Bundesrat beschliesst 2004 vorläufigen Verzicht auf ein Sprachengesetz

Bei der Präsentation der Legislaturplanung 1999-2003 unterstrich der Bundesrat seinen Willen, den sprachpolitischen Auftrag des 1996 angenommenen neuen Sprachenartikels der Bundesverfassung in einem Sprachengesetz (Verständigungs- und Amtssprachengesetz) umfassend zu konkretisieren. Die Botschaft, die eigentlich für das Berichtsjahr vorgesehen war, konnte noch nicht verabschiedet werden. Fragen der verfassungsmässigen Zuständigkeit sowie Koordinationsschwierigkeiten unter kantonalen Gremien führten bei der Vorbereitung des Gesetzesentwurfs zu erheblichen Verzögerungen. Um die noch offenen Fragen zu klären, wurde eine paritätische Arbeitsgruppe «Sprachengesetz» aus Vertretern von Bund und Kantonen eingesetzt.

Die neue Bundesverfassung (Art. 70) garantiert die Sprachenfreiheit und die Gleichbehandlung der vier Landessprachen. Ein eigentliches Sprachengesetzsoll die Mehrsprachigkeit als wichtiges Wesensmerkmal des Landes sowie die Sprachkompetenz seiner Bewohner fördern. Ende Oktober präsentierte Bundesrätin Dreifuss den lange erwarteten Gesetzesentwurf, der in eine breite Vernehmlassung geschickt wurde. Zu den vorgeschlagenen Massnahmen gehören die Förderung von Kenntnissen in mehreren Landessprachen, der verstärkte Austausch von Lernenden und Lehrkräften aller Bildungsstufen, die Schaffung eines Zentrums für Mehrsprachigkeit, die subsidiäre Unterstützung von Initiativen zur besseren gegenseitigen Verständigung sowie eine verbesserte Integration fremdsprachiger Ausländerinnen und Ausländer. Aufgeführt werden auch die bereits praktizierte Unterstützung der rätoromanischen und italienischen Sprache sowie (neu) der mehrsprachigen Kantone Bern, Freiburg, Graubünden und Wallis. Bei der Vorstellung des Entwurfs bezeichnete Dreifuss die Stärkung der vier Landessprachen als eine wichtige Investition in die «fragile Willensnation» Schweiz. In der Ausarbeitung des Gesetzes habe sich jedoch gezeigt, dass in den politischen Debatten die Befürchtungen vor allem in Bezug auf die Kompetenzausgestaltung zwischen Bund und Kantonen grösser seien als der Enthusiasmus.

Der Entwurf zum Sprachengesetz wurde in der Vernehmlassung tendenziell positiv aufgenommen, weshalb der Bundesrat dem EDI den Auftrag erteilte, auf dieser Basis und in Zusammenarbeit mit den Kantonen die Botschaft auszuarbeiten. Die Notwendigkeit zur Schaffung einer gesetzlichen Grundlage war bei den Kantonen unbestritten, doch lehnten sie alle Vorschläge ab, welche ihre Kompetenzen in den Bereichen Schule und Bildung tangieren könnten. Mit Ausnahme der SVP, die keinen Gesetzgebungsbedarf sah, hiessen alle Parteien ein Sprachengesetz grundsätzlich gut. Breite Zustimmung fanden die Abschnitte über die Amtssprachen des Bundes, über die Förderung der mehrsprachigen Kantone sowie des Rätoromanischen und Italienischen. Die Bundesratsparteien forderten darüber hinaus eine angemessene Vertretung der Sprachregionen in der Bundesverwaltung. Unterschiedlich wurde der Abschnitt über die Förderung der Verständigung und des Austauschs beurteilt. Während SP, Grüne und EVP hier dem Bund durchaus eigene Kompetenzen einräumen wollten, äusserten sich FDP und CVP aus föderalistischen sowie finanzpolitischen Gründen eher zurückhaltend. Allgemein gut aufgenommen wurde der vorgesehene Austausch von Schülerinnen und Schülern sowie Lehrkräften zwischen den Sprachregionen. Mehrere Vernehmlassungsteilnehmer bedauerten, dass sich der Entwurf nicht zur Frage der Landessprachen als erste Fremdsprache im Unterricht und damit zu der Kontroverse über das Frühenglisch äussert. Drei französischsprachige und drei zweisprachige Kantone (GE, NE, JU, VS, FR und BE), drei Parteien (Grüne, EVP, SD) sowie die Erziehungsdirektorenkonferenz der Suisse romande und des Tessins verlangten eine Regelung im Sinn der Festschreibung einer Landessprache als erste Fremdsprache. Die SP begrüsste zwar eine Landessprache als erste Fremdsprache, äusserte jedoch Verständnis dafür, dass diese Frage nicht im Sprachengesetz geregelt werden kann. CVP und SVP waren hingegen der Meinung, die Frage des Frühenglisch sei Sache der Kantone. Auf keine Unterstützung stiess die vorgesehene Bundeskompetenz, Immigranten Kurse in heimatlicher Sprache und Kultur anzubieten. Die Parteien waren sich einig, dass eine derartige Bestimmung nicht in ein Gesetz über die Landessprachen gehört.

Ende April löste die Ankündigung des Bundesrates, vorab aus finanzpolitischen Gründen auf das seit Jahren angestrebte Sprachengesetz zu verzichten, in den mehrsprachigen Kantonen, aber auch im Bundeshaus heftige Reaktionen aus. Im Nationalrat wurden dazu umgehend mehrere Vorstösse eingereicht, welche allerdings im Berichtsjahr vom Plenum noch nicht behandelt wurden. Eine Motion der Grünen (04.3242) sowie eine Motion von Abate (fdp, TI) (04.3217) wollen den Bundesrat verpflichten, auf seinen Entscheid zurückzukommen. Levrat (sp, FR) (04.429) möchte sogar, dass das Parlament das Heft selber in die Hand nimmt, weshalb er eine diesbezügliche parlamentarische Initiative deponierte, die Ende Jahr von den WBK-NR angenommen wurde. Bei der Behandlung des Bundesbeschlusses über die Legislaturplanung in der Sommersession nahm der Nationalrat das Vorhaben Sprachengesetz mit 105 zu 39 Stimmen wieder als verbindliches Ziel auf. Der Ständerat begnügte sich damit, die Förderung der Verständigung unter den Sprachgemeinschaften festzuschreiben, verzichtete aber auf die explizite Forderung nach einem Sprachengesetz. Da der Nationalrat schliesslich die Legislaturplanung ablehnte, wurde der verbindliche Auftrag zur Makulatur.
Im Auftrag des Bundesrates lässt der Nationalfonds die Sprachkompetenz der Bevölkerung erfassen und Grundlagen für eine moderne Sprachenpolitik ausarbeiten. Er schrieb ein mit CHF 8 Mio. dotiertes NFP aus, das bis 2008 abgeschlossen sein soll.

Erste Fremdsprache muss nicht Landessprache sein: Parlamentarische Initiative scheitert (Pa.Iv. 00.425)

Bei der Totalrevision der Bundesverfassung hatte Nationalrat Berberat (sp, NE) beantragt, der Sprachenartikel sei durch einen Passus zu ergänzen, wonach die erste unterrichtete Fremdsprache zwingend eine Landessprache sein muss. Um das Gesamtwerk nicht durch umstrittene Forderungen zu gefährden, hatte der Nationalrat dies auf Antrag des Bundesrates abgelehnt. Im Juni des Berichtsjahres reichte Berberat, unterstützt von 65 Mitunterzeichnern, das Anliegen in Form einer parlamentarische Initiative erneut ein. Der Initiant wollte in seinem Vorstoss keinen Angriff auf den Bildungsföderalismus sehen, erinnerte aber daran, dass der Bund in Bereichen, die ihm wichtig scheinen, beispielsweise beim Schulsport, bereits früher koordinierend in den Volksschulunterricht eingegriffen hat. Unter dem Eindruck der Beschlüsse in Appenzell-Innerrhoden und Zürich hiess die Kommission für Wissenschaft, Bildung und Kultur des Nationalrates mit 9 zu 8 Stimmen die Initiative gut. Die Minderheit der Kommission, welche für den Fall einer Volksabstimmung befürchtet, die Vorlage könnte das Land und die Generationen spalten, hätte das Anliegen lieber in die Form einer Motion gekleidet, die eine Lösung ohne Verfassungsänderung ermöglicht hätte.

Mit dem knappen Stimmenverhältnis von 72 zu 67 gab der Nationalrat in der Frühjahrssession einer parlamentarischen Initiative des Neuenburger SP-Abgeordneten Berberat Folge, der eine Landessprache als erste Fremdsprache im Unterricht auf Verfassungsstufe festschreiben möchte. Haller (svp, BE) machte als Sprecherin der Kommission geltend, Sprache sei mehr als Kommunikationsmittel; sie vermittle Kultur, geistiges Erbe, Emotion und Politik. Die Gegner fochten mit dem föderalistischen Argument der Kantonshoheit in Schulfragen, was Berberat mit der Feststellung konterte, diese sei bei der flächendeckenden Einführung des Herbstschulbeginns und mit der Verpflichtung der Schulen zu einem ausreichenden Sportunterricht bereits relativiert worden. In ihren Ausführungen zuhanden der Presse erklärten mehrere der Befürworter, sie hätten eher «contre coeur» für die Initiative gestimmt, weniger aus Opposition gegen Frühenglisch als vielmehr, um die Romands nicht zu brüskieren und die Diskussion auf eine breitere politische Ebene zu stellen.

Im Herbst stimmte die WBK des Nationalrates einer parlamentarischen Initiative Berberat (sp, NE) zu und unterstützte damit das Anliegen, eine Bestimmung ins Sprachengesetz aufzunehmen, welche die Kantone verpflichtet, auf Primarstufe als erste Fremdsprache eine Landessprache zu unterrichten. Der Nationalrat verlängerte die Frist zur Behandlung des Vorstosses bis zum Abschluss der Beratungen des Sprachengesetzes.

Eine parlamentarische Initiative Berberat (sp, NE) aus dem Jahr 2000 wollte, dass die Kantone dafür sorgen, dass als erste Fremdsprache jeweils eine der Amtssprachen des Bundes unterrichtet wird. 2001 hatte der Nationalrat der Initiative Folge gegeben und seine WBK damit beauftragt, eine Vorlage auszuarbeiten. Die Kommission versuchte, das Anliegen im Rahmen des von ihr vorgeschlagenen Sprachengesetzes in Artikel 15 Absatz 3 umzusetzen. Die Bestimmung wurde allerdings im Ständerat ungnädig aufgenommen und der Nationalrat liess sich von einer Kompromisslösung überzeugen. Artikel 15 Absatz 3 des Bundesgesetzes über die Landessprachen besagt nun, dass sich die Kantone im Rahmen ihrer Zuständigkeit für einen Fremdsprachenunterricht einsetzen sollen, der gewährleistet, dass die Schülerinnen und Schüler am Ende der obligatorischen Schulzeit über Kompetenzen in mindestens einer zweiten Landessprache und einer weiteren Fremdsprache verfügen. Die Räte lehnten damit die Forderung der parlamentarischen Initiative implizit ab.

Parlament beschliesst ein neues Sprachengesetz (Pa.Iv. 04.429)

Dossier: Schaffung eines Instituts zur Föderung der Mehrsprachigkeit

Im Februar schloss sich die ständerätliche Kommission für Wissenschaft, Bildung und Kultur dem Entscheid der WBK-NR vom vergangenen November an und gab der parlamentarischen Initiative Levrat (sp, FR) Folge, welche die Wiederaufnahme der Beratungen zum Sprachenartikel verlangt.

Auf der Grundlage von Art. 70 der Bundesverfassung und in Erfüllung der im Vorjahr angenommenen parlamentarischen Initiative Levrat (sp, FR) erarbeitete die nationalrätliche Kommission für Wissenschaft und Bildung (WBK) ein Bundesgesetz über die Landessprachen. Der Bundesrat hatte im April 2004 ein beschlussreifes Sprachengesetz aus Spargründen und mit dem Hinweis auf ausreichende bestehende Instrumente zurückgezogen, was zu heftigen Protesten geführt hatte. Das neue Gesetz soll den Gebrauch der Amtssprachen regeln, Verständigung und Austausch fördern und mehrsprachige Kantone in ihren besonderen Aufgaben unterstützen. Die Viersprachigkeit als Schweizer Wesensmerkmal soll gestärkt, der innere Zusammenhalt des Landes gefestigt, die individuelle und institutionelle Mehrsprachigkeit in den Landessprachen gefördert sowie das Italienische und das Rätoromanische als Landessprachen erhalten werden. Besondere Beachtung kam der Haltung der Kommission zum Fremdsprachenunterricht zu. Die Mehrheit sprach sich dafür aus, in den Schulen als erste Fremdsprache eine Landessprache einzuführen. Sie setzte sich mit 12 zu 10 Stimmen bei einer Enthaltung gegenüber der Minderheit durch, welche hier Wahlfreiheit wünscht, jedoch fordert, dass am Ende der Schulzeit Kenntnisse in mindestens zwei Fremdsprachen, davon mindestens einer zweiten Landessprache, vorhanden sind. Die Frage der Gründung eines wissenschaftlichen Instituts zur Förderung der Mehrsprachigkeit war hart umkämpft. Die Kommission einigte sich schliesslich mit 16 gegen 4 Stimmen bei einer Enthaltung auf eine ziemlich vage Kann-Formulierung, die vieles ermöglicht, aber nichts verspricht. Die Rolle des Bundes bei der Sprachenförderung behandelte die WBK im Berichtsjahr nicht abschliessend.

Aufgrund des Sprachenartikels der neuen Bundesverfassung (Art. 70 BV) hatte der Bundesrat 2001 ein Sprachengesetz in die Vernehmlassung gegeben, dem die meisten Kantone, politischen Parteien und weiteren konsultierten Organisationen zugestimmt hatten. Im Frühjahr 2004 hatte das EDI dann überraschend mitgeteilt, dass der Bundesrat darauf verzichte, das Gesetz dem Parlament vorzulegen. Das hatte Nationalrat Levrat (sp, FR) dazu bewogen, eine parlamentarische Initiative einzureichen, welche verlangte, der Vernehmlassungsentwurf sei vom Parlament in Eigenregie weiter zu bearbeiten. Die zuständigen Kommissionen beider Kammern hatten der Initiative Folge gegeben und diejenige des Nationalrats hatte im Vorjahr einen Entwurf vorgelegt. Im Berichtsjahr hat das Parlament diesen bereinigt und verabschiedet.
Der Nationalrat trat – gegen den Widerstand von Bundesrat und SVP-Fraktion – mit 113 zu 59 Stimmen auf die Vorlage ein. Die Befürworter argumentierten hauptsächlich mit der Förderung des nationalen Zusammenhalts und der vier Landessprachen. Die grosse Kammer folgte ihrer Kommission in der Detailberatung in fast allen Punkten. Im Zentrum der Diskussion stand die Frage, welche Priorität dem Fremdsprachenunterricht in der obligatorischen Schule einzuräumen sei. Die FDP unterstützte den Kompromiss der Schweizerischen Konferenz der kantonalen Erziehungsdirektoren (EDK), in der obligatorischen Schule zwei Fremdsprachen zu unterrichten, ohne die Prioritäten festzulegen. Die Kommissionsmehrheit hingegen hielt am Vorrang einer Landessprache vor dem Englischen fest und setzte sich im Plenum mit 112 zu 56 Stimmen durch. Im weiteren folgte der Nationalrat dem Antrag seiner Kommission knapp nicht, wonach der Bund Finanzhilfen für die Übersetzung und Veröffentlichung wissenschaftlicher Arbeiten zur Mehrsprachigkeit sowie zur Sprachenpolitik gewähren kann. Massnahmen zur Verbesserung der Kenntnisse des Bundespersonals in den Landessprachen und für eine angemessene Vertretung der verschiedenen Sprachgemeinschaften in der Bundesverwaltung fanden hingegen Zustimmung. Ebenfalls angenommen wurden Massnahmen zur Förderung des Austausches zwischen den Sprachgemeinschaften. In der Gesamtabstimmung passierte das Gesetz mit 87 zu 68 Stimmen.

Im Ständerat war Eintreten unbestritten. Alle Redner sprachen sich für ein neues Gesetz aus, das wichtig für den nationalen Zusammenhang und für den Respekt gegenüber den sprachlichen Minderheiten sei. Ory (sp, NE) und Lombardi (cvp, TI) machten sich vergebens dafür stark, dass der nationale Zusammenhalt durch das prioritäre Erlernen einer Landessprache gefördert werden müsse. Der Antrag der Mehrheit, hier keine Vorschriften zu machen, wurde mit 26 zu 8 Stimmen angenommen. In der Gesamtabstimmung wurde das Gesetz ohne Gegenstimme bei einer Enthaltung genehmigt.

In der Differenzbereinigung nahm der Nationalrat den Kompromiss der Kommissionsmehrheit an, wonach sich Bund und Kantone dafür einzusetzen haben, dass während der obligatorischen Schulzeit Grundkenntnisse in zwei Fremdsprachen erlernt werden müssen, wovon mindestens eine Landessprache. Der Antrag einer Minderheit II, an der ursprünglichen Fassung des Nationalrats (Priorität für eine Landessprache vor dem Englischen) festzuhalten, wurde mit 71 zu 68 Stimmen abgelehnt, der Antrag einer Minderheit I, dem Ständerat zu folgen, mit 80 zu 67. Der Ständerat schloss sich diesem Kompromiss diskussionslos an, worauf das Gesetz in der Schlussabstimmung verabschiedet werden konnte. Weil dem Anliegen damit entsprochen war, gaben beide Kammern einer ähnlich lautenden Standesinitiative des Kantons Tessin keine Folge (05.305). Ebenso wurde eine parlamentarische Initiative Berberat (sp, NE) zum ersten Fremdsprachenunterricht in einer Amtssprache des Bundes abgeschrieben.

Verordnung zur Umsetzung des neuen Sprachengesetzes

Dossier: Schaffung eines Instituts zur Föderung der Mehrsprachigkeit
Dossier: Mehrsprachigkeit in der Bundesverwaltung

Anfangs Juni verabschiedete der Bundesrat die Verordnung über die Landessprachen und die Verständigung zwischen den Sprachgemeinschaften (SpV), welche per 1. Juli 2010 in Kraft trat und der Umsetzung des neuen Sprachengesetzes dient. In der Verordnung führt der Bund aus, dass er nicht nur die Förderung der kleinen Landessprachen in den Kantonen Graubünden und Tessin vorantreiben, sondern darüber hinaus generell alle mehrsprachigen Kantone in ihrer Erfüllung besonderer Aufgaben finanziell unterstützen will. Weiter definiert er in einem separaten Abschnitt Massnahmen zur Förderung der Verständigung und des Austauschs zwischen den Sprachgemeinschaften, wobei insbesondere die Förderung des schulischen Austauschs und die Finanzhilfen zuhanden des Instituts für Mehrsprachigkeit der Universität und Pädagogischen Hochschule Fribourg hervorzuheben sind. Letzteres wird in Zukunft die Funktion eines nationalen Kompetenzzentrums für Mehrsprachigkeit innehaben. Einen inhaltlichen Schwerpunkt setzt die Verordnung auch mit der Förderung der Mehrsprachigkeit in der Bundesverwaltung. Aufgrund der Empfehlung einer Nationalfondsstudie definiert der Bund Quoten für die Vertretung der Sprachgemeinschaften in den Departementen. Die Sollwerte sehen eine Zusammensetzung aus 70% deutsch-, 22% französisch-, 7% italienisch- und mindestens einem Prozent rätoromanisch-sprachigen Angestellten vor. En gros werden diese Werte in der Bundesverwaltung bereits realisiert, jedoch variiert deren Erfüllung von Departement zu Departement noch stark. Neu hält die Verordnung ebenfalls fest, dass Mitglieder des mittleren und oberen Kaders mit Ausnahme der Angehörigen der Eidgenössischen Technischen Hochschulen über gute aktive Kenntnisse einer zweiten, sowie mindestens über passive Kenntnisse einer dritten Amtssprache verfügen sollen. Wo dies nicht der Fall ist, müssen innerhalb eines Jahres nach Stellenantritt Massnahmen zur Förderung der Sprachkenntnisse getroffen werden. Ein ähnliches Anliegen enthielt auch die im selben Jahr überwiesene Motion de Buman (cvp, FR).

Der Bundesrat verabschiedete Anfang Juni eine Verordnung, in der Sollwerte für die angemessene Vertretung der Landessprachen festgelegt werden. Zwar seien die Sprachregionen in der gesamten Verwaltung proportional vertreten, dies gelte aber nicht für Kaderpositionen, in denen Deutschschweizer 80% des Stellentotals halten. Die Verordnung, die am 1. Juli in Kraft trat, setzt das Sprachengesetz um. Es handle sich hier aber nicht um gesetzliche Quoten und es würden auch keine Fristen gesetzt, innerhalb derer die Sollwerte erreicht werden müssten, betonte Bundesrat Burkhalter. Eine Aufstockung der Mittel für Sprachförderung, mehr Übersetzerstellen, die Gleichbehandlung der italienischen Sprache bei Publikationen und die Forderung, dass Kader über aktive Kenntnisse einer zweiten und passiv einer dritten Landessprache verfügen müssen, sind die wichtigsten Mittel, mit denen die Ziele erreicht werden sollen.

Änderung des Sprachengesetzes

Im Juli 2016 schickte der Bundesrat eine Änderung des Sprachengesetzes in die Vernehmlassung. Damit sollte die Harmonisierung des Fremdsprachenunterrichts in der obligatorischen Schule von Bundesseite verstärkt werden, womit der Bund jedoch in ein Hoheitsgebiet der Kantone eingreifen wollte. Der Bundesrat holte weit aus, um diesen Eingriff zu rechtfertigen. Mit der Volksabstimmung 2006 wurde die Bundesverfassung so geändert, dass zentrale Eckwerte des obligatorischen Schulwesens interkantonal harmonisiert werden. Unter die verfassungsrechtliche Bestimmung der Harmonisierung fällt auch der Sprachenunterricht. Die Kantone kamen dem Verfassungsauftrag mit dem HarmoS-Konkordat nach, das unter anderem regelt, dass die erste Fremdsprache spätestens ab dem 3. Schuljahr und eine zweite Fremdsprache spätestens ab dem 5. Schuljahr („Modell 3/5“) unterrichtet werden muss. Dieses Modell erfüllten 2016 23 Kantone, obwohl nur 15 dem HarmoS-Konkordat beigetreten sind. Einzig die Kantone Aargau, Uri und Appenzell-Innerhoden kamen dieser Vorgabe nicht nach, sie sind dem HarmoS-Konkordat allerdings auch nicht beigetreten. Der Bundesrat respektiere die erreichten Harmonisierungsfortschritte der Kantone, nehme aber zugleich zur Kenntnis, dass es in diversen Kantonen Vorstösse gebe, die „den Unterricht in einer zweiten Landessprache in der Primarschule ab dem Schuljahr 2017/18 in Frage stellen“, hiess es in der Vernehmlassungsvorlage. Solche Vorstösse gebe es in den Kantonen Basel-Landschaft, Glarus, Graubünden, Luzern, St. Gallen, Thurgau und Zürich und sie würden tendenziell die bereits erreichte Harmonisierung gefährden, so die Beurteilung des Bundesrates. Vor diesem Hintergrund sah der Bundesrat den Bund in der Pflicht, sprachenpolitisch einzugreifen. Er schickte drei Varianten in die Vernehmlassung. Variante 1 würde das Sprachengesetz so abändern, dass der Unterricht einer zweiten Landessprache spätestens zwei Jahre vor Ende der Primarschule (also ab dem 5. Primarschuljahr) beginnen muss (gleicher Wortlaut wie die parlamentarische Initiative 14.459). Variante 2 würde das Modell 3/5 des HarmoS-Konkordats im Gesetz verankern. Die dritte Variante stellte die sanfteste Intervention dar und wurde vom Bundesrat bevorzugt: Hier wird den Kantonen vorgeschrieben, dass der Unterricht in der zweiten Landessprache in der Primarschule beginnen und bis zum Ende der obligatorischen Schulzeit andauern soll. Die Medien sprachen indes von einer „Drohkulisse“, die Innenminister Berset mit dem neuen Gesetz aufbauen wolle, um die einzelnen kantonalen Vorlagen in die vom Bundesrat gewünschte Richtung zu lenken. Bereits im Juni 2016 stellte die EDK in einem Brief an Bundesrat Berset klar, dass sie vor dem Hintergrund, dass über 20 Kantone das Modell 3/5 umgesetzt hätten, eine Intervention des Bundes für unverhältnismässig halte. Die kantonalen Erziehungsdirektoren beurteilten das Vorgehen des Bundesrates auch als wenig opportun: Eine allfällige Volksabstimmung über dieses Gesetz könnte zu einer „nationalen Zerreissprobe“ werden, monierten sie.

Rund fünf Monate später krebste der Bundesrat zurück. Er gab im Dezember 2016 nach Beurteilung der Vernehmlassungsantworten bekannt, dass er seine Bestrebung, das Sprachengesetz zu ändern, vorerst auf Eis legen werde. Die grosse Mehrheit der Kantone und ein Teil der Parteien hätten im Vernehmlassungsverfahren geantwortet, dass sie eine Intervention des Bundes für „verfrüht, unverhältnismässig und politisch nicht opportun“ hielten. Der Bundesrat kam zum Schluss, dass damit die Voraussetzungen für eine Regelung auf Bundesebene nicht gegeben seien. Berset verwies während der Pressekonferenz auch auf positive Entwicklungen in den Kantonen im Verlaufe des Herbstes 2016. Im Kanton Thurgau etwa beschloss die Kantonsregierung im September, dass das Parlament erneut über eine Vorlage abstimmen muss, die es eigentlich im April 2016 bereits in die Vernehmlassung geschickt hatte und mit welcher der Französischunterricht von der Primarschule in die Sekundarschule verschoben werden sollte. Zudem gab es im Herbst Abstimmungen in den Kantonen Schaffhausen, St. Gallen und Thurgau, deren Ausgang als Bekenntnis dieser Kantone zum Lehrplan 21 und zum HarmoS-Konkordat gewertet wurden. Der Bundesrat behielt sich aber vor, die Voraussetzungen für eine Intervention des Bundes neu zu prüfen, sollte ein Kanton entscheidend von der harmonisierten Lösung in der Sprachenfrage abweichen, etwa durch den Beschluss, eine zweite Landessprache nicht ab der Primarstufe oder nicht durchgehend bis zum Ende der obligatorischen Schulzeit zu unterrichten. Damit blickte Berset in erster Linie auf das Jahr 2017, denn auch in diesem Jahr wird das Frühfranzösisch in einigen Kantonen direkt oder indirekt zur Abstimmung kommen. In diesem Sinne blieb „eine reduzierte Drohkulisse“ (NZZ) des Bundes bestehen. Die EDK zeigte sich erfreut über den Entscheid des Bundesrates, die Pläne einer Revision des Sprachengesetzes vorerst wieder in der Schublade zu versorgen.