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  • Wasserfallen, Flavia (sp/ps, BE) NR/CN
  • Tschäppät, Alexander (sp/ps, BE) NR/CN

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Mit 17 zu 8 Stimmen empfahl die SGK-NR im November 2020 die Volksinitiative «Ja zum Schutz der Kinder und Jugendlichen vor Tabakwerbung» abzulehnen, wobei sich eine Minderheit für das Volksbegehren aussprach. Gut einen Monat zuvor hatte die Kommission Vertreterinnen und Vertreter des Initiativkomitees konsultiert.
Während der Frühjahrssession 2021 stand die Initiative auf der Traktandenliste des Nationalrates. Die grosse Kammer zeigte sich bezüglich des Volksbegehrens gespalten. Benjamin Roduit (mitte, VS) und Lorenz Hess (mitte, BE) sprachen sich für die Kommissionsmehrheit gegen die Initiative aus. Ihnen zufolge hätte eine Annahme ein «faktisches Totalverbot» von Werbung zur Folge, was die Markt- und Handelsfreiheit von «sich legal im Handel befindenden Produkten» unverhältnismässig einschränken würde. Dies gehe auch mit wirtschaftlichen Konsequenzen für den Staat, der durch entsprechende Steuereinnahmen mitverdiene, sowie für Veranstaltungen und Medien, die von Sponsoring und Werbung abhängig seien, einher. Zielführender sei ein Kompromiss, bei dem der Jugendschutz im Vordergrund stehe, etwa in Form des Tabakproduktegesetzes. Dies entsprach weitgehend der Meinung der bürgerlichen Parteien SVP, FDP und Mitte. Nicht einverstanden damit waren hingegen die SP, Grünen und die GLP, welche die Ansicht vertraten, dass das Tabakproduktegesetz zu wenig weit gehe. Flavia Wasserfallen (sp, BE) betonte die Wichtigkeit der Volksinitiative, da die Mehrheit aller Rauchenden als Minderjährige mit dem Tabakkonsum begonnen hätten und dieser zu Gesundheitskosten sowie Kosten für die Wirtschaft in der Höhe von je CHF Mrd. 4 führe. Gesundheitsminister Alain Berset stellte sich im Namen des Bundesrates auf die Seite der Gegnerschaft, ebenfalls mit der Meinung, dass es sich beim Tabakproduktegesetz um das griffigere Instrument handle. Der Nationalrat empfahl das Volksbegehren in der Folge mit 96 zu 84 Stimmen (bei 1 Enthaltung) zur Ablehnung.

Volksinitiative «Ja zum Schutz der Kinder und Jugendlichen vor Tabakwerbung (Kinder und Jugendliche ohne Tabakwerbung)» (BRG 20.068)
Dossier: Volksinitiative «Ja zum Schutz der Kinder und Jugendlichen vor Tabakwerbung» und deren Umsetzung

Noch bevor die Räte den gemäss SGK-NR weniger umstrittenen Teil des ersten Massnahmenpakets zu Ende beraten hatten, behandelte der Nationalrat in der Sondersession im Oktober 2020 die übrigen Artikel des ersten Kostendämpfungspakets unter dem Namen Paket 1b des ersten Massnahmenpakets zur Kostendämpfung im Gesundheitswesen. Dazu gehörten die Massnahmen zur Steuerung der Kosten, das Beschwerderecht der Versicherer gegen Spitalplanungsentscheide sowie das Referenzpreissystem für patentabgelaufene Arzneimittel. Mit 17 zu 0 Stimmen bei 8 Enthaltungen hatte die SKG-NR ihren Entwurf, der gegenüber dem bundesrätlichen Vorschlag einige gewichtige Änderungen enthielt, zuvor angenommen. Eintreten war unbestritten.

Als ersten Hauptpunkt diskutierte der Nationalrat die Frage der Kostensteuerung, wobei Ruth Humbel (cvp, AG) und Philippe Nantermod (fdp, VS) die Kommissionsposition ausführlich darlegten: Eine knappe Kommissionsmehrheit unterstütze die Kostensteuerung generell. Diese lege fest, dass Tarifverträge entsprechend der Forderung der angenommenen Motion Brand (svp, GR; Mo. 18.3305) Massnahmen zur Kostenkorrektur im Falle eines unvorhergesehenen Anstiegs der Gesundheitskosten enthalten müssen. Anstatt entsprechende Regeln vorzuschreiben, wie der Bundesrat beabsichtigt hatte, setzte die Kommission jedoch auf degressive Tarife: Bei häufigerer Anwendung sollten die Tarife entsprechend sinken. Stattdessen folgte der Rat jedoch äusserst knapp mit 91 zu 90 Stimmen (bei 4 Enthaltungen) einer Minderheit II Hess (bdp, BE), die vorschlug, die Kostensteuerungsmassnahmen aus dieser Vorlage zu streichen, zumal sie ein «Bestandteil des Zielkostensystems» seien, welches erst im zweiten Kostendämpfungspaket behandelt werden wird. Entsprechend solle diese Massnahme ins zweite Paket verschoben werden.

Der zweite Hauptpunkt der Vorlage stellte das Beschwerderecht der Krankenversicherungen und ihrer Verbände gegenüber Entscheidungen der Kantonsregierungen bezüglich der Spitallisten sowie bezüglich Preisfestsetzungen für Arzneimittel, wie die Kommissionsmehrheit den bundesrätlichen Vorschlag ergänzt hatte, dar. Eine Minderheit Prelicz-Huber (gp, ZH) wehrte sich dagegen, dass «private Interessen eine Steuerung durch die politische Seite, durch die Kantone, aufheben» können sollen. Stattdessen soll die Kompetenz sowie die Entscheidhoheit in den entsprechenden Fragen bei den Kantonen und damit bei der Politik verbleiben. Nur die Politik und das Volk hätten das Wohl der ganzen Bevölkerung im Blick, während die Versicherungen ihre Partikularinteressen verfolgten, argumentierte sie. Konsequenterweise müsse man sonst auch ein Beschwerderecht unter anderem für Patienten- und Patientinnenorganisationen oder für die Sozialpartner einrichten. Zudem könne die entsprechende Regelung zu einer Blockade und zu Rechtsunsicherheit führen. Dem widersprach unter anderem Thomas de Courten (svp, BL), der die Versicherungen im Gesundheitswesen als «Anwälte der Patientinnen und Patienten» bezeichnete und die Massnahme für nötig erachtete, damit ein Gleichgewicht in der Verhandlungsmacht sichergestellt und die alleinige Macht der Kantone gebrochen werden könne. Die Minderheit setzte sich mit 104 zu 75 Stimmen (bei 6 Enthaltungen) respektive 94 zu 87 Stimmen (bei 4 Enthaltungen) durch, der Nationalrat sprach sich somit gegen das Beschwerderecht der Krankenversicherungen aus. Die Stimmen für die Kommissionsmehrheit stammten von Mehrheiten der SVP-, FDP.Liberale- und Mitte-Fraktion.

Den dritten zentralen Aspekt stellte die Frage des Referenzpreissystems für patentabgelaufene Arzneimittel dar, das der Bundesrat einführen wollte. Mit einem Referenzpreissystem für Generika dürfte die OKP zukünftig nur noch denjenigen Preis für ein Arzneimittel vergüten, der in diesem Referenzpreissystem festgelegt worden war — ausser es ist das einzige für die Patientin oder den Patienten mögliche Arzneimittel, dann wird es unabhängig vom Preis vergütet. Die Kommissionsmehrheit lehnte nun die Schaffung eines solchen Systems ab. Hier gehe es um Fragen der Versorgungssicherheit und der Patientensicherheit (wie in diesem Bericht ausgeführt wird), erklärte Kommissionssprecherin Humbel. Bei wechselnden Referenzpreisen bestehe die Gefahr, dass es zu nicht medizinisch begründeten Medikamentenwechseln komme, was zu abnehmender Therapietreue und sinkender Patientensicherheit und dadurch zu Folgekosten führen könne. Zudem könnten Firmen aufgrund des Preisdrucks darauf verzichten, ihre Produkte in der Schweiz anzubieten, wodurch die Abhängigkeit von den übrigen Lieferanten steige. Wie problematisch eine solche Abhängigkeit sei, habe sich im Rahmen der Corona-Krise gezeigt. Die Kommission wolle deshalb auf das Referenzpreissystem verzichten und stattdessen, beruhend auf einem Vorschlag von Curafutura, Pharmasuisse, Ärzte mit Patientenapotheke und Intergenerika die Generikapenetration erhöhen. Der Marktpreis solle daher jährlich statt alle drei Jahre überprüft und die Generikapreise gegenüber den Originalen um weitere fünf Prozent gesenkt werden. Zudem soll eine preisunabhängige Vertriebsmarge geschaffen werden, damit Ärztinnen, Ärzte, Apothekerinnen und Apotheker nicht wie bisher mehr Geld verdienten, wenn sie teurere Medikamente verkauften. Entsprechend habe man auch einstimmig die Motion 20.3936 eingereicht.
Eine Minderheit I Hess unterstützte hingegen das Referenzpreissystem des Bundesrates. Minderheitensprecher Hess argumentierte, seine Minderheit habe das bundesrätliche System etwas vereinfacht und abgeschwächt. So solle das Referenzpreissystem nur gelten, wenn mehr als zwei wirkstoffgleiche Medikamente auf dem Markt sind und ein Arzneimittel vom Bundesrat nicht als unverzichtbar festgelegt worden war. Mit einem eigenen Preis, also unabhängig vom Generika-Preis, sollten überdies Biosimilars, das sind Nachahmerpräparate, deren Wirkstoffe nicht mit denjenigen der Originale identisch sind, ins Preissystem aufgenommen werden, da diese gemäss dem revidierten Heilmittelgesetz nicht mit Generika gleichgesetzt werden können. Mit diesem Modell, das er als Referenzpreissystem «light» bezeichnete, könne das grösstmögliche Sparvolumen erreicht werden, argumentierte der Minderheitensprecher.
Eine Minderheit II Porchet (gp, VD) wollte überdies das Substitutionsrecht für Apothekerinnen und Apotheker stärken. Diese sollten zukünftig bei neuen Behandlungen eines der drei preisgünstigsten Arzneimittel abgeben müssen, sofern dies aus medizinischer und pharmazeutischer Sicht möglich ist.
Mit 114 zu 65 Stimmen (bei 6 Enthaltungen) lehnte der Nationalrat die Einführung des Referenzpreissystems light ab. Interessant ist dabei, dass sich die Positionen der SP und der Grünen in dieser Frage deutlich unterschieden, was in Gesundheitsfragen nur selten der Fall ist: Während die SP die Einführung eines Referenzpreissystems zusammen mit der Mehrheit der Mitte-Fraktion unterstützte, sprachen sich die Grünen mit der GLP-Fraktion, der Mehrheit der SVP-, der FDP.Liberalen- und der Minderheit der Mitte-Fraktion dagegen aus. Abgelehnt wurden auch die Anträge auf eine Sonderbehandlung der Biosimilars (103 zu 75 Stimmen bei 7 Enthaltungen) sowie der Antrag der Minderheit II Porchet (108 zu 77 Stimmen). In letzterer Frage standen SP und Grüne zusammen mit den Grünliberalen wieder gemeinsam auf der Seite der Minderheit.

Im Rahmen dieser drei Hauptthemen behandelte der Nationalrat auch weitere Detailfragen, so zum Beispiel die Frage der verhandelten Rabatte. Als «Tabubruch» und als «absolutes No-Go» bezeichnete Barbara Gysi (sp, SG) den Vorschlag der SGK-NR, wonach maximal 25 Prozent der Einsparungen durch zwischen Tarifpartnern und Leistungserbringenden ausgehandelten tieferen Preisen und Tarifen den Versicherungen zur freien Verfügung stehen sollten, dass sie gemäss Gysi also «in die Taschen der Versicherer fliessen» sollten. Bisher mussten die entsprechenden Einsparungen vollumfänglich den Versicherten zugute kommen. «Braucht es denn wirklich dieses sogenannte Incentive [...], damit die Krankenversicherer ihre Arbeit tun, nämlich günstige Preise aushandeln?», fragte Gysi rhetorisch. Entsprechend beantragte ihre Minderheit die Streichung des Artikels, zumal dieser gemäss Flavia Wasserfallen (sp, BE) auch ohne seriöse Abklärungen in die Kommission gelangt sei. Kommissionssprecherin Humbel führte aus, dass der Ständerat bei Annahme dieser Regelung noch prüfen müsse, ob dieser Artikel dem grundsätzlichen Gewinnverbot in der obligatorischen Krankenpflegeversicherung und der Forderung in Art. 56 Abs. 3bis KVG, wonach alle nicht der Qualitätsverbesserung dienenden Vergünstigungen an die Versicherten weitergegeben müssen, widerspricht und was unter dem Ausdruck «zur freien Verfügung» genau verstanden werden soll. Thomas de Courten befürwortete schliesslich den Mehrheitsantrag; es sei der «Sinn dieser ganzen Debatte, dass wir die Kosten dämpfen und die Anreize entsprechend setzen». Mit 117 zu 67 Stimmen (bei 1 Enthaltung) sprach sich der Nationalrat für den Kommissionsvorschlag aus.
Ausführlich legte schliesslich Thomas de Courten seinen Minderheitsantrag zu den Parallelimporten dar. Er wehrte sich darin gegen den Vorschlag der Kommissionsmehrheit, patentabgelaufene Medikamente ohne Zulassungspflicht durch Swissmedic auf den Schweizer Markt zu bringen. Parallelimporte seien bereits heute erlaubt, dabei müssten aber dieselben Bedingungen eingehalten werden, die für alle anderen Medikamente auch gelten. Mit dem Vorschlag der Kommission könnten Zulassungsentscheide irgendwelcher anderen Länder zukünftig auch für die Schweiz gelten, ohne dass zum Beispiel die Good Manufacturing Practice der Schweiz im Herstellungsprozess beachtet werden müsste. Eine zusätzliche Prüfung durch Swissmedic sei nicht nötig, da man davon ausgehe, dass die ausländischen Zulassungsbehörden dieselben Qualitätsanforderungen stellten wie Swissmedic, begründete Kommissionssprecherin Humbel den Minderheitsantrag. Mit 128 zu 53 Stimmen folgte der Rat diesbezüglich jedoch der Mehrheit, Gehör fand das Anliegen von de Courten nur bei der Mehrheit der SVP-Fraktion und je einem Mitglied der FDP.Liberalen- und der Mitte-Fraktion.

In der Gesamtabstimmung nahm der Nationalrat seinen Entwurf schliesslich mit 130 zu 52 Stimmen (bei 2 Enthaltungen) an. Die Gegenstimmen stammten von der SP-Fraktion sowie von der Mehrheit der Grünen-Fraktion.

Erstes Massnahmenpaket zur Kostendämpfung im Gesundheitswesen (BRG 19.046)
Dossier: Anstieg der Krankenkassenprämien dämpfen (seit 2020)

Pour combattre le harcèlement sexuel au travail, la conseillère nationale Flavia Wasserfallen estime que plusieurs instruments sont nécessaires, et que certains doivent être renforcés. C'est pour cette raison qu'elle a déposé le 17 juin 2019 une initiative parlementaire visant à augmenter l'indemnité maximale due à la victime. Celle-ci s'élève actuellement à six mois de salaire au maximum, ce qui n'est pas assez dans les cas graves, selon la socialiste. Elle souhaite que le plafond atteigne les douze mois.
La CAJ-CN avait dans son rapport du 25 juin de l'année suivante recommandé de ne pas donner suite à l'initiative. Selon la majorité de la commission, à savoir 14 voix, l'augmentation du plafond n'aurait aucun effet sur la personne coupable de harcèlement sexuel, mais sur l'employeur, qui doit verser l'indemnité s'il est impossible de prouver que toutes les mesures ont été prises pour empêcher le harcèlement. Elle recommande de plutôt viser l'instauration d'un climat de respect et de confiance, qui permettrait de signaler les cas à l'interne et aurait un effet préventif. Une minorité de 11 voix avait en revanche soutenu le texte, arguant qu'un tel instrument est nécessaire, notamment pour donner le signal que le harcèlement sexuel n'est pas une infraction mineure et inciter les hiérarchies à assumer leur devoir de diligence et à renforcer les mesures de prévention.
L'initiative parlementaire a été refusée en chambre basse par 102 voix contre 90 et une abstention. Quatre membres du groupe du centre et deux de l'UDC se sont toutefois rallié-e-s au front rose-vert. L'abstention provient du groupe du centre.

Erhöhung der maximalen Entschädigungspflicht bei Opfern von sexueller Belästigung am Arbeitsplatz (Pa.Iv. 19.442)

Bei der Behandlung der Änderung des EOG bezüglich der Verlängerung der Mutterschaftsentschädigung bei längerem Spitalaufenthalt des Neugeborenen lag dem Nationalrat bei seiner Behandlung in der Herbstsession 2020 ein Minderheitsantrag Schläpfer (svp, ZH) auf Nichteintreten vor. Grundgedanke des Mutterschaftsurlaubs sei die Erholung der Mutter und das Zusammensein mit dem Neugeborenen – und dies sei auch im Spital möglich, argumentierte Schläpfer. In dieser wirtschaftlich schwierigen Situation solle der Bund stärker ans Sparen denken und auf diese Mehrkosten verzichten. Dem stellte Mattea Meyer (sp, ZH) das Beispiel eines in der 28. Woche geborenen Kindes gegenüber. In diesem Fall hätte die Mutter, wenn sie und das Kind das Spital endlich verlassen könnten, nur noch drei bis vier Wochen Zeit, bis sie wieder zur Arbeit müsste. In dieser Situation wolle man die Mütter unterstützen, so dass sie nicht individuelle Lösungen mit ihren Arbeitgebenden suchen müssen. Betroffen seien jährlich rund 1300 Kinder und ihre Mütter. Mit 131 zu 35 Stimmen (bei 6 Enthaltungen) sprach sich der Nationalrat für Eintreten aus. Die ablehnenden Stimmen und Enthaltungen stammten von Mitgliedern der SVP-Fraktion.
Bei der Detailberatung stand dieselbe Frage zur Diskussion, die auch den Ständerat am stärksten beschäftigt hatte, nämlich ob die Mütter nachweisen müssen, dass sie bereits vor der Niederkunft beabsichtigt hatten, die Erwerbstätigkeit wieder aufzunehmen. Die Mehrheit der nationalrätlichen Kommission befürwortete eine solche Nachweispflicht, während eine Minderheit Porchet (gp, VD) hier dem Ständerat folgen wollte, welcher sich dagegen ausgesprochen hatte. Die Kommissionssprechenden, Philippe Nantermod (fdp, VS) und Flavia Wasserfallen (sp, BE), setzten diesen Entscheid mit der Frage nach der Bedeutung des Mutterschaftsurlaubs in Verbindung: Der Mutterschaftsurlaub sei eine Verdienstausfallentschädigung, sie solle den Müttern helfen, ihre Rolle in der Gesellschaft und auf dem Arbeitsmarkt beizubehalten. Zudem sei diese Änderung Teil eines Kompromisses, in dessen Rahmen auch die Mindestdauer des für die Verlängerung nötigen Spitalaufenthalts von drei auf zwei Wochen reduziert worden sei. Mit 124 zu 64 Stimmen folgte der Nationalrat der Kommissionsmehrheit und führte damit die Nachweispflicht wieder ein, senkte aber gleichzeitig die Mindestdauer des Spitalaufenthalts. Für den Minderheitsantrag hatten die Mehrheit der SP-Fraktion, die gesamte Grünen-Fraktion sowie je ein Mitglied der SVP- und der Mitte-Fraktion gestimmt.

Mutterschaftsentschädigung bei längerem Spitalaufenthalt des Neugeborenen (BRG 18.092)

Ebenfalls noch im Mai 2020 verabschiedete der Bundesrat die Botschaft zur dringlichen Änderung des Epidemiengesetzes betreffend das Proximity-Tracing-System, mit der die Rechtsgrundlage für die Corona-Warn-App geschaffen werden soll. Eine solche hatten die eidgenössichen Räte mit der Annahme zweier Motionen der Staatspolitischen Kommissionen (Mo. 20.3144 und 20.3168) ausdrücklich verlangt. Zweck der SwissCovid-App ist es, das herkömmliche Contact-Tracing der Kantone zu ergänzen. Die Nutzung der App soll ausdrücklich freiwillig sein und aus der Teilnahme oder Nicht-Teilnahme dürften keine Vor- oder Nachteile erwachsen, versicherte der Bundesrat in der entsprechenden Medienmitteilung. Der Datenschutz werde gewahrt, indem die Daten dezentral gespeichert würden und das System keine Standortdaten erfasse. Zudem seien die technischen Details und der Quellcode der App öffentlich zugänglich. Überdies verpflichtete sich der Bundesrat dazu, die App ausser Betrieb zu nehmen, sobald sie für die Bekämpfung des Coronavirus nicht mehr erforderlich ist.
Die SGK-SR, die sich als erste mit der Vorlage auseinandersetzte, nahm die Botschaft positiv auf und zeigte sich erfreut, dass der Bundesrat die Forderungen des Parlaments bezüglich Freiwilligkeit, dezentraler Datenspeicherung, Open Source und Diskriminierungsverbot aufgenommen habe. Sie beantragte ihrem Rat zwei Änderungen am Entwurf: Erstens müsse sichergestellt sein, dass die App nachweislich aus dem veröffentlichen Quellcode erstellt worden sei. Zweitens wollte sie die Ausserbetriebnahme der App nicht nur bei nicht mehr gegebener Notwendigkeit, sondern auch bei erwiesener ungenügender Wirksamkeit vorsehen. Die SGK-NR hiess den Entwurf mit den Änderungen ihrer Schwesterkommission ebenfalls gut und beantragte zusätzlich, dass der Corona-Test für Personen, die von der App über eine mögliche Ansteckung benachrichtigt worden sind, kostenlos sein müsse. Die beiden Kommissionen ersuchten den Bundesrat ausserdem in einem Schreiben, eine Erwerbsausfallentschädigung für Personen zu prüfen, die sich aufgrund einer Benachrichtigung der App freiwillig in Quarantäne begeben. Damit soll ein Anreiz für die breite Nutzung der App geschaffen werden.
Ständerat Damian Müller (fdp, LU) übernahm den Antrag der SGK-NR auf kostenlose Tests und brachte ihn in der Sommersession in der Kantonskammer als Einzelantrag ein, wo er auch mit grosser Mehrheit angenommen wurde. Der Ständerat hoffte, durch diese Vorwegnahme der einzigen inhaltlichen Differenz zwischen den Kommissionen die Beratung des dringlichen Geschäfts zu beschleunigen. In den anderen Punkten stimmte die kleine Kammer stillschweigend den Anträgen ihrer Kommission zu und nahm die Vorlage in der Gesamtabstimmung mit 43 zu 1 Stimmen bei einer Enthaltung an. Anschliessend schrieb sie die Motionen 20.3144 und 20.3168, mit denen die Staatspolitischen Kommissionen beider Räte das nun vorliegende Gesetz verlangt hatten, stillschweigend ab.
Nationalrat Thomas de Courten (svp, BL) äusserte in der grossen Kammer indes Zweifel, ob man «diese Gesetzesgrundlage für ein Informationssystem, staatlich betrieben zur Überwachung der Bürgerinnen und Bürger, einfach so durchwinken» solle, und beantragte Nichteintreten, fand dafür jedoch ausserhalb seiner Fraktion keine Unterstützung. Die Volkskammer trat mit 164 zu 26 Stimmen bei 6 Enthaltungen auf das Geschäft ein und lehnte daraufhin alle von der Kommissionsmehrheit abweichenden Anträge ab. Es handelte sich dabei um diverse Einzelanträge sowohl für eine Verschärfung – wodurch gemäss Mehrheitsmeinung jedoch die Funktionalität der App beeinträchtigt würde – als auch für eine Lockerung des Datenschutzes – zur Vereinfachung der Interoperabilität mit anderen Anwendungen und der wissenschaftlichen Nutzung der Daten – sowie um einen Minderheitsantrag Wasserfallen (sp, BE) zur Garantie von Erwerbsersatz während der freiwilligen Quarantäne, den die Ratsmehrheit aber als nicht ausgereift ansah; der Bundesrat sei aufgefordert, hier eine Regelung zu treffen. In der Gesamtabstimmung stimmte der Nationalrat der somit bereinigten Vorlage mit 156 zu 22 Stimmen bei 13 Enthaltungen zu, wobei sich die Fraktionen der SVP und der Grünen grossteils skeptisch zeigten, und schrieb die beiden Kommissionsmotionen für eine gesetzliche Grundlage für die Corona-Warn-App stillschweigend ab.
Ebenfalls noch in derselben Session nahmen beide Räte die Dringlichkeitsklausel an und verabschiedeten die dringliche Gesetzesänderung sodann mit 154 zu 23 Stimmen bei 18 Enthaltungen im Nationalrat und mit 42 zu 1 Stimmen bei 2 Enthaltungen im Ständerat.

In den Medien wurde die parlamentarische durch eine lebhafte gesellschaftliche Debatte über Sinn und Unsinn beziehungsweise Chancen und Gefahren von Corona-Warn-Apps im Allgemeinen sowie der SwissCovid-App im Speziellen begleitet. Ein Teil der Bevölkerung konnte die offizielle Lancierung der SwissCovid-App, die nach der Genehmigung der Gesetzesgrundlage durch das Parlament erfolgen sollte, kaum erwarten. Wie «Le Temps» Anfang Juni berichtete, verzeichnete die App zu diesem Zeitpunkt schon rund 50'000 Downloads, obwohl sie sich noch in der Testphase befand und für die Öffentlichkeit noch gar nicht freigegeben war. Auch zeigten sich nicht alle Parlamentarierinnen und Parlamentarier über ihr Mitspracherecht bei der Rechtsgrundlage für die App erfreut, vielmehr gehe durch die parlamentarische Beratung wertvolle Zeit verloren, liess sich etwa GLP-Nationalrat Martin Bäumle (glp, ZH) im «Blick» zitieren. Einwände gegen die App betrafen vor allem den Datenschutz und im Spezifischen die Rolle der US-amerikanischen Tech-Konzerne Amazon, Apple und Google bei deren Entwicklung und Betrieb. Während Amazon das sogenannte Content Delivery Network zur Verteilung der anonymen Codes an alle teilnehmenden Smartphones bereitstellt, hatten Apple und Google eigens eine spezielle Bluetooth-Schnittstelle entwickelt, die von der App für das Proximity-Tracing genutzt wird. Dabei schwang aber auch ein wenig Stolz mit, dass das Entwicklerteam der EPFL es geschafft hatte, die Tech-Riesen Apple und Google von ihrer Anwendung zu überzeugen und so den Stein für die gemeinsame Bluetooth-Schnittstelle ins Rollen zu bringen. Gleichzeitig erhielt die Schweizer App – nicht zuletzt im internationalen Vergleich – Lob für ihre vorbildliche, datensparsame und sichere Struktur. Die Datensicherheit wurde, wie die NZZ berichtete, auch von zwei Cybersicherheitsstellen des Bundes, dem Computer Security Incident Response Team am BIT sowie dem Swiss Government Computer Emergency Response Team, bestätigt. Dieselbe Zeitung resümierte jedoch, dass die «höchste Hürde» der SwissCovid-App noch bevorstehe, indem sie in der Bevölkerung tatsächlich Fuss fassen müsse.

Einführung der SwissCovid-App

In der Sommersession 2020 debattierte der Nationalrat das von der SGK-NR geschaffene Paket 1a, das eine Hälfte des bundesrätlichen Massnahmenpakets zur Kostendämpfung im Gesundheitswesen beinhaltete. Die Grundsatzdebatte begann mit einem Nichteintretensantrag de Courten (svp, BL). Dass die Kosten im Gesundheitswesen mit dieser Vorlage gesenkt werden könnten, sei Wunschdenken, damit würden nur die vergangenen Fehler wiederholt, kritisierte der Minderheitensprecher den bundesrätlichen Vorschlag. Es brauche nicht mehr, sondern weniger Regulierung und Bürokratie. Das aktuelle Projekt solle gestoppt werden, um «den Weg für einen neuen Anlauf frei zu machen». Mit 139 zu 52 Stimmen – einzig die SVP sprach sich für Nichteintreten aus – lehnte der Rat diesen Antrag jedoch ab.
In der Folge lagen sowohl von Seiten der Kommissionsmehrheit als auch von linken und rechten Kommissionsminderheiten zahlreiche Änderungsanträge gegenüber der Version des Bundesrates vor.
Zuerst behandelte der Nationalrat das Thema der Rechnungsstellung und somit konkret die Frage, wer im Tiers payant den Versicherten die Rechnung zustellen muss. Einig war man sich, dass es wichtig sei, dass die Versicherten ihre Rechnungen kontrollieren könnten; bisher seien ihnen die Rechnungen nicht konsequent genug zugeschickt worden, war der Tenor. Der Bundesrat wollte die Zustellungspflicht bei den Leistungserbringenden belassen, die Pflicht aber neu mit Sanktionsmöglichkeiten im Gesetz festschreiben. Die Kommissionsmehrheit wollte diese Pflicht auf die Versicherungen übertragen, während zwei Minderheiten de Courten hier keinen Rechtsetzungsbedarf sahen respektive festhalten wollten, dass eine Übermittlung durch die Leistungserbringenden auch elektronisch erfolgen könne. Deutlich sprach sich die grosse Kammer für den Mehrheitsantrag der SGK-NR aus. Ebenfalls die Frage der Rechnungskontrolle betraf der Minderheitsantrag Wasserfallen (sp, BE), wonach eine vom Bund finanziell unterstützte Patientenschutzorganisation geschaffen werden sollte, welcher die Patientinnen und Patienten ihre Rechnungen zur Kontrolle vorlegen könnten. Zur Verdeutlichung der Notwendigkeit dieser Massnahme zählte Flavia Wasserfallen verschiedene Fälle auf, in denen Leistungen verrechnet wurden, die gar nie getätigt worden waren. Die Schaffung einer dritten Partei bei der Rechnungskontrolle sei jedoch aufwändig und kostspielig, lehnte Ruth Humbel (cvp, AG) den Vorschlag im Namen der Kommission ab. Dennoch entschied sich der Nationalrat mit 96 zu 92 Stimmen (bei 3 Enthaltungen) für die Schaffung einer entsprechenden Patientenorganisation.
Die zweite grosse Frage betraf die Behandlungstarife. Mussten bisher nur Einzelleistungstarife auf einer gesamtschweizerisch vereinbarten einheitlichen Tarifstruktur beruhen, wollte der Bundesrat diese Anforderung auch auf ambulante Behandlungen ausdehnen, wobei er jedoch Ausnahmen vorsehen können wollte. Die Wirkung dieser Ausnahmen bezweifelte eine weitere Minderheit de Courten, deren Sprecher betonte, dass dadurch bestehende entsprechende Bestrebungen der Tarifpartner zur Suche von geeigneten Pauschalen nicht mehr fortgesetzt werden könnten. Mit 131 zu 58 Stimmen teilte die grosse Kammer die Sorge der Minderheit nicht und lehnte deren Antrag ab. Deutlich umstrittener war der Vorschlag des Bundesrates für eine Organisation zur Erarbeitung und Pflege der Tarifstruktur bei ambulanten ärztlichen Behandlungen, ähnlich wie die Swiss DRG im stationären Bereich. Der Bundesrat wollte die Verbände der Leistungserbringenden und Versicherungen bei Vorgaben zu Form, Betrieb und Finanzierung mit der Schaffung einer entsprechenden Organisation beauftragen und subsidiär selbst tätig werden, falls die Organisation nicht zustande käme oder nicht den gesetzlichen Grundlagen entspräche. Zudem sah er die Möglichkeit vor, die Schaffung einer Organisation auch von Verbänden zu anderen ambulanten Behandlungen – beispielsweise in der Chiropraktik oder der Physiotherapie – zu verlangen. Die Leistungserbringenden wären in der Folge verpflichtet, dieser Organisation unter Sanktionsandrohung die für den Betrieb nötigen Daten zu liefern; die Organisation müsste die Tarifstrukturen ihrerseits dem Bundesrat zur Genehmigung vorlegen. Zu diesem Konzept lagen zahlreiche Mehr- und Minderheitsanträge vor. Zum Beispiel sollten an der Schaffung der Organisation auch die Kantone beteiligt sein (Minderheit Prelicz-Huber; gp, ZH) respektive nicht die Verbände dafür zuständig sein, sondern wie bis anhin die Tarifpartner (Minderheit de Courten). Weiter wurden die Ausdehnung auf andere Bereiche, die Vorgaben zu Form, Betrieb und Finanzierung, die subsidiäre Kompetenz zur Schaffung der Organisation durch den Bundesrat sowie die Sanktionsmöglichkeiten von Kommissionsminderheiten bekämpft. Die Kommissionsmehrheit zeigte sich mit dem Vorschlag des Bundesrates mehrheitlich einverstanden, schlug aber vor, dass der Bundesrat erst eine Konsultation durchführe und seine Vorgaben bezüglich Form, Betrieb und Finanzierung der zu schaffenden Organisation erst anschliessend festsetze. Zudem sollten sowohl Leistungserbringende als auch Versicherungen zur Datenlieferung verpflichtet werden. Zwar setzte sich die bundesrätliche Version gegen sämtliche Minderheiten durch, zum Schluss folgte der Rat in letztgenannten Punkten jedoch deutlich der Kommissionsmehrheit.
Der dritte grosse Punkt betraf die Frage des Experimentierartikels: Dieser sollte inhaltlich, zeitlich und räumlich begrenzte Pilotprojekte mit Vorschlägen, die gegen einzelne Bestimmungen des KVG verstossen, ermöglichen und damit ein Testen alternativer Mechanismen zulassen. Der Bundesrat wollte diese Projekte auf bestimmte Bereiche beschränken, die Kommissionsmehrheit hingegen wollte einzig die Genehmigung des EDI voraussetzen. Verschiedene Minderheiten beabsichtigten, einzelne Anwendungsfelder zu streichen – beispielsweise Projekte zur Einschränkung der Arztwahl (Minderheit Gysi; sp, SG) – respektive neue Felder, wie Projekte zur Einholung von Zweitmeinungen (Minderheit Prelicz-Huber) zu erschliessen. Sie alle scheiterten an der Version des Bundesrates, die jedoch ihrerseits gegen die Kommissionsmehrheit mit 109 zu 88 Stimmen verlor. Somit wird der Anwendungsbereich des Experimentierartikels nicht eingeschränkt. Des Weiteren strich der Nationalrat auf Anraten der Mehrheit der SGK-NR die Verpflichtung der Versicherungen und Leistungserbringenden zur Teilnahme an solchen Projekten aus der bundesrätlichen Vorlage.
Mit 140 zu 48 Stimmen (bei 9 Enthaltungen) nahm der Nationalrat die veränderte Vorlage in der Gesamtabstimmung an. Unzufrieden mit dem Projekt zeigten sich die SVP – sie lehnte das Bundesratsgeschäft mehrheitlich ab – sowie einzelne Mitglieder der SP und der Grünen, die sich der Stimme enthielten.

Erstes Massnahmenpaket zur Kostendämpfung im Gesundheitswesen (BRG 19.046)
Dossier: Anstieg der Krankenkassenprämien dämpfen (seit 2020)

Im Februar 2020 reichte die Mehrheit der SGK-NR eine Motion zur Bearbeitung von Personendaten im KVG ein, eine Minderheit Wasserfallen (sp, BE) lehnte die Motion ab. Mit der Motion wollte die Kommissionsmehrheit sicherstellen, dass die Krankenversicherungen die Daten ihrer Versicherten unter Wahrung des Datenschutzes weiterhin auswerten und automatisierte Einzelentscheidungen erlassen dürfen. Hintergrund des Vorstosses waren fünf Motionen der SPK-NR, mit welchen Datenschutzbestimmungen in verschiedenen Bundesgesetzen, unter anderem auch im KVG im Zuge der Revision des Datenschutzgesetzes, hätten vervollständigt oder ergänzt werden sollen. Diese hatte die SGK-NR zur Ablehnung empfohlen und als Reaktion darauf die aktuelle Motion eingereicht, woraufhin die SPK-NR die Motionen zurückgezogen hatte. Ziel der Motion sei es, den Begriff «Profiling» sowie den Erlass von automatisierten Einzelentscheidungen in verschiedenen Bereichen gesetzlich zu verankern, um Rechtssicherheit zu gewährleisten. Da über 120 Mio. Rechnungen pro Jahr nicht von Hand auf Unregelmässigkeiten überprüft werden könnten, müsse eine rechnungsübergreifende, EDV-basierte Prüfung weiterhin möglich sein.
Der Bundesrat beantragte die Motion zur Ablehnung; die Datenbearbeitung durch die Krankenversicherungen werde aufgrund der Änderung des Datenschutzgesetzes nicht beeinträchtigt. Die Einführung des Profilings würde hingegen das Risiko der unerwünschten Risikoselektion erhöhen, kritisierte er.
Kommentarlos zog die Kommission ihre Motion im September 2020 zurück.

Bearbeiten von Personendaten im KVG. Rechtssicherheit im Hinblick auf das zukünftige Datenschutzgesetz (Mo. 20.3013)

Während gewaltbetroffene erwachsene Frauen in der ganzen Schweiz Schutz und Zuflucht in Frauenhäusern finden könnten, fehle ein solches Angebot für Mädchen und junge Frauen, die zum einen, wenn minderjährig, in Frauenhäusern nicht zugelassen seien und zum anderen bezüglich Begleitung und Unterstützung andere Bedürfnisse hätten als erwachsene Frauen, stellte die Berner SP-Nationalrätin Flavia Wasserfallen im Herbst 2019 fest und reichte ein entsprechendes Postulat ein. Mit dessen stillschweigender Annahme in der Wintersession 2019 gab der Nationalrat beim Bundesrat erstens die Erhebung einer Statistik über gewaltbetroffene Mädchen und junge Frauen sowie zweitens die Abklärung des Bedarfs an entsprechenden Schutzplätzen in Auftrag.

Statistik über gewaltbetroffene Mädchen und Bedarfsabklärung für Schutzplätze (Po. 19.4064)
Dossier: Gewalt gegen Frauen* / häusliche Gewalt (ab Ratifikation Istanbul-Konvention)

Afin de prévenir les conflits d'intérêts, Philip Hadorn (ps, SO) a préconisé une séparation de la vérification des comptes et du conseil fiscal pour les organes de révision. Le Conseil fédéral a recommandé de rejeter la motion. Bien qu'elle ait été reprise par Flavia Wasserfallen (ps, BE), la motion a été classée car elle n'a pas été traitée dans le délai imparti.

Paradise Papers. Séparer la vérification des comptes et le conseil fiscal
Dossier: Paradise Papers

Nach den Gerüchten über seinen möglichen Abgang in Folge der schlechten Wahlresultate bei den Nationalratswahlen 2019 bestätigte Christian Levrat am 12. November 2019 in den Medien offiziell seinen Rücktritt als SP-Parteipräsident. Schon Anfangs November hatte Jacqueline Fehr (sp, ZH) – mit klaren Worten – Levrats Abgang gefordert; eine Forderung, die zum Beispiel auch die Zürcher SP-Co-Präsidentin Priska Seiler Graf geteilt hatte.
Christian Levrat kommunizierte seinen Entscheid in zwei Interviews mit dem Blick und La Liberté, wobei er auch klarstellte, dass sein Abgang schon im Frühling 2019 beschlossen worden war. Der auf November 2020 geplante Parteitag werde auf April 2020 vorgezogen, damit das neue Präsidium genug Zeit habe, um die nächsten Wahlen vorzubereiten. Somit stehe sein Rücktritt nicht mit den Ergebnissen der Nationalratswahlen 2019 und den lauten Abtrittsforderungen seitens anderer Parteimitglieder in Zusammenhang.
Die Presse blickte auf die Erfolge und Misserfolge des Parteipräsidenten zurück: Obwohl Levrat die Verluste der SP in puncto Stimmenanteile nicht habe verhindern können, sei es ihm gelungen – so die NZZ – «die Strömungen innerhalb der traditionell streitlustigen Partei relativ erfolgreich zu vereinen» und im Ständerat auch Allianzen über die Parteigrenzen hinweg einzufädeln.
Mit dem Rücktritt von Levrat starteten die Medien ihre Spekulationen zu seiner Nachfolgerin oder seinem Nachfolger. Im Rennen um das Präsidium hätten gemäss NZZ bereits folgende Personen ihr Interesse geäussert: Flavia Wasserfallen (sp, BE), Barbara Gysi (sp, SG), Mattea Meyer (sp, ZH), Min Li Marti (sp, ZH) und Cédric Wermuth (sp, AG). Der Tages-Anzeiger betonte überdies, dass die Wahl des Präsidiums für zahlreiche Parteimitglieder nicht nur eine neue Person an der Spitze der SP, sondern auch eine neue Aufstellung der Partei – sowohl organisatorisch als auch inhaltlich – bedeute: Einige Parteimitglieder wünschten sich eine «Feminisierung» der Partei, andere einen Wahlkampf mit klarerem Programm und klarerer Richtung, wieder andere eine Person mit strategisch-führungsmässigen Qualitäten. Wer das Präsidium übernimmt und wie die neue Strategie aussehen soll, wird im April 2020 entschieden.

Rücktritt des SP-Parteipräsidenten Christian Levrat

Obwohl der Kanton Bern aufgrund seines unterdurchschnittlichen Bevölkerungswachstums bei den Nationalratswahlen 2019 schon zum zweiten Mal in Folge ein Mandat in der Grossen Kammer abgeben musste, bewarben sich dieses Jahr deutlich mehr Personen auf einen der verbliebenen 24 Sitze als vor vier Jahren. Unter den total 651 Kandidierenden waren auch 274 Frauen gemeldet. Damit war der Frauenanteil ebenfalls höher als 2015 (2019: 42.1%; 2015: 37.4%). Die Anzahl der Wahllisten stieg von 26 auf 34.

Bei den letzten Nationalratswahlen hatte sich die SVP nach ihrem Sitzgewinn als Wahlsiegerin feiern lassen können. Je einen Sitz verloren hatten damals die BDP und die Grünen. Während der vergangenen Legislatur waren die Berner Nationalratssitze somit wie folgt auf die Parteien verteilt: 9 SVP, 6 SP, 3 BDP, 2 FDP, 2 Grüne, 2 GLP, 1 EVP. Aufgrund des Mandatsverlustes war schon von Beginn weg klar, dass mindestens eine Partei einen Sitz verlieren würde. Die beiden Parteien welche im Vorfeld am stärksten gefährdet schienen, waren die SVP und die BDP. Die Volkspartei hatte 2015 Proporzglück gehabt und den Sitzgewinn nur dank einem Überhangmandat geschafft. Auf kantonaler Ebene hatte die SVP seither Federn lassen müssen, auch weil sie bei den Grossratswahlen 2018 drei Sitze verloren hatte. Keine wirkliche Hilfe waren der Partei die Listenverbindungen – sie verband sich einzig mit der Liste «Gesundheit-Energie-Natur». Ausserdem musste die Volkspartei einen gewichtigen Abgang verkraften: Der langjährige Nationalrat Adrian Amstutz wurde Opfer der parteiinternen Amtszeitbeschränkung. Zwar hatten die SVP-Delegierten eigens eine «Lex Amstutz» beschlossen, die es erlaubt hätte die Beschränkung in einzelnen Fällen zu lockern. Doch Amstutz entschied sich trotz dieser Sonderregel, nicht erneut zu kandidieren. Auch die BDP musste bei den diesjährigen Wahlen auf bekannte Parteigrössen verzichten. Neben dem Rücktritt von Werner Luginbühl aus dem Ständerat kündigte auch Hans Grunder im Frühjahr an, im Oktober nicht erneut kandidieren zu wollen. Schon während der Legislatur war Urs Gasche aus dem Rat geschieden. Ohne ihre langjährigen Zugpferde musste die BDP um ihre drei Sitze bangen. Die Hoffnungen ruhten im Wahljahr deshalb vor allem auf Beatrice Simon. Zusätzlich zu ihrer Ständeratskandidatur figurierte die bekannte Berner Finanzdirektorin auch auf der BDP-Nationalratsliste als Wahllokomotive. Da in Bern ein Doppelmandat in der kantonalen Regierung und im nationalen Parlament verboten ist, hätte Simon im Falle eines Einzuges ins Bundesparlament ihr Regierungsratsmandat abgeben müssen. Da der Posten in der Regierung gemeinhin als erstrebenswerter angesehen wird, wurde Simon von politischen Gegnern vorgeworfen, sie täusche die Wähler, denn sie habe gar nicht vor, eine Wahl in den Nationalrat anzunehmen. Stattdessen habe sie sich nur aufstellen lassen, um der BDP-Liste zu mehr Stimmen zu verhelfen. Simon beteuerte jedoch, dass sie auch eine Wahl in den Nationalrat annehmen würde. Dies wiederum stiess den Bürgerlichen sauer auf, da sie dadurch die 2018 mühselig erkämpfte bürgerliche Mehrheit im Berner Regierungsrat bedroht sahen. Relativ ungefährdet schienen die sechs Sitze der SP zu sein. Die Sozialdemokraten waren bei den Kantonsratswahlen 2018 als Sieger hervorgegangen (+5 Sitze). Zwar hatte auch die SP einen Rücktritt zu vermelden – für Margret Kiener Nellen war wegen der Amtszeitbeschränkung Ende der Legislatur Schluss – doch die national bekannte ehemalige Juso-Chefin Tamara Funiciello sprang in die Bresche. Auch dieses Jahr führte die SP eine separate Frauen- und Männerliste. Bisher waren auf beide Listen je drei Nationalratssitze abgefallen. Doch aufgrund der starken Frauenliste wurde gemutmasst, dass die SP-Frauen ihren männlichen Kollegen einen Sitz wegschnappen könnten. Die männlichen SP-Vertreter, allen voran Adrian Wüthrich, der erst während der Legislatur für den verstorbenen Alexander Tschäppät nachgerutscht war, mussten daher um ihre Wiederwahl bangen. Obwohl in Bern ein Sitz weniger zu vergeben war, peilten 2019 einige Parteien einen Sitzgewinn an. Die FDP, ermutigt durch ihre drei Sitzgewinne bei den Kantonsratswahlen 2018, hatte sich 11 Prozent Wähleranteil und einen dritten Sitz als Ziel gesetzt. Sie ging dafür aber keine überparteiliche Listenverbindung ein. Die CVP strebte derweil nach achtjährigem Unterbruch ihre Rückkehr in den Nationalrat an. Dafür ging sie eine breite Mitte-Verbindung mit den Listen der GLP, EVP, BDP und den Piraten ein. Als aussichtsreichster CVP-Kandidat galt der Stadtberner Sicherheitsdirektor Reto Nause. Ebenfalls nach achtjähriger Absenz in die Grosse Kammer zurückkehren wollte die EDU. Um die dazu nötigen Wählerprozente zu erreichen, verband sich die EDU mit sechs teilweise recht skurrilen Listen («Schweizer Demokraten», «Die Musketiere», «Landliste», «Partei der unbegrenzten Möglichkeiten», «5G ade!» und «JutziPhilipp.com»). Durch dieses breite Bündnis der Kleinsten wurden der EDU und ihrem Spitzenkandidat Andreas Gafner tatsächlich gute Chancen für den Einzug in den Nationalrat eingeräumt. Da das Thema der Stunde, die Klimapolitik, im Wahlkampf allgegenwärtig war, gehörten auch die Grünen und die Grünliberalen zu den Anwärtern auf einen Sitzgewinn. Beide Parteien wussten national bekannte Zugpferde in ihren Reihen – die Parteipräsidentin der Grünen Schweiz Regula Rytz, der Präsident der GLP Schweiz Jürg Grossen und die Co-Präsidentin der Frauendachorganisation «alliance F» Kathrin Bertschy (GLP). Bei den Grünen hoffte zudem die bisherige Nationalrätin Aline Trede darauf, dieses Mal den Einzug ins Parlament auf Anhieb zu schaffen, nachdem sie schon zwei Mal für aus dem Rat scheidende Parteikollegen nachgerutscht war. Während die GLP in der Mitteverbindung Unterschlupf fand, verbanden die Grünen ihre Listen mit der SP und der Partei der Arbeit (PdA).

Der Wahlsonntag brachte unerwartet grosse Verschiebungen. Die grossen Wahlsieger waren die Grünen und die Grünliberalen. Erstere bauten ihren Wähleranteil gegenüber 2015 um 5.1 Prozentpunkte aus (neu 13.6%) und gewannen zwei Sitze dazu. Neben Rytz und Trede zogen auch Christine Badertscher und Kilian Baumann in den Nationalrat ein. Die GLP vergrösserte ihren Wähleranteil um 3.7 Prozentpunkte (neu 9.7%), was für einen Sitzgewinn reichte. Melanie Mettler schaffte den Einzug ins Parlament zusammen mit den Bisherigen Grossen und Bertschy. Anders als die CVP, die ihren angestrebten Wiedereinzug in den Nationalrat verpasste, holte sich die EDU einen Sitz. Ihre Strategie der Listenverbindungen mit zahlreichen Kleinstgruppierungen war damit aufgegangen. Zwar verpasste sie die vier-Prozent-Marke ganz knapp, doch sie sicherte sich ein Überhangsmandat, womit der EDU-Spitzenkandidat Andreas Gafner ins Parlament einzog. Keine Verschiebungen gab es bei der FDP und der EVP: Die bisherigen Christian Wasserfallen (FDP), Christa Markwalder (FDP) und Marianne Streiff (EVP) wurden wiedergewählt. Ein Debakel waren die Wahlen hingegen für die SP, die SVP und die BDP. Die Sozialdemokraten verloren 2.9 Prozentpunkte ihres Wähleranteils (neu 16.8%) und dazu gleich zwei Sitze, wobei hauptsächlich die SP-Männer unter die Räder kamen. Von der Männerliste schaffte einzig Matthias Aebischer die Wiederwahl, Adrian Wüthrich und Corrado Pardini verpassten ihre Wiederwahl. Die SP-Frauen hielten ihre drei Sitze. Tamara Funiciello ersetzte Kiener Nellen und zog neben Nadine Masshardt und Flavia Wasserfallen in die Grosse Kammer ein. Die SVP (-3.1 Prozentpunkte, neu 30.0%) musste ebenfalls den Verlust von zwei Nationalratssitzen hinnehmen. Zusätzlich zum Rücktritt von Amstutz wurde noch Manfred Bühler abgewählt. Damit schied der einzige Vertreter des französischsprachigen Berner Jura aus dem Nationalrat. Für die SVP verblieben Albert Rösti, Andreas Aebi, Nadja Pieren, Erich von Siebenthal, Erich Hess und Andrea Geissbühler im Rat. Lars Guggisberg rutschte ausserdem für den Neo-Ständerat Werner Salzmann in den Nationalrat nach. Den grössten Wähleranteilverlust (-3.8 Prozentpunkte, neu 8.0%) erlitt die BDP. Trotzdem verlor sie «nur» einen ihrer drei Sitze. Neben Lorenz Hess schaffte auch Beatrice Simon die Wahl. Nach ihrer erfolglosen Ständeratskandidatur verzichtete sie allerdings – entgegen ihren Ankündigungen im Wahlkampf – auf ihr Nationalratsmandat und blieb stattdessen Regierungsrätin. Der Bisherige Heinz Siegenthaler rutschte für sie nach. Die Zusammensetzung der Berner Nationalratsdelegation lautet somit neu: 7 SVP, 4 SP, 4 GP, 3 GLP, 2 FDP, 2 BDP, 1 EVP und 1 EDU. Die Stimmbeteiligung fiel im Vergleich zu 2015 um 1.7 Prozentpunkte auf 47.4 Prozent.

Nationalratswahlen 2019 – Bern
Dossier: Eidgenössische Wahlen 2019 - Überblick

In der Herbstsession 2019 läutete der Nationalrat die erste Runde in der Differenzbereinigung der Urheberrechtsrevision ein. Obwohl er am Ende des Tages in allen drei verbliebenen Differenzen – Bibliotheken, Filmmusik und Hotelabgaben – gemäss den Kommissionsanträgen stimmte, blieben auch in dieser Sitzung aufgrund zweier Minderheitsanträge die Diskussionsbeiträge nicht aus.
Im Falle der Bibliotheken hatte sich die grosse Kammer bis anhin noch nicht äussern können, da die Frage der tarifären Begünstigungen erst in der Sommersession 2019 vom Ständerat aufgeworfen worden war. Eine knappe Mehrheit der RK-NR (12 zu 11 Stimmen bei einer Enthaltung) hatte sich sodann auch für dessen Beschluss ausgesprochen, den Vergütungstarif für Bibliotheken zukünftig zu reduzieren. Die Minderheit Gmür-Schönenberger (cvp, LU) aber griff den bereits in der kleinen Kammer eingebrachten Einzelantrag des Parteikollegen Engler (cvp, GR) auf und beantragte die Aufhebung der Vergütungspflicht auf Ausleihen für gemeinnützige Institutionen. Die Minderheitssprecherin Gmür-Schönenberger begründete den Antrag wie folgt: Die mit der tariflichen Vergünstigung verbundene Honorierung der Bibliotheksarbeit sei zwar erfreulich, jedoch entspreche diese Regelung faktisch keinem Kompromiss, sondern einem Rückschritt, da dadurch eine Abgabe auf Pauschalen gesetzlich verankert werde. Die Bibliotheken hätten sich mit der Beibehaltung der bisherigen Praxis einverstanden gezeigt, müssten aber mit den neuen Grundlagen teilweise um ihre Existenz fürchten. Bibliotheken seien die grössten Förderer von Autorinnen und Autoren; mit dem von ihr eingebrachten Antrag liesse sich nun ein System verankern, von dem auch die Autorenschaft direkt profitieren könne. Ihr Parteikollege Philipp Bregy (cvp, VS) pflichtete dem bei und verkündete, dass die CVP-Fraktion dem Antrag zustimmen werde. Sibel Arslan (BastA/BS) – als Mitträgerin des Minderheitsantrags – führte hingegen in ihrer Erläuterung aus, weshalb sich die Grüne Fraktion schliesslich doch für den Mehrheitsantrag aussprechen werde: Im Grundsatz ginge es hierbei um einen Interessenkonflikt zwischen den Bibliotheken und der Rechteinhaberschaft. Die ursprüngliche Annahme, dass der Minderheitsantrag lediglich eine Ergänzung und Präzisierung des Art. 60 Abs. 4 sei und besonders den kleinen Bibliotheken, die für die Rechteinhaberschaft von grosser Bedeutung sind, zugute käme, müsse nachträglich revidiert werden. Der ständerätliche Beschluss berücksichtige die spezifische Situation der Bibliotheken zur Genüge; alles darüber hinaus wäre lediglich eine Einschränkung der Rechteinhaberschaft. Da dies im Vergleich zum Status quo gar einer Verschlechterung der Situation von Urheberinnen und Urhebern gleichkomme, werde man dem Mehrheitsantrag folgen, wobei eine kleine Minderheit – womit sie wohl in erster Linie sich selbst meinte – sich zwecks Lösungsfindung enthalten werde. Während sich auch die BDP-Fraktion diesem Entscheid anschloss, sprach sich die FDP-Fraktion wiederum für den Mehrheitsentscheid aus. Vor der Abstimmung liess es sich die anwesende Bundesrätin Karin Keller-Sutter nicht nehmen, darauf hinzuweisen, dass die vom Ständerat vorgeschlagene Begünstigung sehr flexibel sei und, wenn auch nicht eine generelle Privilegierung, immerhin die Berücksichtigung spezifischer Fälle zuliesse. In der Abstimmung sprach sich schliesslich eine deutliche Mehrheit von 106 zu 61 Stimmen für den Mehrheitsantrag aus und folgte somit dem Beschluss des Ständerates.
Hinsichtlich der Filmmusik gab es nichts zu beanstanden, weshalb man, wie von der Kommission beantragt, stillschweigend Zustimmung zum Ständeratsbeschluss gab. Bei der vom Nationalrat selbst eingebrachten Hotelabgabe schieden sich wiederum die Geister. Während eine Kommissionsmehrheit von 16 Stimmen ein Festhalten am Erstbeschluss beantragte, forderte eine Minderheit Wasserfallen (sp, BE) (8 Stimmen) die Zustimmung zum Ständeratsbeschluss. Flavia Wasserfallen eröffnete ihr Votum mit dem Verweis auf die parlamentarische Initiative Nantermod (fdp, VS; Pa.Iv. 16.493): «Es mag manchmal elegant und klug sein, ein Anliegen aus einer parlamentarischen Initiative in das laufende Verfahren einer Gesetzesrevision aufzunehmen und damit auch Zeit zu gewinnen. Manchmal ist es aber auch einfach nur unüberlegt und schlecht, wie hier in Artikel 19 Absatz 1 Buchstabe d». Es sei durchaus legitim, unbeliebte Regelungen auf diese Weise aus dem Weg zu schaffen, in diesem Fall sei es aber besonders heikel, weil man zum einen eine ziemlich verfehlte Definition von Eigengebrauch festlegen würde und zum anderen ein Thema aufgreife, das bis anhin noch nie zur Diskussionsgrundlage der AGUR12 gezählt habe. Des Weiteren würde man damit nicht nur einen bestehenden Kompromiss zuungunsten der Schweizer Kunstschaffenden verändern, sondern auch ein Streitschlichtungsverfahren aufgrund der Verletzung von internationalen Grundlagen riskieren. Giovanni Merlini (fdp, TI) schätzte hingegen das Risiko eines solchen Verfahrens wesentlich geringer ein. Auf internationaler Ebene sei die Frage der Doppelvergütung relativ unerheblich, der Fokus liege dort vielmehr auf der Bekämpfung von illegalen Kopien. Die zusätzliche finanzielle Belastung der betroffenen Institutionen sei in dieser Frage relevanter. Daher erbitte die FDP-Fraktion ein Festhalten und somit die Bestätigung der direkten Umsetzung der angesprochenen Initiative. Zur Abstimmung stand in der Folge ein erneuter Interessenkonflikt, der sich dieses Mal zwischen der Kultur und der Wirtschaft bzw. dem Tourismus eröffnete. So war es wenig erstaunlich, dass die Abstimmung mit 108 zu 68 Stimmen zugunsten der Mehrheit ausfiel, die sich aus den nahezu geschlossenen Fraktionen der SVP, FDP, CVP und BDP zusammensetzte, während die gänzlich geschlossenen Fraktionen der Grünen, SP und GLP das Nachsehen hatten. Somit wurde die Vorlage mit einer verbleibenden Differenz an den Ständerat zurückgeschickt.

Das Anliegen ebendieser einen verbleibenden Differenz hatte bei den Kulturschaffenden bereits vor der Abstimmung für rote Köpfe gesorgt. Just am Wochenende vor der Nationalratsdebatte hatten sich Prominente wie Sina, Büne Huber, Marc Sway und Stefanie Heinzmann in einem offenen Brief mit dem Titel «Wir verschenken unsere Arbeit nicht!» an das Parlament gewandt, wie die Basler Zeitung und der Tages-Anzeiger berichteten. Der hier angedachte Passus würde für die Schweizer Musikschaffenden einer Einbusse in Höhe von CHF 1 bis 1.5 Mio. gleichkommen. Arrivierte Künstler wie der Berner Mundartsänger Marc Trauffer seien zwar – gemäss eigener Aussage – nicht auf Urheberrechtsvergütungen angewiesen, aus Solidarität zu anderen Branchenkolleginnen und -kollegen, auf die das eben nicht zutreffe, habe er den Brief dennoch unterschrieben. Christoph Trummer von Sonart, der Vereinigung Schweizer Musikschaffender, bekundete in den Medien sein Bedauern darüber, dass ein grundsätzlich ausgeglichener Kompromiss auf den letzten Metern nun «zulasten der Kultur und zugunsten des Tourismus» verändert werde. Besonders, da zum einen die Vergütung sehr gering ausfalle – pro Hotelzimmer und Monat weniger als CHF 1 – und zum anderen die Auswahl der von der Abgabe ausgenommenen Institutionen doch sehr willkürlich erscheine und daher vermutlich in absehbarer Zeit auch andere Institutionen ihr Begehren äussern würden. Besonders kritisiert wurde, dass lediglich Schweizer Künstlerinnen und Künstler von dieser Anpassung betroffen seien, während ausländische Künstlerinnen und Künstler ihre Vergütung weiterhin einfordern könnten.

Ausgestaltung des Urheberrechts im digitalen Zeitalter (BRG 17.069)
Dossier: Revision des Urheberrechts

Anfang September 2019 berichtete der Sonntagsblick darüber, dass verschiedene Ärzte für medizinische Gutachten für die IV über mehrere Jahre Millionenbeträge erhalten hätten. Angeführt wurden Beispiele von einer Ärztin und einem Arzt, denen die IV-Stellen in sechs Jahren CHF 1.86 Mio. respektive CHF 1.82 Mio. für Gutachten ausbezahlt hätten. Ein Gutachter habe in sieben Jahren gar CHF 3.1 Mio. erhalten, war in einem späteren Zeitungsbericht zu lesen.
Problematisch seien diese hohen Zahlungen, weil die Gutachterinnen und Gutachter deshalb nicht mehr unabhängig seien: Die Gefahr bestehe, dass sie im Sinne der IV-Stellen entschieden und deshalb seltener Rentenleistungen als gerechtfertigt einschätzten als andere Ärztinnen und Ärzte. Wer möglichst selten Arbeitsunfähigkeiten feststelle, würde von den IV-Stellen auch zukünftig vermehrt für Gutachten eingeladen, war die Vermutung der Medien. Diese Befürchtung untermauerte der Blick durch Zahlen von kantonalen IV-Stellen, die aufgrund des Öffentlichkeitsprinzips hatten zugänglich gemacht werden müssen: Im Kanton Basel-Landschaft zeige sich zum Beispiel, dass im ersten Halbjahr 2018 zwei Ärzte für ein Viertel der psychiatrischen Gutachten verantwortlich gewesen seien. Diese zwei Ärzte hätten in 26 Prozent der Fälle eine Arbeitsunfähigkeit ab 40 Prozent festgestellt, alle anderen Gutachter seien zusammen auf einen Anteil von 57 Prozent gekommen. In der Folge musste auch das BSV die Liste der zwischen 2012 und 2018 eingesetzten Gutachterinnen und Gutachter veröffentlichen, wobei sich ebenfalls eine einseitige Verteilung zeigte: 10 Prozent der Gutachtenden erhielten in dieser Zeit 73 Prozent des Auftragsvolumens.
Aufgrund der grossen Bedeutung, die den Gutachterinnen und Gutachtern im Rahmen der IV-Verfahren zukomme, sei deren fehlende Unabhängigkeit besonders stossend, argumentierten der Blick und in der Folge auch weitere Medien. So werde hauptsächlich aufgrund der Gutachten entschieden, ob jemand IV erhalte. «Die Gutachter erfüllen beinahe richterliche Funktionen», erklärte etwa Rainer Deecke, Präsident der Selbsthilfeorganisation für Schmerzkranke, touché.ch. Das BSV bezweifelte hingegen die fehlende Unabhängigkeit der Gutachterinnen und Gutachter und betonte, dass «mit einem prozentualen Anteil bestimmter Arbeitsunfähigkeitsgrade [...] sachlich fundiert keine qualitative Beurteilung einer Gutachtertätigkeit vorgenommen werden [könne]». Stattdessen verwies BSV-Sprecher Harald Sohns darauf, dass die Gutachten bis vors Bundesgericht Beweiskraft haben müssten und somit nicht willkürlich erstellt werden könnten.
Dass diese Beweiskraft jedoch nicht immer gegeben ist, zeigte die weitere Berichterstattung zu diesem Thema in den Medien. Diese berichteten in den nächsten Wochen von zahlreichen Personen, denen die IV-Rente unter anderem aufgrund von Rechtsgutachten aberkannt oder nicht zugesprochen wurde, die ihre Forderungen jedoch später vor Bundesgericht zumindest teilweise durchsetzen konnten. Gleichzeitig wurden weitere Probleme bezüglich der IV-Gutachten publik: Betroffene berichteten davon, dass ihre Aussagen in Gutachten verdreht worden seien oder dass sich die Gutachterinnen und Gutachter für ein Gespräch teilweise weniger als 30 Minuten Zeit genommen hätten. Ein Arzt erläuterte, dass er immer wieder praktisch identische Gutachten – sogennante «Copy/Paste-Gutachten» – zu Gesicht bekomme. Teilweise seien auch Ärztinnen und Ärzte aus Deutschland, welche die Situation in der Schweiz nicht kennen würden, hier kaum Rechenschaft ablegen müssten und nur Hochdeutsch verstünden, für Gutachten in die Schweiz geholt worden. Zudem gebe es Ungereimtheiten bei den Mehrdisziplinen-Gutachten, bei denen mindestens drei verschiedene medizinische Fachrichtungen einbezogen werden und die im Unterschied zu Ein- oder Zweidisziplinen-Gutachten zufällig vergeben würden. So arbeiteten beispielsweise verschiedene Ärzte des marktführenden Unternehmens bei verschiedenen Gutachterfirmen, womit die Zufallsvergabe teilweise umgangen worden sei.
Mitte Dezember 2019 berichteten die Medien schliesslich auch darüber, dass das BSV allen kantonalen IV-Stellen ein jährliches «Sparziel» definiere, gemäss dem sie die Zahl von Neurenten, die Gesamtrentenzahl sowie die Kosten pro Versicherten «halten» oder «senken» sollten. Entsprechend «prüfe [die IV] nicht mehr überall offen, auf welche Leistungen ein Versicherter Anspruch habe, sondern wie das Quotenziel erreicht werden [könne]», kritisierte Alex Fischer von der Behindertenselbsthilfe Procap. Das BSV verwies jedoch darauf, dass dies keine Sparvorgaben, sondern Leistungsziele seien und somit einen Teil des Aufsichts- und Steuerungsprozesses der IV darstellten. Alle Versicherten erhielten die ihnen gesetzlich zustehenden Leistungen, betonte das BSV. Die NZZ erklärte, dass diese Praxis auf die fünfte IV-Revision 2008 zurückzuführen sei. Seither müsse das BSV prüfen, ob die Integration in den Arbeitsmarkt funktioniere, wozu es ebendiese Kennzahlen verwende. Diese stellten somit nur einen «Wasserpegelmesser» dar und seien für die IV-Stellen nicht verbindlich, ihre Nichteinhaltung habe auch keine Folgen. Dennoch würden sie den Mitarbeitenden in einigen Kantonen kommuniziert, ergänzten die Medien.

Im Rahmen dieser Berichterstattung formulierten Behindertenverbände und Sozialversicherungsanwälte zahlreiche Forderungen, wie die Politik dieser Problematik begegnen solle. So brauche es schweizweite transparente Daten zu den IV-Gutachten mit Einbezug der Anteile an erklärten Arbeitsunfähigkeiten, eine Aufzeichnung der Gespräche und eine übergeordnete Qualitätskontrolle bei den Gutachten. Zudem sollten die IV-Stellen zukünftig nicht mehr entscheiden dürfen, wer die Gutachten erstelle; diese sollten nach Zufallsprinzip zugeteilt werden, wie es bei komplexen Gutachten mit drei oder mehr Ärzten aufgrund eines Bundesgerichtsurteils 2011 heute schon der Fall sei. Von diesen Massnahmen zeigten sich die Versicherungsmediziner nicht überzeugt. Bereits heute gebe es Instrumente, um gute und schlechte Gutachten zu unterscheiden. Tonbandaufnahmen würden hingegen zu neuen, langwierigen Rechtsauseinandersetzungen führen, bestmögliche Rahmenbedingungen für das Gespräch verhindern und zu einer verhörähnlichen Situation führen.
In der folgenden Wintersession 2019 überschlugen sich die Parlamentarierinnen und Parlamentarier förmlich mit Vorstössen zu diesem Thema. So reichten sie Anfragen oder Interpellationen zur üblichen Qualität der Gutachten ein (Frage Müller-Altermatt, cvp, SO; 19.5700) und stellten konkrete Fragen zu zwei im Zentrum der Berichterstattung stehenden Gutachtern (Ip. Roduit, cvp, VS; 19.4498 und Ip. Bertschy, glp, BE; 19.4481) und einem Unternehmen (Ip. Prelicz-Huber, gp, ZH; 19.4623) oder zu Ärzten, die an mehreren Gutachterstellen arbeiteten (Ip. Studer, evp, AG; 19.4592). Überdies wollten sie wissen, ob es gängige Praxis sei, dass IV-Stellen nur bei Attesten einer Arbeitsunfähigkeit, nicht aber bei Arbeitsfähigkeit Nachfragen stellten (Frage Roduit; 19.5647), ob die Quotenziele des BSV mit dem Rechtsanspruch auf IV in Konflikt stünden (Ip. Graf, gp, BL; 19.4636), ob zukünftig alle IV-Gutachten zufällig vergeben werden könnten (Ip. Lohr, cvp, TG; 19.4469) und was der Bundesrat allgemein tue, um die Situation zu verbessern (Ip. Wasserfallen, sp, BE; 19.4513). Überdies stellten sie Fragen zur von Bundesrat Berset angekündigten externen Untersuchung (Ip. Studer; 19.4593). So hatte der Gesundheitsminister im Rahmen der Fragestunde erklärt, eine detaillierte Analyse der Situation und der notwendigen Massnahmen in Auftrag gegeben zu haben.
Darüber hinaus dürfte die Medienberichterstattung auch in die Beratung der Weiterentwicklung der IV in der Wintersession 2019 eingeflossen sein. Da stritt man sich zu diesem Zeitpunkt noch darum, ob den Gutachten künftig Tonaufzeichnungen, wie vom Ständerat gewünscht, anstelle eines schriftlichen Protokolls durch die Gutachter, wie es der Nationalrat vorgeschlagen hatte, beigelegt werden sollten. Benjamin Roduit, der ebenfalls zwei Interpellationen zum Thema verfasst hatte, verwies im Rat auf verschiedene Fälle, in denen Gutachten unsorgfältig oder unsachgemäss erstellt worden seien. Mit 114 zu 78 Stimmen bestätigte der Nationalrat die Verpflichtung zu Tonaufzeichnungen, welcher der Ständerat bereis zuvor zugestimmt hatte. Zudem stimmte der Nationalrat einstimmig der Schaffung einer Liste aus Gutachterstellen und Sachverständigen, in denen die Anzahl begutachteter Fälle sowie die Ergebnisse des Gutachtens bezüglich des Grads der attestierten Arbeitsunfähigkeit enthalten war, zu. In seiner ersten Beratung hatte er sich auf eine Gutachterliste ohne Grad der Arbeitsunfähigkeit beschränkt. Eine weitere in der Diskussion erwähnte Forderung hatte das Parlament im Rahmen der Weiterentwicklung der IV bereits umgesetzt: So schuf es eine Kommission aus Gutachterstellen, Ärzteschaft, Wissenschaft und Patientenschaft, welche die Zulassung als Gutachterstellen, das Verfahren zur Gutachtenerstellung und die Ergebnisse der medizinischen Gutachten überwachen sollte.

IV-Skandal

Mittels parlamentarischer Initiative forderte Mathias Reynard (sp, VS) eine Beweislasterleichterung für die sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz. Nach bestehendem Artikel 6 GlG gelte bei zivilrechtlichen Klagen gegen die Arbeitgebenden für eine Reihe von Diskriminierungsformen die Beweislasterleichterung; der Tatbestand der sexuellen Belästigung gehöre jedoch nicht dazu. Es sei äusserst problematisch, dass die hohe Zahl von Gerichtsurteilen zuungunsten der klagenden Person unter anderem auch auf die Beweisschwierigkeit von sexueller Belästigung zurückzuführen sei. Aus diesem Grund schlug Reynard vor, den Artikel zur Beweislasterleichterung um den Tatbestand der sexuellen Belästigung zu ergänzen und so die Beweishürde für eine Verurteilung zu senken. Dadurch müsste die Klägerin bzw. der Kläger das Vorliegen einer sexuellen Belästigung künftig durch Hinweise glaubhaft machen und nicht mehr beweisen können. Es wäre dann an der beklagten Person bzw. am beklagten Unternehmen, Gegenteiliges nachzuweisen. Wie der Initiant im Rat unterstrich, sei die Beweislasterleichterung jedoch nicht mit der Beweislastumkehr zu verwechseln.
Die RK-NR, welche die parlamentarische Initiative vorgeprüft hatte, beantragte mit einer Mehrheit von 16 zu 5 Stimmen bei 2 Enthaltungen, dem Vorstoss keine Folge zu geben. Ungleich den Diskriminierungsformen mit Beweislasterleichterung sei es den Arbeitgebenden im Falle der sexuellen Belästigung kaum möglich, Befreiungsbeweise zu liefern, lautete die Begründung des Mehrheitsantrags. Die Beweislasterleichterung stehe ausserdem in einem Widerspruch mit wichtigen Pfeilern der Schweizer Rechtsordnung, so auch der Unschuldsvermutung. Weiter habe das Parlament in der Vergangenheit bereits ähnliche Vorstösse abgelehnt.
Eine Minderheit der RK-NR – bestehend aus SP-Nationalrätinnen und -räten – erachtete diese Argumente hingegen als unbegründet und verwies auf andere Länder, welche diese Praxis bereits erfolgreich anwendeten und positive Erfahrungen damit gesammelt hätten. Flavia Wasserfallen (sp, BE) fügte im Namen dieser Minderheit an, dass es den Arbeitgebenden zudem jederzeit möglich sei, externe Fachstellen mit der Untersuchung des Falls zu beauftragen und so womöglich die nötigen Beweise zu finden. Die Hürde für eine entsprechende Verurteilung bleibe trotz Beweislasterleichterung hoch. Der Nationalrat folgte jedoch dem Mehrheitsantrag und gab der Initiative in der Sommersession 2019 mit 133 zu 51 Stimmen bei 3 Enthaltungen keine Folge. Während sich sowohl SP und Grüne als auch SVP, FDP und die Mitte jeweils geschlossen hinter den Minderheitsantrag respektive hinter den Mehrheitsantrag stellten, zeigte sich bei der GLP mit drei Stimmen für den Minderheitsantrag und fünf Stimmen für den Mehrheitsantrag ein gemischtes Bild.

Sexuelle Belästigung. Beweislast erleichtern (Pa.Iv. 17.501)

Die Entlastung des Bundesgerichtes von Bagatellfällen war in den letzten Jahren Gegenstand verschiedener Vorstösse (Po. 13.3694; Mo. 14.3667; Mo. 17.3353 und 17.3354 sowie Mo. 17.3357) gewesen, welche der Bundesrat nun in seinen Vorschlag für eine Revision des Bundesgerichtsgesetzes aufnahm. Dabei ging es darum, die bei einer Evaluation des Bundesgerichtsgesetzes gefundenen Unzulänglichkeiten auszumerzen. Revidiert werden sollten dabei erstens die Ausnahmefälle, bei denen es bisher nicht möglich war, das Bundesgericht als Letztinstanz anzurufen. Neu soll dies nur noch für den Asylbereich gelten, für wichtige Fälle in allen anderen Bereichen soll das Bundesgericht eine Restkompetenz erhalten. Um das oberste Gericht jedoch gegen Überlastung zu schützen, sollen Beschränkungen eingebaut werden: So sollen etwa Bussen bis CHF 5'000 beim Bundesgericht nicht mehr anfechtbar sein, zudem sollen Geschädigte, die nicht unter das Opferhilfegesetz fallen, gegen Urteile von zweitinstanzlichen Gerichten beim Bundesgericht nicht mehr Beschwerde führen dürfen. Zweitens stand die subsidiäre Verfassungsbeschwerde, also die Beschwerde gegen Entscheide der letzten kantonalen Instanzen, zur Diskussion.
Der bundesrätliche Vorschlag wurde im Nationalrat in der Frühjahrssession debattiert. Das Geschäft war einigermassen umstritten, was daran lag, dass man gleichzeitig den Rechtsschutz ausbauen, die Verfahren vereinfachen und das Bundesgericht entlasten wollte, was potenziell zielinkongruent ist. Dass die Prioritäten zwischen den Parteien verschieden verteilt waren, zeigte sich bereits in der Eintretensdebatte, in der die Fraktionssprecherinnen und -sprecher darlegten, dass sie entweder vordringlich das Bundesgericht entlasten oder aber eben den Rechtsschutz ausbauen wollten. Die Ratslinke anerkannte zwar, dass das oberste Gericht eine hohe Geschäftslast zu tragen habe, dies dürfe aber nicht durch Abstriche beim Zugang zu den Gerichten wettgemacht werden. Stattdessen müsse dieser Problematik durch eine Aufstockung der Ressourcen begegnet werden. Die Ratsrechte machte sich dafür stark, dass Bagatellfälle vom obersten Gericht möglichst ferngehalten werden müssten, wobei naturgemäss umstritten war, ab welcher Schadenssumme ein Bagatellfall vorliegt. Die neue Justizministerin Karin Keller-Sutter wies darauf hin, dass es nicht so sehr nur um die Zahl der Bagatellfälle gehe, sondern vor allem auch um die Zahl der Fälle, die mit einer Beschwerde auch vor Bundesgericht kaum eine Chance hätten. Hier generiere das oberste Gericht aus juristischer Perspektive keinen Mehrwert, verbrauche aber viele Ressourcen. Eintreten wurde in der Folge mit 108 zu 76 Stimmen beschlossen. Die geschlossene SVP- und die grüne Fraktion hätten das Gesetz nicht behandeln wollen. Die Grünen bemängelten, dass vor allem im Ausländer-, Asyl- und Einbürgerungsrecht der Zugang zu stark eingeschränkt würde. Der SVP hingegen gingen die Einschränkungen zu wenig weit. Eine Entlastung des Bundesgerichts werde so nicht erreicht, argumentierten ihre Mitglieder.
In der Detailberatung ging es zum einen um die Höhe der Bussenhürde, die noch zu einer Beschwerde beim Bundesgericht berechtigen soll. Die Mehrheit der RK-NR schlug in Abweichung zum bundesrätlichen Vorschlag eine minimale Bussenhöhe von CHF 500 vor. Eine Minderheit Flach (glp, AG) wollte den bundesrätlichen Vorschlag von CHF 5'000 übernehmen und eine Minderheit Nidegger (svp, GE) beantragte, bei der bestehenden Regel zu bleiben und gar keine Hürde festzulegen. Beide Minderheitsanträge unterlagen dem Antrag der Kommissionsmehrheit. Erfolg hatte ein Antrag Wasserfallen (sp, BE), der in Zivilsachen eine Senkung der Streitwertgrenze anstrebte. In Zivilsachen kann bisher nur in Anliegen mit einem Streitwert über CHF 30'000 (bei arbeits- und mietrechtlichen Fällen bei CHF 15'000) Beschwerde geführt werden. Der Antrag der Berner Genossin, diesen Wert auf CHF 3'000 zu senken, fand gegen die Empfehlung der Kommission und der Justizministerin Anklang bei einer Ratsmehrheit von 116 gegen 71 Stimmen. Schliesslich ging es in der Detailberatung auch um den Ausnahmekatalog, mit dem geregelt werden soll, wann eine Beschwerde ans Bundesgericht nicht zulässig sein soll. Dass sich diese Einschränkungen insbesondere auf das Ausländer-, Asyl- und Einbürgerungsrecht bezogen, stiess bei der Ratslinken auf Widerstand. Mit den Minderheitsanträgen, mit denen diese Ausnahmen rückgängig gemacht werden sollten, biss Links-Grün bei der bürgerlichen Mehrheit jedoch durchgängig auf Granit.
Die «piece de résistence», wie sich Christa Markwalder (fdp, BE) ausdrückte, stellte schliesslich der von der Berner Freisinnigen angeführte Minderheitsantrag dar, die subsidiäre Verfassungsbeschwerde aufzuheben. Dieses Instrument habe sich nicht bewährt, da von 429 Beschwerden gerade mal acht gutgeheissen worden seien. Dies sei nun in der Tat eine unnötige Belastung des Bundesgerichts. Die Streichung des Instruments würde freilich den Rechtsschutz nicht abbauen, sondern er würde lediglich anders ausgestaltet. Die subsidiäre Verfassungsbeschwerde werde nämlich durch den neuen Art. 89 ersetzt, der Beschwerden zulasse, wenn sich eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung stelle oder ein besonders bedeutender Fall vorliege – von Beat Flach als «Populärbeschwerde» bezeichnet. Die Kommissionsmehrheit und die Ratslinke waren hier anderer Ansicht: Der Schutz verfassungsmässiger Rechte, folglich der Schutz des Einzelnen vor staatlicher Willkür, müsse in einem Rechtsstaat gewährleistet bleiben und dazu bedürfe es eben der subsidiären Verfassungsbeschwerde. Die acht gutgeheissenen Fälle zeigten ja offensichtlich, dass es vorkomme, dass der Staat willkürlich handle, hob etwa Matthias Aebischer (sp, BE) hervor. Karl Vogler (csp, OW) wies hingegen darauf hin, dass der Bundesrat ursprünglich die Streichung vorgesehen habe, dies nach der Kritik in der Vernehmlassung aber wieder rückgängig gemacht habe. Das Ziel der Revision müsse es aber doch sein, das Bundesgericht zu entlasten. Karin Keller-Sutter zeigte sich zwar für beide Möglichkeiten offen – beide Seiten hätten gute juristische Argumente vorgebracht, erklärte sie. Der Bundesrat habe sich aber letztlich aufgrund der politischen Rückmeldungen für ein Beibehalten der Verfassungsbeschwerde ausgesprochen. Mit 132 zu 46 Stimmen bei 6 Enthaltungen folgte der Nationalrat in diesem Punkt schliesslich der Kommissionsmehrheit. Die Nein-Stimmen stammten aus der geschlossenen CVP-Fraktion und einer Mehrheit der BDP- und der FDP-Fraktion. Nicht das Bundesgericht solle entscheiden, wann ein Fall wichtig sei und wann nicht; stattdessen solle die Chance für eine Beschwerde allen offen gelassen werde, fasste Matthias Aebischer die Mehrheitsstimmung im Ratssaal zusammen. Mit 108 zu 76 Stimmen (1 Enthaltung) wurde der Entwurf an den Ständerat weitergereicht. Die Grünen und die SVP sprachen sich auch nach den Änderungen in der Detailberatung gegen den Entwurf aus.
Der oberste Bundesrichter Ulrich Meyer zeigte sich in der Presse enttäuscht über den Entscheid der Volkskammer. Die subsidiäre Verfassungsbeschwerde generiere Leerläufe, weil damit Hunderte von aussichtslosen Beschwerden eingereicht würden. Die meisten Beschwerden würden sich nämlich darauf beziehen, dass ein Gericht den Sachverhalt nicht richtig festgestellt habe. Das Bundesgericht könne aber lediglich die Korrektheit eines Verfahrens prüfen. Meyer appellierte an den Ständerat, die Institution Bundesgericht zu retten.

Revision des Bundesgerichtsgesetzes (BRG 18.051)
Dossier: Revision des Bundesgerichtsgesetzes

Nach einer über sechsjährigen Vorgeschichte und einer Verschiebung der ursprünglich für die Herbstsession 2018 geplanten Behandlung fielen schliesslich in der Wintersession 2018 die ersten Entscheide zur Revision des Urheberrechtsgesetzes. Mit lediglich einem abweichenden Beschluss wurde das revidierte Urheberrecht in der Gesamtabstimmung des Nationalrats einstimmig gutgeheissen und auch die beiden WIPO-Abkommen wurden – mit einer kleinen sprachlichen Anpassung im Vertrag von Marrakesch – einstimmig genehmigt. Trotz dieser offensichtlichen Einigkeit zum Abschluss der Verhandlungen zeigte sich bereits in der Eintretensdebatte, dass viel Diskussionsbedarf besteht, was sich in einer zweitägigen Beratung des Geschäfts niederschlug:
Dass man auf die Vorlage eintreten werde, stand bereits zu Beginn der Beratung ausser Zweifel. Sämtliche Fraktionen votierten ohne Gegenantrag für Eintreten. Hinsichtlich der konkreten Inhalte hingegen zeichneten sich zwischen den Fraktionen teilweise grosse Differenzen ab, nicht zuletzt auch dadurch bedingt, dass nebst diversen Minderheitsanträgen jeweils auch ein Einzelantrag Merlini (fdp, TI) und Wasserfallen (fdp, BE) eingereicht wurde.
In der Detailberatung zeigte sich, dass zumindest das Herzstück der Revision, die Pirateriebekämpfung, gänzlich unbestritten war. Künftig sollen Hosting Provider insofern in die Pflicht genommen werden, als dass sie dafür Sorge tragen müssen, dass auf eine Meldung hin einmal entfernte, urheberrechtsverletzende Inhalte nicht wieder hochgeladen werden können – und zwar ohne eine erneute Meldung. Bei einem Zuwiderhandeln können strafrechtliche Schritte eingeleitet werden. Ebenfalls unbestritten waren die vorgeschlagenen Massnahmen zur Anpassung des Urheberrechts an das digitale Zeitalter, von denen insbesondere Museen, Bibliotheken und Forschungsinstitutionen profitieren sollen, sowie die Verlängerung der Schutzfrist für Musikschaffende von 50 auf 70 Jahre.
Eine erste grosse Diskussion ergab sich hingegen bei der Detailberatung des Lichtbildschutzes. Matthias Aebischer (sp, BE) und Philippe Bauer (fdp, NE), in Vertretung der Kommission, wiesen darauf hin, dass die Meinungen zu Art. 2 Abs. 3bis bereits im Vorfeld auseinandergegangen waren. Die ursprüngliche Annahme, dass eine Verschiebung des Lichtbildschutzes aus Art. 2 in Art. 29 und 34a – folglich eine Ausgestaltung als ein Nachbarrecht anstelle des Urheberrechts – keine materiellen Änderungen mit sich bringen würde, wurde in der Folge eines Juristenstreits angezweifelt. Dennoch sei sich die Kommission darüber einig, dass der Lichtbildschutz einen wichtigen Grundsatz, um nicht zu sagen «eines der Filetstücke», der Revision darstelle und man daher etwas weitergehen müsse als vom Bundesrat vorgeschlagen. Die anwesende Bundesrätin Simonetta Sommaruga erwiderte darauf, im Grundsatz mache es keinen Unterschied, ob man den Lichtbildschutz als Urheberrecht oder als Nachbarrecht ausgestalte. Das Urheberrecht als bundesrätliche Wahl habe sich aus gesetzessystematischen Gründen und der logischen Nähe zum Schutz von individuellen Fotografien ergeben. Was man aber nicht vergessen dürfe, sei, dass es sich bei den Fotografen im Wesentlichen um klassische KMU handle, die ebenso wie letztgenannte einen entsprechenden Schutz ihrer Arbeit verdienten. Daher erbat sie das Plenum, dem Einzelantrag Merlini zuzustimmen und somit dem Bundesratsentwurf zu folgen. Merlini argumentierte, dass die bundesrätliche Minimalschranke des Schutzes von lediglich dreidimensionalen Objekten nicht – wie von der Kommission gefordert – weiter ausgebaut werden soll, da ansonsten das verfolgte Ziel und der Schutzzweck des Urheberrechts verfehlt würden. Die Voraussetzung einer menschlichen Tätigkeit zur Erstellung würde andernfalls wegfallen und Aufnahmen von Radarkontrollapparaten oder Wildtierfotofallen wären dem gleichen Schutz unterstellt wie geistige Arbeit. Tatsächlich kam der Nationalrat – mit Ausnahme einer Mehrheit der SVP- und Teilen der CVP-Fraktion – dieser Bitte nach und stimmte mit 110 zu 61 Stimmen für den Antrag Merlini.
Die nächste weitläufige Diskussion galt der Video-on-Demand-Entschädigung. Hier musste sich die Kommissionsmehrheit nebst dem Einzelantrag Wasserfallen, der forderte, dass die neu vorgeschlagenen Artikel 13a und 35a bezüglich der Zugänglichmachung von audiovisuellen Werken auf Video-on-Demand-Plattformen ersatzlos gestrichen werden, um keine Mehrfachbelastung der Konsumentinnen und Konsumenten entstehen zu lassen, auch gegen eine Minderheit Aebischer behaupten, die eine Ausnahme für die in audiovisuellen Werken enthaltene Musik forderte. Flavia Wasserfallen (sp, BE), in Vertretung der Minderheit, argumentierte, dass die Musik- und Filmbranche zwei Paar Stiefel seien und gänzlich unterschiedlich organisiert seien. Die Musikbranche habe weniger Beteiligte und die Urheberschaft habe für die Verwertung ihre Rechte an die Suisa abgetreten, welche wiederum mit den entsprechenden Plattformen diverse freie Verträge abgeschlossen habe. Würde man nun die Filmmusik ebenfalls unter die Kollektivverwertung von Filmen subsumieren, wären diese Verträge veraltet und müssten neu verhandelt werden. Bundesrätin Sommaruga räumte hierzu ein, dass sie sich dieser Benachteiligung bewusst sei, man müsse dies aber als den zu zahlenden Preis verstehen, damit sich die Situation der Filmschaffenden insgesamt verbessere. In den beiden Abstimmungen konnte sich die Mehrheit schliesslich sowohl gegen den Minderheitsantrag (115 zu 58 Stimmen; SP- und Grüne-Fraktion dagegen) als auch gegen den Antrag Wasserfallen (112 zu 67 Stimmen; SVP- und Teile der FDP-Fraktion dagegen) durchsetzen. Somit erhalten Filmschaffende neu eine Vergütung für Video-on-Demand-Verwendungen, die von den Verwertungsgesellschaften eingezogen wird. Die Mehrheit konnte sich ebenfalls gegen eine Minderheit Fehlmann Rielle (sp, GE) durchsetzen (133 zu 39 Stimmen), welche den Schutz von journalistischen Werken beantragte. Eine neue Regelung sollte die Betreiber sozialer Netzwerke dazu verpflichten, Urheberinnen und Urhebern oder Verlagen eine Vergütung abzugeben, wenn sie journalistische Inhalte zugänglich machen.
Auch das im August 2018 von der KVF-NR aufs Parkett gebrachte Replay-TV sorgte für viel Diskussionsstoff. Mit dem neu zu schaffenden Art. 37a soll jedem einzelnen Sendeunternehmen die Möglichkeit gegeben werden, zum Überspringen bzw. Widerrufen von Werbung seine Zustimmung zu geben und somit nicht mehr von den Kabelnetzunternehmen abhängig zu sein. Eine Minderheit Gmür-Schönenberger (cvp, LU) legte hierzu aber ein Veto ein und beantragte die Streichung dieses Artikels aus drei Gründen: Erstens handle es sich hierbei um ein medien- und nicht urheberrechtliches Anliegen, zweitens bedürfe es bezüglich der Werbefinanzierung der Unternehmen einer gesamtheitlichen Betrachtung und drittens fehlten bis anhin relevante Untersuchungserkenntnisse für die Argumentation der Gegenseite. Ob es nun an der ergänzend angebrachten Argumentation hinsichtlich des Konsumentenschutzes lag oder doch an Beat Flachs (glp, AG) nostalgisch anmutendem Votum, dass die jungen Menschen von heute gar nicht mehr wüssten «mit welchen Herzschmerzen es verbunden war, wenn man damals einmal eine Folge von Bonanza verpasst hat», jedenfalls war das Mehrheitsanliegen im Rat chancenlos und wurde mit 182 zu 6 Stimmen rigoros abgeschmettert.
Die einzige vom bundesrätlichen Entwurf abweichende Entscheidung betraf die geforderte Streichung der Hotelabgabe: Neu sollen Hotels oder Gefängnisse für die Verwendung von öffentlichen Werken innerhalb ihrer Räumlichkeiten nicht mehr zur Kasse gebeten werden können. Dies hatte der Nationalrat mit 132 zu 53 Stimmen beschlossen, wobei die Gegenstimmen aus den geschlossenen Fraktionen der SP und Grünen stammten.
Nachdem auch die für das Abkommen von Marrakesch angeführte Kommissionskorrektur – der erleichterte Zugang zu veröffentlichten Werken auch für Menschen mit geistiger Behinderung – angenommen wurde, liegt der Spielball nun beim Ständerat.

Ausgestaltung des Urheberrechts im digitalen Zeitalter (BRG 17.069)
Dossier: Revision des Urheberrechts

Ein Fake-Inserat der Unia sorgte im September 2018 für einen kleinen Eklat. Wie verschiedene Zeitungen berichteten, schaltete die Gewerkschaft bereits im August ein Job-Inserat der fiktiven Firma «Meyer Info» auf mehreren Stellensuchportalen. Das Inserat existierte dabei in zwei fast fast identischen Versionen, wobei es sich jeweils entweder an Männer oder an Frauen richtete. Der frappante Unterschied: Das angegebene Jahresgehalt für Frauen lag bei CHF 64'000, während die Männer für dieselbe Stelle CHF 80'000 erhalten sollten. Dieser Unterschied blieb nicht lange unbemerkt, worauf sich etwa auf dem Westschweizer Newsportal «Le Matin» Nationalrätin Rebecca Ruiz (sp, VD) zum «skandalösen Unterschied» äusserte.
Im September deckte schliesslich das St. Galler Tagblatt mehrere Ungereimtheiten auf, darunter auch, dass die Firma «Meyer Info» nicht im Handelsregister verzeichnet sei. Bald wurden Vermutungen laut, dass die Inserate gefälscht und Teil einer politischen Kampagne sein müssten. Auf Druck der Öffentlichkeit meldete sich schliesslich eine Unia-Mitarbeiterin mit einem Tweet zu Wort: Die Gewerkschaft Unia, zitierte das St. Galler Tagblatt den Tweet, habe das Inserat zur Unterstützung einer Kampagne zugunsten der Lohngleichheit lanciert. Dabei hätten Influencer das Inserat gezielt gestreut, um die Öffentlichkeit für das Anliegen zu sensibilisieren.
Der Zeitpunkt der Aufschaltung war nicht zufällig gewählt: Im Nationalrat wurde gegen Ende September über eine Initiative zur Bekämpfung der Lohndiskriminierung debattiert. Bei einigen Politikerinnen und Politikern sorgte die Unia-Kampagne denn auch für Unmut: Ruiz, nun über die Fälschung aufgeklärt, zeigte sich verärgert, da es genügend reale Fälle von Lohndiskriminierung gebe, die man hätte thematisieren können, wie die Basler Zeitung festhielt. Die gleichen Töne schlug Thierry Burkhart (fdp, AG) an: Wenn die Unia auf Fake-News zurückgreifen müsse, um die Notwendigkeit einer Änderung aufzuzeigen, bestehe ja wohl kein realer Handlungsbedarf, kritisierte er. Derweil hoben Flavia Wasserfallen (sp, BE) und Maya Graf (gp, BL) hervor, dass zwar das Inserat gefälscht gewesen sei, durch die Kampagne aber auf «unkonventionelle» Art auf ein durchaus bestehendes Problem aufmerksam gemacht worden sei.

Fake-Inserat der Unia

Ende Februar war bekannt geworden, dass der amtierende Nationalrat und ehemalige Stadtpräsident von Bern, Alexander Tschäppät (sp, BE), schwer an Krebs erkrankt war, dem er Anfang Mai im Alter von 66 Jahren erlag. Zu Beginn der Sommersession 2018 wurde Adrian Wüthrich (sp, BE), der 38-jährige Präsident von Travail.Suisse und Grossrat des Kantons Bern als Nachfolger von Tschäppät vereidigt.
Zwei weitere Mutationen in der grossen Kammer hatten eine erfreulichere Ursache. Weil Christine Häsler (BE, gp) und Evi Allemann (BE, sp) in die Berner Kantonsregierung gewählt worden waren, rückten Aline Trede (gp, BE) und Flavia Wasserfallen (sp, BE) für sie nach. Trede, die bereits von 2013 bis 2015 im nationalen Parlament Einsitz genommen hatte, damals aber aufgrund des Sitzverlustes des Kantons Bern – der zulasten der Grünen ging – abgewählt worden war, gab ihr Amt, das sie bei den kantonalen Parlamentswahlen errungen hatte, also gleich wieder ab. Wasserfallen ihrerseits hatte bereits im November angekündigt, ihre Beschäftigung als Co-Generalsekretärin der SP aufzugeben.
Rund zwei Wochen später stand die 19. Vereidigung der 50. Legislatur an. Für die zurückgetretene Barbara Schmid-Federer (cvp, ZH) wurde Philipp Kutter (cvp, ZH) vereidigt. In einem Interview Anfang Mai hatte Schmid-Federer ihren Rücktritt mit dem neuen konservativ-bürgerlich ausgerichteten Kurs ihrer Partei begründet, mit dem sie sich nicht mehr identifizieren könne. Auch dass sich das Parlament immer mehr nach rechts bewege, könne sie mit ihren Überzeugungen nicht vereinbaren. Kutter gab nach Erhalt seines Nationalratssitz ebenfalls einen Sitz im kantonalen Parlament auf, amtete aber weiterhin als Stadtpräsident der Gemeinde Wädenswil.

Mutationen 2018
Dossier: Mutationen im nationalen Parlament

Der Nationalrat setzte sich in der Wintersession 2017 als Zweitrat mit den Änderungen im Strafgesetzbuch und im Militärstrafgesetz zur Umsetzung der Pädophilen-Initiative auseinander. Im Gegensatz zum Erstrat war hier Eintreten unbestritten. Von verschiedensten Fraktionssprechern wurde betont, dass Artikel 123c BV nicht direkt anwendbar und daher eine Konkretisierung der Verfassungsbestimmung auf Gesetzesebene unerlässlich sei. Ähnlich wie im Ständerat wurde hingegen auch in der grossen Kammer immer wieder darauf hingewiesen, wie schwierig es sei, die Initiative so wortgetreu wie möglich, aber gleichzeitig in den Schranken der rechtsstaatlichen Grundsätze, insbesondere der Verhältnismässigkeit, umzusetzen. Die Meinungen darüber, wie das beste Verhältnis von Wortlaut und Verhältnismässigkeit aussehe, gingen jedoch erwartungsgemäss weit auseinander. So forderte Natalie Rickli (svp, ZH) als Sprecherin der SVP-Fraktion den Rat auf, mehr an die Opfer zu denken als an die Täter, und BDP-Fraktionssprecher Bernhard Guhl (bdp, AG) stellte klar, seiner Fraktion sei „der Schutz der Kinder wesentlich wichtiger als die Erfüllung des Berufswunsches eines verurteilten Straftäters.“ Auf der anderen Seite betonten die Fraktionsvertreterinnen und -vertreter der SP, der FDP, der Grünen, der CVP und der GLP die Wichtigkeit einer Härtefallklausel, die wenigstens einen minimalen richterlichen Ermessensspielraum sicherstellt.

Nachdem Eintreten ohne Gegenantrag beschlossen worden war, beschäftigte sich die grosse Kammer im ersten Block der Detailberatung mit den Voraussetzungen für die Anordnung der Tätigkeitsverbote. Sie hatte hier in drei Fragen über Minderheitsanträge ihrer vorberatenden Rechtskommission zu befinden. Erstens wollte eine Minderheit Arslan (basta, BS) bei der Definition des Begriffs „Kinder“ dem Ständerat folgen. Dieser hatte beschlossen, dass nur Anlasstaten, die an Kindern unter 16 Jahren begangen worden sind, automatisch zu einem lebenslangen Verbot von Berufen und Tätigkeiten mit Kontakt zu Minderjährigen führen sollen. Im Gegensatz dazu beantragte die Kommissionsmehrheit, sich an den bundesrätlichen Entwurf zu halten und die Altersgrenze bei 18 Jahren festzusetzen – wie sie im geltenden Recht, namentlich im Bundesgesetz über das Tätigkeitsverbot und das Kontakt- und Rayonverbot, schon bestehe. Breiten Zuspruch erhielt der Antrag Arslan jedoch nur aus den Fraktionen der Grünen und der FDP, womit der Minderheitsantrag wuchtig verworfen wurde und der Nationalrat sich in dieser Sache dem Bundesrat anschloss. Zweitens beantragte eine Minderheit Guhl (bdp, AG), die Antragsdelikte Exhibitionismus und sexuelle Belästigung wieder in den Katalog der Anlasstaten für ein zwingendes, lebenslängliches Tätigkeitsverbot aufzunehmen – und zwar bei Minderjährigen wie auch bei Erwachsenen. Obwohl dieses Ansinnen eigentlich dem ursprünglichen Vorschlag des Bundesrates entsprochen hätte, empfahl Bundesrätin Sommaruga, den Antrag Guhl abzulehnen und der Kommissionsmehrheit zu folgen. Das Konzept des Ständerates sei in diesem Punkt überzeugend und es mache durchaus Sinn, die beiden leichten Straftatbestände aus dem Deliktkatalog auszuschliessen. Die Unterstützung der geschlossenen SVP-, BDP- und CVP-Fraktionen reichte zusammen mit vereinzelten weiteren Stimmen dennoch aus, um dem Minderheitsantrag Folge zu geben und den Beschluss des Ständerates zu kippen. Als Drittes stimmte der Nationalrat über einen Minderheitsantrag Rickli (svp, ZH) ab, der auch den Straftatbestand der Pornografie zum Eigenkonsum wieder in den Katalog von Anlasstaten einfügen wollte. Diesmal sprach sich auch Bundesrätin Sommaruga für die Rückkehr zum bundesrätlichen Entwurf aus, die dann mit ähnlichen Mehrheitsverhältnissen wie zuvor auch beschlossen wurde.

Der zweite Block beinhaltete die Ausnahmebestimmungen, die Überprüfung der Tätigkeitsverbote und alle restlichen Bestimmungen. Hier beantragte eine Minderheit um Natalie Rickli (svp, ZH), die Härtefallklausel ganz aus dem Gesetz zu streichen; die vom Ständerat eingefügte explizite Ausnahmebestimmung für Fälle einvernehmlicher Jugendliebe genüge vollends. Mit 101 zu 73 Stimmen bei einer Enthaltung sprach sich der Nationalrat jedoch für die Beibehaltung der Härtefallklausel aus. Dagegen stimmten neben der geschlossenen SVP-Fraktion die Mehrheit der BDP-Fraktion sowie Vereinzelte aus den Fraktionen der FDP, CVP und SP. Eine weitere Kampfabstimmung gab es zur Frage der Überprüfungsmöglichkeit bei lebenslänglichen Tätigkeitsverboten. Während die Kommissionsmehrheit dem Ständerat folgen und keine Überprüfungsmöglichkeit vorsehen wollte, beantragte eine Minderheit Tschäppät (sp, BE), die bundesrätliche Lösung mit Überprüfungsmöglichkeit nach 10 Jahren für nicht pädophile Täter zu übernehmen. Eine zweite Minderheit Bauer (fdp, NE) legte indes einen Kompromissvorschlag dar, wonach ein lebenslanges Tätigkeitsverbot grundsätzlich nicht aufgehoben werden kann, es sei denn ein unabhängiges Gutachten stellt fest, dass kein Risiko mehr besteht. Mit dieser Formulierung sollte ein Konflikt mit der EMRK vermieden werden. Im Rat scheiterten beide Minderheitsanträge deutlich am Widerstand der SVP- BDP-, GLP- und CVP-Fraktionen. Ein Einzelantrag Nidegger (svp, GE), der die explizite Ausnahmebestimmung für die Jugendliebe streichen wollte, blieb chancenlos. Bei allen übrigen Bestimmungen folgte der Nationalrat den Anträgen seiner Kommissionsmehrheit und schloss sich damit im Grossen und Ganzen dem Beschluss des Ständerates an. Einstimmig nahm der Nationalrat die Vorlage in der Gesamtabstimmung an und gab sie damit zurück an den Ständerat zur Differenzbereinigung.

Umsetzung der Pädophilen-Initiative (16.048)
Dossier: Pädophilen-Initiative

La spécificité de la ville de Berne est que son gouvernement est élu par le mode de scrutin proportionnel. Reto Nause (pdc), Franziska Teuscher (verts), Ursula Wyss (ps) et Alexandre Schmidt (plr), qui composaient déjà le Conseil municipal de la ville de Berne, se sont représentés. Alexander Tschäppät (ps), qui siège également au Conseil national, laissait quant à lui sa place libre. Six listes ont été déposées pour le renouvellement du Conseil municipal, dont la liste des Démocrates suisses avec la candidature d'Adrian Pulver (ds), ainsi que la liste UDC avec Rudolf Friedli (udc), Erich Hess (udc), Daniel Lehmann (udc), Bernd Schildger (udc) et Jimy Hofer (udc). La liste du Milieu présentait cinq candidats, Reto Nause, Vania Kohli (pbd), Melanie Mettler (pvl), Matthias Stürmer (pev) et Maurice Lindgren (pvl). Franziska Teuscher, Ursula Wyss, Michael Aebersold (ps) et Alec von Grafenried (verts) figuraient sur la liste Rose-verte-milieu. Une liste Libérale-bourgeoise comportait les noms d'Alexandre Schmidt (plr), Thomas Berger (plr), Claudine Esseiva (plr), Barbara Freiburghaus (plr) et Beat Gubser (udf). Finalement, une liste intitulée "Neue Berner Welle" présentait Stefan Theiler (sans parti), Margrit Steiger (sans parti), Pablo Ferrari (sans parti), Andreas Egli (sans parti) et Alexandra Berounsky (sans parti). Alors qu'en 2012, l'UDC avait fait liste commune avec des membres du PLR, cette année elle faisait cavalier seul. N'ayant aucun représentant à l'exécutif de la ville, elle souhaitait que son candidat, Erich Hess, puisse remplacer Alexandre Schmidt. La concurrence des démocrates suisses pouvait cependant lui coûter des voix.
Durant la campagne, les jeunes PLR se sont mobilisés pour une bonne offre de formation et pour la vie nocturne de la ville. Les libéraux-radicaux se sont positionnés en faveur de l'innovation et au sujet des structures familiales. Les thématiques relatives à une meilleure qualité de vie et de logement, ainsi qu'à l'instauration de rues piétonnes, ont été thématisées par la liste Rose-verte-milieu. Ursula Wyss combattait personnellement en faveur des vélos en ville. Sa colistière apportait elle son soutien à un projet pour la légalisation du cannabis à Berne. Michael Aebersold s'est plus particulièrement soucié des personnes en situation de handicap. Déplorant notamment les nombreux obstacles auxquels ces dernières sont confrontées en ville, il souhaitait apporter des améliorations à leur situation, avec, par exemple, des marquages au sol. Concernant les candidats de la liste du milieu, les thématiques mobilisées par les jeunes Vert'libéraux s'articulaient autour du combat contre le marché noir, de l'énergie, d'un frein aux dépenses et d'une politique de la drogue ouverte.
Avec 61,8% des suffrages, les quatre membres de la liste Rose-verte-milieu ont été élus. Alec von Graffenried a obtenu 31'127 voix et accède donc pour la première fois à l'exécutif de la ville. Il est suivi par Franziska Teuscher, avec un total de 27'866 voix, puis par la candidate Ursula Wyss, avec un score de 26'160 voix. Michael Aebersold pourra également siéger au Conseil municipal, puisqu'il totalise 23'351 voix. Avec une part de suffrage de 13,1%, la liste du milieu a droit à un siège. Le sortant Reto Nause pourra rester au gouvernement avec 11'033 voix. Concernant les résultats des autres listes, la liste des Démocrates suisses comptabilise 0.3% des suffrages, la liste UDC 10,6%, la liste Libérale-bourgeoise 11,4% et la liste Neue Berner Welle 2,6%. Ainsi, seul le candidat sortant Alexandre Schmidt n'a pas été réélu. L'élection de Michael Aebersold a sauvé le siège socialiste d'Alexander Tschäppat. Le PLR a perdu son unique siège au Conseil municipal au profit des Verts. La liste du milieu a tout juste pu obtenir un siège et ainsi permettre le maintien d'un candidat bourgeois au gouvernement de la ville. L'alliance rose-verte-milieu domine toujours, avec quatre sièges sur cinq au Conseil municipal.

En même temps que le renouvellement de l'exécutif de la ville se déroulait également l'élection des 80 membres du Conseil de ville. La législature écoulée avait notamment été marquée par les nombreux retraits de membres du pouvoir législatif. Cela n'est pas rare dans les parlements locaux et les raisons souvent invoquées sont notamment liées à la vie professionnelle ou familiale. Certains partis, afin de gagner des sièges, tirent alors profit de personnalités qui démissionnent peu de temps après l'élection. Cette problématique a été thématisée durant la campagne, afin que l'élection ne soit plus instrumentalisée.
Le PS, souhaitant gagner deux sièges supplémentaires, a mobilisé son électorat autour de repas organisés chez quelques uns de ses membres pour parler de politique. L'UDC évaluait ses chances d'acquérir des sièges supplémentaires comme minimes, étant donné la difficulté de convaincre les électeurs du PBD. Ceux-ci l'estiment pas assez modérée. Au regard des élections nationales et cantonales, le PBD voyait le maintien de ses sept sièges menacé.
Sur les 40 candidats présentés sur la Grüne Freie Liste, 8 ont été élus. La liste des Sociaux démocrates, bien qu'ayant proposé 5 personnes, n'a eu le droit à aucun siège, tout comme la liste UDF et ses 17 candidats. Parmi les 17 candidats de l'Alternative de gauche, 2 ont été élus. Les Jeunes libéraux, malgré 19 noms proposés, n'ont eu le droit à aucun fauteuil. Le PDC a réussi à conserver ses 2 sièges, les candidats non élus de sa liste étant au nombre de 20. Les Jeunes socialistes proposaient 30 personnes, 2 ont été élues. Le Parti évangélique peut également compter sur 2 élus sur les 40 noms qui composaient sa liste. Aucun des 9 candidats de la liste Mir si Bärn ne pourra cependant siéger au législatif de la ville. La liste des Vert'libéraux a obtenu 7 sièges pour les 33 candidatures qu'elle proposait, l'UDC 9 sièges pour les 40 membres de sa liste, les Socialistes 22 sièges sur 40 candidatures, la liste Verte 1 siège pour les 12 personnes en course, 9 membres de la liste Alliance verte siégeront au Conseil de ville sur les 40 proposées. La liste du PLR a obtenu 9 fauteuils sur les 40 personnes qu'elle soumettait. La liste Jeune alternative, a obtenu pour sa part 2 sièges sur les 40 noms proposés. Sur la liste des jeunes Vert'libéraux figuraient 33 noms, seule une personne siégera au Conseil de ville. La liste du Parti du travail a également remporté un siège, elle proposait 20 personnes. Finalement, le PBD avec ses 13 candidatures, n'aura plus que 3 représentants au Conseil de ville.
En comparaison à 2012, le PS et l'UDC ont tous 2 perdu un siège. Le PBD a essuyé une lourde défaite, avec une perte de 4 sièges. Ceux qui en profitent sont les jeunes socialistes avec 2 sièges supplémentaires, le PLR, les jeunes Vert'libéraux, l'Alternative de gauche et la Jeune alternative, qui ont gagné chacun un siège.

Election ville de Berne 2016
Dossier: Kommunale Wahlen 2016

In der Sommersession 2016 wurden gleichentags zwei Motionen mit Themenschwerpunkt «Raubkunst» verjährungsbedingt unbehandelt abgeschrieben. Die Motion Tschäppät (sp, BE; Mo. 14.3497) hätte die Schaffung gesetzlicher Grundlagen und Bereitstellung finanzieller Mittel gefordert, damit in Zusammenarbeit mit den Kantonen (EDK) und Museumsverbänden die Provenienzuntersuchungen für seit 1933 erworbene Sammlungen öffentlicher Museen und Dritter hätten durchgeführt und entsprechende Ergebnisse hätten publiziert werden können. Die Motion Reynard (sp, VS; Mo. 14.3480) hätte das Hinwirken des Bundesrates im multilateralen Rahmen gefordert, damit die Verbindlichkeiten und Anwendungsbereiche der Washingtoner Richtlinien zur Raubkunst international hätten gestärkt und ausgeweitet werden sollen. Der Bundesrat hatte bereits im Sommer 2014 beide Motionen zur Ablehnung beantragt, da zum einen die Frage der gesetzlichen Grundlagen und zusätzlicher finanzieller Mittel bereits im Rahmen der Kulturbotschaft 2016–2019 geklärt werde und zum anderen auf internationaler Ebene keine weiteren zwischenstaatlichen Bestrebungen zur Stärkung der Richtlinien bekannt seien und ein Alleingang der Schweiz daher keine Notwendigkeit darstelle.

Raubkunst - Provenienzforschung wirksam fördern

Nach der Ankündigung der Kandidatur von Magdalena Martullo-Blocher für die Nationalratswahlen 2015 ging der Sonntagsblick der Frage nach, ob es in der Schweiz Politikerdynastien gebe. Die Zeitung stiess dabei auf zahlreiche Namen. Im Kanton Aargau prägen und prägten drei Generationen der Familie Binder-Keller für die CVP die Politik: Julius Binder (90) war National- und Ständerat, Andreas Binder (58) und dessen Frau Marianne Binder-Keller (56) sassen bzw. sitzen im Grossrat, wobei der Vater von Binder-Keller, Anton Keller (80), ebenfalls bereits Nationalrat war und der Sohn von Marianne und Andreas, Simon Binder (28) die CVP in Baden co-präsidiert. Ebenfalls im Kanton Aargau machen sich die Giezendanners einen Namen: Ulrich (61) ist seit 24 Jahren im Nationalrat, sein jüngerer Sohn Benjamin (33) im Grossrat und sein älterer Sohn, Stefan (37), im Einwohnerrat in Zofingen – alle drei für die SVP. Der Sohn des ehemaligen FDP-Bundesrats Fritz Honegger (1917-1999), Eric Honegger (69), war in Zürich Regierungsrat. Ebenfalls in Zürich wirkt Corine Mauch als Zürcher Stadtpräsidentin, sie ist die Tochter der ehemaligen ersten Nationalrätin für den Kanton Aargau Ursula Mauch (80).
Von weiteren sieben aktuellen Parlamentariern und einer aktuellen Parlamentarierin hätten bereits die Väter in Bundesbern gesessen: von Marina Carobbio (sp, TI), Max Chopard (sp, AG), Jean Christophe Schwaab (sp, VD), Alexander Tschäppät (sp, BE), Jean-François Rime (svp, FR), Christian Wasserfallen (fdp, BE), Jean-René Germanier (fdp, VS) sowie von Thomas Hefti (fdp, GL). Hinzu komme Eveline Widmer-Schlumpf (bdp, GR), deren Vater Leon Schlumpf (svp, GR) bereits Bundesrat war.
Verantwortlich sei wohl das politische Umfeld, in dem man aufwachse und das Kinder präge, zog das Sonntagsmedium den Schluss. Namen könnten durchaus eine Hilfe sein, um politische Karriere zu machen, sie können aber auch hinderlich sein. Der Sonntagsblick zitierte dazu den Ex-US-Präsidenten George W. Bush, Sohn des Ex-US-Präsidenten Georg Bush: „Ich habe die Hälfte der Freunde meines Vaters geerbt und alle seine Feinde.“

Politikerfamilien

Dass noch immer ein Mangel an Stand- und Durchgangsplätzen für Fahrende in der Schweiz herrsche, wie dies ein vom Bundesrat verabschiedeter Bericht bereits 2006 nachgewiesen hatte, wurde 2014 überdeutlich. Ein paar Tage vor Eröffnung der BEA liessen sich einige hundert Fahrende auf der Kleinen Allmend im Berner Wankdorf nieder, um gegen die Platznot zu protestieren. Da das Areal für Parkplatzmöglichkeiten während der BEA vorgesehen war, beschloss die Stadt Bern bereits am ersten Tag nach Protestbeginn die Räumung des Areals. Die Fahrenden verliessen das Gelände nicht freiwillig, worauf die Polizei über 70 Personen einer Personenkontrolle unterzog. Kurz darauf bewilligten die Städte Bern und Biel, wohin die Fahrenden nach der Räumung der Kleinen Allmend weiterzogen, je einen provisorischen Durchgangsplatz. Der Berner Stadtpräsident Alexander Tschäppät äusserte Kritik am eigenen Kanton, da seit dem Bundesgerichtsentscheid im Jahr 2003 nichts unternommen worden war, um den Rechtsanspruch der Fahrenden durchzusetzen. Zwei Drittel aller Stellplätze innerhalb des Kantons befänden sich bereits in Bern und Biel. Gerhard Müllhauser, Sprecher der Schweizer Fahrenden, hob den Kanton Aargau als einziges Beispiel mit Vorbildcharakter hervor. Seit 2007 sorgt dort die Fachstelle Fahrende für den Bau neuer sowie für den Unterhalt bestehender Plätze. Darüber hinaus ermöglichen Besuche der Behörden auf dem Gelände einen regelmässigen Dialog. Die Akzeptanz der Fahrenden bei der Aargauer Bevölkerung sei hoch, betonte der Leiter der Fachstelle. Dies könne jedoch darauf zurückzuführen sein, dass alle Plätze mit einer Ausnahme ausschliesslich für Schweizer Fahrende vorgesehen seien. Gegenüber ausländischen Fahrenden bestünden nach wie vor grosse Vorbehalte. Ein im September publizierter Bericht der Europäischen Rassismuskommission (ECRI), der sich auf eine 2013 durchgeführte Studie über die Qualität der Schweizer Medienberichterstattung über Roma berief, stellte seit 2007 zwar eine Zunahme der Schweizer Medienberichterstattung über Roma fest. Dabei sei aber nicht wie in anderen Staaten die erlittene Diskriminierung der Roma Thema der Beiträge, sondern es kursierten vorwiegend negative Schlagzeilen, was einen entscheidenden Einfluss auf die öffentliche Wahrnehmung der Gruppe hätte. In ihrem Bericht hält die ECRI fest, dass in Erfüllung des Artikels 19 des Kulturförderungsgesetzes, welcher den Fahrenden ermöglichen soll, im Einklang mit ihrer Kultur zu leben, kaum Fortschritte erzielt würden, resp. sich die Situation in den letzten Jahren teilweise gar verschlechtert habe. Die Kommission empfahl den Schweizer Behörden dringlichst, zusätzliche Stellplätze zu schaffen und angemessene Massnahmen zur Verbesserung der Bildung der Kinder der Fahrenden zu treffen. Ende November präsentierte der Bundesrat seine Kulturbotschaft und damit auch ein Bekenntnis zur Verbesserung der Situation von Fahrenden. Die zu diesem Zwecke eingesetzte Arbeitsgruppe traf sich im November bereits zu einem ersten Treffen, das jedoch mit dem frühzeitigen Verlassen von Vertretern der betroffenen Gruppen abrupt endete. Diese fühlten sich nicht ausreichend involviert und sahen ihre Forderung nach sofortiger Schaffung von zusätzlichen Stellplätzen nicht umgesetzt. Ende Jahr wurde bekannt, dass die Gespräche im Folgejahr doch wieder aufgenommen werden sollen.

Stellplätze für Fahrende

Wie weit darf Humor gehen? Zu Beginn des Jahres 2014 wurde in den Schweizer Medien eine moralistisch aufgeladene Humordebatte geführt. Den Auftakt bildeten Italiener-Witze, die der Berner Stadtpräsident Alexander Tschäppät (sp) im Rahmen der Kulturreihe „Das Zelt“ zum Besten gab und die ihm eine Anzeige wegen Verletzung der Anti-Rassismus-Strafnorm einhandelten. Es folgten Proteste gegen das Blackfacing von Birgit Steinegger und Äusserungen über den jüdischen Humor durch Massimo Rocchi. Im Zentrum stand jeweils die Frage, wo die Linie zwischen Freiheit von Kulturschaffenden und Rassismus zu ziehen sei. Umstritten waren auch die als antisemitisch eingestuften, aber dennoch restlos ausverkauften Auftritte des Franzosen Dieudonné M’bala M‘bala in Nyon. Der Komiker war in Frankreich mit einem Auftrittsverbot belegt worden. Eine präventive Zensur wurde jedoch von der Präsidentin der Eidgenössischen Kommission gegen Rassismus, Martine Brunschwig Graf, abgelehnt. Die Anti-Rassimus-Strafnorm sei kein Zensurinstrument und führe auch nicht zu einem landesweiten Lachverbot. Zudem belegten die Zahlen keine Zunahme von Klagen gegen Rassismus seit der Einführung der Strafnorm im Jahr 1995.

Freiheit von Kulturschaffenden und Rassismus

Mit dem Familienartikel kollidierte zum neunten Mal bei einer eidgenössischen Abstimmung das Volksmehr mit dem Ständemehr, d.h. obwohl die Mehrheit der Stimmenden die Verfassungsänderung gutgeheissen hätte, kam sie aufgrund einer Mehrheit von ablehnenden Kantonen nicht zustande. Zu den Verlierern zählten dabei zum wiederholten Male die französischsprachigen und bevölkerungsstarken Kantone (ZH, BE, BL, GE, VD). Die anschliessend einsetzenden Diskussionen über mögliche Reformen des Ständemehrs brachten keine neuen Ideen. Vorschläge für neue Mehrheitsregeln, die proportionale Verteilungen der Standesstimmen, vorgebracht von Nationalrat Roger Nordmann (sp, VD) und der vom Berner Stadtpräsidenten, Alexander Tschäppät (sp), und dem ehemaligen Stadtpräsidenten von Zürich, Elmar Ledergerber (sp), ins Spiel gebrachte Vorschlag spezieller Gewichtungen und Einbezug von urbanen Zentren, wurden schon seit einigen Jahren breit diskutiert. Bereits im Februar hatten die Vorsteher der Städte Zürich und Basel – Corine Mauch (sp) und Guy Morin (gp) – einen Ständeratssitz für die Städte gefordert. Die Diskussionen verstummten zwar relativ rasch wieder, im Parlament wurde aber eine Ende Berichtsjahr noch hängige parlamentarische Initiative Nordmann (sp, VD) eingereicht, die eine bessere Ausbalancierung des Ständemehrs fordert.

Ausbalancierung des Föderalismus (Pa.Iv. 13.417)
Dossier: Vorstösse zur Abschwächung des klassischen Ständemehrs