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  • Zopfi, Mathias (gp/verts, GL) SR/CE
  • Meyer, Ulrich (sp/ps) BG/TF

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In der Wintersession 2022 wurden die Reform des Visa-Informationssystems VIS und die Änderung des AIG im Ständerat behandelt. Mathias Zopfi (gp, GL) vertrat die Position der SPK-SR und klärte die kleine Kammer über die Vorzüge des Visa-Informationssystems auf. Die Vernetzung aller Konsulate der Schengen-Staaten ermögliche den Abgleich von Daten zwischen den Visumbehörden, den Grenzkontrollbehörden und den Migrationsbehörden. Die Anpassungen seien vor allem technischer Natur und dienten der Interoperabilität zwischen dem VIS und anderen Informationssystemen, so Zopfi. Die Kommission habe sich auch mit den Bedenken der Minderheit Molina (sp, ZH) aus dem Nationalrat zur Weitergabe von Daten an Drittstaaten auseinandergesetzt. Zopfi berichtete, dass die Verwaltung der Kommission versichert habe, dass sämtliche Datenabfragen an das SEM weitergeleitet werden müssen und bei einem laufenden Asylverfahren keine Auskunft erteilt werde. Auch die zweite Vorlage zur Änderung des AIG beantragte Zopfi im Namen der Kommission zur Annahme. Bundesrätin Karin Keller-Sutter äusserte sich ebenfalls zur Minderheit Molina und ergänzte, dass bei der Datenübermittlung aus dem VIS die Datenschutzregelungen der Schweiz und der entsprechenden EU-Verordnung sowie die Regeln der internationalen Polizeikooperation eingehalten werden müssten. Der Ständerat nahm in der Folge beide Vorlagen einstimmig an.
In der Schlussabstimmung nahm der Nationalrat den Bundesbeschluss zur Reform des Visa-Informationssystems mit 153 zu 9 Stimmen (bei 34 Enthaltungen) an und das Bundesgesetz über die Ausländerinnen und Ausländer und über die Integration mit 157 zu 4 Stimmen (bei 35 Enthaltungen). Die Grünen enthielten sich im Nationalrat geschlossen ihrer Stimme, genauso wie einige Mitglieder der SP. Der Ständerat nahm beide Vorlagen auch in der Schlussabstimmung einstimmig an.

Reform des Visa-Informationssystems VIS und Änderung des AIG

Wie schon vor zwei Jahren gaben die Wahlen für das Präsidium und Vizepräsidium am Bundesgericht (für die Amtsperiode 2023-2024) Anlass für einige mediale Diskussionen. Dabei ging es insbesondere um den amtierenden Vizepräsidenten Yves Donzallaz, der nach dem angekündigten Rücktritt von Bundesgerichtspräsidentin Martha Niquille für das höchste Richteramt kandidierte. Der 2008 für die SVP ans Bundesgericht gewählte Walliser war bereits 2020 von seiner eigenen Partei für die Gesamterneuerungswahlen des Bundesgerichts für die Amtsperiode 2021-2026 nicht zur Wiederwahl empfohlen worden, weil er laut seiner Partei deren Gedankengut nicht mehr vertrete. Nachdem Donzallaz dann Mitte Oktober 2022 vom Bundesgericht zum Präsidenten empfohlen worden war, trat Donzallaz aus der SVP aus und setzte damit einen «Schlussstrich unter eine seit Jahren tief zerrüttete Beziehung», wie die NZZ urteilte. Dies sei in einem Gespräch mit Fraktionspräsident Thomas Aeschi (svp, ZG) und Parteipräsident Marco Chiesa (svp, TI) so vereinbart worden, gab Donzallaz in den Medien zu Protokoll, damit sein Verhältnis zur SVP während seines Präsidiums beruhigt werde und eine konstruktive Zusammenarbeit möglich bleibe. Die Aargauer Zeitung erinnerte daran, dass die «Justizposse» auch im Rahmen der Abstimmung über die «Justiz-Initiative» eine Rolle gespielt habe. Je nach Lesart sei Donzallaz einerseits Beweis dafür, dass ein Richter oder eine Richterin durchaus auch anders entscheide, als dies die Parteifarbe erwarten liesse, das System also funktioniere. Andererseits zeige das Verhalten der SVP, dass es mit der Unabhängigkeit von der eigenen Partei wohl nicht immer weit her sei. Der Sonntags-Blick goss unmittelbar vor den Wahlen des Bundesgerichtspräsidiums zusätzlich Öl ins Feuer. Die Empfehlung des Bundesgerichts, Donzallaz als obersten Richter zu wählen, sei lediglich mit 20 zu 15 Stimmen (3 Enthaltungen) gefallen. Das Misstrauen gegen den Kandidierenden rühre von der stark kritisierten Aufsichtsarbeit der Verwaltungskommission des Bundesgerichts bezüglich der Vorkommnisse am Bundesstrafgericht her, in der Donzallaz neben Martha Niquille und dem damaligen Bundespräsidenten Ulrich Meyer gesessen habe, wusste der Sonntagsblick zu berichten. Aber auch der Umstand, dass der Vollzeitrichter Zeit finde, um ein Buch «mit insgesamt 4'418 Seiten» zu schreiben, sei wohl in Lausanne auf Argwohn gestossen, so die Zeitung.

In der Wintersession 2022 wählte die Vereinigte Bundesversammlung den auch von der GK in ihrer Wahlempfehlung explizit neu als parteilos geführten Donzallaz mit 156 von 165 gültigen Stimmen. Von den 213 ausgeteilten Wahlzetteln wurden 3 nicht zurückgegeben. Von den restlichen 210 blieben ganze 41 leer, 4 waren ungültig und 9 entfielen auf Diverse. Weniger umstritten war die Wahl des neuen Vizepräsidenten: Der seit 2011 am Bundesgericht amtende und der FDP angehörende François Chaix erhielt 207 Stimmen; 6 der 213 eingelangten Wahlzettel blieben leer.

Bundesgericht. Präsidium und Vizepräsidium 2023-2024
Dossier: Unabhängigkeit der Judikative

Die 182 zu 1 Stimmen im Nationalrat liessen darauf schliessen, dass die Motion Dobler (fdp, SG), die bei eidgenössischen Abstimmungen auf dem Stimmzettel einen Hinweis auf bestehende indirekte Gegenvorschläge verlangt, auf den ersten Blick «nachvollziehbar und sympathisch» sei, führte Mathias Zopfi (gp, GL) als Sprecher der SPK-SR die ständerätliche Debatte zum Vorstoss in der Wintersession 2022 ein. Der Kommission habe allerdings ein zweiter Blick genügt, um die Ablehnung der Motion zu beantragen. Im Gegensatz zum Motionär sei die Kommission der Meinung, dass die Willensbildung durch zusätzliche Informationen auf dem Stimmzettel nicht gefördert, sondern im Gegenteil gefährdet werde. Ein indirekter Gegenvorschlag sei ein politisches Argument und gehöre deshalb sicher nicht auf den Stimmzettel, der möglichst schlicht bleiben und nicht mit Hinweisen überladen werden soll. Die Stimmbürgerinnen und Stimmbürger seien sehr wohl in der Lage, sich zum Beispiel im Abstimmungsbüchlein über bestehende Gegenvorschläge zu informieren. In der Tat war die Information über indirekte Gegenvorschläge in den Abstimmungserläuterungen mit deren Überarbeitung 2018 stark verbessert worden. Einen Minderheitsantrag auf Annahme gab es nicht, obwohl die SPK-SR die Ablehnungsempfehlung mit 9 zu 1 Stimmen und 1 Enthaltung beschloss. Weil er als Einziger in der Kommission für die Motion gestimmt habe, habe er auf einen Antrag verzichtet, so Thomas Minder (parteilos, SH). Er fände es aber eigentlich «logisch», wenn auf dem Stimmzettel vermerkt würde, über welche Alternativen Stimmbürgerinnen und Stimmbürger verfügten beziehungsweise welche Folgen die Ablehnung einer Initiative habe. Er denke nicht, dass alle Stimmberechtigten wüssten, was ein indirekter Gegenvorschlag sei. Auch Bundeskanzler Walter Thurnherr ergriff das Wort und führte für den Bundesrat, der die Motion ebenfalls zur Ablehnung empfohlen hatte, aus, dass das geltende Recht vorsehe, dass Abstimmungsfragen neutral formuliert sein und keinen Informationsauftrag erfüllen müssen. Es wäre unzulässig, ein Argument für oder gegen eine Vorlage in die Abstimmungsfrage einzufügen, und auch «demokratiepolitisch problematisch», wenn Hinweise auf Stimmzetteln die Meinungsbildung beeinflussen würden. Ohne Abstimmung lehnte die kleine Kammer die Motion in der Folge ab.

Hinweis auf bestehende indirekte Gegenvorschläge auf dem Abstimmungszettel (Mo. 22.3132)
Dossier: Stimmzettel als Informationsträger?

Die SPK-SR beantrage dem Ständerat einstimmig, die Motion der Mitte-Fraktion, die Fristenstillstand und Verschieben von Wahlterminen in Krisenzeiten gesetzlich regeln will, aus formalen Gründen abzulehnen, führte Mathias Zopfi (gp, GL) für die Kommission in der Wintersession 2022 aus. Zwar habe der Nationalrat diese Motion in der Sommersession angenommen, das Anliegen entspreche aber wortwörtlich einer Motion Rieder (mitte, VS, Mo. 20.3419), die von beiden Räten bereits früher angenommen worden sei. Der Auftrag an den Bundesrat müsse nicht ein zweites Mal erteilt werden. Auch Bundeskanzler Walter Thurnherr ersuchte den Ständerat, die Motion aus «verfahrensökonomischen Gründen» abzulehnen. Dies tat die kleine Kammer in der Folge diskussionslos.

Bewahrung der demokratischen Rechte auch in Krisenzeiten (Mo. 20.3314)

Reaktion der anderen Parteien - Angriff der Grünen?

Nach den eidgenössischen Wahlen 2019 und ihrem damaligen Wahlerfolg hatten die Grünen mit einiger Vehemenz einen Anspruch auf einen Bundesratssitz angemeldet und anschliessend auch den Sitz von Ignazio Cassis angegriffen – allerdings ohne Erfolg. Mit dem Rücktritt von Ueli Maurer eröffnete sich der grünen Partei eine neuerliche Möglichkeit für einen Angriff. Allerdings schätzen die Medien die Chancen für eine Sitzeroberung als äusserst gering ein, weil kaum eine Partei Hand bieten werde, den unbestrittenen Anspruch der stärksten Partei auf zwei Sitze in Frage zu stellen. Die Frage war zudem, ob sich bei den Grünen überhaupt eine Kandidatin oder ein Kandidat finden würde, die oder der sich sozusagen «verheizen» lassen und mögliche Chancen für eine Bundesratswahl nach den eidgenössischen Wahlen 2023 zum Vornherein vergeben würde – der Blick sprach von einem «Opferlamm». Zwar wurden in den Medien einige Namen genannt, etwa Ständerat Mathias Zopfi (gp, GL), Nationalrätin Aline Trede (gp, BE) oder der Baselbieter Regierungsrat Issac Reber (BL, gp). Das Zögern der Grünen, die erst am 18. Oktober an einer Fraktionssitzung entscheiden wollten, ob sie überhaupt antreten wollen oder nicht, wurde von den Medien aber kritisiert. Auch bei den eidgenössischen Wahlen 2019 habe man zu lange gewartet; die Geschichte scheine sich deshalb zu wiederholen, argwöhnte die Aargauer Zeitung. Kurz vor der entsprechenden Fraktionssitzung präsentierte der Sonntagsblick eine Umfrage, die zeigte, dass sich total 32 Prozent der Befragten für eine Kandidatur der Grünen aussprachen. Dieser Anteil lag bei GP- und SP-Sympathisierenden bei knapp 70 Prozent, erreichte bei Anhängerinnen und Anhängern der bürgerlichen Parteien aber nicht einmal 20 Prozent.
An einer Medienkonferenz gaben die Grünen dann tags darauf bekannt, den SVP-Sitz nicht angreifen zu wollen. Man wolle gegen das «abgekartete Spiel» des «Machtkartells», das sich durch Untätigkeit in Klima-, Umwelt- und Europafragen auszeichne, nicht unnötig Zeit «vergeuden», so Aline Trede vor der Presse. Es sei erfolgversprechender, die Gesamterneuerungswahlen im Nachgang an die eidgenössischen Wahlen 2023 abzuwarten, weil momentan keine einzige Fraktion für Gespräche über einen grünen Bundesratssitz bereit sei. Die Partei werde gestärkt aus den Wahlen hervorgehen und ihren Anspruch auf eine Regierungsbeteiligung festigen. Die Medien zeigten Verständnis für den Verzicht. Sei ihr Konkordanz wichtig, dann dürfe die GP nicht die SVP angreifen, deren Anspruch auf zwei Sitze aufgrund von deren Grösse unbestritten sei, argumentierte die NZZ. Die Aargauer Zeitung erklärte den Verzicht auch damit, dass sich keine Kandidierenden finden liessen. Die Grünen brächen damit aber mit einer 35-jährigen Tradition: Die Partei habe bisher die Sitze der SVP stets angegriffen. Die Weltwoche vermutete, das unentschlossene Vorgehen zeige, dass es den Grünen auch früher nie wirklich ernst gewesen sei mit der Eroberung eines eigenen Bundesratssitzes. Die «Kamikaze-Aktion» hätte wohl viel Energie gekostet, aber letztlich nicht viel gebracht, schloss der Tages-Anzeiger. Wenn sie aber künftig wirklich Regierungsmacht wollten, dann dürften sie sich vor einem Angriff auf die SP-Sitze nicht mehr scheuen. Die NZZ schliesslich nannte die Grünen gar «naiv»: Wenn sie nicht «zu harmlos für den Bundesrat» bleiben wolle, müsse die Partei bei den Gesamterneuerungswahlen einen Sitz der SP angreifen.

Nach der Rücktrittsankündigung von Simonetta Sommaruga Ende Oktober wurde dieses von dem Medien angemahnte Szenario dann freilich plötzlich realistisch. Die Grünen reagierten diesmal wesentlich rascher und kündigten lediglich eine Stunde nach dem Rücktritt der Berner Magistratin an, den Sitz der SP ebenfalls nicht anzugreifen. Es brauche mehr Kraft für die Bekämpfung der Klimakrise im Bundesrat; auf Kosten der SP könne sich das entsprechende Gewicht aber sicherlich nicht verschieben, so die Begründung von Aline Trede in den Medien. Diese Argumentation weckte freilich Kritik bei der GLP und der FDP, die den Grünen vorwarfen, nicht zur Konkordanz zu stehen, sondern eine inhaltliche Koalition anzustreben. Mit drei Sitzen sei die Linke definitiv übervertreten. Auch die NZZ kritisierte, dass die Grünen «auf ihre historische Chance» verzichteten, da sie bei einem Angriff auf den SP-Sitz wohl durchaus Unterstützung von rechts erhalten hätten.

Bundesratsersatzwahlen 2022 – Nachfolge von Ueli Maurer und Simonetta Sommaruga
Dossier: Bundesratswahlen seit 2008

Am 20. Oktober 2022 reiste Bundespräsident Cassis in die Ukraine, um sich mit Präsident Selenskyj zu treffen. Die Reise war aufgrund von Sicherheitsbedenken im Geheimen organisiert worden, trotzdem berichtete der Blick bereits vor Cassis Ankunft über den Besuch. Das EDA zeigte sich in der Folge äusserst verärgert über diese Indiskretion. Dadurch sei die Sicherheit der Delegation gefährdet worden, so ein Sprecher des Departements. Begleitet wurde der Aussenminister von Nationalrätin Marianne Binder-Keller (mitte, AG) und Ständerat Matthias Zopfi (gp, GL). Es war der zweite Besuch einer hochrangigen Schweizer Delegation seit dem Kriegsausbruch, nachdem Nationalratspräsidentin Irène Kälin (gp, AG) im April des gleichen Jahres nach Kiew gereist war. Für Aussenminister Cassis war es bereits die zweite Amtsreise in die Ukraine, eine erste hatte er 2021 vorgenommen. Am Treffen nahmen auch der ukrainische Premierminister Denys Schmyhal und Aussenminister Dmytro Kuleba teil. Die Gespräche fokussierten auf die aktuelle Kriegssituation, die humanitären Bedürfnisse der Ukraine sowie die Vorbereitungsarbeiten für den Wiederaufbau- und Entwicklungsplan des Landes. Im Rahmen der Ukraine Recovery Conference, die im Juli 2022 in Lugano stattgefunden hatte, hatte die Schweiz an der Erarbeitung des Wiederaufbauplans mitgewirkt. Cassis tauschte sich mit seinem ukrainischen Pendant Schmyhal über die Umsetzung der an der Konferenz angestossenen Massnahmen aus. Gegenüber den Medien unterstrich der Bundespräsident die Solidarität der Schweiz mit der ukrainischen Bevölkerung und kritisierte Russlands Verletzung der territorialen Integrität der Ukraine. Im Rahmen des Treffens unterzeichneten die beiden Parteien ein MoU zur digitalen Transformation und zwei Absichtserklärungen zur Zusammenarbeit in den Bereichen «vermisste Personen» und «Forensik».
In der Schweiz wurde die Amtsreise von Cassis insgesamt positiv aufgenommen. APK-NR-Präsident Franz Grüter (svp, LU) erachtete den Besuch als ein gutes Zeichen, stellte aber die Frage in den Raum, «was er damit erreichen will». Ein Schutzmachtmandat der Schweiz zwischen der Ukraine und Russland hätte der SVP-Aussenpolitiker begrüsst, für Gespräche über den Wiederaufbau des Landes sei es aber noch zu früh, wie er CH Media mitteilte. Mitte-Nationalrätin Schneider-Schneiter (mitte, BL) fand es hingegen wichtig, dass Cassis ein Follow-up der Ukraine-Konferenz durchgeführt habe.

Im Anschluss an den Staatsbesuch in der Ukraine reiste Cassis weiter nach Moldawien, um in Chișinău mit Präsidentin Maia Sandu über die Konsequenzen des Kriegs auf ihr Land und dessen humanitäre Lage zu sprechen.

Bundespräsident Cassis trifft Präsident Selenskyi
Dossier: Staatsbesuche im Ausland 2022
Dossier: Schweizer Reaktion auf die russischen Aggressionen in der Ukraine (ab 2014)

Le projet de révision partielle de la loi sur la chasse (LChP) a connu des discussions mouvementées au sein de la chambre haute. Durant près de 2h, les sénatrices et sénateurs des différentes sensibilités se sont écharpé.e.s sur un projet assouplissant les conditions permettant l'abattage du loup. Ce sujet, hautement inflammable, a déjà fait l'objet d'une votation populaire en 2020 et de plusieurs projets de révision, après l'échec en référendum de la solution trouvée par le Parlement, comme rappelé par le rapporteur de la commission Othmar Reichmuth (centre, SZ). Animal protégé par la Convention de Berne, il a été constaté que le loup s'est définitivement installé en Suisse et qu'une disparition de l'espèce n'est plus à l'ordre du jour, selon l'avis d'une majorité de la commission. Celle-ci estime qu'il est donc important de procéder à un changement de paradigme qui permettrait une régulation facilitée du grand prédateur. Ainsi, l'article 7a de la LChP a été rajouté par la commission afin de spécifier les conditions de régulation du loup, mais également du bouquetin. A l'article 12, la commission a décidé de renforcer la prévention contre les dangers que représente le loup face à l'être humain en donnant la possibilité d'abattre des individus qui se montreraient menaçants. Egalement réglé à cet article, l'encouragement et la coordination par la Confédération des mesures cantonales visant à prévenir les dommages causés par les castors ainsi que leur indemnisation. Quant à la participation aux dédommagements des dégâts causés par des espèces protégées, ils ne seront possibles que si des mesures pour prévenir ces dommages auront été prises en amont.
S'opposant au projet de la commission, Adèle Thorens (verts, VD) redoute une chasse annuelle planifiée qui n'aura pas l'effet souhaité d'apprentissage pour le loup qui permettrait une meilleure cohabitation. La sénatrice vaudoise dénonce un projet qui ne tient pas compte du résultat du référendum contre la Loi sur la chasse et de la Convention de Berne qui protège le loup. Mais ce qui choque le plus l'élue verte est la non-entrée en matière de la commission sur un projet de compromis issu d'une plateforme regroupant tous les acteurs associatifs impliqués dans ce dossier – de l'USP au WWF, en passant par ChasseSuisse et Pro Natura – et qui aurait permis de résoudre les problèmes soulevés. Partisan du projet soumis au Conseil des Etats, Beat Rieder (centre, VS) a rendu ses collègues attentifs à l'expansion des meutes de loup en Suisse, sur un territoire qui n'aura bientôt plus la capacité d'en accueillir plus. Daniel Jositsch (ps, ZH) dénonce, au contraire, une politique pouvant être résumée avec des mots empruntés à Caton l'Ancien et légèrement adaptés: «Ceterum censeo lupum esse delendum», «le loup doit être détruit». Mathias Zopfi, vert glaronais, s'est lui positionné pour un «oui, mais», conscient qu'il est urgent d'agir pour une meilleure régulation, mais émettant le souhait que le Conseil national rééquilibre ce projet notamment en ne mettant pas le bouquetin et le loup sur un même niveau.
Pour le Conseil fédéral, Simonetta Sommaruga s'est dite en faveur des objectifs fixés par la présente initiative parlementaire, particulièrement en ce qui concerne une régulation proactive du loup – afin de garantir une meilleure protection des animaux de rente –, l'accord de la Confédération pour tout tir de bête et la prépondérance des mesures de protection des troupeaux. Toutefois, le Conseil fédéral s'oppose à toute subvention supplémentaire provenant de la Confédération prévue par le projet de révision.
Lors de la discussion par article, les membres du Conseil des Etats ont accepté l'ensemble des propositions formulées par la CEATE-CE tout en complétant l'article 12 pour permettre un abattage de loups appartenant à une meute lors de la saison estivale, alors que seule la période allant du 1er septembre au 31 janvier était initialement prévue pour procéder aux régulations. Au vote sur l'ensemble, seules les 4 élues vertes de la chambre haute (Céline Vara (NE), Lisa Mazzone (GE), Adèle Thorens-Goumaz et Maya Graf (BL)), rejointes par 2 élus socialistes (Carlo Sommaruga (GE) et Daniel Jositsch) se sont opposé.e.s au projet, accepté à 31 voix (et 4 abstentions).

Pour une régulation des populations de loups (Iv. pa. 21.502)
Dossier: Wie soll man nach dem Nein zum Jagdgesetz (2020) legiferieren?

Die parlamentarische Initiative 20.504 zur Strafbarkeit von Folter habe ihn, so erklärte Ständerat Mathias Zopfi (gp, GL) seine Beweggründe im Ständeratsplenum, zur Feststellung veranlasst, dass die darin aufgezeigte Strafbarkeitslücke nicht nur die Folter betreffe: Auch andere vorsätzliche Verstösse gegen Bestimmungen des zwingenden Völkerrechts – beispielsweise Sklaverei oder illegale Rückschiebungen – könnten im geltenden Recht nur geahndet werden, wenn sie im Zusammenhang eines bewaffneten Konflikts stehen. Ein Straftatbestand für Verstösse gegen zwingendes Völkerrecht ohne Zusammenhang mit einem bewaffneten Konflikt fehle in der Schweizer Rechtsordnung allerdings. Mit einem Postulat forderte Zopfi den Bundesrat daher auf zu prüfen, ob diese Strafbarkeitslücken tatsächlich bestehen, und darzulegen, wie sie allenfalls durch Anpassungen im Strafrecht geschlossen werden könnten. Der Bundesrat beantragte das Postulat zur Annahme, obgleich er keine solchen Strafbarkeitslücken erkenne, wie er in seiner Stellungnahme ausführte. Verbrechen gegen die Menschlichkeit seien nicht nur im Kontext eines bewaffneten Konflikts, sondern auch im Rahmen eines ausgedehnten und systematischen Angriffs gegen die Zivilbevölkerung strafbar. Ausserdem richte sich das zwingende Völkerrecht nicht in erster Linie an Individuen, sondern an Staaten. Dennoch erklärte sich die Regierung bereit, die aufgeworfenen Fragen zu prüfen, damit sichergestellt sei, dass das schweizerische Strafrecht «eine effektive Umsetzung des geltenden Völkerrechts» erlaube. In der Herbstsession 2022 überwies der Ständerat das Postulat stillschweigend.

Strafbarkeit von vorsätzlichen Verstössen gegen zwingendes Völkerrecht (Po. 22.3857)

In der Herbstsession 2022 stand die Behandlung der Revision des Bundesgesetzes über das Öffentlichkeitsprinzip in der Verwaltung in beiden Kammern auf der Traktandenliste. Beide Räte waren sich schon zuvor grundsätzlich einig, dass der Zugang zu amtlichen Dokumenten gebührenfrei möglich sein muss. Allerdings – dies hatte bereits die parlamentarische Initiative von Edith Graf-Litscher (sp, TG), auf die die Vorlage zurückging, so vorgesehen – sollten in hohe Kosten verursachenden Ausnahmefällen den Gesuchsstellenden Rechnungen ausgestellt werden dürfen. Nicht einig waren sich National- und Ständerat darüber, ob für diese Ausnahmefälle eine Kostenobergrenze festgelegt werden soll. Der Nationalrat hatte diese auf CHF 2'000 fixieren wollen. Der Ständerat hielt allerdings – unterstützt vom Bundesrat – diskussionslos und einstimmig daran fest, keine solche Obergrenze festzulegen. Sie seien zwar sehr selten, es gebe aber durchaus Gesuche, die Kosten von weit mehr als CHF 2'000 verursachten, argumentierte der Sprecher der SPK-SR, Mathias Zopfi (gp, GL). Die Kommission sei zudem der Meinung, dass der Erlass von Gebühren Sache des Bundesrats sei.
Tags darauf schwenkte der Nationalrat auf diesen Beschluss des Ständerats ein. Die Kommission sei zwar «inhaltlich» nicht einverstanden, sie wolle aber auf «eine aussichtslose Differenzbereinigungsrunde» verzichten. Mit einer Gebührenobergrenze hätte die Unterwanderung des grundsätzlich gebührenfreien Zugangs zu amtlichen Dokumenten verhindert werden können; trotzdem sei auch die ständerätliche Lösung noch ein «Schritt zur Stärkung des Öffentlichkeitsprinzips», argumentierte die Sprecherin der SPK-NR, Céline Widmer (sp, ZH) in der grossen Kammer. Diese folgte anschliessend stillschweigend dem Kommissionsantrag.
In den Schlussabstimmungen hiess der Nationalrat die Vorlage mit 193 zu 0 Stimmen gut und der Ständerat stimmte ihr mit 44 zu 1 Stimme zu.

Öffentlichkeitsprinzip (Pa.Iv. 16.432)
Dossier: Öffentlichkeitsprinzip in der Bundesverwaltung

Der Bundesrat publizierte im Mai 2022 die Botschaft zur Übernahme zweier EU-Verordnungen zur Festlegung der Bedingungen für den Zugang zu anderen EU-Informationssystemen für die Zwecke des ETIAS sowie zur Änderung des Ausländer- und Integrationsgesetzes.
Wie der Bundesrat in seiner Botschaft vermerkte, hatte das Parlament der Übernahme der EU-Verordnung, die ETIAS etablierte, bereits im September 2020 zugestimmt (BRG 20.027). Bei der vorliegenden Weiterentwicklung des Schengen-Besitzstandes ging es nun darum, die Interoperabilität des ETIAS-Systems mit anderen EU-Informationssystemen (wie etwa SIS) zu gewährleisten. Mit der Interoperabilität solle der Datenaustausch unter diesen Systemen ermöglicht werden und vorhandene Informationen effizienter und gezielter genutzt werden. Der Bundesrat beantragte auch eine Änderung des AIG: Der Abteilung «Biometrische Identifikation» des Fedpol soll es erlaubt werden, die Ergebnisse von Suchanfragen manuell nachzuprüfen, wenn diese einen Treffer in den Schengen/Dublin-Informationssystemen ergeben haben.

Der Nationalrat befasste sich in der Herbstsession 2022 mit dem Geschäft. Die Sprechenden der SPK-NR, Tiana Moser (glp, ZH) und Damien Cottier (fdp, NE), stellten den Entwurf vor. Demnach handelt es sich bei ETIAS um ein System zur Ausstellung von Reisegenehmigungen für Drittstaatenangehörige ohne Visumspflicht, wobei die Prüfung, ob eine Person eine Einreisebewilligung erhält, weitgehend automatisch abläuft. Komme es zu einer Unregelmässigkeit, dann erfolge in den entsprechenden Schengen-Mitgliedstaaten eine manuelle Prüfung der Einreisebewilligung. Das Bundesverwaltungsgericht werde eine Plattform zur Verfügung stellen, über die Beschwerden bei einer mutmasslichen Fehlbeurteilung der Reisegenehmigung eingereicht werden können. Das Ziel dieser Weiterentwicklung des ETIAS-Systems bestehe darin, die Sicherheit, insbesondere in den Bereichen Bekämpfung des Terrorismus und Verhinderung schwerer Straftaten, zu stärken. Minderheitsanträge wurden keine gestellt und die meisten Fraktionen äusserten sich überwiegend positiv. Jedoch meldete Natalie Imboden (gp, BE) seitens der Grünen-Fraktion gewisse datenschützerische Bedenken an und bat Justizministerin Karin Keller-Sutter, den «datenschützerischen Aspekten in den weiteren Umsetzungsarbeiten genügend Beachtung zu schenken». Der Nationalrat nahm die Weiterentwicklung des Schengen-Besitzstandes mit 134 Stimmen zu 10 Stimmen (33 Enthaltungen) an. Die ablehnenden Stimmen stammten von Mitgliedern der SVP-Fraktion, die Enthaltungen von der Grünen-Fraktion. Die zweite Vorlage, die Änderung des AIG, nahm der Nationalrat mit 145 zu 3 Stimmen bei 33 Enthaltungen an.

Die kleine Kammer behandelte die Vorlage in der Wintersession 2022. Dort stellten Kommissionssprecher Mathias Zopfi (gp, GL) und Justizministerin Keller-Sutter das Geschäft vor, wobei eine eigentliche Debatte ausblieb: Eintreten wurde ohne Gegenantrag beschlossen und beide Vorlagen wurden einstimmig angenommen.

In den Schlussabstimmungen am Ende der Wintersession 2022 zeigte sich wiederum ein ähnliches Stimmverhalten: Während sich die Grünen der Stimmen enthielten, votierte eine grosse Mehrheit des Nationalrates klar für die beiden Vorlagen (155 zu 9 Stimmen bei 32 Enthaltungen / 164 zu 0 Stimmen bei 32 Enthaltungen). Im Ständerat wurden die beiden Vorlagen jeweils einstimmig angenommen (44 zu 0 Stimmen für die beiden Vorlagen).

Festlegung der Bedingungen für den Zugang zu anderen EU-Informationssystemen (ETIAS; BRG. 22.019)
Dossier: Weiterentwicklung des Schengen-Besitzstands, Errichtung von IT-Grosssystemen

Nachdem der Nationalrat in der Sommersession 2022 der parlamentarischen Initiative von Matthias Jauslin (fdp, AG), die einen vollständigen Zugriff auf alle Kommissionsunterlagen forderte, einstimmig zugestimmt hatte, wurde sie in der darauffolgenden Herbstsession im Ständerat beraten. Die zuständige SPK-SR stand dem Geschäft skeptisch gegenüber und empfahl mit 10 zu 3 Stimmen, keine Folge zu geben. Kommissionssprecher Mathias Zopfi (gp, GL) führte die Gründe für das Nein der SPK-SR aus. Es gehe hier nicht wie im Nationalrat diskutiert um eine Digitalisierungs-, sondern um eine rechtliche Frage. Seit der Reform des Parlamentsrechts von 2019 sei geregelt, wer Zugriff auf welche Dokumente haben solle. Explizit keinen Zugriff habe man damals für Dokumente aus kommissionsinternen Geschäften gewähren wollen, die lediglich von den entsprechenden Kommissionsmitgliedern und den Fraktionssekretariaten einsehbar sein sollen. Damals wie in der heutigen Empfehlung gehe es der SPK-SR um den Schutz des Kommissionsgeheimnisses. Es müsse zudem möglich bleiben, dass Themen zuerst einmal kommissionsintern beraten würden, ohne dass zugehörige Dokumente bereits von allen Ratsmitgliedern einsehbar seien. In einem Einzelantrag plädierte Hannes Germann (svp, SH) für Folgegeben. Es könne nicht angehen, dass Parlamentsmitglieder schlechter gestellt würden als Angestellte der Fraktionssekretariate. Es sei der Arbeit eines Parlamentariers oder einer Parlamentarierin unwürdig, wenn Dokumente im Fraktionssekretariat bestellt werden müssten, wenn man sie einsehen wolle. Für das Problem mit dem Fraktionsgeheimnis würden sich bei der Umsetzung der Initiative Lösungen finden – so Germann. Man sei ja erst «in Phase eins». Mit 26 zu 18 Stimmen folgte der Ständerat allerdings seiner Kommissionsmehrheit und versenkte damit das Geschäft.

Zugriff auf Kommissionsunterlagen (Pa.Iv. 20.461)

Die Mehrheit der SPK-SR sprach sich ein zweites Mal dagegen aus, der parlamentarischen Initiative ihrer Schwesterkommission Folge zu geben, mit der eine Präzisierung von Unterlistenverbindungen angestrebt werden sollte. In der ständerätlichen Debatte stand zwar kein Minderheitenantrag, aber ein Einzelantrag von Jakob Stark (svp, TG) zur Diskussion, weshalb Kommissionssprecher Mathias Zopfi (gp, GL) die Idee der Initiative ausführte. Auslöser der Diskussion seien wohl Unterlistenverbindungen bei den Nationalratswahlen 2019 gewesen. So habe etwa die GLP im Kanton Basel-Stadt auch deshalb einen Sitz gewonnen, weil sie sich zusammen mit der jungen GLP, aber auch der BDP und der EVP zur Unterlistenverbindung «Mitte» zusammengeschlossen habe. Zusätzlich habe aber auch eine Listenverbindung all dieser vier jeweils als «Mitte» betitelten Parteien (Mitte-GLP, Mitte-BDP, Mitte-EVP, Mitte-JGLP) mit der FDP, der CVP und der LDP bestanden. Auch in der staatsrechtlichen Literatur sei umstritten, ob besagte Unterlistenverbindung rechtlich zulässig gewesen sei, weil es sich hier eigentlich um «Unterlistenverbindungen zwischen verschiedenen Gruppierungen» handle. Hier wolle die SPK-NR Klarheit schaffen und explizit Unterlistenverbindungen nur noch zwischen «Flügeln von Parteien», aber nicht mehr zwischen «ähnlichen Gruppierungen» zulassen, wie es heute geregelt sei. Allerdings – und das sei der Grund für die Empfehlung der SPK-SR, der parlamentarischen Initiative keine Folge zu geben – würde diese Regelung erstens Parteien bevorzugen und Gruppierungen schaden, die ebenfalls bei Wahlen antreten, und zweitens würde sie nichts zur Klärung beitragen: Weder eine «Gruppierung» noch eine «Partei» könnten eindeutig definiert werden, so Zopfi. Jakob Stark erachtete dies als wichtige staatspolitische Frage. Unterlistenverbindungen seien mit viel Intransparenz verbunden und die Wählenden wüssten deshalb häufig nicht, wem sie eigentlich ihre Stimme gäben. Mit der neuen Lösung könnte etwas mehr Transparenz geschaffen werden, weil nur noch Unterlistenverbindungen innerhalb der gleichen Partei ermöglicht würden. Dies könnte im Gegensatz zur geltenden Regelung einfach kontrolliert werden. Dem widersprach Mathias Zopfi allerdings in einem weiteren Votum. Die aktuelle Regelung erachtete er als ausreichend: Auch mit dem Begriff «Gruppierung» hätten die Kantone die Handhabe, Entscheidungen wie in Basel-Stadt zu unterbinden. Es dürfe nicht jedes Mal zu Gesetzesänderungen kommen, bloss weil in den Kantonen bestehende Gesetze nicht richtig angewendet würden. Mit 32 zu 7 Stimmen (2 Enthaltungen) sprach sich die Ratsmehrheit gegen Folgegeben aus und erledigte den Vorstoss.

Präzisierung der Unterlistenverbindungen (Pa.Iv. 21.402)
Listenverbindungen und Zuteilungsverfahen – Reformvorschläge für eidgenössische Wahlen

Nicht wie geplant in der Sommersession, sondern erst in der Herbstsession 2022 befasste sich der Ständerat mit den beiden Motionen (Mo. 21.3689; Mo. 21.3690), die eine Einführung der Verfassungsgerichtsbarkeit forderten. Als «Evergreen» bezeichnete Daniel Fässler (mitte, AI) die Frage, ob es eine Überprüfung der Verfassungsmässigkeit von Bundesgesetzen brauche. In der Tat gab es schon einige entsprechende, allerdings stets erfolglose Vorstösse. Eine nur durch präsidialen Stichentscheid zustande gekommene Mehrheit der SPK-SR wollte einen neuen Anlauf versuchen und Kommissionssprecher Stefan Engler (mitte, GR) brachte entsprechend fünf Pro-Argumente vor: Erstens müsse die Bundesverfassung über den Gesetzen stehen, damit Grundrechte von Bürgerinnen und Bürgern effektiv geschützt würden. Zweitens sei die Autonomie der Kantone besser geschützt, wenn sich die Gliedstaaten bei einem Verfassungsgericht etwa gegen verfassungswidrige Zentralisierungsbestrebungen wehren könnten. Drittens würde das Ständemehr in seiner Rolle gewahrt, wenn kein Gesetz zur Anwendung komme, das nicht auf einer von Volk und Ständen angenommene Verfassungsgrundlage beruhe. Viertens seien die Grundrechte nicht nur durch die EMRK, sondern auch durch die nationale Verfassung effektiv geschützt – ein Schutz, der bei Gesetzesänderungen eingeklagt werden können muss. Fünftens ergäbe sich eine präventive Wirkung, weil sich das Parlament bei der Umsetzung von angenommenen Initiativen nicht mehr zu weit von der Verfassungsidee entfernen könne, wenn es eine Rüge von einer verfassungsgerichtlichen Instanz befürchten müsse. Um der starken Kommissionsminderheit gerecht zu werden, führte Engler auch fünf Argumente gegen die Einführung einer Verfassungsgerichtsbarkeit an: Es gebe erstens keinen Handlungsbedarf, weil der historische Verfassungsgeber eine schwache Stellung der Judikative bewusst gewollt habe. Ein Verfassungsgericht drohe zum Gesetzgeber zu werden, wenn nicht mehr die Stimmbevölkerung das letzte Wort habe, ob sie ein Gesetz gutheissen wolle oder nicht. Drittens sei eine «Verpolitisierung» der Judikative zu befürchten. Das Parlament sei viertens besser geeignet, die letztlich stets politische Einschätzung vorzunehmen, ob ein Gesetz der Verfassung widerspreche oder nicht. Das Parlament würde sich also mit der Einführung einer Verfassungsgerichtsbarkeit fünftens seiner eigenen Kompetenzen berauben.
In der darauffolgenden Debatte wurden zwar keine wirklich neuen Argumente mehr vorgebracht, einige langjährige Kantonsvertreter gaben aber zu Protokoll, weshalb sie ihre Meinung seit der letzten Diskussion vor rund elf Jahren geändert bzw. nicht geändert hatten. Andrea Caroni (fdp, AR) etwa – als Nationalrat selbst einst Urheber einer entsprechenden Motion – befürwortete nach wie vor eine bessere «Abfolge des Dialogs zwischen den Gewalten». Mathias Zopfi (gp, GL) sorgte für Heiterkeit, indem er die Verteidigung der Verfassungsgerichtsbarkeit eines jungen Rechtswissenschafters zitierte, der heute gegen die Motion kämpfe. «Wer hat nun recht: Fässler der Jüngere oder Fässler der Ältere?» Auch Carlo Sommaruga (sp, GE) erklärte, dass er seine Meinung innerhalb eines Jahrzehnts geändert habe. Er sei zum Schluss gekommen, dass das aktuelle System nicht nur sehr gut, sondern mit Blick auf die Vereinigten Staaten auch besser ohne Verfassungsgerichtsbarkeit funktioniere. Schliesslich wies auch Justizministerin Karin Keller-Sutter darauf hin, dass sie dieselbe Diskussion bereits 2012 «mitverfolgen durfte, allerdings in einer anderen Rolle». Sie erinnerte daran, dass die kleine Kammer das bestehende System bisher stets als gut austariert betrachtet habe. Auch der Bundesrat sei der Meinung, dass das stark gewichtete direktdemokratische Element einer Ausweitung der Verfassungsgerichtsbarkeit vorzuziehen sei, die zudem einen fundamentalen Eingriff in das politische System der Schweiz bedeuten würde. Die Kantone hätten zudem bereits heute zahlreiche Möglichkeiten, sich zu wehren. Wie schon 2012 sei der Bundesrat der Meinung, dass ein Nein kein Nein zum Rechtsstaat, sondern ein Ja zur heute gut funktionierenden Gewaltenteilung sei. Mit 29 zu 15 Stimmen (1 Enthaltung) folgte der Ständerat seiner Kommissionsminderheit und der Empfehlung des Bundesrats und lehnte die beiden Motionen ab.

Ein neuer Anlauf zur Einführung der Verfassungsgerichtsbarkeit (Mo. 21.3689 und Mo. 21.3690)
Dossier: Verfassungsgerichtsbarkeit

Öffentliche Aufrufe zum Ungehorsam gegen militärische Befehle, zur Dienstverletzung, Dienstverweigerung oder zum Ausreissen sollen nicht mehr strafbar sein. Eine parlamentarische Initiative Zopfi (gp, GL) verlangte, dass Strafgesetzbuch und Militärstrafgesetz entsprechend angepasst werden. Seit der Einführung des Zivildienstes seien die genannten Straftatbestände nicht mehr relevant und schränkten die Meinungsäusserungsfreiheit unnötig ein, so die Begründung. Die RK-SR kam ebenfalls zum Schluss, dass die einschlägigen Artikel nicht mehr zeitgemäss seien, und gab der Initiative im Sommer 2022 einstimmig (bei zwei Enthaltungen) Folge.

Anpassung von Artikel 276 StGB und Artikel98 MStG an die heutige Realität zur Stärkung der Meinungsäusserungsfreiheit (Pa.Iv. 21.464)

Der Ständerat setzte sich in der Sommersession 2022 als Zweitrat mit der umfassenden Revision des Strassenverkehrsgesetzes auseinander.
Viel zu reden gaben in der kleinen Kammer der so genannte Raserartikel sowie die Durchführung von Rundstreckenrennen. Die kleine Kammer schloss sich aber in allen strittigen Punkten dem Nationalrat an; Minderheitsanträge von Mathias Zopfi (gp, GL) zum Raserartikel und zu den Rundstreckenrennen und von Hansjörg Knecht (svp, AG) zum Raserartikel blieben chancenlos. Letztlich schuf die kleine Kammer lediglich zwei kleinere Differenzen zum Nationalrat: Zum einen strich die kleine Kammer einen Absatz, der es erlaubt hätte, Fahrräder und andere Zweiräder auf dem Trottoir abzustellen, falls den Fussgängerinnen und Fussgängern noch genügend Platz zum Passieren bleibt. Zum anderen wollte der Ständerat an der Regelung festhalten, dass Personen, die öffentlich vor Strassenverkehrskontrollen warnen, gebüsst werden können.
In der Gesamtabstimmung sprach sich die kleine Kammer einstimmig für die Annahme des Entwurfs aus.

Teilrevision des Strassenverkehrsgesetzes (BRG 21.080)
Dossier: Wie soll mit Raserdelikten umgegangen werden?

Der Ständerat befasste sich in der Sommersession 2022 mit einer Motion der KVF-NR zur finanziellen Förderung von nichtfossilen Fahrzeugen im öffentlichen Busverkehr.
Mathias Zopfi (gp, GL) erinnerte namens der KVF-SR daran, dass im abgelehnten CO2-Gesetz vorgesehen war, die Mineralölsteuerbefreiung für den öffentlichen Verkehr aufzuheben und die entsprechenden Einnahmen in die Förderung von nichtfossilen Verkehrsträgern zu stecken. Diesem Anliegen wolle die vorliegende Motion doch noch zum Durchbruch verhelfen. Die Motion sei aber nicht nur für die Klimapolitik wichtig, sondern auch für die entsprechende Branche, welche Planungssicherheit beim Erwerb von neuen Fahrzeugen brauche.
Thierry Burkart (fdp, AG) äusserte sich kritisch zur Motion, hatte in der Kommission aber keinen Antrag auf Ablehnung eingereicht. Burkart bemängelte, dass diese Motion eine Bevorzugung des öffentlichen Verkehrs mit sich bringe. Der Privatverkehr im Bereich des Personen- und Gütertransports brauche aber auch Anschubfinanzierungen; dort stellten sich die selben Herausforderungen beim Übergang ins nicht-fossile Zeitalter. Verkehrsministerin Simonetta Sommaruga setzte sich für die Annahme der Motion ein und erläuterte, dass der Bundesrat dahingehende Bestimmungen bereits in der Vernehmlassungsvorlage zum CO2-Gesetz post 2024 vorgesehen habe. Da kein Gegenantrag vorlag, wurde die Motion schliesslich stillschweigend angenommen.

Förderung von nichtfossilen Verkehrsträgern im öffentlichen Verkehr (Mo. 21.3977)

Anfang April nahm die SPK-SR die Vorprüfung der vom Ständerat an sie zugewiesenen Motionen Engler (mitte, GR; Mo. 21.3689) und Zopfi (gp, GL; Mo. 21.3690), mit denen die Einführung der Verfassungsgerichtsbarkeit verlangt wird, vor. Die Kommission zeigte sich mit 6 gegen 6 Stimmen gespalten. Erst mit dem Stimmentscheid des Präsidenten – Mathias Zopfi – wurden die beiden Motionen zur Annahme empfohlen. Es sei «an der Zeit, das Gleichgewicht zwischen Demokratie und Rechtsstaatlichkeit wieder einmal zu überprüfen», so die Begründung in der Medienmitteilung. Es gab bisher schon einige gescheiterte Versuche, ein Verfassungsgericht einzuführen. Es sei stossend, dass die Grundrechte via EMRK richterlich kontrolliert werden könnten, die Artikel in der Bundesverfassung aber nicht. Die starke Minderheit gab zu bedenken, dass eine Beurteilung der Verfassungsmässigkeit von Gesetzen durch ein entsprechendes Gericht in vielen Fällen nicht nur schwierig, sondern häufig auch politisch sein dürfte. Ob sich der knappe Kommissionsentscheid in einer spannenden Debatte im Ständerat widerspiegeln wird, wird sich in der Sommersession 2022 zeigen.

Ein neuer Anlauf zur Einführung der Verfassungsgerichtsbarkeit (Mo. 21.3689 und Mo. 21.3690)
Dossier: Verfassungsgerichtsbarkeit

In der Frühjahrssession 2022 erteilten Stände- wie Nationalrat den geänderten Kantonsverfassungen von Zürich, Graubünden und Neuenburg oppositionslos die Gewährleistung, wie es ihnen der Bundesrat beantragt hatte. Die Vereinbarkeit der Änderungen mit dem Bundesrecht blieb in beiden Räten unbestritten.
Dies galt auch für die Neuenburger Verfassungsbestimmung zu den Windkraftanlagen, die in der vorberatenden SPK-SR gemäss Kommissionssprecher Mathias Zopfi (gp, GL) «etwas länger diskutiert» worden war: Mit der betreffenden Bestimmung begrenzt Neuenburg die Anzahl Windkraftanlagen auf seinem Kantonsgebiet auf maximal fünf. In der Kommission habe man geprüft, ob eine solche Begrenzung vereinbar sei mit der bundesrechtlichen Vorgabe, dass die Kantone die für die Nutzung der Wasser- und Windkraft geeigneten Gebiete festlegen müssen. Entscheidend ist dabei gemäss Zopfi, dass die Kantone die Grundsätze der Energiepolitik des Bundes umsetzen müssen, die konkrete Umsetzung aber Sache der Kantone bleibe. Weil es aus heutiger Sicht auch mit einer begrenzten Zahl von Windenergiestandorten möglich sei, die Grundsätze der Energiepolitik des Bundes umzusetzen, sei die Neuenburger Bestimmung zu gewährleisten.
Im Übrigen ging Zopfi auch darauf ein, dass die vorliegenden Änderungen der Neuenburger Kantonsverfassung schon 2014 und 2016 beschlossen worden waren: Neuenburg habe «einige Jahre keine Gewährleistungsgesuche [gestellt], wodurch sich die Gesuche nun etwas aufgestaut haben und weshalb nun nachträgliche Gewährleistungsgesuche vorliegen, nachdem der Kanton auf das Versäumnis aufmerksam gemacht worden ist». Die Verzögerung habe keine Konsequenzen gehabt, weil die Kantone ihre Verfassungsänderungen schon vor Abschluss des Gewährleistungsverfahrens in Kraft setzen können. Mit der Gewährleistung bestätige der Bund aber, dass die Änderungen bundesrechtskonform sind, was im Fall einer gerichtlichen Anfechtung von Bedeutung wäre.

Gewährleistung von Änderungen in den Kantonsverfassungen von Zürich, Graubünden und Neuenburg (BRG 21.075)
Dossier: Gewährleistung kantonaler Verfassungen

Im Mai 2021 reichte der Kanton Basel-Stadt eine Standesinitiative ein, mit der er die Öffnung der Grenzen forderte. Das Parlament und der Bundesrat sollten die im Rahmen der Corona-Verordnung 3 erlassene Einreiseverweigerung aufheben und sich dafür einsetzen, dass keine Grenzen mehr geschlossen werden. Der Kanton beklagte vor allem die negativen psychischen Effekte der Massnahmen auf die Bevölkerung in der trinationalen Region, die aufgrund der Grenznähe besonders stark davon betroffen sei. Zudem habe der Basler Kantonsarzt die Effektivität der Grenzschliessung zur Eindämmung der Corona-Ausbreitung in Frage gestellt, zusätzlich erschwere die Grenzschliessung die Versorgung mit medizinischem Bedarf.
Der Ständerat gab dem Vorstoss in der Frühjahrssession 2022 stillschweigend keine Folge. Kommissionsprecher Zopfi (gp, GL) erklärte, dass die Kommission die Formulierung der Initiative als zu «starr» empfinde, weil dadurch der Handlungsspielraum der Bundesregierung in einer zukünftigen Pandemie zu stark eingeschränkt würde. Die Motion Herzog (sp, BS; Mo. 21.3698), die der Ständerat im September 2021 angenommen hatte, wurde stattdessen als angemessenere Lösung für das nachvollziehbare Anliegen des Kantons betrachtet. Selbst Eva Herzog, Urheberin der angesprochenen Motion, sprach sich für eine Ablehnung der Standesinitiative aus, vorausgesetzt ihre Motion werde auch im Nationalrat angenommen.

Öffnung der Grenzen (Kt.Iv. 21.314)
Dossier: Kontrolle der Schweizer Landesgrenzen in Covid-19-Zeiten

Weil der Ständerat in der Wintersession 2021 entgegen dem Antrag seiner SPK-SR letztlich doch auf das Geschäft eingetreten war, gelangte die auf eine parlamentarische Initiative von Edith Graf-Litscher (sp, TG) zurückgehende Revision des Bundesgesetzes über das Öffentlichkeitsprinzip in der Verwaltung in der Frühjahrssession 2022 in die ständerätliche Detailberatung. Der von der SPK-SR gemachte Vorschlag wurde mit 38 zu 2 Stimmen gutgeheissen: Für Einsichtsgesuche in amtliche Dokumente sollen künftig keine Gebühren mehr verlangt werden. Ausgenommen werden sollen allerdings Gesuche mit erheblichem Rechercheaufwand für die Verwaltung. Hier schuf der Ständerat eine Differenz zum Nationalrat. Im Gegensatz zur grossen Kammer hatte die SPK-SR nämlich vorgeschlagen, keine maximale Obergrenze für solche Ausnahmegebühren festzulegen. Der Nationalrat hatte sich zuvor auf einen solchen Maximalbetrag von CHF 2'000 geeinigt. Sie seien zwar selten, es gebe aber durchaus Gesuche, die erheblichen Aufwand verursachten, die auch entsprechend verrechnet werden können müssten, so Kommissionssprecher Mathias Zopfi (gp, GL). Er erwähnte ein Beispiel, bei dem verwaltungsintern ganze 80 Stunden geleistet werden mussten, was mit CHF 8'000 verrechnet worden sei. Im Gesetz werde ja zudem geregelt – hier schwenkte der Ständerat entgegen der Empfehlung des Bundesrates auf die Linie des Nationalrats ein –, dass Gesuchstellende vorgängig informiert werden müssen, ob und in welcher Höhe der Verwaltungsaufwand Gebühren verursachen werde. Nachdem Bundesrätin Karin Keller-Sutter bekräftigt hatte, dass der Bundesrat mit beiden Änderungen gut leben könne, schritt der Ständerat zur Abstimmung und schickte die veränderte Vorlage zurück an den Nationalrat.

Öffentlichkeitsprinzip (Pa.Iv. 16.432)
Dossier: Öffentlichkeitsprinzip in der Bundesverwaltung

Im Februar 2022 gab die SPK-SR einer Standesinitiative des Kantons Basel-Stadt Folge, die forderte, dem mit schutzsuchenden Personen überlasteten Griechenland unter die Arme zu greifen und auf den griechischen Inseln gestrandete Personen aufzunehmen, damit ihnen in der Schweiz ein ordentliches Asylverfahren gewährt werden kann. Dazu verlangte die Standesinitiative, die Kapazitäten der Bundesasylzentren und der kantonalen Asylzentren vollständig auszulasten. Ferner soll der Bundesrat andere europäische Staaten auffordern, dem Beispiel der Schweiz zu folgen. Bis zum gegebenen Zeitpunkt hatten sich die Länder der EU nicht auf einen gemeinsamen Verteilschlüssel einigen können; die EU hatte lediglich die Aufstockung des Frontex-Personals an der EU-Aussengrenze beschlossen. Zur Begründung seines Anliegens fand der Kanton Basel-Stadt für die aktuelle Situation unter anderem folgende deutliche Worte: «Das System Dublin ist nicht funktionsfähig, der griechische Staat nicht fähig, die Asylgesuche in sinnvoller Zeit zu bewältigen. Die Situation ist eine absolute humanitäre Katastrophe und der Geschichte des europäischen Kontinents nicht würdig.» Der Entscheid zugunsten der Standesinitiative fiel in der Kommission mit 3 zu 3 Stimmen und Stichentscheid des Kommissionspräsidenten Mathias Zopfi (gp, GL) denkbar knapp aus. Basel-Stadt hatte sich zuvor bereits bei «evakuierenJETZT» und der Allianz «Städte und Gemeinden für die Aufnahme von zusätzlichen Flüchtlingen» engagiert und sich zur Aufnahme weiterer Geflüchteter bereit erklärt. Die Kommission vertrat denn auch die Ansicht, dass den Forderungen der Städte mehr Gewicht beigemessen werden soll, da sich diese oftmals willig zeigten, zusätzliche Flüchtlinge aufzunehmen.

Aufnahme von Menschen aus Griechenland und Auslastung der Asylzentren (Kt.Iv. 21.310)
Dossier: Dublin-Verordnung

A la suite de plusieurs événements ayant provoqué l'incompréhension de l'opinion publique, dont le financement du pavillon suisse à l'exposition universelle de Dubaï par Philip Morris, le député Thomas Minder (sans parti, SH) a déposé en décembre 2020 une initiative parlementaire pour interdire à la Confédération d'accepter des parrainages. Le sénateur schaffhousois souhaite modifier la LOGA ainsi que la Loi fédérale sur la promotion de l'image de la Suisse à l'étranger afin de mettre l'administration et les autorités sur un pied d'égalité avec le personnel de la Confédération, punissable pour acceptation d'un avantage au sens de l'art. 322sexies du code pénal.
Début 2022, la Commission des institutions politiques du Conseil des Etats (CIP-CE) a donné suite à l'objet. A 5 voix contre 5 et 2 abstentions, c'est la voix du président qui a fait pencher la balance. Le DFAE avait pourtant émis fin 2020 de nouvelles directives visant à plus de prudence et de transparence dans le cadre des partenariats de sponsoring. Ces garanties ne sont cependant pas suffisantes aux yeux de la CIP-CE, qui considère qu'il n'y pas de raison que les activités de la Confédération soient parrainées par des particuliers.

Pour l'interdiction d'accepter des parrainages (Iv. pa. 20.488)

Mittels Motion verlangte Ständerat Thomas Minder (parteilos, SH), dass Namensänderungen für Personen mit Landesverweis verunmöglicht werden sollen. Die Möglichkeit zur Namensänderung werde von verurteilten Straftäterinnen und Straftätern genutzt, um sich wieder eine «reine Weste» zu geben. Bei Personen mit Landesverweis sei das Argument, die Namensänderung sei notwendig, um die Resozialisierung in der Gesellschaft zu ermöglichen, allerdings nicht anwendbar. Sie müssten die Schweiz ohnehin verlassen, weshalb in solchen Fällen das öffentliche Sicherheitsinteresse höher zu gewichten sei als das individuelle Interesse der verurteilten Person, begründete der Motionär sein Anliegen. Der Bundesrat zeigte sich in seiner Stellungnahme bereit, das Anliegen «unter dem Vorbehalt der Wahrung der Grundrechte der betroffenen Person» umzusetzen, und beantragte die Motion zur Annahme.
Im Ständerat wurde der Vorstoss in der Wintersession 2021 vor allem vor dem Hintergrund diskutiert, dass die Schaffhauser Behörden dem verurteilten und mit Landesverweis belegten Dschihadisten Osama M. eine Namensänderung bewilligt hatten, wie Motionär Minder schilderte. Sein Schaffhauser Ratskollege Hannes Germann (svp, SH) erklärte weiter, dass es so «einem Mann mit äusserst grossem Gefährdungspotenzial [...] beinahe gelungen [wäre], eine neue Identität zu bekommen», da er «im Strafregister [fast] irgendwo zwischen Stuhl und Bank verschwunden» wäre. Der Staat müsse künftig vermeiden, dass es zu einem solchen «Fast-Super-GAU» kommen könne, appellierte er an die anwesende Bundesrätin Karin Keller-Sutter.
Die Grüne Ständerätin Lisa Mazzone (gp, GE) beantragte die Ablehnung der Motion. Sie warnte davor, aufgrund eines Einzelfalls zu legiferieren, und betonte, dass sie nicht einsehe, weshalb in dieser Frage zwischen Verurteilten mit und ohne Landesverweis unterschieden werden sollte; eine solche Ungleichbehandlung sei nicht gerechtfertigt und verletze den Verfassungsgrundsatz der Gleichheit vor dem Gesetz. Wenn es tatsächlich ein Problem sei, dass ein Strafregistereintrag «bei einem Namenswechsel einfach verschwinden kann», dann sei das nicht nur bei Personen mit Landesverweis ein Problem, pflichtete Mathias Zopfi (gp, GL) seiner Fraktionskollegin bei.
Bundesrätin Karin Keller-Sutter bekräftigte den Willen des Bundesrates, die geforderte Anpassung vorzunehmen, unter dem Aspekt der öffentlichen Sicherheit: «Wenn jemand unter einer neu angenommenen Identität eine Gefährdung darstellt, dann ist das eine Gefährdung zu viel.» Mit 28 zu 13 Stimmen bei 2 Enthaltungen nahm die Ständekammer die Motion an.

Keine Namensänderung für Personen mit Landesverweis (Mo. 21.4183)

Nachdem die Räte unterschiedliche Urteile über die Unterstützungswürdigkeit der St. Galler Standesinitiative für die Aufhebung der Verjährungsfrist für die schwersten Verbrechen gefällt hatten, prüfte die RK-SR das Anliegen im Oktober 2021 zum zweiten Mal. Sie blieb bei ihrem Standpunkt und empfahl die Initiative mit 8 zu 5 Stimmen ein zweites Mal zur Ablehnung, während die Minderheit wiederum Folgegeben beantragte. Im Ständeratsplenum in der Wintersession 2021 schloss Minderheitssprecher Daniel Jositsch (sp, ZH) sein Votum mit der Feststellung, dass die Zeit heute auf der Seite der Mörderinnen und Mörder sei; die Standesinitiative wolle dagegen, dass die Zeit auf der Seite der Opfer sei. Auf der Gegenseite argumentierte Beat Rieder (mitte, VS), es sei ein «Märchen, dass Cold Cases nach dreissig, vierzig Jahren aufgeklärt werden könnten». Mathias Zopfi (gp, GL) fügte an, es sei fast unmöglich, nach so langer Zeit einen Mord zu beweisen, weil es für die Qualifizierung einer Tötung als Mord eine Absicht, ein Motiv brauche, was mit einer DNA-Spur nicht nachgewiesen werden könne. Am Ende einer engagierten Debatte gab die Ständekammer der Standesinitiative mit 21 zu 20 Stimmen knapp Folge. Die zuständige Kommission wird nun eine entsprechende Gesetzesvorlage ausarbeiten.

Keine Verjährungsfristen für Schwerstverbrecher (Kt.Iv. 19.300)

Nachdem die beiden Kammern in der Sommersession 2021 einen Gegenvorschlag verworfen und die Volksinitiative «Bestimmung der Bundesrichterinnen und Bundesrichter im Losverfahren (Justiz-Initiative)» fast einstimmig zur Ablehnung empfohlen hatten, setzte der Bundesrat den Termin für die Abstimmung über das Volksbegehren auf den 28. November 2021 fest.

Das Ziel der Initiative war eine Reform des Wahlsystems der Bundesrichterinnen und Bundesrichter. Am aktuellen Vorgehen wurde kritisiert, was in der Zeitung «Republik» als «Unheilige Dreifaltigkeit» bezeichnet wurde: Parteizugehörigkeit, Mandatssteuer und Wiederwahl. In der Tat bedingt die Idee des Parteienproporz, also die Verteilung der Sitze an den höchsten eidgenössischen Gerichten entsprechend der Stärke der Parteien im Parlament, dass Kandidierende für höchste Richterämter einer Partei angehören sollten, um gewählt werden zu können. Alle Parteien fordern zudem von ihren Mandatsträgerinnen und -trägern eine Abgabe, die Mandatssteuer. In den Medien wurden zu diesem Obolus von Gerichtspersonen verschiedene Zahlen herumgereicht: Eine Befragung der CH-Medien bei den Parteien wies ein Total aller Abgaben von allen Richterinnen und Richtern aus allen Bundesgerichten zwischen CHF 30'000 bei der GLP und CHF 265'000 bei der SP aus (FDP: CHF 35'000; Grüne: CHF 100'000; Mitte: CHF 65'000; SVP: CHF 172'000). Das aktuelle Wahlsystem sieht schliesslich vor, dass Bundesrichterinnen und -richter nicht nur vom Parlament gewählt, sondern alle sechs Jahre bestätigt werden müssen. Das Initiativkomitee kritisierte, dass diese drei Elemente letztlich die Unabhängigkeit der Judikative gefährdeten, und forderte deshalb mit seinem Begehren, dass ein vom Bundesrat ernanntes Fachgremium Kandidierende nach fachlicher Eignung auswählt und dass die Bundesrichterinnen und Bundesrichter aus einem mit diesen Kandidierenden gefüllten Pool per Losverfahren gezogen werden. Die Gewählten sollen zudem keiner Amtszeitbeschränkung mehr unterliegen, sondern bis maximal fünf Jahre nach Pensionsalter in ihrem Amt verbleiben dürfen, falls sie nicht mittels eines neu einzuführenden Abberufungsverfahrens aufgrund von Fehlverhalten abgesetzt würden. Beim Losverfahren würde einzig eine sprachliche Repräsentation berücksichtigt.

Das Initiativkomitee – neben dem «Vater» der Initiative, dem Multimillionär und Unternehmer Adrian Gasser, sassen der Politikwissenschafter Nenad Stojanovic und die Mitte-Politikerin Karin Stadelmann (LU, mitte) federführend im Komitee – lancierte den Abstimmungskampf am 30. September 2021. An einer Pressekonferenz und in späteren Interviews betonten die Initiantinnen und Initianten, dass mit Annahme ihres Begehrens der Pool an geeigneten Richterinnen und Richtern vergrössert würde: Auch Parteilose könnten am Bundesgericht Einsitz nehmen und es müssten zukünftig nicht mehr zahlreiche geeignete Kandidierende hintanstehen, wenn eine Partei – wie aktuell etwa die Grünen nach ihren Wahlerfolgen 2019 – stark untervertreten sei und deshalb bei Vakanzen lediglich Kandidierende dieser Partei berücksichtigt würden. Adrian Gasser strich in mehreren Interviews das in seinen Augen grosse Problem der Parteiabhängigkeit und der Mandatssteuer hervor: «Die politischen Parteien haben sich die Macht angeeignet, diese Ämter unter sich aufzuteilen, dafür Geld zu verlangen und eine opportun erscheinende Gesinnung einzufordern [...] Vorauseilender Gehorsam ist garantiert», klagte er etwa in einem NZZ-Meinungsbeitrag. In Le Temps behauptete er, dass die fehlende Unabhängigkeit der Gerichte dazu führe, dass in 95 Prozent der Fälle Individuen vor Gericht verlieren würden, wenn sie gegen den Staat antreten müssten.

Obwohl keine einzige etablierte Partei und kein Verband das Begehren unterstützte, wollte keine Organisation die Federführung für eine Nein-Kampagne übernehmen. Ende September gründete deshalb Andrea Caroni (fdp, AR) ein «überparteiliches Nein-Komitee». Weil er wie bereits 2014 bei der sogenannten «Pädophileninitiative» den liberalen, demokratischen Rechtsstaat bedroht sehe, wolle er sich wehren, betonte der FDP-Ständerat im Sonntags-Blick. Im Komitee sassen Mitglieder aller grossen Parteien: Heidi Z’graggen (mitte, UR); Laurence Fehlmann Rielle (sp, GE), Nicolas Walder (gp, GE), Beat Flach (glp, AG) und Yves Nidegger (svp, GE). In den Medien tat sich freilich vor allem Andrea Caroni mit Stellungnahmen hervor. Mit dem Slogan «Wählen statt würfeln, Demokratie statt Lotterie» griff er vor allem das Losverfahren an, das auf Glück beruhe und deshalb nicht geeignet sei, fähige Kandidierende auszuwählen. Darüber hinaus habe sich das bestehende System, das eine repräsentative Vertretung unterschiedlicher politischer Grundhaltungen in der Judikative garantiere, bewährt. Im Verlauf der Kampagne warf Andrea Caroni den Initiantinnen und Initianten zudem auch vor, «falsch und verleumderisch» zu argumentieren.

Am 11. Oktober erörterte Karin Keller-Sutter an einer Pressekonferenz die Position des Bundesrats, der die Initiative zur Ablehnung empfahl. Das Volksbegehren sei «zu exotisch» und stelle das politische System und die demokratische Tradition der Schweiz «auf fundamentale Weise» in Frage, so die Justizministerin. Die Wahl durch das Parlament würde durch Losglück ersetzt, womit die demokratische Legitimation Schaden nehme. Das Losverfahren sei zudem ein «Fremdkörper im institutionellen Gefüge», so die Bundesrätin. Mit dem heute angewandten Parteienproporz werde hingegen gewährleistet, dass politische Grundhaltungen, aber auch das Geschlecht und die regionale Herkunft am Bundesgericht «transparent und ausgewogen» vertreten seien, war in der Medienmitteilung zu lesen. Die Praxis zeige zudem, dass die Unabhängigkeit gewährleistet sei und kein Druck von Parteien auf die Bundesrichterinnen und Bundesrichter ausgeübt werde. Noch nie in der jüngeren Geschichte sei ein Richter oder eine Richterin aus politischen Gründen abgewählt worden, so Karin Keller-Sutter, was zeige, dass der von den Initiantinnen und Initianten kritisierte Konformitätsdruck aufgrund der Angst vor einer Wiederwahl gar nicht bestehe. Es sei zudem falsch anzunehmen, dass parteilose Richterinnen und Richter nicht ebenfalls Werte vertreten würden, die allerdings nicht so transparent seien, wie bei Parteimitgliedern. Die Justizministerin nahm schliesslich auf die aktuelle Pandemie-Diskussion Bezug: Viele Stimmen kritisierten momentan demokratisch nicht legitimierte Gremien aus Expertinnen und Experten. Mit Annahme der Initiative würde mit der vorgesehenen Fachkommission aber ein weiteres solches Gremium geschaffen.

In den Medien wurde laut APS-Analyse und FöG-Abstimmungsmonitor nur selten über die Justizinitiative berichtet. Dies war einerseits dem Umstand geschuldet, dass vor allem das Referendum gegen die zweite Revision des Covid-19-Gesetzes sehr viel Platz in der medialen Berichterstattung einnahm, andererseits ist dies aber wohl auch der Komplexität des Themas zuzuschreiben. In der Tat kamen in den Printmedien neben Adrian Gasser und Andrea Caroni vor allem Expertinnen und Experten, aber auch ehemalige Richterinnen und Richter zu Wort.
Auffällig war, dass die meisten dieser Expertinnen und Experten der Initiative relativ wohlwollend gegenüberstanden. So wurden etwa Studien zitiert, die zeigten, dass eine längere Amtszeit zu mehr richterlicher Unabhängigkeit führe. Kurze Amtszeiten und vor allem die Wiederwahl könnten hingegen als Disziplinierungsmöglichkeit von Parteien erachtet werden, mit der Linientreue von Richterinnen und Richtern erzwungen werde, so etwa der Politikwissenschafter Adrian Vatter in der NZZ. Die Wiederwahl sichere Bodenhaftung der Richter und trage dazu bei, dass «sich die Justiz nicht verselbständigt» und dass Richterinnen und Richter nicht zu einer «Elite ohne Legitimation» würden, meinte hingegen Katharina Fontana, ehemalige Mitarbeiterin im BJ und NZZ-Journalistin für das Themengebiet Recht und Gesellschaft. Bemängelt wurde zudem der Umstand, dass parteilose Kandidierende aktuell keine Chance hätten, gewählt zu werden. Wenn wirklich Repräsentation das Ziel sei, dann dürften in den Gerichten nicht nur Parteimitglieder sitzen, da die grosse Mehrheit der Bevölkerung keine Parteibindung aufweise, so die Argumentation. Adrian Vatter schlug entsprechend ein Modell mit 50 Prozent Parteilosen und 50 Prozent Parteimitgliedern vor. Debattiert wurde auch über die Frage, ob Richterinnen und Richter überhaupt ideologisch neutral sein könnten oder ob Gerichte eben nicht auch genuin politische Institutionen seien. In diesem Falle wäre aber der Parteienproporz folgerichtig, so die NZZ. Auch das Losverfahren erhielt einige Aufmerksamkeit – einige Expertinnen und Experten erachteten es als geeignetes Mittel zur Auswahl von Richterinnen und Richtern. Es sei schliesslich schon von Aristoteles als «Grundlage wahrer Demokratie» betrachtet worden, warb der Ökonom Bruno S. Frey. Das Los sei über längere Frist ebenso repräsentativ wie das momentane Auswahlverfahren, funktioniere aber wesentlich unabhängiger, argumentierte die Ökonomin Margit Osterloh, die zudem betonte, dass das Losverfahren nicht einfach eine Lotterie sei, sondern dass durch das qualitative Losverfahren mit Vorselektion letztlich geeignetere Kandidatinnen und Kandidaten ausgewählt würden als von menschlichen Expertinnen und Experten, die in ihrer Wahl eben nicht frei seien von Beeinflussung. Die anfänglich wohl geringere Akzeptanz des Losverfahrens würde rasch zunehmen und das Vertrauen in die Judikative dadurch gar noch verstärkt, so die Ökonomin. In den medialen Kommentaren stand hingegen die Fachkommission, die gemäss der Justizinitiative vom Bundesrat zusammengestellt werden müsste, eher in der Kritik. Die Diskussion um eine optimale Besetzung würde sich von der Richterinnen- und Richterwahl auf die Bestellung dieser Fachkommission verschieben. Es sei nicht klar, wie diese zusammengesetzt werden solle und ob diese eben nicht auch wiederum politisch agieren würde, so der Tenor der Kritikerinnen und Kritiker. Die Weltwoche sprach gar von einer «brandgefährlichen Illusion», zu meinen, es könne ein Gremium eingesetzt werden, das «objektive Qualifikationsmerkmale» bestimmen könne. Andrea Caroni warnte vor «einer obskuren, bundesratsnahen Kommission [...], die weder Qualität noch Vielfalt noch demokratische Legitimation gewährleisten kann». Allerdings stand auch die Frage im Raum, ob die parlamentarische Gerichtskommission (GK), die momentan mit der Auswahl der Kandidierenden betraut ist, fachlich wirklich dafür geeignet sei. Ein eher pragmatisches Argument gegen die Initiative wurde schliesslich von Rechtsprofessor Lorenz Langer vorgebracht: Da sich die Initiative auf das Bundesgericht beschränke, stelle sich die Frage, woher bei Annahme der Initiative die Kandidierenden kommen sollen, da Bewerbende für einen Bundesgerichtsposten in der Regel an anderen Bundesgerichten (Bundesstrafgericht, Bundesverwaltungsgericht, Bundespatentgericht) oder an kantonalen Gerichten tätig seien, wo aber meist noch nach Parteienproporz gewählt würde. Es gäbe somit nicht mehr viele der verlangten «objektiven», also eben parteiunabhängigen Kandidierenden.

In der medialen Diskussion wurde von Seiten der Befürworterinnen und Befürworter auch immer wieder darauf hingewiesen, dass das aktuelle System – auch im internationalen Vergleich – sehr gut funktioniere. Die Geschichte zeige, dass Richterinnen und Richter unabhängig seien und sich nicht vor einer Wiederwahl fürchteten. In der Tat wurden bisher lediglich drei Bundesrichter abgewählt – zwei aus Altersgründen zu Beginn der modernen Schweiz sowie Bundesrichter Martin Schubarth 1990, der freilich sofort wiedergewählt worden war.
Diskutiert wurde zudem der «Fall Donzallaz»: Die SVP hatte «ihren Bundesrichter» nicht mehr zur Wiederwahl empfohlen, weil er in einigen Urteilen nicht mehr die Parteilinie verfolgt habe. Yves Donzallaz wurde aber in der Folge von allen anderen Fraktionen bei seiner Wiederwahl unterstützt und schliesslich gar zum Bundesgerichtspräsidenten gewählt. Dies zeige, dass sich Richterinnen und Richter nicht von den eigenen Parteien unter Druck setzen liessen. Die Aargauer Zeitung kritisierte freilich, dass sich bei Yves Donzallaz das Problem der Parteifarbe besonders gut zeige: Um Bundesrichter zu werden, habe er einen Parteiwechsel von der CVP zur SVP vorgenommen. Dies komme häufig vor, so die Zeitung: Kandidierende wechselten ihre «Parteifarbe wie Chamäleons», um ihre Wahlchancen zu steigern.
Der einzige Nationalrat, der die Initiative unterstützt hatte, kam ebenfalls in den Medien zu Wort. Lukas Reimann gab zu Protokoll, dass er die Arbeit der GK als deren Mitglied als wenig seriös erlebt habe, da die Kandidierendenauslese eher eine politische als eine fachliche Frage gewesen sei. Einmal habe die Kommission einem sehr geeigneten, aber parteilosen Kandidaten gar offen empfohlen, der GLP oder der BDP beizutreten, damit er zur Wahl eingeladen werden könne.

Für Gesprächsstoff sorgten zudem einige pensionierte Richterinnen und Richter, die den Medien Red und Antwort standen. Praktisch unisono gaben alt-Bundesstrafrichter Bernard Bertossa sowie die alt-Bundesrichter Jean Fonjallaz, Karl Hartmann, Ulrich Meyer und Hans Wiprächtiger, aber auch die Luzerner alt-Oberrichterin Marianne Heer (fdp) zu Protokoll, von ihrer Partei nie auch nur irgendeinen Druck verspürt zu haben – auch ihre Kolleginnen und Kollegen nicht. Angesprochen auf die Angst vor einer Nicht-Wiederwahl erzählte Hans Wiprächtiger, dass sich das Bundesgericht viel mehr vor schlechter Presse als vor dem Parlament fürchte. Zur Sprache kam auch die von der Greco kritisierte Mandatssteuer. Man müsse die Parteien unterstützen, damit die Demokratie in der Schweiz funktioniere, äusserte sich Jean Fonjallaz hierzu. Er habe vielmehr das Gefühl, dass die Partei mehr von ihm als Beitragszahlendem abhängig sei als er von ihr, so der alt-Bundesrichter. Von Ämterkauf könne nur die Rede sein, wenn Höchstbietende einen Posten kriegten; die Abgaben seien aber innerhalb einer Partei für alle gleich.
Eine gegenteilige Meinung vertrat einzig der Zürcher alt-Oberrichter Peter Diggelmann. Es gebe zwar keine offenen Drohungen, den Druck der Parteien spüre man aber etwa an Fraktionsausflügen oder Parteianlässen. Er selber sei zudem zu einer Mandatssteuer gezwungen worden und wäre wohl nicht mehr nominiert worden, wenn er der entsprechenden Mahnung nicht nachgekommen wäre. Im Gegensatz zu Kolleginnen und Kollegen, die momentan im Amt seien und deshalb aus Angst keine öffentliche Kritik anbrächten, sei es ihm als pensioniertem Richter und aufgrund seines Parteiaustritts möglich, Kritik zu äussern. Das Interview von Peter Diggelmann im Tages-Anzeiger blieb nicht unbeantwortet. Andrea Caroni sprach tags darauf in der gleichen Zeitung von «verleumderischen Unterstellungen». Er kenne keinen Richter und keine Richterin, die sich unter Druck gesetzt fühlten.

Beliebtes Mediensujet war auch der Kopf der Initiative, Adrian Gasser. Der Multimillionär und Chef der Lorze Gruppe, einem Firmenkonglomerat mit Sitz in Zug, habe sich seit seiner Jugendzeit für richterliche Unabhängigkeit interessiert. Als Wirtschaftsprüfer habe er einige Fälle erlebt, bei denen diese Unabhängigkeit nicht gegeben gewesen sei, sagte er in einem Interview. 1987 habe Adrian Gasser im Kanton Thurgau erfolglos für den National- und 1999 für den Ständerat kandidiert – als Parteiloser. Erst 40 Jahre nach diesen Erlebnissen könne er sich nun aber die Finanzierung einer Volksinitiative leisten. In der Tat soll Adrian Gasser laut Medien rund CHF 1 Mio für die Sammlung der Unterschriften aufgeworfen haben. «Andere haben ein Motorboot in Monaco, ich habe mir eine Initiative im Interesse der Schweiz geleistet», so Gasser bei der Einreichung seiner Initiative im St. Galler Tagblatt.

Auch für die Abstimmungskampagne schien das Initiativkomitee einiges an Geld aufgeworfen zu haben. Im Sonntags-Blick wurde vermutet, dass Adrian Gasser für die Kampagne kaum weniger aufgewendet haben dürfte als für die Unterschriftensammlung, was Andrea Caroni in derselben Zeitung zum Vorwurf verleitete, dass sich «eine Einzelperson [...] praktisch eine Initiative gekauft und die Schweiz zuplakatiert» habe. Der Gegnerschaft fehle es hingegen an spendablen Geldgebenden. Bei der APS-Inserateanalyse zeigt sich zwar in der Tat ein Ungleichgewicht zugunsten der Befürwortenden, allerdings finden sich von beiden Lagern kaum Inserate in den grössten Schweizer Printmedien.

Bei den Abstimmungsumfragen im Vorfeld des Urnengangs vom 28. November zeigte sich ein für Initiativen typisches Bild. Hätten Mitte Oktober noch 48 Prozent der Befragten Ja oder eher Ja zur Initiative gesagt, lag dieser Anteil rund zwei Wochen vor der Abstimmung noch bei 37 Prozent. Für eine inhaltlich komplexe Vorlage ebenfalls gängig war der hohe Anteil Befragter, die sich zu Beginn der Kampagne noch keine Meinung gebildet hatten (Anteil «weiss nicht» am 15.10.2021: 19%; 17.11.2021: 7%).

Wie aufgrund der Umfragewerte zu vermuten, wurde die Initiative am Abstimmungssonntag deutlich verworfen. Bei einer wohl vor allem dem gleichzeitig stattfindenden Referendum gegen das Covid-19-Gesetz, aber auch der «Pflegeinitiative» geschuldeten aussergewöhnlich hohen Stimmbeteiligung von fast 65 Prozent lehnten mehr als zwei Drittel der Stimmberechtigten eine Reform des geltenden Systems der Wahlen von Bundesrichterinnen und Bundesrichtern ab.


Abstimmung vom 28. November 2021

Volksinitiative «Bestimmung der Bundesrichterinnen und Bundesrichter im Losverfahren (Justiz-Initiative)»
Beteiligung: 64.7%
Ja: 1'382'824 Stimmen (31.9%) / 0 Stände
Nein: 2'161'272 Stimmen (68.1%) / 20 6/2 Stände

Parolen:
-Ja: Piratenpartei
-Nein: EDU, EVP, FDP, GLP (2), GPS (2), Mitte, PdA, SD, SP, SVP; SGV
-Stimmfreigabe: BastA
* in Klammern Anzahl abweichende Kantonalsektionen


Die Medien sprachen am Tag nach der Abstimmung von einer deutlichen Niederlage. Das Resultat zeige, dass die Stimmberechtigten mit dem System zufrieden seien, liessen sich die Gegnerinnen und Gegner vernehmen. «Das Volk hält den Wert der Institutionen hoch», interpretierte Justizministerin Karin Keller-Sutter das Resultat. Die Initiative habe zwar einige wunde Punkte aufgezeigt, sei aber zu extrem gewesen, um diese Probleme zu lösen, meinte Matthias Aebischer (sp, BE) in La Liberté. Die Initiantinnen und Initianten erklärten sich die Niederlage mit der zu wenig gut gelungenen Information der Bürgerinnen und Bürger über die Probleme des jetzigen Systems. Adrian Gasser machte zudem die einseitige Information durch die Bundesbehörden und die öffentlich-rechtlichen Medien, welche die Meinungsbildung beeinträchtigt habe, für das Scheitern der Initiative verantwortlich. Er kündigte zudem noch am Abend des Abstimmungssonntags einen weiteren Anlauf an. Innert zwei bis drei Jahren könne die Bevölkerung für die Fehlfunktionen im Justizsystem besser sensibilisiert werden. Er wolle deshalb bald mit der Sammlung von Unterschriften für eine identische Initiative beginnen.
Diskutiert wurden in den Medien freilich auch noch einmal die Schwachstellen des Systems, die nun angegangen werden sollten. Die Justizinitiative habe eine «Debatte rund um das Schweizer Justizsystem ausgelöst und uns zu Verbesserungen angespornt», lobte etwa Andrea Caroni im St. Galler-Tagblatt. So dürften die Diskussionen um mehr Transparenz bei den Parteienfinanzen zu einer Offenlegung der Mandatssteuern führen. Im Parlament hängig war zudem die in einer parlamentarischen Initiative von Beat Walti (fdp, ZH; Pa.Iv. 20.468) aufgeworfene Frage, ob diese Mandatssteuern nicht gänzlich abgeschafft werden sollen. Mit der Ablehnung eines Gegenvorschlags zur Justizinitiative schien hingegen die Frage einer Amtszeitverlängerung der Bundsrichterinnen und Bundesrichter vom Tisch, wie sie von der Schweizerischen Vereinigung der Richterinnen und Richtern am Tag nach der Abstimmung erneut gefordert wurde. Eine mögliche Professionalisierung der Kandidierendenauswahl bzw. die Ergänzung der GK durch eine Fachkommission, die Bewerbungen für Richterinnen- und Richterämter mitsichten soll, war ebenfalls Gegenstand einer noch hängigen parlamentarischen Initiative (Pa.Iv. 21.452).

Die VOX-Analyse fand nur schwache Muster, mit denen das Abstimmungsverhalten bei der Justizinitiative erklärt werden könnte. Personen mit einer Berufsbildung sagten etwas stärker Nein als andere Bildungskategorien. Sympathisantinnen und Sympathisanten der Grünen sagten mehrheitlich Ja – im Gegensatz zu den Anhängerinnen und Anhänger aller anderer Parteien. Hohes Vertrauen in die Judikative ging zudem eher mit einem Nein einher. Bei den Motiven für ein Ja zeigte sich der Wunsch nach Unabhängigkeit von Richterinnen und Richtern von den Parteien sowie nach einem System, das auch für Parteilose Chancen einräumt, als zentral. Ein Nein wurde hingegen laut VOX-Analyse eher mit der Skepsis gegenüber dem Losverfahren und der Meinung, dass das bisherige System gut funktioniere, begründet.

Justizinitiative (BRG 20.061)
Dossier: Unabhängigkeit der Judikative
Dossier: Justizinitiative