben worden war. Die Initiative verfolge dasselbe Ziel wie die vorliegende Motion, erlaube bei der Umsetzung aber einen grösseren Spielraum.

Erhöhung der Internet-Mindestgeschwindigkeit in der Grundversorgung auf 80 Megabit pro Sekunde (Mo. 20.3915)
Dossier: Hochbreitband (ab 2019)

Deutlich kürzer als im Erstrat fiel die Behandlung des Voranschlags 2021 mit integriertem Aufgaben- und Finanzplan 2022-2024 im Ständerat aus. Die FK-SR und mit ihr der Ständerat pflichteten den meisten der vom Nationalrat eingefügten Änderungen bei, etwa der Erhöhung verschiedener Kulturbeiträge in Übereinstimmung mit der Kulturbotschaft, der Erhöhung des Kredits des NDB unter gleichzeitiger Reduktion des Betrags für den Rüstungsaufwand oder dem Zahlungskredit für eine Covid-Härtefallhilfe über CHF 680 Mio. als Ergänzung zum gleich hohen Verpflichtungskredit. Anderer Meinung als der Nationalrat war die Kommissionsmehrheit jedoch bezüglich der Ausgaben für die Vollassoziierung an Erasmus plus, für die der Nationalrat höhere Beiträge in den Finanzplanjahren gesprochen hatte. Stillschweigend folgte der Ständerat diesbezüglich dem Bundesrat und verzichtete auf die Aufstockung. Auch mit den Sollwerten zur Zentralen Ausgleichsstelle (ZAS) sowie zum Personenverkehr zeigte sich der Zweitrat nicht einverstanden und strich diese wieder aus den Planungsgrössen. Mehr Diskussionen gab es über die Direktzahlungen in der Landwirtschaft, bei denen die Kommissionsmehrheit dem Bundesrat folgen und auf die Aufstockung verzichten wollte. Eine Minderheit Ettlin (cvp, OW) beantragte hingegen, denselben Betrag bei den Direktzahlungen zu gewähren, wie im Jahr 2019 ausbezahlt worden war, um so «den verbleibenden Bauernfamilien nicht Einkommen wegzunehmen». Der Ständerat folgte der Minderheit Ettlin mit 22 zu 20 Stimmen, lehnte jedoch eine weitere Aufstockung um CHF 1.6 Mio. als Sömmerungsbeiträge an die nachhaltige Schafalpung, wie sie der Nationalrat beschlossen hatte, ab. Zusätzlich erhöhte die kleine Kammer jedoch die Zulagen zur Milchwirtschaft. Den Umwelttechnologiekredit des BAFU, mit dem dieses die Entwicklung von Anlagen und Verfahren zur Verminderung der Umweltbelastung fördern kann, wollte die FK-SR weniger stark erhöhen (auf CHF 5 Mrd.) als zuvor der Nationalrat (CHF 7 Mrd.), aber höher als eine Minderheit Knecht (svp, AG), welche dem Bundesrat folgen wollte (CHF 4 Mrd.). Mit 23 zu 19 Stimmen setzte sich auch hier die Minderheit durch. Eine weitere Differenz wurde beim Kinderschutz geschaffen, den der Nationalrat im Vergleich zum Bundesrat ausbauen wollte und bei dem sich der Ständerat für einen Kompromissvorschlag einer Minderheit Carobbio Guscetti (sp, TI) entschied. Damit sollten Organisationen im Bereich Kinderschutz wie Pro Juventute unterstützt werden. Dies sei ein «sehr kleiner Betrag gegenüber den Gesamtausgaben des Bundesamtes für Sozialversicherungen» in einem Bereich, in dem der Handlungsbedarf «nach wie vor gross» sei, betonte die Minderheitensprecherin.
Keine inhaltliche, sondern eine taktische Absicht verfolgte Peter Hegglin (cvp, ZG), der die Ablehnung von drei Aufstockungen von Beträgen im Bildungsbereich durch den Nationalrat beantragte. Hier sollten die Differenzen offengelassen werden, bis die entsprechenden Beträge in der BFI-Botschaft festgelegt worden seien. Deutlich folgte der Ständerat diesem Vorschlag. In einem weiteren Einzelantrag verlangte Hegglin die Streichung der CHF 20 Mio. für Härtefälle bei den Geschäftsmieten, da das Parlament das Geschäftsmietegesetz in der Zwischenzeit verworfen hatte. Der Ständerat folgte ihm ohne Gegenstimme, jedoch mit 8 Enthaltungen.
Vom Nationalrat noch unbeachtet geblieben war die Frage der Regionalflugplätze, für die eine Minderheit Würth (cvp, SG) die Aufstockung des vom Bundesrat vorgeschlagenen Beitrags an die technischen Sicherheitsmassnahmen vorschlug. Da bei Skyguide keine Quersubventionen mehr erlaubt seien, bestehe gemäss Alois Gmür (cvp, SZ) bei den Regionalflugplätzen eine Unterdeckung. Diese wollte Würth durch die Erhöhung des Beitrags in den Finanzplanjahren beheben. In diesem Bereich fänden in Kürze Subventionsüberprüfungen statt, bei denen die Kostenfrage ebenfalls geklärt werden solle, betonte er. Eine Beitragsreduktion im Rahmen des Voranschlags 2021 würde nun die Subventionsprüfung präjudizieren, befürchtete Würth. Finanzminister Maurer bat in der Folge darum, die entsprechende Entwicklung im Folgejahr abzuwarten. Mit 23 zu 19 Stimmen folgte der Ständerat jedoch der Minderheit.
Nachdem der Ständerat dem Vorschlag von Bundesrat und Nationalrat, einen Teil der Corona-bedingten Mehrkosten als ausserordentliche Ausgaben zu verbuchen, stillschweigend beigepflichtet hatte, nahm die kleine Kammer den Entwurf des Voranschlags in der Gesamtabstimmung einstimmig (mit 40 zu 0 Stimmen) an, genauso wie auch die übrigen Bundesbeschlüsse zu den Planungsgrössen, Finanzplanjahren, zum Bahninfrastrukturfonds und zum Nationalstrassen- und Agglomerationsverkehrsfonds.

Voranschlag 2021 mit integriertem Aufgaben- und Finanzplan 2022-2024 (BRG 20.041)
Dossier: Bundeshaushalt 2021: Voranschlag und Staatsrechnung
Dossier: Mögliche Massnahmen zur Reduktion des Covid-19-bedingten Defizits

Anfang November 2020 reichte die RK-NR eine parlamentarische Initiative ein, mit der eine Grundlage für einen indirekten Gegenvorschlag zur Justizinitiative geschaffen werden soll. Der Vorschlag sah vor, dass die Richterinnen und Richter für alle Gerichte der Schweizerischen Eidgenossenschaft (Bundesgericht, Bundesstrafgericht, Bundesverwaltungsgericht, Bundespatentgericht) nach wie vor von der Vereinigten Bundesversammlung gewählt werden sollen. Allerdings soll die Wahl nicht mehr nur auf einem Antrag der Gerichtskommission (GK) beruhen, sondern zusätzlich auf einer Vorselektion, die durch eine zu bestimmende Fachkommission getroffen wird, welche die fachliche und persönliche Eignung der Kandidierenden evaluiert. Die Amtsdauer aller nationalen Richterinnen und -richter soll auf sechs Jahre festgelegt werden, wobei die Wiederwahl automatisch geschehen soll – allenfalls durch die GK auf Empfehlung der genannten Fachkommission. Dies stellte eine Konzession an die Initianten dar, da im aktuellen Verfahren das Parlament die Wiederwahl vornimmt. Auch zukünftig soll Abberufung jedoch bei schwerer Pflichtverletzung möglich sein, wobei die Fachkommission den Sachverhalt zu klären hätte. Die Parteien selber müssten gemäss Vorschlag der RK-NR die Unabhängigkeit ihrer Richterinnen und Richter gewährleisten, wobei explizit Alternativen zu Mandatsabgaben gefordert werden. Letzteres wurde auch von einer noch nicht behandelten parlamentarischen Initiative Walti (fdp, ZH; Pa.Iv. 20.468) vorgeschlagen.
Anfang Dezember stimmte die RK-SR dem Begehren ihrer Schwesterkommission knapp mit 6 zu 6 Stimmen bei einer Enthaltung und Stichentscheid des Präsidenten Beat Rieder zu. Die Kommission sei der Ansicht, dass sich das aktuelle Wahlsystem für Bundesrichterinnen und -richter bewährt habe, dass es aber prüfenswerte Fragen gebe. Die RK-NR solle aber nur «die für absolut notwendig erachteten Verbesserungen» ausarbeiten.

Unabhängige und kompetente Richterinnen und Richter des Bundes. Indirekter Gegenvorschlag zur Justizinitiative (Pa.Iv. 20.480)
Dossier: Unabhängigkeit der Judikative
Dossier: Justizinitiative

Der Ständerat behandelte die erste Revision des Covid-19-Gesetzes bereits einen Tag nach dem Erstrat. Dabei hatte die kleine Kammer über sechs Differenzen, die der Vorschlag der WAK-SR gegenüber den nationalrätlichen Beschlüssen aufwies, über sieben Minderheitsanträge sowie über drei Einzelanträge zu debattieren. Aufgrund des gedrängten Zeitplans hatte die Kommission die Revision bereits eine Woche zuvor beraten, ohne also die Entscheide des Nationalrats gekannt zu haben. Dabei hatte sie auch Mitberichte der FK-SR, der SGK-SR sowie der WBK-SR zur Kenntnis genommen.

In den zentralen Bereichen unterstützte der Ständerat die vom Bundesrat vorgeschlagenen Änderungen des Covid-19-Gesetzes. Meinungsverschiedenheiten mit dem Nationalrat gab es grösstenteils bezüglich der von der grossen Kammer neu eingefügten Änderungen, welche die WAK-SR in der Mehrzahl zur Ablehnung empfahl. Dies war etwa bei den Massnahmen im Bereich der Gesundheitsversorgung der Fall; konkret bei der Frage, ob der Bund die Abgeltung der den Leistungserbringenden durch verbotene und eingeschränkte Behandlungen – etwa zur Sicherung der Kapazität des Gesundheitswesens – entstehenden Kosten regeln soll. Die Bestimmung sei sehr vage formuliert, es gehe hier aber eben noch nicht darum, wer die Kosten übernehmen soll, sondern lediglich um einen Auftrag an den Bundesrat, eine Regelung zu suchen, verteidigte Maya Graf (gp, BL) die nationalrätliche Position sowie ihren entsprechenden Einzelantrag. Kommissionssprecher Bischof (cvp, SO) verwies jedoch auf die Zuständigkeit der Kantone bei Gesundheitsfragen und Finanzminister Maurer betonte, dass der Bundesrat mit den Kantonen für die bisherigen entsprechenden Kosten eine Lösung gefunden habe: Diese werden von den Kantonen übernommen, während der Bund im Gegenzug alleine für die Kosten der Impfstoffe und Covid-Tests aufkommt. Ähnliche Lösungen könnten auch in zukünftigen Fällen gefunden werden, betonte der Finanzminister. Der Ständerat folgte seiner Kommission, strich die vom Nationalrat eingeführte und von Maya Graf vergeblich unterstützte Regelung und schuf damit eine erste Differenz zum Erstrat.

Auch bei den Härtefallhilfen war die WAK-SR mit den Vorschlägen der grossen Kammer nicht einverstanden. So wollte die ständerätliche Kommission die Fixkosten der Unternehmen bei der Vergabe der Härtefallhilfen nicht standardmässig berücksichtigen – hingegen könnten die Kantone dieses Kriterium freiwillig anwenden, wie Pirmin Bischof für die Kommission ein Argument anführte, das auch schon im Nationalrat aufgeworfen worden war. Hier folgte der Ständerat stillschweigend seiner Kommission und schuf eine weitere Differenz zum Erstrat.
Hingegen unterstützte die Kommissionsmehrheit den nationalrätlichen Änderungsvorschlag, wonach Unternehmen sowohl aus dem Topf für Kultur oder Sport als auch aus demjenigen für Härtefälle Unterstützung erhalten können, wenn sich ihre Tätigkeitsfelder entsprechend unterscheiden lassen. Allerdings verlangte eine Minderheit Noser (fdp, ZH), diesbezüglich dem Bundesrat zu folgen, da es unklar sei, was «klar abgegrenzt» bedeute. Von einer solchen Regelung, die ein «Papiertiger für Rekurse» sei, würden nur grosse Unternehmen profitieren, da nur diese klar abgegrenzte Bereiche aufwiesen. Davon schien sich der Ständerat überzeugen zu lassen, er präferierte den Minderheitsantrag Noser, strich diese vom Nationalrat eingefügte Bestimmung und schuf damit eine weitere Differenz.
Einen Kompromissvorschlag machte die WAK-SR bezüglich der Frage, ab welchem Umsatz Unternehmen zu den Härtefallhilfen zugelassen werden sollen. Der Nationalrat hatte diese Grenze von CHF 100'000 auf CHF 50'000 gesenkt, die WAK-SR wollte hingegen eine generelle Zulassung ab CHF 100'000, aber Ausnahmen «in begründeten Fällen» ermöglichen. Eine Minderheit Ettlin (cvp, OW) unterstützte die nationalrätliche Position, da auch Kleinbetriebe «richtige Unternehmen» seien und man hier mit wenig Geld viel erreichen könne. Schliesslich setzte sich diese Minderheit und entsprechend der nationalrätliche Vorschlag durch, womit dieser Aspekt zugunsten der kleineren Unternehmen bereinigt werden konnte.
Jakob Stark (svp, TG) reichte zudem einen Einzelantrag für ein Dividendenauszahlungsverbot im Covid-19-Gesetz ein, wie es zuvor schon im Nationalrat verlangt, jedoch abgelehnt worden war. Deutlich stimmte der Ständerat dem Antrag zu und nahm das Verbot ins Gesetz auf, nachdem Stark betont hatte, dass eine ausschliessliche Regelung in der Verordnung, wie es bisher der Fall gewesen war, in Beschwerdeverfahren zu Rechtsproblemen führen könne. Damit wurde eine zusätzliche Differenz zur grossen Kammer geschaffen.

Im Sportbereich zeigte sich die Kommissionsmehrheit zwar mit der Umwandlung eines Teils der Darlehen in A-Fonds-perdu-Beiträge, wie sie der Bundesrat vorgeschlagen hatte, nicht aber mit den Änderungen des Nationalrats einverstanden. Die Kommission wollte nicht nur die direkt am Spielbetrieb beteiligten Angestellten, sondern alle Angestellten der Sportklubs Einkommensbeschränkungen unterstellen. Ein Minderheitsantrag Germann (svp, SH) sah jedoch vor, dass die Vereine nicht die einzelnen Löhne, sondern die durchschnittlichen Löhne, die über einem Grenzbetrag liegen, reduzieren müssen. Dadurch seien die Klubs bezüglich ihrer Lohnplanung und ihren Verträgen flexibler, argumentierte Hannes Germann. Diese Meinung teilte auch der Finanzminister, woraufhin der Ständerat den Minderheitsantrag deutlich annahm. Umstritten war überdies die Frage, ob bei den zukünftigen Mindestausgaben für Nachwuchs- und Frauenförderung die Saison 2018/2019 oder die letzten drei Saisons als Vergleichsgrösse herangezogen werden sollen. Da die Frauenförderung bei einer Konzentration auf die vorletzte Saison deutlich besser fahren würde als bei einem Vergleich mit mehreren Saisons, entschied sich der Ständerat für erstere Variante und folgte damit dem Bundesrat.

In der Folge forderten mehrere Anträge von Mitgliedern der SP oder der Grünen eine Besserstellung von Personen mit niedrigen Einkommen oder von älteren Arbeitnehmenden.
Mit einem Einzelantrag beabsichtigte Eva Herzog (sp, BS), Personen mit Nettoeinkommen unter CHF 4'000 pro Monat bereits ab einer Umsatzeinbusse von 25 Prozent – statt erst bei 55 Prozent – Erwerbsersatz auszubezahlen. Dies stelle quasi einen Kompromiss zum Antrag im Nationalrat dar, wo die Bedingung einer Umsatzeinbusse gemäss einem Minderheitsantrag gänzlich hätte abgeschafft werden sollen. Auch dieser Antrag war jedoch erfolglos. Bei der Arbeitslosenversicherung stimmte der Ständerat der Ausweitung der Kurzarbeit auf Personen in temporären und befristeten Stellen zu, lehnte aber entgegen einer Minderheit Thorens Goumaz (gp, VD) die vom Nationalrat geschaffene Rückwirkung auf Anfang September 2020 ab. Diese rückwirkende Berechnung hätte gemäss dem Finanzminister 5'000 zusätzliche Arbeitstage für die Verwaltung mit sich gebracht und dadurch zu Verzögerungen von 3 Monaten geführt. Auch eine befristete Verlängerung der Rahmenfrist für den Leistungsbezug von älteren Arbeitslosen fand trotz der mahnenden Worte von Minderheitensprecher Rechsteiner (sp, SG), wonach ausgesteuerten Personen «der Absturz in die Sozialhilfe» drohe, keine Mehrheit. Stattdessen wollte der Ständerat die Situation der älteren Arbeitslosen dadurch verbessern, dass älteren Personen, die zwischen Januar und Juli 2021 ausgesteuert werden, ebenfalls bereits Zugang zu Überbrückungsleistungen gewährt wird –, wie die Minderheit Wermuth im Nationalrat zuvor noch erfolglos gefordert hatte.

Stillschweigend verabschiedete die kleine Kammer schliesslich die Änderung am Ordnungsbussengesetz, wonach zwar Ordnungsbussen für das Verweigern des Tragens von Masken in klar abgrenzbaren Bereichen wie dem öffentlichen Verkehr, nicht aber in schlechter abgrenzbaren Bereichen wie belebten Fussgängerzonen erteilt werden können. «Für die Strafbarkeit muss klar sein, was strafbar ist und was nicht», hatte Kommissionssprecher Pirmin Bischof diese bereits vom Nationalrat eingenommene Position verteidigt.
Einstimmig verabschiedete der Ständerat in der Folge den Revisionsentwurf zum Covid-19-Gesetz zuhanden des Nationalrats.

Erste Revision des Covid-19-Gesetzes (BRG 20.084)
Dossier: Covid-19-Gesetz und Revisionen

In der Wintersession 2020 eröffnete der Ständerat das Differenzbereinigungsverfahren zum Bundesgesetz über die Datenweitergabe der Versicherungen in der obligatorischen Krankenpflegeversicherung. Die SGK-SR beantragte, die vom Nationalrat gegenüber dem ursprünglichen ständerätlichen Entwurf geschaffenen Änderungen abzulehnen, etwa bei der Frage, ob das Bundesamt den Zweck einer Datenlieferung vorgängig bekanntgeben müsse – die Definition der zulässigen Zwecke der Datenlieferungen sei ja eben genau das Ziel der Vorlage, erklärte Erich Ettlin (cvp, OW) als Kommissionssprecher und unter Nennung seiner Interessenbindung als Verwaltungsrat der CSS-Versicherung. In der Folge lehnte die kleine Kammer den entsprechenden Passus des Zweitrats stillschweigend ab. Zudem sprach sich der Ständerat gegen eine Ergänzung des Nationalrats aus, wonach die Daten nur jährlich geliefert werden sollen; zwar sei eine jährliche Datenlieferung geplant, in Ausnahmesituationen wie einer Pandemie solle sie jedoch häufiger möglich sein. Bezüglich der Lieferung von Aggregat- oder Individualdaten bestanden unterschiedliche Konzepte zwischen National- und Ständerat. Der Ständerat sah vor, üblicherweise Aggregatdaten liefern zu lassen, aber in im Gesetz vorab definierten Ausnahmesituation auch die Lieferung von Individualdaten zu ermöglichen. Der Nationalrat entschied sich hingegen für ein anderes Konzept, indem er die Aufzählung der Ausnahmesituationen des Ständerats als Liste derjenigen Situationen definierte, in welchen Aggregatdaten zu liefern seien, wie Ettlin erklärte. Gemäss dem Nationalrat sollten somit die Situationen, in denen überhaupt Daten geliefert werden, gegenüber dem ständerätlichen Vorschlag deutlich eingegrenzt werden; die Lieferung von Individualdaten sollte zudem nur noch in Ausnahmesituationen durch Anweisung des Bundesrates, sofern gleichzeitig verschiedenen Kritierien erfüllt würden, aber nicht mehr in vordefinierten Situationen, möglich sein. Diesen Konzeptwechsel lehnte der Ständerat ebenfalls ab.
Umstritten war im Rat einzig die Frage, ob aggregierte Daten auch zur Beurteilung und Überprüfung der Wirtschaftlichkeit und der Qualität der Leistungen im Bereich der Arzneimittel und den MiGeL verwendet werden sollten. Auf diesen Punkt hatte der Ständerat in der ersten Behandlungsrunde trotz eines entsprechenden Antrags des Bundesrates verzichtet, was der Nationalrat in der Folge bestätigt hatte; die Frage war somit eigentlich bereits vom Tisch. Welche zusätzlichen Daten weitergegeben werden sollen, solle der Postulatsbericht zu einer «kohärenten Datenstrategie für das Gesundheitswesen» (Po. 18.4102) zeigen, betonte Ettlin. Eine Minderheit Stöckli (sp, BE) wollte die entsprechenden Punkte ebenfalls in die Liste der zu liefernden Daten aufnehmen, da hier die Kostenexplosion besonders gross sei. «Es gilt als gut gehütetes Geheimnis, weshalb ausgerechnet in diesen beiden Bereichen die vorhandenen Daten nicht weitergeleitet werden sollen», betonte er. Auch Gesundheitsminister Berset bat um die Lieferung dieser Daten; ansonsten könnten die Empfehlungen bezüglich MiGeL mangels Daten nicht erfüllt werden. Dennoch lehnte der Ständerat den Minderheitsantrag mit 26 zu 13 Stimmen ab.

Für den Persönlichkeitsschutz auch in der Aufsicht über die Krankenversicherung

Der Bundesrat pflichtete in seiner Stellungnahme von Mitte November 2020 dem Ziel der parlamentarischen Initiative der SGK-NR bei, mit der eine Verlängerung der Übergangsregelung für Tabakprodukte im LMG erreicht werden soll. Da die Übergangsregelung am 30. April 2021 auslaufe, das neue Tabakproduktegesetz (TabPG) bis tags darauf aber noch nicht in Kraft getreten sei, würden die Tabakprodukte ab 1. Mai 2021 keiner Regelung mehr unterliegen und dürften in der Folge gemäss PrSG nicht mehr in Umlauf gebracht werden. Mit der Verlängerung der Übergangsregelung soll diese Rechtslücke verhindert werden.
In der darauffolgenden Wintersession wurde das Geschäft in beiden Räten behandelt. Yvonne Feri (sp, SG) betonte als Kommissionssprecherin im Nationalrat, der Vorlage müsse noch während der laufenden Session von beiden Kammern grünes Licht gegeben werden, um das Auslaufen der Frist zu verhindern. Erich Ettlin (cvp, OW) tat es ihr als Sprecher der SGK-SR im Ständerat gleich, währenddem er noch einmal erklärte, dass das TabPG bis im Mai 2021 noch nicht in Kraft treten könne, weil es unter anderem aufgrund der Rückweisung eines ersten Entwurfs an den Bundesrat 2016 zu Verzögerungen gekommen sei.
Angesichts der Umstände war es denn auch keine Überraschung, dass beide Räte auf die Vorlage eintraten und den Gesetzesentwurf sowohl in der Gesamtabstimmung als auch in der Schlussabstimmung einstimmig annahmen.

Verlängerung der Übergangsregelung der Tabakprodukte im Lebensmittelgesetz (Pa.Iv. 20.459)
Dossier: Tabakproduktegesetz

Anders als der Ständerat, welcher der Motion Noser (fdp, ZH) für eine Ausnahme von Anlageprodukten, die eine umweltverträgliche Entwicklung fördern, von der Verrechnungssteuer und der Stempelabgabe zugestimmt hatte, lehnte der Nationalrat die Motion ab. Im Mai 2020 hatte eine Mehrheit der WAK-NR mit 14 zu 10 Stimmen (bei 1 Enthaltung) aufgrund der schwierigen Definition von nachhaltigen Finanzprodukten Ablehnung der Motion empfohlen. Dadurch könnte einerseits Greenwashing steuerlich begünstigt werden, andererseits entstünde den Banken und Zertifizierungsstellen ein grosser Mehraufwand. Die Minderheit Walti (fdp, ZH) verwies hingegen darauf, dass die Motion der Schweiz die Möglichkeit biete, ihre Wettbewerbsfähigkeit zu steigern; das sei zudem die ideale Gelegenheit zur Ausarbeitung einer glaubwürdigen Definition. Mit 139 zu 40 Stimmen (bei 2 Enthaltungen) lehnte der Nationalrat die Motion gegen den Willen der geschlossen stimmenden FDP.Liberale- und der GLP-Fraktion ab.

Green-Finance-Produkte. Steuerstrafe beseitigen (Mo. 19.4372)

Après adoption par la chambre des cantons, la Commission des finances du Conseil national (CdF-CN) s'est penchée sur la motion Ettlin (pdc, OW). Cette dernière propose une modification de la loi sur le Contrôle des finances (LCF) afin que les entreprises partiellement privatisées ne soient plus soumises à la surveillance du Contrôle fédéral des finances (CDF). La majorité de la CdF-CN, par 22 voix contre 2, s'est opposée à la motion. Elle a d'abord rappelé que cette spécificité du CDF pour les entreprises partiellement privatisées avait été intégrée par le Conseil fédéral et validée par le Parlement dans le message sur la LCF (98.041). Puis, elle a estimé que le CDF devait pouvoir exercer son activité de révision sur les entreprises qui fournissent un service public. Finalement, la majorité a indiqué qu'une telle modification entraînerait également une limitation de la surveillance financière exercée par le Parlement.
En chambre, le Conseil national a suivi sa CdF-CN est rejeté, de justesse, la motion par 92 voix contre 87 et 2 abstentions. Afin d'obtenir le rejet de la motion, le camp rose-vert, avec respectivement 35 et 26 voix, a réussi à convaincre 12 député-e-s UDC, 3 député-e-s PLR, les 13 député-e-s Vert'libéraux et 3 dissident-e-s du groupe du Centre. Le morcellement des voix dans les parties politiques libéraux et conservateurs a donc fait pencher la balance en faveur d'un rejet.

Les entreprises de la Confédération partiellement privatisées ne doivent plus être soumises à la surveillance du Contrôle fédéral des finances (Mo. 19.4371)

Noch während der Covid-19-Pandemie beantragten die Mitte-Fraktion im Nationalrat (Mo. 20.3263) und Erich Ettlin (cvp, OW; Mo. 20.3282) im Ständerat in je einer identischen Motion, dass die Schweiz Lehren aus der Covid-19-Pandemie für das Schweizer Gesundheitssystem ziehen solle. Demnach solle der Bundesrat geeignete Massnahmen bezüglich der Beanspruchung der medizinischen Notfallversorgung aufzeigen, die Digitalisierung im Gesundheitswesen forcieren, die Finanzierung indirekter, durch Einnahmeausfälle der Leistungserbringer entstehende Kosten der Pandemie regeln, wobei nicht die Prämienzahlenden dafür aufkommen sollten, sowie den Influenza-Pandemieplan überarbeiten. «Die Covid-19-Pandemie ist und war ein Stresstest für unser Gesundheitssystem», betonte die Fraktion. Sie habe verschiedene Defizite im Gesundheitswesen aufgezeigt, die nun angegangen werden müssten.
Der Bundesrat empfahl die Motionen zur Annahme, er habe vor, die «Erfahrungen aus der aktuellen Pandemie in einem Bericht aufzuarbeiten», dabei werde er die Anliegen der Motionen umsetzen. Der Bericht könne aber erst nach Abschluss der Bewältigung der Pandemie erstellt werden. Stillschweigend nahmen National- und Ständerat die jeweiligen in ihrem Rat eingereichten Motionen im September 2020 an.

Lehren aus der Covid-19-Pandemie für das Schweizer Gesundheitssystem ziehen (Mo. 20.3263 & Mo. 20.3282)

Ein Verbot von Mandatssteuern und Parteispenden für Mitglieder der Gerichte des Bundes forderte Beat Walti (fdp, ZH) in einer parlamentarischen Initiative, die er Ende September 2020 einreichte. Die FDP wolle die «Richtersteuer abschaffen», titelte in der Folge die Aargauer Zeitung. Zwar habe die Staatengruppe gegen Korruption des Europarats (GRECO) die Schweiz bereits vor Jahren gemahnt, dass die Unabhängigkeit der Judikative gefährdet sei, weil Richterinnen und Richter einer Partei angehören müssten, aber auch weil sie ihrer Partei Abgaben zu entrichten hätten, um die eigene Wiederwahl nicht zu gefährden. Von CHF 20'000 (GP) bis CHF 30'000 (FDP) pro Jahr und Bundesrichter wusste die Aargauer Zeitung zu berichten. Bei den Grünen hätten die Einnahmen 2015 zu 10 Prozent aus Mandatsabgaben ihrer Richterinnen und Richter bestanden. Ein Verbot könne dem Eindruck entgegenwirken, dass zwischen politischen Parteien und Mitgliedern von Gerichten eine Abhängigkeit bestehe, gab Beat Walti der Zeitung zu Protokoll.
Die RK-NR gab Mitte Januar 2021 bekannt, dass sie mit der Beratung der parlamentarischen Initiative Walti noch zuwarten wolle, bis die auf die Frühjahrssession 2021 terminierten Diskussionen im Nationalrat über die Justizinitiative und über einen allfälligen indirekten Gegenvorschlag geführt worden seien.

Verbot von Mandatssteuern und Parteispenden für Mitglieder der Gerichte des Bundes (Pa.Iv. 20.468)
Dossier: Unabhängigkeit der Judikative
Dossier: Justizinitiative

Anfangs September 2020 legte die SGK-SR in ihrer Medienmitteilung ihre Erwägungen zur Motion Caroni (fdp, AR) für mehr Parteiautonomie in den Sozialversicherungen dar: Die Kommission werde sich aufgrund der zurückgezogenen Mottion Ettlin (cvp, OW; Mo. 18.3937) in Kürze ausgiebig mit der sozialen Absicherung von Selbständigerwerbenden beschäftigen und dabei auch die Frage der Parteiautonomie behandeln. Den Vorstoss lehne sie daher einerseits ab, um das Resultat dieser Diskussion nicht vorwegzunehmen. Andererseits störte sich die Kommission an der Selbstdeklaration des Status der Erwerbstätigkeit, da dies Unklarheiten schaffe und die Missbrauchsgefahr erhöhe. Ob dem Bekenntnis der Kommission, das Thema noch dieses Jahr zu behandeln, zog Andrea Caroni seine Motion in der Herbstsession 2020 zurück.

Mehr Parteiautonomie in den Sozialversicherungen

«Mehr Lebensqualität und sichere Renten für alle», forderte Ruedi Noser (fdp, ZH) im Mai 2020 in einer Motion. Noser wollte den gesetzlichen Ferienanspruch um zwei Wochen erhöhen, gleichzeitig aber auch das Rentenalter für Frauen und Männer auf 67 Jahre anheben. Damit lasse sich das Rentenalter erhöhen, ohne dass dadurch die Lebensarbeitszeit zunehme, argumentierte der Motionär. Durch die hohen aktuellen Rentenversprechen profitiere hauptsächlich die Rentnergeneration vom Produktivitätswachstum, nicht die heute aktive Generation. Zudem könne durch die Rentenaltererhöhung die Finanzierungslücke der AHV um die Hälfte reduziert sowie der Umwandlungssatz im BVG um 0.5 Prozent angepasst werden, ohne dass er gesenkt werden müsse: Durch die Rentenaltererhöhung sinkt die durchschnittliche Lebenserwartung nach der Pensionierung, wodurch das vorhandene Geld bei gleichbleibendem Umwandlungssatz länger ausreicht. Der Bundesrat beantragte die Motion zur Ablehnung. Für ihn sei ein mehrheitsfähiger Kompromiss prioritär, erklärte er und verwies auf das Projekt AHV 21. Eine generelle Rentenaltererhöhung könne die Opposition gegen dieses Projekt stärken, befürchtete er. Zudem würden die Arbeitnehmenden profitieren, während die Kompensationsmassnahme Selbständigerwerbenden und Nichterwerbstätigen keinen zusätzlichen Nutzen bringen würde.
In der Herbstsession 2020 behandelte der Ständerat die Vorlage und hatte sich sogleich mit einem Ordnungsantrag Ettlin (cvp, OW), der die Motion der SGK-SR zur Vorprüfung zuweisen wollte, auseinanderzusetzen. Die Kommission behandle im Moment die Vorlage zur AHV 21, deshalb solle diese Motion gleichzeitig und im Gesamtzusammenhang beraten werden, schlug Ettlin vor. Zudem habe sich Noser vor wenigen Tagen bei einem Fahrradunfall verletzt, auch aus Mitleid mit ihm solle der Rat doch der Überweisung zustimmen. Stillschweigend folgte der Ständerat diesem Antrag und wies die Motion der Kommission zu.

Mehr Lebensqualität und sichere Renten für alle (Mo. 20.3225)
Dossier: Erhöhung des Rentenalters

In der Herbstsession 2020 befasste sich der Nationalrat mit der Übernahme der Rechtsgrundlagen über die Einrichtung, den Betrieb und die Nutzung des SIS, nachdem die SiK-NR das Geschäft mit 15 zu 3 Stimmen (bei 7 Enthaltungen) zur Annahme empfohlen hatte. Eine Minderheit Fivaz (gp, NE) wollte nicht auf das Geschäft eintreten, eine zweite Minderheit Addor (svp, VS) verlangte die Rückweisung an den Bundesrat. Kommissionssprecher Thomas Rechsteiner (cvp, AI) begründete die Ablehnung des Antrags auf Nichteintreten in der Kommission damit, dass das SIS ein sehr erfolgreiches Instrument für die Zusammenarbeit von Migrations-, Polizei-, Zoll- und Justizbehörden in der EU und den assoziierten Schengen-Staaten sei und es einen wichtigen Beitrag zur Gewährleistung eines hohen Sicherheitsniveaus in der Schweiz leiste. Auch den Rückweisungsantrag lehnte die Kommission ab, da sie die Sorge, dass die von der Verfassung und den Gesetzen vorgegebenen Grundsätze der Landesverweisung bei der Anwendung der neuen SIS-Verordnungen verletzt werden könnten, nicht teile. Fabien Fivaz kritisierte im Namen seiner Minderheit und der Grünen Partei die zunehmend striktere Migrationspolitik und die Stärkung der polizeilichen Massnahmen der EU, die mit der Angst vor Kriminalität begründet werde. Der Vorschlag der weiteren Einschränkung der Ausländerrechte verstosse aus Sicht der Grünen zudem gegen den Grundsatz der Verhältnismässigkeit. Zudem seien die Datenschutzprobleme im Zusammenhang mit der SIS-Datenbank ebenfalls inakzeptabel. Auch der zweite Minderheitenführer, Jean-Luc Addor, verteidigte seinen Antrag. Zwar hege die SVP wenig Sympathie für das Schengen-System, man wolle aber für die Sicherheit der Bürgerinnen und Bürger trotzdem auf das Geschäft eintreten. Eine Rückweisung sei gemäss Addor aber unumgänglich, da die Schweiz ihre legislative Autonomie zu verlieren drohe, weil man bei der Frage der Landesverweisungen der Praxis des EuGH unterstünde. Bundesrätin Karin Keller-Sutter beschwichtigte, dass der Datenschutz beim Erarbeitungsprozess umfassend berücksichtigt worden sei und man für die Umsetzung in Schweizer Recht auch den EDÖB involviert habe. Sie wies zudem darauf hin, dass für die Umsetzung der Schengen-Weiterentwicklung eine Frist von zwei Jahren gelte, die aufgrund der Verschiebung im parlamentarischen Prozess bereits um fünf Monate überzogen worden sei. Hinsichtlich der Minderheit Addor machte die Bundesrätin klar, dass die Vorlage keine Auswirkung auf die Anordnung einer Landesverweisung habe, die weiterhin autonom von der Schweiz ausgesprochen würde. Der Rat beschloss mit 154 zu 33 Stimmen (bei 3 Enthaltungen) auf das Geschäft einzutreten und lehnte den Rückweisungsantrag mit 140 zu 51 Stimmen (bei 0 Enthaltungen) ab.
In der Folge lehnte der Rat einen weiteren Minderheitsvorschlag der SVP ab, der eine Nichtanwendung der Rückführungsrichtlinie auf die strafrechtliche Landesverweisung vorsah. Mehrere Minderheiten der SP und Grünen forderten verschiedene Änderungen, unter anderem zu Einreiseverboten, Sozialhilfe und Datenschutz. Bundesrätin Keller-Sutter versuchte die Argumente der Minderheiten mit ihren Ausführungen zu entkräften, was zumindest teilweise gelang, da sämtliche Minderheiten abgelehnt wurden. Die Fraktionen der Minderheitsführenden konnten sich jedoch in der Gesamtabstimmung durchsetzen, in welcher der Entwurf mit 79 zu 74 Stimmen (bei 38 Enthaltungen) knapp abgelehnt wurde. Die Nein-Stimmen stammten von der SVP und der Grünen Partei, während sich die SP fast gänzlich enthielt.
Damit nahm der Nationalrat eine Konfrontation mit der EU in Kauf, da die Schweiz als Schengen-Staat zur Übernahme des neuen EU-Rechts verpflichtet ist. Die FDP übte am Tag darauf lautstark Kritik an der SVP und vor allem an der SP. Beat Walti (fdp, ZH) warf der SP vor, «auf verantwortungslose Weise mit der Sicherheit der Schweiz zu taktieren», und die NZZ schrieb von einem «Coup der Sozialdemokraten». Die eigentliche Frist im November 2020 sei sowieso nicht mehr zu erreichen und mit dem taktischen Spiel der SP und dem Nein im Nationalrat werde sich die Umsetzung noch weiter verzögern, so die Zeitung weiter.

Weiterentwicklung des Schengen-Besitzstandes: Schengener Informationssystem

Obwohl die Leistungserbringenden im Tiers payant die Pflicht hätten, den Patientinnen und Patienten Rechnungskopien zuzustellen, verzichten einige von ihnen systematisch darauf und verunmöglichen dadurch die Kontrolle der Rechnungen durch die Patientinnen und Patienten. Entsprechend forderte Lorenz Hess (bdp, BE) in einer Motion die Schaffung einer Möglichkeit im KVG, Leistungserbringende, die systematisch auf die Sendung von Rechnungskopien verzichten, mit einem Intransparenzabzug – zum Beispiel in der Höhe von CHF 40 pro Rechnung – zu belegen. Der Bundesrat verwies in seiner Antwort auf das erste Kostendämpfungspaket, welches die bisher in der KVV aufgeführte Pflicht zur Zustellung einer Rechnungskopie ins KVG aufnehmen und klarer definieren sowie Sanktionsmassnahmen festlegen will. Entsprechend empfahl er die Motion zur Ablehnung. Obwohl der erste Teil des Kostendämpfungspakets I, der die Frage der Rechnungszustellung beinhaltete, in der Zwischenzeit vom Nationalrat behandelt und mit einigen Änderungen angenommen worden war, sprach sich der Nationalrat mit 187 zu 1 Stimme (bei 1 Enthaltung) fast einstimmig für Annahme der Motion aus. Nicht überzeugt zeigten sich einzig Alfred Heer (svp, ZH; Ablehnung) und Beat Walti (fdp, ZH; Enthaltung).

Intransparenzabzug für Leistungserbringer, die den Patienten keine Rechnungskopie zustellen (Mo. 18.3777)

Der Ständerat behandelte das Covid-19-Gesetz gleich am Folgetag der entsprechenden nationalrätlichen Debatte, was dazu führte, dass der Kommission und den einzelnen Ratsmitgliedern nur sehr wenig Zeit für die Vorbereitung blieb. Probleme bereiteten der Kommission insbesondere die vom Nationalrat gutgeheissenen Einzelanträge, da sie diese erst am Morgen vor der Ratsdebatte behandeln konnten. Kommissionssprecher Rechsteiner (sp, SG) nannte die Situation entsprechend «herausfordernd, aber auch nicht völlig ungewöhnlich», zumal die Themen «überblickbar» seien. Anders sah dies Thomas Minder (parteilos, SH), der das Geschäft zu einem «Fauxpas der gröberen Sorte» erklärte, was er unter anderem auf die gedrängte Behandlung bezog. Eintreten war jedoch unbestritten.

Zuerst setzte sich der Ständerat in der Detailberatung mit einem Ordnungsantrag Minder auseinander, der auf dem zweiten Teil seiner Kritik beruhte: Der Schaffhauser Ständerat befürchtete, dass die Breite des Gesetzes die Einheit der Materie verletze. Er zeigte sich besorgt, dass die Stimmbürgerinnen und Stimmbürger bei einer so breiten Vorlage in einem drohenden Referendum ihrer freien Willensäusserung nicht nachkommen könnten. Entsprechend reichte er einen Splittingantrag ein, bei dem er die Primärmassnahmen, also die Massnahmen zur Bekämpfung der Epidemie, von den Sekundärmassnahmen, also den Massnahmen zur Bewältigung der Folgeprobleme, trennen wollte. Mit der Ansicht, dass die Zusammenfassung solch unterschiedlicher Aspekte in einem Gesetz problematisch sei, war Minder nicht alleine. Zahlreiche Sprechende pflichteten ihm diesbezüglich bei, selbst Kommissionssprecher Rechsteiner sprach von einem «gesetzgeberischen Birchermüesli». Dennoch fand die vorgeschlagene Lösung des Splittings bei der Ratsmehrheit wenig Anklang: Damit vereinfache man die Wahrnehmung der politischen Rechte nicht, sondern erschwere sie zusätzlich, argumentierte etwa Carlo Sommaruga (sp, GE). Zudem gebe man der Stimmbevölkerung erst recht das Gefühl, dass man sie an ihrer Mitsprache hindern wolle, weil sie dadurch zwei Referenden ergreifen müsste, ergänzte Paul Rechsteiner für die Kommission. Bundeskanzler Thurnherr erklärte, dass sich der Bundesrat durchaus überlegt habe, die Vorlage in viele einzelne dringliche Bundesbeschlüsse aufzuspalten, sich aber dagegen entschieden habe, weil das zu wenig übersichtlich gewesen wäre. Mit 30 zu 7 Stimmen lehnte der Ständerat in der Folge den Antrag Minder ab.

Bei der Detailberatung lag auch dem Ständerat eine Vielzahl an Anträgen vor (20 Mehrheits-, 13 Minderheits- und 10 Einzelanträge) und wiederum war bereits der Artikel zum Gegenstand des Gesetzes umstritten. Hier behandelte der Ständerat einen neuen Einzelantrag Caroni (fdp, AR), der explizit festhalten wollte, dass der Bundesrat die entsprechenden Befugnisse nur soweit wahrnehmen dürfe, wie eine Problematik wirklich dringlich sei. Wann immer möglich, solle er jedoch den ordentlichen oder dringlichen Gesetzgebungsprozess einhalten. Kommissionssprecher Rechsteiner erachtete die Bestimmung als überflüssig und befürchtete überdies, dass sie zu Missverständnissen führen könnte. So gebe es durchaus Massnahmen, von denen man wolle, dass sie der Bundesrat selbständig umsetze, zum Beispiel die Beschaffung von Gesundheitsmaterial. Bundeskanzler Walter Thurnherr erachtete den Zusatz zwar ebenfalls als unnötig, er sei aber auch nicht schädlich, «weil wir nichts anderes vorhaben als das». Mit 24 zu 15 Stimmen nahm die kleine Kammer den Antrag Caroni an und schuf damit eine erste Differenz zum Nationalrat.
Darüber hinaus diskutierte nach dem Nationalrat auch der Ständerat über die Frage, ob die Dachverbände der Sozialpartner und die Verbände der Gemeinden und Städte ausdrücklich ins Gesetz aufgenommen werden sollten. Die Kommissionsmehrheit lehnte diese Änderung durch den Nationalrat ab, eine Minderheit Germann (svp, SH) befürwortete sie. So betonte Germann unter Nennung seiner Interessenbindung als Präsident des Gemeindeverbandes, dass die Massnahmen gerade in den Bereichen der Kinderkrippen, der Unterstützung des öffentlichen Verkehrs oder der Kulturhilfen die Gemeinden durchaus betreffe und dass diese entsprechend auch angehört werden sollten. Mit 23 zu 16 Stimmen folgte der Ständerat jedoch der Kommissionsmehrheit und schuf damit eine weitere Differenz zum Erstrat. Die übrigen Änderungen des Nationalrats, wie die Information der Parlamentsorgane und die Orientierung der Entscheidungen an den vorhandenen Daten, hiess der Ständerat stillschweigend gut. Umstritten war hingegen die Frage, ob temporär die Bundeskanzlei einen Teil der Stimmrechtsbescheinigungen bei den Gemeinden einholen solle, wie der Nationalrat entschieden hatte. Die Kommissionsmehrheit lehnte dies ab. Der Bundeskanzler betonte, dass Initiativen und Referenden nicht nur aufgrund erschwerter Bedingungen nicht zustandekämen, in den letzten zehn Jahren seien 40 Prozent der Initiativen an der Unterschriftensammlung gescheitert. Ziel des bestehenden Gesetzes sei, dass die Referendumskomitees «selber die Verantwortung dafür übernehmen, wie viele Unterschriften sie haben». Ein Einzelantrag Vara (gp, NE) wollte diesbezüglich hingegen dem Nationalrat folgen: Damit könne man der Zivilgesellschaft zeigen, dass man ihre Anliegen anerkenne, zudem sei es die Pflicht der Politikerinnen und Politiker, die demokratischen Rechte auch unter schwierigen Bedingungen zu gewährleisten, betonte die Minderheitensprecherin. Mit 18 zu 17 Stimmen (bei 2 Enthaltungen) teilte der Rat diese Meinung mehrheitlich und folgte diesbezüglich dem Nationalrat.

Besonders umstritten waren im Ständerat, wie bereits im Nationalrat, die Massnahmen im Kulturbereich. Hier entschied sich der Ständerat mit 26 zu 14 Stimmen für den Vorschlag der Kommission, insgesamt nur CHF 80 Mio. anstelle der vom Nationalrat festgesetzten und von einer Minderheit Graf (gp, BL) vorgeschlagenen CHF 100 Mio. für Leistungsvereinbarungen der Kantone bereitzustellen.
Bei den Sportvereinen schlug die Kommission vor, die vom Nationalrat angenommenen Darlehen ebenfalls zu ermöglichen, jedoch von den Vereinen Sicherheiten im Umfang von 35 Prozent statt 25 Prozent zu verlangen und keine Möglichkeit für Rangrücktritte durch den Bund – also für eine Einwilligung des Bundes, dass seine Forderungen im Falle einer Insolvenz letzte Priorität hätten – vorzusehen. Eine Minderheit Germann wollte in beiden Punkten dem Nationalrat folgen. Für die Klubs seien diese Fragen entscheidend, da eigentlich bereits Sicherheiten von 25 Prozent über ihrer Schmerzgrenze lägen. Wenn der Betrag zudem ohne Rangrücktritte gewährt würde, müsste er als Fremdkapital angerechnet werden, wodurch sich die Klubs womöglich bereits zur Überschuldung anmelden müssten. Stattdessen solle eine Kann-Formulierung geschaffen werden, so dass der Bund immer noch entscheiden könne, ob ein Verein bereits hoffnungslos verloren sei oder nicht. Mit letzterem Kommentar nahm er eine Kritik des Bundeskanzlers auf, der mit Bezug auf die Position des VBS und des BASPO erklärt hatte, dass ein Verein, der keine Sicherheiten im Umfang von 35 Prozent aufbringen könne, auch kein Darlehen erhalten solle. Mit 25 zu 13 Stimmen sprach sich der Ständerat für die tieferen, vom Nationalrat vorgeschlagenen Sicherheiten von 25 Prozent aus, lehnte hingegen die Rangrücktritte mit 19 zu 19 Stimmen bei Stichentscheid durch Präsident Stöckli ab.

Besonders umstritten waren die Härtefallmassnahmen für Unternehmen. Kommissionssprecher Rechsteiner betonte, dass der Bundesrat dabei sei, mit dem SECO, der EFV und den Kantonen abzuklären, wie dieser Härtefallfonds aussehen soll. Anstatt jedoch die Ergebnisse dieses Prozesses und den entsprechenden Gesetzesvorschlag in der Wintersession 2020 abzuwarten, habe der Nationalrat die Rechtsgrundlage geschaffen, «bevor das Projekt reif ist». Nun wisse man daher nicht, was die vorgeschlagenen Regelungen kosten würden. Da die Regelung nun aber bereits auf dem Tisch lag, versuchte der Ständerat das Beste daraus zu machen und ergänzte weitere Bestimmungen. So verlangte die Kommissionsmehrheit eine «entsprechende» finanzielle Beteiligung der Kantone, während eine Minderheit I Bischof (cvp, SO) diese Beteiligung auf den Wohnsitzkanton beschränken wollte. Eine Minderheit II Germann wollte eine ähnliche Bestimmung schaffen, wie sie der Nationalrat am Vortrag aufgrund des Einzelantrags Paganini (cvp, SG) angenommen hatte. Entsprechend sei der jetzige Antrag eher eine Ergänzung der nationalrätlichen Bestimmung, quasi ein Absatz 1bis, betonte Carlo Sommaruga, worauf Germann seine Minderheit auf die Streichung der Kann-Bestimmung für die Unterstützung verkürzte. Zusätzlich wollte die Minderheit II Germann ausdrücklich auch A-fonds-perdu-Beiträge ermöglichen. Ein Einzelantrag Ettlin (cvp, OW) wollte schliesslich sicherstellen, dass nur Unternehmen unterstützt würden, die vor Ausbruch der Krise wirtschaftlich gesund waren, und dass es keine doppelte Unterstützung für die Unternehmen durch verschiedene Massnahmen geben würde. Der Ständerat entschied sich hier für eine ausführlichere Regelung zu den Härtefallmassnahmen, nahm alle drei Minderheits- und Einzelanträge an (Antrag Bischof: 31 zu 8 Stimmen bei 1 Enthaltung; Antrag Germann: 23 zu 17 Stimmen; Antrag Ettlin: 38 zu 0 Stimmen bei 1 Enthaltung) und löste die dafür nötige Ausgabenbremse ohne Gegenstimmen. Damit war er auch einem Vorschlag von Ratspräsident Stöckli (sp, BE) gefolgt, dem Antrag Ettlin zuzustimmen, damit man diese Frage im Differenzbereinigungsverfahren noch genauer diskutieren könne.

Ähnlich umstritten waren die Regelungen zum Erwerbsersatz. Bezüglich der Möglichkeiten auf EO wollte der Ständerat noch einen Schritt weitergehen als der Nationalrat, der diese bereits auf massgebliche Einschränkung der Erwerbstätigkeit ausgedehnt hatte. Der Ständerat wollte aber zusätzlich auch die Kann-Formulierung der entsprechenden Regelung streichen, während eine Minderheit Hegglin (cvp, ZG) den engeren bundesrätlichen Vorschlag befürwortete. Es sei bereits mit der jetzigen Lösung für die Vollzugsstellen schwierig, die Erfüllung der Anspruchsvoraussetzung zu prüfen, betonte er. Bundekanzler Thurnherr kritisierte einerseits die unklaren, aber vermutlich sehr hohen Ausgaben, die für die EO durch die Ausdehnung auf «Hunderttausende mehr» entstünden, und andererseits die unklare Formulierung der Regelung. Äusserst knapp folgte der Ständerat diesbezüglich der Minderheit Hegglin und dem Bundeskanzler und übernahm die Formulierung des Bundesrates mit 20 zu 19 Stimmen. Sehr kritisch zeigte sich der Bundeskanzler auch gegenüber der Idee, die EO auch für Selbständigerwerbende zu öffnen, da es «einfach nicht möglich [sei] zu überprüfen, ob eine selbständigerwerbende Person einen teilweisen Erwerbsausfall erleidet oder nicht». Damit öffne man Missbrauch «Tür und Tor». Die Kommissionsmehrheit wollte den entsprechenden, vom Nationalrat ergänzten Passus streichen, während eine Minderheit Graf diesbezüglich dem Nationalrat folgen wollte. Mit 21 zu 18 Stimmen sprach sich der Rat gegen den Einbezug der Selbständigerwerbenden aus. Stillschweigend lehnte er überdies eine Obergrenze des anzurechnenden Betrags von CHF 90'000, die Möglichkeit für den Bundesrat, Bestimmungen zu den anspruchsberechtigten Personen erlassen zu können, die Pflicht, den Erwerbsausfall nachzuweisen, und die Festlegung der Auszahlung durch Selbstdeklaration ab. Stattdessen nahm er einen Verweis auf die Regelung zur Erlöschung der Ansprüche und zur Verfügung im ATSG vor. Äusserst knapp lehnte die kleine Kammer mit 19 zu 19 Stimmen und Stichentscheid des Präsidenten auch die Verlängerung der Nutzung der Arbeitgeberreserven durch die Arbeitgeber ab, nachdem ein Einzelantrag Gmür-Schönenberger (cvp, LU) diese entgegen dem Antrag der Kommissionsmehrheit aufrechterhalten wollte. Andrea Gmür-Schönenberger hatte argumentiert, dass dadurch den Arbeitgebenden geholfen werden könne, ohne dass jemand belastet würde.

In Zusammenhang mit der Regelung zur EO standen gemäss dem Kommissionssprecher die Entschädigungen für Lohnzahlungen von Unternehmen an ihre Mitarbeitenden im Zuge von Covid-19-Massnahmen des Bundes. Der Nationalrat hatte sich für eine solche Entschädigung entschieden und eine Minderheit Carobbio Guscetti (sp, TI) wollte diesem Beispiel folgen, die SGK-SR-Mehrheit empfahl hingegen deren Ablehnung. Da es sich bei einer vom Bund verhängten Quarantäne in der Praxis um ein Arbeitsverbot handle, müsse der Bund die Unternehmen für die anfallenden Lohnkosten entschädigen, betonte Marina Carobbio Guscetti. Kommissionssprecher Rechsteiner entgegnete, dass für gefährdete Personen nicht in erster Linie eine Quarantäne, sondern Massnahmen, welche eine Weiterarbeit der Betroffenen erlaube (wie zum Beispiel Homeoffice), angeordnet würden. Durch die vorgeschlagene Regelung hätten die Arbeitgebenden jedoch einen Anreiz, die Mitarbeitenden an der Arbeit zu hindern, anstatt sie dabei zu schützen. Mit 24 zu 13 Stimmen lehnte der Rat den Minderheitsantrag ab.

Bei den Massnahmen zur ALV lehnte die Kommission die Ausdehnung der EO auf Personen auf Abruf, in Arbeitsverhältnissen auf Dauer, in Lehrverhältnissen sowie im Dienste von Temporärfirmen ab, wie sie der Nationalrat zuvor hinzugefügt hatte. In einem Einzelantrag machte sich Marina Carobbio Guscetti dafür stark, diese Ausdehnung beizubehalten, um diese Personen, in «prekären Arbeitsverhältnissen» zu unterstützen. Bundeskanzler Thurnherr argumentierte einerseits, dass Temporärarbeit sehr missbrauchsanfällig sei, und befürchtete andererseits, dass diese Arbeitsverhältnisse durch eine solche Besserstellung noch gefördert würden. Mit 26 zu 13 Stimmen folgte der Rat den Ausführungen des Bundeskanzlers und dem Antrag der Kommission. Auch zwei Minderheitsanträge Graf, die Vorschläge aus dem Erstrat aufnahmen, waren nicht erfolgreich: Mit 25 zu 14 Stimmen lehnte der Ständerat einen höheren Lohnersatz bei tiefen Löhnen (entsprechend dem Minderheitsantrag Maillard (sp, VD) im Nationalrat) ab, mit 25 zu 14 Stimmen (bei 1 Enthaltung) sprach er sich gegen die finanzielle Unterstützung von familienergänzenden Institutionen (gemäss den Anträgen Feri (sp, AG) und Weichelt-Picard (al, ZG) im Nationalrat) aus.

Die übrigen Massnahmen waren deutlich weniger umstritten. Bei den Massnahmen im Bereich der Gesundheitsversorgung schlug Jakob Stark (svp, TG) in einem Einzelantrag vor, den Personen, die sich vor einem durch diesen Artikel ausgelösten Impfobligatorium und der Zulassung von ausserordentlich zugelassenen Impfungen fürchteten, entgegenzukommen und ihren Bedenken Rechnung zu tragen, indem man ausdrücklich festhalten sollte, dass im Ausnahmeverfahren zugelassene Impfstoffe nicht dem Impfobligatorium gemäss Epidemiengesetz (Art. 6, Absatz 2 Buchstabe d) unterliegen sollen. Damit könnte die Akzeptanz des Gesetzes erhöht werden, betonte er. Von diesem Vorschlag zeigte sich Kommissionssprecher Rechsteiner gar nicht überzeugt. Die Annahme dieses Antrags wäre ein «Eigengoal erster Güte», betonte er. Das Covid-19-Gesetz habe «null und nichts» mit Impfen zu tun, es gehe lediglich um die vereinfachte Zulassung von Arzneimitteln, nicht von Impfstoffen. Bundeskanzler Thurnherr betonte zudem, dass es beim Impfobligatorium gemäss Epidemiengesetz ausschliesslich um Personen mit Betreuungsfunktionen gehe. Zudem sei eine vereinfachte Zulassung von Impfstoffen aufgrund der Konzeption des Heilmittelgesetzes nicht möglich, wie ihm das BAG versichert habe. Mit 33 zu 6 Stimmen lehnte der Ständerat den Antrag Stark in der Folge ab.
Ständerat Minder beantragte überdies, die Möglichkeit des Bundesrates zur Direktvermarktung von wichtigen medizinischen Gütern aus dem Gesetz zu streichen. Dass während der Corona-Krise zu wenig medizinische Güter wie Desinfektionsmittel vorhanden gewesen seien, heisse nicht, dass der Staat für deren Vermarktung zuständig sein und damit die freie Privatwirtschaft konkurrenzieren solle, kritisierte er. Der Bundeskanzler betonte jedoch, dass es hier lediglich darum gehe, dass der Bund, wenn er wie im Frühling Güter beschaffen müsse, diese bei der Rückkehr zur normalen Lage auch dann an die Verbraucher im Gesundheitswesen oder die Kantone abgeben könne, wenn er dafür Marktpreise gezahlt hatte. Es würden aber keine medizinischen Güter direkt an die Endkunden verkauft. Mit 33 zu 6 Stimmen lehnte der Ständerat den Antrag Minder ab.
Dann wollte die SGK-SR die Möglichkeit des Bundesrates, medizinische Tätigkeiten einzuschränken oder zu verbieten, nur auf Fälle beschränken, die nicht dringend sind und deren Aufschub keine Konsequenzen für die Gesundheit der Patientinnen und Patienten mit sich bringen. Diesen Punkt wolle man einfach explizit im Gesetz ausführen, betonte Kommissionssprecher Rechsteiner. Der Bundeskanzler zeigte sich von der Formulierung nicht begeistert: Entweder gebe es «keine nicht dringlichen Eingriffe, deren Nichtausführung schädliche Konsequenzen beim Patienten nach sich» zögen, weil sie sonst ja dringlich wären, oder alle möglichen Konsequenzen einer Nichtbehandlung würden einen sofortigen Eingriff nötig machen. Mit 31 zu 1 Stimme (bei 1 Enthaltung) sprach sich der Ständerat dennoch für die Präzisierung aus. Alle übrigen Änderungen des Nationalrats hiess der Ständerat stillschweigend gut.

In der Ausländer- und Asylpolitik wurden einige im Nationalrat abgelehnte Forderungen wieder aufs Tapet gebracht. So schlug die Kommission entsprechend dem Minderheitsantrag Crottaz (sp, VD) im Nationalrat vor, die Fristerstreckung auf weitere Bereiche auszudehnen, was der Rat stillschweigend annahm. Ohne Diskussion sprach sich der Rat auch für die vom Nationalrat geschaffene Ausnahme für Familiennachzug und Konkubinate aus. Eine Minderheit Sommaruga wollte zudem mit einer sehr offenen Formulierung festhalten, dass der Bundesrat bei Grenzschliessung die Reisefreiheit der Grenzgängerinnen und Grenzgänger sowie der Einwohnerinnen und Einwohner des Grenzgebiets «bestmöglich» gewährleistet. Damit wolle er der im Frühjahr aufgetretenen Problematik Rechnung tragen, als viele Personen Probleme bekamen, zum Beispiel weil sie auf der anderen Seite der Grenze arbeiteten, zur Schule gingen oder Familienmitglieder besuchen wollten. Dem pflichteten Maya Graf und Charles Juillard (cvp, JU) als weitere Vertretende von Grenzregionen bei, während Marco Chiesa aus gegenteiliger Perspektive des Tessins vertrat: Im Tessin sei man vielmehr hilflos gewesen, weil die Grenzen nicht hatten geschlossen werden können. Mit 28 zu 10 Stimmen (bei 1 Enthaltung) stimmte der Rat dem Antrag Sommaruga zu.

Bei den insolvenzrechtlichen Massnahmen schlug die Kommission vor, dass der Bundesrat neben dem Nachlassvertrag und der Stundung auch bei der Anzeigepflicht bei Kapitalverlust und Überschuldung vom Gesetz abweichende Regeln erlassen können soll. Der Bundeskanzler sprach sich im Namen des Bundesrates aufgrund des Gläubigerschutzes gegen diesen Antrag, der mit einer Motion Ettlin (Mo. 20.3418) übereinstimme, aus. Der Gläubigerschutz sei mit der entsprechenden Sofortmassnahme eingeschränkt worden, nun könne man diese Massnahme aber nicht beliebig lange fortsetzen. Auch in der Vernehmlassung seien entsprechende Bedenken geäussert worden. Mit 31 zu 5 Stimmen nahm der Ständerat den Vorschlag dennoch an. Stattdessen strich der Ständerat auf Antrag der Kommission stillschweigend die vom Nationalrat geschaffene Möglichkeit, die Haftung von Transporteuren für die Zollschuld bei Konkursen der Empfänger oder Importeure wegen Covid-19 zu streichen.

Zum Abschluss der Debatte behandelte der Rat noch einen Einzelantrag Stark, der das Covid-19-Gesetz nur bis Ende September 2021, statt wie vom Bundesrat vorgeschlagen bis Ende Dezember 2021 laufen lassen wollte. Da die Covid-19-Krise im Sommer 2021 mit grosser Wahrscheinlichkeit vorbei sein werde, solle das Gesetz nicht noch bis Ende Jahr gültig bleiben, argumentierte Jakob Stark. Durch die verkürzte Gültigkeit sende man der Schweizer Bevölkerung ein positives Signal, dass man das Notrecht zeitlich möglichst begrenzt halten wolle. Mit 30 zu 8 Stimmen folgte der Ständerat jedoch der Kommissionsmehrheit und beliess die Frist bei Ende 2021.
Mit 33 zu 1 Stimme (bei 4 Enthaltungen) sprach sich schliesslich die überwiegende Mehrheit des Ständerats für das Covid-19-Gesetz aus. Die ablehnende Stimme stammte von Thomas Minder (parteilos, SH) und die Enthaltungen von Mitgliedern SVP und einem Mitglied der CVP.

Bundesgesetz über die gesetzlichen Grundlagen für Verordnungen des Bundesrates zur Bewältigung der Covid 19-Epidemie (Covid-19-Gesetz; BRG 20.058)
Dossier: Covid-19-Gesetz und Revisionen

In der Herbstsession 2020 behandelte der Ständerat das von der SGK-NR geschaffene Paket 1a des Massnahmenpakets zur Kostendämpfung im Gesundheitswesen, das die weniger umstrittenen Teile des ersten Massnahmenpakets des Bundesrats beinhaltete. Nachdem er ohne Gegenantrag auf die Vorlage eingetreten war, schuf er einige Differenzen zum Erstrat.
Nur eine kleine Änderung gegenüber der nationalrätlichen Version nahm der Ständerat, in Übereinstimmung mit seiner Kommission, bei der Frage der Rechnungsstellung im Tiers payant-System vor. Hier ergänzte er stillschweigend einen Passus, wonach die Versicherungen und die Leistungserbringenden abmachen können, dass die Versicherung für die Übermittlung der Rechnungen zuständig sein soll. Mit der Änderung des Nationalrats, wonach die Rechnungen auch elektronisch verschickt oder auf einem Webportal hinterlegt werden können, zeigten sich die Ständerätinnen und Ständeräte hingegen einverstanden.
Für deutlich mehr Diskussionen sorgte die Frage der Behandlungstarife, insbesondere die Patientenpauschaltarife bei ambulanten Behandlungen, gemäss Kommissionssprecher Pirmin Bischof (cvp, SO) «ein Herzstück der Vorlage». Neu sollen gemäss Bundesrat vereinbarte Patientenpauschaltarife auf einer gesamtschweizerisch vereinbarten einheitlichen Tarifstruktur beruhen müssen, erklärte Bischof. Die Tarife müssten zwar nicht schweizweit identisch sein, wohl aber die in der Rechnung aufgeführten Teile einer Behandlung. Dies habe den Vorteil, dass die Rechnungen gesamtschweizerisch vergleichbar seien. Nachteilig sei hingegen, dass kantonale Differenzen in der Struktur nicht mehr möglich seien. Der Vorteil dieser Änderung liege gemäss Marina Carobbio Guscetti (sp, TI) auch darin, dass man damit das Risiko einer Mengenausweitung reduzieren könne. «Je mehr man verrechnet, desto mehr verdient man.» Eine Minderheit Müller (fdp, LU) beantragte, auf die Schaffung dieser Patientenpauschalen zu verzichten. Bereits heute gebe es solche Pauschalen und sie würden auch bei ambulanten Behandlungen angewendet. Da sich die Behandlung aber zwischen den verschiedenen Patientinnen und Patienten stark unterscheide, würde eine Vereinheitlichung zu einer Übervergütung von einfachen und zu einer Untervergütung von komplizierten Fällen, welche häufig bei kränkeren und sozial schwächeren Patientinnen und Patienten auftreten, führen. Obwohl die Minderheit Müller in der Kommission mit 8 zu 3 Stimmen (bei 1 Enthaltung) unterlegen war, meldeten sich mit Brigitte Häberli-Koller (cvp, TG), Erich Ettlin (cvp, OW), Hannes Germann (svp, SH) und Josef Dittli (fdp, UR) deutlich mehr Kommissionsmitglieder im Namen der Minderheit zu Wort. Einen ganz anderen Aspekt der Regelung stellte Gesundheitsminister Berset in den Mittelpunkt: Für ihn liege der zentrale Unterschied zur heutigen Regelung darin, dass der Bundesrat neu subsidiär eingreifen könne, wenn sich die Tarifpartner nicht auf eine Tarifanpassung einigen könnten. Mit 22 zu 21 Stimmen setzte sich die Minderheit in dieser Frage jedoch knapp durch, der Ständerat lehnte damit die Schaffung einer Patientenpauschale ab.
Eine weitere offene Frage bezüglich der Behandlungstarife betraf die Schaffung einer nationalen Tariforganisation im ambulanten Bereich, entsprechend der Swiss DRG im stationären Bereich, die für die Erarbeitung und Weiterentwicklung der Tarifstrukturen zuständig sein sollte. Hier sei man sich mehrheitlich einig, betonte Bischof, offen sei lediglich noch die Frage der Organisationshoheit. Solle der Bundesrat über die Organisationsform entscheiden, dabei erst eine Konsultation durchführen oder gar nur subsidiär zuständig sein, wenn sich die Leistungserbringenden und Versicherungen nicht einigen können? Letzteres schlug die SGK-SR vor. Bundesrat Berset stellte zudem in seiner Antwort auf eine Frage von Charles Juillard (cvp, JU) fest, dass ausschliesslich Tarifpartner in der Organisation vertreten sein würden und die Kantone somit darin erst mitwirken könnten, wenn EFAS angenommen worden sei und die Kantone somit ebenfalls für die ambulante Behandlung zuständig wären. Stillschweigend folgte der Ständerat in diesem Punkt dem Vorschlag seiner Kommission.
Ein weiterer umstrittener Aspekt der Tariffrage betraf die Finanzierung von Rechnungsprüfungen, welche die Patientenorganisationen durchführen sollten, durch das EDI. Die Kommissionsmehrheit wollte diesen vom Nationalrat eingefügten Punkt aus der Vorlage streichen, eine Minderheit Carobbio Guscetti wollte ihn beibehalten. Natürlich sollten sich Patientinnen und Patienten von externen Organisationen beraten lassen können, der Bund solle sich dabei aber nicht an der Finanzierung dieser Dienstleistung beteiligen, zumal eine solche Finanzhilfe nur eine zusätzliche Kontrolleinheit bedeuten würden, erklärte Kommissionssprecher Bischof. Minderheitensprecherin Carobbio Guscetti betonte hingegen, dass die anfangs eingesetzte Expertengruppe einen ähnlichen Vorschlag gemacht habe und die GDK das Anliegen unterstütze. Nicht abgeneigt gegenüber der Finanzierung zeigte sich auch Bundesrat Berset, für den die Massnahme nicht im Widerspruch zur Strategie des Bundesrates stand. Mit 28 zu 13 Stimmen (bei 1 Enthaltung) sprach sich der Ständerat aber gegen die Finanzierung aus und schuf damit eine weitere Differenz zum Nationalrat.
Schliesslich stand noch der Experimentierartikel im Raum, gemäss Bischof der «zweite Kernartikel dieser Vorlage». Die SGK-SR wollte den nationalrätlichen Vorschlag um die Möglichkeit, experimentelle Projekte zur Förderung der Digitalisierung durchführen zu können, ergänzen. Streichen wollte sie hingegen Projekte zur Einschränkung der freien Arztwahl. Eine weitere Minderheit Müller schlug indes vor, vollständig auf den Katalog mit möglichen Bereichen, in denen Projekte durchgeführt werden können, zu verzichten. Ohne Katalog könnten auch Projekte durchgeführt werden, welche Grundrechtseingriffe enthielten, erklärte Bischof den Widerstand der Kommissionsmehrheit gegen diesen Vorschlag. Die betroffenen Patientinnen und Patienten hätten keine Möglichkeit, sich gegen die Projekte zu wehren. Gesundheitsminister Berset sprach sich vehement gegen den Minderheitsantrag und die Streichung des Katalogs aus. Der Bundesrat und die Verfassungsrechtsexperten des Bundes seien sich einig, dass dies gegen Artikel 5 Absatz 1 der Bundesverfassung verstosse, wonach das Recht Grundlage und Schranke staatlichen Handelns darstelle. Damit würden die möglichen Experimente keine Grenzen kennen. So könnten zum Beispiel für die Bevölkerung eines Kantons die Hälfte des Leistungskatalogs gestrichen, die Franchise auf CHF 10'000 erhöht oder risikobezogene Prämien eingeführt werden. Paul Rechsteiner (sp, SG) kritisierte des Weiteren, dass die freie Arztwahl auf der Liste möglicher Projekte aufgeführt sei: Die Einschränkung der freien Arztwahl sei ein fundamentaler Systemeingriff, der Grundrechtsdimensionen betreffe und entsprechend per Gesetz zu entscheiden sei. Man solle den «Akteuren im Gesundheitswesen [nicht] per Gesetz abschliessend vorschreiben, wo sie experimentieren können», betonte hingegen Minderheitensprecher Müller. Innovation entstehe «relativ chaotisch», ergänzte Erich Ettlin (cvp, OW). Zudem könne ja das EDI die Pilotprojekte bewilligen, müsse es aber nicht. Mit diesen Argumenten setzte sich die Kommissionsminderheit durch: Mit 23 zu 19 Stimmen sprach sich der Ständerat gegen die Einschränkung der Experimente auf einen Katalog aus. Im Anschluss bat Bischof den Nationalrat, in seiner nächsten Sitzung diese vom Ständerat geänderte Bestimmung etwas abzuschwächen und ihr eine Ausnahme für Grundrechtsverletzungen anzufügen.
Mit 31 zu 0 Stimmen (bei 12 Enthaltungen) nahm der Ständerat das Gesetz in der Gesamtabstimmung ohne Gegenstimme an. Die Enthaltungen stammten von sechs Mitgliedern der SP- sowie von je drei Mitgliedern der SVP- und der Grünen-Fraktion.

Erstes Massnahmenpaket zur Kostendämpfung im Gesundheitswesen (BRG 19.046)
Dossier: Anstieg der Krankenkassenprämien dämpfen (seit 2020)

Anfang September 2020 kündigte die SGK-SR in einer Medienmitteilung an, sich in Kürze umfassend mit der sozialen Absicherung von Selbständigerwerbenden und der Regelung selbständiger und unselbständiger Tätigkeit in den Sozialversicherungen zu beschäftigen; ein Thema, das auch die Motionen Ettlin (cvp, OW) sowie Caroni (fdp, AR; Mo. 18.4080) zum Inhalt hatten. In der Folge zog Erich Ettlin seine Motion zurück.

Bessere Absicherung von Selbstständigen gegen soziale Risiken ermöglichen (Mo. 18.3937)
Dossier: Die Digitalisierung im Arbeitsmarkt

Mitte August 2020 legte der Bundesrat seine Botschaft zur Volksinitiative «Bestimmung der Bundesrichterinnen und Bundesrichter im Losverfahren (Justiz-Initiative)» vor. Er empfahl das Begehren – ohne direkten Gegenentwurf oder indirekten Gegenvorschlag – zur Ablehnung, da das Losverfahren systemfremd sei. Richterinnen oder Richter würden in der Schweiz von der Bevölkerung (verschiedene Kantone) oder vom Parlament (Kantons- und Bundesebene) gewählt. Die demokratische Legitimation würde geschwächt, wenn das Los über die Besetzung von Gerichten entscheiden würde. Dem Anliegen sei aber einiges abzugewinnen, so der Bundesrat. Es sei ein «gewisses Spannungsverhältnis» zwischen dem aktuellen Parteienproporz (Richterinnen und Richter müssen faktisch Parteimitglied sein und ihrer Partei Mandatssteuern abgeben) und der Idee der Unabhängigkeit der Judikative feststellbar. Zudem sei es in der Vergangenheit bei Bestätigungswahlen (vgl. 20.212; 20.204) zu Druckversuchen von Parteien gekommen, die Richterinnen und Richtern mit Nichtwiederwahl gedroht hätten, was sich ebenfalls negativ auf die richterliche Unabhängigkeit auswirken könne. Der Vorschlag einer einmaligen Amtsdauer ohne Wiederwahl, wie er von der Initiative gemacht werde, könne dem entgegenwirken. Zudem würde es das Losverfahren auch Parteilosen ermöglichen, an den Bundesgerichten zu amten. Die Nachteile des Zufallsverfahrens seien aber gravierender als dessen Vorteile. Nicht die besten Kandidierenden, sondern jene, die vom Los begünstigt würden, würden gewählt. Das Los schwäche nicht nur die Stellung von Parlament und Parteien, sondern berge die Gefahr, dass Gerichtsurteilen geringere Akzeptanz entgegengebracht werden könnte. Zudem werde die demokratische Legitimation der Justiz untergraben, auch wenn die Initiative ein Abberufungsverfahren durch das Parlament vorsehe. Verschiedene Punkte lasse die Initiative schliesslich offen. So werde etwa nicht bestimmt, wie das Losverfahren genau abzulaufen habe oder wie eine «ausgewogene Zusammensetzung des Gerichts [...] hinsichtlich Geschlecht, regionaler Herkunft sowie politischer Grundhaltung» gewährleistet würde.
Auf die Bedeutung der ideologischen Ausgewogenheit wies auch ein Kommentar in der NZZ hin: Auch Richterinnen und Richter seien Menschen mit Überzeugungen und Haltungen. Der freiwillige Parteienproporz – aber nicht das Los – garantiere, dass ein «möglichst breites Spektrum dieser Überzeugungen vertreten» sei und «die Weltanschauungen der einzelnen Richterinnen und Richter transparent» seien.
Nicht gänzlich einverstanden mit dem Vorschlag des Bundesrates war in der Folge die RK-NR, die eine parlamentarische Initiative (Pa.Iv. 20.480) einreichte, die sie als Gegenvorschlag zur Justizinitiative verstand: Eine Fachkommission solle in Zukunft die Kandidierenden vorselektieren und zur Wiederwahl vorschlagen, die in diesem Fall automatisch erfolgen würde. Ein ähnliches Verfahren kennt der Kanton Freiburg. Zudem reichte Beat Walti (fdp, ZH) eine parlamentarische Initiative (Pa.Iv. 20.468) ein, mit der er die Mandatssteuern verbieten will, um damit die richterliche Unabhängigkeit zu stärken.

Justizinitiative (BRG 20.061)
Dossier: Unabhängigkeit der Judikative
Dossier: Justizinitiative

Bien que transmise à la Commission de l'économie et des redevances du Conseil des Etats (CER-CE) pour examen préalable, la motion du parlementaire Erich Ettlin (pdc, OW) a été retirée. Son objectif était de recentrer l'activité législative de la FINMA.

La surveillance des marchés financiers doit se recentrer sur sa mission première (Mo. 18.3612)

Le Conseil national a validé, par 126 voix contre 50, la suspension de la motion Caroni (plr, AG) reprise par Walti (plr, ZH). Elle s'est donc alignée sur la proposition de la majorité de sa commission de l'économie et des redevances (CER-CN). En effet, selon la majorité de la CER-CN, il est pertinent d'attendre le rapport sur le postulat 19.4379 avant de se prononcer sur un renforcement de la procédure d'appel d'offres des marchés fermés dans la Loi sur le marché intérieur (LMI). Une minorité estimait qu'une modification de la LMI était urgente et qu'il n'était donc pas possible d'attendre. La minorité, ainsi que les voix dissidentes au Conseil national, était emmenée par le groupe UDC.

Accès aux marchés fermés des cantons. Procédure équitable (Mo. 15.3399)
Dossier: Zugang zu den geschlossenen Märkten des Bundes
Dossier: Bundesgesetz über das öffentliche Beschaffungswesen. Totalrevision

Erich Ettlin (cvp, OW) störte sich im Dezember 2019 daran, dass Rückzahlungen der Verrechnungssteuer heute jeweils derjenigen von zwei «verbundenen, vom gleichen Aktionärskreis beherrschten Gesellschaften» zurückbezahlt werden, welche einen geldwerten Vorteil erhalten hatte. Erbringt etwa eine Gesellschaft ihrer Schwestergesellschaft eine Leistung zu einem Preis, der unter dem Marktpreis liegt, korrigiert die ESTV diesen Preis nach oben. Auf den Betrag dieser Korrektur muss in der Folge ebenfalls Verrechnungssteuer bezahlt werden. Heute erhält diejenige Gesellschaft die Rückerstattung der Verrechnungssteuer, welche durch die Leistung begünstigt wurde – in diesem Beispiel also die Gesellschaft, welche zuvor einen zu geringen Preis erhalten hatte. Dieses Vorgehen folgt dem sogenannten Prinzip der Direktbegünstigungstheorie. In der internationalen Praxis, genauso wie im DBG, werde hingegen die sogenannte Dreieckstheorie angewendet, kritisierte Ettlin. Bei dieser wird die «Leistung dem Aktionär zugerechnet», somit könnte auch die andere Gesellschaft die Rückerstattung geltend machen. Die heutige Schweizer Praxis im Verrechnungssteuergesetz führe nun dazu, dass der Schweizer Investitionsstandort international weniger attraktiv sei. Entsprechend verlangte der Motionär zukünftig eine «ausnahmslose» Anwendung der Dreieckstheorie.
Der Bundesrat lehnte einen solchen Systemwechsel insbesondere aufgrund von erwarteten Einnahmeausfällen in unbekannter Höhe ab. So bleibe dank der aktuellen Praxis ein Teil der Verrechnungssteuer auch bei Leistungen «an eine ausländische Schwestergesellschaft» in der Schweiz. Zudem erhöhe die aktuelle Regelung den Anreiz, «konzerninterne Preise zu Marktkonditionen festzusetzen», zumal eine Gesellschaft bei Korrektur der Preise durch die ESTV nicht die gesamte Verrechnungssteuer zurückerhält. Damit könnten Steuervermeidungspraktiken gedämpft werden – eine Änderung würde somit zusätzliche Mindereinnahmen bei den direkten Steuern mit sich bringen. In der Sommersession 2020 folgte der Ständerat stillschweigend einem Ordnungsntrag Wicki (fdp, NW): Aufgrund der Komplexität des Themas wird die Motion folglich in der Kommission vorberaten.

Benachteiligung von Schweizer Unternehmen durch einheitliche Besteuerungspraxis vermeiden (Mo. 19.4635)

In seiner im März 2020 eingereichten Motion wollte Thierry Burkart (fdp, AG) die Berechnungsmethode für die Höhe des Zinsabzuges auf dem investierten Eigenkapital für die Abrechnung der AHV ändern. Für das Jahr 2019 habe der Zinsabzug 0.0 Prozent betragen, was unrealistisch sei und nicht den Marktbedingungen der Unternehmen, insbesondere der KMU, entspreche. Der Zinsabzug für Eigenkapital müsse höher sein als derjenige für Fremdkapital, da Ersteres risikoreicher sei. In anderen Gesetzen, wie zum Beispiel dem Stromversorgungsgesetz, würde diesem Grundsatz Rechnung getragen, entsprechend solle der Zinssatz auch im AHVG so angepasst werden, dass er «der jährlichen Durchschnittsrendite der Anleihen der nicht öffentlichen inländischen Schuldner in Schweizer Franken zuzüglich eines marktüblichen Risikozuschlags» entspreche.
Der Bundesrat entgegnete, dass der Zinsabzug auf dem im Betrieb investierten Eigenkapital dazu diene, dasjenige Einkommen auszuscheiden, welches im Unterschied zum Erwerbseinkommen in der AHV nicht beitragspflichtig sei. Es werde daher entsprechend der durchschnittlich üblichen Rendite am Kapitalmarkt berechnet. Der Zinssatz widerspiegle somit den Vermögensertrag dieses Kapitals auf dem Markt, nicht die Refinanzierungskosten einer selbständigerwerbenden Person.
In der Sommersession 2020 nahm der Ständerat einen Ordnungsantrag Ettlin (cvp, OW) an und wies die Motion der SGK-SR zur Vorberatung zu. Ettlin hatte argumentiert, dass die Antwort des Bundesrates die Funktion des Eigenkapitals bei Selbständigerwerbenden nicht vollständig erfasse und den Rechtsvergleich mit Aktionären und Mitarbeitern von Aktiengesellschaften oder einer GmbH vermissen lasse.

Einkommen aus selbstständiger Erwerbstätigkeit im AHVG. Zinsabzug auf dem investierten Eigenkapital richtig bewerten (Mo. 20.3078)

Nachdem der Ständerat in der Herbstsession 2019 die Motion Ettlin (cvp, OW) angenommen und sich damit dafür ausgesprochen hatte, dass zukünftig der Einkauf in die Säule 3a alle fünf Jahre für einen limitierten Einkaufsbetrag nachgeholt werden kann, setzte sich in der Sommersession 2020 die grosse Kammer mit derselben Motion auseinander. Regine Sauter (fdp, ZH) erklärte, dass die Kommissionsmehrheit dafür sorgen wolle, dass möglichst viele Personen die Säule 3a für ihre eigenverantwortliche Altersvorsorge nutzen könnten; auch jene, denen in jüngeren Jahren die entsprechenden Ressourcen gefehlt hätten. Mit 13 zu 10 Stimmen habe sich die Kommission entsprechend für Annahme der Motion ausgesprochen. Der zweite Kommissionssprecher Roduit (cvp, VS) verwies zudem darauf, dass insbesondere Frauen aufgrund einer Schwangerschaft entsprechende Lücken bei der dritten Säule aufwiesen, die nun neu eben gefüllt werden könnten. Zudem betonte er, dass zwei Drittel der Befragten in einer Umfrage des Forschungsinstituts Sotomo eine entsprechende Möglichkeit befürwortet hatten. Demgegenüber konterte Minderheitensprecherin Mattea Meyer (sp, ZH), dass die dritte Säule heute lediglich zur Steueroptimierung diene und «sehr wenig mit der Altersvorsorge an sich zu tun» habe; wer wolle, könne sich für eine Aufbesserung der Altersvorsorge bereits heute in die zweite Säule einkaufen. Zudem verwies sie auf das beträchtliche Steueroptimierungspotenzial durch die Vorlage: Eine Person mit steuerbarem Einkommen von CHF 150'000 könne alle fünf Jahre CHF 12'510 an Steuern sparen. Schliesslich müsste ein entsprechendes Register geschaffen werden, um den Überblick über die Abzüge zu behalten, was zu grossem bürokratischen Aufwand führe, sofern man – wie sie hoffe – nicht auf Selbstdeklaration setzen wolle. Ähnlich argumentierte in der Folge auch Gesundheitsminister Berset, der den Rat im Namen des Bundesrats zur Ablehnung der Motion aufforderte. Mit 112 zu 70 Stimmen (bei 1 Enthaltung) nahm der Nationalrat die Motion jedoch an; neben der SP- und der Grünen Fraktion sprachen sich 7 Mitglieder der GLP-Fraktion für eine Ablehnung aus.

Einkauf in die Säule 3a ermöglichen (Mo. 19.3702)

Am ersten Tag der ausserordentlichen Session im Mai 2020, die der Bewältigung der Corona-Krise gewidmet war, gab Bundespräsidentin Simonetta Sommaruga eine Erklärung des Bundesrates zur Corona-Pandemie ab. Die Schweiz sei nicht unverwundbar; ein kleines Virus habe die grossen Grundrechte in Gefahr gebracht, die der Bundesrat zur Bewältigung der Krise habe beschneiden müssen, indem er Persönlichkeits- und Wirtschaftsrechte und die kantonale Hoheit eingeschränkt habe – sich dabei stets an der von der Bundesverfassung vorgesehenen Verhältnismässigkeit orientierend. Die ergriffenen Massnahmen hätten zu vielen Härtefällen geführt und die wirtschaftlichen Auswirkungen der Pandemie seien schmerzhaft. Jetzt gelte es, die Schweiz aus der Krise zu führen, wobei das Parlament wieder in der Verantwortung sei. «Unsere starke Demokratie» habe das Virus nicht beschädigen können. Es sei wichtig, dass das Parlament die Entscheide des Bundesrats hinterfrage, damit man in einem fruchtbaren Dialog gemeinsame Lösungen finde. Sie denke aber auch an die Menschen, die in der Krise Angehörige verloren haben und danke allen, die das Land stützten.
Bei der Fraktionsdebatte (Kategorie IIIa), die auf die Erklärung folgte, nahmen die Fraktionssprecherinnen und -sprecher der Fraktionsgrösse nach Stellung zur Krise. Albert Rösti (svp, BE) und Céline Amaudruz (svp, GE) dankten der Polizei, der Armee und dem Zivilschutz und kritisierten zuerst die mangelnde Vorbereitung auf die Krise. Medizinische Mittel, Medikamente und Geräte hätten nur in ungenügender Menge zur Verfügung gestanden. Mit Besorgnis nehme die SVP zudem die wirtschaftlichen Schäden wahr. Man müsse die Menschen vor Covid-19, aber auch «vor dem wirtschaftlichen Untergang» schützen. Das Notrecht sei aufzuheben und auch im Falle einer zweiten Welle nicht wieder einzusetzen. Ein zweiter Lockdown müsse vermieden werden, der Bundesrat müsse die Krisenvorsorge verbessern und die Grenzkontrollen aufrechterhalten. Die Wirtschaft müsse zudem mit tiefen Steuern, Gebühren und Abgaben in Fahrt gebracht werden.
Roger Nordmann (sp, VD) bedankte sich im Namen der SP-Fraktion beim Gesundheits- und Pflegepersonal, dem Verkaufspersonal, den Erziehungs- und Lehrpersonen, den Chauffeuren und Chauffeusen und der Polizei, die sich der Gefahr einer Covid-Erkrankung ausgesetzt hätten. Es seien die Menschen mit den häufig am schlechtesten bezahlten Berufen, die in phänomenaler Geschwindigkeit Hilfspläne ausgedacht und umgesetzt hätten. Dank ihnen sei eine Katastrophe vermieden worden. Aber auch dem Bundesrat müsse Dank ausgesprochen werden. Die SP wehre sich gegen den Versuch, einen Gegensatz zwischen Gesundheit und Wirtschaft herzustellen. Letzterer könne es nur gut gehen, wenn die Pandemie in den Griff gebracht werden könne. Der wirtschaftliche Aufschwung müsse zudem mit dem Schutz der natürlichen Ressourcen und dem Ziel einer Korrektur von Ungleichheiten verbunden werden. Weil die Pandemie global sei, könne die Schweiz die Krise nur im Verbund mit Europa angehen und müsse sich als reiches Land solidarisch mit ärmeren Staaten zeigen.
Im Namen der Mitte-Fraktion sprach Marco Romano (cvp, TI) den Menschen seinen Dank aus, die geholfen hätten, die Gesellschaft am Laufen zu halten. Auch der Bevölkerung, die sich an die Empfehlungen und die Regeln gehalten habe, gebühre Dank. Der Bundesrat müsse klarer und transparenter informieren und auf die politische und soziale Reife des Schweizer Volkes bauen. In unsicheren Zeiten brauche es eine starke Politik der Mitte und konstruktive Lösungen; es brauche nun ein Projekt für das ganze Land, um der grössten wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Herausforderung der letzten Jahrzehnte zu begegnen. Marianne Streiff-Feller (evp, BE) und Martin Landolt (bdp, GL) – ebenfalls Angehörige der Mitte-Fraktion – dankten dem Bundesrat für das umsichtige Krisenmanagement. Streiff-Feller bat die Regierung, ihre Besonnenheit beizubehalten, und Landolt betonte, dass es gut sei, dass die Führung in der Situation der Krisenbewältigung beim Bundesrat liege. Es sei wesentlich einfacher, zu kommentieren, kritisieren oder zu loben, als die konkreten Entscheide treffen und Verantwortung übernehmen zu müssen. Das Parlament müsse der Versuchung widerstehen, «sich als Schattenregierung aufzuspielen».
Für die Fraktion der Grünen ergriffen Balthasar Glättli (gp, ZH) und Léonore Porchet (gp, VD) das Wort. Sie betonten die Chancen, die aus einer Krise erwachsen können. Glättli schlug etwa vor, mit den Milliarden an Wirtschaftshilfe nicht «die graue Wirtschaft von gestern» zu unterstützen, sondern in einen Umbau hin zu einer grünen Wirtschaft zu investieren. So könnten etwa die Erfahrungen mit Telearbeit zu einer Reduktion der Mobilität genutzt oder die Quartiersolidarität bewahrt werden. Ausserdem dürfe die Klimakrise, die andere grosse Krise neben der Pandemie, die im Gegensatz zu Covid vorhersehbar sei, nicht in Vergessenheit geraten. Glättli sprach sich zudem für Massnahmen aus, die das Parlament krisenresistenter und die Verhältnismässigkeit von Notverordnungen rasch überprüfbar machen. Porchet hob die Leistungen des Gesundheitspersonals hervor und erklärte, die Grünen forderten mehr Unterstützung – etwa ganz konkret in Form eines vierzehnten Monatslohnes.
Beat Walti (fdp, ZH) und Olivier Feller (fdp, VD) sprachen für die FDP-Fraktion. Walti hob hervor, dass das Gesundheits- sowie das Wirtschaftssystem auch in dieser ausserordentlichen Lage gut funktioniert hätten. Es verdiene Anerkennung, dass viele Menschen innert kürzester Zeit ihr Leben umorganisiert hätten. Bedenklich sei allerdings, wie wenig Reserven in vielen Bereichen vorhanden seien. Viele Unternehmen stünden am wirtschaftlichen Abgrund. Deshalb müsse man jetzt die Rahmenbedingungen so ausgestalten, dass die Innovationskraft der Schweiz gestärkt und ihre globale Vernetzung verbessert würden. Man müsse den Menschen zudem Eigenverantwortung zugestehen. Feller betonte, dass es hierfür eine schnelle Rückkehr zur Normalität brauche.
Für die GLP, die kleinste Fraktion im Parlament, ergriffen Tiana Angelina Moser (glp, ZH), Jürg Grossen (glp, BE) und François Pointet (glp, VD) das Wort. Moser betonte die einmalige Solidarität, die sich in der Krise gezeigt habe. Diesem Zusammenhalt sei – zusammen mit der nicht selbstverständlichen finanziellen Stabilität und tiefen Staatsverschuldung – Sorge zu tragen. Die geplanten Eingriffe zur Bewältigung der Krise dürften nicht zu einem «Providurium» werden. Die Krise sei auch eine Chance, um Digitalisierung zu realisieren und klimaschädliche Mobilität neu auszurichten. Grossen und Pointet dankten dem Gesamtbundesrat, der konsequent aber mit Augenmass agiert habe. Freilich müssten die Entscheide aber auch kritisch diskutiert werden, damit man aus der Krise lernen könne.
Nachdem Simonetta Sommaruga auf die verschiedenen Beiträge kurz einging – sie sprach von der selbstverständlich notwendigen Aufarbeitung der Krise und dem Stresstest, dem der Föderalismus ausgesetzt gewesen sei, aber auch von den funktionierenden Wirtschaftsmassnahmen und der Zusammenarbeit mit den Nachbarstaaten –, wurde sie mit einem bunten Strauss an Fragen von Vertreterinnen und Vertretern der bürgerlichen Parteien, vor allem aber seitens der SVP-Fraktion torpediert. Nicht so sehr die beschwichtigenden Antworten der Bundespräsidentin, sondern vielmehr die Fragen selber warfen dabei ein Licht auf die unterschiedlichen Interessen und Pläne der Fraktionen, wie die Krise bewertet und mit welchen Massnahmen sie überwunden werden sollte. So kritisierte etwa Roger Köppel (svp, ZH), dass die Politik des Bundesrates «zerstörerische Auswirkungen auf Wohlstand und Gesundheit» hätten; Yvette Estermann (svp, LU) fürchtete sich vor einem Impfzwang; Thomas Aeschi (svp, ZG) befürchtete die Verlängerung des Notstands bis September; Erich von Siebenthal (svp, BE) forderte Massnahmen, damit Gottesdienste wieder möglich sind; Mike Egger (svp, SG), Erich Hess (svp, BE) und Thomas Hurter (svp, SH) wollten eine Zusicherung, dass das CO2-Gesetz nicht prioritär behandelt werde; Hans-Ueli Vogt (svp, ZH) fragte, wann der Bundesrat die ausserordentliche Lage beenden werde; und Piero Marchesi (svp, TI) verlangte eine generelle Maskenpflicht. Fragen kamen auch aus der Mitte-Fraktion – Marco Romano sorgte sich um den Grenzschutz mit Italien; Benjamin Roduit (cvp, VS) um den «Corona-Graben», also den Umstand, dass die Romandie und das Tessin stärker unter Covid-19 gelitten hätten als die Deutschschweiz; und Fabio Regazzi (cvp, TI) um die Situation der Restaurants. Für die FDP-Fraktion wollte Hans-Peter Portmann (fdp, ZH) wissen, ob für einen neuerlichen Lockdown andere Massnahmen ergriffen würden; Christian Wasserfallen (fdp, BE) interessierte sich für die Grenzmodalitäten für die Exportwirtschaft; Rocco Cattaneo (fdp, TI) fragte nach konkreten Massnahmen für die Tourismusbranche; und Frédéric Borloz (fdp, VD) wollte eine Zusicherung, dass der Inländervorrang nach wie vor Geltung habe.

Am Nachmittag hielt die Bundespräsidentin ihre Erklärung dann auch im Ständerat ab. Nicht weniger als 20 Rednerinnen und Redner meldeten sich in der kleinen Kammer im Rahmen einer «Diskussion über die Erklärung» zu Wort. Pirmin Bischof (cvp, SO) äusserte seine Dankbarkeit, dass das Parlament nun gemeinsam mit dem Bundesrat, der «sehr gut, schnell und effizient gehandelt» habe, die politische Verantwortung wieder übernehmen könne. Ruedi Noser (fdp, ZH) stellte die These auf, dass die Politik in einen «Selbstschutzmodus» verfallen sei und die Illusion schaffe, dass der Staat für jeden Schaden aufkomme. Die Aufgabe der Politik sei es aber, «den Menschen ein gutes, möglichst selbstbestimmtes Leben in Freiheit, Wohlstand und Würde zu ermöglichen». Das bedeute aber auch, dass die Gesundheit nicht einziges Ziel staatlichen Handelns sein dürfe und dafür Freiheit, Wohlstand und Selbstbestimmung nicht geopfert werden dürfen. Das Prinzip «Politik senkt Todesraten, indem sie das Leben anhält» dürfe nicht weiter gelten. Marina Carobbio Guscetti (sp, TI) erinnerte daran, dass die ärmsten der Gesellschaft nicht vernachlässigt werden dürften. Zudem habe die Krise gezeigt, dass ganz viel Solidarität herrsche, aber auch, dass das Gesundheitssystem gestärkt werden müsse. Insbesondere die Pflegeberufe müssten mehr Anerkennung erhalten. Hannes Germann (svp, SH) hob das Erfolgsmodell Schweiz hervor. Der Staat habe sich in der Krise als handlungsfähig erwiesen. Es gelte nun aber, den Ausstieg aus der Krise zu finden und dabei dieses Erfolgsmodell nicht zu gefährden. Das «gigantische Hilfspaket» schaffe Vertrauen und mache Mut. Es gelte aber, in dieser «Ausgabeneuphorie» Mass zu halten. Lisa Mazzone (gp, GE) sah im Umstand, dass man über die Begrenzung individueller Freiheiten schockiert gewesen sein, ein Zeichen dafür, wie wichtig diese fundamentalen Rechte für die Gesellschaft seien. Die Begrenzung sei aber gerechtfertigt gewesen, weil ein Gleichgewicht zwischen Freiheit und Sicherheit habe gefunden werden müssen. Dass der Bundesrat dieses gefunden habe, zeige etwa auch der Umstand, dass er nicht wie in anderen Ländern den totalen Lockdown, sondern nur ein «semi-confinement» gewählt habe. Die Genfer Neo-Ständerätin wollte in den kommenden Beratungen vor allem auch an die kranken Personen denken – sie selber kenne etwa 20 Personen, die an Covid-19 erkrankt seien – und an jene Menschen, denen auch aufgrund der Krise extreme Armut drohe. Die Folgerednerinnen und -redner reihten sich in den Dank an den Bundesrat ein und gaben ihrer Freude Ausdruck, wieder tagen zu dürfen. Auch Alex Kuprecht (svp, SZ) attestierte der Regierung «Leadership». Hätte das Parlament in der Krise Entscheidungen treffen müssen, so wären, «da bin ich mir fast sicher, heute noch kein Darlehen durch Banken, kein Erwerbsersatz und keine Kurzarbeitsentschädigung geflossen». In den meisten Ausführungen wurde daran erinnert, dass jetzt grosse Aufgaben auf das Parlament zukämen, sowohl was die Fragen der Hilfsmassnahmen für die Wirtschaft, aber auch was institutionelle Fragen betreffe. So wies etwa Andrea Caroni (fdp, AR) darauf hin, dass die Bundesversammlung auf die Gesundheitskrise unzureichend vorbereitet gewesen sei. Das müsse sich ändern. «Der Hals-über-Kopf-Abbruch der Frühjahrssession» sei «ein Tiefpunkt in der Parlamentsgeschichte des Landes» gewesen, befand gar Paul Rechsteiner (sp, SG). Immerhin hätten 32 Mitglieder des Ständerats diese ausserordentliche Session verlangt, um den verfassungsmässigen Zustand wiederherzustellen. Nicht wenige Rednerinnen und Redner aus dem bürgerlichen Lager forderten den Bundesrat auch auf, die Massnahmen zu lockern und eine Rückkehr zur Normalität anzustreben.
Am Schluss nahm Bundespräsidentin Sommaruga noch einmal Stellung. Sie sei froh, dass die Kommissionen davon abgesehen hätten, selber Notrechtsverordnungen zu erlassen. Der Bundesrat habe von Beginn an einen Mittelweg gewählt, was nun in der Tat erste Lockerungen erlaube. Aber auch hier wolle man nichts überstürzen, um eine zweite Welle zu verhindern. Mit den Öffnungsschritten sollten vor allem auch Perspektiven geschaffen werden. Zudem gehe es darum, die Verantwortlichkeiten zwischen Bund und Kantonen zu klären. Auch eine Neudefinition davon, was kritische Infrastruktur sei und wie diese aufrecht erhalten werden solle, sei nötig. Sommaruga sprach zudem von ihren Erfahrungen, die sie während der Krise «im internationalen Bereich» gemacht habe. In einer Krise schaue jeder für sich selber und auch mit Geld könne man daran nichts ändern. Wichtig seien deshalb gute Beziehungen und gute Kontakte vor allem zu den Nachbarstaaten. Zum Schluss wies die Bundespräsidentin darauf hin, dass alle Departemente und die Bundeskanzlei in der Krise viel Arbeit geleistet und sich dauernd mit grossen und komplexen Fragen beschäftigt hätten. Es sei für den Bundesrat eine enorme Belastung gewesen, die dank der Hilfe der Verwaltung habe getragen werden können. Der Bundesrat begrüsse schliesslich die anstehende und von vielen Rednerinnen und Rednern geforderte baldige Aufarbeitung der Situation.

Erklärung des Bundesrates zur Corona-Pandemie (BRG 20.208)