BR-Vorlage Asylgesetzrevison

Weil sie diese Haltung teilten, oder weil sie im Gegenteil der zunehmenden Fremdenfeindlichkeit entgegenwirken wollten, unterstützen alle im Parlament vertretenen Fraktionen die vom Bundesrat bereits im Vorjahr angekündigte Revision der Asylgesetzgebung — die dritte innerhalb von zehn Jahren —, mit der das Verfahren gestrafft und die Attraktivität der Schweiz als Fluchtland eingeschränkt werden soll.

Kernstück des neuen Verfahrens ist die frühzeitige Triage zwischen klar positiv oder negativ zu entscheidenden Gesuchen (schätzungsweise 75%) und solchen, die einer eingehenderen Prüfung bedürfen. Über offensichtlich unbegründete Gesuche wird innerhalb weniger Monate entschieden; der Entscheid ist zumindest summarisch zu begründen, die Wegweisung soll dann konsequent erfolgen. Zudem erhält der Bundesrat die Möglichkeit, gewisse Länder zu 'safe countries' zu erklären, d.h. zu Staaten, in denen nach seinen Feststellungen Sicherheit vor Menschenrechtsverletzungen besteht. Auf Gesuche Angehöriger dieser Länder wird gar nicht mehr eingetreten, es sei denn, die Anhörung ergebe trotzdem Hinweise auf eine Verfolgung.

Verschärft wurden auch die Bestimmungen über die Erwerbstätigkeit der Asylbewerber. Neu gilt ein absolutes Arbeitsverbot während der ersten drei Monate, welches die Kantone im Fall eines während dieser Zeitspanne ergehenden erstinstanzlichen Negativentscheids um weitere drei Monate ausdehnen können. Asylbewerber mit einer Arbeitsbewilligung müssen bezogene Fürsorgeleistungen zurückerstatten und mit Lohnabzügen Sicherheit für allfällige künftige Fürsorge- und Vollzugskosten leisten. Nach einem rechtskräftigen negativen Asylentscheid erlöscht inskünftig auch die Arbeitsbewilligung.

Zusammen mit diesem Dringlichen Bundesbeschluss legte der Bundesrat die gesetzliche Grundlage für die vorläufige Aufnahme von sogenannten Gewaltflüchtlingen vor, von Menschen also, die im Sinn der Flüchtlingskonvention keine Flüchtlinge sind, die aber wegen der allgemeinen Lage in ihrem Heimatland nicht zurückgeschickt werden können. Zudem unterbreitete er dem Parlament ein Gesetz über die Schaffung eines Bundesamtes für Flüchtlinge.

Verhandlungen im Parlament

Auch im Ständerat waren es die beiden Punkte der Rekursinstanz und der Kinderzulagen, welche die meisten Diskussionen auslösten. Obgleich sich die vorberatende Kommission noch von Bundespräsident Koller hatte überzeugen lassen, auf eine verbindliche Einführung der Beschwerdekommission zu verzichten, schloss sich das Plenum der Meinung des Erstrates an, wollte aber die Kompetenzen dieser Kommission bereits auf Gesetzesstufe abschliessend festschreiben. In der Frage der Kinderzulagen konnte sich Bundespräsident Koller in der Kleinen Kammer hingegen nicht mehr gegen die Argumente der drei welschen Ständeräte Cavadini (lp, NE), Reymond (lp, VD) und Ducret (fdp, GE) durchsetzen, die auf mögliche Missbräuche mit den verlockenden Zulagen hinwiesen. Obgleich der Vorsteher des EJPD anhand konkreter Zahlen vor einer Legendenbildung warnte, stimmte der Rat knapp einem Antrag Cavadini auf Streichung der Kinderzulagen zu.

In den Räten war die allgemeine Stossrichtung der Vorlage nicht bestritten. Im Nationalrat votierten die Fraktionen zu Beginn der rund dreizehnstündigen Debatte durchwegs für Eintreten, wobei die Linke, die Grünen und die LdU/EVP-Vertreter ihre vorwiegend humanitären Bedenken nicht verschwiegen, während bürgerliche Vertreter ihrer Befürchtung Ausdruck verliehen, das neue Instrumentarium werde nicht genügen, um die schwierige, Lage zu entschärfen. Rückweisungs- oder Nichteintretensanträge wurden nur von ganz links und rechts aussen gestellt, aber mit offensichtlichem Mehr zurückgewiesen.

Die meisten Punkte der Vorlage wurden relativ diskussionslos angenommen. In einer wesentlichen und hart umkämpften Frage allerdings, nämlich der Schaffung einer verwaltungsunabhängigen Rekursinstanz, stellte sich die Grosse Kammer gegen den Bundesrat und die Mehrheit der vorberatenden Kommission. Die bundesrätliche Vorlage sah eine derartige Kommission zwar vor, wollte deren Einsetzung aber mit einer Kann-Formel dem Gutdünken der Regierung vorbehalten. Für die SP, die sich damit zum Sprachrohr der Hilfswerke machte, war dagegen ein diesbezüglicher verbindlicher Auftrag gewissermassen der Preis, den sie für die Unterstützung der Gesamtvorlage in Rechnung stellen wollte. Eine Koalition aus SP, GP, LdU/EVP, LP und Teilen der CVP verhalf schliesslich einem Kompromissvorschlag Guinand (lp, NE) zum Durchbruch: Der Bundesrat wurde verpflichtet, eine vom EJPD unabhängige Beschwerdeinstanz einzusetzen; es bleibt ihm aber anheimgestellt, wann und wie er diese Kommission einführen will.

Nicht weniger heftig umstritten waren Anträge, welche die Beschränkungen im Erwerbsleben der Asylbewerber über die bundesrätlichen Vorschläge hinaus verschärfen wollten. Aus den Reihen der SVP stammte die Idee, Asylsuchende während der Dauer des Arbeitsverbotes zu unbezahlter gemeinnütziger Arbeit zu verpflichten. Mit dem Hinweis auf die Europäische Menschenrechtskonvention trat Bundespräsident Koller dieser Form von Zwangsarbeit entschieden entgegen. Der Rat lehnte den Antrag schliesslich deutlich ab. Problemlos passierte hingegen ein Antrag Nabholz (fdp, ZH), bescheiden entschädigte, freiwillig geleistete gemeinnützige Arbeit vom Arbeitsverbot auszunehmen.

Nur ganz knapp konnte sich die Auffassung des Bundesrates vorerst in einem anderen Punkt durchsetzen. In Verschärfung der Vorlage hatte die vorberatende Kommission die Bestimmung einfügen wollen, wonach erwerbstätige Asylbewerber kein Anrecht auf Kinderzulagen für ihre im Ausland lebenden Kinder hätten. Unter Berufung auf einen Entscheid des Bundesgerichtes, welches in einem Urteil gegen den Kanton Thurgau festgehalten hatte, die Streichung der Kinderzulagen für einzelne Kategorien von Arbeitnehmern verstosse gegen den verfassungsmässig verankerten Grundsatz der Rechtsgleichheit, bat Koller den Rat dringend, auf dieses Vorgehen zu verzichten. Ausserst knapp – mit Stichentscheid von Nationalratspräsident Ruffy (sp, VD) – wurde der Antrag schliesslich abgelehnt. Etwas deutlicher unterlag auch ein Eventualantrag Nabholz (fdp, ZH), der die Kinderzulagen entsprechend der Kaufkraft in den Herkunftsländern kürzen wollte.

Im Differenzbereinigungsverfahren schwenkte der Nationalrat in der Frage der Rekurskommission auf die Linie des Ständerates ein. Die Kinderzulagen führten jedoch erneut zu heftigen Diskussionen. Schliesslich votierte der Rat relativ knapp für einen Kompromissvorschlag Hess (svp, TG), wonach die Kinderzulagen der Asylbewerber zwar zurückbehalten, ihnen aber im Fall eines positiven Gesuchsentscheids oder einer vorläufigen Aufnahme rückwirkend ausbezahlt werden. Diesem Vorgehen konnte der Ständerat ebenfalls zustimmen.

Nach der Bereinigung kleinerer Differenzen wurde die Gesamtvorlage im der kleinen Kammer einstimmig und in der Volkskammer mit grossem Mehr angenommen. Beide Räte sprachen sich einstimmig für die Annahme der Dringlichkeitsklausel aus. Der Ständerat stimmte einstimmig, der Nationalrat mit deutlichem Mehr der Schaffung eines Bundesamtes für Flüchtlinge zu. Der Nationalrat überwies zudem ein Postulat der vorberatenden Kommission, welches den Bundesrat ersucht, umgehend einen Massnahmenkatalog für die Entwicklungszusammenarbeit mit den wichtigsten Herkunftsländern von Asylbewerbern vorzulegen. Eine Motion der Kommissionsminderheit, welche vom Bundesrat Massnahmen gegen die Menschenrechtsverletzungen in der Türkei verlangte, wurde nur nach längerem Zögern als Postulat überwiesen. Zudem wurden zwei Postulate angenommen, welche eine stärkere Einbeziehung des UNO-Hochkommissariats für Flüchtlinge anregten.

Referendum kam nicht zustande

Gegen die dritte Asylgesetzrevision wurde von einem vorwiegend aus Privatpersonen zusammengesetzten Komitee – darunter Kulturschaffende wie Dürrenmatt und Botta – das Referendum ergriffen. SP, GP und die meisten Hilfswerke gingen merklich auf Distanz, da sie befürchteten, eine breit angelegte Asyldiskussion könnte die fremdenfeindlichen Tendenzen in der Bevölkerung weiter schüren. Unter diesen Umständen kam das Referendum nicht zustande.

Parlamentarische Initiative Ruf

Nationalrat Ruf (sd, BE) ging die Verschärfung des Asylrechts hingegen zu wenig weit. Gegen den Willen der vorberatenden Kommission hielt er an seiner 1985 eingereichten parlamentarischen Initiative fest, mit welcher er erreichen wollte, dass die Schweiz nur noch Flüchtlingen aus dem abendländischen Kulturkreis – und auch diesen nur unter sehr restriktiven Bedingungen – Asyl gewähren könnte. Mit überwältigenden Mehr lehnte der Rat es ab, dieser Initiative Folge zu geben. Trotz der deutlichen Abfuhr doppelte Ruf mit einer neuen Initiative nach, welche eine Maximaldauer des Verfahrens von sechs Monaten in der Verfassung festschreiben möchte.