Bundesratswahlen in einem Wahlgang (Einzelwahl) (95.3140)

Bei der jeweils nach den Nationalratswahlen vorzunehmenden Bestätigungswahl für den Bundesrat kommt es immer wieder vor, dass die zuletzt antretenden amtsjüngsten Bundesräte ein schlechtes Resultat erzielen, weil sie Opfer von sogenannten Retourkutschen werden. 1991 musste beispielsweise der Amtsjüngste, Villiger (fdp), mit dem schlechtesten Resultat (127 Stimmen von 238 anwesenden Abgeordneten) dafür büssen, dass die vor ihm angetretenen Christlichdemokraten nur mässige Ergebnisse erzielt hatten. Um dem abzuhelfen, überwies der Nationalrat mit 82 zu 67 Stimmen eine Motion Weyeneth (svp, BE), welche verlangt, dass die wiederkandidierenden Bundesräte zwar weiterhin einzeln gewählt werden, aber in einem gemeinsamen Wahlgang. Damit könnten die Parlamentarier eine Bewertung der einzelnen Regierungsmitglieder vornehmen, ohne Vergeltungsaktionen für später Antretende befürchten zu müssen. Im Ständerat setzte sich - gegen den Antrag der Staatspolitischen Kommission - dann allerdings mit 19 zu 15 Stimmen der Sozialdemokrat Aeby (FR) durch, der - unterstützt von Iten (fdp, ZG) und Cottier (cvp, FR) - eine Ablehnung der Motion forderte. Sein Hauptargument gegen den Vorstoss war die Sorge, dass mit diesem neuen System der Fortbestand einer stabilen proportionalen Zusammensetzung des Bundesrats gemäss der Parteienstärke nicht mehr gewährleistet wäre.

Einzelwahl bei der Gesamterneuerungswahl des Bundesrates (98.3349)

Nationalrat Weyeneth (svp, BE) unternahm einen neuen Versuch, das Wahlsystem für die wiederkandidierenden Bundesräte zu verändern und die bestehende Abfolge von einzelnen Wahlgängen durch eine gleichzeitig für alle vorzunehmende Einzelwahl zu ersetzen. Nur so wäre es nach Ansicht des Initianten möglich, die Leistung der Bundesräte ohne taktische Rücksichtnahmen (sprich Angst vor Retourkutschen) ehrlich zu beurteilen. Eine erste entsprechende Motion war 1996 von der grossen Kammer überwiesen, vom Ständerat aber abgelehnt worden. Das Büro des Nationalrats lehnte die Stossrichtung der neuen Motion Weyeneths ab, da das vorgeschlagene Verfahren zu überraschenden Abwahlen führen könnte und keine Gewähr für die Einhaltung der diversen Quoten (parteipolitisch, sprachlich, regional) bieten würde. Da aber ohnehin die Staatsleitungsreform anstehe, anlässlich derer man sich grundsätzlich mit der Funktion und Konstituierung der Regierung auseinandersetzen werde, empfahl das Büro trotz seiner ablehnenden Stellungnahme die Überweisung der Motion in Postulatsform, was denn auch geschah.

Vorschläge der SPK-SR zu den Rücktritten von Bundesräten und einer Listenwahl (2002)

Weitere Reformvorschläge kamen aus der SPK des Ständerats anlässlich der Beratung des neuen Parlamentsgesetzes, welches das bisherige Geschäftsverkehrsgesetz ersetzt. Diese schlug vor, dass amtierende Bundesräte im Jahr vor der Wahl des Nationalrats in der Regel nicht mehr zurücktreten dürfen, und dass die wiederkandidierenden Bundesräte nicht mehr einzeln in der Reihenfolge ihrer Amtsdauer, sondern auf einer gemeinsamen Liste mit Streichungsmöglichkeiten zu bestätigen sind. Mit der ersten Bestimmung wollte die SPK wahltaktisch motivierte Rücktritte vor Ablauf der Amtsdauer verhindern, die zweite sollte es dem Parlament ermöglichen, missliebige Bundesräte mit einem schlechten Wahlresultat oder gar der Nichtwiederwahl zu sanktionieren, ohne Retourkutschen für die anderen, d.h. amtsjüngeren Bundesräte befürchten zu müssen. Der erste Vorschlag fand bereits im Ständerat keine Mehrheit, der zweite wurde vom Nationalrat abgelehnt. Vergleiche dazu auch die als „wahltaktisch“ kritisierten Demissionen von Arnold Koller und Flavio Cotti (beide cvp) im Jahr 1999 und von Stich (sp) 1995.

Bundesratswahlverfahren für mehr Teamfähigkeit (05.444)

Der überraschende Ausgang der Bundesratswahlen vom Dezember 2003 und die anschliessenden Debatten über das Kollegialitätssystem hatten die Diskussion um alternative Wahlverfahren belebt. Deutlich (121 zu 23 Stimmen) und ohne Diskussion lehnte der Nationalrat eine parlamentarische Initiative Zisyadis (pda, VD) (03.464) ab, welche die Aufhebung der geheimen Stimmabgabe bei der Bundesratswahl, d.h. eine Wahl unter Namensaufruf wie bei Sachgeschäften, verlangte. Noch nicht behandelt worden ist eine parlamentarische Initiative Markwalder (fdp, BE), welche die Ersetzung der individuellen Wahl durch eine Listenwahl fordert, wobei die Listen durch die Wählenden nicht abgeändert werden dürfen. Dies im Gegensatz zu der von Nationalrat Weyeneth (svp, BE) seit langem propagierten Idee einer Listenwahl mit Streichungsmöglichkeiten (z.B. Mo. 04.3608 und 98.3349) Die Initiantin und ein vor allem in der Westschweiz verankertes „Centre pour la réforme des institutions suisses“, welches den Vorschlag im September der Öffentlichkeit vorstellte, erwarten von diesem System eine grössere Sicherheit, dass nicht sieben Einzelakteure, sondern ein zur Zusammenarbeit bereites Team in die Regierung gewählt wird. Die zur Wahl vorgeschlagenen Listen müssten von mindestens dreissig Abgeordneten unterstützt werden. Falls im ersten Wahlgang keine Liste das absolute Mehr erreicht, würden die beiden bestplatzierten Listen in einem zweiten Wahlgang gegen einander antreten, wobei die Listen vom ‚Unterstützungskomitee’ noch personell verändert werden könnten.

Die SPK des Nationalrats befasste sich mit weiteren Reformvorschlägen. Sie beschloss, der parlamentarischen Initiative Markwalder (fdp, BE), welche die Ersetzung der individuellen Wahl der Mitglieder des Bundesrats durch eine Listenwahl fordert, wobei die Listen durch die wählenden Parlamentarier nicht abgeändert werden dürfen, keine Folge zu geben. Eine parlamentarische Motion Chevrier (cvp, VS) (06.415) für die Verlängerung der Amtszeit für Bundesrat und Nationalrat von vier auf fünf Jahre unterstützte sie hingegen.

Der Nationalrat folgte seiner Staatspolitischen Kommission (SPK) und lehnte die parlamentarische Initiative Markwalder (fdp, BE) für eine Ersetzung der individuellen Wahl der Mitglieder des Bundesrats durch eine Wahl auf nicht veränderbaren Listen ab. Die Initiantin hatte vergeblich damit geworben, dass mit dem neuen System die Wahrscheinlichkeit steigen würde, dass nur teamfähige Personen in die Kollegialbehörde gewählt würden. 

Pa.Iv. der SVP scheitert (04.464)

Der Nationalrat sah keinen Grund, einer Änderung des Wahlverfahrens für den Bundesrat zuzustimmen. Er lehnte mit je 88 zu 73 Stimmen eine Motion Weyeneth (svp, BE) (04.3608) und eine parlamentarische Initiative der SVP-Fraktion ab, welche die Besetzung aller sieben Sitze in einem einzigen Wahlgang gefordert hatten. Gemäss den Initianten würde die Wahl damit fairer, da es möglich wäre, einzelnen Bundesräten die Stimme zu verweigern, ohne Retourkutschen gegen später antretende eigene Kandidaten befürchten zu müssen.

Pa.Iv. Zisyadis für eine neue Regierungsform (04.462)

Eine deutlich Mehrheit des Nationalrats sprach sich gegen eine Reform des Wahlverfahrens aus, welche erklärtermassen die Grundlage für die Einführung eines parlamentarischen Regierungssystems gebildet hätte. Mit 141 zu 28 Stimmen lehnte der Rat eine parlamentarische Initiative Zisyadis (pda, VD) ab, welche die Wahl des Bundesrats auf einer gemeinsamen, nicht veränderbaren Liste forderte. Der Vorstoss verlangte im weiteren die Zustimmung des Parlaments zu einem Regierungsprogramm der auf diese Weise gewählten Exekutive sowie die Einführung der parlamentarischen Misstrauensabstimmung während der Legislaturperiode.