Réinitialiser la recherche

Contenu

Acteurs

  • Schwyz
  • Appenzell Ausserrhoden

Processus

367 Résultats
Sauvegarder en format PDF Pour plus d'information concernant l'utilisation de la requête cliquer ici

Jahresrückblick 2023: Föderativer Aufbau

Autorinnen: Marlène Gerber und Catalina Schmid

Das Medieninteresse an Föderalismus und Territorialfragen war 2023 deutlich geringer als noch während der Covid-19-Pandemie, wie Abbildung 2 der angehängten APS-Zeitungsanalyse 2023 zeigt. Auch Diskussionen über den Stadt-Land-Graben wurden im Unterschied zu 2021 kaum intensiv geführt. Aufmerksamkeit erhielt er vor allem im Zusammenhang mit den eidgenössischen Wahlen und insbesondere im Kanton Zürich, wo erneut Forderungen nach der Abspaltung der Stadt Zürich vom Kanton laut wurden.

Die Aufgabenteilung zwischen den unterschiedlichen föderalen Ebenen wurde vorwiegend in der Asylpolitik virulent diskutiert. Wie bereits im Vorjahr war das Asylwesen als Verbundaufgabe zwischen Bund, Kantonen, Gemeinden und Städten auch im Jahr 2023 einer besonderen Belastungsprobe ausgesetzt. Die stark ansteigenden Asylgesuchszahlen sowie die Unterbringung von zahlreichen Kriegsflüchtlingen aus der Ukraine führten teilweise zu Kapazitätsengpässen bei der Unterbringung und schufen neue Herausforderungen für alle Beteiligten. Der im Juni erschienene Schlussbericht zur Evaluation des Schutzstatus S empfahl denn auch, dass Bund und Kantone eine konkretere Notfallplanung ausarbeiten und dass darin die Rolle aller beteiligten Akteure bei Unterbringung und Erstversorgung geklärt wird. Auf Widerstand bei den Kantonen stiess ausgerechnet der abschlägige Entscheid des Ständerats während der Sommersession gegen den Bau von Containern auf dem Armeegelände für die Erstunterbringung von Asylsuchenden. Daraufhin befürchteten die Kantone, dass der Bund ihnen im Herbst erneut Personen mit laufendem Asylverfahren zustellen werde. So weit kam es indes nicht: Im Unterschied zum gleichen Zeitpunkt im Vorjahr konnten die Asylverfahren im Herbst 2023 in den Bundesasylzentren abgeschlossen werden.

Übereinstimmung zwischen den Kantonen zeigte sich im Frühling anhand einer neuen europapolitischen Standortbestimmung der KdK. Die Kantonsregierungen sprachen dem Bundesrat für erneute Verhandlungen mit der EU einstimmig ihre Unterstützung zu und äusserten sich zudem zu den einzelnen Streitpunkten bei den bilateralen Verhandlungen der Schweiz und der EU. Die Presse zeigte sich verblüfft über die subnationale Einigkeit, hatte sich doch eine Reihe von Kantonen in den vorherigen Jahren noch gegen ein Rahmenabkommen unter diesen Bedingungen ausgesprochen.

Im Herbst scheiterten bedeutende Projekte für innerkantonale Gemeindefusionen, darunter nach fünfjährigen intensiven Vorarbeiten auch die Fusion der Stadt Bern mit der Gemeinde Ostermundigen. Ende November lehnte die Ausserrhodener Stimmbevölkerung eine Grossfusion von 20 auf 3 bis 5 Gemeinden ab, befürwortete jedoch einen Eventualantrag, gemäss welchem eine zu erarbeitende gesetzliche Grundlage einzelne Gemeindefusionen ermöglichen soll.

Ein zentraler Meilenstein wurde hingegen in der Frage des Kantonswechsels von Moutier vom Kanton Bern zum Kanton Jura erreicht: Die beiden Kantone einigten sich im März nach zwei Jahren Verhandlungen im letzten verbliebenen Streitpunkt, den interkantonalen Ausgleichszahlungen, und präsentierten im Mai schliesslich einen Konkordats-Entwurf zum Kantonswechsel, der Ende November von den kantonalen Regierungen unterzeichnet wurde und der 2024 den beiden Kantonsparlamenten zur Ratifizierung vorgelegt werden soll.

Jahresrückblick 2023: Föderativer Aufbau
Dossier: Rétrospective annuelle 2023

La Commission de l'environnement, de l'aménagement du territoire et de l'énergie du Conseil des Etats (CEATE-CE) a décidé à l'unanimité de rejeter l'initiative du canton de Schwyz pour un renforcement de la protection des troupeaux contre les grands prédateurs. La commission estime, en effet, que la modification récente de la loi sur la chasse (LChP) permet de répondre aux doléances du canton de Suisse centrale.

Renforcer la protection des troupeaux contre les grands prédateurs (Iv. ct. 22.323)
Dossier: Comment légiférer après le non à la Loi sur la chasse (2020)

Noch am Abend der eidgenössischen Wahlen 2023 publizierte das Bundesamt für Statistik (BFS) die offiziellen Wählendenstärken der Parteien. Wahlsiegerin war demnach die SVP mit 28.6 Prozent (+3.0 Prozentpunkte PP im Vergleich zu 2019), gefolgt von der SP mit 18.0 Prozent (+1.2 PP). Die Mitte (14.6%; +0.7 PP, wenn BDP und CVP addiert werden), die 2023 erstmals als Fusion zwischen BDP und CVP angetreten war, hatte diesen Zahlen zufolge im Vergleich zu den Wahlen 2019 mit der FDP (14.4%; -0.7 PP) die Plätze getauscht. Dieser Umstand führte ebenfalls noch am Wahlabend und in den Tagen darauf zu einigen Diskussionen über die Zusammensetzung des Bundesrats. So wurde die Frage aufgeworfen, ob es noch gerechtfertigt sei, dass die FDP als lediglich viertstärkste Partei über zwei Sitze und die Mitte – nunmehr drittstärkste Partei – nur über einen Regierungssitz verfüge. Für einigen Diskussionsstoff sorgten zudem auch das im Vergleich zu 2019 schlechte Abschneiden der Grünen (9.4%; -3.8 PP) und der GLP (7.2%; -0.6 PP).

Drei Tage später sollten sich diese Zahlen freilich noch einmal verändern, weil das BFS die Wahlresultate korrigieren musste. Das Bundesamt meldete, dass aufgrund eines Programmierfehlers die Resultate aus den Kantonen Glarus, Appenzell Innerrhoden und Appenzell Ausserrhoden mehrfach gezählt worden seien. Die drei Kantone hatten ihre Daten im Gegensatz zu allen anderen Kantonen nicht automatisiert ans BFS geschickt, sondern in Form von Excel-Dateien, deren Auszählung falsch programmiert worden sei. Die Mehrfachzählung der drei Kantone führte dazu, dass die Stärken der bürgerlichen Parteien zu hoch (SVP neu: 27.9%; FDP neu: 14.3%; Mitte neu: 14.1%) und jene der SP, (neu 18.3%) der Grünen (neu 9.8%) und der GLP (neu 7.6%) zu tief ausgefallen waren. Die Korrektur führte also mitunter dazu, dass die FDP hinsichtlich Wählendenstärke drittstärkste Partei im Nationalrat blieb. Freilich änderte sich an den Sitzzahlen nichts. Hier hatte die Mitte (29 Sitze; +1) die FDP (28 Sitze; -1) in der grossen Kammer erstmals überholt. Das BFS hatte den Fehler zwei Tage nach den Wahlen bemerkt und war am folgenden Tag an die Medien getreten, um ihn zu erklären. Man nehme die Schuld auf sich, sagte BFS-Direktor Georges-Simon Ulrich weil das neue Programm zu wenig ausführlich getestet worden sei. Alain Berset, dem das BFS im EDI unterstellt ist, leitete in der Folge eine Administrativuntersuchung ein. Ziel sei eine umfassendere und automatisierte Prüfung der Plausibilität der Resultate und mehr Kontrollpersonal, so der dazu veröffentlichte Medienbericht.

Die Reaktionen auf die Korrektur durch das BFS waren teilweise heftig. Auf der einen Seite freuten sich die Grünen und die SP über das bessere Abschneiden. Auf der anderen Seite fanden verschiedene bürgerliche Politikerinnen und Politiker deutliche Worte für die Panne. Auch die Medien gingen mit dem BFS hart ins Gericht und betitelten den Zählfehler etwa als «Fiasko» (NZZ) oder «Debakel» (TA). Die Republik sprach von einer «gewaltigen Symbolkraft dieser Panne» und kritisierte die schlechte «Digitalkompetenz beim Bund». Le Temps machte sich über den «grosse gueule de bois au pays de la précision» lustig und fragte sich, ob Excel-Dateien im Zeitalter der Digitalisierung noch angezeigt seien. Expertinnen und Experten, die von den Medien zu Einschätzungen eingeladen wurden, lobten zwar einerseits die Behörden, da diese proaktiv, schnell, transparent und klar kommuniziert hätten, warnten aber auch, dass der Fehler das Vertrauen in das politische System beschädigen könnte. Die Kritik verebbte freilich ziemlich schnell wieder.

Fehler beim BfS nach den Wahlen

Im Oktober 2023 präsentierte die SPK-NR in Umsetzung einer eigenen parlamentarischen Initiative ihren Entwurf zur Anpassung des Ausländer- und Integrationsgesetzes (AIG), mit dem ausländische Opfer von häuslicher Gewalt ausländerrechtlich besser geschützt werden sollen. Um zu verhindern, dass Opfer gewalttätige Beziehungen aufrechterhalten, weil sie die Wegweisung aus der Schweiz fürchten, beantragte die Kommission eine Änderung von Artikel 50 des AIG zur Auflösung der Familiengemeinschaft. Dadurch sollte die bereits bestehende Härtefallregelung, die die Erteilung oder Verlängerung der bisherigen Aufenthaltsbewilligung auch nach der Trennung möglich macht, auf alle von häuslicher Gewalt betroffenen Ausländerinnen und Ausländer ausgedehnt werden. Bis anhin konnten nur ausländische Familienangehörige von Schweizer Bürgerinnen und Bürgern sowie Personen mit einer Niederlassungsbewilligung von dieser Härtefallregel profitieren. Darüber hinaus sollen neu auch nicht verheiratete Paare mitgemeint sein, sofern sie im Konkubinat oder in einer eingetragenen Partnerschaft leben, ebenso wie die Kinder dieser Personen. Nicht zuletzt soll es auch leichter werden, den Nachweis für das Vorliegen von häuslicher Gewalt zu erbringen, was auch durch eine verstärkte Kohärenz mit dem Opferhilfegesetz gelingen soll.

In der Vernehmlassung war der Entwurf von einem Grossteil der 143 Teilnehmenden befürwortet worden. Viele interessierte Kreise – darunter etwa Amnesty International, verschiedene Hilfswerke und etliche Frauenhäuser – hoben hervor, dass die Gesetzesanpassung mehr Rechtsgleichheit für Gewaltbetroffene sowie einen besseren Opferschutz bringen würde. Etliche Vernehmlassungsteilnehmende betonten ferner, dass das von der Schweiz ratifizierte Übereinkommen des Europarats zur Verhütung und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt (Istanbul-Konvention) damit besser eingehalten werden könnte. Sollte die Gesetzesänderung vom Parlament angenommen werden, könnte folglich ein von der Schweiz angebrachter Vorbehalt zur Istanbul-Konvention geprüft und gegebenenfalls gestrichen werden. Die meisten Kantone sowie fünf von sechs stellungnehmenden Parteien (SP, Grüne, EVP, Mitte und FDP) begrüssten den Vorentwurf; einige stellten sich jedoch gegen einzelne Bestandteile daraus. Acht Kantone (AI, AR, BE, NW, OW, SO, TI, ZG) sowie die VKM lehnten es generell ab, dass die Härtefallregelung auch neue Rechtsansprüche schaffe für Personen, die zuvor keinen eigenständigen Rechtsanspruch auf eine ausländerrechtliche Bewilligung hatten, da ihre Bewilligung ursprünglich mittels Ermessensentscheid im Rahmen des Familiennachzugs erteilt worden war. Wenn aus Ermessen in diesen Fällen ein Anspruch würde, widerspräche dies gemäss Vernehmlassungsbericht «der Logik und der Systematik des Ausländerrechts, wonach der nachziehende Ehegatte dem nachgezogenen Gatten nicht mehr Rechte verschaffen könne, als er selbst besitzt». Die Kantone Freiburg und Neuenburg stellten sich nicht generell gegen die Schaffung neuer Rechtsansprüche, sondern lediglich gegen diejenigen bei der Erteilung von Kurzaufenthaltsbewilligungen an Personen, deren Ehegatte über eine Kurzaufenthaltsbewilligung verfügt. Elf Kantone (AG, AI, AR, BE, BS, FR, OW, SO, TG, TI, ZG), die VKM und die FDP störten sich ferner an der Bestimmung, dass die Integrationskriterien bis drei Jahre nach Erteilen der eigenständigen Aufenthaltsbewilligung gemäss Revision des Artikels 50 keinen Einfluss auf die Verlängerung der Bewilligung haben sollen. Die Kommission wollte mit ebendieser Regelung der schwierigen Situation, in der sich die betroffenen Personen befinden, Rechnung tragen. Auch wenn die Integrationskriterien während dieses Zeitraums nicht entscheidungsrelevant seien, sollen sie dennoch geprüft und die Integration bei Bedarf gefördert werden, so die Kommission. Von den sechs stellungnehmenden Parteien stellte sich lediglich die SVP gegen den Entwurf. Sie argumentierte, dass eine Gesetzesrevision aufgrund der bestehenden Rechtsprechung und Verwaltungspraxis weitgehend überflüssig sei. Eine Gesetzesanpassung wie die vorgesehene berge zudem Missbrauchspotential, so die SVP abschliessend.

Besserer Schutz für ausländische Opfer von häuslicher Gewalt (Pa.Iv. 21.504)
Dossier: Violences contre les femmes* / violence domestique (depuis la ratification de la Convention d'Istanbul)

Im Juni 2023 wurde die Junge SVP Säntis gegründet. Sie fungiert als Jungpartei der SVP für die Kantone Appenzell Ausserrhoden und Appenzell Innerrhoden und ist die erste kantonsübergreifende Sektion der JSVP. Die JSVP Säntis trat an die Stelle der JSVP Ausserrhoden, die gemäss Presseberichten «nur noch auf dem Papier» existiert hatte und nun formell aufgelöst wurde, sowie der JSVP Innerrhoden, welche wegen Mitgliederschwunds schon vor Längerem aufgelöst worden war.
Die neue Partei zählte bei ihrer Gründung rund 25 Mitglieder. Zum Gründungspräsidenten wurde der 22-jährige Ausserrhoder Kantonsrat Max Slongo gewählt. Er formulierte gegenüber der Presse das Ziel, innert dreier Jahre die Ausserrhoder Jungfreisinnigen als stärkste Jungpartei im Appenzellerland abzulösen. Daneben bestanden im Einzugsgebiet der JSVP Säntis auch noch die Juso (als Teil der Juso St. Gallen), die 2020 gegründeten Jungen Grünen Appenzellerland sowie die 2021 etablierte Junge Mitte Ausserrhoden.

Gründung der Jungen SVP Säntis

Die kantonalen Parlamentswahlen in Appenzell Ausserrhoden 2023 liefen aufgrund der Eigenheiten des Wahlsystems, das sich je nach Gemeinde unterscheidet, auf verschiedene Weise ab. In 19 der 20 Ausserrhoder Gemeinden, welche gleichzeitig als Wahlkreise fungieren, wurden insgesamt 51 der 65 Mitglieder des Kantonsrates mittels Majorzverfahren gewählt. In der grössten Ausserrhoder Gemeinde, in Herisau, wurden hingegen für die restlichen 14 Kantonsratssitze Proporzwahlen durchgeführt.
Die Ausgangslage für die Parteien präsentierte sich im Vorfeld der Wahlen unterschiedlich. Die bis anhin grösste Fraktion im Kantonsparlament, die FDP, musste sich von verschiedenen Schwergewichten verabschieden, unter anderem von Katrin Alder-Preisig (AR, fdp), welche im März 2023 in die Kantonsregierung gewählt worden war. Entsprechend schien die Partei unter Druck und zielte vor allem darauf ab, ihre Sitzzahl zu halten. Ähnlich sah die Situation bei der Fraktion der Parteiunabhängigen (PU) aus, welche ebenfalls die Rücktritte mehrerer langjähriger Kantonsratsmitglieder kompensieren musste. Wie die Appenzeller Zeitung berichtete, hatte auch die SVP mit einer dünnen Personaldecke zu kämpfen. Anders sahen die Vorzeichen bei der Fraktion der Mitte/EVP aus, welche keinen einzigen Rücktritt zu vermelden hatte. Sie schielte dementsprechend auf einen Sitzgewinn. Gleiches galt für die SP, welche lediglich einen Abgang zu verteidigen hatte. Neu mischte auch die GLP im Rennen um die Kantonsratssitze mit: Ihre Appenzeller Kantonalpartei war 2021 gegründet worden und trat nun erstmals bei den kantonalen Wahlen an. Dass die meisten Sitze im Majorzverfahren vergeben werden, wurde im Vorfeld von den Medien als Hürde für die neue kleine Partei betrachtet.
Der Wahlkampf verlief gemäss Presse ziemlich flau. In ihrem Leitartikel zu den Wahlen führte dies die Appenzeller Zeitung unter anderem auf das Desinteresse breiter Teile der Bevölkerung, die rückläufige Bedeutung der Parteien und die sinkenden Ressourcen der Lokalmedien zurück. Zudem kam es nur gerade in 6 der 19 Gemeinden, in denen nach dem Majorzverfahren gewählt wurde, überhaupt zu Kampfwahlen. In 13 Gemeinden bewarb sich auf den jeweils verfügbaren Sitz nur eine Person.

Die Wahlen brachten dennoch einige kleinere Veränderungen zugunsten von Mitte-Links. Die GLP zog auf Anhieb mit zwei Personen in den Kantonsrat ein. Neben einem Sitz in Herisau holte die Partei auch einen Sitz in Teufen und gewann damit sogar ein Mandat mittels Majorzverfahren. Die SP schaffte es, in Lutzenberg einen Sitz dazuzugewinnen und in den anderen Gemeinden ihre Sitze zu verteidigen – in der Gemeinde Rehetobel allerdings erst nach einem Umweg über den zweiten Wahlgang. Neu besetzte die SP damit 13 Sitze im Kantonsrat. Die FDP verlor zwar gegenüber den letzten Wahlen 2019 einen Sitz, blieb jedoch mit 22 Mandanten deutlich stärkste Partei im Parlament. Auch die zweitgrösste Fraktion, die Parteiunabhängigen, büssten einen Sitz ein und besetzten neu noch 15 Parlamentssitze. Schliesslich verlor auch die SVP ein Mandat und kam damit noch auf deren sieben. Die Fraktion Mitte/EVP vermochte hingegen ihre vier Sitze zu verteidigen.

Der Frauenanteil im Kantonsrat stieg nach dem historischen Sprung bei den Wahlen 2019 von 21.5 auf 32.3 Prozent nur noch leicht an und betrug neu 33.8 Prozent.

Kantonale Parlamentswahlen Appenzell Ausserrhoden 2023
Dossier: Elections cantonales - Appenzell Rhodes-Extérieures
Dossier: Elections des législatifs cantonaux 2023

Ende März veröffentlichte die SPK-SR den Bericht zur Vernehmlassung der Umsetzung der vier Standesinitiativen (ZG: 19.311, BL: 20.313, LU: 20.323, BS: 21.311), die eine bessere Vereinbarkeit von Mutterschaft und Parlamentsmandat verlangen. Konkret sollen Frauen nach der Geburt eines Kindes ihre Mutterschaftsentschädigung nicht mehr verlieren, wenn sie ein politisches Legislativmandat wahrnehmen. Aktuell erlischt der Anspruch, wenn eine Erwerbstätigkeit wieder aufgenommen wird, wozu auch die Arbeit als Parlamentarierin gezählt wird. Dies führt dazu, dass gewählte Parlamentarierinnen entweder nicht an Sitzungen teilnehmen oder aber den Auftrag der Wählenden wahrnehmen, dadurch aber auf ihre Entschädigung verzichten müssen. Dies soll mit einer Revision des Erwerbsersatzgesetzes geändert werden. Die Vorlage sieht vor, dass eine Teilnahme an Plenar- oder Kommissionssitzungen auf allen drei föderalen Ebenen durch eine Frau – Männer bzw. Vaterschaftsurlaubsregelungen wurden explizit ausgenommen – deren Anspruch auf Mutterschaftsentschädigung nicht mehr beeinträchtigt, es sei denn, es bestehe eine Stellvertretungslösung.

Die Mehrheit der 53 eingegangenen Stellungnahmen in der Vernehmlassung unterstützten den Umsetzungsvorschlag. Von den 25 antwortenden Kantonen (GR hatte auf eine Stellungnahme verzichtet), sprachen sich 18 dafür aus, Aargau, Nidwalden und Genf wollten die Einschränkung durch die Stellvertreterlösungen streichen und Solothurn wollte nicht bloss Plenar- und Kommissionssitzungen, sondern sämtliche mit einem Mandat verbundenen Tätigkeiten aufführen. Gegen die Vorlage stellten sich Appenzell Ausserrhoden, Thurgau und Schwyz, die eine Aufweichung des Mutterschutzes befürchteten: Die Regelung könnte dazu führen, dass sich Mütter mit einem politischen Mandat verpflichtet fühlten, ihren Mutterschaftsurlaub zu unterbrechen, so die Begründung. EVP, FDP, GLP, GP, Mitte und SP begrüssten die geplante Umsetzung, die SVP lehnte sie ab, weil sie eine Besserbehandlung von Politikerinnen gegenüber anderen berufstätigen Frauen bedeute. Umstritten war die Vorlage bei den Verbänden. Bei den Gewerkschaften begrüsste der SGB die Vorlage grundsätzlich, warnte aber vor weiteren Lockerungen; Travail.Suisse stellte sich gegen jegliche Lockerung des Mutterschutzes und lehnte die Vorlage ab. Die Arbeitgeberverbände (SAV und SGV) kritisierten die Ungleichbehandlung und forderten eine Lockerung der Kriterien für Mutterschaftsurlaub für alle Frauen, standen der Vorlage also eher ablehnend entgegen. Verschiedene Frauenverbände (AllianceF, SKG und SVF) begrüssten die Vorlage zwar, verlangten aber weitere Flexibilisierungen hinsichtlich zeitlicher Gestaltung des Mutterschaftsurlaubs generell und einen Verzicht auf die Ausnahme hinsichtlich Stellvertretungsregelung. Es könne bei Kommissionssitzungen, die häufig Stellvertretungsregelungen kennen, wichtig sein, persönlich anwesend zu sein.
Die SPK-SR beschloss aufgrund der Vernehmlassungsresultate, an der ursprünglichen Lösung festzuhalten und lediglich die Teilnahme an Kommissions- und Plenarsitzungen zu regeln, im Falle von möglichen Stellvertretungslösungen aber keine Ausnahmen zu machen. Die Vorlage geht in die parlamentarische Beratung.

Mutterschaft und Parlamentsmandat (Kt.Iv. 19.311, Kt.Iv.20.313, Kt.Iv.20.323 und Kt.Iv.21.311)
Dossier: Part de femmes au parlement
Dossier: Compatibilité du travail parlementaire avec la vie familiale et professionnelle

Bei den kantonalen Regierungsratswahlen in Appenzell Ausserrhoden 2023 galt es den freiwerdenden Sitz von Paul Signer (AR, fdp) zu besetzen. Der scheidende FDP-Finanzdirektor hatte sich nach 30 Jahren in der Ausserrhoder Politik und nach zehn Jahren im Regierungsrat entschlossen, bei den Gesamterneuerungswahlen 2023 nicht mehr anzutreten. Für Signers Nachfolge stellte sich Katrin Alder-Preisig (AR, fdp) zur Verfügung. Sie sass seit 2013 im Kantonsrat und hatte diesen 2019/20 präsidiert. Sie war bereits früher bei wichtigen politischen Vakanzen als mögliche Nachfolgerin gehandelt worden, hatte jedoch hauptsächlich aus familiären Gründen jeweils auf eine Kandidatur verzichtet, wie die Appenzeller Zeitung berichtete. Eine Gegenkandidatur gab es weder innerhalb noch ausserhalb der FDP. Da sich die anderen vier amtierenden Regierungsräte allesamt für eine weitere Amtszeit bewarben, kandidierten wie schon bei den letzten Gesamterneuerungswahlen 2019 genau fünf Personen für das fünfköpfige Regierungsgremium.
Auch für das Amt des Landammanns kandidierte nur eine Person, nämlich der amtierende SP-Regierungsrat Yves Noël Balmer (AR, sp), der gemäss dem Anciennitätsprinzip an der Reihe war. Zwar sehe die Ausserrhoder Verfassung vor, dass die Landammanwahl eine Volkswahl sei, doch die Regierung stehe zum Anciennitätsprinzip, weshalb nur er kandidiere, begründete Balmer gegenüber den Medien.
Der fehlende politische Konkurrenzkampf unter den Parteien wurde auch dadurch unterstrichen, dass alle in der Regierung vertretenen Parteien jeweils alle anderen Kandidierenden zur Wahl empfahlen. Auch die nicht in der Regierung vertretene EVP empfahl die Bisherigen und Alder en bloc zur Wahl, lamentierte aber die fehlende Auswahl für die Wählenden – dadurch werde die Demokratie geschwächt, so die Partei. Eine eigene Kandidatur stellte die EVP freilich nicht. Auch aus den Medien wurden Stimmen laut, welche die fehlende Auswahl kritisierten. In einem Leitartikel schrieb auch die Appenzeller Zeitung, dass dadurch die Demokratie geschädigt würde, weil die eigentliche Wahl nicht mehr der Stimmbevölkerung, sondern den Parteien zufalle. Dies zeige aber auch, dass das Ausserrhoder Politsystem an Grenzen stosse; es sei zunehmend schwierig, geeignete Kandidierende für politische Ämter zu finden.

Am Wahlsonntag blieben Überraschungen aus. Alle Kandidierenden schafften komfortabel die Wahl in die Regierung. Mit 9'242 Stimmen zuvorderst platzierte sich der parteilose Bildungs- und Kulturdirektor Alfred Stricker (AR, parteilos). Katrin Alder-Preisig (fdp) holte 9'217 Stimmen und erzielte somit auf Anhieb das zweitbeste Resultat. Mit ihr hielt die erste Frau seit 2017 in die Regierung Einzug. Hinter Stricker und Alder-Preisig folgten der bisherige Vorsteher des Departements Inneres und Sicherheit Hansueli Reutegger (AR, svp; 9'059 Stimmen), Bau- und Volkswirtschaftsdirektor Dölf Biasotto (AR, fdp; 8'882 Stimmen) und Gesundheits- und Sozialdirektor Yves Noël Balmer (sp; 8'827 Stimmen).
Die Wahlbeteiligung betrug – ob der Nicht-Auswahl wenig erstaunlich – lediglich 26.3 Prozent. Nach der Wahl kam es zu einer kleinen Rochade in den Departementen. Hansueli Reutegger übernahm von Paul Signer das Dossier Finanzen; Katrin Alder-Preisig wird neu Reuteggers bisheriges Departement des Inneren und der Sicherheit leiten.

Kantonale Regierungsratswahlen Appenzell Ausserrhoden 2023
Dossier: Elections cantonales - Appenzell Rhodes-Extérieures
Dossier: Elections des exécutifs cantonaux 2023

En 2022, la population de sept cantons (BE, GL, GR, NW, OW, VD, ZG) s’est rendue aux urnes pour renouveler ses autorités législatives. En 2020 et 2021, les partis écologistes, sur la lancée des élections fédérales de 2019, étaient en constante progression. Si les Vert-e-s ont commencé à s’essouffler légèrement en 2022, le Parti vert’libéral a lui encore surfé sur la vague écologiste. Si l’on met de côté le canton des Grisons, qui a connu un changement de système électoral, 21 sièges supplémentaires sont tombés dans l’escarcelle des vert’libéraux (de 29 à 50 au total des six cantons restants). Ils sont ainsi entrés pour la première fois au législatif à Nidwald et Obwald, et ont progressé dans les autres cantons, à l’exception de Glaris, où ils ont perdu un strapontin. Le Parti des vert-e-s a lui récolté 9 sièges supplémentaires, grâce à de bons scores à Berne (+5 sièges) et Vaud (+4 sièges). Cependant, la gauche n’en est pas ressortie renforcée, car les socialistes ont perdu 15 sièges, avec des scores en recul dans chaque canton. L’UDC et le PLR sont restés plus ou moins stables (-3 sièges pour l’UDC et +2 pour le PLR). L’UDC demeure le parti le plus fort à Berne et Glaris, le PLR à Nidwald et dans le canton de Vaud. À Zoug et Obwald, le parti détenant le plus de sièges est le Centre, qui concourrait pour la première fois sous sa nouvelle bannière dans ces cantons. Issu de la fusion du PDC et du PBD, le parti a certes perdu 5 sièges par rapport au total cumulé de ses deux prédécesseurs, mais le tableau est nuancé selon les cantons. Les forces centristes ont progressé à Obwald, et ont légèrement cédé du terrain sinon, n’ayant désormais plus de représentant.e.s au Grand Conseil vaudois notamment. Au vu de ces résultats, la fusion ne semble pas encore avoir porté ses fruits.
Reste donc le cas des Grisons, où de nouveaux équilibres ont émergé en raison du nouveau système de vote. En effet, un système biproportionnel (double Pukelsheim) a été instauré en lieu et place du système majoritaire, jugé partiellement anticonstitutionnel par le Tribunal fédéral. Ce nouveau système était favorable aux partis plus petits. Sans surprise, les deux fractions les plus fortes au Grand Conseil, à savoir le Centre et le PLR, ont perdu respectivement 19 et 9 sièges, alors que l’UDC et le PS en ont gagné 16 et 7. Ce changement a également profité aux Vert’libéraux (+4 sièges) et aux Vert-e-s (+2 sièges).

Parmi les cantons élisant leurs autorités en 2022, celui qui s'est le plus rapproché de la parité femme-homme est le canton de Berne, avec 39.4 pour cent d'élues (35.6% lors de l'élection précédente). La part des femmes a également augmenté dans les cantons de Nidwald (de 21.7% à 26.7%), de Glaris (de 21.7% à 25%), de Zoug (de 28.8% à 30.0%), des Grisons (de 21.7% à 33.3%) et de Vaud (de 32.0% à 36.0%). En revanche, moins de 20 pour cent des députées sont des femmes à Obwald (de 25.5% à 18.2%), où la Nidwaldner Zeitung a parlé de «véritable débâcle» pour qualifier ce résultat.

Les Nidwaldien.ne.s ont été les champion.ne.s de la participation, avec 47.9 pour cent des ayants droit s'étant rendu.e.s aux urnes. Suivent Obwald (44.2%), Zoug (44.0%) et les Grisons (38.4%). La participation a navigué autour de 34 pour cent dans les cantons de Glaris (34.8%) et Vaud (34.3%), alors que moins d'un.e électeur.trice sur trois a voté dans le canton de Berne (31.9%). Dans certains cantons (Berne, Glaris, Zoug, Grisons), la participation a augmenté par rapport aux élections précédentes.

Au niveau des exécutifs, la stabilité a été de mise dans la plupart des cantons se rendant aux urnes. La répartition des sièges entre les partis n'a, en effet, pas changé à Berne (deux UDC, deux PS, une verte, un PLR, une centriste), à Zoug (trois centristes, deux UDC, deux PLR), à Glaris, où tous les sortant.e.s ont été réélu.e.s (deux PLR, un centriste, une UDC, un PS) et aux Grisons (trois centristes, un PLR, un PS). Le PLR n'a pas été à la fête à Obwald, où il a cédé un siège au Centre (deux centristes, un PCS, un UDC, un sans-parti). A Nidwald, c'est le Parti vert'libéral qui lui a subtilisé un siège (trois centristes, deux UDC, un PLR, un PVL). Peter Truttmann est ainsi devenu le deuxième vert'libéral à entrer dans un exécutif cantonal après Esther Keller à Bâle-Ville. Enfin, le canton de Vaud a vécu un changement de majorité. En effet, l'alliance de droite composée du Centre, du PLR et de l'UDC a repris le quatrième siège cédé à la gauche en 2011. La PS Cesla Amarelle a ainsi été contrainte de quitter le gouvernement au profit de la surprenante centriste Valérie Dittli. Avec l'élection de Dittli, le Centre vaudois possède donc un siège au gouvernement, mais aucun représentant au Grand Conseil. Notons encore que la sœur de Valérie Dittli, Laura Dittli, a, quant à elle, été élue au gouvernement zougois, le canton d'origine de la famille.

Après deux années durant lesquelles les citoyen.ne.s ont dû se rendre aux urnes pour renouveler le mandat accordé à leurs autorités, les «Bestätigungswahlen» ont à nouveau pu se tenir à la Landsgemeinde dans le canton d'Appenzell Rhodes-Intérieures. Sans surprise, les sept membres de l'exécutif ont été confirmés dans leurs fonctions.

Dans le canton de Schwyz, une élection complémentaire s'est tenue en raison des départs de Kaspar Michel (plr) et d'Andreas Barraud (udc). Le PLR et l'UDC ont conservé ces sièges avec les élections de Damian Meier (plr) et Xavier Schuler (udc).

A la fin de l'année 2022, 44 femmes siégeaient dans des exécutifs cantonaux, 3 de plus qu'une année auparavant, sur un total de 154 sièges (28.6% de femmes). 6 cantons ne comptaient aucune femme au sein de leur gouvernement (LU, UR, AR, TI, VS), alors que quatre étaient à majorité féminine (ZH, SO, TG, VD).

Parmi les dix plus grandes villes du pays, la population de Zurich et de Winterthour s'est rendue aux urnes en 2022. Au législatif de la ville de Zurich, la gauche a, de très peu, conservé sa majorité, avec 63 sièges sur 125. Les gains des Vert-e-s n'ont pas compensé les pertes du PS. A droite, le PVL, le PLR et le Centre sont sortis gagnants, alors que l'UDC a perdu des sièges.
A l'exécutif, pas de grand bouleversement des forces en présence: le seul sortant à ne pas briguer un nouveau mandat, membre de la gauche alternative, a été remplacé par une représentante du PS. A l'exécutif de Winterthour, la stabilité a également été de mise puisque tous les sortant.e.s ont été réélu.e.s. Au législatif, le PS est resté le parti le mieux représenté malgré de légères pertes, suivi par l'UDC et le PLR.

Récapitulatif des élections cantonales et communales 2022
Dossier: Elections des législatifs cantonaux 2022
Dossier: Elections des exécutifs cantonaux 2022
Dossier: Elections communales 2022
Dossier: Récapitulatif des élections cantonales et communales

Im Dezember 2022 präsentierte der Bundesrat seinen Bericht in Erfüllung eines Postulats der WAK-NR, welches der Nationalrat 2015 angenommen hatte. Wie die Kommission gefordert hatte, berichtete der Bundesrat über die Verteilung des Wohlstandes in der Schweiz, insbesondere auch über Einnahmen und Entwicklung des reichsten Prozents der Schweizerinnen und Schweizer. Demnach betrug das durchschnittliche Bruttoeinkommen der Privathaushalte 2019 CHF 9'582 pro Monat, 31 Prozent davon (CHF 2'973) wendeten die Haushalte für obligatorische Ausgaben (z.B. Steuern, Sozialausgaben und Krankenkassenprämien) auf, CHF 4'985 standen für den Konsum von Gütern oder Dienstleistungen zur Verfügung. Zwischen 1998 und 2014 sei das mediane verfügbare Äquivalenzeinkommen um 15 Prozent angestiegen, zwischen 2015 und 2019 habe es jedoch stagniert. Kaum verändert habe sich die Verteilung der Einkommen, was gemäss Bericht auch auf die umverteilende Wirkung staatlicher oder staatlich geregelter Transfers zurückzuführen sei. Zwischen den Regionen gebe es ungleiche Einkommensverteilung, wobei insbesondere in den alpinen und voralpinen Regionen sowie im Jura und in einigen Tourismusregionen die niedrigsten Einkommen zu beobachten seien. Auch innerhalb der Kantone gebe es ungleiche Verteilungen der Einkommen, insbesondere in den Kantonen Schwyz, Genf und Zug.
Der Bericht wies überdies – wie vom Postulat gefordert – für das Jahr 2018 den Anteil an Personen aus, deren Reineinkommen über dem doppelten Medianeinkommen lag: Sie machten 16.2 Prozent der Steuerpflichtigen aus, verfügten über 44.9 Prozent der Gesamteinkommen der Schweiz und zeigten sich für 83.5 Prozent der Eingänge der Bundessteuer verantwortlich.

Stillschweigend schrieb der Nationalrat die Motion in der Folge auf Antrag des Bundesrates ab.

Ergänzung des Wohlstandsberichtes (Po. 15.3381)

Im Rahmen der Bundesratswahlen 2022 kam es auch zu ausführlichen Diskussionen um die Vertretung der Regionen, die sich vorab um die sehr unterschiedliche bisherige Zahl an Bundesratsmitgliedern aus den verschiedenen Kantonen drehte. Vor den Ersatzwahlen 2022 wurde die Rangliste vom Kanton Zürich mit bisher 20 Vertreterinnen und Vertretern in der Landesregierung angeführt, gefolgt vom Kanton Waadt mit 15 und dem Kanton Bern mit 14 Vertrenden. Noch nie im Bundesrat vertreten waren bis dahin die Kantone Jura, Nidwalden, Schaffhausen, Schwyz und Uri.
Seit der entsprechenden Abstimmung im Februar 1999 spielt die Kantonsklausel allerdings keine Rolle mehr. Bis damals war es nicht möglich gewesen, dass zwei Regierungsmitglieder aus dem gleichen Kanton stammten. Unklar war hingegen seit je her, wie die Kantonszugehörigkeit genau definiert wird: durch den Wohnkanton oder den Bürgerkanton; und aus welchem Kanton stamnen verheiratete Frauen, die über mehrere Heimatrechte verfügten? So war etwa Ruth Dreifuss im Kanton Aargau heimatberechtigt, hatte aber dem Berner Stadtrat angehört und ihre Papiere kurz vor ihrer Wahl nach Genf verlegt. Bei der Diskussion um die Kantonszugehörigkeit eines Bundesratsmitglieds stellt sich überdies die Frage, ob Mitglieder der Landesregierung effektiv für «ihren» Kanton lobbyieren, wenn sie im Bundesrat sitzen. Nichtsdestotrotz war die Kantonszugehörigkeit der verschiedenen Kandidierenden recht laute mediale Begleitmusik der Bundesratsersatzwahlen 2022. Ob bei den Diskussionen um eine mögliche Nichtvertretung des Kantons Zürich bei der Kandidierendensuche der SVP, um lange Zeit untervertretene Kantone bei der Bewerbung von Heinz Tännler (ZG, svp) oder Eva Herzog (sp, VS), um Kandidierende aus Kantonen, die gar noch nie im Bundesrat vertreten waren bei den Kandidaturen von Michèle Blöchliger (NW, svp) oder Elisabeth Baume-Schneider (sp, JU), um die sich verändernden Chancen der Berner-SVP-Kandidaturen nach dem Rücktritt der Berner Bundesrätin Simonetta Sommaruga: Stets wurde dem Herkunftskanton Relevanz zugesprochen.

Für Diskussionen sorgte freilich auch die Vertretung der Sprachregionen. Dass es nach 1917 zum zweiten Mal in der Geschichte zu einer Mehrheit von nicht-deutschsprachigen Magistratinnen und Magistraten kommen könnte bzw. kam, wurde vor und nach den Ersatzwahlen vor allem von der FDP kritisiert. Die Freisinnigen forderten, dass dies nur für «eine kurze Übergangszeit» so bleiben dürfe. Diese Entscheidung obliege der Bundesversammlung, erwiderte SP-Fraktionspräsident Roger Nordmann (sp, VD). Die Schweiz gehe nicht unter, nur weil es keine deutschsprachige Mehrheit im Bundesrat gebe.

Das am meisten und nach den Ersatzwahlen vor allem in den Deutschschweizer Medien mit einiger Heftigkeit diskutierte Thema war dann freilich die Untervertretung der «urbanen Schweiz». Der Tages-Anzeiger sprach in seiner Online-Ausgabe davon, dass «dieser Mittwoch kein guter Tag für die Schweiz» gewesen sei. 70 Prozent der Bevölkerung und die «Fortschrittsmotoren» Zürich und Basel seien nun untervertreten. Offen forderte die Zeitung den baldigen Rücktritt von Alain Berset und Guy Parmelin, damit das Parlament dies nach den eidgenössischen Wahlen 2023 wieder korrigieren könne. Darüber hinaus wurde kritisiert, dass hinsichtlich Finanzausgleich lediglich noch «Nehmerkantone» in der Regierung vertreten seien. Andrea Caroni (fdp, AR) gab dem St. Galler Tagblatt zu Protokoll, dass er Angst habe, dass die «erhebliche sprachliche und geographische Schlagseite» im Bundesrat die Bundesverfassung strapaziere. Die Aargauer Zeitung sprach von einer «Ballenberg-Schweiz», die jetzt dominiere, obwohl eine «urbane Sichtweise» nötig wäre. Die Millionen Menschen, die in städtischen Räumen lebten, seien nun ohne Stimme in der Landesregierung, die mehr «Zerrbild als Abbild» sei, kritisierte erneut der Tages-Anzeiger. In ebendieser Zeitung befürchtete Hannes Germann (svp, SH) schliesslich, dass das Parlament «ein Chaos angerichtet» habe, weil dieses «krasse Ungleichgewicht» unschweizerisch sei.
Für die WoZ stellte dies aber aus städtischer Sicht kein Problem dar, da wesentlich wichtiger sei, welche unterschiedlichen gesellschaftlichen Gruppen vertreten seien. Noch pragmatischer urteilten die Westschweizer Medien. Mauro Poggia (mcg, GE) brachte diese Haltung in La Liberté auf den Punkt: Er habe Vertrauen in die Intelligenz der Personen in der Landesregierung: «Ce n'est pas parce qu'on est d'origine paysanne qu'on ne pense pas aux villes.» Die Erfahrung, selber einmal zur Minderheit zu gehören, könne der Deutschschweiz vielleicht auch guttun, zitierte der Blick den Chefredaktor seiner Romandie-Ausgabe. Auch Alain Berset meldete sich zu Wort: Er könne kein Problem erkennen, weil die Menschen heute so mobil seien, dass sie sich nicht mehr in Schablonen wie Stadt und Land pressen liessen. Die Vernetzung sei so gross, dass die regionale Herkunft kaum mehr eine Rolle spiele.

Diskussionen um die Vertretung der Regionen im Rahmen der Bundesratswahlen 2022

Mit Finanzdirektor Kaspar Michel (SZ, fdp) und Volkswirtschaftsdirektor Andreas Barraud (SZ, svp) gaben in Schwyz zwischen April und Mai 2022 innerhalb von einem Monat gleich zwei amtierende Regierungsmitglieder ihren vorzeitigen Rücktritt bekannt. Während Michel unter anderem wegen einem konkreten beruflichen Angebot zurücktrat, begründete der 64-jährige Barraud seinen Rücktritt mit gesundheitlichen Überlegungen.

Aufgrund des doppelten Rücktritts wurden in Schwyz Regierungsratsersatzwahlen nötig, welche die Regierung auf den 25. September 2022 ansetzte. Ein allfälliger zweiter Wahlgang sollte am 26. November stattfinden. Die FDP schickte den Schwyzer Polizeikommandanten Damian Meier (SZ, fdp) ins Rennen, um den Sitz von Kaspar Michel zu verteidigen. Meier setzte sich bei der Nominationsversammlung klar gegen Kantonsrat Sepp Marty (SZ, fdp) durch. Ähnlich klar war die Sache bei der SVP: Diese portierte den Schwyzer Gemeindepräsidenten Xaver Schuler (SZ, svp), der sich ebenfalls deutlich gegen Thomas Haas (SZ, svp) und Fredi Kälin (SZ, svp) durchsetzte. Komplizierter gestaltete sich die Nomination bei der SP, welche einen der beiden freien Sitze erobern wollte. Die Sozialdemokraten nominierten zwar schlussendlich deutlich den ehemaligen Präsidenten der SP-Kantonsratsfraktion und aktuellen Einsiedler Bezirksrat Patrick Notter (SZ, sp). Doch die Nomination ging nicht kritiklos über die Bühne. Notter setzte sich gegen die politisch unerfahrenere Diana de Feminis (SZ, sp) durch. De Feminis und ein Teil der SP zeigten sich darüber enttäuscht – insbesondere, weil die SP damit zu wenig mache, um den Frauenanteil in der Schwyzer Regierung zu erhöhen. Zum Zeitpunkt des Doppelrücktritts sass mit Petra Steimen-Rickenbacher (SZ, fdp) nur eine Frau im siebenköpfigen Gremium. Auch die GLP startete einen Angriff auf einen Regierungssitz. Sie nominierte die Leiterin des kantonalen Rechtsdienstes, Ursula Louise Lindauer (SZ, glp). Lindauer, die bis 2018 noch Mitglied der SP gewesen war, erhielt unter anderem auch Unterstützung der Schwyzer Gleichstellungskommission sowie vom Frauennetz Kanton Schwyz, das von der unterlegenen SP-Kandidatin Diana de Feminis präsidiert wird. Auch die Mitte empfahl Lindauer zur Wahl, eine zweite Empfehlung gab die Partei nicht ab. Auf eine eigene Kandidatur hatte die Mitte ebenfalls verzichtet, da sie mit Michael Stähli (SZ, mitte) und Sandro Patierno (SZ, mitte) bereits zweimal in der Regierung vertreten war und keinen zusätzlichen Sitzanspruch erhob. Schliesslich kandidierten auch noch zwei Parteilose für die Regierung: Landwirt Peter Abegg, der bereits bei den Regierungsratswahlen 2020 sowie bei den Bezirksgerichtswahlen 2021 kandidiert hatte, sowie der Unternehmer, Covid-19-Massnahmenkritiker und Anhänger der Bewegung Aufrecht Schweiz, Jürg Rückmar. Dass gleich sechs Personen bei einer Regierungsersatzwahl kandidieren, habe es laut dem Schwyzer Staatsschreiber Mathias Brun seit 1972 nicht mehr gegeben. Die Ersatzwahlen waren auch deshalb speziell, weil dies die ersten Wahlen waren, bei denen das neue Schwyzer Transparenzgesetz angewendet wurde. Das Gesetz geht zurück auf eine Initiative der Juso, welche die kantonale Stimmbevölkerung 2018 angenommen hatte. Es schreibt vor, dass Kandidierende ihre Interessenbindungen und Wahlkampfbudgets offenlegen müssen. Gemäss Angaben der Parteien lagen ihre Kampagnenbudgets für den ersten Wahlgang der Ersatzwahlen zwischen CHF 80'000 (FDP) und gut CHF 30'000 (GLP). Die SVP gab an, ihr Budget betrage CHF 51'500, während die SP ihre geplanten Wahlkampfausgaben auf rund CHF 60'000 bezifferte.

Am Wahlsonntag nach dem ersten Wahlgang konnte erst einer der Kandidierenden jubeln. Der SVP-Kandidat Xaver Schuler holte 17'083 Stimmen und übertraf damit das absolute Mehr von 17'080 Stimmen um drei Stimmen. An zweiter Stelle lag FDP-Anwärter Damian Meier, der 16'667 Stimmen erhalten hatte, das absolute Mehr und damit eine Wahl im ersten Wahlgang aber um 333 Stimmen verpasste. Dahinter platzierte sich Ursula Louise Lindauer (12'570 Stimmen) von der GLP etwas überraschend vor dem Sozialdemokraten Patrick Notter (12'167). Der parteilose Peter Abegg (6'914) und Jürg Rückmar (2'916) von Aufrecht Schweiz blieben chancenlos. Die Wahlbeteiligung lag bei 43.2 Prozent. Das Resultat und insbesondere der Rückstand auf Lindauer bewogen Notter zum Rückzug vor dem zweiten Wahlgang. Somit verblieben noch vier Kandidierende im Rennen um den zweiten freien Sitz. Die Mitte beschloss, auch im zweiten Wahlgang Lindauer zu unterstützen und auch die Grüne Partei empfahl die GLP-Kandidatin zur Wahl. Die SP konnte sich nicht für eine Wahlempfehlung für ihr ehemaliges Parteimitglied Lindauer durchringen und beschloss Stimmfreigabe. Meier bekam derweil Unterstützung von der SVP. Wie den Angaben der Parteien unter dem Transparenzgesetz zu entnehmen war, gab die FDP für den zweiten Wahlgang nochmals etwa CHF 65'000 aus, die GLP noch CHF 20'000.

Wie schon im ersten Wahlgang holte Damian Meier auch am 26. November mehr Stimmen als Ursula Louise Lindauer – 16'125 gegenüber 11'787 – und sicherte sich mit komfortablem Vorsprung den letzten freien Sitz. Peter Abegg (5'842 Stimmen) und Jürg Rückmar (1'045) konnten Meier ebenfalls nicht gefährden. Die Wahlbeteiligung im zweiten Wahlgang betrug noch 32.9 Prozent.

Die Wahl von Schuler und Meier löste auch eine Rochade in den Departementen aus: Herbert Huwiler (SZ, svp) übernahm das bisher von Kaspar Michel geführte Finanzdepartement. Das dadurch freigewordene Sicherheitsdepartement übernahm Huwilers Parteikollege Schuler. Das Volkswirtschaftsdepartement, dem Barraud vorgestanden war, übernahm Petra Steimen-Rickenbacher, welche wiederum ihr bisheriges Departement des Inneren dem neugewählten Damian Meier überliess.

Regierungsratsersatzwahlen Schwyz 2022
Dossier: Elections cantonales - Schwytz
Dossier: Elections des exécutifs cantonaux 2022

Der Nationalrat hatte im März 2022 den Abschreibungsantrag für die parlamentarische Initiative von Sibel Arslan (basta, BS) für die Einführung eines Stimm- und Wahlrechts für 16-Jährige abgelehnt und seine SPK-NR damit, nachdem er der Initiative im Jahr 2020 Folge gegeben hatte, erneut aufgefordert, eine entsprechende Vorlage auszuarbeiten. Die Kommission legte entsprechend im Herbst einen Entwurf vor, der, wie von der parlamentarischen Initiative vorgeschlagen, die Senkung des passiven Wahlrechts und des Stimmrechts auf 16 Jahre vorsah; gewählt werden können Wahl- und Stimmberechtigte entsprechend des Entwurfs also nach wie vor erst mit 18 Jahren. Trotz Ablehnung einer Minderheit der SPK-NR – der Entwurf wurde mit 13 zu 7 Stimmen (bei 3 Enthaltungen) angenommen – wurde der Vorschlag für eine Teilrevision der Verfassung (Artikel 136 BV) Mitte September 2022 in die Vernehmlassung gegeben.

In der Zwischenzeit war das Thema auch deshalb in den Medien präsent, weil sowohl im Kanton Zürich als auch im Kanton Bern entsprechende kantonale Vorschläge an der Urne abgelehnt worden waren. Im Kanton Zürich hatten Regierung und Parlament und alle Parteien mit Ausnahme von EDU, FDP und SVP eine Senkung des aktiven (nicht aber passiven) Wahl- und Stimmrechtsalters auf 16 Jahre empfohlen, die Vorlage wurde aber Mitte Mai 2022 mit 64.4 Prozent Nein-Stimmenanteil von der kantonalen Bevölkerung deutlich verworfen. Auch im Kanton Bern wollte die Mehrheit der Stimmberechtigten Ende September 2022 nichts von einer Ausweitung der politischen Rechte auf junge Menschen wissen. Auch hier war die Ablehnung mit 67 Prozent klar; einzig in der Stadt Bern stimmten 59 Prozent der Stimmberechtigten zu. Auch in Bern hatten sich das Parlament sowie alle Parteien mit Ausnahme von EDU, FDP und SVP für eine Senkung des Stimm- und Wahlrechtsalters ausgesprochen – nicht aber die Regierung, die auf das Jahr 2009 verwies, als schon einmal eine ähnliche Initiative an der Urne abgelehnt worden war (damals allerdings noch deutlicher mit 75% Nein-Stimmenanteil).
Weil in den letzten Jahren in den Kantonen Neuenburg (2020: 58.5% Nein), Uri (2021: 68.4% Nein; 2009: 79.9% Nein), Basel-Landschaft (2018: 84.5% Nein) und Basel-Stadt (2009: 72% Nein) die Ausweitung der politischen Rechte auf 16 bis 18-Jährige ebenfalls an der Urne gescheitert war und sich in den Kantonen Genf (2022), Luzern (2021), Schwyz (2021), Waadt (2021), Zug (2021), Jura (2020), St. Gallen (2020), Schaffhausen (2019), Thurgau (2019) und Freiburg (2010) die kantonalen Parlamente gegen entsprechende Vorstösse aus den eigenen Reihen ausgesprochen hatten, können weiterhin lediglich im Kanton Glarus auch Menschen zwischen 16 und 18 Jahren an politischen Entscheidungen teilhaben.

In den Medien gingen die Meinungen zu diesem Thema auseinander: In NZZ-Meinungsbeiträgen wurde es als «diskriminierend und heuchlerisch» bezeichnet, dass «junge Nachwuchspolitiker als Hoffnungsträger» gefeiert würden, sich «Politiker im Pensionsalter» hingegen für eine Wiederwahl rechtfertigen müssten; dies zeige die vermeintliche Stimmung in der Politik, die Jugendlichen mehr Beteiligung einräumen wolle, die aber in Anbetracht der Ablehnung an den kantonalen Abstimmungsurnen von der Stimmbevölkerung nicht geteilt werde. Hinterfragt wurde in der NZZ zudem, ob Jugendliche über «ausreichend Kenntnisse» verfügten, um sich an Abstimmungen und Wahlen zu beteiligen. Weil der Geschichtsunterricht immer stärker abgewertet werde, sei diese Frage zu verneinen, so ein Zürcher EVP-Kantonsrat. Anderer Ansicht war etwa der Blick: Insbesondere die Klimastreiks hätten gezeigt, dass junge Menschen mobilisiert würden, wenn es um Anliegen gehe, die sie interessierten. Auch Le Temps hob die wachsende Zahl an Jugendlichen hervor, die auf die Strasse gingen und sich wohl auch an der Abstimmungs- und Wahlurne äussern würden. Die Westschweizer Zeitung erinnerte zudem daran, dass auch der Einführung des Frauenstimm- und -wahlrechts sowie der Senkung des Stimmrechtsalter von 20 auf 18 Jahre eine jahrelange Debatte vorangegangen sei. Zuletzt hätten 1991 mehr als 72 Prozent der Stimmberechtigten der Senkung des Wahl- und Stimmrechtsalters zugestimmt, nachdem 1979 noch eine knappe Mehrheit von 50.1 Prozent diese abgelehnt hatte. Einig war man sich in den Medien freilich darüber, dass die kantonalen Resultate wohl einen eher negativen Einfluss auf die nationale Debatte haben könnten; die NZZ etwa fasste die «Schlappe für die Regierung und das Parlament» in Zürich als «Dämpfer» für ähnliche kantonale und nationale Anliegen auf. Der Berner SVP-Kantonalpräsident Manfred Bühler (BE, svp) wünschte sich im Vorfeld der Berner Abstimmung denn auch, dass möglichst deutliche kantonale Resultate der nationalen Diskussion ein Ende setzen würden.

Allerdings dürften die Diskussionen nicht nur national – die Vernehmlassung für die von der SPK-NR erarbeitete Vorlage war bis Ende 2022 geplant –, sondern auch kantonal weitergehen: Im Kanton Graubünden wird die Stimmbevölkerung über die vom Parlament deutlich gutgeheissene Herabsetzung des Stimmrechtsalters auf 16 Jahre abstimmen und in den Kantonen Aargau, Luzern und Solothurn waren 2022 Unterschriftensammlungen für kantonale Volksinitiativen mit demselben Ziel im Gange. Im Kanton Appenzell Ausserrhoden wurde zudem das Stimm- und Wahlrechtsalter in der noch nicht zu Ende beratenen Totalrevision der Kantonsverfassung auf 16 Jahre festgesetzt; bleibt dies so, werden auch in diesem Kanton die Stimmberechtigten das letzte Wort in dieser Frage haben. Im Kanton Tessin war ein entsprechender Vorstoss hängig und im Kanton Basel-Stadt hatte das Parlament die Regierung mit dem Entwurf einer entsprechenden Vorlage beauftragt.

Aktives Stimm- und Wahlrecht für 16-Jährige (Pa.Iv. 19.415)
Dossier: Donner le droit de vote à 16 ans

Wie der im April 2022 veröffentlichte Ergebnisbericht zeigte, wurde das Bundesgesetz über die Plattform für die elektronische Kommunikation in der Justiz (BEKJ) in der Vernehmlassung grossmehrheitlich begrüsst. Das neue Gesetz sieht die Schaffung einer sicheren, zentralen, elektronischen Plattform vor, auf der alle an einem Justizverfahren beteiligten Parteien Daten mit den Gerichten, den Staatsanwaltschaften und den Justizvollzugsbehörden austauschen können. Dieser elektronische Rechtsverkehr soll nach Ansinnen des Bundesrates für professionelle Anwenderinnen und Anwender – in erster Linie Gerichte, Behörden und die Anwaltschaft – obligatorisch werden, während Privatpersonen die Wahl zwischen der elektronischen Plattform und dem herkömmlichen Postweg haben sollen.
25 Kantone, vier Parteien (Mitte, FDP, GLP und SP) sowie 49 weitere Vernehmlassungsteilnehmende äusserten sich grundsätzlich positiv zum Vorentwurf, während von den insgesamt 108 eingegangenen Stellungnahmen nur acht ablehnend ausfielen. Die übrigen Teilnehmenden sprachen sich weder explizit für noch gegen die Vorlage aus, was im Bericht in den meisten Fällen als «implizit[e] Zustimmung mit Änderungsvorschlägen» gewertet wurde. Grundsätzlich gegen die erzwungene Umstellung auf ein elektronisches System stellte sich die SVP: Das bisherige System habe sich bewährt, es bestehe kein Grund, dieses zu ändern. Skeptisch äusserten sich auch der Kanton Schwyz, die Piratenpartei und die Alternative Linke Bern, das Kantonsgericht Schwyz, die Digitale Gesellschaft, die pEp Foundation und PrivaSphere. Sie opponierten nicht gegen den elektronischen Rechtsverkehr an sich, hielten das Projekt aber für unausgereift, risikobehaftet und überkomplex.
Der Bundesrat nahm Ende Juni 2022 Kenntnis von den Vernehmlassungsergebnissen und zeigte sich gewillt, einige inhaltliche Kritikpunkte bei der Erarbeitung des Entwurfs zu berücksichtigen. So wollte er den Kantonen, die sich nicht an der zentralen Plattform beteiligen wollen, die Möglichkeit zugestehen, eine eigene Plattform aufzubauen. Damit die allenfalls verschiedenen Plattformen interoperabel sind, sollen im Gesetz technische Minimalstandards festgelegt werden. Ausserdem werde der Entwurf den Kantonen und der Anwaltschaft Übergangsfristen gewähren, um die neue Kommunikationsform einzurichten. Darüber hinaus soll die Verpflichtung zur digitalen Kommunikation nicht für das Schlichtungsverfahren im Zivilprozess gelten, da die Parteien dort teilweise ohne Anwalt oder Anwältin aufträten.

Bundesgesetz über die Plattformen für die elektronische Kommunikation in der Justiz (BRG 23.022)
Dossier: Introduction de la communication électronique dans le domaine judiciaire

Im März 2022 lancierte die SP eine Volksinitiative «Für eine gute und bezahlbare familienergänzende Kinderbetreuung für alle». Die sogenannte Kita-Initiative will in der Bundesverfassung eine Garantie auf ein ausreichendes und bedarfsgerechtes, institutionelles familienergänzendes Betreuungsangebot für alle Kinder ab dem Alter von drei Monaten bis zum Abschluss der Grundschule festschreiben. Um die hohe Qualität des Betreuungsangebots zu gewährleisten, will die Initiative eine angemessene Entlöhnung und gute Arbeitsbedingungen für das ausgebildete Betreuungspersonal in der Verfassung verankern – ebenso wie die Verteilung der Kosten, die zu zwei Dritteln vom Bund übernommen werden sollen. Die finanzielle Beteiligung der Eltern, sofern von den Kantonen so vorgesehen, soll ferner maximal zehn Prozent des elterlichen Einkommens betragen und je nach wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit unterschiedlich ausfallen.
Mit Vertreterinnen und Vertretern aus weiteren Parteien und Organisationen, namentlich der Grünen, der GLP, der Mitte sowie der Operation Libero, demonstrierte das Initiativkomitee eine relativ breite politische Unterstützung. Der Verband Kinderbetreuung (Kibesuisse) wollte die Volksinitiative trotz Sympathien für das Grundanliegen hingegen nicht unterstützen, da diese die pädagogische Qualität der Einrichtungen und damit die bestmögliche Entwicklung der Kinder im Vergleich zu den finanziellen Aspekten zu wenig in den Fokus stelle. Ferner äusserte Kibesuisse Kritik am Vorhaben, den Bund finanziell so stark in die Pflicht zu nehmen. Im Namen des Initiativkomitees begründete SP-Co-Präsidentin Mattea Meyer (ZH) die hohe finanzielle Beteiligung durch den Bund damit, dass für eine angemessene familienexterne Kinderbetreuung zusätzliche finanzielle Mittel aufgewendet werden müssten. Zudem garantiere die Finanzierung durch die Bundeseinnahmen, dass einkommensstärkere Haushalte aufgrund der Steuerprogression einen höheren Beitrag leisteten als einkommensschwächere Haushalte.
Auch in den Kantonen Basel-Stadt, Luzern und Schwyz waren zum gegebenen Zeitpunkt Volksinitiativen der SP-Kantonalsektionen mit ähnlichen Anliegen hängig. Das Komitee der eidgenössischen Volksinitiative hat bis am 8. September 2023 Zeit, die notwendigen 100'000 gültigen Unterschriften bei der Bundeskanzlei einzureichen.

Volksinitiative «Für eine gute und bezahlbare familienergänzende Kinderbetreuung für alle (Kita-Initiative)»

Als Teil ihrer Kampagne zum Stadt-Land-Graben lancierte die SVP Schweiz im Herbst 2021 die Forderung, dass für demokratische Entscheide innerhalb der Kantone neu föderalistische Prinzipien eingeführt werden sollen. So soll gemäss dem Positionspapier zum einen bei kantonalen Volksabstimmungen nebst dem Volksmehr künftig ein Bezirksmehr oder ein Gemeindemehr nötig sein und zum anderen sollen Kantonsparlamente künftig über ein Zweikammersystem mit einer Volks- und einer Bezirkskammer verfügen. Die Partei wollte damit die Institutionen des Ständemehrs und des Ständerats von der Bundesebene auf die Kantonsebene übertragen und so den ländlichen gegenüber den städtischen Gebieten mehr Gewicht verleihen: Es gehe darum, «den schädlichen Einfluss der links-grünen Städte auf die freiheitliche politische Kultur der Schweiz zu beschränken sowie mehr Fairness und Transparenz in den Stadt-Land-Beziehungen sicherzustellen».
Die Idee eines Bezirks- oder Gemeindemehrs – die in Kantonen wie Schaffhausen, Appenzell Ausserrhoden, Bern oder Zug freilich auch schon früher diskutiert, aber stets verworfen worden war – griffen sodann verschiedene Exponentinnen und Exponenten sowie Kantonalsektionen der SVP auf. Auf Bundesebene erkundigte sich SVP-Ständerat Werner Salzmann (svp, BE) mit einer Interpellation (Ip. 21.4000), ob es bundesrechtliche Vorbehalte gegen ein Doppelmehr-Erfordernis in den Kantonen gebe. Der Bundesrat führte in seiner Antwort aus, dass diese Frage bisher nicht eindeutig geklärt sei und durch die Gerichte oder gegebenenfalls durch die Bundesversammlung bei der Gewährleistung einer entsprechend angepassten Kantonsverfassung entschieden werden müsste. In der Rechtswissenschaft werde jedoch grösstenteils die Ansicht vertreten, dass ein Doppelmehr-Erfordernis für kantonale Abstimmungen unterhalb der Verfassungsstufe wohl zulässig wäre, während es bei Verfassungsabstimmungen vermutlich im Widerspruch zu Art. 51 BV stünde; dieser schreibt den Kantonen vor, dass sie eine Anpassung ihrer Verfassungen vorsehen müssen, «wenn die Mehrheit der Stimmberechtigten es verlangt».
Im Kanton Zürich gab die SVP im Oktober 2021 bekannt, eine kantonale Volksinitiative zur Einführung eines Bezirksmehrs zu prüfen. In St. Gallen wählte die SVP den parlamentarischen Weg und forderte mit einer Motion die Einführung eines Gemeindemehrs für alle kantonalen Abstimmungen unterhalb der Verfassungsstufe; nach ihrer Ansicht würde dies letztlich den Zusammenhalt zwischen ländlichen und städtischen Regionen stärken. Im Kantonsrat blieb der Vorschlag indes chancenlos. Davor hatte sich auch der Regierungsrat dezidiert für eine Ablehnung des Vorstosses ausgesprochen, weil dieser ein «massives Ungleichgewicht» bei der Stimmkraft der Stimmberechtigten aus grossen und kleinen Gemeinden schaffen und damit der Akzeptanz und Legitimität von Abstimmungsergebnissen schaden würde. Der Vergleich zum Ständemehr auf Bundesebene sei verfehlt, weil die Gemeinden in den Kantonen weder historisch noch staatspolitisch eine ähnliche Rolle hätten wie die Kantone im Bund. Zudem machte die St. Galler Regierung verfassungsrechtliche Bedenken geltend.

Forderung der SVP nach Gemeindemehr und Zweikammersystem in den Kantonen

Ende April 2021 lagen die Vorschläge für eine Teilrevision der Verordnung über die politischen Rechte (VPR) sowie für eine Totalrevision der Verordnung der Bundeskanzlei über die elektronische Stimmabgabe (VEIeS) vor und der Bundesrat eröffnete die Vernehmlassung dazu, um bald eine Neuausrichtung des Versuchsbetriebs von E-Voting starten zu können. Die Vorlagen sehen vor, dass die Kantone nach wie vor selber entscheiden können, ob und mit welchem System sie E-Voting-Versuche durchführen möchten. Der Bund bleibt verantwortlich für den rechtlichen Rahmen und die Bewilligungen der Systeme und Versuche. Pro Kanton dürfen maximal 30 Prozent und schweizweit höchstens 10 Prozent der Stimmberechtigten die digitale Stimmabgabe nutzen, von der zudem vor allem Auslandschweizerinnen und Auslandschweizer sowie Stimmberechtigte mit Behinderung profitieren sollen. Die revidierten Verordnungen regeln überdies, auf welche Weise die E-Voting-Systeme laufend überprüft werden sollen. Dabei werden unabhängige Expertinnen und Experten, aber auch Hackerinnen und Hacker im Rahmen von «Bug-Bounty-Programmen» die Systeme laufend auf Mängel überprüfen.

Die Antworten der Vernehmlassung mussten bis Mitte August 2021 eingereicht werden und Anfang Dezember 2021 lag der entsprechende Ergebnisbericht mit insgesamt 67 Stellungnahmen vor. Die grosse Mehrheit von 48 Stellungnehmenden unterstützte die Vorlagen mit kleinen Anpassungsvorschlägen; darunter 21 Kantone, die FDP, die Mitte, zahlreiche Behindertenorganisationen, der Gemeindeverband und die Auslandschweizerorganisation. Grundlegende Vorbehalte äusserten elf Vernehmlassungsteilnehmende; darunter die Kantone Freiburg, Neuenburg und Wallis, unter den Parteien die SP und die EDU und bei den Organisationen unter anderem die Economiesuisse. Die Vorbehalte betrafen den Umstand, dass momentan lediglich das System der Post bestehe, was den Kantonen kaum Handlungsspielraum gewähre. Der Bund müsse hier mehr Verantwortung übernehmen, forderten etwa die Kantone Freiburg und Wallis, die zusammen mit Neuenburg auch eine finanzielle Unterstützung durch den Bund für die Umsetzung der Versuche forderten. Auch die SP verlangte eine staatliche Lösung und prioritäre Zugänge für Auslandschweizerinnen und Auslandschweizer. Gänzlich und ausschliesslich auf Letztere wollte die EDU E-Voting beschränken. Economiesuisse forderte vor einem Neustart eine umfassende öffentliche Diskussion über Chancen und Risiken von E-Voting, um zuerst der herrschenden Skepsis in der Bevölkerung zu begegnen und entsprechend Vertrauen zu schaffen. Auf mehrheitliche Ablehnung stiessen die Vorschläge bei acht Vernehmlasserinnen und Vernehmlassern: beim Kanton Schwyz, den Grünen, der SVP und der Piratenpartei und unter den Organisationen unter anderem beim Verein «E-Voting Moratorium», der 2019 eine Initiative für ein solches Moratorium lanciert hatte, die allerdings 2020 an der Unterschriftenhürde gescheitert war. Der Kanton Schwyz befürchtete, dass Manipulationen nie ausgeschlossen werden könnten und vor allem kleine Kantone finanziell an ihre Grenzen kommen würden. Die drei Parteien und der Verein «E-Voting-Moratorium» betonten die Bedeutung des Vertrauens der Stimmberechtigten bei Wahlen und Abstimmungen, das aufgrund von nie wirklich behebbaren Sicherheitsproblemen unnötig aufs Spiel gesetzt würde. Sie forderten zudem tiefere maximale Teilnehmendenzahlen für die Zulassung von E-Voting. Die Grünen und die Piratenpartei kritisieren überdies, dass andere Digitalisierungsprojekte (z.B. E-Collecting oder elektronische Vernehmlassungen) aufgrund der starken Konzentration auf E-Voting unnötig gebremst würden. Ausdrücklich auf eine Stellungnahme verzichtet hatten unter anderem der Kanton Jura und der Arbeitgeberverband.

Mitte Dezember 2021 nahm der Bundesrat von den Ergebnissen der Vernehmlassung Kenntnis. Die Vorlagen sollen finalisiert werden, wobei die Regierung eine finanzielle Beteiligung des Bundes als sinnvoll erachtete. Als wichtig bezeichnete der Bundesrat in seiner Medienmitteilung auch die Idee der Entwicklung eines Systems aus öffentlicher Hand und die Vermeidung einer einseitigen Priorisierung von E-Voting bei Digitalisierungsprojekten. Er wolle diese Punkte längerfristig weiterverfolgen.

Neuausrichtung des Versuchsbetriebs von E-Voting
Dossier: Vote électronique

Im Zuge der 2020 und 2021 anhaltenden Proteste gegen die Covid-19-Massnahmen der Behörden entstand eine ganze Reihe neuer politischer Organisationen, und manche ältere Gruppierungen gewannen neuen Schwung. Zu den Organisationen, die in der öffentlichen Debatte in der Folge eine teils prominente Rolle einzunehmen vermochten, gehörten die folgenden:

Der Verein «Freunde der Verfassung» wurde an Pfingsten 2020 auf dem Rütli gegründet, ein Jahr später zählte er rund 12'000 Mitglieder. Viele von diesen – auch die meisten Vorstandsmitglieder – waren davor kaum politisch aktiv. Der Verein sah durch die Covid-19-Massnahmen, aber auch durch andere Vorhaben der Behörden die verfassungsmässigen Grundrechte und die bürgerlichen Freiheiten verletzt. Um solche Vorhaben zu bekämpfen, nutzten die Freunde der Verfassung stark den direktdemokratischen Kanal, wobei sie eine bemerkenswerte Fähigkeit zum Sammeln zahlreicher Unterschriften bewiesen. Nebst den Referenden gegen das Covid-19-Gesetz und gegen dessen zweite Revision waren sie auch massgeblich an den Referenden gegen das E-ID-Gesetz, gegen das Bundesgesetz über polizeiliche Massnahmen gegen Terrorismus (PMT) und gegen das Medienpaket beteiligt. Ausserdem wirkten sie bei der Unterschriftensammlung für die Volksinitiative gegen eine Impfpflicht (Initiative «Für Freiheit und körperliche Unversehrtheit») mit und gaben im Sommer 2021 bekannt, eine Volksinitiative zur Einführung der Gesetzesinitiative zu planen. Die Geldmittel für diese zahlreichen Kampagnen stammten «von Mitgliedern, aus Spenden und von einer Handvoll sehr besorgter Unternehmer, von denen keiner Blocher heisst», wie die Freunde der Verfassung sich in der NZZ zitieren liessen. Das Präsidium des Vereins teilten sich Marion Russek und Werner Boxler. In der medialen Öffentlichkeit stark in Erscheinung traten zudem Mediensprecher Michael Bubendorf, ein ehemaliges SVP-Mitglied, und Kampagnenleiter Sandro Meier, nach eigener Aussage ein «ehemaliger Links-Grün-Wähler». Verschiedene Medien sahen zudem den Solothurner Publizisten Christoph Pfluger als wichtige Figur bei den Freunden der Verfassung.

Der im Februar 2021 gegründete Verein «Mass-voll!» verstand sich als Jugendbewegung gegen die Behördenmassnahmen. Die jüngere Generation sei durch eine Covid-19-Infektion gesundheitlich am wenigsten gefährdet, doch gerade diese Generation werde in ihrer Entwicklung und Freiheit durch die Massnahmen besonders getroffen. Ähnlich wie die Freunde der Verfassung, aber oft in deutlich schärferem Ton prangerte Mass-voll die «Freiheitsberaubung und Überwachung der Bürger», «eine Zweiklassengesellschaft von Geimpften und Nichtgeimpften» sowie eine zu grosse Machtkonzentration beim Bundesrat an, die dieser für «menschenverachtende» Massnahmen und die «Abschaffung der Grundrechte» missbrauche. Zur Verbreitung ihrer Positionen setzte Mass-voll stark auf die Sozialen Medien sowie auf Kundgebungen. Bekanntester Exponent war Co-Präsident Nicolas Rimoldi, der auch im Vorstand der Auns sitzt und bereits vor der Pandemie mit libertären Positionen innerhalb der FDP aufgefallen war. Neben ihm war zunächst Carla Wicki und ab Sommer 2021 Viola Rossi Co-Präsidentin. Andere leitende Mitglieder von Mass-voll waren gemäss NZZ für die SVP aktiv.

Das «Aktionsbündnis Urkantone für eine vernünftige Corona-Politik» entstand im Herbst 2020 und hatte seine Basis in den Kantonen Uri, Schwyz, Ob- und Nidwalden. Im Herbst 2021 zählte es nach eigenen Angaben «deutlich über 1'000 eingeschriebene Unterstützer». Das Aktionsbündnis trat zum einen als Mitorganisator von Kundgebungen in Erscheinung, zum anderen auch in den Abstimmungskampagnen gegen das Covid-19-Gesetz und gegen dessen zweite Revision. Es kritisierte die «Corona-Zwangsmassnahmen» als «unsinnig, schädlich und unverhältnismässig». Nach eigenen Angaben setzte sich das Aktionsbündnis «für die freie Diskussion und sachliche Aufklärung der Bevölkerung» ein und orientierte sich an «unabhängigen Informationsquellen über die Auswirkungen auf unsere Gesellschaft und dem Stand der nicht einer politischen Agenda unterworfenen Wissenschaft». Bekanntestes Gesicht des Aktionsbündnisses war der Schwyzer Unternehmer Josef Ender.

Das «Netzwerk Impfentscheid» war schon 2011 als Zusammenschluss impfkritischer Personen gegründet worden und hatte 2013 erfolglos mit einem Referendum gegen das Epidemiengesetz gekämpft. Die Covid-19-Pandemie verlieh dem Netzwerk gemäss NZZ «neuen Schub». Das Netzwerk sah sich als Stimme gegen die «Impfpropaganda» der Behörden und gegen eine aus seiner Sicht drohende Impfpflicht. Prominentester Exponent des als Verein organisierten Netzwerks war der Naturheilpraktiker Daniel Trappitsch.

Die «Freiheitliche Bewegung Schweiz» war schon vor der Covid-19-Pandemie vom ehemaligen Luzerner SVP-Politiker Richard Koller gegründet worden. Sie fand mit dem Kampf gegen Maskenpflicht, Impfen und Einschränkungen des privaten und öffentlichen Lebens ein neues Tätigkeitsfeld. Am 1. Dezember 2020 startete die Freiheitliche Bewegung die Volksinitiative «Für Freiheit und körperliche Unversehrtheit», die sich gegen eine Impfpflcht richtet. Andere Forderungen der Bewegung betrafen den Erhalt des Bargelds oder die Möglichkeit für alle Gemeinden, autonom über die Einführung des Mobilfunkstandards 5G zu entscheiden. Die NZZ charakterisierte die Bewegung im März 2021 als «Sammelbecken für Menschen, die dem Staat grundsätzlich misstrauen und sich durch seine <Machenschaften> bedroht sehen».

Die «Freiheitstrychler» traten im Herbst 2020 erstmals in Erscheinung. An Protestkundgebungen gegen Covid-19-Massnahmen zogen sie mit ihren unüberhörbaren Trycheln und den weissen Hirtenhemden in der Folge viel Aufmerksamkeit auf sich, auch medial. Im Mai 2021 bestanden sie gemäss Medienberichten aus rund 100 Personen, die grossmehrheitlich aus dem Kanton Schwyz stammten. Ihr Gründer, der Schwyzer Andy Benz, ist SVP-Mitglied.

Organisationen der Covid-Protestbewegung
Dossier: Protection de l'argent liquide en Suisse

Ende September 2021 gab das BAG bekannt, dass die mittlere Krankenkassenprämie 2022 erstmals seit 2008 nicht ansteigen, sondern um 0.2 Prozent sinken werde. Seit 2011 war die mittlere Prämie, also die durchschnittlich bezahlte Prämie, jährlich durchschnittlich um 2.4 Prozent angestiegen. Der Bundesrat führte den Rückgang auf seine Änderung der KVAV von April 2021 zurück, gemäss welcher die Versicherungen die Prämie durch Reserveabbau um 1.2 Prozent hätten senken und ihre Prämien allgemein knapper hätten kalkulieren können. Darüber hinaus werden die Versicherungen 2021 CHF 134 Mio. an zu hohen Prämieneinnahmen auf Genehmigung des BAG zurückerstatten. Somit war der Prämienrückgang also nicht durch einen Kostenrückgang begründet, wie etwa die NZZ betonte.
Weiterhin gross waren die regionalen Unterschiede in der Prämienentwicklung: In 14 Kantonen sanken die Prämien, in Basel-Stadt und Genf gar um 2.1 und 1.5 Prozent, hingegen kam es in 12 Kantonen, insbesondere der Ost- und Zentralschweiz, zu einem Prämienanstieg (OW: 1.4%, GL: 1.1%, NW: 0.9%, AI: 0.7%, AR, TG und LU: alle 0.6%, UR: 0.5%, SO: 0.4%, AG: 0.3%, SG und SH: beide 0.2%). Somit erfuhren für einmal diejenigen Kantone mit überdurchschnittlich hohen Prämien eine Entlastung, während die Kantone mit unterdurchschnittlichen Prämien einen Prämienanstieg zu verzeichnen hatten. Kaum Auswirkungen hatte dies jedoch auf die regionalen Unterschiede in der Prämienhöhe: Im Jahr 2022 weisen weiterhin die Kantone Basel-Stadt (CHF 409.80) und Genf (CHF 399.90) die höchsten mittleren Prämien auf, die niedrigsten fallen weiterhin in den Kantonen Appenzell-Innerrhoden (CHF 214.80) und Uri (CHF 243.80) an.
Insbesondere in der Ostschweiz sorgte die Prämienerhöhung für Ärger, wie die regionalen Medien berichteten. Die tiefen Prämien in der Ostschweiz seien durch tiefe Gesundheitskosten begründet, entsprechend sei die aktuelle Prämienerhöhung auf eine Umverteilung der Prämiengelder von der Ost- in die Westschweiz zurückzuführen, wurde vermutet. Dies veranlasste Christian Lohr (mitte, TG; Ip. 21.4263), Jakob Stark (svp, TG; Ip. 21.4328) und Mike Egger (svp, SG; Ip. 21.4228) zu Interpellationen an den Bundesrat. Der Bundesrat erklärte, dass Prämienveränderungen nicht aufgrund der aktuellen Höhe der Kosten, sondern aufgrund der erwarteten Änderungen der Kosten entstünden – in verschiedenen Ost- und Zentralschweizer Kantonen werde mit einem Kostenanstieg, in Basel-Stadt und Genf hingegen mit einer Kostenreduktion gerechnet. Zudem seien die Prämien etwa in den Ostschweizer Kantonen im Jahr 2021 gleich geblieben oder sogar gesenkt worden, weshalb jetzt eine Korrektur nötig sei.

Krankenkassenprämien 2022
Dossier: Développement des primes et des coûts de l'assurance maladie (depuis 2010)

Wie er ein Jahr zuvor angekündigt hatte, empfahl der Bundesrat die Prämien-Entlastungs-Initiative in seiner im September 2021 publizierten Botschaft zur Ablehnung und stellte ihr einen indirekten Gegenvorschlag gegenüber. Er wolle das Anliegen der Initiative, die «Bevölkerung bei den Prämien zu entlasten», im Rahmen des KVG umsetzen, eine Verfassungsänderung sei dafür nicht notwendig. So wolle er dafür sorgen, dass die Anteile verschiedener Kantone an der Prämienverbilligung nicht weiter sinken. Demnach soll zukünftig ein Mindestbeitrag für die Kantone in Abhängigkeit der Bruttokosten der OKP für die im Kanton Versicherten sowie in Abhängigkeit der mit den Prämienverbilligungen verbleibenden Belastung der Versicherten festgesetzt werden.
In der dazu durchgeführten Vernehmlassung mit 57 Teilnehmenden, unter anderem der GDK, der SODK, allen Kantonen, sechs Parteien sowie verschiedenen Verbänden, war der Gegenvorschlag auf geteilte Meinungen gestossen. Ihre Unterstützung sagten die Kantone Waadt und Tessin, die SP und die Grüne Partei, der Gewerkschaftsbund sowie verschiedene Konsumenten- und andere Verbände zu und auch die FDP, die Mitte, die EVP und die Versichererverbände begrüssten gemäss Botschaft den Vorentwurf. Ablehnend reagierten elf Kantone (AR, BL, GL, LU, NW, OW, SG, SZ, UR, ZG, ZH), die SVP und der Gewerbeverband. Alternativvorschläge machten die CLASS, welche die Bundesbeiträge nach deren Bedarf an die Kantone verteilen wollte, und die GDK, die alle kantonalen Beiträge an die Prämien, auch diejenigen über die Sozialhilfe oder die EL, zur Berechnung des Mindestanteils einbeziehen wollte.

Eidgenössische Volksinitiative «Maximal 10 Prozent des Einkommens für die Krankenkassenprämien (Prämien-Entlastungs-Initiative)» und indirekter Gegenvorschlag (BRG 21.063)
Dossier: Freiner l'augmentation des primes des assurances-maladie (depuis 2020)
Dossier: Réduction de primes
Dossier: Initiatives populaires au sujet de la «caisse-maladie» (depuis 2015)

Die Vernehmlassung zur Revision des Sexualstrafrechts, die in der ersten Jahreshälfte 2021 durchgeführt wurde, wurde von einer lebhaften öffentlichen Debatte begleitet. Vor allem die Tatsache, dass die zuständige RK-SR im Vernehmlassungsentwurf keine «Nur-Ja-heisst-Ja»-Lösung zur Debatte stellte, sorgte für Unverständnis bei den linken Parteien sowie bei Frauen- und Menschenrechtsorganisationen. Nur die Zustimmungslösung verwirkliche die sexuelle Selbstbestimmung, weil Sex ohne Einverständnis grundsätzlich als Vergewaltigung anzusehen sei, argumentierten sie. Demgegenüber traten Kritikerinnen und Kritiker mit Bedenken an die Medien, dass eine «Nur-Ja-heisst-Ja»-Lösung faktisch die Beweislast im Strafprozess umkehre und zu mehr Falschanschuldigungen führen könnte.
Das rege Interesse spiegelte sich denn auch in der rekordhohen Zahl an Stellungnahmen: Von den Kantonen, Parteien und Verbänden sowie interessierten Kreisen gingen 124 individuelle Stellungnahmen ein. Darüber hinaus wurden im Zuge der Kampagne «Nur Ja heisst Ja! – Art. 190 ändern» der SP Frauen* mehr als 10'000 gleichlautende Stellungnahmen von Privatpersonen eingereicht. Noch nie hätten sich in einer Vernehmlassung so viele Einzelpersonen geäussert, berichtete die Presse. Wie der im August 2021 erschienene Ergebnisbericht zeigte, wurde der Bedarf für eine Revision des Sexualstrafrechts überwiegend bejaht, wobei sich an der konkreten Ausgestaltung die Geister schieden. Dabei waren nicht nur diverse Mindest- und Höchststrafmasse umstritten, sondern insbesondere auch der von der RK-SR neu eingeführte Grundtatbestand des sexuellen Übergriffs (Art. 187a StGB). Im Gegensatz zur Vergewaltigung, die im Vorentwurf wie bisher über ein Nötigungselement definiert wird, sollte der neue Tatbestand den Geschlechtsverkehr gegen den Willen einer Person erfassen, wenn diese nicht dazu genötigt wird. Diese Unterscheidung wurde von vielen Teilnehmenden kritisiert, weil sie die Klassifizierung einer Sexualstraftat als Vergewaltigung weiterhin an der Reaktion des Opfers festmache bzw. daran, dass der Täter oder die Täterin dessen (physischen) Widerstand überwunden haben müsse. Wenn das Opfer allerdings in einen Schockzustand gerate und sich gar nicht wehren könne, sei eine Nötigung in diesem Sinne gar nicht erforderlich, um den Tatbestand der Vergewaltigung zu erfüllen. Stattdessen wurde gefordert, diesen Aspekt in Artikel 189 StGB (sexuelle Nötigung) und 190 StGB (Vergewaltigung) zu integrieren. Diese Ansicht wurde von rund zwei Dritteln der Teilnehmenden vertreten. Höchst umstritten war des Weiteren die im Vorentwurf vorgesehene «Nein-heisst-Nein»-Lösung: Strafbar soll es werden, «gegen den Willen einer Person oder überraschend» eine sexuelle Handlung vorzunehmen. 36 Teilnehmende sprachen sich hierfür aus. Demgegenüber hätten sich 80 Teilnehmende eine «Nur-Ja-heisst-Ja»-Lösung gewünscht, also die Ersetzung des Ausdrucks «gegen den Willen» durch «ohne Einwilligung». Dies würde gesellschaftspolitisch ein wichtiges Signal setzen, dass bestimmte Verhaltensweisen gesellschaftlich nicht toleriert würden, erklärten verschiedene Frauenrechtsorganisationen. Unter den Parteien sprachen sich die SP, die Grünen und die GLP für die Zustimmungslösung aus. Während sich die Mitte dazu nicht äusserte, weil ein solcher Vorschlag nicht Gegenstand der Vernehmlassung war, zeigte sich die FDP grundsätzlich offen für eine «Nur-Ja-heisst-Ja»-Regel; die FDP-Frauen mit Präsidentin Susanne Vincenz-Stauffacher (fdp, SG) an der Spitze traten in den Medien unterdessen prominent für die Zustimmungslösung ein. Dezidiert dagegen äusserte sich die SVP. Die Kantone zeigten sich in dieser Frage gespalten, wobei sich gemäss NZZ für ein ursprünglich linkes Anliegen «auffällig viele» Kantone positiv zur Zustimmungslösung äusserten – neben Zürich und den meisten Westschweizer Kantonen notabene auch «diverse konservativere Kantone wie Appenzell Ausserrhoden, St. Gallen oder Nidwalden».
Zusätzlich befeuert wurde die öffentliche Debatte um Zustimmungs- oder Widerspruchslösung durch die Anfang August 2021 ausgesprochene Urteilsbegründung des Basler Appellationsgerichts in einem Vergewaltigungsfall. Das Appellationsgericht hatte die Freiheitsstrafe für einen Vergewaltiger verkürzt und in der mündlichen Urteilsbegründung unter anderem angeführt, das Opfer habe «Signale gesendet» und «mit dem Feuer gespielt». Obwohl sich das Gericht ob der prompten und heftigen öffentlichen Kritik zu einer Stellungnahme gedrängt sah, in der es versuchte, die in der Öffentlichkeit entstandenen «Missverständnisse» zu erklären, wurden diese Aussagen in den Medien dahingehend interpretiert, dass das Gericht dem Opfer die Mitschuld an der Vergewaltigung gebe. Vor diesem Hintergrund erhielten die Forderungen nach einer «Nur-Ja-heisst-Ja»-Lösung weiteren Auftrieb, nun auch explizit verstärkt durch Stellungnahmen von Fachpersonen aus der Psychologie und dem Rechtswesen.

Harmonisierung der Strafrahmen (BRG 18.043)
Dossier: Révision du code pénal (2008– )
Dossier: Harmonisation des peines (partie spéciale du code pénal)

Im Juni 2021 wurde in Trogen die Junge Mitte Appenzell Ausserrhoden gegründet. Im Beisein der nationalen Parteipräsidentin, Sarah Bünter (SG), wurde Raphael Brauchli zum ersten Präsidenten der neuen Sektion gewählt. Die Ausserrhoder Sektion ist schweizweit die 26. Kantonalpartei der Jungen Mitte, wobei in Appenzell Innerrhoden keine Sektion besteht, im Wallis hingegen zwei (je eine im Ober- und im Unterwallis).

Gründung der Jungen Mitte Appenzell Ausserrhoden

Im Juni 2021 gab der Bundesrat die Ausgleichszahlungen des Finanzausgleichs für das Jahr 2022 bekannt. Demnach steigen die Zahlungen gegenüber dem Vorjahr um CHF 91 Mio. und betragen im Jahr 2022 insgesamt CHF 5.3 Mrd. Dieser Anstieg ist vor allem auf die Erhöhung des soziodemografischen Lastenausgleichs (um CHF 62 Mio.) und auf die Ausgleichszahlungen an die ressourcenschwächsten Kantone (CHF 120 Mio.) zurückzuführen, wie sie in der FiLaG-Revision 2019 beschlossen worden waren. Ebenfalls im Zusammenhang mit dieser Revision wurde der Zielwert der garantierten Mindestausstattung für das Jahr 2022 zum letzten Mal reduziert, er kam neu bei 86.5 Prozent zu liegen (2021: 87.1%). Der Ressourcenausgleich (vertikal und horizontal) sank insgesamt um CHF 74 Mio., was neben der tieferen Dotation (CHF -210 Mio.) auch der Erhöhung des Ressourcenpotenzials (CHF 114 Mio.) und der Disparitäten (CHF 23 Mio.) geschuldet war. Insgesamt stieg der Ressourcenausgleich bei 14 Kantonen an – insbesondere bei den Kantonen Schwyz und St. Gallen (je plus 2.0 Indexpunkte) – und sank bei 12 Kantonen – insbesondere beim Kanton Obwalden (-14.4 Indexpunkte). Letzterer Kanton wechselte damit auch vom Lager der Nettozahler, das im Jahr 2022 noch aus den Kantonen Basel-Stadt, Genf, Nidwalden, Schwyz, Zug und Zürich besteht, ins Lager der Nettoempfänger. Den Grund für den starken Rückgang des Ressourcenpotenzials des Kantons Obwalden sieht der Bericht in einem Einmaleffekt aus dem Jahr 2015, welcher das Einkommen pro Einwohnerin und Einwohner in diesem Jahr stark erhöht hatte und bis im Vorjahr in die Berechnung des Ressourcenpotenzials eingeflossen war.
Gleichzeitig mit der Veröffentlichung der Ausgleichszahlungen berichtete der Bundesrat auch über die Vernehmlassung zu einer von der FDK geforderten Verordnungsänderung aufgrund eines Sonderfalls im Kanton Bern 2021. Dieser Änderungsvorschlag traf nur bei 2 Kantonen auf Zustimmung, die übrigen 24 und mit ihnen die FDK lehnten es ab, das Finanzausgleichssystem aufgrund von Sonderfällen zu ändern.

Finanzausgleichszahlungen 2022
Dossier: Paiements compensatoires annuels de la péréquation financière

In Erfüllung einer Motion der SGK-SR (Mo. 18.4091) legte der Bundesrat im Mai 2021 die Botschaft zum Bundesgesetz über die Regulierung der Versicherungsvermittlertätigkeit in der OKP und den Zusatzversicherungen vor. Wie von der Motion vorgesehen, soll der Bundesrat im Sinne der Selbstregulierung Branchenlösungen der Krankenversicherungen im Bereich der Vermittlertätigkeit allgemeinverbindlich erklären können, wenn sie von Versicherungen eingereicht werden, die mindestens zwei Drittel aller Versicherten in der Schweiz abdecken. Dadurch würden die Bestimmungen auch für Versicherungen, die der Vereinbarung nicht beigetreten sind, obligatorisch. Solche Regelungen sind vorgesehen bezüglich eines Verbots der Telefonwerbung bei Personen, die nie bei der fraglichen Versicherung versichert waren, bezüglich der Ausbildung der Vermittlerinnen und Vermittler, einer Einschränkung ihrer Entschädigungen und der Notwendigkeit von unterschriebenen Beratungsprotokollen.

Zwischen Mai und September 2020 hatte der Bundesrat dazu eine Vernehmlassung durchgeführt, bei der 84 Stellungnahmen eingingen. Vollständig einverstanden mit dem Gesetz zeigten sich 13 Kantone (AI, AR, BE, BL, NE, NW, OW, SO, TG, TI, UR, VS, ZG), die CVP sowie der Schweizerische Verband der Versicherungsgeneralagenten. Vollständig abgelehnt wurde sie von Economiesuisse und dem Gewerbeverband, dem Schweizerischen Konsumentenforum kf und verschiedenen Versicherungsbrokern. Die übrigen Akteure anerkannten jeweils den Regulierungsbedarf, empfanden den Entwurf aber als zu weitgehend (FDP, SVP, Bauernverband, Centre Patronal und verschiedene Versicherer sowie Curafutura und Santésuisse) respektive als zu wenig weitgehend (Kantone AG, BS, GE, JU, LU, VD; SP, Grüne, Gewerkschaftsbund, Konsumentenverbände FRC und SKS, Ombudsstelle Krankenversicherung).
Die Organisationen, welchen der Entwurf zu weit ging, kritisierten insbesondere die Definition der Vermittlertätigkeit, bei der der Bundesrat neben den externen auch die internen Vermittlerinnen und Vermittler berücksichtigt. Kritisiert wurde auch das vorgesehene Sanktionssystem und der vorgeschriebene Ausbildungsstandard, da dieser nicht durch das SBFI überprüft werde. Zudem wurde die Notwendigkeit eines neuen Gesetzes von verschiedenen Teilnehmenden verneint und eine Beeinträchtigung der Wettbewerbsfähigkeit von kleinen Versicherungen befürchtet. Weiterführende Forderungen waren hingegen eine Muss- statt einer Kann-Bestimmung zum Abschluss einer Vereinbarung sowie die Schaffung einer subsidiären Kompetenz des Bundesrates, wenn die Versicherungen keine gemeinsame Vereinbarung erzielen.

Bundesgesetz über die Regulierung der Versicherungsvermittlertätigkeit (BRG 21.043)

Alors que la Confédération avait repris la main en fin d'année 2020, la gestion de la crise du Covid-19 a continué à créer des remous durant les premiers mois de l'année 2021. Face à l'augmentation du nombre de cas en janvier, les mesures ont été durcies, avec notamment la fermeture des commerces non-essentiels. Dès lors, des tensions sont apparues entre les cantons qui voulaient un allégement des mesures et ceux qui prônaient la prudence.
Le mois de février, caractérisé par les semaines de relâches hivernales et le beau temps en montagne, fût le théâtre de quelques épisodes démontrant l'esprit frondeur de certains gouvernements cantonaux. Mécontents de la fermeture des restaurants et des terrasses sur les pistes de ski, qui obligeait les touristes à se masser aux alentours pour consommer leur repas, les cantons de Schwyz, Obwald, Nidwald, Uri, Glaris et du Tessin ont contrevenu aux directives fédérales en permettant, explicitement ou tacitement, l'ouverture des terrasses. Après avoir tenté sans succès de convaincre le conseiller fédéral en charge de la santé Alain Berset que leur fermeture était contre-productive, ils ont fait marche arrière et se sont conformés à l'obligation.
Néanmoins, cet événement s'inscrivait dans la volonté globale des cantons d'ouvrir plus rapidement que prévu par la Confédération. Dans cette optique, nombre d'entre eux exigèrent dans le courant du mois de février un calendrier de réouverture clair, permettant ainsi aux citoyennes et citoyens ainsi qu'aux commerces et entreprises touchés par les fermetures d'avoir des perspectives à moyen-terme. Ils s'appuyaient alors sur le nombre de cas à la baisse malgré les variants plus contagieux ainsi que l'arrivée des vaccins pour justifier leurs demandes.
Dans ce climat, le fédéralisme a à nouveau fait l'objet de nombreux débats dans la presse. Ses bienfaits ont notamment été reconnus dans le cadre de la stratégie de test de masse. D'abord déployé dans les Grisons, le système a ensuite été étendu dans toute la Suisse – la Confédération ayant décidé d'endosser les coûts des tests. L'objectif était ainsi de repérer les personnes asymptomatiques, responsables selon l'OFSP de plus de la moitié des transmissions du virus. Le «laboratoire» grison permit ainsi de démontrer l'efficacité de cette stratégie. Le nombre de nouvelles infections dans le canton chuta en effet de 73 pour cent dans les semaines suivant l'introduction, selon le Blick.

Aufgabenteilung zwischen Bund und Kantonen während der Covid-19-Krise
Dossier: Capacité institutionnelle du Conseil fédéral à faire face aux crises