Übersicht 2013

Gesamterneuerungswahlen für die Regierung standen in den Kantonen Solothurn, Wallis, Neuenburg und Genf gleichzeitig mit den Parlamentswahlen an. Zusätzlich zu diesen vier Kantonen wählte die Stimmbevölkerung von Appenzell Innerrhoden eine neue Exekutive. Insgesamt brachten die Wahlen einige Veränderungen, die vor allem zulasten der FDP gingen. Einzig im Kanton Solothurn kam es zu keiner Sitzverschiebung: die deutliche bürgerliche Mehrheit aus je zwei FDP- und CVP-Sitzen wurde gegenüber einem SP-Mandat erfolgreich verteidigt. Die SVP scheiterte dabei erneut relativ deutlich während die Grünen nur knapp nicht in die Regierung einzogen. In den restlichen vier Kantonen kam es hingegen zu Verschiebungen. Wenig spektakulär waren diese im Kanton Appenzell Innerrhoden, wo Carlo Schmid (cvp) nach 29 Jahren Kantonalpolitik durch einen Unabhängigen ersetzt wurde. Kein Stein auf dem anderen blieb dagegen im Kanton Neuenburg, der in der vergangenen Legislatur von mehreren politischen Krisen durchgeschüttelt worden war. Die Neuenburgerinnen und Neuenburger wählten zwei Bisherige ab, gewährten der SVP zum ersten Mal Einsitz in der Regierung, verschafften der SP eine Regierungsmehrheit und versetzten der FDP eine veritable Schlappe: statt 3 FDP und 2 SP-Sitze wie bis anhin, setzt sich der Neuenburger Staatsrat neu aus drei SP, einem FDP und einem SVP-Vertreter zusammen. Ein Rechtsrutsch war in der Regierung des Kantons Genf zu verzeichnen: Mit Mauro Poggia konnte der MCG erstmals in den Staatsrat einziehen. Die Linke verfügt hingegen nur noch über zwei Sitze – je einen für die SP und für die GP, welche damit einen Sitzverlust hinnehmen musste. Auch in Genf wurden zwei Bisherige abgewählt. Neben der Grünen Michèle Künzler musste auch die zweite Frau in der Regierung, Isabel Rochat (fdp), den Hut nehmen. Ihr Mandat eroberte die CVP. Damit verfügt die Entente in Genf zwar immer noch über vier Sitze (je zwei CVP und FDP), wird neu aber nicht mehr nur von links (1 SP, 1 GP), sondern auch von rechts (1 MCG) bedrängt. Einen Erfolg konnte die SVP auch im Kanton Wallis feiern, wo sie mit Nationalrat Oskar Freysinger erstmals einen Regierungssitz erobern konnte. Freysinger war verantwortlich dafür, dass die FDP auch im Wallis Federn lassen musste. Erstmals seit einem Dreivierteljahrhundert ist der Freisinn im Kanton nicht mehr an der Regierung beteiligt.

Die Verschiebungen aufgrund der zahlreichen Ersatzwahlen 2013 mitberücksichtigend präsentierte sich die Verteilung der total 156 kantonalen Regierungsratssitze per Ende 2013 wie folgt: Trotz der Niederlagen im Jahr 2013 ist die FDP nach wie vor die stärkste Regierungskraft in den Kantonen. 26.9% der Exekutivsitze (42 Sitze) waren in Freisinniger Hand (2012: 29.5%). Die CVP hatte Ende 2013 jeden vierten kantonalen Regierungssitz (39 Sitze) inne. Die SP folgt mit 33 Mandaten auf Rang drei (21.2%). Mit 21 Sitzen nach wie vor etwas abgeschlagen stand die SVP (13,5% aller Sitze) da. Die Grünen mussten sich neu noch mit acht Regierungsmandaten begnügen, während sich sechs weitere Parteien total 13 Sitze teilten (BDP: 4 Sitze, Parteilose: 3 Sitze, Lega: 2 Sitze, AL, CSP, LP und MCG je 1 Sitz). Nach wie vor nicht an kantonalen Regierungen beteiligt ist die GLP.

Im Vergleich zu Ende 2012 haben die Frauen einen Regierungssitz verloren. 35 der schweizweit 156 Regierungssitze waren Ende 2013 in Frauenhand (22,4%). In 19 Kantonen sitzt wenigstens eine Frau in der Exekutive und sechs Kantone kennen zwei Regierungsrätinnen. Einzig im Kanton Waadt regiert eine Frauenmehrheit (4 Mandate). Während bei der SP 42,4% der sozialdemokratischen Regierungsmandate von Frauen besetzt werden und bei den Grünen immerhin noch ein gutes Drittel des Regierungspersonals weiblich ist (37,5%), sitzen die FDP-Frauen nur auf gut jedem vierten freisinnigen Regierungssessel (26,2%). Bei der SVP werden gar nur zwei der 21 SVP-Regierungssitze von Frauen gehalten (9,5%). Noch schlechter schneidet die CVP ab, bei der 5,1% ihrer 39 Regierungsmandate weiblich besetzt sind.

In einigen Kantonen wurden im Berichtjahr Reformen der politischen Rechte vorgenommen, welche die Bestellung der kantonalen Exekutiven beeinflussen. Im Kanton Zug hiessen die Stimmberechtigten mit einem Ja-Anteil von 62.8% die Initiative „Ja zur Personenwahl“ gut. Ab sofort wird die Regierung im Kanton Zug damit also nicht mehr mittels Proporz- sondern mittels Majorzwahlsystem bestimmt. Bereits zum dritten Mal wurde im Kanton Zug über eine entsprechende Änderung abgestimmt, für die sich vor allem die CVP, die FDP und die GLP einsetzten, während sich die kleineren Parteien, aber auch die SP, die SVP und die GP, gegen die Einführung von Majorzwahlen aussprachen. Die Gegner kritisierten, dass sich die CVP und die FDP ihren Machtanspruch sichern wollten. Hauptargumente der Befürworter waren, dass Vakanzen während der Legislatur Neuwahlen nach sich ziehen würden und nicht die jeweilige Partei selber durch Nachrücker über die Nachfolge entscheiden solle. Majorzwahlen seien dagegen Persönlichkeitswahlen, bei denen der Zufall keine Rolle spiele. Auch das Kantonsparlament und die Regierung hatten die Vorlage zur Annahme empfohlen. Mit einer Stimmbeteiligung von 44% wurde damit eine 119jährige Tradition und Zuger Spezialität abgeschafft. Mit dem Zuger Entscheid bleibt das Tessin der einzige Kanton, der seine Regierung noch nach dem Proporzwahlsystem bestimmt, was – wie das Berichtjahr zeigt – auch sehr spezielle Folgen nach sich ziehen kann (siehe unten). Im Kanton Appenzell Ausserrhoden wurde im Rahmen einer Staatsleitungsreform eine Verkleinerung der Exekutive von sieben auf fünf Mitglieder, die Einführung eines Vollamtes, eine Amtszeitbeschränkung auf 16 Jahre und die Abschaffung der Volkswahl des Landammanns beschlossen. Der Kantonsrat beschloss mit 32 zu 28 Stimmen knapp, „die Schatten der Landsgemeinde“ abzustreifen.

Staatsratswahlen Wallis 2013

Dossier: Elections cantonales - Valais

Ein Ereignis, das die Gesamterneuerungswahlen für den Walliser Staatsrat mit beeinflusste, hatte bereits 2012 seinen Anfang genommen. Der damalige Polizeikommandant und aussichtsreiche Kandidat der FDP, Christian Varone, war in der Türkei des versuchten Diebstahls und Schmuggels von antiken Kulturgütern angeklagt worden. Er hatte zugegeben, einen Stein von einer Kulturstätte als Souvenir nach Hause genommen zu haben, wäre sich aber der Bedeutung nicht bewusst gewesen. Die Walliser FDP hielt trotz der vehementen Warnungen von alt Bundesrat Pascal Couchepin an ihrem Kandidaten fest, obwohl das Gerichtsverfahren in der Türkei zuerst auf Ende Februar angesetzt war, die Wahlen aber bereits Anfang März stattfanden. Die „Stein-Affäre“ wurde im Walliser Wahlkampf abgesehen von ein paar ironischen Seitenhieben praktisch nicht bemüht. Die Geschichte wurde aber vor allem von den ausserkantonalen Medien dankbar aufgenommen. Das zweite beherrschende Thema des Wahlkampfes war die Kandidatur von SVP-Nationalrat Oskar Freysinger. Pikanterweise stammen Fresyinger wie Varone aus Savièse. Weil laut kantonaler Verfassung nur ein Staatsrat pro Wahlkreis gewählt werden kann, wurde die Bewerbung Freysingers von den Medien zu einem Duell Varone vs. Freysinger hochstilisiert. Dieses versprach zusätzlich Spannung, weil beide Kandidierenden mit ihrer rechtskonservativen, auf Sicherheit, Recht und Ordnung bedachten Politik ähnliche Wählerschichten ansprachen. Der auf nationaler Ebene als pointiert wahrgenommene Freysinger trat zudem im kantonalen Wahlkampf überaus konziliant auf. Ob dieser medial stark bearbeiteten Ausgangslage ging der eigentliche Wahlkampf fast unter. Weil vier der fünf Bisherigen – Jean-Michel Cina, Jacques Melly und Maurice Tornay von der CVP und Esther Waeber-Kalbermatten von der SP – wieder antraten, wurde allgemein erwartet, dass es bei der bisherigen Zusammensetzung (3 CVP, 1 FDP, 1 SP) bleiben würde. Einzig Claude Roch (fdp) war zurückgetreten. Diesen Sitz sollte Varone verteidigen. Neben den vier Bisherigen, Varone und Freysinger wurde Christoph Clivaz von den Grünen ins Rennen geschickt, dem aber – auch weil er ebenfalls im Bezirk Sitten antrat – kaum Chancen eingeräumt wurden. Die drei CVP-Kandidierenden fielen mit einer eigentlichen Ochsentour mit zahlreichen Wahlveranstaltungen auf. Dies trotz der für sie relativ sicheren Ausgangslage, weil anders als noch 2009 die Christlichsozialen aus dem Oberwallis (die so genannten „Gelben“) keinen Herausforderer stellten, sondern mit den „Schwarzen“ der CVP einen Schulterschluss vollzogen hatten. Die CVP und die SP betonten die bisherige gute Zusammenarbeit und setzten beide auf Varone. Bei der SP war dies durchaus mit Hintergedanken verbunden, da bei einem möglichen zweiten Wahlgang ihr Oberwalliser Sitz von einem neuen FDP-Kandidierenden angegriffen werden könnte, sollte Varone gegen Freysinger nicht punkten. Sachpolitik spielte im Wahlkampf eine eher untergeordnete Rolle, obwohl die Umsetzung der Zweitwohnungsinitiative und die anstehende Revision des Raumplanungsgesetzes, die zudem zeitgleich mit den Walliser Wahlen an die Urne kam, insbesondere für den Kanton Wallis starke Auswirkungen hatten. Zu reden gab dafür die Veröffentlichung eines Videos, auf dem der Einsatz der Walliser Polizei nach einem tragischen Verkehrsunfall mit einem belgischen Reisecar zu sehen war. Angeblich war das Video ins Internet gestellt worden, um die Kritik der belgischen Eltern am zu langsamen Polizeieinsatz zu entkräften. Die Veröffentlichung geschah allerdings ohne das Wissen der Polizeidirektorin Waeber-Kalbermatten und wurde in den Medien als Werbung für den Polizeikommandanten – Christian Varone – verstanden. Für Kritik insbesondere bei der CVP und der FDP sorgte die Ankündigung Freysingers, bei einer allfälligen Wahl das Nationalratsmandat weiterhin ausüben zu wollen.

Der erste Wahlgang brachte ein eigentliches Erdbeben. Nicht die drei Bisherigen der CVP, sondern der Herausforderer der SVP, Oskar Freysinger, erzielte die meisten Stimmen. Mit 53'178 Zählern distanzierte er den ebenfalls neu angetretenen Christian Varone (32'422 Stimmen) um über 20'000 Stimmen. Dies kam einer veritablen Ohrfeige für die FDP gleich. Jean-Michel Cina (50'256 Stimmen), Jacques Melly (47'589 Stimmen) und Maurice Tornay (46'728 Stimmen) blieben zudem nur die Ränge zwei bis vier. Esther Waeber-Kalbermatten folgte mit 35'491 Stimmen auf dem fünften Rang. Abgeschlagen war Christophe Clivaz, der 15'856 Stimmen erhielt. Dass Varone in Savièse doppelt so viele Stimmen holte wie Freysinger war ein schwacher Trost für die FDP. Bei einer wohl auch aufgrund der gleichzeitig stattfindenden Abstimmung zur Revision des Raumplanungsgesetz sehr hohen Wahlbeteiligung von 68,1% (2009: 54,6%) erreichte allerdings keiner der Kandidierenden das absolute Mehr (67'870 Stimmen). Der Erfolg von Freysinger und die Niederlage von Varone wurden in einigen Medien als Folge der Stein-Affäre interpretiert. Im Kanton Wallis selber wurde hingegen eher vermutet, dass Freysinger als eigentlicher „Politstar“ mehr Wahlberechtigte von sich überzeugen konnte als alle anderen Kandidierenden. Das Resultat wurde denn auch als Zeichen eines Protestes gegen verkrustete Strukturen gewertet. Die CVP begründete ihr unerwartet schwaches Abschneiden mit der gleichzeitigen Abstimmung zur Raumplanungsrevision und der entsprechenden Ja-Parole der nationalen CVP.

Noch am Montag nach den Wahlen gab Varone bekannt, nicht für einen zweiten Umgang zur Verfügung zu stehen. Ebenso zog sich Christoph Clivaz (gp) zurück. Die FDP nominierte mit ihrem Kantonalpräsidenten Léonard Bender einen Ersatzkandidaten und sorgte damit dafür, dass ein zweiter Wahlgang angesetzt werden musste. Bender trat im Wahlkreis Martigny an und bedrohte damit keinen der restlichen fünf Kandidierenden direkt. Ein Aufruf für die Abwahl eines CVP-Kandidierenden, um eine neue Walliser Zauberformel und eine adäquatere Vertretung der Parteien in der Regierung einzuläuten, fruchtete trotz ganzseitigem Inserat im Blick nichts: Der zweite Umgang wurde zwei Wochen nach dem ersten nicht nur zu einem Triumph für Oskar Freysinger, sondern besiegelte auch die Verdrängung der FDP aus dem Walliser Staatsrat nach 76 Jahren Regierungsbeteiligung. Bei einer erneut hohen Stimmbeteiligung von 64,8% setzte sich Freysinger mit 56'913 Stimmen erneut deutlich an die Spitze. Erstmals zog die SVP damit in die Walliser Regierung ein. Überraschend auf Platz zwei folgte Esther Waeber-Kalbermatten mit 48'602 Stimmen. Das CVP-Trio mit Jean-Michel Cina (46'469 Stimmen), Jacques Melly (42'862 Stimmen) und Maurice Tornay (41'792 Stimmen) lag deutlich vor Léonard Bender, der für die FDP 29'874 Stimmen holte. Freysingers Doppelmandat stiess nach den Wahlen weiterhin auf Kritik und es wurde erwartet, dass der neu gewählte Regierungsrat mit einer starken Opposition im Parlament rechnen muss. Der neu gekürte SVP-Staatsrat konnte zudem nicht das von ihm gewünschte Departement für Sicherheit übernehmen (es verblieb bei Waeber-Kalbermatten) sondern musste mit dem Departement für Erziehung Vorlieb nehmen, wo einige einschneidende Reformen anstanden. Kurz nach den Wahlen wurde das Urteil aus der Türkei gegen Varone publik. Varone war wegen versuchten Diebstahls von Kulturgut zu einem Jahr und 15 Tagen Gefängnis unter Aufschub verurteilt worden. Das Urteil hatte somit keine strafrechtlichen Folgen und Varone wurde wieder als Polizeikommandant eingesetzt.

Ersatzwahl Regierungsrat Appenzell Ausserrhoden 2013

Dossier: Elections cantonales - Appenzell Rhodes-Extérieures

Im Kanton Appenzell Ausserrhoden gilt für Regierungsmitglieder eine Altersgrenze von 65 Jahren. Diese hätte der amtierende Landammann Hans Diem (svp) eigentlich erst 2014 erreicht. Gesundheitliche Gründe zwangen ihn allerdings dazu, bereits im Berichtjahr zurückzutreten. Damit musste nicht nur ein neues Regierungsmitglied bestimmt, sondern auch die Besetzung des Amtes des Landammanns, also des Ausserrhoder Regierungspräsidiums neu geregelt werden. Der Landammann wird für vier Jahre von der Wahlbevölkerung bestimmt. Für das Amt bewarb sich einzig die amtierende Regierungsrätin und bisherige Stellvertreterin von Hans Diem, Marianne Koller Bohl (fdp). Die SP, deren amtierender Gesundheitsdirektor Matthias Weishaupt 2011 bei der Wahl zum Landammann nur ganz knapp an Diem gescheitert war, wollte nicht antreten. Die Wahl von Koller Bohl war damit reine Formsache. Spannender gestaltete sich die Wahl für den frei gewordenen Regierungssitz. Die SVP wollte ihren zweiten Sitz mit Ingeborg Schmid-Huser (svp) verteidigen. Die FDP – bereits mit vier Sitzen in der Regierung vertreten – machte der SVP den Sitz mit dem Stadtpräsidenten von Herisau, Paul Signer (fdp) allerdings streitig. Mit Aussenseiterchancen trat zudem Samuel Büechi (gp) an, der schon bei den Nationalratswahlen 2011 einen Achtungserfolg hatte erringen können. Die mit einem Sitz im Regierungsrat vertretene SP verzichtete darauf, eine eigene Kandidatur zu präsentieren und unterstützte, überraschenderweise, nicht Büechi, sondern Signer, um den zweiten SVP-Sitz zu verhindern. Die Wahl verhiess auch deshalb Spannung, weil für das Folgejahr eine Staatsleitungsreform in Planung war, mit der nicht nur die Altersguillotine fallen sollte, sondern auch eine Verkleinerung des Rates von sieben auf fünf Mitglieder, die Abschaffung der Volkswahl des Landammanns, eine generelle Amtszeitbeschränkung von 16 Jahren und eine Professionalisierung durch Einführung von Vollämtern angestrebt wurde.

Bei den Ersatzwahlen am 3. März wurde Koller Bohl (fdp) wie erwartet mit 82% aller Stimmen (11'444 Stimmen) zur dritten Frau Landammann im Kanton Appenzell Ausserrhoden gewählt; die ersten beiden Frauen im höchsten Exekutivamt vor ihr waren Marianne Kleiner (1997 bis 2000) und Alice Scherrer (2003 bis 2006). Im Rennen um die Nachfolge von Hans Diem als Regierungsrat wurde hingegen ein zweiter Wahlgang nötig. Zwar lag Paul Signer mit 8'105 Stimmen deutlich vor Ingeborg Schmid-Huser (5'645 Stimmen), der Achtungserfolg von Samuel Büechi (2'985 Stimmen) führte aber dazu, dass Signer das absolute Mehr um 358 Stimmen verpasste. Büechi trat für den zweiten Umgang am 7 . April nicht mehr an, kritisierte aber die Machtfülle der FDP. Tatsächlich wurde Paul Signer im zweiten Wahlgang mit 8'085 Stimmen gewählt. Ingeborg Schmid-Huser konnte 5'628 Stimmen auf sich vereinen. Auch sie bezeichnete die Dominanz der FDP als Problem. Neu stellte die FDP fünf von sieben Regierungsmitglieder, die SVP und die SP je einen. Zudem hielten die Freisinnigen sowohl den einzigen Nationalratssitz (Andrea Caroni) als auch die Ständeratsvertretung (Hans Altherr). Die Wahlbeteiligung im zweiten Wahlgang lag mit 38,6% deutlich tiefer als noch im März (47,7%); die Resultate weisen darauf hin, dass die Wählerschaft von Büechi nicht mehr an die Urne ging.

Mitte Juni hiess der Kantonsrat die geplante Regierungsreform knapp mit 32:28 Stimmen gut. Damit dürften auch die für 2015 angesetzte nächste Gesamterneuerungswahl spannend werden. Ob die anderen Parteien dann ein Rezept gegen die übermächtige FDP finden werden, muss sich spätestens dann weisen.

Regierungsratswahlen Solothurn 2013

Dossier: Elections cantonales - Soleure

Die starke bürgerliche Mehrheit im Regierungsrat des Kantons Solothurn (2 FDP, 2 CVP, 1 SP) wurde sowohl von links-grün als auch von der SVP angegriffen. Die Volkspartei hatte auch im Kanton Solothurn in den letzten Jahren vor allem auf Kosten der FDP an Wählerkraft zugelegt, was sich nun – so ihr Ziel für die anstehenden Gesamterneuerungswahlen – endlich auch in der Regierung wiederspiegeln sollte. Alle bisherigen Anläufe, um bei den Solothurner Regierungsratswahlen zu punkten, waren chancenlos geblieben. Der als konziliant geltende und aufgrund seiner Volksnähe auch als „Willi Ritschard der SVP“ bezeichnete Gemeindepräsident von Hägendorf, Albert Studer, sollte dies ändern. Auf der anderen Seite trat Links-Grün nicht nur mit dem amtierenden Peter Gomm (sp) an, sondern wollte mit Andreas Bühlmann (sp) und der ehemaligen Nationalrätin Brigit Wyss (gp), die unter dem Slogan „Bio, Bodenständig, Blond“ antrat, mindestens einen zusätzlichen Sitz erobern. Unter Druck stand damit die FDP, auch weil deren kräftigstes Zugpferd Finanzdirektor Christian Wanner, der nicht nur seit 1995 der Solothurner Exekutive angehörte, sondern während 12 Jahren als Nationalrat und auch als Präsident der Konferenz der kantonalen Finanzdirektoren viel Einfluss auf die kantonale und nationale Politik ausgeübt hatte, nicht mehr zu den Wahlen antrat. Zwar stellte sich Esther Gassler (fdp) erneut zur Verfügung; ob der zweite Sitz mit Kantonsrat Remo Ankli verteidigt werden konnte, war aber alles andere als sicher. Neben dem zweiten FDP-Sitz wackelten auch die beiden vakanten CVP-Sitze: sowohl Klaus Fischer (cvp) als auch Walter Straumann (cvp) wollten nicht mehr für eine neue Amtsperiode antreten. Die CVP schickte mit Roland Heim und Roland Fürst zwei kantonal bekannte Gesichter ins Rennen. Als Neunter vervollständigte der parteilose Hugo Ruf das Kandidatenkarussell. Die neun Kandidierenden und insbesondere die drei leeren Sessel boten eine spannende Ausgangslage. Die Wahlen wurden als wichtige Richtungswahlen betrachtet, weil auch dem Kanton Solothurn künftig rote Zahlen und Sparprogramme drohten. Der kantonale Gewerbeverband unterstützte ein Viererticket bestehend aus den beiden FDP-Kandidierenden Gassler und Ankli, sowie Fürst (cvp) und Studer (svp). Der zweite CVP-Kandidat Roland Heim sei als Lehrer zu wenig gewerbenah. Der Wahlkampf wurde in der Presse als engagiert betrachtet. Auch neue Medien wurden dabei auffallend häufig eingesetzt. Die Partien setzten vor allem auf Personalisierung, wobei insbesondere Brigit Wyss (gp) und Handelskammer-Direktor Roland Fürst (cvp) relativ häufig medial in Erscheinung traten.

Bei den Wahlen Anfang März spiegelte sich die Bedeutung im Umstand, dass lediglich die beiden Bisherigen – Esther Gassler (fdp; 40'992 Stimmen) und Peter Gomm (sp; 38'246 Stimmen) – das absolute Mehr (37'012 Stimmen) überspringen konnten. Ein zweiter Wahlgang, der auf den 14. April angesetzt wurde, war aufgrund der Anzahl Kandidierenden allgemein erwartet worden. Die besten Ausgangslagen nach dem ersten Wahlgang hatten Roland Fürst (cvp; 30'082 Stimmen), gefolgt von Brigit Wyss (gp; 28'266 Stimmen), die ihrerseits knapp vor Remo Ankli (fdp, 28'253 Stimmen) und Roland Heim (cvp; 27'294 Stimmen) lag. Obwohl Links-Grün damit einen Sitz auf Kosten der CVP erobert hätte, wurde das relativ schlechte Abschneiden des zweiten SP-Kandidaten Andreas Bühlmann (23'103 Stimmen) als Überraschung gewertet. Auch die SVP – Albert Studer lag mit 23'767 Stimmen knapp vor Bühlmann – musste ihre Ambitionen auf eine erstmalige Regierungsbeteiligung im Kanton Solothurn ein weiteres Mal begraben. Erwartet abgeschlagen erreichte der parteilose Hugo Ruf 15'430 Stimmen. Die Wahlbeteiligung lag bei 42,8%.

Für den zweiten Wahlgang verzichtete die SP zugunsten der guten Aussicht auf eine mögliche zusätzliche grüne Regierungsbeteiligung auf die erneute Kandidatur von Bühlmann. Die Grüne Brigit Wyss, die im ersten Umgang zahlreiche Wählerstimmen anderer Parteien erhalten hatte, wurde nicht nur von der SP, sondern auch von der GLP unterstützt, welche auch die beiden ebenfalls noch einmal antretenden CVP-Kandidaten Fürst und Heim empfahl. Für die FDP trat noch einmal Remo Ankli an; die Freisinnigen empfahlen ihrer Anhängerschaft, einzig ihren Kandidaten auf den Wahlzettel zu schreiben. Weder die CVP noch die FDP gaben jedoch formale Wahlempfehlungen ab. Die im Parlament neu zweitstärkste SVP zog ihre Kandidatur zurück und empfahl die Wahl von bürgerlichen Kandidierenden. Die BDP gab ebenfalls für die drei bürgerlichen Kandidierenden eine Wahlempfehlung ab. Da auch der parteilose Ruf die Segel strich, kam es für den zweiten Wahlgang zu einem Vierkampf um die verbleibenden drei Sitze. Dieser ging aufgrund der Resultate im ersten Umgang eher überraschend zulasten der grünen Kandidatin Brigit Wyss (29'172 Stimmen) aus, die letztlich mit mehr als 2'000 Stimmen Rückstand auf dem letzten Platz landete. Ganz offensichtlich war es dem links-grünen Lager bei einer Stimmbeteiligung von nur noch 35,1% nicht mehr gelungen, die eigene Wählerschaft zu mobilisieren. Zudem schien Wyss auch den Sukkurs der Anhängerschaft der anderen Parteien – anders als im ersten Wahlgang – nicht mehr zu erhalten. Die bürgerliche, vor allem freisinnige Taktik, nur für die eigenen Kandidierenden zu werben, ging hingegen auf. Remo Ankli holte mit 36'038 Stimmen das beste Resultat im zweiten Umgang und konnte so den Sitz von Christian Wanner für die FDP verteidigen. Auch die beiden CVP-Kandidierenden lagen deutlich vor Wyss. Roland Fürst erzielte 32'889 Stimmen und Roland Heim kam auf 31'717 Stimmen. Damit wurde die Regierungszusammensetzung bestätigt – trotz ursprünglich spannender und unsicherer Ausgangslage.

Ersatzwahlen Regierungsrat Basel-Landschaft 2013

Dossier: Elections cantonales - Bâle-Campagne

Gleich zwei Mal mussten im Berichtjahr im Kanton Basel-Landschaft Ersatzwahlen für den Regierungsrat abgehalten werden. Ersetzt werden mussten Adrian Ballmer (fdp), der bereits im Dezember 2012 seinen Rücktritt angekündigt hatte sowie der Ende Februar im Amt verstorbene Peter Zwick (cvp). Der seit 2000 amtierende 65-jährige Ballmer machte abnehmenden Respekt und gesundheitliche Gründe für seinen Rücktritt geltend. Sowohl die SP – mit Nationalrat Eric Nussbaumer – als auch die SVP – mit Landrat Thomas Weber wollten den Sitz von Ballmer angreifen. Die FDP, deren Wähleranteil bei den Grossratswahlen 2011 von 21% auf 15% gefallen war, kündigte an, zugunsten der SVP auf eine Verteidigung ihres zweiten Sitzes zu verzichten, um die bürgerliche Mehrheit im Regierungsrat zu sichern. Die SVP – ihrerseits stärkste Partei im Baselbieter Parlament – war seit 2011 nicht mehr in der Exekutive vertreten. Sie hatte ihren Sitz damals an den Grünen Isaac Reber (gp) verloren. Auch die CVP beteiligte sich am bürgerlichen Schulterschluss, empfahl die Kandidatur von Weber und trat selber nicht an. Trotz des Revivals der BüZa (Bürgerliche Zusammenarbeit) wurden der SP gute Chancen eingeräumt. Eine links-grüne Regierungsmehrheit schien wahrscheinlich, weil der bereits 2007 erfolglos für den Regierungsrat kandidierende Nussbaumer wesentlich bekannter war als Weber, der zudem erst nach einigem Hin und Her nominiert wurde. Freilich galt Weber – obwohl am rechten Rand der SVP politisierend – als Brückenbauer und nicht als Hardliner, was eine Unterstützung aus dem bürgerlichen Lager wahrscheinlicher machte. Er wurde zudem von der Wirtschaftskammer finanziell unterstützt. Während sich Weber gegen eine Fusion der beiden Basel stellte, outete sich Nussbaumer als Befürworter. Dies – so wurde spekuliert – sollte ihm im bevölkerungsreichen unteren Baselbiet, das einer Fusion eher positiv gegenübersteht, auch Stimmen aus der FDP und der CVP garantieren. Neben Weber und Nussbaumer trat auch der Grünliberale Landrat Gerhard Schafroth an, dem allerdings lediglich Aussenseiterchancen eingeräumt wurden – unter anderem weil die Unterstützung der anderen Parteien fehlte: Die GLP echauffierte sich dabei insbesondere ob der mangelnden Unterstützung der CVP. Sie wertete die mangelnde Unterstützung als Position gegen die zu Legislaturbeginn noch beschworene neue starke Mitte (aus GLP, BDP, EVP und CVP). Auch die EVP und die BDP scherten in der Folge aus: während die EVP Nussbaumer ihre Unterstützung zusagte, empfahl die BDP Weber. Geeinter zeigte sich das links-grüne Lager: Die Grünen unterstützten offiziell den SP-Kandidaten. Vielsagend verzichtete der grüne Regierungsrat Isaac Reber jedoch auf eine öffentliche Stellungnahme zugunsten der SP.

Zwei Wochen vor dem Ersatzwahltermin verstarb unerwartet der Wirtschafts- und Gesundheitsdirektor Peter Zwick (cvp) im Alter von 62 Jahren. In der Folge musste eine weitere Ersatzwahl anberaumt werden, was die Ausgangslage unübersichtlich machte und auch deshalb veränderte, weil im ersten Wahlgang für die Nachfolge von Ballmer Anfang März bei einer Stimmbeteiligung von 38,8% keiner der drei Kandidaten das absolute Mehr (33'751 Stimmen) erzielte. Nussbaumer (31'374 Stimmen) lag mit einem hauchdünnen Vorsprung von 295 Stimmen vor Weber (31'079 Stimmen). Schafroth, dessen Antritt den zweiten Umgang erst nötig machte, erhielt 4'296 Stimmen und erzielte damit nur unwesentlich mehr als die 5%, welche die GLP im Kanton Basel-Landschaft 2011 bei den Nationalratswahlen geholt hatte. Bemerkenswert waren die 4'012 leeren Stimmzettel. Diese wurden als Protest gegen das Zweckbündnis der Bürgerlichen interpretiert. Der zweite Wahlgang wurde auf den 21. April angesetzt. War die Ersatzwahl für Zwick zuerst auf Mitte Mai geplant, entschloss sich die Regierung trotz Kritik der Parteien und zugunsten der mit den zahlreichen Wahlprozederen stark belasteten Gemeinden, die zweite Ersatzwahl nach hinten auf Anfang Juni zu verschieben. Die CVP hatte in der Zwischenzeit mit dem Gemeindepräsident von Alschwil Anton Lauber (cvp) bereits einen Nachfolger für Zwick aufgebaut. Die SVP ihrerseits versicherte, den Sitz der CVP dannzumal nicht angreifen zu wollen. Ziel bleibe die bürgerliche Mehrheit und es brauche auch im Hinblick auf die ordentlichen Gesamterneuerungswahlen von 2015 und auf die Ständeratswahlen 2014 eine neue Vertrauensbasis und eine vertiefte Kooperation zwischen SVP, FDP und CVP. Weil die GLP ihren Kandidaten zurückzog und offiziell den SP-Kandidaten unterstützte, blieb der zweite Umgang spannend. Das Kopf-an-Kopf-Rennen für sich entscheiden konnte schliesslich doch relativ deutlich Thomas Weber (36'797 Stimmen), der bei 38.1% Wahlbeteiligung Nussbaumer (23'176 Stimmen) um mehr als 4 500 Stimmen distanzieren konnte. Damit war der Angriff von links-grün mit dem Ziel, erstmals seit 1940 wieder eine Mehrheit im Regierungsrat zu haben, gescheitert und die wählerstärkste Landratspartei, die SVP, wieder in der Regierung vertreten. Das Resultat wurde als Bestätigung der neu belebten Bürgerlichen Allianz gewertet, die im entscheidenden Moment ihre Wählerschaft besser zu mobilisieren wusste.

Bereits am Abend des zweiten Wahlgangs für die Ersatzwahl von Ballmer machte der Verlierer Eric Nussbaumer klar, dass er für die Ersatzwahl des CVP-Sitzes von Zwick nicht zur Verfügung stehe. Neben Lauber (cvp), der – wie versprochen – sowohl von der FDP und der SVP unterstützt wurde, trat Thomas Jourdan von der EVP an, was als weiteres Zeichen gegen die noch ein paar Wochen zuvor beschworene neue Mitte gewertet wurde. Pikanterweise bilden die CVP und die EVP eine Fraktionsgemeinschaft im Landrat. Jourdan wurde von der SP und der GP, nicht aber von der GLP unterstützt. Letztere entschied nach längerer Debatte auf Stimmfreigabe. Auch die Wirtschaftsverbände schalteten sich wieder in den Wahlkampf ein und unterstützten Lauber. Das sehr ähnliche Profil der beiden Kandidierenden und die wenig spannende Ausgangslage – Jourdan wurden keine Chancen gegen die bürgerliche Mehrheit eingeräumt – liessen keinen spektakulären Wahlkampf zu. Trotzdem wurde die Kandidatur Jourdans gelobt, da eine stille Wahl für den Kanton Basel-Landschaft ein Armutszeugnis gewesen wäre – so die BaZ.

Mit 33.2% Wahlbeteiligung war die Mobilisierung erwartungsgemäss geringer als für die Ersatzwahl im März. Wie erwartet setzte sich Lauber (30'867 Stimmen) durch. Jourdan erzielte respektable 26'281 Stimmen, war aber gegen die geschlossene bürgerliche Wahlallianz chancenlos. Damit war die Kantonsregierung wieder komplett: alle fünf grossen Parteien SVP, FDP, CVP, SP und GP hielten je einen Sitz. Für Wirbel sorgte kurz vor Jahresende ein Bericht der Finanzkontrolle, der feststellte, dass einige Regierungsmitglieder – darunter der verstorbene Peter Zwick und der zurückgetretene Adrian Ballmer – Honorare aus Verwaltungsratstätigkeit nicht an den Kanton abgeliefert hatten, obwohl diese laut kantonalen Vorschriften in die Staatskasse bezahlt werden müssten.

Regierungsratswahlen Appenzell Innerrhoden 2013

Dossier: Elections cantonales - Appenzell Rhodes-Interieures

Nach 29 Jahren im Amt trat Carlo Schmid (cvp) als Landammann zurück. Schmid war bereits 1980 in den Ständerat gewählt worden und hatte von 1984 bis 2007 das Doppelmandat aus kantonalem Regierungspräsident und Kantonsvertreter inne gehabt. Von 1992 bis 1994 präsidierte er zudem die CVP Schweiz. Die Landsgemeinde hatte Ende April die Aufgabe, einen neuen regierenden Landammann zu bestimmen und einen Nachfolger für Carlo Schmid als Erziehungsdirektor zu wählen. Üblicherweise wechseln sich im Kanton Appenzell Innerrhoden die Vorsteher des Erziehungsdepartements und des Volkswirtschaftsdepartements als regierender und stillstehender Landammann ab. Allerdings war offen, ob der aktuell stillstehende Landammann Daniel Fässler, momentan Innerrhoder Ständerat, regierender Landammann werden sollte. Möglich wäre auch, dass der neu gewählte Kandidat gleich als regierender Landammann eingesetzt wird. Zwei Kandidaten stellten sich der Wahl in die Exekutivbehörde: Der amtierende Grossratspräsident Josef Schmid wurde von der CVP und dem kantonalen Bauernverband portiert. Auch die SVP unterstützte Schmid. Roland Inauen, Kurator des Museums Appenzell, Leiter des kantonalen Kulturamtes und Kantonsgerichtspräsident wurde von der Arbeitnehmervereinigung Appenzell vorgeschlagen und von der Gruppe für Innerrhoden (GFI) unterstützt. Der Abgang des politischen Urgesteins Schmid wurde von einigem, für Innerrhoder Verhältnisse eher seltenen politischen Wirbel überschattet, der unter anderem die Machtfülle in der politischen Elite des Kantons zum Inhalt hatte. Die Standeskommission – die Regierung des Kantons Appenzell Innerrhoden – und allen voran der regierende Landammann Schmid sowie sein Stellvertreter, der Stillstehende Landammann Daniel Fässler, wurden vom ehemaligen, 2010 zurückgetretene Säckelmeister (Finanzminister) Sepp Moser hart angegriffen. Moser warf dem Gremium Günstlingswirtschaft, Kompetenzüberschreitung, Intransparenz und Geheimnistuerei vor. Wichtige Entscheide würden vom Landammann im Alleingang ohne Kontrolle von aussen gefällt. Der Landammann habe eine fast absolutistische Machtfülle. Moser forderte eine Erneuerung der Strukturen und schlug als möglichen Schritt in einer Einzelinitiative eine Amtszeitbeschränkung auf zwölf Jahre vor. Innerhalb des Kantons schien die Aufregung allerdings bedeutend kleiner, als dies in den ausserkantonalen Medien dargestellt wurde. Einzig die im Kanton Appenzell Innerrhoden schwache SP forderte eine Abwahl Fässlers und forderte in einer Resolution eine Aufarbeitung der Vorwürfe von Moser. In allen anderen Gruppierungen und Parteien war Fässler jedoch unbestritten. Die Initiative von alt-Säckelmeister Moser für eine Amtszeitbeschränkung fand neben der SP nur noch bei der GFI Gehör, fand im Berichtsjahr aber keine Mehrheit.

Die Landsgemeinde am 28. April hatte keine Lust auf Veränderungen. Trotz angekratztem Image wurde als regierender Landammann Daniel Fässler gewählt. Die beiden neuen Kandidaten konnten lediglich vereinzelte Stimmen auf sich vereinen, was nicht überraschend war, wurde doch an einer Landsgemeinde noch nie ein amtierender Regierungsrat abgewählt. Auch die weiteren fünf Mitglieder der Standeskommission wurden bestätigt. Wesentlich knapper war das Resultat für den freien Regierungssitz. Das Kopf-an-Kopf-Rennen zwischen Schmid und Inauen musste schliesslich ausgezählt werden. Das rund dreiviertelstündige Prozedere, bei dem alle Stimmberechtigten den Ring über einen von zwei Ausgängen verlassen müssen, brachte schliesslich einen hauchdünnen Vorsprung von 33 Stimmen (bei total 3919 Stimmen) für Roland Inauen, der damit stillstehender Landammann wurde, sein Amt als Gerichtspräsident jedoch abgeben musste. Keine Chance hatte die Initiative Moser, die mit grosser Mehrheit abgelehnt wurde. In einem Ende Juni veröffentlichten Untersuchungsbericht des Grossen Rates wurde ein eigentlicher Schlussstrich unter die Affäre Moser gezogen. Die mit den Vorfällen betraute Kommission konnte keine erheblichen Mängel am politischen System Innerrhodens feststellen. Man müsse nun wieder Vertrauen und allenfalls eine verbesserte Gesprächskultur schaffen.

Regierungsratswahlen Neuenburg 2013

Dossier: Elections cantonales - Neuchâtel

Die Neuenburger Regierung stand während der Legislaturperiode von bis 2013 unter keinem guten Stern. In der Öffentlichkeit wurde gar von einer „verlorenen Legislaturperiode“ gesprochen. Dies hatte vorab personelle Gründe: Die Wahlen 2009 hatten nicht nur das Ende der links-grünen Mehrheit bedeutet (die Regierung setze sich damals neu aus drei FDP- und zwei SP-Staatsräten zusammen), sondern auch eine Neubesetzung von vier der fünf Regierungssitze gebracht; gleich zwei Bisherige wurden damals nicht bestätigt. Die damals gewonnene Regierungsmehrheit der FDP lässt sich dabei mit der Fusion des Freisinns mit den Liberalen erklären. Bereits kurz nach den damaligen Wahlen musste Frédéric Hainard (fdp) nach Vorwürfen von Amtsmissbrauch und Vetternwirtschaft demissionieren. Die Affäre schien der FDP allerdings nicht zu schaden. Hainard konnte bei Ersatzwahlen 2010 ziemlich mühelos durch Thierry Grosjean (fdp) ersetzt werden. Nachdem Jean Studer (sp), der einzige Neuenburger Staatsrat mit mehrjähriger Regierungserfahrung, 2012 zum Präsidenten der Schweizerischen Nationalbank gewählt worden war, hatten Mitte Oktober 2012, also lediglich sechs Monate vor den Gesamterneuerungswahlen,zum zweiten Mal in derselben Legislatur Ersatzwahlen durchgeführt werden müssen. Wieder konnte der Sitz verteidigt werden, diesmal von der SP mit Laurent Kurth (sp). Für weiteren Wirbel sorgte zudem Claude Nicati (fdp), der sich auch aufgrund grosser parteiinterner Kritik mit seiner Partei überwarf, Ende 2012 aus der FDP austrat und sich, nachdem er erfolglos bei der BDP angeklopft hatte, für die Erneuerungswahlen 2013 nicht mehr zur Verfügung stellte. Auch Gisèle Ory (sp) kündigte nach ebenfalls nur einer Legislatur ihren Rücktritt an. Diese personellen Probleme wurden durch veritable politische Krisen in Form von Abstimmungsniederlagen der Regierung noch weiter verschärft. Zu nennen sind dabei das knappe Nein der Stimmbürgerschaft zu einem Prestigeprojekt der Regierung, einer Schnellbahn zwischen La Chaux-de-Fonds und Neuenburg (transrun) sowie das Nein zu einem wichtigen Stromspargesetz. Für die Erneuerungswahlen von 2013 wurden entsprechend starke Veränderungen erwartet. Eine zentrale Frage war, ob die FDP die Regierungsmehrheit würde halten können. Neben den beiden Bisherigen Philippe Gnaegi (fdp) und Thierry Grosjean (fdp) schickten die Freisinnigen gleich drei Neue ins Rennen: den Neuenburger Stadtrat und Nationalrat Alain Ribaux sowie Christian Blandenier und Andreas Jurt. Die SP wollte neben dem bisherigen Laurent Kurth (sp) nicht nur ihren zweiten Sitz verteidigen, sondern die Schwäche der FDP ausnutzen und die Regierungsmehrheit zurückerobern. Die Genossen traten mit Jean-Nathanaël Karakash und der Grossrätin Monica Maire-Hefti an. Das SP-Trio wurde komplementiert durch den Grünen Patrick Hermann und Nago Humbert von der PdA. Weil die PdA nicht wie erwartet den weitaus bekannteren Denis de la Reussille ins Rennen schickte und auch Hermann (gp) eher unbekannt war, schienen die Chancen für die FDP für eine Verteidigung ihrer Regierungsmehrheit allerdings intakt. Herausgefordert wurden die arrivierten Parteien von drei Kandidierenden der im Kanton Neuenburg keine grosse Rolle spielenden CVP (MarcEichenberger, Vincent Martinez, und Raymond Traube) und zwei Kandidierenden der SolidaritéS (Marianne Ebel und François Konrad). Echte Aussenseiterchancen wurden allerdings nur dem Kandidaten der SVP zugetraut. Die Volkspartei trat mit Nationalrat Yvan Perrin an. Dieser sorgte im Vorfeld der Wahlen gleich mehrfach für Schlagzeilen. In den Medien wurde nicht nur über den Gesundheitszustand von Perrin spekuliert – 2010 musste der ehemalige Vizepräsident der nationalen SVP aufgrund eines Burnouts eine Auszeit nehmen – sondern auch eine Affäre breitgetreten, in die Perrin verwickelt war. Mitarbeiter einer Firma, bei der Perrin als Vizedirektor zeichnete, hatten angeblich im Asylzentrum Perreux ihre Position missbraucht, um Asylbewerberinnen zu sexuellen Handlungen zu nötigen. Perrin wählte die Offensive und redete in den Medien offen über seine psychische Fragilität. Die nicht antretende GLP gab eine Empfehlung für ein Fünferticket bestehend aus Maire-Hefti (sp), den beiden bisherigen FDP-Kandidierenden und Ribaux sowie dem Grünen Hermann ab. Der überraschende Tod des CVP-Kandidierenden Raymond Traube eineinhalb Wochen vor den Wahlen überschattete den Wahlkampf. Weil das kantonale Gesetz vorsieht, dass die Wahlen verschoben werden müssen, wenn einer der Kandidierenden in den fünf Wochen vor den Wahlen „unwählbar“ wird, setzte die Kantonsregierung einen um zwei Wochen nach hinten verschobenen neuen Termin fest. Die SVP kündigte zuerst an, Rekurs einzulegen, da es so zu einer Separierung der Legislativ- (14. April) und der Exekutivwahlen (28. April) komme, was nicht mit der Verfassung vereinbar sei und die Ausgangslage verändere. Nachdem die Regierung auf einen Kompromissvorschlag der GLP einging, die beiden Termine zu belassen, die Auszählung der Parlamentswahlen aber auf den 28. April zu legen, zog die SVP ihren Rekurs zurück.

Nicht am 14., sondern am 28. April traten also insgesamt 15 Kandidierende auf sieben Listen (SP, PdA, GP, FDP, Solidarités, SVP, CVP) zu den Staatsratswahlen an, darunter lediglich zwei Frauen. Der Bisherigenbonus entpuppte sich aufgrund der vorgängigen Krisen für einmal als Malus. Die Wählerschaft schien die Skandale in der Regierung und den Wunsch nach einem Neubeginn höher zu gewichten als die in den letzten Jahren wieder auf Touren gekommene kantonale Wirtschaft – insbesondere die Uhrenindustrie hatte Anfang Jahr Rekordumsätze gemeldet. Zwar erreichte keiner der 15 Kandidierenden das absolute Mehr (22'311 Stimmen), die beiden Bisherigen der FDP lagen aber abgeschlagen lediglich auf den Plätzen 7 (Thierry Grosjean mit 14'055 Stimmen) und 9 (Philippe Gnaegi mit 12'767 Stimmen). Auf Platz eins landete der bisherige SP-Staatsrat Laurent Kurth (21'351 Stimmen). Weil auch die beiden anderen SP-Kandidierenden unter die ersten fünf gewählt wurden – Jean-Nathanaël Karakash mit 20'422 Stimmen und Monika Maire-Hefti mit 17'440 Stimmen, wurde ein Linksrutsch wahrscheinlich. Zwischen Karakash und Maire-Hefti schob sich überraschend deutlich Yvan Perrin mit 18'698 Stimmen, der damit ebenfalls alle Kandidaten der FDP hinter sich liess. Der Medienrummel um seine Person im Vorfeld der Wahlen dürften dem SVP-Kandidaten sicher nicht geschadet haben; eher im Gegenteil schienen viele Stimmen auch Solidaritätsbekundungen zu sein. Die FDP fand sich erst auf Rang 5 mit Alain Ribaux (16'987 Stimmen) wieder. Ein gutes Resultat erreichten zudem auch Patrick Hermann (15'363 Stimmen) und Nago Humbert (13'904 Stimmen), die sich beide noch vor dem bisherigen Philippe Gnaegi einreihten. Die weiteren Kandidierenden folgten weit abgeschlagen: Einzig Christian Blandenier (9'089 Stimmen) und Andreas Jurt (6'978 Stimmen) erzielten mehr als 5'000 Stimmen. Vincent Martinez (2'766 Stimmen), Marianne Ebel (2'239 Stimmen), Marc Eichenberger (1'785 Stimmen) und François Konrad (1'654) konnten hingegen vergleichsweise wenige Wahlberechtigte von sich überzeugen. Die Stimmbeteiligung betrug 34,0%. Erstmalig in der Schweiz konnte ein Teil der Neuenburger Wählerschaft elektronisch abstimmen (23'000 Personen). Rund 3'500 Personen machten von dieser Neuerung Gebrauch.

Ein für Neuenburg eher ungewöhnlicher zweiter Wahlgang wurde auf Pfingstsonntag angesetzt. Für diesen zweiten Umgang traten neben den fünf Kandidierenden mit den besten Resultaten aus dem ersten Wahlgang auch Thierry Grosjean und der chancenlose Vincent Martinez erneut an. Die Frage war, ob die FDP mit der SVP einen Schulterschluss eingehen wollte, um die linke Mehrheit zu verhindern. Ein solcher kam allerdings in der kurzen Zeit – bereits am Dienstag nach dem ersten Umgang mussten die neuen Listen präsentiert werden – nicht zustande, unter anderem weil die FDP diesem an einer ausserordentlichen Delegiertenversammlung eine Abfuhr erteilte. Freilich riefen einige bürgerliche Exponenten und insbesondere die Handels- und Industriekammer (CNCI) in den Tagen vor Pfingsten zu einer bürgerlichen Allianz auf. Auch die bei den Parlamentswahlen erfolgreiche GLP (siehe oben) sprach sich im zweiten Wahlgang für eine rechts-bürgerliche Mehrheit aus. Sie verwies darauf, dass eine linke Regierungsmehrheit zu Blockaden führen würde, weil im Parlament die Bürgerlichen eine Mehrheit innehatten. Die GLP empfahl damit implizit, neben den beiden FDP-Kandidierenden auch SVP-Mann Perrin zu wählen. Die BDP schloss sich dieser Empfehlung an, während die CVP an ihrem chancenlosen Kandidaten festhielt. Die Grünen, Solidarité und die PdA warben für das SP-Trio. Im zweiten Wahlgang wurden die Verschiebungen vom ersten Umgang bestätigt: Die SP holte die Regierungsmehrheit zurück, die SVP zog erstmals in den Neuenburger Staatsrat ein und die FDP musste eine herbe Schlappe einstecken. Wiederum lagen die beiden SP-Männer an der Spitze. Laurent Kurth, der einzige Wiedergewählte, erhielt 28'834 Stimmen. Mit Jean-Natanaël Karakash folgte der zweite SP-Mann mit rund 500 Stimmen Rückstand (28'333 Stimmen) auf Platz zwei. Am drittmeisten Stimmen erhielt diesmal Alain Ribaux (27'130 Stimmen), gefolgt von Yvan Perrin (24'895 Stimmen). Monika Maire-Hefti (24'530 Stimmen) lieferte sich lange ein Kopf-an-Kopf-Rennen mit Thierry Grosjean (21'794 Stimmen), erhielt aber schliesslich vor allem in den Städten deutlich mehr Stimmen. Vincent Martinez war erwartet weit abgeschlagen und erhielt 9'233 Stimmen. Die Wahl wurde – wie bereits nach dem ersten Wahlgang – als Zeichen für den Wunsch nach einem Neustart mit neuen Köpfen gewertet. Freilich müsse sich die neue Regierung zusammenraufen und möglichst rasch mit einer Stimme sprechen, so die Kommentare nach den Wahlen. Die Wahlbeteiligung lag mit 40,2% höher als beim ersten Umgang. Pikanterweise ging die nach 2006 wiedergewonnene linke Mehrheit (3 SP, 1 FDP, 1 SVP) in der Regierung neu mit einer rechten Parlamentsmehrheit einher (vgl. oben). Die Wahlen 2013 resultierten damit für Neuenburg in einer erneuten Kohabitation, allerdings mit umgekehrten Vorzeichen. Für Alain Ribaux, der aus dem Nationalrat zurücktrat, rutschte die ehemalige Nationalrätin Sylvie Perrinjaquet nach. Auch Yvan Perrin wollte sich nicht auf ein Doppelmandat einlassen. Seinen Nationalratssitz nahm neu Raymond Clottu ein.

Ersatzwahl Staatsrat Freiburg 2013

Dossier: Elections cantonales - Fribourg

Für viele überraschend präsentierte Bundesrat Alain Berset Mitte Mai die Freiburger Staatsrätin Isabelle Chassot (cvp) als neue Direktorin des Bundesamtes für Kultur (BAK). Verwunderung wurde deshalb verlautbart, weil die erst 48jährige, seit 2001 in der Kantonsregierung politisierende Chassot nicht nur im Kanton Freiburg viele Sympathien genoss, sondern sich auch national seit 2006 als Präsidentin der Erziehungsdirektorenkonferenz einen Namen gemacht hatte. Die Übernahme der Direktion des BAK galt unter diesen Vorzeichen nicht unbedingt als Aufstieg, umso mehr als Chassot auf den Posten des Staatssekretärs für Bildung, Forschung und Innovation verzichtet hatte, obwohl sie dafür als Favoritin gegolten hatte. Allerdings hätte die Amtszeitbeschränkung die beliebte CVP-Regierungsrätin spätestens 2016 zu einem Rücktritt gezwungen. Die Wahl zur BAK-Direktorin zog im Kanton Freiburg Nachwahlen nach sich. Dabei war die Frage, ob die im Staatsrat mit drei Sitzen eher übervertretene CVP ihren Sitz halten könnte. Die anderen Sitze wurden von SP (2 Sitze), FDP und seit 2011 von der GP (je ein Sitz) gehalten. Vor allem von der nicht vertretenen und bei den letzten Gesamterneuerungswahlen 2011 sieglosen SVP wurde ein Angriff erwartet, der allerdings nicht erfolgte. Die CVP portierte den Grossrat Jean-Pierre Siggen. Dessen Funktion als Präsident des kantonalen Arbeitgeberverbandes weckte in der sozial orientierten Freiburger CVP-Wählerschaft allerdings gemischte Gefühle und verhiess gute Chancen für die SP. Die im Kanton Freiburg seit einigen Jahren erfolgsverwöhnten Sozialdemokraten traten mit ihrem Nationalrat Jean-François Steiert an. Der in Bildungsfragen profilierte und perfekt zweisprachige Steiert stellte für die CVP eine grosse Herausforderung dar. Um die eigene Wählerschaft nicht ganz zu vergraulen, beschloss die CVP-Parteileitung zuerst den Alleingang ohne ein Bündnis mit FDP und SVP. Die harsche Kritik der beiden bürgerlichen Parteien und die Drohung der SVP, eine eigene Kandidatur zu lancieren, brachten die CVP allerdings zum Umdenken. Folge war eine Parteiversammlung, an der ein auf die Ersatzwahlen beschränktes, wenig solides bürgerliches Zweckbündnis beschlossen wurde. Allgemein wurde ein knappes Rennen erwartet: arithmetisch sprach die bürgerliche Unterstützung eher für Siggen, Profil und Bekanntheit versprachen aber Erfolg für Steiert, der zudem von den Grünen unterstützt wurde. Ein dritter Kandidat – der Gemeindepräsident von Surpierre Alfons Gratwohl – versprach zusätzliche Spannung, wenngleich er keine Aussicht auf Erfolg hatte.

Tatsächlich führten die 8,4% der Stimmen, die Gratwohl (6'385 Stimmen) erhielt, dazu, dass ein zweiter Wahlgang angesetzt werden musste. Dieser versprach spannend zu werden, betrug doch der Unterschied zwischen Siggen (34'983 Stimmen) und Steiert (34'505 Stimmen) nur rund 500 Stimmen. Gratwohl verzichtete auf den zweiten Umgang und empfahl Steiert. Auch beim zweiten Wahlgang war das Resultat äusserst knapp. Wieder lag Siggen (31'914 Stimmen) lediglich 562 Stimmen vor Steiert (31'352 Stimmen). Anscheinend war es der bürgerlichen Allianz besser gelungen, ihr Lager zu mobilisieren. Die SP konnte offensichtlich nicht von der Unterstützung durch Gratwohl profitieren. Lag die Wahlbeteiligung beim ersten Wahlgang noch bei 41.8%, nahmen im zweiten Umgang nur noch 33.9% der Freiburgerinnen und Freiburger ihr Wahlrecht wahr. Trotz hervorragenden Abschneidens von Steiert (der Wähleranteil der SP betrug in Freiburg bei den Parlamentswahlen 2011 rund 24%), blieb es im traditionell katholisch-konservativen Kanton Freiburg bei der bürgerlichen Regierungsmehrheit und 3 CVP-Sitzen. Ob diese Konstellation Bestand haben wird, wird sich spätestens bei den nächsten regulären Regierungsratswahlen 2016 weisen. Sowohl die nicht-vertretene SVP, im Parlament immerhin drittstärkste Fraktion, als auch der starke gesellschaftliche Wandel im Kanton, der sich nicht zuletzt auch in der zunehmenden Unterstützung für die SP manifestiert, dürften auch die nächste Regierungsausmarchung spannend machen.

Ersatzwahl Staatsrat Tessin 2013

Dossier: Elections cantonales - Tessin

Die Tessiner Regierung war im Berichtjahr gleich zwei Mal aufgrund von Personalwechseln bei der Lega im Fokus der Presse. Weil der Tessiner Staatsrat im Proporzverfahren gewählt wird, finden beim Ausscheiden von amtierenden Exekutivmitgliedern keine Ersatzwahlen statt. Es gilt stattdessen das Prinzip des Nachrückens. Im Frühjahr 2011 hatte die Lega einen zweiten Staatsratssitz erobert. Seither setzte sich die Tessiner Regierung aus 2 Lega-Vertretern und je einem FDP-, CVP- und SP-Mitglied zusammen. Weil im Berichtsjahr der bereits seit 1995 amtierende Lega-Regierungsrat Marco Borradori im April zum Stadtpräsidenten von Lugano gewählt wurde (siehe unten), rückte der Grossrat Michele Barra nach. Barras Amtsantritt lasteten jedoch Makel an. Auf der einen Seite war er lediglich der dritte Ersatzmann, weil Nationalrat Lorenzo Quadri aufgrund des ebenfalls im April eroberten Exekutivsitzes in Lugano verzichtete (siehe unten) und der zweite Ersatzmann und Lega-Präsident Giuliano Bignasca verstorben war (siehe unten und Kapitel IIIa). Auf der anderen Seite war Barra kurz vor Amtsantritt von der Polizei mit zu viel Alkohol am Steuer erwischt worden, was sogar innerhalb der Lega zu Diskussionen geführt hatte. Barra nahm das Amt jedoch an und wurde – nach einer öffentlichen Entschuldigung und trotz Rücktrittsforderungen der Linken – von den bürgerlichen Parteien wohlwollend aufgenommen. Letztlich müsse Barra an seinen künftigen Taten gemessen werden. Solche zu zeigen, blieb Barra allerdings verwehrt. Eine angebliche Erpressung im Rotlichtmilieu sowie eine Chemotherapie aufgrund eines Lungenkrebses setzten ihm stark zu. Er verstarb am 20. Oktober. Die Lega musste also erneut einen Ersatzmann stellen. Allerdings fand sich nun niemand mehr auf der Fünfer-Regierungsliste der Lega, der nachrutschen hätte können. Das Gesetz sieht vor, dass keine Neuwahlen stattfinden, sondern dass die jeweilige Partei ein Parteimitglied auf den Sitz hieven darf. Damit kam es im Kanton Tessin zur eigenartigen Situation, dass ein Exekutivmitglied bestimmt wurde, dass nicht einmal indirekt vom Volk gewählt war. Die Lega entschied sich für Claudio Zali, den ehemaligen Präsidenten des Tessiner Strafgerichts und Leghisten der ersten Stunde, der als amtierender Strafrichter sozusagen die Gewalten wechselte. Ob Zali im Amt legitimiert werden wird, wird sich erst bei den nächsten kantonalen Erneuerungswahlen im April 2015 weisen.

Regierungsratswahlen Genf 2013

Dossier: Elections cantonales - Genève

Nicht weniger als 29 Kandidierende traten zu den Genfer Regierungswahlen an, die erstmals gleichzeitig mit den Parlamentswahlen durchgeführt wurden, eine Änderung die mit der 2012 angenommenen Kantonsverfassungsrevision eingeführt worden war. Die hohe Zahl an Kandidaturen lässt sich mit einer weiteren Änderung erklären: neu bedingt eine Wahl in der ersten Runde das Überspringen einer absoluten Mehrheit, die neu unter Einbezug der leeren Stimmen errechnet wird und deshalb schwerer zu überschreiten ist. Erst in einer zweiten, rund einen Monat später stattfindenden Runde liegt das Quorum wie bis anhin bei einem Drittel der Stimmen. Der erste Wahlgang verkam so zu einer eigentlichen Aufwärmrunde, da die Parteien eine Aufsplitterung der Stimmen weniger fürchten mussten. Unter den 29 Kandidierenden waren die vier Bisherigen Michèle Künzler (gp), François Longchamp (fdp), Isabel Rochat (fdp) sowie Pierre Maudet (fdp), der 2012 bei Ersatzwahlen in die Genfer Kantonsregierung gewählt worden war. Nicht mehr antreten wollten Charles Beer (sp), David Hiler (gp) und Pierre-François Unger (cvp). In der komfortabelsten Lage befand sich die FDP, die ihre drei Sitze nach einigen Diskussionen über eine mögliche Fünferliste schliesslich mit den drei Bisherigen verteidigen wollten. Die CVP trat mit einem nationalen Parlamentarier an: neben Luc Barthassat sollte zudem Serge Dal Busco für Stimmen sorgen. Auch innerhalb der CVP wurde lange diskutiert, ob man mit vier oder gar fünf Kandidierenden antreten solle. Zugunsten einer gemeinsamen Entente-Liste mit der FDP verzichteten die Christdemokraten allerdings auf diese Strategie und traten mit zwei Kandidaten zur Wahl an. Auch die Grünen schickten neben der bisherigen Künzler einen Nationalrat, nämlich den Fraktionschef der Grünen im eidgenössischen Parlament, Antonio Hodgers, ins Rennen. Die SP verzichtete trotz Aufforderung der Grünen auf eine gemeinsame linke Liste und trat gleich mit vier Kandidierenden an, um ihren frei gewordenen Sitz zu verteidigen und den vor vier Jahren verlorenen zweiten Sitz wieder zurückzuerobern. Neben Anne Emery-Torracinta, die im Vorjahr bei den Ersatzwahlen Pierre Maudet überraschend deutlich unterlegen war, setzten die Sozialdemokraten die Genfer Stadträtin Sandrine Salerno sowie Roger Deneys und Thierry Apothéloz auf ihre Liste. Die amtierenden Regierungsparteien traten somit mit total elf Kandidierenden an. Die Bedeutung der Wahlen in den Conseil d’Etat zeigte sich auch im Umstand, dass von den Herausforderern drei weitere amtierende Nationalräte ins Rennen geschickt wurden. Die SVP trat mit Céline Amaudruz (im Nationalrat seit 2011) und Yves Nidegger (seit 2007) und der MCG mit Mauro Poggia (seit 2011) an. Die beiden rechten Parteien, denen Aussenseiterchancen eingeräumt wurden, präsentierten eigene Listen mit jeweils einem Trio. Auf der Liste der Volkspartei fand sich zusätzlich Grossrat Eric Leyvraz und die MCG-Dreierliste wurde komplettiert von Delphine Perrella Gabus sowie von Parteipräsident und enfant terrible Eric Stauffer. Ensemble à Gauche (EaG), die extreme Linke, füllte gleich eine ganze Siebnerliste mit dem ehemaligen Staatsrat Christian Grobet, dem Genfer Maire Rémy Pagani den beiden Stadtgenfer Gemeinderäten Salika Wenger (PdA) und Pierre Gauthier sowie Magali Orsini, Gian-Thierry Sparacino und David Andenmatten. Man hoffte, mit einer vollen Liste zu einem Linksrutsch der Regierung beitragen zu können. Mit einer Einerliste trat die GLP an: der umtriebige Kantonalpräsident Laurent Seydoux wollte die Grünliberalen im Conseil d’Etat vertreten; ein zweiter Kandidierender konnte jedoch nicht gefunden werden. Das Kandidatenfeld wurde komplettiert mit drei Vertretern der Piratenpartei – dem Präsidenten Alexis Roussel, dem Grossrat Didier Bonny sowie Daniel Ceszkowski – und einem Unabhängigen (Pierre Jenni). Fragen, welche die Parteistrategen umtrieben, betrafen die optimale Anzahl Kandidierender auf einer Liste und allfällige gemeinsame Liste in der ersten Runde. Zu viele Kandidierende und gemischte Listen könnten von der Wählerschaft als zu heterogen wahrgenommen werden. Hingegen konnte man sich mit einer geschickten Listenkombination in eine gute Ausgangslage für einen fast sicheren zweiten Wahlgang bringen. Mit Ausnahme der Entente entschieden sich letztlich alle Parteien für eigene Listen. Das Genfer Wahlsystem sieht vorgedruckte Listen vor. Die Wählerinnen und Wähler haben die Möglichkeit, eine Liste unverändert abzugeben, zu panaschieren oder aber eine neutrale Liste auszufüllen. Insgesamt wurden deshalb 30 Listen mit unterschiedlichen Kombinationen aus 1 bis 7 Kandidierenden abgegeben. So trat etwa die Entente zwischen FDP und CVP mit wechselnder Reihenfolge auf sieben verschiedenen Listen an (Libéraux-Radicaux, Démocrate-Chretien, Entente, Loger nos enfants, Action sécurité, Emploi pour tous, Ceux qui agissent) und die Sozialdemokraten empfahlen ihre vier Kandidierenden auf fünf verschiedenen Listen (Socialiste, Dictat des assurances, Défense des aîné-e-s, Emploi, pour des PME). Der MCG benutzte seine fünf eingereichten Listen gleich als Parteiprogramm, hiessen die Listen doch etwa „Pour la priorité de l’emploi aux résidents genevois“, Tolérance zéro: Stop cambrioleur, dealers, mendiants, voleurs“ oder „Pour circuler sans galérer – Stop aux bouchons“.

Dank der zunehmend aggressiven Stimmungsmache des MCG gegen Grenzgänger, für mehr Sicherheit und weniger Stau verbuchte die Genfer Bewegung nicht nur bei den Parlamentswahlen (siehe oben), sondern auch bei den Exekutivwahlen im ersten Wahlgang überraschende Erfolge. Mauro Poggia (26'024 Stimmen) erzielte am sechstmeisten Stimmen und Eric Stauffer (20'445 Stimmen) lag auf Platz acht. Wie erwartet erzielte aber keiner der 29 Kandidierenden in der ersten Runde das absolute Mehr (49'051 Stimmen). Am besten schnitten die beiden bisherigen FDP-Kandidierenden, Pierre Maudet (46'921 Stimmen) und François Longchamp (42'136 Stimmen) ab. Isabel Rochat (fdp) lag mit 27'597 Stimmen auf Platz fünf. Der Vorwurf, dass sie sich während des Wahlkampfes zu wenig präsentiert habe, schien sich damit nicht zu bewahrheiten. Von der gemeinsamen Entente-Liste profitierten gleich beide neu antretenden CVP-Kandidaten: Serge Dal Busco (35'309 Stimmen) und Luc Barthassat (33'863 Stimmen) lagen auf Platz drei und vier. Zwischen die beiden MCG-Kandidaten schob sich Anne Emery-Torracinta (sp, 20'950 Stimmen), die sich damit für die Verteidigung des SP-Sitzes in eine gute Ausgangslage bringen konnte. Eine schwere Schlappe mussten hingegen die Grünen hinnehmen. Die bisherige Michèle Künzler wurde als Verkehrsministerin für die schwierige Situation im Genfer Strassenverkehr und ihre Neuerungen im öffentlichen Verkehr abgestraft und erhielt – abgeschlagen auf Rang 17 – lediglich 9 937 Stimmen. Antonio Hodgers (18'789 Stimmen) konnte sich zwar auf Rang 10 hinter dem zweiten SP-Kandidierenden Thierry Apothéloz (19'424 Stimmen), aber noch vor Delphine Perrella-Gabus (18'145 Stimmen), der dritten MCG-Kandidatin, Hoffnung auf die Verteidigung zumindest eines grünen Sitzes machen. Der GP wurde aber insgesamt ein wenig sichtbarer Wahlkampf zum Verhängnis. Geschlagen geben musste sich auch die SVP, bei der die beiden Nationalräte Céline Amaudruz (13'417 Stimmen) und Yves Nidegger (13'180 Stimmen) lediglich auf den Rängen 14 und 15 und Eric Leyvraz (9'977 Stimmen) auf Rang 16 lagen. Damit fielen sie hinter die beiden anderen SP-Kandidierenden Sandrine Salerno (16'996 Stimmen) und Roger Deneys (14'726 Stimmen) zurück. Die Kandidierenden von EaG, der Piratenpartei und der GLP erhielten alle weniger als 8 000 Stimmen. Einzig der Genfer Gemeindepräsident Rémy Pagani konnte mit 9 844 Stimmen einen kleinen Achtungserfolg erzielen. Damit war die Ausgangslage für den zweiten Wahlgang klar: wollte die Linke ihre drei Sitze halten, musste sie zusammenspannen, insbesondere nachdem Michèle Künzler aufgrund ihres schlechten Abschneidens ihren Rücktritt bekannt gab. Auch die Rechte wollte ihre Kräfte bündeln. Für die zweite Runde galt es nun, das richtige Mass an Kandidierenden zu finden, damit die Wählerstimmen nicht zu stark zersplitterten. Obwohl die FDP eher für ein Viererticket optiert hätte, trat die Entente noch einmal mit allen fünf Kandidierenden (3 FDP, 2 CVP) an. Insbesondere die amtierende Rochat stand auch aufgrund ihres schlechten Abschneidens in der Kritik; es wurde kolportiert, dass sie viele Wählerinnen und Wähler aus der bürgerlichen Liste gestrichen hätten. Die SP und die Grünen, bei denen Apothéloz (sp), Emery-Torracinta (sp) und Hodgers (gp) ins Rennen geschickt wurden, konnten EaG davon zu überzeugen, dass lediglich ein geeintes Auftreten wenigstens die drei bisherigen Sitze in der Genfer Regierung sichern könnte. EaG trat deshalb in der Folge nicht mehr an, unterstützte aber das links-grüne Dreierticket. Die Frage war, wie gut diese linke Allianz nach der ersten Runde noch spielen und ob die linke Wählerschaft vom schlechten Abschneiden in der ersten Runde aufgeschreckt und besser mobilisiert würde. Die beiden erfolgreichen Kandidaten des MCG traten auf einem rechten Dreierticket zusammen mit SVP-Aushängeschild Amaudruz an. Diskutiert wurde, ob das konziliantere Auftreten von Poggia oder das prononciert-provozierende Verhalten von Stauffer oder allenfalls die Kombination Erfolg versprechend sein würden. Darüber hinaus war nicht klar, ob der Schulterschluss mit der SVP von der Wählerschaft goutiert würde. Zwar seien sich die beiden Parteien in vielen Punkten einig – die Situation wurde vielerorts mit dem Kanton Tessin vergleichen – die SVP sei aber insgesamt eher national-konservativ und der MCG kantonal-sozialistisch. Nicht mehr antreten wollte die GLP, die für keines der drei Blocktickets eine Empfehlung abgab. Auch die Piratenpartei und der unabhängige Kandidat zogen sich für die zweite Runde zurück, so dass für den zweiten Wahlgang noch elf Kandidierende zur Wahl standen, die sich auf gesamthaft 20 Listen als links-grüne, rechts-bürgerliche und harte rechte Regierung anpriesen. Fünf Wochen nach dem ersten Wahlgang – eine Zeitdauer, die von vielen als zu lange bezeichnet wurde – fand Anfang November schliesslich der entscheidende zweite Wahlgang statt. Lag die Stimmbeteiligung beim ersten Umgang noch bei 41,0%, mobilisierte die zweite Runde hohe 46,4% der Stimmberechtigten. Alle drei Blöcke schafften den Sprung in die Regierung. Bei den Bürgerlichen waren es erwartungsgemäss die beiden bisherigen Freisinnigen Pierre Maudet (59'057 Stimmen) und François Longchamp (55'126 Stimmen). Beide wurden erneut als Erst- bzw. Zweitplatzierte gewählt. Ebenfalls wie in der ersten Runde erhielten Serge Dal Busco (49'941 Stimmen) und Luc Barthassat (46'301 Stimmen) – beide CVP – am dritt- bzw. viertmeisten Stimmen. Nicht wiedergewählt wurde Isabel Rochat (fdp), die mit 37'024 Stimmen nur auf Rang neun zu liegen kam. Damit wurden nicht nur zwei Frauen aus der Genfer Regierung verdrängt (Rochat und Künzler), sondern auch die ehemalige Liberale Partei (die FDP und die Liberalen hatten 2011 fusioniert). Rochat wurde mit Abstand am häufigsten von der Liste gestrichen und profitierte kaum von Panaschierstimmen. Das erlaubte der CVP einen Sitzgewinn auf Kosten der FDP. Die Regierung machte insgesamt einen Rechtsrutsch, da Mauro Poggia als siebter (41'170 Stimmen) den Sprung in die Regierung schaffte. Die SP konnte ihren Sitz mit Anne Emery-Torracinta (43'505 Stimmen) verteidigen und für die Grünen holte Antonio Hodgers (44'132) mit einem Glanzresultat wenigstens einen Sitz. Thierry Apothéloz (39'914 Stimmen) verpasste den Einzug in die Regierung knapp. Wie das gesamte Dreierticket konnte er im Vergleich zum ersten Umgang seine Stimmen zwar mehr als verdoppeln, lag aber schliesslich rund 1200 Stimmen hinter Poggia zurück. Insgesamt hatte sich der Zusammenschluss von Links-Grün also gelohnt. Hinter Rochat lagen Céline Amaudruz (35'010 Stimmen) und Eric Stauffer (32'008 Stimmen). Damit bewahrheitete sich auch in Genf, dass nur in die Regierung gewählt wird, wer als konziliante Persönlichkeit – als halber Populist, wie die NZZ Poggia bezeichnete – wahrgenommen wird. In der Presse wurde der Erfolg des MCG breit diskutiert und gar als schweizweites Zeichen für ein Weitererstarken rechtskonservativen Gedankenguts interpretiert. Zwar sei Poggia ein gemässigter Vertreter des MCG, die Regierung müsse sich aber wohl auf interne Opposition gefasst machen. Es sei nun an der Entente, Mehrheiten zu schaffen. Einzigartig war auch, dass gleich drei amtierende Nationalräte in ein kantonales Exekutivamt gewählt wurden, wurde doch bisher in der Regel eher der umgekehrte Weg gewählt. Die drei Gewählten traten aus dem Nationalrat zurück. Die Genfer Regierung wurde somit stark verändert: fünf neue Gesichter, nur ein Mitglied, dass bereits eine ganze Legislatur hinter sich hatte (Longchamp), ein Rechtsrutsch durch den Einzug eines extremen Rechten, nach 2009 weitere Verluste von Links-Grün und statt zwei nur noch eine Frau in der Exekutive. Das Département présidentiel, eine weitere Neuerung der revidierten Kantonsverfassung, wurde Longchamp übertragen, der zwar weniger Stimmen als Maudet erhalten hatte, aber mehr Erfahrung vorweisen konnte. Maudet behielt das Sicherheitsdepartement, das neu mit dem Wirtschaftsdepartement verknüpft war. Poggia wurde Vorsteher des Departements Gesundheit, Arbeit und Soziales, Emery-Torracinta erhielt das Erziehungsdepartement und Hodgers wurde Chef für Raumplanung, Stadtplanung und Energie. Dal Busco war neu zuständig für die Finanzen und Barthassat wurde das Departement für Verkehr, Transport, Umwelt und Landwirtschaft übertragen. Die als passend befundene Departementsverteilung wurde in der Presse als gutes Zeichen für ein funktionierendes Kollegium gewertet.