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  • Parti libéral-radical (PLR) FDP
  • Parti démocrate-chrétien (PDC; -2020)

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Im Jahr 2019 erliess das Parlament insgesamt 54 Bundesgesetze oder Bundesbeschlüsse, die dem fakultativen Referendum unterstellt waren (2018: 41). Gegen insgesamt sechs dieser Erlasse (11%) wurde ein Referendum angestrengt (2018: gegen 4; 9.8%). Damit hielt der Trend zur stärkeren Kontrolle des Parlaments durch Referenden auch 2019 an: In den Jahren 2015, 2016 und 2017 lag der Anteil parlamentarischer Erlasse, gegen die ein Veto eingelegt wurde, noch jeweils bei rund 4 Prozent.
Ein Komitee um die Kampagnenplattform «Wecollect» reichte 64'933 gültige Unterschriften gegen das E-ID-Gesetz ein; die SP wollte die Bevölkerung zur Erhöhung des Kinderabzugs befragen und reichte dagegen 53'088 Unterschriften ein; das Jagdgesetz wurde von verschiedenen Umwelt- und Tierschutzorganisationen bekämpft und wird dank der eingereichten 58'570 Unterschriften an der Urne entschieden werden; gegen den indirekten Gegenvorschlag zur Initiative für einen Vaterschaftsurlaub reichten Vertreter der SVP und der Jungfreisinnigen 54'489 Unterschriften ein.
Über die vier Gesetze soll im Jahr 2020 abgestimmt werden. Auch die Sammelfristen für die beiden angekündigten Referenden gegen die Beschaffung neuer Kampfflugzeuge – die GSoA, die SP und die Grünen sammelten hier Unterschriften – sowie gegen das Freihandelsabkommen mit Indonesien, angestrengt von Uniterre, laufen im Frühling 2020 ab.

Drei fakultative Referenden, die gegen Erlasse aus dem Jahr 2018 gerichtet waren, waren 2019 abstimmungsreif. Davon kamen zwei im Mai an die Urne und waren beide erfolglos. Die Mehrheit der Stimmbevölkerung stützte das Parlament nämlich sowohl hinsichtlich der Umsetzung der EU-Waffenrichtlinie, gegen die ein Komitee aus der Interessengemeinschaft Schiessen (IGS) und der SVP das Referendum ergriffen hatte, als auch hinsichtlich des Bundesgesetzes über die Steuerreform und die AHV-Finanzierung (STAF), mit dem verschiedene Komitees von linker und bürgerlicher Seite, insbesondere bestehend aus Jungparteien, nicht einverstanden waren. Die Abstimmung über die Erweiterung der Rassismusstrafnorm um den Tatbestand der sexuellen Orientierung wurde auf Februar 2020 angesetzt.

Übersicht Referenden 2019
Dossier: Référendums lancés d'année en année (depuis 2012)

Bei den kantonalen Gesamterneuerungswahlen, die im Berichtsjahr in den sechs Kantonen Zürich, Luzern, Basel-Landschaft, Appenzell Ausserrhoden, Appenzell Innerrhoden und Tessin stattfanden, musste die CVP einige Verluste verkraften. Insgesamt gab die Partei in diesen sechs Kantonen sieben Parlamentsmandate und ein Regierungsratsmandat ab. In ihrer Hochburg Luzern verzeichnete die CVP gar dramatische Sitzverluste – ein Trend, der im Innerschweizer Kanton seit den kantonalen Wahlen im Jahr 2011 zu beobachten ist. In Luzern verlor sie vier Sitze in der Legislative (neu: 34 Sitze) sowie 3.4 Prozentpunkten der Wählerschaft (neu: 27.5%). Auch im Kanton Tessin erlitt die CVP eine – wenn auch weniger bittere – Niederlage. Nicht nur verlor die Partei in diesem Kanton ein Parlamentsmandat (neu: 16 Sitze) und einen Prozentpunkt der Wählerschaft (neu: 17.6%), sondern kassierte auch die unerwartete Abwahl des amtierenden Regierungsrates Paolo Beltraminelli. An Beltraminellis Stelle wählte die Tessiner Stimmbevölkerung allerdings einen anderen CVP-Vertreter, nämlich Raffaele De Rosa. Im Kanton Zürich verlor die CVP einen Sitz im Parlament, konnte aber den Sitz in der Exekutive verteidigen. Im Kanton Basel-Landschaft, wo die CVP traditionell eher schwach ist, konnte die Partei ihre Sitze sowohl in der Legislative (acht Sitze) als auch in der Exekutive (einen Sitz) halten. Im Kanton Appenzell Ausserrhoden verlor die CVP einen Parlamentssitz (neu: drei Sitze) und im Kanton Appenzell Innerrhoden blieb sie dominierende Kraft in die Exekutive, trotz Verlust eines Sitzes (neu: zwei Sitze) zugunsten von Parteilosen.

Erfolge und Verluste der CVP in den kantonalen Wahlen

Bei den kantonalen Gesamterneuerungswahlen, die im Berichtsjahr in sechs Kantonen (ZH, LU, BL, AR, AI, TI) stattfanden, testete die FDP mit sogenanntem «Door2Door» eine neue Wahlkampfstrategie: In den Kantonen Zürich, Luzern und Basel-Landschaft führte die Partei Hausbesuche durch, um in direkten Kontakt mit der Wählerschaft treten und so die Wähleranteile erhöhen zu können. Die FDP arbeitete mit einer App, die jeden Strassenzug nach sozialer Zusammensetzung sortierte. Dies sollte sichtbar machen, wo sich ein Wählerkontakt lohnte. Dieses Tool wurde im Kanton Basel-Landschaft stark kritisiert, wie die lokale Presse mitteilte. Ob die Strategie funktionierte, liess sich an den Wahlergebnisse nur bedingt ablesen. Im Kanton Zürich verlor die FDP zwei Sitze im Parlament (neu: 29 Sitze) und einen ihrer beiden Regierungsratssitze. Eine Tages-Anzeiger-Umfrage, durchgeführt vom Forschungsinstitut Sotomo, hatte bereits darauf hingedeutet, dass der zweite Regierungsratssitz der FDP auf der Kippe stehen würde. Gewählt wurde Martin Neukom von den Grünen. Der Wähleranteil des Zürcher Freisinns ging um 1.6 Prozentpunkte zurück (neu: 15.7%). Nach der Schlappe der FPD in Zürich wurden interne Kritiken am Kurs der Partei laut, wie der Tages-Anzeiger einige Tage nach den Wahlen berichtete. Kritisiert wurde vor allem die klimapolitische Kursänderung, die Parteipräsidentin Petra Gössi Mitte Februar 2019 angekündigt hatte. Mit dieser Kursänderung seien die grünen politischen Kräfte begünstigt worden. Auch im Kanton Luzern musste die FDP Verlusten einfahren. Hier verlor sie drei Sitze in der Legislative (neu: 22 Sitze), konnte aber ihren Regierungsratssitz verteidigen. In Luzern hatte sich die FDP 1.5 Prozentpunkte Zuwachs an Wähleranteil zum Ziel gesetzt; stattdessen verlor sie gut 1.5 Prozentpunkte. Im Kanton Basel-Landschaft hingegen konnte die FDP ihre Sitze in der Legislative (17 Sitze) verteidigen, verlor aber einen Sitz in der Regierung (neu: ein Sitz). Auch im Kanton Tessin kassierte die Partei eine Niederlage. Hier verlor sie einen Sitz im Parlament (neu: 23 Sitze) und der Wähleranteil ging um 1.4 Prozentpunkte zurück. Einzig im Kanton Appenzell-Ausserrhoden konnte die FDP einen Sitz im Parlament gewinnen (neu: 24 Sitze). Zusammenfassend musste die FDP somit Sitzverluste in fast allen Kantonen verzeichnen.

Erfolge und Verluste der FDP in den kantonalen Wahlen

Ca. 8 Monate vor den eidgenössischen Wahlen 2019 versuchte FDP-Parteipräsidentin Petra Gössi (fdp, SZ) den Kurs der FDP bezüglich der Klimafrage und des CO2-Gesetzes zu ändern und löste damit eine interne Diskussion über diese Frage aus. Ausgangspunkt der Kursänderung war die Meinungsänderung der FDP bezüglich einiger konkreter Aspekte des CO2-Gesetzes, nachdem dieses unter Opposition der Linken und der SVP in der Wintersession 2018 im erstberatenden Nationalrat abgelehnt worden war. So zum Beispiel sei die Partei nicht mehr gegen die Flugticket-Abgabe, so Gössi. Auch für ein Inlandziel, also die Festlegung eines Wertes der angibt, wie hoch die Verminderung der CO2-Emissionen in der Schweiz sein muss, könnte die FDP Hand bieten, wenn dadurch ein breiter Kompromiss geschaffen werden könne. Kurz vor dem Interview mit der FDP-Parteipräsidentin im Tages-Anzeiger hatte sich die vorberatende UREK-SR mit Unterstützung von FDP-Vertreterinnen und -Vertretern bereits für ein Inlandziel ausgesprochen. Einige FDP-Politiker, wie zum Beispiel die Ständeräte Thomas Hefti (fdp, GL) und Ruedi Noser (fdp, ZH) befürworteten den Einsatz der Partei für einen stärkeren Schutz des Klimas. So sass der Zürcher Ständerat beispielsweise im Komitee der Gletscherinitiative, während der Glarner gegenüber der NZZ betonte, dass das Klima zu schützen richtig und wichtig sei. Andere Parteimitglieder, wie zum Beispiel Christian Wasserfallen (fdp, BE) zeigten sich gegenüber einzelnen Aspekten des neuen CO2-Gesetzes, wie der Flugticketabgabe, eher skeptisch. Gössi betonte, dass die Partei bereit sei, Kompromisse bei der Revision des CO2-Gesetzes einzugehen und vor allem allgemein eine aktivere und wirksamere Klimapolitik wollte. Gegenüber dem Tages-Anzeiger betonte die Parteipräsidentin zudem, dass das vermehrte Engagement der Partei für die Klimapolitik keine Wahltaktik sei. Das Klima sei ein Thema, das die zukünftigen Generationen stark betreffe, deswegen müsse sich auch die FDP diesem Thema widmen.
Um die Meinung der Parteibasis über die Umweltpolitik einzuholen, führte die Partei eine Umfrage bei ihren Parteimitgliedern durch, in der sie unter anderem erfragten, welches Gewicht die Mitglieder dem Klimawandel im Vergleich zu Themen wie der Altersvorsorge oder den Gesundheitskosten zuschrieben, ob der Mensch einen Einfluss auf das Klima habe und ob die Befragten strengere Vorschriften beim Klimaschutz oder mehr Eigenverantwortung befürworteten. Dies sei jedoch keine Urabstimmung, betonte Parteipräsidentin Gössi, die Resultate seien somit nicht direkt bindend für die Bundeshausfraktion. Die Idee einer solche Umfrage wurde schon von Gössi gegenüber dem Tages-Anzeiger im Februar 2019 geschildert. Trotz der Einbindung der Basis äusserte die Presse unter anderem Kritik am Stil Gössis: Sie habe die Klimawende parteiintern nur im engsten Kreis abgestimmt, aber weder die Vizepräsidentinnen und -präsidenten noch die für das CO2-Gesetz zuständigen Kommissionsmitglieder konsultiert.
Die Ergebnisse der Befragung, welche der Sonntags-Blick Ende April 2019 publizierte, zeigten, dass 78 Prozent der insgesamt 14'198 Befragten der Meinung waren, die FDP solle sich künftig mehr für den Klima- und Umweltschutz engagieren. Weitere 68 Prozent der Befragten befürworteten die Förderung des CO2-freien Verkehrs auf der Strasse, 73 Prozent der Befragten sprachen sich für eine Flugticketabgabe und 59 Prozent der Befragten für die Förderung von Subventionen für erneuerbare Energien aus. Diese Resultate präzisierte die NZZ ein paar Tage später: Zwar sei der Umweltschutz für die FDP-Mitglieder ein wichtiges Thema, was bei der Berichterstattung zur Umfrage jedoch gefehlt habe, sei, dass die Parteimitglieder die Gesundheitskosten, die Altersvorsorge und die Beziehungen zur Europäischen Union als noch wichtiger einschätzten. Die FDP hätte die Umfrage nicht veröffentlichen wollen, so dass zum Schluss nur einzelne Resultate – aus dem Zusammenhang gerissen – publiziert worden seien.
Basierend auf diesen Ergebnissen und der breiten Unterstützung der Parteibasis zur Klimafrage verfassten die Begleitgruppe, die Fachkommission Umwelt und Energie inklusive der Mitglieder der UREK, der FDP-Vorstand und die Konferenz der kantonalen Parteipräsidenten (PPK) ein neues Positionspapier, das bei der Delegiertenversammlung vom Juni 2019 deutlich gutgeheissen wurde. Das Papier umfasste die neue Ausrichtung der FDP in Bezug auf Klima und Umwelt, die sich auf verschiedene freisinnige Grundsätze wie Fortschritt, Forschung und Innovation, Eigenverantwortung und Lenkungsmassnahmen stützte. Die Grundsätze wurden dann auf vier zentrale Bereiche der Gesellschaft, nämlich Natur/Landschaft, Wohnen, Arbeit/Bildung und Verkehr, angewendet, wobei pro Bereich verschiedene Massnahmen geschildert wurden. Der neue Kurs der Partei und das neue Positionspapier würden für Wasserfallen und die anderen Kritiker schwer zu verdauen sein – wie der SonntagsBlick Ende Juni 2019 schrieb. Ob die ganze Fraktion im Parlament den Beschlüssen über die Klimapolitik folgen wird, war eine offene Frage; für Fraktionschef Beat Walti verfügte die FDP jetzt zumindest über eine Grundlage und eine Legitimation, klimafreundlichere Entscheidungen auch im Parlament zu treffen.

Kursänderung der FDP bezüglich der Klimafrage und des CO2-Gesetzes
Dossier: le changement climatique en suisse

Die FDP setzte bei den kantonalen Wahlen in den Kantonen Basel-Landschaft, Luzern und Zürich sowie bei den Nationalrats- und Ständeratswahlen 2019 eine von den Medien als umstritten definierte Wahlstrategie ein, die sogenannte Door2Door-Strategie. Bei dieser Strategie, die vor allem in den Vereinigten Staaten genutzt wird, machte die Partei Haustürbesuche, um direkt mit den Stimmbürgerinnen und Stimmbürgern im Kontakt zu treten und mit ihnen über Politik zu reden. Die zwei Baselbieter Sektionen der Partei aus Allschwil und Sissach starteten das Pilotprojekt im Januar 2019, weiter meldeten sich Sektionen aus den Kantonen Zürich und Luzern für das Pilotprojekt an. Neben dem erhofften Werbeeffekt für die Wahlen wollte die Partei herausfinden, ob diese Art von Wahlkampf die Leute anspricht.
Um die Door2Door-Strategie erfolgreich umzusetzen, nutzte die Partei ein Datenerfassungstool mit dem Namen «NationBuilder», das in der Presse stark kritisiert wurde. Dieses sollte sogenanntes Microtargeting ermöglichen, bei dem «potenzielle Wähler und Wählerinnen mit individuellen zugeschnittenen Informationen» erreicht werden sollten, wie die Basellandschaftliche Zeitung Anfang Januar 2019 berichtete. Die App sollte es ermöglichen, FDP-Wahlkämpferinnen und -Wahlkämpfer in die Quartiere und Strassen potenzieller FDP-Wählerinnen und -Wähler zu lotsen. Auch wenn die Medien über die Benutzung von Personendaten sprachen, wurden auf der App Personennamen und andere Daten zur Person nicht gezeigt; es tauchten nur Hausadressen und Strassen auf, wie Matthias Leitner, Verantwortlicher des FDP-Wahlkampfs, im St.Galler Tagblatt betonte. Um die Wahlkämpferinnen und Wahlkämpfer auszubilden, wurden zudem verschiedene Weiterbildungskurse und Workshops angeboten.
Die Medien berichteten über die Erfahrungen einzelner Kandidierender mit dieser Methode; im Kanton Zürich waren die Parteimitglieder beispielsweise aufgefordert worden, in ihrer Nachbarschaft an Türen zu klopfen – egal in welchem Quartier sie wohnten. In beiden Berichten waren die Aktionen kaum von Erfolg geprägt und auch in der Stadt Luzern reagierten viele Personen misstrauisch. Dennoch schien diese Wahlkampfstrategie zumindest im Kanton Zürich erfolgreich gewesen zu sein: Überall dort, wo FDP-Wahlkämpfer und -Wahlkämpferinnen im Einsatz gewesen waren, fielen die in den kantonalen Wahlen eingebüssten Verlusten geringer aus, berichtete die NZZ. Entsprechend beschloss die FDP gemäss NZZ, die Strategie auch bei den Nationalrats- und Ständeratswahlen 2019 einzusetzen.

Door2Door-Wahlstrategie der FDP

Stillschweigend und diskussionslos nahm die grosse Kammer in der Wintersession 2019 ein Fraktionspostulat der FDP an, mit welchem ein Bericht zum Potenzial von Fernwärme- und Fernkälteanlagen aus erneuerbaren Energien in der Schweiz gefordert wurde. Die vom Bundesrat unterstützte freisinnige Fraktion erhoffte sich davon die Darstellung von Möglichkeiten zur CO2-Reduktion im Sinne des Netto-null-Emissionsziels bis 2050 und zur Sicherung der Energieversorgung im Land. Der Bericht sollte insbesondere das Zusammenspiel zwischen den föderalen Ebenen erläutern, die Rolle der städtischen Energieversorger einordnen, einen Vergleich mit dem Ausland und eine Statistik zum CO2-Verbrauch der in der Fernwärmeindustrie eingesetzten Energieträger erstellen, zeigen wie das Potenzial besser ausgeschöpft werden könnte und aktuelle Hindernisse im Ausbau erörtern.

Auslegeordnung zum Potenzial von Fernwärme- und Fernkälteanlagen (Po. 19.4051)

Zu Jahresbeginn hat der SGV das Jahr 2019 zum «Jahr der Milizarbeit» erklärt, da beinahe jede zweite Gemeinde «Mühe hat, Kandidaten für die Exekutivwahlen» zu finden, wie der Blick berichtete. Ziel der Erklärung war in erster Linie, eine breite Debatte anzustossen, wie SGV-Präsident Hannes Germann (svp, SH) festhielt. In unterschiedlichen Beiträgen der Presse und auch der Forschung wurde in der Folge über das Schweizer Milizsystem debattiert. Alt-Bundesrat Kaspar Villiger verdeutlichte den Ernst der Lage in der NZZ, als er in einem Gastkommentar über die Milizarbeit den Philologen Karl Schmid zitierte: Für die Schweiz sei die «Apolitie der das kulturelle und wirtschaftliche Leben bestimmenden Schichten» eine «tödliche Gefahr». So sorgte die Frage nach der Zukunft der Milizarbeit nicht nur auf Gemeindeebene, sondern auch auf nationaler Ebene für Gesprächsstoff, wo eine zunehmende Professionalisierung des Politikbetriebs dem Milizsystem zu schaden drohe.

Der SGV selbst hatte deshalb eine Reihe von Massnahmen geprüft, um auch jungen Personen ein «politisches Amt auf lokaler Ebene» schmackhaft zu machen. Diskutiert wurde über die Einführung eines Erwerbsersatzes für Gemeinderätinnen und Gemeinderäte, eine Anrechnung der geleisteten Arbeit als Wehrpflicht oder Zivildienst sowie über die Möglichkeit, den Gemeinderatslohn von den Steuern abzuziehen – was bisher nur in vereinzelten Kantonen möglich war. Seinem Anliegen Nachdruck verlieh der Verband an der 1. August-Feier auf der Rütliwiese: Der SGV und der Schweizerische Feuerwehrverband gestalteten 2019 die Feier mit, welche unter dem Motto «Milizarbeit als Engagement für die Gesellschaft» abgehalten wurde. Germann betonte dort, dass die Milizarbeit zur DNA der Schweiz gehöre und präsentierte auch hier Lösungsvorschläge, wie vermehrt Jugendliche für ein Engagement in der Politik motiviert werden könnten: Als «Miliz-Influencer», so berichtete die Luzerner Zeitung, sollen «junge, ehrenamtlich tätige Menschen [...] ihre Altersgenossen für freiwillige Ämter mobilisieren».

Besorgt über den Zustand der Milizarbeit zeigte sich auch der Politologe Markus Freitag von der Universität Bern: Gegenüber dem Sonntagsblick bezeichnete er im Juni den registrierten Rückgang an Interessenten für Milizämter als «alarmierend», in derselben Ausgabe der Zeitung warnte der Redaktor Danny Schlumpf gar vor einem Zusammenbruch des Milizsystems.
2019 erschienen zudem die Studie «Milizarbeit in der Schweiz» von Markus Freitag, Pirmin Bundi und Martina Flick Witzig von der Universität Bern, welche die Herausforderungen und Chancen des Schweizer Milizsystems untersuchte. Befragt wurden 1'800 Miliztätige aus 75 Schweizer Gemeinden mit 2'000 bis 30'000 Einwohnerinnen und Einwohnern. Schweizweit seien ungefähr 100'000 Schweizerinnen und Schweizer in einem Milizamt tätig, schätzte die Autorenschaft. Etwa 70'000 davon seien in lokalen Kommissionen aktiv, 17'000 in Gemeindeparlamenten und 15'000 in der Exekutive. In den Gemeindeexekutiven gemäss der Studie am besten vertreten war klar die FDP (25%), gefolgt von der CVP (16%) und der SVP (15%). Die SP kam auf einen Anteil von 13 Prozent, war aber in der Legislative die zweitstärkste Kraft. Der durchschnittliche Miliztätige sei männlich – der Frauenanteil betrug in der Studie ungefähr einen Drittel –, zwischen 40 und 64 Jahre alt, verfüge über einen hohen sozialen Status sowie über einen tertiären Bildungsabschluss und sei in der Gemeinde gut vernetzt. Die grösste Sorge der Miliztätigen hingegen sei es, stellten die Forschenden fest, nicht genügend Zeit für die Ausübung ihrer Ämter zu finden, zudem erachteten sie die Zusammenarbeit mit den Behörden als «schwierig». Mit der finanziellen Entschädigung war etwa die Hälfte der Befragten zufrieden, ebenso viele wünschten sich als Kompensation für ihren Einsatz einen steuerlichen Abzug oder eine Anerkennung der Tätigkeit als berufliche Weiterbildung. 94 Prozent gaben als höchste Motivation schliesslich nicht finanzielle Gründe an, sondern den Willen, etwas für das Gemeinwohl zu tun.
Freitag leitete aus der Studie zwei nachhaltige Massnahmen zur Verbesserung des Milizsystems her, die er auch in einem Interview mit der Aargauer Zeitung wiedergab: Einerseits wünschten sich viele Miliztätige eine höhere Wertschätzung ihrer Arbeit; dabei genüge es schon, wenn sich diese in Form von kleineren Feierlichkeiten bemerkbar mache. Andererseits sei, wie bereits von SGV-Präsident Germann angetönt, die bessere Einbindung der jüngeren Generation entscheidend: Dem mangelnden Interesse der Jungen an der Milizarbeit könne mit der Förderung der politischen Bildung und Aufklärungsarbeit an Schulen entgegengewirkt werden. Verschiedene Universitäten etwa – beispielsweise seit 2019 die Universität Basel – belohnten «soziales Engagement» bereits mit sogenannten «Social Credits»; Kreditpunkten, welche für einen Abschluss angerechnet werden können, wenn auch nur zu einem geringen Anteil.
Insgesamt gebe es aber nach wie vor viele Schweizerinnen und Schweizer, darunter auch viele Junge, die etwas für die Gesellschaft täten, betonte Freitag gegenüber den Medien. So habe zum Beispiel das Eidgenössische Turnfest in Aarau nur dank 4'000 Freiwilligen durchgeführt werden können. Gemeinden wie Hospental (UR) suchten hingegen derweil vergebens nach geeigneten Kandidatinnen oder Kandidaten für den Gemeinderat. Gegenüber dem Sonntagsblick betonte Freitag, dies liege daran, dass man sich heute eher vor langjährigen Verpflichtungen scheue, hingegen Flexibilität und Ungebundenheit bevorzuge. Diese Einschätzung war bereits von einer 2018 durchgeführten Studie des Gottlieb Duttweiler Instituts (GDI) über Freiwilligenarbeit gestützt worden: Nicht unbedingt die Bereitschaft zu Freiwilligenarbeit habe abgenommen, sondern die Art und Weise, wie und wo Freiwilligenarbeit geleistet werde, habe sich verändert, sodass diese nicht mehr unbedingt der Milizarbeit im klassischen Sinne entspreche.

Milizsystem

Gleichzeitig mit der Verabschiedung der Botschaft zur Schaffung einer nationalen Menschenrechtsinstitution (NMRI) durch den Bundesrat Mitte Dezember 2019 veröffentlichte das EDA die Vernehmlassungsergebnisse zum entsprechenden Vorentwurf. Alles in allem war das Vorhaben des Bundesrates bei den stellungnehmenden Kantonen, Parteien und Organisationen auf ein sehr positives Echo gestossen: 110 der insgesamt 116 Vernehmlasserinnen und Vernehmlasser hatten die Vorlage grundsätzlich befürwortet. Dahingegen hatten ihr der Kanton Schwyz, die FDP und die SVP sowie das Centre Patronal, der schweizerische Gewerbeverband und die Unabhängigkeitspartei Schweiz ablehnend gegenübergestanden; sie hatten die Errichtung einer NMRI nicht für notwendig gehalten. Nichtsdestotrotz hatten auch viele der befürwortenden Teilnehmenden «deutlichen Anpassungsbedarf» an der Vorlage gesehen, wie der Ergebnisbericht feststellte. Rund die Hälfte der Stellungnehmenden, darunter zahlreiche Organisationen aus dem humanitären Bereich, hatten ausdrücklich gefordert, dass die Schweizer NMRI die sogenannten Pariser Prinzipien der UNO umfassend verwirklichen müsse, sodass sie von der GANHRI mit der Bestnote A akkreditiert würde, denn alles andere würde weder dem menschenrechtlichen Selbstverständnis der Schweiz noch ihrem Image auf dem internationalen Parkett gerecht. Als problematisch war hierfür vor allem die vorgesehene universitäre Trägerschaft der NMRI gesehen worden. Ein Grossteil der Teilnehmenden hatte zur Sicherstellung der Unabhängigkeit der NMRI daher angeregt, ihr eine eigene Rechtspersönlichkeit, beispielsweise als Stiftung oder Verein, zukommen zu lassen.
Der Bundesrat nahm letztere Kritik aus der Vernehmlassung in seiner Botschaft auf, indem er darin die NMRI als öffentlich-rechtliche Körperschaft ausgestaltete. Die NMRI sollte ihre Tätigkeiten im Rahmen ihres Mandats selbst bestimmen. Der Bund und die Kantone sollten mit beratender Funktion, aber ohne Stimmrecht Einsitz nehmen und die NMRI finanziell unterstützen – der Bund mit Finanzhilfe im Umfang von einer Million Franken pro Jahr, die Kantone mit der Übernahme der Kosten für die Infrastruktur der NMRI. Die ursprünglich angedachte universitäre Verankerung sollte insofern beibehalten werden, als die NMRI an einer oder mehreren Universitäten situiert werde. Als Aufgaben der NMRI nannte die Botschaft die Information und Dokumentation, Forschung, Beratung, Menschenrechtsbildung, Sensibilisierung und den internationalen Austausch zur Förderung und zum Schutz der Menschenrechte sowohl im innerstaatlichen Bereich als auch in Bezug auf die innerstaatliche Umsetzung internationaler menschenrechtlicher Verpflichtungen. Dabei werde sie aber keine Verwaltungsaufgaben und keine Ombudsfunktion wahrnehmen, auch behandle sie keine Einzelfälle und spreche keine verbindlichen Empfehlungen aus, präzisierte der Bundesrat in der entsprechenden Medienmitteilung. Damit die Ablösung des Pilotprojekts SKMR, das Ende 2020 auslaufe, nahtlos erfolgen könne, sah der Bundesrat zudem die Verlängerung der Pilotphase um weitere zwei Jahre vor.

Schaffung einer nationalen Menschenrechtsinstitution (NMRI)
Dossier: Institution nationale des droits de l'homme

Bei den Bunderstaswahlen 2019 bestätigte die CVP ihren Sitz: Ihre bisherige Bundesrätin Viola Amherd wurde mit dem besten Resultat (218 Stimmen) wiedergewählt.
Nach vielen Spekulationen in den Medien über eine mögliche Unterstützung der CVP für einen grünen Bundesratssitz entschied sich die Mitte-Fraktion gegen den Angriff auf amtierende Bundesräte und für eine angemessene Vertretung der Sprachregionen und unterstützte folglich FDP-Bundesrat Ignazio Cassis – wie Gerhard Pfister (cvp, ZG) in der NZZ erläuterte. Entsprechend verzichtete die CVP auch darauf, Grünen-Kandidatin Regula Rytz zu einem Hearing einzuladen. Die WOZ wusste jedoch zu berichten, dass Gerhard Pfister Regula Rytz durchaus hätte einladen wollen, um so Druck auf die FDP auszuüben. Sein Ziel sei es gewesen, die Freisinnigen dadurch zu einer Zusage zu bewegen, Viola Amherd bei den Bundesratswahlen 2019 nicht abzuwählen. Er sei jedoch von der Fraktion überstimmt worden.
Gerhard Pfister äusserte sich in den Medien auch über die Zauberformel und erklärte, dass er einen Konkordanz-Gipfel organisieren werde, um über die Zusammensetzung des Bundesrates zu diskutieren. Die Parteien müssten eine neue Zauberformel für die Bundesratszusammensetzung erfinden, wobei die FDP wohl einen Bundesratssitz abgeben müsste. Die entsprechenden Gespräche – so Pfister – sollten im neuen Jahr beginnen.

Resultate der CVP bei den Bunderstaswahlen 2019

Bei den Bundesratswahlen 2019 bestätigte die FDP ihre zwei Sitze im Bundesrat: Sowohl ihre bisherige Bundesrätin Karin Keller-Sutter als auch ihr bisheriger Bundesrat Ignazio Cassis wurden wiedergewählt. Ignazio Cassis erzielte aufgrund der fehlenden Unterstützung der SP und der Grünen 145 Stimmen, womit der Coup der Grünen, den zweiten FDP-Sitz zu erobern und damit mit Regula Rytz (gp, BE) erstmals eine grüne Bundesrätin zu verzeichnen, scheiterte. Der Widerstand der links-grünen Parteien gegen Ignazio Cassis hatte sich schon früher abgezeichnet, etwa als SP-Parteipräsident Christian Levrat (sp, FR) Cassis nur zwei Monaten nach dessen Wahl gemäss Medien als «Praktikanten» bezeichnet hatte.
Die Medien spekulierten nach den Bundesratswahlen über einen möglichen Departementswechsel von Ignazio Cassis, zumal der Tessiner Bundesrat von vielen Seiten für seine Verhandlungsweise mit der EU bezüglich des institutionellen Rahmenabkommens kritisiert wurde. Trotz dieser Kritik blieb Cassis weiterhin Vorsteher des EDA.
Auch Bundesrätin Karin Keller-Sutter erzielte – so die NZZ – ein relativ schlechtes Ergebnis: Sie erhielt 169 Stimmen. Die Zeitung vermutete, dass hinter dieser niedrigen Stimmenzahl SVP-Vertreterinnen und -Vertreter steckten, die an ihrer Stelle den Namen von FDP-Nationalrat Marcel Dobler (fdp, SG) auf den Stimmzettel geschrieben hätten – Marcel Dobler erhielt 21 Stimmen. Seit Langem würden somit bei den Bundesratswahlen erstmals wieder «solche Spiele» gespielt, kritisierte die NZZ.
Vor den Bundesratswahlen hatte sich FDP-Parteipräsidentin Petra Gössi (fdp, SZ) gegenüber den Medien zu einem möglichen grünen Bundesratssitz geäussert. Demnach müssten sich die Grünen zuerst auf allen Ebenen etablieren und Beständigkeit in ihren Resultaten zeigen, bevor sie einen Bundesratssitz fordern könnten. Zudem sollten die Grünen die SP-Bundesratssitze angreifen, weil sie auf deren Kosten in den National- und Ständeratswahlen so stark zugelegt hätten. Die FDP sei zwar bereit, über andere mögliche Zusammensetzungen des Bundesrates zu diskutieren, ein Konkordanz-Gipfel, wie ihn CVP-Präsident Gerhard Pfister (cvp, ZG) vorgeschlagen hatte, sei jedoch unnötig. Die FDP-Parteipräsidentin nannte denn auch zwei Möglichkeiten, wie eine neue Zusammensetzung des Bundesrates herbeigeführt werden könne: durch einen Verzicht auf Ersatzwahlen bei Rücktritten in der zweiten Hälfte der Legislatur sowie durch eine Verschiebung der Bundesratswahlen auf zwei Jahre nach den Parlamentswahlen, womit die Parteien mehr Zeit für die Diskussionen untereinander hätten.

Resultate der FDP bei den Bunderstaswahlen 2019

Um im Nationalrat eine Fraktion bilden zu können, braucht eine Partei mindestens fünf Mandate. Hat sie weniger Sitze, bleiben ihre Mitglieder entweder fraktionslos oder aber müssen sich mit anderen Parteien zu einer Fraktion zusammenschliessen. Fraktionslosigkeit hat in den letzten Jahren stark abgenommen, wie eine Studie der Universität Bern zeigte. Dies hat auch damit zu tun, dass Fraktionszugehörigkeit eine Reihe von Vorteilen mit sich bringt. So erhalten Fraktionen nicht nur finanzielle Ressourcen, sondern auch der Zugang zu Kommissionen, und die Vertretung im Ratsbüro, das unter anderem zuständig ist für die Sessionsprogramme, sind Fraktionsmitgliedern vorbehalten. Darüber hinaus haben Fraktionslose beschränkte Redezeiten und ihre mangelnde Verknüpfung schränkt ihren politischen Einfluss weiter ein. Der Anreiz, einer Fraktion anzugehören, ist also auch für eine kleine Partei gross.

Fraktionslosigkeit drohte nach den eidgenössischen Wahlen 2019 der BDP, die von ihren sieben Sitze vier abgeben musste und deshalb keine eigene Fraktion mehr bilden konnte. Unterschlupf fanden die drei verbliebenen BDP-Mitglieder bei der CVP. Zusammen mit der EVP bildeten sie die neue «Mitte-Fraktion». Politisch passe die BDP gut zur CVP, urteilte die NZZ basierend auf dem Parlamentarier-Rating 2019, bei dem sich die beiden Parteien auf einer Links-Rechts-Skala überlappten. Die EVP, die ebenfalls drei Sitze beisteuerte, sei wesentlich weiter links angesiedelt. Die Schweiz brauche eine starke politische Mitte, gaben die Verantwortlichen bekannt.
Nun werde Gerhard Pfister (cvp, ZG) noch mächtiger, titelte der «Blick». In der Tat überholte die Mitte-Fraktion hinsichtlich der Anzahl Mitglieder die FDP-Liberale Fraktion. Mit 44 Mitgliedern (31 im National- und 13 im Ständerat) hatte sie drei Mitglieder mehr als die FDP (29 und 12) und war damit hinter der SVP- (55 und 7) und der SP-Fraktion (39 und 9) drittstärkste Kraft im Parlament. In der Aargauer Zeitung wurde auf die vor Jahren diskutierte Fusion zwischen BDP und CVP angespielt. Das sei aber kein Thema, gaben die CVP-Spitzen bekannt; die Fraktion sei nur ein wichtiges Arbeitsinstrument. Die Mitte-Fraktion werde wohl häufig die Rolle der Schiedsrichterin spielen, vermutete die Zeitung Le Temps.

Nicht nur die Mitte-Fraktion bestand aus mehreren Parteien, sondern auch die SVP-Fraktion nahm Parteifremde in ihrem Schoss auf: Thomas Minder (parteilos, SH) und Lorenzo Quadri (lega, TI) hatten schon in den vorhergehenden Legislaturen in der Fraktion der Schweizerischen Volkspartei Unterschlupf gefunden. Neu hinzu stiess Andreas Gafner (edu, BE), der für die EDU im Kanton Bern einen Sitz erobert hatte. Auch die Grüne Fraktion, die 35 Mitglieder (30 und 5) aufwies, umfasste zwei weitere Parteien, nämlich die PdA – auch hier hatte Denis de la Reussille (pda, NE) schon in der 50. Legislatur bei den Grünen gesessen – und Ensemble à Gauche, für die Stéfanie Prezioso Batou (egsols, GE) einen Sitz gewonnen hatte. Die kleinste Fraktion der 51. Legislaturperiode war damit die Grünliberale Fraktion, die aus 16 Nationalratsmitgliedern bestand.

Mitte-Fraktion

Im Oktober 2019 publizierte der Bundesrat die Botschaft für ein neues Bundesgesetz für Überbrückungsleistungen (ÜL) für ältere Arbeitslose. Solche Überbrückungsleistungen sollen Personen erhalten, die nach vollendetem 60. Altersjahr aus der ALV ausgesteuert werden, mindestens während 20 Jahren mit einem Mindesteinkommen von CHF 21'330 in der AHV versichert sind – davon mindestens 10 der letzten 15 Jahre vor der Aussteuerung –, die ein Vermögen unter CHF 100'000 (respektive 200'000 bei Ehepaaren) besitzen und keine IV- oder AHV-Rente beziehen. Somit sollen vor allem Personen unterstützt werden, die «in erheblichem Umfang erwerbstätig waren», aber kein grosses Vermögen besitzen. Mit der bisherigen Regelung müssten diese Personen ihre Vermögen sowie häufig ihre Altersguthaben aus zweiter und dritter Säule aufbrauchen, bevor sie sich bei der Sozialhilfe anmelden könnten, erklärte der Bundesrat. Diese Vorlage sei nun Teil eines neuen Massnahmenpakets für die Verbesserung der Arbeitsmarktfähigkeit älterer Personen. Die ÜL sollen mit zwei Ausnahmen gleich berechnet werden wie die Ergänzungsleistungen, also als Differenz zwischen den anerkannten Ausgaben und den anrechenbaren Einnahmen einer Person.

Zuvor hatte der Bundesrat zwischen Juni und September 2019 eine Vernehmlassung durchgeführt, an der sich 73 Organisationen beteiligt hatten. 52 Teilnehmende begrüssten die Einführung von ÜL für Arbeitslose, darunter 19 Kantone (AG, AR, BE, BS, FR, GE, GL, GR, JU, LU, NE, OW, SH, SO, TI, UR, VD, VS, ZH), die SP, die CVP und die EVP. Auch die FDP sprach sich für die Massnahme aus, jedoch nur für Personen, denen der Wiedereinstieg in die Arbeitswelt definitiv nicht gelingt. Auch der SGB, TravailSuisse und KV Schweiz befürworteten die Vorlage, genauso wie unter anderem die Organisationen Avenir50plus, AVIVO, Agile, EKF und Procap, die sich jedoch eine tiefere Altersgrenze für ÜL wünschten. Auf Ablehnung stiess die Massnahme bei sechs Kantonen (AI, BL, NW, SZ, TG, ZG), die vor allem die Gefahr von Fehlanreizen, offene Durchführungs- und Koordinationsfragen, die Schaffung einer Konkurrenz zum erleichterten Zugang für ausgesteuerte Personen über 60 Jahren zu Bildungs- und Beschäftigungsmassnahmen sowie die Unterstützung einer kleinen Bevölkerungsgruppe mit Steuergeldern kritisierten. Auch die GLP, die BDP und die SVP sowie der SVV, der SBV, Swissmem, GastroSuisse und Centre Patronal sprachen sich gegen die Regelung aus. Die GLP sah darin faktisch eine Frühpensionierung, die BDP kritisierte sie als reine Symptombekämpfung und für die SVP würde die Massnahme das Problem noch verschärfen.

Überbrückungsleistung für ältere Arbeitslose (BRG 19.051)
Dossier: Situation des travailleurs âgés sur le marché du travail

Deutlich mehr mediale Aufmerksamkeit als die kurz zuvor eingereichte Initiative «Ja zu steuerfreien AHV- und IV-Renten» erhielt die im Oktober 2019 von der Bundeskanzlei vorgeprüfte Volksinitiative «Für eine sichere und nachhaltige Altersvorsorge (Renteninitiative)» der Jungfreisinnigen. Diese wollen damit das Rentenalter an die durchschnittliche Lebenserwartung der Schweizer Wohnbevölkerung binden – das Rentenalter würde dann mithilfe der Differenz zwischen der aktuellen Lebenserwartung und der Lebenserwartung eines Referenzjahres berechnet und jährlich maximal um zwei Monate angepasst werden. Bis 2032 würde zuerst das Rentenalter der Frauen und Männer auf 66 angehoben, anschliessend würde das Rentenalter für jeden Monat, den die Lebenserwartung ansteigt, um 0.8 Monate erhöht. Voraussichtlich würde es somit 2043 bei 67 Jahren und 2056 bei 68 Jahren zu liegen kommen, wie die Presse berichtete. «Wenn wir länger leben, müssen wir auch länger arbeiten», betonte Patrick Eugster vom Initiativkomitee gegenüber den Medien. Damit sollen die Stimmbürgerinnen und Stimmbürger erstmals über eine reine Rentenaltererhöhung abstimmen können, bisher war diese stets an weitere Massnahmen gekoppelt (etwa in der 11. AHV-Revision oder in der Altersvorsorge 2020) oder es wurde gar über eine teilweise Senkung des Rentenalters abgestimmt. Die NZZ erachtete die Initiative insbesondere als Herausforderung für die FDP und die SVP, die diesbezüglich «Farbe bekennen» müssten – vorausgesetzt den Jungfreisinnigen gelingt es, rechtzeitig 100'000 Unterschriften zu sammeln. Dafür hätten sie eigentlich bis zum 25. August 2021 Zeit, aufgrund des Fristenstillstand bei eidgenössischen Volksbegehren bis zum 31. Mai 2020 wird diese Frist entsprechend verlängert.

Eidgenössische Volksinitiative «für eine sichere und nachhaltige Altersvorsorge (Renteninitiative)» (BRG 22.054)
Dossier: Initiatives populaires concernant la prévoyance vieillesse (depuis 2015)
Dossier: Hausse de l’âge de la retraite à 65 ans

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Zusammenfassung
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Für eine sichere und nachhaltige Altersvorsorge (Renteninitiative; BRG 22.054)

Die Volksinitiative «Für eine sichere und nachhaltige Altersvorsorge (Renteninitiative)» der Jungfreisinnigen verlangt, dass das Rentenalter an die durchschnittliche Lebenserwartung der Schweizer Wohnbevölkerung angepasst wird. Bis 2032 soll zuerst das Rentenalter der Frauen und Männer auf 66 angehoben und anschliessend das Rentenalter für jeden Monat, den die Lebenserwartung ansteigt, um 0.8 Monate erhöht werden – maximal jedoch um 2 Monate pro Jahr. Die Initiantinnen und Initianten versprachen sich von der Initiative eine Lösung des AHV-Finanzierungsproblems ohne «politische[n] Hickhack», wie es im Rahmen der Parlamentsdebatte etwa Regine Sauter (fdp, ZH) formulierte. Der Bundesrat lehnte die Rentenaltererhöhung als einseitige Massnahme ohne gleichzeitige Zusatzfinanzierung ab und empfahl die Initiative zur Ablehnung. Insbesondere der Nationalrat diskutierte im Rahmen der Initiative über zahlreiche alternative Projekte; schliesslich empfahl aber das Parlament die Initiative ohne Gegenvorschlag zur Ablehnung. Somit gelangt die Renteninitiative im März 2024 zusammen mit der Initiative für eine 13. AHV des SGB an die Urne.


Chronologie
Lancierung der Initiative
Zustandekommen der Initiative
Botschaft zur Initiative
Behandlung im Ständerat
Behandlung im Nationalrat
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Eidgenössische Volksinitiative «für eine sichere und nachhaltige Altersvorsorge (Renteninitiative)» (BRG 22.054)
Dossier: Initiatives populaires concernant la prévoyance vieillesse (depuis 2015)
Dossier: Hausse de l’âge de la retraite à 65 ans

Bei den Ständeratswahlen 2019 im Kanton Graubünden traten die beiden Bisherigen Stefan Engler (CVP) als auch Martin Schmid, beide seit 2011 im Ständerat vertreten, wieder zur Wahl an. Anders als vor vier Jahren, als die beiden die einzigen Kandidaten waren und in einer faktisch stillen Wahl gewählt wurden, mangelte es den beiden Bisherigen in diesem Jahr nicht an Gegenkandidaten. Nachdem auch Magdalena Martullo-Blocher eine Kandidatur lange nicht explizit ausschloss, nominierte die SVP schlussendlich Valérie Favre Accola in einer ausserordentlichen Delegiertenversammlung einstimmig. Bei einer Wahl wäre sie gleichzeitig die erste Frau und die erste SVP-Vertreterin für Graubünden im Ständerat geworden. Dank guten Ergebnisse bei kantonalen Wahlen, ritt die Bündner SP auf einer Erfolgswelle. Deshalb galt ihr Ständeratskandidat Jon Pult als aussichtsreichster Herausforderer der beiden Bisherigen. Pult trat, ebenso wie Favre Accola, mit einer Doppelkandidatur zusätzlich auch bei den Nationalratswahlen an. Die Grünliberalen schickten Géraldine Danuser, aktuell Mitglied der Jungen Grünliberalen, ins Rennen. Das Kandidatenfeld wurde durch Timo Stammwitz (parteilos) komplettiert. So viele Herausforderer hatten die bisherigen Ständerate im Kanton Graubünden in der jüngeren Vergangenheit noch nie. Trotz dieser historischen Konkurrenz, schien die Bündner CVP-FDP-Standesstimme nie ernsthaft in Gefahr zu sein. Engler und Schmid traten an vielen Wahlkampfevents gemeinsam auf und betonten dabei stets ihre gute Zusammenarbeit.

Das Duo Engler und Schmid konnte sich wie erwartet schon am Wahlsonntag feiern lassen, denn beide wurden im ersten Wahlgang wiedergewählt. Das beste Resultat erzielte Stefan Engler, der mit 30'033 Stimmen problemlos das absolute Mehr von 23'778 erreichte. Dahinter landete Martin Schmid mit 26'629 Stimmen auf dem zweiten Rang. Die anderen Kandidierenden verpassten es die Favoriten in einen zweiten Wahlgang zu zwingen, geschweige denn ihnen ernsthaft gefährlich zu werden. Am ehesten gelang dies noch Jon Pult (15'230 Stimmen), der vor Valérie Favre Accola (10'093 Stimmen) und Géraldine Danuser (7'106 Stimmen) auf dem dritten Rang landete.

Ständeratswahlen 2019 – Graubünden
Dossier: Résultats des élections au Conseil des Etats 2019 (par canton)
Dossier: Elections fédérales 2019 - aperçu

Die FDP verzeichnete in den Nationalratswahlen 2019 moderate Verluste. Die Partei verlor 1.3 Prozentpunkte beim Wähleranteil (neu: 15.1 Prozent) sowie vier Mandate (neu: 29 Sitze) und blieb trotzdem die drittstärkste Kraft im Parlament – hinter der SVP und der SP.
Eines der Hauptthemen dieser Wahlen war das Klima, was sich bereits in den kantonalen Erneuerungswahlen angekündigt hatte und wie die Erfolge der Grünen und der Grünliberalen bestätigten. Dennoch brachten die neue Positionierung der FDP in der Klimafrage und die Formulierung eines neuen entsprechenden Positionspapiers keine Erhöhung des Wähleranteils und wirkte sich gemäss den Autoren und Autorinnen des Wahlbarometerberichts sogar negativ auf den Formstand der Partei aus. Der Freisinn profitierte somit wohl nicht von ihrem Kurswechsel, den Parteipräsidentin Petra Gössi (fdp, SZ) laut Medien auch nicht als Wahlkampfmanöver verstanden wissen wollte. Die Relevanz anderer Themen hatte sich bereits im Juni im Wahlbarometer angekündigt; damals wollten die FDP-Sympathisantinnen und -Sympathisanten die Partei aber vor allem wegen Themen wie der Altersvorsorge und den Beziehungen zur EU wählen.

Für ihre Wahlkampagne verwendete die FDP neu den Slogan «Gemeinsam weiterkommen», was so viel bedeute, wie «wir machen Politik von Menschen für Menschen», wie Parteipräsidentin Petra Gössi Anfang Jahr im Blick erklärte. Während der Wahlkampagne griff die FDP erneut ihre schon in den kantonalen Wahlen erprobte Strategie «Door2Door» auf. Zudem lancierte sie eine spezielle Wahlkampagne auf sozialen Medien – ein Novum für die Schweiz, wie der Tages-Anzeiger berichtete. Dazu habe die FDP ihr Parteiprogramm in knackige Sätze aufgeteilt und diese auf unterschiedliche Bildmotive gepackt, wie die Zeitung erklärte. Sodann kaufte die Partei Facebook- und Instagram-Reichweite. Nachdem die Werbung eine Weile auf den Kanälen kursiert war, wertete die FDP aus, welche Bilder funktionierten. Letztlich kaufte die FDP Reichweite im grossen Stil, jedoch nicht mehr flächendeckend, sondern auf die Nutzergruppe zugeschnitten, die zuvor besonders intensiv mit der jeweiligen Werbung interagiert hatte.
In den Medien ebenfalls auf Aufmerksamkeit stiess die als historisch definierte Listenverbindung zwischen der FDP und der CVP im Kanton Tessin, da die zwei Parteien im Südkanton bisher traditionell die grössten Gegenspieler waren, wie die NZZ betonte.

Resultate der FDP bei den Nationalratswahlen 2019

Die CVP verzeichnete bei den Nationalratswahlen 2019 moderate Verluste: Die Partei verlor 0.2 Prozentpunkte Wähleranteile (neu: 11.4 Prozent) und zwei Mandate (neu: 25 Sitze), wurde aber von den Grünen aus den Top-4-Parteien verdrängt: Neu war die CVP nach der SVP, der SP, der FDP und den Grünen nur noch die fünftstärkste Partei im Nationalrat. Parteipräsident Gerhard Pfister kommentierte die Resultate in den Medien als «schlimm, aber nicht ganz, ganz schlimm». Die Niederlage kam denn auch nicht völlig unerwartet, so hatte die Partei gemäss Generalsekretärin Gianna Luzio (GR, cvp) vier Szenarien für die Wahlen vorbereitet: ein Minus beim Wähleranteil mit hohen Sitzverlusten; ein Minus mit etwas geringeren Sitzverlusten; knappes Halten der Sitzzahl; und die Variante «Sitzgewinn». Dieses letzte Szenario wurde – laut Luzio – aber nur kurz berücksichtigt. Die Medien führten die moderate Niederlage einerseits auf kantonsspezifische Gründe und andererseits auf eine «zornige» Motivation der Partei und der Kandidierenden zurück.

Bis September 2019 war die Wahlkampagne der CVP in den Medien kaum präsent gewesen. Die Partei hatte gemäss Blick auch auf eine nationale Plakat- und Inseratekampagne verzichtet, was die Zeitung als mögliche Ursache für ihren Absturz im letzten vor den Wahlen durchgeführten Wahlbarometer heranzog. Im Sonntags-Blick bestätigte Luzio kurz danach, dass die CVP die kommenden Wochen bis zu den Wahlen nutzen werde, um noch einmal richtig Werbung in eigener Sache zu machen. Die Partei lancierte in der Folge eine Online-Wahlkampagne, mit der sie – so Luzio – auf mehreren Internetseiten die Positionen der politischen Gegner kritisch beleuchtete und den Positionen der CVP gegenüberstellte. Diese Kampagne wurde von den Medien und den anderen Parteien stark kritisiert, unterm anderen, weil auch Kandidierende aus Parteien, mit denen die CVP eine Listenverbindung eingegangen war, kritisch beleuchtet wurden. Auch Politikberater Mark Balsiger bezeichnete den Wahlkampfstil als unüblich für die Schweiz; solche Angriffe auf den Gegner würden wohl als Dreckwerfen wahrgenommen. CVP-Präsident Pfister verteidigte hingegen das Vorgehen und betonte, es sei «durchaus legitim», «Unterschiede zu anderen Parteien aufzuzeigen». Bei einigen CVP-Kantonalparteien stiess die Kampagne auf Kritik; die CVP Tessin distanzierte sich zum Beispiel explizit davon. Mediensprecher Michaël Girod kündigte in den Zeitungen Mitte September die Weiterführung der Kampagne an, solange es das Wahlkampfbudget zulasse.

Resultate der CVP bei den Nationalratswahlen 2019

Die FDP verlor bei den Ständeratswahlen 2019 einen Sitz (neu: 12 Mandate). Im Tessin verlor die Partei ihren historischen Sitz im Stöckli zugunsten der SVP, nachdem die Tessiner Freisinnigen dort seit 1848 ununterbrochen vertreten gewesen waren. Der bisher im Nationalrat tätige Giovanni Merlini, der nur für den Ständerat kandierte, wurde nicht gewählt. Stattdessen wurde der SVP-Kandidat Marco Chiesa ins Stöckli geschickt.
Im Kanton Bern kam es zu einem Eklat, wie der Tages-Anzeiger berichtete. So trat Christa Markwalder (fdp, BE) für den zweiten Wahlgang an, um den Sitz von BDP-Ständerat Werner Luginbühl anzugreifen, obwohl die BDP-Kandidatin Beatrice Simon im ersten Umgang mit über 20'000 Stimmen vor FDP-Kandidatin Markwalder gelegen hatte. Die Kandidatur von Markwalder konkurrenzierte damit Simon, die dann ihren Verzicht bekannt gab. Markwalder wurde im zweiten Wahlgang vierte, hinter Regula Rytz und den gewählten Werner Salzmann und Hans Stöckli.

Resultate der FDP bei den Ständeratswahlen 2019

Die CVP konnte bei den Ständeratswahlen 2019 die Anzahl Sitze, die sie 2015 gewonnen hatte (13 Mandate), bestätigen. Die Partei verlor allerdings ihren Fraktionschef Filippo Lombardi, der die Wiederwahl im Tessin um 45 Stimmen verpasste. Gegen den knappen Wahlausgang reichte ein Tessiner Anwalt Rekurse beim kantonalen Verwaltungsgericht und beim Bundesgericht ein. Der Grund: Viele Auslandtessiner und -tessinerinnen hätten die Wahlunterlagen zu spät erhalten und hätten nicht rechtzeitig abstimmen können. Die Tessiner Regierung ging auf das Anliegen nicht ein und das kantonale Verwaltungsgericht konnte keinen formalen Fehler im zweiten Wahlgang feststellen. Der Anwalt reichte somit Rekurs gegen das Urteil beim Bundesgericht ein, das den Rekus aber ebenfalls abwies und die Abwahl Lombardis bestätigte.
Wie der Corriere del Ticino mitteilte, stellte die Abwahl von Lombardi für die Medien in der Deutschschweiz und in der Romandie eine grosse Überraschung dar. So hatte zum Beispiel der Blick anfangs Oktober noch geschrieben, dass «Lombardis Chancen auf den Ständeratssitz intakt» seien.

Resultate der CVP bei den Ständeratswahlen 2019

Wenn man im Spätsommer der Landstrasse entlang fährt und über Kilometer hinweg eine willkürliche Aufreihung meist fremder Gesichter entdeckt, wird auch den politisch Uninteressierten bewusst, dass der nationale Wahlherbst vor der Türe stehen muss. Auch im Herbst 2019 war dieses Spektakel schweizweit deutlich zu sehen. Die Parteien und ihre Kandidatinnen und Kandidaten warben fleissig für sich und ihre Anliegen – mal originell, mal weniger, aber immer mit dem Bisschen «je ne sais quoi», das der Politik eben inhärent ist. Bisweilen schreckten einige auch nicht vor einer ordentlichen Portion Provokation zurück, so beispielsweise die SVP mit ihrem im August publizierten, wurmstichigen Apfel-Plakat oder die CVP mit ihrer Online-Kampagne, mit der sie offensichtlich gegen die anderen Parteien schoss.
Da in einem demokratisch konsolidierten Land wie der Schweiz die Meinungsäusserungsfreiheit einen hohen Stellenwert geniesst und nach Möglichkeit auch eine harte politische Auseinandersetzung über heikle Themen ermöglicht werden soll, gibt es in der Schweiz kaum rechtliche Grundlagen, die gezielt den Wahl- bzw. Abstimmungskampf regeln. Dies wurde knapp drei Wochen vor den Wahlen deutlich, als es ein prominenter Akteur, der mit Parteipolitik im eigentlichen Sinne nur wenig zu tun hat, mit einer Plakat-Aktion in die Medien schaffte: das «Egerkinger Komitee» mit seinem prominentesten Vertreter Walter Wobmann (svp, SO). In einer Nacht-und-Nebel-Aktion wurden in verschiedenen Schweizer Städten und auf den Social-Media-Accounts des Komitees unzählige Wahlplakate aufgehängt und aufgeschaltet, auf denen jeweils das Konterfei vier prominenter FDP-Exponenten zu sehen war: Parteipräsidentin Petra Gössi (SZ), Fraktionschef Beat Walti (ZH), Nationalrätin Christa Markwalder (BE) sowie Nationalrat Christian Wasserfallen (BE). Betitelt wurde das Ganze mit dem Slogan: «Die FDP schützt radikale Islamisten in der Schweiz – Wollen Sie solche FDP-Mitläufer wirklich wählen?» Stein des Anstosses war eine nur wenige Wochen zuvor in der Herbstsession abgelehnte Motion der SVP-Fraktion zur Bekämpfung der Ausbreitung eines radikalen Islams in der Schweiz, die auch dank grosser Unterstützung der FDP-Fraktion zu Fall gebracht worden war.
Die FDP-Spitze liess diesen Angriff nicht auf sich sitzen und zog die Angelegenheit einen Tag nach Bekanntwerden vor das Bezirksgericht Andelfingen (ZH), dem Sitz des Egerkinger Komitees. Dort suchte sie, wie in diversen Medien berichtet wurde, um Erlass eines Superprovisoriums (einer ohne Anhörung der Gegenpartei erlassenen vorsorglichen Massnahme) an, weil sich die anvisierten Personen in ihrer Persönlichkeit verletzt fühlten, u.a. im Recht auf das eigene Bild. Petra Gössi liess im «Blick» verlauten, sie lasse sich nicht unterstellen, radikale Islamisten zu schützen; vielmehr sei die Motion der SVP «reine Symbolpolitik, die nicht umsetzbar gewesen wäre oder gar nichts gebracht hätte», gewesen. Das Gericht bestätigte zwei Tage nach dem Ansuchen die superprovisorische Verfügung und forderte das Komitee auf, die Plakat- und Social-Media-Anzeigen innert 24 Stunden zu entfernen. Komme es dieser Aufforderung nicht nach, würden Bussen in Höhe von CHF 10'000 verhängt und auch für weitere geplante Veröffentlichungen zusätzlich erhoben werden. Wobmann und sein Komitee – oder wie es der Tages-Anzeiger betitelte: die «SVP-Kampftruppe» – ignorierten das Gerichtsurteil aber gänzlich und liessen nonchalant verlauten: «Wir entfernen die Plakate sicher nicht.» Gemäss Wobmann handle es sich bei diesem Urteil lediglich um einen politischen Entscheid; er sprach gar von «Zensur». Zudem sei die Plakat-Kampagne sowieso lediglich auf den Zeitraum einer Woche beschränkt gewesen und werde bereits am Montag nach dem Urteil enden. Des Weiteren sei das Entfernen innert 24 Stunden gar nicht möglich – was wiederum von der verantwortlichen Plakatgesellschaft Clear Channel so nicht bestätigt wurde.
In der Wochenendpresse wurde dann tatsächlich eine Wende im Plakat-Krimi kundgetan: Das Egerkinger Komitee wolle doch dem «Gericht gehorchen» und habe Clear Channel einen entsprechenden Auftrag erteilt, wie der Tages-Anzeiger informierte. Die gesetzte Frist von 24 Stunden reiche zum Entfernen der Plakate zwar nicht, liess die Plakatgesellschaft verkünden, man werde diese aber auf Kosten des Komitees frühzeitig überkleben. Weshalb es nun doch zum Umschwung kam, wollte Wobmann den Medien nicht mitteilen. Stattdessen hatte sich in der Zwischenzeit eine andere Politgrösse zur Plakataktion geäussert: SVP-Übervater Christoph Blocher. Im Gespräch auf «Teleblocher» antwortete er auf die Frage, was er denn von diesem Urteil halte, lediglich mit einem Lachen und meinte: «Da habe ich nur gelacht.» Es sei eben schon etwas «komisch», wenn das Gericht ein solches Urteil fälle, da sich die genannten Politikerinnen und Politiker doch lediglich gegen einen vermeintlichen Rufschaden wehrten, den sie durch ihr Abstimmungsverhalten grundsätzlich selbst zu verschulden hätten. In Rezitation des ehemaligen Deutschen Bundeskanzlers Helmut Schmidt, meinte er hierzu mit einem verschmitzten Unterton: «Wer den Dampf nicht erträgt, soll nicht in die Küche gehen.» Der Frage, was er denn vom Plakat selbst halte, wich er aus und betonte, dass er selbst mit dieser Kampagne nichts zu tun habe, gar erst über die Medien davon erfahren habe. Den Schritt, den das Komitee gegangen sei, empfand er jedoch als «mutig».

Stopp der Ausbreitung des radikalen Islams in der Schweiz! - Plakataktion des Egerkinger-Komitees
Dossier: Halte à l'expansion de l'islam radical en Suisse!
Dossier: Interventions et mesures luttant contre les tendances à la radicalisation islamiste

Rund zwei Monate nachdem das Bundesgericht die Abstimmung über die Initiative der CVP gegen die Heiratsstrafe annulliert hatte, reichten CVP-Präsident Gerhard Pfister (cvp, ZG) im Nationalrat und Pirmin Bischof (cvp, SO) im Ständerat zwei gleichlautende Motionen für eine Neubehandlung der Volksinitiative «für Ehe und Familie – gegen die Heiratsstrafe» im Parlament ein. Darin forderten sie den Bundesrat auf, dem Parlament die Möglichkeit zu geben, sich noch einmal unter Vorlage der korrekten Zahlen eine Meinung zur Initiative bilden zu können, und entsprechend den Bundesbeschluss über die Entscheidung des Parlaments vom Juni 2015 per sofort aufzuheben. Denn nicht nur das Schweizer Volk, auch das Schweizer Parlament habe auf der Basis von falschen Zahlen entschieden. Der Bundesrat solle dem Parlament nun eine neue Botschaft zur Volksinitiative oder eine Zusatzbotschaft zu einem relevanten, im Parlament hängigen Geschäft unterbreiten.
Der Bundesrat erklärte, dass der entsprechende Bundesbeschluss nicht Teil des Bundesgerichtsurteils gewesen und somit weiterhin gültig sei und er – oder auch das Bundesgericht – nicht die Kompetenz hätten, diesen Beschluss zu ändern oder aufzuheben. Durch eine Zusatzbotschaft zum im Parlament hängigen «Bundesgesetz über die direkte Bundessteuer für eine (ausgewogene Paar- und Familienbesteuerung)» erhalte das Parlament aber die Möglichkeit, das Anliegen der Volksinitiative nochmals inhaltlich zu beraten.
Da er sein Anliegen durch die Zusatzbotschaft erfüllt sah, zog Pirmin Bischof seine Motion Anfang September 2019 zurück. Diskussionslos lehnte der Nationalrat in der Herbstsession 2019 auch die Motion Pfister ab.

Neubehandlung der Volksinitiative "für Ehe und Familie - gegen die Heiratsstrafe" im Parlament (Mo. 19.3757)
Dossier: Abolition de la pénalisation du mariage
Dossier: Initiative populaire «Pour le couple et la famille – Non à la pénalisation du mariage»: Initiative, invalidation et retrait
Dossier: Réforme de l’imposition du couple et de la famille depuis 2000 – Imposition commune ou imposition individuelle?

Mit dem Postulat «Plastikmüll. Vermeiden und Wiederverwerten statt Exportieren» beabsichtigte die CVP-Fraktion – mittlerweile umbenannt zur Mitte-Fraktion – im September 2019, das Thema Plastik ganzheitlich anzugehen. Sie forderte dafür einen Bericht zu vier Punkten. Erstens sollte eine Analyse zum Stand des Plastikrecyclings in der Schweiz mit Zahlen zum generell verbrauchten Plastik sowie zum wiederverwerteten und zum exportierten Plastik inklusive einer Auslegeordnung zum Potential der Plastik-Kreislaufwirtschaft und darauf aufbauend eine Darstellung des Bedarfs an politischen Massnahmen vorgelegt werden. Zweitens sollte eine Antwort auf die Frage, wie der Bundesrat sicherstellt, dass der exportierte Plastik nicht irgendwo im Meer landet, gegeben werden. Drittens verlangte das Postulat eine Strategie, wie in asiatischen Ländern Programme für die Etablierung einer Plastik-Kreislaufwirtschaft gefördert werden können, und viertens sollte ein Bericht darüber erstellt werden, wie Pilotprojekte unterstützt werden können, «mit welchen aus Plastik speicherfähiges Gas und daraus Strom produziert werden kann».
Der Bundesrat beantragte die Annahme des Vorstosses. Falls der Nationalrat diesem Postulat zustimmen sollte, werde er es zusammen mit den bereits überwiesenen Postulaten von Adèle Thorens Goumaz (gp, VD; 18.3196) und Martina Munz (sp, SH; 18.3496) beantworten, welche sich ebenfalls dem Thema Kunststoffe/Plastik widmeten, erklärte der Bundesrat.
Der Nationalrat beugte sich im Dezember 2019 ein erstes Mal über das Postulat der CVP-Fraktion. Dabei wurden die Punkte 1, 2 und 4 stillschweigend angenommen. Punkt 3 wurde von Roland Rino Büchel (svp, SG) bekämpft und die entsprechende Diskussion darüber verschoben. In der Sommersession 2021 nahm der Nationalrat schliesslich auch den dritten Punkt des Postulates an. Die 46 ablehnenden Stimmen stammten allesamt von Mitgliedern der SVP-Fraktion.

Plastikmüll. Vermeiden und Wiederverwerten statt Exportieren (Po. 19.4355)
Dossier: Pollution plastique
Dossier: Interventions parlementaires sur l'économie circulaire depuis le rejet de l'initiative populaire «Economie verte»

Die WAK-SR hat die Ergebnisse ihrer im Frühling 2019 eingeleiteten Vernehmlassung zur Kenntnis genommen. Heute bezahlen Besitzer von Wohneigentum, in dem sie selber wohnen, Einkommensteuern auf einen fiktiven Mietertrag (sog. Eigenmietwert). Die Kommission schlug vor, den Eigenmietwert für am Wohnsitz selbstbewohntes Wohneigentum zusammen mit verschiedenen Abzugsmöglichkeiten (z.B. für den Unterhalt oder die Instandstellung) abzuschaffen. Ausserfiskalisch motivierte Abzüge (z.B. für Energiesparen) würden lediglich auf Bundesebene abgeschafft; die Kantone könnten sie weiterhin erlauben. Zweitliegenschaften wären zwar vom Systemwechsel nicht betroffen, doch würden ausserfiskalisch motivierte Abzüge trotzdem nicht mehr erlaubt. Schliesslich sollte auch die Abzugsfähigkeit von Schuldzinsen mehr oder weniger eingeschränkt werden; hierzu erarbeitete die Kommission fünf Varianten. Als Ausgleich würde ein neuer «Ersterwerberabzug» von CHF 10'000 für Ehepaare (CHF 5'000 CHF Alleinstehende) eingeführt, der aber nach 10 Jahren endet. Insgesamt gingen 110 Stellungnahmen ein. Der kurze Zeit später veröffentlichte Vernehmlassungsbericht zeigt auf, dass 21 Kantone, FDK, SP und die Grünen sowie der Mieterverband und SGB die Vorlage ablehnen. Einzig die Kantone GE, NW, OW, SZ und ZH unterstützen den Systemwechsel, doch auch sie lediglich mit gewichtigen Vorbehalten, allen voran bezüglich Ersterwerberabzugs. Das gleiche gilt für die grundsätzlich befürwortenden Parteien (SVP, FDP, CVP, BDP und Grünliberale). Am positivsten haben Verbände der Hauseigentümerinnen und Hauseigentümer (HEV) und Economiesuisse reagiert. In Anbetracht der zahlreichen umstrittenen Fragen hat die WAK-SR jedoch die Verwaltung damit beauftragt, weitere Abklärungen vorzunehmen. Diese sollen vor allem folgende Punkte betreffen: Zweitliegenschaften, Schuldzinsenabzüge und ausserfiskalisch motivierte Abzüge für Energiespar- und Umweltschutzmassnahmen.

Systemwechsel bei der Wohneigentumsbesteuerung (Pa.Iv. 17.400)
Dossier: Objets parlementaires sur l'abolition de la valeur locative (1992-2023)

Zwischen April und Juli 2017 fand die Vernehmlassung zur Änderung des AHVG zur Modernisierung der Aufsicht in der 1. Säule und Optimierung in der 2. Säule der Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenvorsorge statt. 73 Organisationen, darunter alle Kantone sowie die KdK, vier in der Bundesversammlung vertretene Parteien sowie verschiedene Verbände der Wirtschaft, Fachverbände oder Durchführungsstellen, beteiligten sich an der Vernehmlassung, wie das BSV in seinem erst im August 2019 erschienenen Ergebnisbericht zur Vernehmlassung erklärte. Der Bundesrat definierte in seiner Botschaft vier Hauptpunkte der Revision: die risiko- und wirkungsorientierte Aufsicht, die Verbesserung der Governance in der 1. Säule, die Steuerung und Aufsicht über Informationssysteme und die punktuelle Optimierung der 2. Säule.
9 Kantone unterstützten die Änderungen zur 1. Säule grundsätzlich; 14 weitere Kantone fürchteten trotz ihrer eigentlichen Zustimmung um die kostengünstige Durchführung der Aufsicht. Die SP – und mit ihr der SGB und Travail.Suisse – hielt eine Anpassung des Systems insgesamt für angemessen, die CVP befürwortete eine Beschränkung der Gesetzesänderung auf alle Aspekte zur Modernisierung der Aufsicht. Die FDP und die SVP lehnten die Änderung ab, da sie punktuelle Korrekturen bevorzugen würden und die Kosten der Revision fürchteten. Letztere Ansicht teilten auch der Arbeitgeberverband und der Bauernverband, Centre Patronal und FER. Die Vorsorge- und Versicherungseinrichtungen forderten insbesondere eine Beibehaltung des bisherigen, dezentralen Systems. Zahlreiche unterschiedliche Organisationen (verschiedene Kantone, die FDP oder Mitglieder des SGV) kritisierten überdies die starke Konzentration der Vorlage auf operative Fragen. Grösstenteils auf Zustimmung stiessen hingegen die Massnahmen in der 2. Säule.

Aufsicht in der 1. Säule (BRG 19.080)

Zu dem am 20. Mai 2019 in Vernehmlassung gegebenen Vorentwurf der SGK-NR zum indirekten Gegenvorschlag der Pflegeinitiative gingen bis zum 14. August 2019 insgesamt 152 Stellungnahmen ein. Während die Vorlage von weiten Kreisen grundsätzlich befürwortet wurde, nahmen drei Kantone (SZ, ZG und ZH), die SVP, Economiesuisse, Santésuisse und die Helsana eine ablehnende Haltung ein, die sie unter anderem mit dem Föderalismus oder im Falle von Santésuisse mit einem fehlenden gesetzgeberischen Handlungsbedarf begründeten.
Bezüglich der einzelnen Massnahmen, die von der Kommission vorgeschlagen worden waren, zeigte sich, dass insbesondere die Beiträge der Kantone zu den Ausbildungsleistungen der Spitäler, Pflegeheime und Spitexorganisationen im Allgemeinen sehr gut aufgenommen wurden – dies unter anderem von der GDK, 18 Kantonen, von allen Parteien (ausser der SVP), dem SGV, dem Centre Patronal, aber auch von den Gewerkschaftsdachverbänden, den Leistungserbringenden, Berufsverbänden und Bildungseinrichtungen sowie von Curafutura und drei der Santésuisse angehörigen Versicherern.
Nicht unterstützt wurden von der GDK und 14 Kantonen indes Beiträge für Auszubildende in der Krankenpflege an einer HF oder FH. Dabei stellte für sie vor allem die Verpflichtung der Kantone ein Problem dar; einer Kann-Formulierung würden sie jedoch zustimmen. Mit Ausnahme der FDP.Liberalen und der SVP befürworteten neben allen Parteien auch die Gewerkschaften, alle Leistungserbringende, Berufsverbände und Bildungsinstitutionen die Ausbildungsbeiträge. Gespalten zeigten sich die Versicherer.
Ebenfalls umstritten war die Begrenzung der Gültigkeitsdauer des Gesetzes auf acht Jahre. Während die GDK, 17 Kantone wie auch vier Parteien, die Gewerkschaften, der SGV und eine Mehrheit der Leistungserbringenden sich dagegen aussprachen, weil sie eine zeitliche Limitierung nicht für wirksam hielten, resp. der Ansicht waren, dass das Problem des Fachkräftemangels innerhalb dieses Zeitrahmens nicht gelöst werden könne, unterstützten diejenigen Versicherer, die dem Gegenvorschlag positiv gegenüberstanden, eine solche Begrenzung.
Die Mehrheit der Vernehmlassungsteilnehmerinnen und -teilnehmer sprach sich für eine gesetzliche Verankerung von bestimmten Leistungen, welche die Pflegefachpersonen selbstständig durchführen dürfen, aus. Es wurden allerdings einige Änderungsvorschläge angebracht. So war es der GDK und 17 Kantonen wichtig, dass Pflegefachkräfte nicht nur in der Lage seien, die pflegerische Grundversorgung in eigener Verantwortung durchzuführen, sondern diese für limitierte Zeiträume selbst auch delegieren zu können. Curafutura, Swica und Visana befürworteten die Einräumung der neuen Kompetenzen, forderten aber eine Vereinbarung der Modalitäten zwischen den Versicherern und den Pflegeverbänden. Die FDP.Die Liberalen, die GLP und der SGV wollten, dass ein Zulassungsvertrag mit einem oder mehreren Versicherern abgeschlossen werden müsse. Gutgeheissen wurde die Kompetenzerweiterung im Bereich der Grundpflege von der FMH, für den Bereich der psychiatrischen Grundpflege hingegen sprach sie sich dagegen aus.
Für die beiden Dachverbände der Versicherer, Curafutura und Santésuisse, hatten Leistungsaufträge, die verbindliche Regelungen über die zu erbringenden Ausbildungsleistungen enthalten, im KVG keinen Platz. Bei den Kantonen war die Mehrzahl der Auffassung, dass sie selbst über diese Regelung verfügen können sollten. Leistungserbringende und Berufsverbände wünschten sich eine Verknüpfung solcher Leistungsaufträge mit den von den Kantonen erteilten Betriebsbewilligungen.
Was die Einführung der Vertragsfreiheit von Pflegefachleuten betrifft, so stiess diese bei den meisten Kantonen, den Gewerkschaften, Leistungserbringenden, Berufsverbänden wie auch bei Curafutura und der Visana nicht auf offene Ohren. Wenn es hingegen nach Santésuisse ginge, müssten, falls die Kompetenzen der Pflegefachfrauen und -männern erweitert würden, der Vertragszwang gelockert oder eine Einzelvereinbarung zwischen den Versicherern und den Pflegevertretern getroffen werden.
Die Pflicht, einen Gesamtarbeitsvertrag abzuschliessen, fand abgesehen von den Gewerkschaften, linksgrünen Parteien und Bildungsinstitutionen keine Unterstützung.

Für eine starke Pflege (Pflegeinitiative). Volksinitiative und indirekter Gegenvorschlag (BRG 18.079 & Pa.Iv. 19.401)
Dossier: L'initiative sur les soins infirmiers et sa mise en œuvre