Zuletzt aktualisiert: 07.03.2017, 11:28 Uhr

Dossier: Vorstösse betreffend die Nachzählung von Abstimmungen und Wahlen Als PDF speichern

Nachzählungen von Abstimmungen und Wahlen

Eine Neuauslegung von Art. 77 Abs. 1 des Bundesgesetzes über die politischen Rechte durch ein Bundesgerichtsurteil von 2009 provozierte eine parlamentarische Initiative Joder (svp, BE). Das Bundesgesetz sieht vor, dass Beschwerde geführt und eine Nachzählung von Abstimmungen und Wahlen verlangt werden kann, wenn es zu „Unregelmässigkeiten“ kommt. Das Bundesgericht hielt fest, dass dies bereits der Fall sein könne, wenn ein Resultat knapp sei. Joder und mit ihm die SPK-NR beanstandeten dieses Urteil und mahnten eine Schwächung der Demokratie an, wenn Resultate alleine aufgrund von knappen Ausgängen hinterfragt werden dürften. Im Berichtsjahr äusserte sich die Schwesterkommission dazu noch nicht.

Die von der Staatspolitischen Kommission des Nationalrates noch gutgeheissene parlamentarische Initiative Joder (svp, BE), die eine Anpassung der Rechtsgrundlagen für Nachzählungen von Abstimmungen und Wahlen verlangt, damit nicht wie vom Bundesgericht vorgeschlagen bei knappen Resultaten, sondern nur bei begründeten Hinweisen auf Unregelmässigkeiten eine Nachkontrolle durchgeführt wird, wurde von der ständerätlichen Schwesterkommission abgelehnt. Nachdem der Bundesrat signalisiert hatte, das Ansinnen in die Revision des Bundesgesetzes über die politischen Rechte aufzunehmen, wurde die parlamentarische Initiative zurückgezogen.

Nachzählung von Volksabstimmungen bei knappem Ergebnis

Obwohl sich beide Räte im Rahmen der Revision des Bundesgesetzes über die politischen Rechte erst 2014 gegen einen Automatismus für eine Nachzählung von Volksabstimmungen bei knappem Ergebnis ausgesprochen hatten, forderte Thomas Minder (parteilos, SH) bereits Mitte 2015 per parlamentarischer Initiative einen solchen einzuführen. Anlass war das knappe Resultat bei der RTVG-Vorlage am 14. Juni 2015, das mit einer Differenz von 0,16% oder 3'649 Stimmen angenommen wurde – das bisher knappste Resultat bei einer eidgenössischen Urnenabstimmung. Minder erwähnte in der Ratsdebatte ein Beispiel aus seiner Wohngemeinde Neuhausen, wo bei rund 5'500 Abstimmenden 65 ungültige Stimmzettel gezählt wurden, wohingegen es in der Stadt Schaffhausen gerade mal einen ungültigen Stimmzettel gegeben habe. Dies sei ein Beispiel dafür, wie sensibel Auszählen sei. Aus diesem Grund müsse bei sehr knappen Resultaten ein Automatismus spielen. Einen solchen gebe es überdies auch in einigen Kantonen, z.B. in Bern, Graubünden, St. Gallen, Zug oder Zürich, wo bei Differenzen zwischen 0,1 und 0,4% automatisch nachgezählt werde. Minder schlug für die nationale Ebene 0,3% vor.
Die SPK-SR lehnte das Begehren knapp mit 5 zu 4 Stimmen bei einer Enthaltung ab. Die Mehrheit stiess sich am Umstand, dass erst kürzlich über das Anliegen legiferiert worden sei. Die wichtigsten Argumente gegen einen Automatismus seien deshalb nach wie vor die gleichen: Auch eine Nachzählung könne fehlerhaft sein, eine Prozentschwelle sei willkürlich und auch noch so knappe Mehrheitsentscheide seien zu akzeptieren. Man müsse zudem Vertrauen haben in die Arbeit der Zählbüros in den Kantonen und Gemeinden. Die Minderheit machte freilich geltend, dass die Legitimation knapper Entscheide leide, wenn die Stimmbürgerschaft davon ausgehen müsse, dass (knappe) Resultate auch anders hätten ausfallen können. Die Revision des Bundesgesetzes über die politischen Rechte sei zudem im Vorfeld der eidgenössischen Wahlen sehr rasch erledigt worden; die Frage der knappen Abstimmungsergebnisse sei damals zu wenig gründlich geprüft worden, was man jetzt nachholen könnte. Darauf schien allerdings fast niemand in der kleinen Kammer Lust zu haben: Die Initiative wurde mit 39 zu 2 Stimmen deutlich versenkt.