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  • Wermuth, Cédric (sp/ps, AG) NR/CN
  • Bendahan, Samuel (sp/ps, VD) NR/CN

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  • Volksinitiative
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In der Herbstsession 2020 behandelte der Nationalrat die Volksinitiative «Löhne entlasten, Kapital gerecht besteuern», die sogenannte 99-Prozent-Initiative. Neben dem Mehrheitsantrag der WAK-NR auf Annahme der bundesrätlichen Botschaft und somit auf Empfehlung zur Ablehnung der Initiative lagen dem Rat zwei Minderheitsanträge Bendahan (sp, VD) und Wermuth (sp, AG) vor. Die Minderheit Bendahan präsentierte dem Rat einen direkten Gegenentwurf: Anstatt Kapitaleinkommen über einem Grenzbetrag zu 150 Prozent zu besteuern, wie es die Initiative vorschlug, sollte das höhere Kapitaleinkommen gemäss Gegenentwurf gleich wie das Arbeitseinkommen zu 100 Prozent besteuert werden. Die Initiative wolle das Kapital höher besteuern, so wie zuvor die Löhne höher besteuert worden seien; wer also die Initiative für extrem halte, weil sie eine Einkommensart bevorzuge, müsse eigentlich für den Gegenentwurf stimmen. Mit diesem würden Lohn und Kapital gleich behandelt, argumentierte Bendahan. Die Minderheit Wermuth hingegen beantragte dem Rat, die Initiative zur Annahme zu empfehlen. Die zwei Minderheitensprecher stellten vor allem eine Frage in den Mittelpunkt ihrer Reden: Wieso soll Einkommen aus Erwerbsarbeit zu 100 Prozent und Einkommen aus Kapital zu einem reduzierten Prozentsatz besteuert werden? Wert und Reichtum würden «genau an einem Ort produziert werden, und das ist die menschliche Arbeit», betonte Wermuth. Da das Steuersystem dies aber nicht abbilde, nehme der «Unterschied zwischen unten und oben» auch in der Schweiz zu.
Kommissionssprecherin Schneeberger (fdp, BL) und Kommissionssprecher Regazzi (cvp, TI) nahmen den Grossteil der Kritik an der Initiative, welche in der Folge von den bürgerlichen Mitgliedern im Rat geäussert wurde, eingangs bereits vorweg. Sie kritisierten, dass der Initiativtext sehr breit formuliert sei und viel Interpretationsspielraum lasse. So werde zum Beispiel nicht klar, welche Einkommensteile zu den Kapitaleinkommen gezählt würden; denkbar sei gemäss Initiativtext, dass neben den Kapitalgewinnen auch Erträge aus beweglichem und unbeweglichem Vermögen, wie Eigenmietwerte oder Renten aus der Vorsorge, betroffen wären, auch wenn die Initiantinnen und Initianten in ihren Erklärungen von einem engeren Begriff ausgingen. Die Initiative bringe der Schweiz überdies einen komparativen Nachteil im Steuerwettbewerb und bringe eine massive zusätzliche Steuerbelastung für Unternehmen, vor allem für KMU, mit sich. In der Folge könnten die Unternehmen auch weniger investieren. Diese Wirkung würde sich vermutlich aufgrund der Corona-Krise noch verstärken. Insgesamt würden vor allem die Beschäftigten mit kleinen und mittleren Einkommen, also diejenigen Personen, die mit der Initiative besser gestellt werden sollten, durch Kündigungen oder Konkurse die Hauptlast der negativen Folgen der Initiative tragen. Mit 17 zu 8 Stimmen lehne die Kommission die Initiative daher ab.
Es folgte eine lange Debatte mit 56 Wortmeldungen und zahlreichen Nachfragen. Besonders umstritten war die Frage, ob die Schere zwischen Arm und Reich in den letzten Jahren zu- oder abgenommen habe. Grünen-Sprecherin Ryser (gp, SG) argumentierte, dass zwar die Markteinkommen in der Schweiz weltweit am gleichmässigsten verteilt seien, dass aber eben die Vermögensanteile sehr einseitig verteilt seien: 1 Prozent der Bevölkerung halte 40 Prozent der Vermögensanteile. Und diese Ungleichheit nehme seit den 1970er Jahren zu. Dem entgegnete FDP.Liberalen-Sprecherin Gössi (fdp, SZ), dass dies nur gelte, solange die steuerbefreiten Vermögen, insbesondere das Kapital der zweiten und dritten Säule der Altersvorsorge, nicht berücksichtigt würden. Nehme man diese hinzu, werde der Unterschied zwischen Arm und Reich über die Zeit nicht grösser.
Insbesondere Grünen-Sprecherin Ryser brachte überdies einige Argumente zur Entkräftung der Kritik an der Initiative vor. Der Grossteil der sozialen Sicherheit und somit der Umverteilung geschehe über die Sozialversicherungen und diese würden durch Lohnbeiträge finanziert, nicht durch Steuern auf Kapital, betonte sie. Zudem würden den KMU durch die Initiative keine Mittel entzogen, da die natürlichen Personen, nicht die KMU, zusätzlich besteuert würden. Wenn deren Besitzerinnen oder Besitzer die Kosten auf die Unternehmen abwälzten, sei das deren Entscheidung. Nachfolgeregelungen bei KMU seien aber weiterhin problemlos möglich. Schliesslich sei die Befürchtung, dass durch die Initiative vermögenshaltende Privatpersonen ins Ausland abwanderten, ein Totschlagargument, das die Politik handlungsunfähig mache.
Während sich die meisten bürgerlichen Sprecherinnen und Sprecher deutlich gegen die Vorlage aussprachen, fanden Kathrin Bertschy (glp, BE) und Michel Matter (glp, GE) für die Grünliberalen auch wohlgesinnte Worte für die Initiative. Auch sie sähen Verbesserungspotenzial im Steuersystem bezüglich der hohen Belastung der Arbeitseinkommen, der Verteilung der Einkommen und Vermögen sowie der Besteuerung nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit. Die Initiative wolle aber nicht primär die Besteuerung des Erwerbseinkommens reduzieren, sondern beinhalte vor allem Steuerermässigungen von Personen mit tiefen oder mittleren Arbeitseinkommen oder Transferzahlungen an diese. Entsprechend könne die GLP die Initiative nicht unterstützen.
Zum Schluss legte Finanzminister Maurer die Position des Bundesrates dar und stimmte in seiner Argumentation weitgehend mit derjenigen der Kommissionssprechenden überein. Ergänzend hielt er aber fest, dass die Initiative zudem zu einer weiteren Verlagerung der Steuerzahlenden von den armen zu den reichen Kantonen führe und damit den Zusammenhalt der Schweiz gefährde. Zudem bezahle ein Prozent der Steuerzahlenden bereits mehr als 40 Prozent der direkten Bundessteuer; eine noch höhere Besteuerung würde den «Bogen überspannen». Umverteilung finde somit bereits heute statt, genauso wie auch die Besteuerung von Kapital und Gewinn etwa im Eigenmietwert, der Grundstückgewinnsteuer sowie der Vermögenssteuer bereits enthalten sei. Die Schweiz habe ein ausgewogenes Steuersystem, das «weder auf die eine noch auf die andere Seite überlastet» werden solle.
Nach den ausführlichen Diskussionen schritt der Rat schliesslich zu den Abstimmungen: Mit 123 zu 62 Stimmen sprach sich die Ratsmehrheit zuerst gegen die Minderheit Bendahan und somit gegen den Gegenvorschlag und anschliessend auch gegen die Minderheit Wermuth auf Empfehlung zur Annahme der Initiative aus. Die Stimmen der Minderheiten stammten von den geschlossen stimmenden SP- und Grünen-Fraktionen.

Volksinitiative «Löhne entlasten, Kapital gerecht besteuern» (BRG 20.032)

Als Zweitrat befasste sich in der Wintersession 2019 der Nationalrat mit dem Bundesgesetz über die Gesichtsverhüllung, das der Bundesrat dem Parlament als indirekten Gegenvorschlag zur Volksinitiative «Ja zum Verhüllungsverbot» unterbreitet hatte. Über die Initiative selbst wollte die Volkskammer erst nach der Verabschiedung – oder Versenkung – des Gegenvorschlags befinden. Die Mehrheit der vorberatenden SPK-NR hatte ihrem Rat nämlich Nichteintreten auf die Vorlage beantragt. Wie Kommissionssprecher Balthasar Glättli (gp, ZH) dem Ratsplenum schilderte, war diese Mehrheit durch eine Art unheilige Allianz von Initiativbefürwortern und -befürworterinnen einerseits sowie der kategorischen Gegnerschaft eines Verhüllungsverbots andererseits zustande gekommen. Während Erstere den Gegenvorschlag als nicht geeignet ansahen, das Ziel der Initiative zu erreichen, kritisierten Letztere, der Entwurf wolle – nicht anders als die Initiative – ein Problem lösen, das gar nicht existiere, und sei damit genauso unnötig. Trotz des Nichteintretensantrags hatte die Kommission bereits die Detailberatung der Vorlage durchgeführt, um den Prozess im Falle des Eintretens nicht zu verzögern, und den Entwurf um einige Elemente zur Stärkung der Gleichstellung der Geschlechter ergänzt.
Die Eintretensdebatte im Nationalrat wurde von beiden Lagern entsprechend hitzig geführt und förderte manch erstaunliche Argumentationslinie zutage. So warf SVP-Vertreter Andreas Glarner (svp, AG) dem Bundesrat vor, «noch nie in der Geschichte der Eidgenossenschaft» habe es «einen derart untauglichen und unwürdigen Gegenvorschlag zu einer Volksinitiative» gegeben. Gleichzeitig bekräftigten andere Voten derselben Fraktion nicht nur deren Ablehnung des Gegenvorschlags, sondern auch die Absicht, mit der Initiative die gesellschaftliche Stellung der Frauen zu verbessern. Demgegenüber hielten die Grünen in ihrer Ablehnung eines jeglichen Verhüllungsverbots die liberale Staatsordnung der Schweiz hoch und mussten sich von der SP prompt dafür schelten lassen, mit der Ablehnung des Gegenvorschlags eine «riesige Chance [zu] verpassen» (Beat Jans; sp, BS), der von Links-Grün schon so lange angestrebten Gleichstellung in der Gesellschaft näher zu kommen, wie Cédric Wermuth (sp, AG) bemerkte. Den Fraktionen der FDP und der GLP hingegen war der Gegenvorschlag offenbar liberal genug, weshalb sie ihn – wie auch die Mitte-Fraktion – mehrheitlich unterstützen wollten. Mit 94 zu 90 Stimmen bei 5 Enthaltungen fiel der Entscheid des Nationalrats schliesslich knapp für Eintreten.
In der Detailberatung folgte die grosse Kammer dann durchwegs den Anträgen ihrer Kommissionmehrheit und verlieh damit dem Gleichstellungsaspekt der Verhüllungsfrage im Gegenvorschlag mehr Gewicht. So sollen dem Bund im Gleichstellungsgesetz erstens Förderprogramme zur Verbesserung der Gleichstellung zwischen Frau und Mann in der Gesellschaft ermöglicht werden. Zweitens sollen finanzielle Beiträge des Bundes für die Integration gemäss dem Ausländer- und Integrationsgesetz zukünftig ausdrücklich auch insbesondere der Frauenförderung zugutekommen. Drittens soll die Verbesserung der Situation der Frauen in den Zielkatalog des Bundesgesetzes über die internationale Entwicklungszusammenarbeit und humanitäre Hilfe aufgenommen werden. Alle drei Änderungen stiessen bei der Ratsmehrheit, nicht aber bei der geschlossenen SVP- sowie der Mehrheit der FDP-Fraktion, auf Zustimmung. Den so neu verstärkt auf Gleichstellung ausgerichteten Gegenvorschlag nahm die grosse Kammer letztlich mit 105 zu 82 Stimmen bei 7 Enthaltungen an. Zudem verlängerte sie die Frist für die Behandlung der Volksinitiative bis im März 2021 und billigte, dass ihre SPK von der 2016 eingereichten Petition «Für ein Gesichtsverhüllungsverbot» (16.2012) Kenntnis genommen hatte.

Volksinitiative «Ja zum Verhüllungsverbot» und indirekter Gegenvorschlag (19.023)
Dossier: Nationales Burkaverbot

Mitte Dezember 2017 gab der Bundesrat den Medien bekannt, dass er die Volksinitiative «Ja zum Verhüllungsverbot» ablehne, ihr aber mit einem indirekten Gegenvorschlag begegnen möchte. Die Initiative für ein nationales Verbot sei abzulehnen, weil die Kantone selber entscheiden können sollten, ob sie die Gesichtsverhüllung im öffentlichen Raum verbieten wollen oder nicht. So hätten die Kantone Tessin und St. Gallen ein solches Verbot befürwortet, während es in Zürich, Solothurn, Schwyz, Basel-Stadt und Glarus abgelehnt worden sei. Diesen unterschiedlichen Befindlichkeiten gelte es Rechnung zu tragen. Der Bundesrat anerkenne jedoch, dass die Gesichtsverhüllung problematisch sein könne, und zwar zum einen, wenn jemand zur Verhüllung gezwungen werde, und zum anderen im Kontakt mit den Behörden. Er wollte sich dieser Problematik daher mit einem indirekten Gegenvorschlag annehmen, der Regelungen auf Gesetzesebene vorsehe, ohne den Kompetenzbereich des Bundes zu überschreiten. Konkret solle es im Strafgesetzbuch ausdrücklich verboten werden, jemanden zur Verhüllung des Gesichts zu zwingen. Zudem solle der Kontakt mit Bundesbehörden und Bundesrecht vollziehenden Behörden unter Androhung von Strafe unverhüllt erfolgen müssen. Der Bundesrat beauftragte das EJPD mit der Ausarbeitung einer entsprechenden Vernehmlassungsvorlage bis Ende Juni 2018.
Bei den Initianten vermochte der Vorschlag des Bundesrats wenig Eindruck zu erwecken; er sei «schwammig» und entspreche nicht dem Anliegen der Initiative, so Walter Wobmann (svp, SO) gegenüber der Basler Zeitung. Das Komitee halte an der Initiative fest und blicke der Abstimmung nach wie vor zuversichtlich entgegen. Die SVP lehnte den bundesrätlichen Vorschlag ebenfalls als «wirkungslos» ab, wie in der Presse zu lesen war. Auf wenig Gegenliebe stiess der Vorschlag indes auch bei den Grünen. Nationalrat Balthasar Glättli (gp, ZH) bezeichnete ihn gegenüber der Basler Zeitung als «falsch und überflüssig», weil Nötigung ohnehin strafbar sei, und machte ihm in der Aargauer Zeitung den gleichen Vorwurf wie der Initiative selbst, nämlich zur «Stimmungsmache gegen Muslime in der Schweiz» beizutragen. Positiver äusserten sich die CVP und die SP zur Stossrichtung des Bundesrates, wenngleich sich die SP weiter auf ihren eigenen direkten Gegenentwurf zur Verbesserung der Gleichstellung der Frauen konzentrieren wollte. SP-Nationalrat Cédric Wermuth (sp, AG) bedauerte im Tages-Anzeiger, dass der Bundesrat sich nicht getraut habe, «die Debatte neu auszurichten», und dass der Gegenvorschlag «keine Antwort auf das Unbehagen» liefere, das hinter der Initiative stehe. Von verschiedenen Seiten wurde der bundesrätliche Vorschlag auch als nicht oder nur schwer umsetzbar kritisiert, da Frauen, die gezwungen werden, sich zu verschleiern, dies eher nicht bei der Polizei zur Anzeige bringen würden. Ständerat Andrea Caroni (fdp, AR), der bereits ein Gegenkomitee zur Initiative gegründet hatte, begrüsste dagegen den Vorschlag des Bundesrates. Er sei zwar nicht «das Ei des Kolumbus», eröffne aber die Möglichkeit für eine gezielte Debatte über die Probleme im Zusammenhang mit der Gesichtsverhüllung und über allfällige Lösungen, so Caroni gegenüber «Le Temps».

Volksinitiative «Ja zum Verhüllungsverbot» und indirekter Gegenvorschlag (19.023)
Dossier: Nationales Burkaverbot

Le Conseil national s'empare de l'initiative populaire «Pour la souveraineté alimentaire. L'agriculture nous concerne toutes et tous», dans un contexte marqué par la publication, quelques semaines plus tôt, de la vue d'ensemble du développement à moyen terme de la politique agricole. Une partie des parlementaires a donc profité de l'occasion fournie par les discussions sur l'initiative déposée par le syndicat Uniterre pour exposer leur point de vue sur ce rapport et sur la politique agricole de manière générale, ce qui a eu pour effet de rallonger considérablement les débats.
Le rapporteur francophone de la CER-CN, le vaudois Olivier Feller (plr, VD), précise que leur commission a siégé lors de trois jours répartis sur l'ensemble de l'année pour débattre de l'initiative en question. Il rappelle brièvement les différents aspects de l'initiative: celle-ci veut augmenter le nombre d'actifs dans l'agriculture, favoriser la détermination de prix équitables, soutenir les échanges directs entre consommateurs et producteurs, harmoniser au niveau fédéral les conditions salariales pour les employés et employées agricoles, prélever des droits de douanes sur les produits importés ne respectant pas les normes sociales et environnementales suisses et finalement interdire définitivement l'utilisation d'OGM dans l'agriculture (pour rappel, un moratoire limité dans le temps mais renouvelé depuis l'initiative populaire "pour des aliments produits sans manipulations génétiques" en 2005 régule actuellement cette question en Suisse). Olivier Feller présente ensuite les réflexions de la commission en charge. Celle-ci se pose la question du respect de l'unité de la matière, une condition pour toute initiative populaire, qui ne semble pas vraiment être respectée dans ce cas-ci, un citoyen pouvant peut-être vouloir une interdiction des OGM mais ne souhaitant pas forcément une harmonisation des conditions de travail au niveau fédéral. De plus, le contre-projet direct sur la sécurité alimentaire approuvé quelques mois plus tôt par la population répond déjà à un certain nombre de points soulevés par la présente initiative. La commission considère donc que pour influer sur la politique agricole, il s'agit plutôt de s'appuyer sur les textes constitutionnels déjà existant concernant l'agriculture et agir au parlement, par exemple, par le biais d'arrêtés fédéraux simples. Ces différents points concernent également le contre-projet direct Jans (ps, CN) qui cible certains des aspects de l'initiative (échanges directs entre consommateurs et paysans, conditions de travail des salariés, échange et commercialisation des semences). La commission recommande donc à la chambre du peuple de rejeter ce contre-projet (par 13 voix contre 4 et 5 abstentions). Quant à l'initiative sur la souveraineté alimentaire, le député Feller précise que 12 membres de la commission se sont abstenus lors du vote (7 recommandent le rejet de l'initiative, tandis qu'aucun des membres de la commission ne propose son acceptation), ce qui est plutôt rare. La raison en est la sortie du rapport sur la vue d'ensemble déjà évoqué ci-dessus. En effet, ce dernier préconise une libéralisation du secteur alors même que la population semble avoir accepté le contre-projet relatif à l'initiative sur la sécurité alimentaire pour des raisons de soutien à une agriculture multifonctionnelle et durable. Olivier Feller précise malgré tout qu'un refus du soutien à l'initiative du syndicat Uniterre ne doit pas être interprété comme une acceptation de la stratégie agricole exposée par le Conseil fédéral.
Le député socialiste Beat Jans expose à son tour son point de vue et les raisons du lancement d'un contre-projet direct à l'initiative pour la souveraineté alimentaire. Celui-ci considère que certains des points posés par l'initiative ne sont pas réalisables (tel que l'obligation faite à la Confédération de veiller à ce que le nombre d'emplois augmente dans ce secteur) ou ne vont pas dans la bonne direction. Selon lui, un soutien à l'agriculture ne devrait pas passer par une augmentation des droits de douane sur certains produits, car cela serait soutenir une politique agricole non-sociale. En effet, Beat Jans rappelle que chaque ménage paie en moyenne CHF 1000 par année à cause de ces mesures protectionnistes. Pour lui, au contraire, une politique agricole sociale doit passer par les paiements directs, car ceux-ci sont payés via l'impôt – qui est, lui, couplé au revenu. Pour le socialiste, un contre-projet est malgré tout nécessaire afin de protéger les agriculteurs de la libéralisation du secteur et qu'ils profitent de bonnes conditions en Suisse. Dans celui-ci est contenu la garantie d'un droit des paysans sur les semences qu'ils produisent, un renforcement de la place des producteurs vis-à-vis des intermédiaires ainsi qu'un soutien à la vente directe. Les conditions de travail doivent également être chapeautées par la Confédération, afin d'éviter des situations inacceptables qui surgissent ici et là. Finalement, le contre-projet reprend l'interdiction des OGM contenue dans l'initiative, permettant ainsi de garantir la stratégie de qualité, qui, comme argumenté par Beat Jans, permettrait aux produits agricoles suisses de se distinguer sur le marché européen de par leur qualité écologique.
Lors de la présentation de la position des différents groupes parlementaires, l'UDC, représentée par Pierre-André Page (udc, FR) estime que cette initiative est superflue depuis l'acceptation du texte sur la sécurité alimentaire, même si une minorité s'abstiendra et une autre la soutiendra, cette-dernière ayant de la peine à croire en la bonne volonté du Conseil fédéral. C'est notamment le cas du député vaudois Jean-Pierre Grin (udc, VD) qui considère que l'initiative contrecarre les projets du Conseil fédéral et permettrait de mettre l'agriculture suisse sur de bons rails, en plus d'avoir un impact positif sur la production des produits importés. Quant au contre-projet Jans, le groupe agrarien le rejette également.
Le groupe socialiste estime, de son côté, que l'article 104 de la Constitution (l'article sur l'agriculture) est déjà suffisamment étoffé. L'initiative est donc, sur certains points, redondante alors que d'autres points sont très discutables. Prisca Birrer-Heimo (ps, LU) prend pour exemple le possible retour à une politique agricole du passé, une politique agricole régie par un contrôle des quantités et des prix. De plus, l'initiative veut utiliser l'outil de la protection douanière qui, aujourd'hui déjà, coûte CHF 3.5 milliards aux consommateurs et consommatrices suisses, alors que cela ne profite que très peu aux paysans, comme exposé par le député vaudois Samuel Bendahan (ps, VD) qui souligne que ce sont surtout les grands groupes de distribution qui ressortent gagnants. Une augmentation de cette protection douanière signifierait un coût plus élevé pour les ménages et, en conséquence, un tourisme d'achat plus important. Malgré tout, le groupe socialiste propose de soutenir le contre-projet qu'il a formulé, car il reprend les aspects intéressants de l'initiative, sans être redondant avec l'actuelle Constitution.
Le groupe vert-libéral propose de rejeter l'initiative et le contre-projet, car il estime que les questions qui y sont abordées sont de l'ordre de la responsabilité individuelle. De plus, le groupe ne veut pas d'une agriculture étatique.
Les démocrates-chrétiens rejettent eux aussi tant l'initiative que le contre-projet, estimant que la votation de septembre 2017 répond à la plupart des préoccupations des initiants, même si, comme présenté par Markus Ritter (pdc, SG), la plupart des abstentions au sein de la commission compétente ainsi qu'au sein du PDC sont un signe de protestation à l'encontre de la vue d'ensemble sur la politique agricole publiée par le Conseil fédéral.
Pour le PLR, le texte d'initiative a le défaut de ne pas respecter l'unité de la matière, abordant trop de thématiques différentes. Mais la raison principale pour laquelle le groupe libéral-radical propose de rejeter tant l'initiative que le contre-projet est le fait qu'ils sont superflus au vu de l'article 104 de la Constitution. De plus, Regine Sauter (plr, ZH) considère que l'acceptation de cette initiative pourrait mener à l'abandon de futurs accords de libre-échange, les pays partenaires ne souhaitant certainement pas devoir se restreindre aux impératifs posés par le présent texte.
Le groupe des verts est le seul à soutenir, au sein du Parlement, l'initiative du syndicat Uniterre, estimant que la plupart des points abordés par le texte sont en accord avec la vision du parti. Adèle Thorens Goumaz (verts, VD) souligne que, malgré une réorientation écologique de la politique agricole, cette dernière ne respecte pas les objectifs environnementaux fixés en 2008 par le Conseil fédéral, comme dévoilé dans un rapport publié en 2016. L'initiative serait donc l'occasion de réclamer de nouvelles mesures, tout comme elle permettrait de clarifier une fois pour toute la question des OGM. Le groupe des verts propose, de plus, de soutenir le contre-projet Jans qui se concentre sur les points les moins contestés de l'initiative.
Finalement, après de longs débats, le conseiller fédéral en charge des questions agricoles, Johann Schneider-Ammann, prend la parole. Il commence, avant tout, par revenir sur les nombreux griefs que les parlementaires ont formulés à l'encontre de la vue d'ensemble sur la politique agricole. Il estime non-justifié de déclarer que le Conseil fédéral souhaite la mort des paysans et des paysannes du pays et considère qu'il faut, non pas s'attaquer les uns les autres, mais discuter sereinement de ces questions, invitant à manger une soupe au lait de Kappel, faisant référence au symbole de neutralité et de discussion émanant de la résolution de la guerre de Kappel am Albis entre catholiques et protestants en 1529. Il tient également à rappeler qu'en tant que ministre de l'économie, il se doit de considérer l'économie dans sa globalité, ce que fait la vue d'ensemble publiée au mois de novembre. Quant à l'initiative pour la souveraineté alimentaire, le Conseil fédéral considère que ses revendications sont, soit déjà remplies aujourd'hui, ou alors contraires à la politique agricole actuelle ainsi qu'au droit international sur le commerce. C'est pour cela qu'il appelle à voter contre l'initiative ainsi que contre le contre-projet Jans.
Le député vert Balthasar Glättli (verts, ZH) a décidé de retirer sa proposition d'accepter l'initiative avant le débat en chambre. Ceci pour des raisons stratégiques, car il considère que cela permet ainsi aux membres du Conseil national de cacher leur jeu – ceux-ci étant amené à s'exprimer sur ce texte que lors du vote final durant la prochaine session; le Conseil des Etats, ne sachant pas le taux de refus de l'initiative, peut donc pleinement exposer son point de vue sur la présente initiative ainsi que sur la politique agricole prévue par le Conseil fédéral. Le Conseil national ne vote donc que sur l'entrée en matière du contre-projet Jans. Celle-ci est rejetée par 126 voix contre 49 et 6 abstentions.

Volksinitiative „Für Ernährungssouveränität“ (BRG 17.023)
Dossier: Volksinitiativen zur Förderung ökologischer Bedingungen in der Landwirtschaft
Dossier: Gentechnisch veränderte Organismen (GVO) in der Schweiz

Die Veröffentlichung des Ergebnisses der Vorprüfung durch die Bundeskanzlei Mitte März 2016 war für das Egerkinger Komitee der Startschuss zur Unterschriftensammlung für die Volksinitiative «Ja zum Verhüllungsverbot», deren Text sich am Tessiner Verhüllungsverbot orientierte. Die dazugehörige medienwirksame Inszenierung auf dem Bundesplatz, bei der einige Komitee-Mitglieder als vermummte Chaoten und Burkaträgerinnen – zum Teil mit Sprengstoffgürtel-Attrappe – verkleidet posierten, hatte für das Komitee ein juristisches Nachspiel. Im Kanton Bern gilt seit 1999 ein Vermummungsverbot bei unbewilligten Demonstrationen, weshalb die Stadt Bern das Komitee wegen «Kundgebung ohne Bewilligung» mit 500 Franken büsste, wie die Aargauer Zeitung berichtete. Da die eidgenössischen Räte sich später aber gegen die Aufhebung der parlamentarischen Immunität Walter Wobmanns – Präsident des Komitees und Nationalrat – entschieden, musste die Busse nicht bezahlt werden.
Einige Monate nach Anlaufen der Unterschriftensammlung, im Sommer 2016, vereinnahmte der Zürcher SP-Regierungsrat Mario Fehr die Schlagzeilen zur Burka-Debatte, indem er sich als prominenter Vertreter des linken Lagers zu den bisher hauptsächlich rechtsbürgerlichen Befürwortern eines Verhüllungsverbots gesellte. Burkas gehörten nicht in die Schweiz, denn in einer liberalen Gesellschaft zeige man das Gesicht, zitierte ihn die Presse. Erwartungsgemäss löste er mit dieser «Provokation», wie die NZZ seinen öffentlichen Positionsbezug gegen die Parteilinie nannte, weit über seine eigene Partei hinaus einen Sturm der Entrüstung aus. Linke wie Liberale warfen ihm ein seltsames Verständnis von Liberalismus vor. Doch es zeigte sich auch, dass die SP in dieser Frage keineswegs geeint war. Mit Pierre-Yves Maillard (sp, VD) und Anita Fetz (sp, BS) sprachen sich in den Tagen darauf zwei weitere SP-Aushängeschilder gegen die Burka in der Schweiz aus und auch bei der Parteibasis erfreue sich Fehr – nicht nur, aber auch wegen seiner Haltung in der Burka-Frage – grosser Beliebtheit, erklärte der Zürcher SP-Präsident Daniel Frei. Christian Levrat (sp, FR), Präsident der SP Schweiz, betonte gegenüber «La Liberté» unterdessen, dass die Burka aus der Schweiz verschwinden müsse, aber die Initiative der SVP der falsche Weg sei. Einig waren sich die Beteiligten letztlich darin, dass die Debatte über das Burkaverbot parteiintern noch geführt werden müsse.
Damit war die SP jedoch nicht allein; gespalten zeigten sich in der Burka-Frage auch die FDP, die CVP und sogar die SVP, deren Nationalräte Claudio Zanetti (svp, ZH) und Alfred Heer (svp, ZH) zu den prominentesten Gegnern des Burkaverbots gehörten. Handkehrum sprachen sich nach dem «Bekenntnis» Fehrs auch immer mehr bürgerliche Politikerinnen und Politiker öffentlich für ein Burkaverbot aus, auch wenn dieses ihrer Meinung nach nicht in die Verfassung gehöre, sondern vielmehr auf Gesetzesebene oder kantonal geregelt werden solle. Den «rasanten Meinungsumschwung» im bürgerlichen Lager beäugte Initiant Walter Wobmann eher skeptisch und brachte den Vorwurf des politischen Opportunismus aufs Tapet.
Nichts zur Entkräftung dieses Vorwurfs beitragen konnten die Ende August publizierten Resultate einer repräsentativen Umfrage von «Le Matin Dimanche» und der Sonntagszeitung, wonach 71 Prozent der befragten Stimmberechtigten ein Verhüllungsverbot in der Schweiz befürworteten. Fast alle (96%) der befragten SVP-Wählerinnen und -Wähler sprachen sich dafür aus; bei den anderen bürgerlichen Parteien BDP, CVP und FDP äusserten sich rund drei Viertel positiv zu einem Verbot. Die Wählerschaften der GLP und der SP zeigten sich mit 54 bzw. 47 Prozent Zustimmung gespalten, während die Basis der Grünen als einzige klare Ablehnung signalisierte. Eine weitere Umfrage im Auftrag der «Schweiz am Sonntag», deren Ergebnisse drei Wochen später veröffentlicht wurden, bestätigte diese Tendenz, wenn auch in leicht abgeschwächter Form. Hier sprachen sich schweizweit rund 61 Prozent der Befragten für ein Verhüllungsverbot aus, ältere deutlich stärker als jüngere.
Als Alternative zum Burkaverbot in der Verfassung, das allenfalls Signalwirkung habe, aber keine Probleme löse, erneuerte CVP-Präsident Gerhard Pfister (cvp, ZG) unterdessen die Idee eines Religionsartikels in der Verfassung. Es müsse eine grundsätzliche und breitere Diskussion darüber stattfinden, «welche Werte in unserer Gesellschaft für alle gelten sollen» und «wie unsere Rechtsordnung gegen fundamentalistische Ideologien durchgesetzt werden» könne, so Pfister gegenüber dem St. Galler Tagblatt. Der Aargauer SP-Nationalrat Cédric Wermuth griff die Idee Pfisters auf und präsentierte in der «Schweiz am Sonntag» einen Entwurf für einen solchen Religionsartikel, den er als «Koalitionsangebot an die progressiven Kräfte – nicht nur, aber auch im Islam» bezeichnete. Der Vorschlag sah Gleichbehandlung und Nichtdiskriminierung für alle religiösen Gemeinschaften bei gleichzeitiger Verpflichtung derselben auf die Werte der Bundesverfassung vor und gründete in der Hoffnung, durch die staatliche Anerkennung des Islams dessen fundamentalistische Strömungen zurückzudrängen. Da ein solcher Toleranzartikel jedoch einerseits die Abschaffung des Minarettverbots bedeutete und andererseits viele neue Fragen nach tolerablen und intolerablen Glaubensäusserungen aufwürfe, räumten ihm die Medien keine allzu grossen Erfolgschancen ein. Auch von Seiten christlicher und muslimischer Religionsgemeinschaften äusserten sich kritische Stimmen zu diesem Vorhaben.
Zur Halbzeit der Sammelfrist, Anfang 2017, gab Initiant Walter Wobmann in der Presse bekannt, sein Komitee habe bereits 70'000 Unterschriften beisammen und schaue somit zuversichtlich dem Ablauf der Frist Mitte September entgegen. Derweil zeichnete sich auch immer deutlicher ab, dass ein indirekter Gegenvorschlag mit einem Verbot auf Gesetzesstufe durchaus denkbar sein würde und dass ein solcher bei vielen v.a. bürgerlichen Parlamentarierinnen und Parlamentariern wohl auf Unterstützung zählen könnte. Darauf liess sich Wobmann im «Blick» zitieren: Falls der Inhalt des Gegenvorschlags deckungsgleich zu jenem der Volksinitiative wäre, werde man den Rückzug der Initiative in Betracht ziehen.
Anfang September 2017, also noch vor Ablauf der Sammelfrist, präsentierte der Ausserrhoder FDP-Ständerat Andrea Caroni bereits ein Nein-Komitee zum Verhüllungsverbot, für dessen Co-Präsidium er Vertreterinnen und Vertreter aus allen Fraktionen gewinnen konnte. Zu seinen Mitstreitenden zählten gemäss «Sonntags-Blick» SVP-Nationalrat Claudio Zanetti, die Zürcher Nationalrätinnen Tiana Angelina Moser von der GLP, Barbara Schmid-Federer von der CVP und Rosmarie Quadranti von der BDP sowie die Ständeräte Hans Stöckli (sp, BE) und Robert Cramer (gp, GE). Caroni nannte die Initiative des Egerkinger Komitees «Symbolpolitik», die ein «Scheinproblem» lösen wolle. Es gehe den Initianten nicht um Frauenrechte, sondern um den «Kulturkampf gegen den Islam». Ausserdem verletze ein nationales Verbot den Föderalismus; einen Entscheid sollte jeder Kanton für sich treffen, präsentierte er seine Argumente im «Sonntags-Blick». Initiant Wobmann kommentierte die Gründung des Gegenkomitees laut «Blick» mit der Bemerkung, Caroni verfüge über «spezielle Hirnwindungen». Unverständlich sei für ihn auch, was in seinen Parteikollegen Zanetti gefahren sei, dass er sich so vehement gegen die Initiative engagiere.

Volksinitiative «Ja zum Verhüllungsverbot» und indirekter Gegenvorschlag (19.023)
Dossier: Nationales Burkaverbot

Die Stimmberechtigten befanden am 9. Juni über die Initiative für eine Volkswahl des Bundesrates. Das von der SVP lancierte Volksbegehren verlangte, dass die Schweizer Regierung nicht mehr von der Vereinigten Bundesversammlung gewählt, sondern durch die Wahlbevölkerung bestimmt wird. Die Wahl wäre zeitgleich mit den Gesamterneuerungswahlen für den Nationalrat und in gesamtschweizerischem Majorzverfahren mit einem Wahlkreis abzuhalten. Für die italienischen und französischen Sprachminderheiten würden insgesamt zwei Sitze reserviert. Im Vorjahr hatten sich Bundesrat und Parlament ziemlich eindeutig gegen das nach der Abwahl von Christoph Blocher aus dem Bundesrat 2007 aufgegleiste Begehren ausgesprochen, das schon bei den Verfassungsdiskussionen 1848 und 1872 und zwei Mal als Initiative der SP in den Jahren 1900 und 1942 keine Mehrheiten gefunden hatte. Die Initiative wurde von einem überparteilichen Komitee bekämpft, dem alle Parteien ausser der SVP angehörten. Sogar die Grünen, die als Oppositionspartei selber schon ähnliche parlamentarische Vorstösse lanciert hatten, sprachen sich gegen das Anliegen aus. Das Gegnerkomitee trat unter dem Motto an, dass Bewährtes nicht aufs Spiel zu setzen sei. Das aktuelle Gleichgewicht zwischen den Gewalten sei eine zentrale Determinante für die politische Stabilität und den Wohlstand in der Schweiz. Der von der SVP geforderte Systemwechsel sei kaum begründbar und beruhe auf populistischen Forderungen. Der Verweis auf die Kantone, wo die Volkswahl der Regierung funktioniere – das bedeutendste Argument der Initiativbefürworter – wurde von den Initiativgegnern abgewiesen, da ein Wahlkampf in den Kantonen mit einem Wahlkampf auf nationaler Ebene kaum vergleichbar sei. Ein solcher würde amerikanische Verhältnisse evozieren und die zeitlich bereits arg belasteten Bundesräte nicht nur zusätzlich unter Druck setzen, sondern auch in einen Dauerwahlkampf verwickeln, der eine Kollegialregierung verunmöglichen würde. Stille Schaffer hätten zudem gegen charismatische, medial taugliche Personen weniger gute Chancen und Geld würde eine noch grössere Rolle spielen als heute. Schliesslich wurde auch die Quotenregel für die sprachlichen Minderheiten kritisiert; die Wahrscheinlichkeit, dass die beiden Sitze an die Romandie gingen und der Kanton Tessin kaum mehr Regierungsvertreter stellen könnte, sei enorm hoch. Die SVP ihrerseits setzte sich überraschend lau für ihr Anliegen ein. Zwar wurde ein 2,8 Mio. Auflagen starkes Extrablatt in die Haushalte gestreut, in dem mit dem Untergang der Schweiz gedroht wurde, wenn den Mauscheleien im Bundesrat und den Hintertreppen-Absprachen bei Regierungswahlen nicht durch das Volk Einhalt geboten würden. Im Gegensatz zu anderen Parteien wolle man die Mitspracherechte des Souveräns stärken und nicht noch weiter abbauen. Zudem schaltete die Partei ein für SVP-Verhältnisse sehr unspektakuläres Text-Plakat („Dem Volk vertrauen!“). Wichtige Exponenten der Partei schalteten sich aber kaum in den Abstimmungskampf ein und nahmen teilweise gar demonstrativ Stellung gegen die Initiative. Die Kantonalsektion Thurgau empfahl gar die Nein-Parole und die SVP Unterwallis beschloss Stimmfreigabe bei der parteieigenen Initiative. Es wurde parteiintern auch befürchtet, dass sich eine Volkswahl zuungunsten der SVP auswirken könnte. Prominente Unterstützung erhielt die Idee der Volkswahl allerdings durch die ehemalige SP-Bundesrätin Micheline Calmy-Rey. Sie befand, dass die Volkswahl zu einer besseren Machtbalance zwischen Bundesrat und Parlament führe, weil die Regierung damit über mehr Legitimität verfügen würde. Erste Umfragen Anfang Mai liessen eine relativ geringe Begeisterung in der Bevölkerung für die Idee der Volkswahl erahnen. Tatsächlich wurde das Begehren Anfang Juni dann auch deutlich mit 76,3% Nein-Stimmenanteil und durch alle Kantone abgelehnt. In einigen Kantonen der Romandie (FR, NE, JU) lagen die Ja-Anteile gar unter 20%. Am höchsten war die Zustimmung im Kanton Tessin (32,2% Ja), was aufgrund der Debatten um den Minderheitenschutz etwas überraschend war. Die gesamtschweizerische Stimmbeteiligung lag bei 39,2%, was die laue Kampagne neben dem Umstand, dass die APS-Inserateanalyse einen absoluten Negativrekord hinsichtlich Anzahl Zeitungsinserate ausmachte, ebenfalls wiederspiegelt. Noch am Abend der Abstimmung äusserten sich die Parteipräsidenten zum Abstimmungsausgang. CVP-Präsident Darbellay wertete das Resultat als Zeichen nationaler Kohäsion, FDP-Präsident Müller war froh über die Wahrung der Konkordanz, die durch eine Volkswahl in Gefahr geraten wäre, und SP-Präsident Levrat freute sich, dass die „psychologische Verarbeitung der Abwahl Blochers“ nun zum Abschluss kommen könne. SVP-Präsident Brunner anerkannte zwar, dass das Thema vom Tisch sei, wehrte sich aber vorsorglich gegen künftige Beschneidungen der direkten Demokratie. Der Leidensdruck sei anscheinend momentan noch zu tief. Justizministerin Sommaruga sah im Resultat den Wunsch des Souveräns, die Demokratie vor Dauerwahlkämpfen zu schützen. Das deutliche Nein wurde in der Presse als Vertrauensbeweis in die Institutionen und insbesondere in den Bundesrat gewertet, man sah im Abstimmungsergebnis aber auch eine Ohrfeige an die SVP, die an einem wenig experimentierfreudigen Volk vorbeipolitisiert habe. Die noch im Vorjahr von Wermuth (sp, AG) eingereichte parlamentarische Initiative (12.489), die neben der Volkswahl auch einige zusätzliche Reformen wie die Aufstockung der Regierungsmitglieder auf neun oder die Transparenz der Wahlkampagnenfinanzierung gefordert hatte, wurde im Berichtjahr kurz nach dem abschlägigen Volksentscheid zurückgezogen.


Abstimmung vom 9. Juni 2013

Beteiligung: 39,5%
Ja: 480 291 (23,7%) / 0 Stände
Nein: 1 550 080 (76,3%) / 20 6/2 Stände

Parolen:
– Ja: SVP (2)*.
– Nein: FDP, CVP, SP, GP, GLP, BDP, EVP, CSP; SGV, Travail.Suisse.
* in Klammer Anzahl abweichender Kantonalsektionen.

Initiative für eine Volkswahl des Bundesrates (BRG 12.056)
Dossier: Vorschläge für eine Volkswahl des Bundesrates
Dossier: 9 statt 7 Bundesratsmitglieder?

Im Berichtjahr berieten die Räte über die Initiative für eine Volkswahl des Bundesrates. Die SVP hatte im Vorjahr 108'826 beglaubigte Unterschriften eingereicht. Das Begehren verlangt, dass der Bundesrat nicht mehr von der Bundesversammlung, sondern durch die Wahlbevölkerung gewählt wird. Die Wahl würde zeitgleich mit den Gesamterneuerungswahlen für den Nationalrat und im Majorzverfahren mit der Schweiz als einem Wahlkreis durchgeführt. Den italienischen und französischen Sprachminderheiten wären zwei Sitze garantiert. In seiner Mitte Mai an einer Medienkonferenz präsentierten Botschaft listete der Bundesrat zwar einige Vorteile einer Wahl der Regierung durch die Bürgerinnen und Bürger auf – so etwa die Stärkung der Legitimität der Exekutive, die Möglichkeit einer Belebung der Demokratie durch eine Debatte über Regierungsprogramme oder die zumindest vordergründig höhere Transparenz –, er empfahl das Begehren letztlich aber aufgrund gewichtigerer Nachteile zur Ablehnung: Das Regierungsgremium wäre kein Kollegium mehr, sondern eher eine Versammlung parteipolitischer Akteure. Die Kooperation mit den Medien würde im Interesse einer Wiederwahl noch stärker werden. Das Gewaltengefüge würde sich verändern, weil die Bundesversammlung eines wichtigen Kontroll- und Entscheidungsinstruments beraubt würde. Die stärker im Zentrum stehende Partei- statt Sachpolitik berge die Gefahr von Blockaden zwischen Parlament und Regierung. Weil bevölkerungsstarke Kantone mit dem vorgeschlagenen Wahlverfahren bevorteilt wären, würde das föderale Gleichgewicht gestört. Die teuren Wahlkampagnen würden zu einer Stärkung der Landes- gegenüber den Kantonalparteien führen und würden erstere überlasten. Die sprachliche Quotenregelung könnte sich als kontraproduktiv erweisen, weil ein Schutz der rätoromanischen Sprachminderheit gar nicht vorgesehen ist und die italienische und die französische Minderheit gegeneinander ausgespielt würden. Der Bundesrat wies insbesondere darauf hin, dass es für die Änderung gar keinen Anlass gebe. Die bisherigen, von der Bundesversammlung gewählten Bundesratskollegien seien nicht nur repräsentativ für alle Landesgegenden, sondern würden auch hohes Ansehen in der Bevölkerung geniessen und hätten sich als fähig erwiesen, Kriege, Bedrohungen und Wirtschaftskrisen zu umschiffen und verschiedene Herausforderungen erfolgreich anzunehmen und zu meistern. Es gäbe keinen Anlass, ein derart bewährtes Wahlverfahren zu ändern. In den langen und lebhaften Ratsdiskussionen wurde zudem darauf hingewiesen, dass die Idee einer Volkswahl des Bundesrates bereits bei den Verfassungsdiskussionen 1848 und 1872 und zweimal als Initiative der SP 1900 und 1942 jeweils abgelehnt worden sei. Diskutiert wurde auch ein drohender permanenter Wahlkampf, der stark von der finanziellen Potenz einzelner Parteien abhängen würde. Die SVP-Ratsvertreter argumentierten, dass die direkte Wahl der Exekutive in allen Kantonen sehr gut funktioniere. Die direkte Demokratie würde mit diesem Anliegen ausgebaut. Im Nationalrat hatten zwei Anträge von linker Seite für einen Gegenvorschlag, der die Erhöhung der Mitgliederzahl im Bundesrat auf neun und eine Transparenz der Kampagnenfinanzierung gefordert hätte, keine Chance. In der Schlussabstimmung wurde die Initiative im Ständerat mit 34 zu fünf Stimmen (bei 3 Enthaltungen) und im Nationalrat mit 137 zu 49 Stimmen abgelehnt. Zu den 48 Stimmen aus der SVP-Fraktion gesellte sich die Stimme von Girod (gp, ZH). Dass das Anliegen nicht wirklich in ein Links-Rechts-Schema passt, zeigt die im Berichtjahr noch nicht behandelte parlamentarische Initiative Wermuth (sp, AG) (12.489), die ebenfalls eine Volkswahl, allerdings in Verbindung mit einer Erhöhung der Zahl der Bundesräte auf neun und einer Einführung von Wahlfinanzierungsregeln, fordert. Der Vorstoss fand einige Mitunterzeichner aus dem linken Lager.

Initiative für eine Volkswahl des Bundesrates (BRG 12.056)
Dossier: Vorschläge für eine Volkswahl des Bundesrates
Dossier: 9 statt 7 Bundesratsmitglieder?