Befristete Massnahmen zur Präventation vor Gewalt bei im Umfeld von Sportveranstaltungen (BRG 05.065)

Dossier: Bekämpfung des Hooliganismus (inkl. Hooligan-Konkordat)

Insbesondere im Hinblick auf die Durchführung der Fussball-Europameisterschaft in der Schweiz im Jahre 2008 hatte der Bundesrat 2003 den Vorentwurf für die Schaffung von gesetzlichen Grundlagen für die Bekämpfung von Gewalt bei und im Umfeld von Sportveranstaltungen in die Vernehmlassung gegeben. Die vorgeschlagene Datenbank über Hooligans und andere gewaltbereite Personen war namentlich von den Kantonen und den Sportverbänden sehr gut aufgenommen worden. Ende 2004 kündigte der Bundesrat an, dass er einen um weitere konkrete Massnahmen (z.B. Rayonverbote, Reiseverbote, Präventivhaft) ergänzten Vorentwurf in eine zweite Vernehmlassung geben werde.

Im Sommer legte der Bundesrat seine Vorschläge für die Schaffung von zusätzlichen gesetzlichen Grundlagen für die Bekämpfung von Gewalt bei und im Umfeld von Sportveranstaltungen vor. Diese sollen insbesondere auch der Verstärkung des Sicherheitsdispositivs zu einer problemlosen Durchführung der Fussball-Europameisterschaft in der Schweiz im Jahre 2008 dienen. Eingefügt werden sie in das Bundesgesetz von 1997 über Massnahmen zur Wahrung der inneren Sicherheit. Neben einer Datenbank für notorisch gewaltbereite Besucher von Sportanlässen (so genannte Hooligans) sind darin auch Massnahmen enthalten, welche die Behörden gegen derartige Personen ergreifen können, um sie von Sportanlässen fernzuhalten. Diese gehen von Rayonverboten über die Meldepflicht (z.B. am eigenen Wohnort zur Zeit eines auswärts stattfindenden Sportanlasses) bis zur präventiven Haft („vorsorglicher Gewahrsam“). Da auch Auseinandersetzungen zwischen politischen Gegnern der links- und rechtsextremen Szene immer häufiger gewaltsam ausgetragen werden, beantragt der Bundesrat zudem die Schaffung von rechtlichen Grundlagen für die Beschlagnahmung von Propagandamaterial, das zu physischer Gewalt aufruft.

Der Nationalrat behandelte das Geschäft in der Wintersession. Die Linke bekämpfte die Vorlage mit einem von der GP und einer starken Minderheit der SP unterstützten Nichteintretens- und, als Alternative dazu, einem von GP und SP geschlossen unterstützten Rückweisungsantrag. Sie bemängelte wie bereits in der Vernehmlassung, dass die Vorlage überflüssig sei, weil Repressionsmittel wie Rayonverbote oder die Meldepflicht im Rahmen der kantonalen Polizeigesetze geschaffen werden können, und dass grundsätzlich viel mehr Gewicht auf präventive Massnahmen wie Fanbetreuung gelegt werden müsste. Beide Anträge scheiterten deutlich. In der Detailberatung konnte sich die Linke auch nicht mit ihren Anliegen durchsetzen, dass Massnahmen wie die Aufnahme einer Person in eine Hooligan-Datenbank, Rayonverbote oder Polizeigewahrsam (während eines Spiels) nur gegen Personen verhängt werden dürfen, welche von einem Gericht zuvor rechtskräftig wegen Gewaltanwendung verurteilt worden sind. Die bürgerliche Ratsmehrheit hielt dem entgegen, dass längstens nicht alle Teilnehmer an Gewalttätigkeiten im Umfeld von Sportveranstaltungen angezeigt würden, und dass zudem von einer Tat bis zu einer rechtsgültigen Verurteilung unter Umständen Jahre vergehen können. In der Gesamtabstimmung hiess der Nationalratrat das Gesetz mit 107 zu 50 Stimmen gut. Die GP hatte geschlossen, die SP bei neun Enthaltungen dagegen gestimmt.

Als Zweitrat stimmte auch der Ständerat den Vorschlägen der Regierung zur Schaffung von neuen gesetzlichen Grundlagen für die Bekämpfung von Gewalt bei und im Umfeld von Sportveranstaltungen zu. Ähnlich wie der Bundesrat hegte er jedoch Zweifel, ob der Bund überhaupt berechtigt sei, derartige an sich in den kantonalen Kompetenzbereich gehörende polizeiliche Massnahmen (etwa Rayonverbote oder die Beschlagnahmung von Propagandamaterial ohne Abstützung auf ein Strafurteil) zu erlassen. Er lehnte zuerst mit 33 zu 10 Stimmen einen Antrag Pfisterer (fdp, AG) ab, die Vorlage an die Kommission zurückzuweisen mit der Auflage, nur eindeutig verfassungskonforme Massnahmen vorzuschlagen. Er beschloss dann aber, das Gesetz zu befristen, wie dies im Nationalrat der Bundesrat vergeblich beantragt hatte. Dabei verlängerte er die Geltungsdauer gegenüber dem Entwurf des Bundesrates um ein Jahr auf Ende 2009, damit die neuen Bestimmungen auch noch während der in der Schweiz stattfindenden Eishockey-Weltmeisterschaft vom Frühjahr 2009 anwendbar sind. Der Nationalrat sprach sich in der Differenzbereinigung ebenfalls für die Befristung aus. In der Schlussabstimmung wurden die neuen Massnahmen zur Bekämpfung von Gewalt im Zusammenhang mit Sportveranstaltungen deutlich angenommen. Dagegen stimmten im Nationalrat die geschlossenen Grünen und eine klare Mehrheit der SP. Im Anschluss an ihre Beratungen verabschiedeten beide Kammern eine Motion der Rechtskommission des Ständerates (Mo. 06.3004), mit welcher sie den Bundesrat beauftragten, für die eben beschlossenen befristeten Massnahmen eine dauerhafte Lösung zu finden. Dies könne gemäss Motionstext durch die Schaffung von entsprechenden, in der Verfassung festgelegten Bundeskompetenzen im Polizeibereich geschehen, oder aber durch den Abschluss eines Konkordates unter den Kantonen.

Gegen die neuen Bestimmungen ergriffen organisierte Fans diverser Fussball- und Eishockeyclubs das Referendum. Sie warnten vor Willkürentscheiden und vor einer Kriminalisierung jugendlicher Fans. Obwohl SP und Grüne das Gesetz im Parlament bekämpft hatten, unterstützten sie die Unterschriftensammlung nicht, da es sich nicht um ein prioritäres Anliegen ihrer Parteien handle. Nach massiven Ausschreitungen im Anschluss an ein Fussballspiel in Basel erlahmte die Unterschriftensammlung, die schon vorher nicht allzu erfolgreich verlaufen war, und das Referendum kam nicht zustande. Der Bundesrat beschloss, das neue Gesetz auf Anfang 2007 in Kraft zu setzen.

Gewalt bei und im Umfeld von Sportveranstaltungen: Verfassungskompetenz vs. Konkordatslösung (BRG 07.067)

Dossier: Bekämpfung des Hooliganismus (inkl. Hooligan-Konkordat)

Die im Vorjahr mit Blick auf die 2008 in der Schweiz und in Österreich stattfindende Fussball-Europameisterschaft beschlossenen Massnahmen zur Bekämpfung von Gewalt bei und im Umfeld von Sportveranstaltungen sind auf Ende 2009 befristet. Der Grund dafür besteht insbesondere in der problematischen Vereinbarkeit mit den aktuellen Verfassungsbestimmungen über die Kompetenzen des Bundes im Bereich von Polizeimassnahmen. Der Bundesrat schlug nun die vom Parlament mit einer Motion (06.3004) verlangte Verfassungsänderung vor, die ihm in einem neuen Artikel 68.4 BV die Kompetenz erteilt, „Vorschriften zur Verhinderung und zur Eindämmung von Gewalttätigkeiten und Ausschreitungen anlässlich von Sportveranstaltungen“ zu erlassen. Damit könnte die Befristung der Gesetzesänderungen aufgehoben werden. Der Bundesrat empfahl allerdings dem Parlament, die Arbeit an diesem Projekt sofort einzustellen, falls die Kantone sich darauf einigen würden, einheitliche Massnahmen zur Bekämpfung von Gewalt bei Sportveranstaltungen auf dem Konkordatsweg einzuführen. Die Kantone bekräftigten im Frühjahr, dass sie es vermeiden möchten, in diesem Bereich Kompetenzen an den Bund abzutreten, und sie machten sich an die Ausarbeitung einer eigenen Lösung. Diese sieht so aus, dass die von der Bundesversammlung im Jahr 2006 beschlossenen Massnahmen aus dem Bundesgesetz herausgelöst und in die kantonalen Gesetzgebungen integriert werden. Im November legten die kantonalen Justiz- und Polizeidirektoren ein entsprechendes Konkordat vor. Um diese kantonale Lösung nicht zu verhindern, lehnte der Nationalrat auf Antrag des Bundesrats eine Motion Joder (svp, BE) (06.3064) ab, welche eine nationale Verfassungsgrundlage für die Polizeimassnahmen forderte.

In der Sommersession stimmte der Ständerat sowohl der vom Bundesrat vorgeschlagenen Verfassungskompetenz zum Erlass von bundesgesetzlichen Massnahmen gegen Gewalt bei und im Umfeld von Sportveranstaltungen als auch einer als Alternative dazu möglichen kantonalen Konkordatslösung zu. Nachdem die Konferenz der kantonalen Justiz- und Polizeidirektoren dargelegt hatte, dass die Konkordatslösung in allen Kantonen bereits weit fortgeschritten ist, beschloss der Nationalrat auf Antrag seiner Rechtskommission, auf die Variante Bundesverfassung nicht einzutreten und die Stellungnahme zur Konkordatslösung zu sistieren. Die kleine Kammer verzichtete daraufhin ebenfalls auf die Bundeslösung und beide Räte beschränkten sich darauf, die Bundesgesetze an die Bestimmungen des Konkordats anzupassen. Es handelte sich dabei um die Bestimmungen über die Eintragung von Gewalttätern in eine nationale Datenbank sowie über ein vom Bund zu vollziehendes temporäres Ausreiseverbot in ein Land, in welchem eine konfliktgefährdete Sportveranstaltung stattfindet.

Hooligan-Konkordat

Dossier: Bekämpfung des Hooliganismus (inkl. Hooligan-Konkordat)

Die kantonalen Justiz- und Polizeidirektoren regten ein Konkordat an, welches das Verhängen von schweizweiten Rayonverboten ermöglichen soll. Erhält ein Hooligan Rayonverbot, darf er sich nicht mehr in der Nähe von Sportstätten aufhalten. Ein solches Verbot galt bisher nur für genau definierte Regionen und soll neu schweizweit Geltung haben. Gewalttätige Fans werden im Polizeiinformationssystem Hoogan eingetragen. Die Kontrollen der Verbote, die für drei Jahre gelten, sollen von den Fussball- und Eishockeyclubs vorgenommen werden. Mit einer Mustervereinbarung beschlossen die kantonalen Polizeidirektoren zudem, die Sportvereine zu mehr Gewaltprävention zu verpflichten. Gefängniszellen im Stadion, verstärkter Polizeieinsatz und alkoholfreies Bier sollen helfen, die Sicherheit in den Sportstadien zu erhöhen. Die gegen das Konkordat eingereichten Beschwerden wurden vom Bundesgericht im Oktober und im November abgewiesen. Es machte geltend, dass die Bestimmungen nicht wie von den Beschwerdeführenden reklamiert, gegen die Europäische Menschenrechtskonvention verstossen, da Rayonverbote, Meldeauflagen und Polizeigewahrsam keinen strafrechtlichen Charakter hätten.

Auch die Konferenz der kantonalen Justiz- und Polizeidirektoren (KKJPD) befasste sich mit der Gewalt bei Sportanlässen. Der Vorstand beschloss einstimmig eine Verschärfung des Hooligans-Konkordates. Zu den Massnahmen gehören eine Bewilligungspflicht für Fussball- und Eishockeyspiele, landesweite Rayonverbote und eine Verschärfung der Meldeauflagen. Die Vorschläge gingen in die Vernehmlassung und sollen 2012 in die Kantonsparlamente kommen. Auch begrüsste die KKJPD die vorgesehenen Massnahmen der SBB und des Bundes.

Die Konferenz der kantonalen Justiz- und Polizeidirektoren (KKJPD) verabschiedete am 2. Februar 2012 das verschärfte Konkordat über Massnahmen gegen Gewalt anlässlich von Sportveranstaltungen, kurz Hooligan-Konkordat. Dieses sieht neu u.a. eine Verlängerung des Rayonverbots von einem auf ein bis drei Jahre und verschärfte Meldeauflagen vor. Personenkontrollen sollen von der Polizei und nur bei konkretem Verdacht durchgeführt werden können. Privaten Sicherheitsfirmen kann das Abtasten nach verbotenen Gegenständen über den Kleidern erlaubt werden. Neu ist zudem, dass die Behörden eine Bewilligungspflicht für Eishockey- und Fussballspiele der Männer der obersten Liga einführen können. Diese Bewilligung kann mit Auflagen an die privaten Veranstalter, etwa betreffend die Anreise der auswärtigen Fans, verbunden werden. Eine Koordinationsgruppe verabschiedete am 16. November 2012 ein Muster einer Rahmenbewilligung, um eine einheitliche Umsetzung der Bewilligungspflicht zu erreichen. Einige Punkte dieser Rahmenbewilligung gaben Anlass zur Diskussion. So etwa, dass bei Hochrisikospielen im und um das Stadion ein Alkoholverbot gelten und durch elektronische Zutrittskontrollen ein Abgleich der ID mit der Hooligan-Datenbank Hoogan gemacht werden sollen. Ende 2012 hatten bereits die Kantone St. Gallen, Aargau, Zug, Neuenburg, Appenzell Innerroden, Uri, Zürich und Luzern das Konkordat ratifiziert und in Appenzell Innerroden und St. Gallen ist es bereits in Kraft getreten.

Im Jahr 2013 war in mehreren Kantonen der Beitritt zum verschärften Hooligankonkordat debattiert worden. In drei Kantonen (Luzern, Neuenburg, Aargau) konnte das im Vorjahr angenommene Konkordat in Kraft treten. Während im Kanton Appenzell Ausserrhoden das Konkordat vom Kantonsrat angenommen und kein Referendum ergriffen worden war, lief 2013 in den Kantonen Jura, Genf, Solothurn und Freiburg noch die Referendumsfrist. Im Kanton Bern wurde erfolgreich das Referendum ergriffen, was im Kanton Tessin nicht gelang. In Schaffhausen und Basel-Landschaft gab zwar der Regierungsrat seine Zustimmung, jedoch waren die Verschärfungen Ende 2013 noch nicht in Kraft getreten. Basel-Stadt war bislang der einzige Kanton, in dem der Regierungsrat gar nicht erst auf die Revision eintrat. In den drei Kantonen Glarus, Graubünden und Nidwalden wurde noch kein Entscheid gefällt.