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  • Droit pénal

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  • Parti socialiste Suisse (PSS)
  • Parti libéral-radical (PLR) FDP

Processus

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Anfang 2019 war die SiK-SR im Gegensatz zu ihrer Schwesterkommission einstimmig der Ansicht, die Schaffung einer Terrorismusstrafnorm über den Weg der parlamentarischen Initiative, wie es die FDP-Fraktion verlangt hatte, sei nicht zielführend. Vielmehr sollten entsprechende Anträge in der Detailberatung der bundesrätlichen Vorlage zur Umsetzung des Übereinkommens und Zusatzprotokolls des Europarates zur Verhütung des Terrorismus eingebracht werden. Der Ständerat folgte dem Antrag seiner Kommission in der Frühjahrssession 2019 stillschweigend und gab der parlamentarischen Initiative keine Folge.

Pa.Iv. FDP-Fraktion: Schaffung einer Strafbestimmung zur Terrorismusbekämpfung

Frischen Wind in die gesellschaftliche Debatte ums nationale Verhüllungsverbot brachte die grossmehrheitliche Zustimmung des St. Galler Stimmvolks zu einem Verhüllungsverbot auf kantonaler Ebene im September 2018. Damit war St. Gallen nach dem Tessin der zweite Kanton, in dem die Gesichtsverhüllung in der Öffentlichkeit verboten wurde. Der Präsident des Initiativkomitees der nationalen Volksinitiative «Ja zum Verhüllungsverbot», der Solothurner SVP-Nationalrat Walter Wobmann, deutete die St. Galler Entscheidung als ein positives Zeichen für die bevorstehende Abstimmung über das schweizweite Verhüllungsverbot. Bundespräsident Berset gab demgegenüber in der Presse zu Protokoll, man nehme das Resultat auf Kantonsebene zur Kenntnis, aber auf nationaler Ebene sei die Debatte eine andere – dies wohl, weil die St. Galler Bestimmung die Gesichtsverhüllung nur dann verbietet, wenn von ihr eine Gefährdung für die öffentliche Sicherheit ausgeht.
Im Zuge der gleichzeitig laufenden Vernehmlassung zum Bundesgesetz über das Gesichtsverhüllungsverbot, das vom Bundesrat als indirekter Gegenvorschlag zur Volksinitiative aus der Taufe gehoben worden war, taten im Herbst 2018 zahlreiche Akteure ihre Ansichten zur Burkafrage in den Medien kund. Unter den Parteien lehnten neben der SVP – ihres Erachtens nehme der bundesrätliche Gegenvorschlag das Anliegen der Initiative nicht ernst – auch die Grünen den indirekten Gegenvorschlag ab. Sie betrachteten den Gegenvorschlag als unverhältnismässig und unnütz, da Nötigung ohnehin bereits verboten sei und der Gegenvorschlag genauso wenig zu den Rechten und zur Gleichberechtigung muslimischer Frauen beitrage wie die Initiative; letztlich schürten beide Vorurteile gegen die muslimische Bevölkerung. Auf der anderen Seite begrüsste die GLP den Vorschlag des Bundesrates vorbehaltlos. Die CVP und die FDP unterstützten beide die Stossrichtung des Bundesrates, brachten aber entgegengesetzte Vorbehalte zum Ausdruck. Während sich die CVP eine weitergehende Regelung im Sinne eines auf Gesetzesebene verankerten, allgemeinen Verhüllungsverbots wünschte, lehnte die FDP ein solches auf nationaler Ebene kategorisch ab – dies liege in der Kompetenz der Kantone – und zweifelte generell am Gesetzgebungsbedarf in dieser Frage, da es sich bei der Burka in der Schweiz um eine marginale Erscheinung handle. Für gut befand die FDP jedoch die klaren Regeln zum Behördenkontakt. Dieser Teil des bundesrätlichen Vorschlags war – neben der Feststellung, es sei richtig, der Initiative überhaupt mit einem indirekten Gegenvorschlag entgegenzutreten – auch der einzige Punkt, den die SP mehr oder weniger einhellig unterstützte. In allem, was darüber hinausging, zeigten sich die Sozialdemokraten gespalten. Der Waadtländer Nationalrat Pierre-Yves Maillard, der sich schon zuvor als Burka-Gegner zu erkennen gegeben hatte, fand in seiner Partei rund 40 Mitstreiterinnen und Mitstreiter, die ein Verbot der Burka in der Schweiz befürworteten, wenn auch nicht in der Bundesverfassung, sondern auf Gesetzesstufe. Sein Lausanner Parteikollege Benoît Gaillard bezeichnete die Burka als eine religiöse Praxis, die der Gleichstellung von Mann und Frau, den Menschenrechten und den Fundamenten der Demokratie zuwiderlaufe. Man dürfe nicht ein Jahrhundert des Kampfes für die Gleichstellung der Geschlechter der Toleranz gegenüber einer religiösen Minderheit opfern, denn der Gesichtsschleier beraube die Frauen ihrer öffentlichen Existenz, was nicht mit der Schweizer Bürgerschaft vereinbar sei. Der bundesrätliche Gegenvorschlag tauge demnach gemäss Maillard nicht, um den Erfolg der Initiative zu verhindern. Ebenfalls für ein Burkaverbot auf Gesetzesstufe sprach sich die Waadtländer Ständerätin Géraldine Savary aus; sie sah den Vorschlag des Bundesrates als geeigneten Ausgangspunkt für die entsprechende parlamentarische Debatte. Mit einer rein parlamentarischen Lösung, hoffte sie, könnte die Abstimmung über die Volksinitiative verhindert und der Abstimmungskampf vermieden werden, der die muslimische Bevölkerung stigmatisieren und die Frauen «als Geiseln nehmen» werde, wie sie der «Tribune de Genève» erklärte. Eine andere Ansicht vertrat hingegen beispielsweise der Genfer Nationalrat Carlo Sommaruga, der den Gegenvorschlag genügend überzeugend fand, um den zögernden Teil der Wählerschaft zu gewinnen. Er erlaube die Bestrafung von Nötigung und lasse gleichzeitig den Frauen, die sich aus freien Stücken verschleiern wollten, die Wahl; allen unsere Vorstellung von Gleichheit aufzuzwingen wäre hingegen Ausdruck eines «kolonialen Feminismus», wie Sommaruga von «Le Temps» zitiert wurde.
Von den insgesamt 69 eingegangenen Stellungnahmen qualifizierte der Ergebnisbericht zur Vernehmlassung rund zwei Drittel, mehrheitlich mit Vorbehalten, als befürwortend und ein Drittel als ablehnend. Neben der SVP, den Grünen, der EVP, der EDU, dem Egerkinger Komitee, der EKR, dem SGB und vier weiteren Organisationen lehnten sowohl die KKJPD als auch sieben Kantone den bundesrätlichen Gegenvorschlag ab. Ihrer Ansicht nach sollten die Kantone selbst über die Frage des Verhüllungsverbots entscheiden können beziehungsweise bringe der Vorschlag des Bundesrates keinen Mehrwert gegenüber dem geltenden Recht. Demgegenüber unterstützten die übrigen Parteien der Bundesversammlung, 18 Kantone, verschiedene Frauen- und Menschenrechtsorganisationen sowie u.a. die EKF, die SKG, der schweizerische Tourismusverband und Hotelleriesuisse den Gegenvorschlag, wobei einige von ihnen erklärten, dass dieser sogar noch weiter gehen dürfte. Positiv hervorgehoben wurde von verschiedenen Teilnehmenden, dass der Gegenvorschlag die Autonomie der Kantone wahre und so auch Rücksicht auf die Tourismusdestinationen nehme, dass er Probleme gezielt dort löse, wo sie aufträten, und dass er klare und einfach anwendbare Regeln enthalte. Der Bezug zur Initiative wurde unterschiedlich beurteilt. Während einige die Ansicht vertraten, der Gegenvorschlag nehme das Anliegen der Initiative auf und beseitige deren unangemessene Punkte, sahen andere keine Vergleichbarkeit mit der Initiative. Passend zum Tenor der Vernehmlassungsergebnisse resümierte der Tages-Anzeiger, der Vorschlag des Bundesrates sei «umstritten, aber nicht chancenlos».

Volksinitiative «Ja zum Verhüllungsverbot» und indirekter Gegenvorschlag (19.023)
Dossier: Interdiction nationale de la burqa

Bevor die SiK-NR einen Entscheid zur parlamentarischen Initiative der FDP-Fraktion mit der Forderung nach der Schaffung einer Terrorismusstrafnorm fällte, liess sie sich von Bundesrätin Simonetta Sommaruga und von NDB-Direktor Markus Seiler über die laufenden Arbeiten von Bund und Kantonen in der Terrorismusbekämpfung informieren. Sie nahm zudem Kenntnis vom dritten TETRA-Bericht, vom Stand der Arbeiten zum Nationalen Aktionsplan zur Verhinderung und Bekämpfung von Radikalisierung und gewalttätigem Extremismus sowie von der Vernehmlassung zur Umsetzung des Übereinkommens des Europarates über die Terrorismusbekämpfung und des entsprechenden Zusatzprotokolls. Dennoch erachtete die Kommissionsmehrheit den Handlungsbedarf im Sinne der parlamentarischen Initiative weiterhin als unbestritten. Gerade vor dem Hintergrund der jüngsten terroristischen Anschläge müsse der Druck auf den Bundesrat aufrechterhalten werden, argumentierte die Kommissionsmehrheit, weshalb sie den Vorstoss im Oktober 2017 zur Annahme beantragte. Für die Kommissionsminderheit überwog jedoch die Gefahr von Koordinationsproblemen und Doppelspurigkeiten mit der Vorlage des Bundesrates zur Umsetzung des Terrorismus-Abkommens. Sie war der Ansicht, das Ziel der parlamentarischen Initiative könne schneller und besser durch Einbringung in die bundesrätliche Vorlage erreicht werden, weswegen sie für die Ablehnung der Initiative plädierte. Der Nationalrat folgte in der Frühjahrssession 2018 schliesslich seiner Kommissionsmehrheit und gab der parlamentarischen Initiative mit 126 zu 53 Stimmen Folge.

Pa.Iv. FDP-Fraktion: Schaffung einer Strafbestimmung zur Terrorismusbekämpfung

Mitte Dezember 2017 gab der Bundesrat den Medien bekannt, dass er die Volksinitiative «Ja zum Verhüllungsverbot» ablehne, ihr aber mit einem indirekten Gegenvorschlag begegnen möchte. Die Initiative für ein nationales Verbot sei abzulehnen, weil die Kantone selber entscheiden können sollten, ob sie die Gesichtsverhüllung im öffentlichen Raum verbieten wollen oder nicht. So hätten die Kantone Tessin und St. Gallen ein solches Verbot befürwortet, während es in Zürich, Solothurn, Schwyz, Basel-Stadt und Glarus abgelehnt worden sei. Diesen unterschiedlichen Befindlichkeiten gelte es Rechnung zu tragen. Der Bundesrat anerkenne jedoch, dass die Gesichtsverhüllung problematisch sein könne, und zwar zum einen, wenn jemand zur Verhüllung gezwungen werde, und zum anderen im Kontakt mit den Behörden. Er wollte sich dieser Problematik daher mit einem indirekten Gegenvorschlag annehmen, der Regelungen auf Gesetzesebene vorsehe, ohne den Kompetenzbereich des Bundes zu überschreiten. Konkret solle es im Strafgesetzbuch ausdrücklich verboten werden, jemanden zur Verhüllung des Gesichts zu zwingen. Zudem solle der Kontakt mit Bundesbehörden und Bundesrecht vollziehenden Behörden unter Androhung von Strafe unverhüllt erfolgen müssen. Der Bundesrat beauftragte das EJPD mit der Ausarbeitung einer entsprechenden Vernehmlassungsvorlage bis Ende Juni 2018.
Bei den Initianten vermochte der Vorschlag des Bundesrats wenig Eindruck zu erwecken; er sei «schwammig» und entspreche nicht dem Anliegen der Initiative, so Walter Wobmann (svp, SO) gegenüber der Basler Zeitung. Das Komitee halte an der Initiative fest und blicke der Abstimmung nach wie vor zuversichtlich entgegen. Die SVP lehnte den bundesrätlichen Vorschlag ebenfalls als «wirkungslos» ab, wie in der Presse zu lesen war. Auf wenig Gegenliebe stiess der Vorschlag indes auch bei den Grünen. Nationalrat Balthasar Glättli (gp, ZH) bezeichnete ihn gegenüber der Basler Zeitung als «falsch und überflüssig», weil Nötigung ohnehin strafbar sei, und machte ihm in der Aargauer Zeitung den gleichen Vorwurf wie der Initiative selbst, nämlich zur «Stimmungsmache gegen Muslime in der Schweiz» beizutragen. Positiver äusserten sich die CVP und die SP zur Stossrichtung des Bundesrates, wenngleich sich die SP weiter auf ihren eigenen direkten Gegenentwurf zur Verbesserung der Gleichstellung der Frauen konzentrieren wollte. SP-Nationalrat Cédric Wermuth (sp, AG) bedauerte im Tages-Anzeiger, dass der Bundesrat sich nicht getraut habe, «die Debatte neu auszurichten», und dass der Gegenvorschlag «keine Antwort auf das Unbehagen» liefere, das hinter der Initiative stehe. Von verschiedenen Seiten wurde der bundesrätliche Vorschlag auch als nicht oder nur schwer umsetzbar kritisiert, da Frauen, die gezwungen werden, sich zu verschleiern, dies eher nicht bei der Polizei zur Anzeige bringen würden. Ständerat Andrea Caroni (fdp, AR), der bereits ein Gegenkomitee zur Initiative gegründet hatte, begrüsste dagegen den Vorschlag des Bundesrates. Er sei zwar nicht «das Ei des Kolumbus», eröffne aber die Möglichkeit für eine gezielte Debatte über die Probleme im Zusammenhang mit der Gesichtsverhüllung und über allfällige Lösungen, so Caroni gegenüber «Le Temps».

Volksinitiative «Ja zum Verhüllungsverbot» und indirekter Gegenvorschlag (19.023)
Dossier: Interdiction nationale de la burqa

Zur Vernehmlassung zum Bundesgesetz über den Schutz gewaltbetroffener Personen, deren Frist Ende Januar 2016 abgelaufen war, wurde im Juli 2017 der Ergebnisbericht veröffentlicht. Die 58 eingegangenen Stellungnahmen verteilten sich auf 25 Kantone (der Kanton Glarus verzichtete ausdrücklich auf eine Stellungnahme), sechs politische Parteien (BDP, CVP, FDP, GP, SP, SVP) und 27 weitere Organisationen. Die Verbesserung des Schutzes gewaltbetroffener Personen wurde von allen Vernehmlassungsteilnehmenden als Notwendigkeit anerkannt, wenn auch die Meinungen darüber auseinandergingen, wie diese Verbesserung erzielt werden soll.
Bei den zivilrechtlichen Gewaltschutzmassnahmen war vor allem die Möglichkeit der elektronischen Überwachung («Electronic Monitoring») von Tatpersonen sehr umstritten. Während die grosse Mehrheit der Vernehmlasserinnen und Vernehmlasser die Einführung einer solchen Möglichkeit grundsätzlich begrüsste, zweifelten andere die Wirksamkeit einer solchen Massnahme generell an, da das resultierende Sicherheitsgefühl trügerisch und die Massnahme gegen telefonisches oder Online-Stalking erfolglos sei. Doch auch von den Befürwortern des Electronic Monitoring äusserten Viele Bedenken im Hinblick auf dessen Umsetzung. So stosse die Überwachungstechnologie heutzutage noch an Grenzen, innerhalb derer nur eine passive, retrospektive Überwachung möglich sei und keine aktive Überwachung mit unmittelbarer polizeilicher Intervention, wie sie im Vorentwurf angedacht wäre. Auch die Ortungsgenauigkeit der verfügbaren GPS- und LBS-Systeme lasse – mit geografisch bzw. topografisch bedingten Abweichungen von bis zu 25 km im schlechtesten Fall – zu wünschen übrig und ermögliche kaum ein genügend schnelles Eingreifen, um eine Gewalttat zu verhindern. Geeignet sei eine solche Massnahme ohnehin nur, wenn das Risiko einer Gewaltausübung nicht zu gross sei, weshalb die Eignungsabklärung immer mit einer Risikoabschätzung verbunden werden müsste. Neben der Kritik am hohen finanziellen und personellen Aufwand wurde auch die Verhältnismässigkeit angezweifelt: Angesichts dessen, dass es sich bei den betroffenen Personen nicht um rechtskräftig Verurteilte handle, stehe die vorgesehene 12-monatige Tragepflicht der elektronischen Fussfessel in keinem Verhältnis zur Sanktion, welche im Falle eines strafrechtlichen Schuldspruchs zu erwarten wäre. Ganz allgemein wurde auch kritisiert, dass das Electronic Monitoring als eine eigentlich strafrechtliche Vollzugsmassnahme im Zivilrecht fehl am Platz sei. Solche Skepsis äusserten nebst 20 Kantonen, der Grünen Partei und der SP auch mehrere juristische Vereinigungen, das Centre Patronal, die KKJPD, der SGV, die Universität Lausanne, die KKPKS, der Kinderschutz Schweiz, die Schweizerische Konferenz gegen häusliche Gewalt, die Schweizerische Konferenz der Gleichstellungsbeauftragten, der Städteverband und Travail.Suisse.
Ebenfalls kontrovers aufgenommen wurde die Bestimmung, wonach die Kantone Weiterbildungsmöglichkeiten für Personen, die mit Gewaltschutzfällen zu tun haben – beispielsweise im Rahmen einer Tätigkeit bei der Kriseninterventionsstelle oder bei Gerichten –, bereitstellen müssen. Während sich knapp die Hälfte der Vernehmlassungsteilnehmenden positiv dazu äusserte, kam das Vorhaben bei rund einem Fünftel der Stellungnehmenden nicht gut an. Moniert wurde hauptsächlich der Verstoss gegen das föderalistische Prinzip, da es sich bei der Weiterbildung um eine kantonale Kompetenz handle. Von einer breiten Mehrheit begrüsst wurde hingegen die vorgesehene Mitteilungspflicht von Gewaltschutzentscheiden des Zivilgerichtes an andere Behörden wie die KESB und die kantonale Kriseninterventionsstelle, soweit dies notwendig erscheint, damit letztere ihre Aufgaben erfüllen können. Ebenso mehrheitlich positiv aufgenommen wurden die Anpassungen an der Zivilprozessordnung, darunter der Wegfall der Gerichtskosten und des Schlichtungsverfahrens.
Bei den strafrechtlichen Gewaltschutzmassnahmen wurde vor allem die Änderung begrüsst, dass die Sistierung, Wiederanhandnahme und Einstellung eines Verfahrens nicht mehr allein vom Willen des Opfers abhängig sein und der Behörde eine umfassende Interessenabwägung ermöglicht werden soll. Kritisiert wurde hierbei jedoch der umfangreiche Katalog der bei der Sistierung zu beachtenden Kriterien sowie im Detail die Vorschrift, dass die Behörde ein allfällig von der beschuldigten Person besuchtes Lernprogramm gegen Gewalt beim Sistierungsentscheid berücksichtigen soll. Mehrere Kantone bedauerten, der Anreiz zum Besuch solcher Lernprogramme sei zu lasch und Weitere forderten zusammen mit der SP, den Juristinnen Schweiz, der Schweizerischen Konferenz gegen häusliche Gewalt, der Schweizerischen Konferenz der Gleichstellungsbeauftragten und dem Städteverband gar eine obligatorische Verknüpfung der Verfahrenssistierung mit dem Besuch eines Lernprogramms gegen Gewalt. Sehr umstritten war ausserdem die Frage, ob das Opfer vor der Einstellung des Verfahrens zwingend angehört werden muss.
Von sieben Kantonen, der CVP, der Grünen Partei und der SP sowie von der KKPKS, der Interkantonalen Arbeitsgemeinschaft der Geschädigten- und Opfervertretung, dem Kinderschutz Schweiz, Pro Familia, der Schweizerischen Konferenz gegen häusliche Gewalt, der Schweizerischen Konferenz der Gleichstellungsbeauftragten, dem Städteverband, Terre des Femmes und von mehreren juristischen Vereinigungen wurde die Vernehmlassungsantwort überdies dazu genutzt, für die Einführung einer spezifischen Stalking-Strafnorm zu plädieren, obwohl – oder gerade weil – eine solche nicht Gegenstand des Vorentwurfs war.

Bundesgesetz über den Schutz gewaltbetroffener Personen (BRG 17.062)
Dossier: Amélioration de la protection des victimes de harcèlement

Als zentrales Problem bei der Kriminalitätsbekämpfung identifizierte die FDP-Fraktion die lange Dauer der Strafverfahren. Der grosse Zeitabstand zwischen Tat und Strafe gebe den Tätern ein Gefühl der Straflosigkeit, während die Polizei und die Staatsanwaltschaft verbittert und frustriert und die Bevölkerung verunsichert zurückblieben. Mit einem Postulat forderte die FDP daher vom Bundesrat einen Bericht, der aufzeigen soll, welche Massnahmen die Kantone zur Beschleunigung der Strafverfahren umgesetzt haben. Hintergrund des Vorstosses war die Stellungnahme des Bundesrates zum Postulat 12.4076 („Besonderes gerichtliches Verfahren zur Bekämpfung der Kleinkriminalität“), in der der Bundesrat zu Bedenken gab, dass eine Verfahrensbeschleunigung nicht durch das Errichten von Schnellgerichten zu erzielen sei, sondern dass dafür vielmehr die Kantone durch die Organisation ihrer Strafrechtspflege sowie durch den Gebrauch des Strafbefehlsverfahrens und des abgekürzten Verfahrens verantwortlich seien. Aus einem interkantonalen Vergleich soll nun hervorgehen, wie sich der Umfang der Ressourcen für die Strafrechtspflege sowie die organisatorischen Vorkehrungen entwickelt haben und welche Massnahmen als „Best Practices“ angesehen werden können. Bundesrätin Sommaruga zeigte sich im Nationalrat skeptisch, ob es wirklich die Aufgabe des Bundes sei, „pädagogisch auf die Kantone einzuwirken, indem er sie miteinander vergleicht.“ Dennoch überwies die grosse Kammer im Mai 2017 das Postulat mit 105 zu 80 Stimmen bei einer Enthaltung.

Beschleunigung der Strafverfahren (Po. 15.3447)
Dossier: Révision du code de procédure pénale (mise en œuvre de la mo. 14.3383)

Mit 8 zu 4 Stimmen lehnte die SiK-SR im November 2016 die Schaffung einer Strafbestimmung zur Terrorismusbekämpfung ab. Die bestehenden rechtlichen Grundlagen seien ausreichend, so der mehrheitliche Tenor in der Kommission. Ausserdem würde die Annahme der parlamentarischen Initiative der FDP-Fraktion zu Koordinationsproblemen mit bestehenden Gesetzgebungsarbeiten in diesem Bereich führen. Da die Schwesterkommission der Initiative im Vorjahr Folge gegeben hatte, muss diese nun noch einmal über den Vorstoss befinden.

Pa.Iv. FDP-Fraktion: Schaffung einer Strafbestimmung zur Terrorismusbekämpfung

In der Woche nach der Schlussabstimmung in den eidgenössischen Räten über das revidierte BÜPF stellte sich – wie von SVP-Nationalrat und Komitee-Chef Franz Grüter (svp, LU) bereits seit längerem angekündigt – das Referendumskomitee „Stop BÜPF“ vor. Ihm gehörten neben der Piratenpartei, der Alternativen Liste und der Partei der Arbeit auch die Jungfreisinnigen, die Jungen Grünliberalen, die Junge SVP sowie die Juso an. Dazu kamen sieben zivilgesellschaftliche Organisationen, namentlich die Digitale Gesellschaft, der Verein Grundrechte, Operation Libero, die Internet Society Schweiz, der Chaos Computer Club Schweiz, die Stiftung pEp und Wilhelm Tux. Diese ungewöhnliche Allianz von Jungparteien von links bis rechts deutete darauf hin, dass in dieser Frage weniger ein parteiideologischer als vielmehr ein Generationenkonflikt vorlag. Mitte April präsentierte das Komitee seine Argumente. Im Zentrum der Kritik stand einerseits die als „unverhältnismässig“ angesehene Vorratsdatenspeicherung, bei der zwar die Frist zur Aufbewahrung der Daten nicht verlängert, aber der Kreis der Anbieter, die Daten für die Behörden bereithalten müssen, ausgeweitet wurde. Andererseits störten sich die BÜPF-Gegner an den Staatstrojanern, die fortan in fremde Computersysteme eindringen und so verschlüsselte Kommunikation abhören können. Besonders stossend sei hierbei, dass die Staatstrojaner bestehende Sicherheitslücken ausnutzen sollen, wodurch ein „legaler Schwarzmarkt von Sicherheitslücken“ geschaffen werde, so Norbert Bollow, Präsident der Digitalen Gesellschaft. Zum Abhören verschlüsselter Kommunikation gebe es auch andere Mittel, betonte JGLP-Co-Präsident Pascal Vuichard und verwies auf die Firma Skype, welche auf Gerichtsbeschluss hin mit den Behörden kooperiere. Vonseiten der IT-Anbieter kritisierte Jean-Marc Hensch, Geschäftsführer des Branchenverbandes Swico, die „überrissenen Mitwirkungspflichten“, da auch kleinere Anbieter einen automatischen Zugriff der Behörden auf ihre Systeme einrichten müssten. Im Grundsatz war sich das Komitee einig, dass die Privatsphäre nicht auf Vorrat eingeschränkt werden solle – mit den Worten von Juso-Präsident Fabian Molina: „Im Zweifel für die Freiheit.“ Ebenfalls im April trat die SP nach einem entsprechenden, äusserst knappen Beschluss der Delegiertenversammlung dem Referendumskomitee bei, allerdings gegen den Widerstand ihres Parteipräsidenten Christian Levrat (sp, FR) und entgegen der Mehrheit der Bundeshausfraktion, die das BÜPF im Parlament gutgeheissen hatte.
Einen Monat vor Ablauf der Referendumsfrist am 7. Juli 2016 wurde bekannt, dass die Unterschriftensammlung bis anhin harzig verlaufen war und deshalb noch rund die Hälfte der benötigten 50'000 Unterschriften fehlten. Daraufhin erklärte Juso-Präsident Fabian Molina den Abbruch der offiziellen Unterschriftensammlung. Er zeigte sich enttäuscht über die schwache Sammelleistung der bürgerlichen Jungparteien und glaubte nicht mehr an den Erfolg des Referendums. Die Allianzpartner ihrerseits bezeichneten den Rückzug Molinas als feige und unzuverlässig und beklagten auch das mangelnde Engagement der Juso, welche das Unterschriften-Soll auch nicht erfüllt hätten. Dennoch wollten sie nicht aufgeben und setzten die Unterschriftensammlung auch ohne Beteiligung der Juso fort. Ende Juni sah es denn auch tatsächlich danach aus, dass sich der Einsatz im Schlussspurt gelohnt hätte: Das Komitee verkündete, 55'000 Unterschriften erhalten zu haben, die lediglich noch beglaubigt werden müssten. Nach dem Austritt der Juso habe sich ein „gewaltiger Alarmismus“ breitgemacht, der die Sammler zusätzlich anspornte, erklärte Hernani Marques vom Chaos Computer Club. Er zeigte sich zuversichtlich, dass mindestens 51'000 gültige Unterschriften beisammen seien und das Referendum damit zustande komme.
Wie sich am Tag des Ablaufs der Referendumsfrist herausstellte, hatte sich das Komitee jedoch verkalkuliert. Von den gut 55'000 gesammelten Unterschriften trafen nur rund 45'000 rechtzeitig beglaubigt ein, damit sie bei der Bundeskanzlei hätten eingereicht werden können. Damit war das Referendum im allerletzten Moment gescheitert. Für das Komitee sei es eine „gewaltige Enttäuschung“. Schuld daran seien aber weder die Sammlerinnen und Sammler noch die Gemeinden, sondern das Komitee selbst, das in der Anfangsphase zu viel Zeit verloren habe, gab es in einer Mitteilung bekannt. Damit wird das BÜPF wie von den eidgenössischen Räten verabschiedet in Kraft treten.

BÜPF-Revision (BRG 13.025)
Dossier: Surveillance étatique

Am 3. September 2015 war die Vernehmlassungsfrist zur Umsetzung der Pädophilen-Initiative abgelaufen. Im Februar 2016 veröffentlichte das Bundesamt für Justiz die Vernehmlassungsergebnisse. Nebst allen 26 Kantonen hatten fünf Parteien (BDP, CVP, FDP, SP und SVP), drei gesamtschweizerische Dachverbände (SSV, SGV und SGB) sowie 41 weitere interessierte Organisationen und Institutionen eine Stellungnahme abgegeben. Auf eine Stellungnahme ausdrücklich verzichtet hatten der Schweizerische Gemeindeverband, der Arbeitgeberverband sowie die Bundesanwaltschaft. Der Vernehmlassungsbericht zeigte deutlich, dass eine grosse Mehrheit der Stellungnehmenden – darunter die FDP, 24 Kantone sowie zahlreiche Organisationen aus den Bereichen Sport und Freizeit – dem ersten Entwurf des Bundesrates positiv gegenüberstanden und die darin vorgesehene Ausnahmebestimmung begrüssten. Der hiermit gewährte gerichtliche Ermessensspielraum sei wichtig, um Spannungen zwischen Art. 123c BV und rechtsstaatlichen Prinzipien, insbesondere der Verhältnismässigkeit, sowie den internationalen Menschenrechtsgarantien abzubauen. Für die SP barg auch diese Umsetzungsvariante noch zu viel Konfliktpotenzial; sie plädierte für eine „konsequent grund- und völkerrechtskonforme Umsetzung“ des Verfassungsartikels. Im Gegensatz dazu lehnten die BDP, die CVP und die SVP, die Kantone Schwyz und Wallis sowie das Komitee „Pädophile sollen nicht mehr mit Kindern arbeiten dürfen“ die Umsetzungsvariante mit Härtefallklausel ab. Die Ausnahmebestimmung erfülle in ihren Augen die Forderung des Verfassungsartikels und damit den Willen des Stimmvolkes nicht, indem sie dem Gericht die Möglichkeit gebe, vom zwingenden, lebenslangen Tätigkeitsverbot abzusehen. Die einzig zulässige Ausnahme müsse auf die einvernehmliche Jugendliebe beschränkt bleiben. Nur die zweite Variante ohne generelle Ausnahmebestimmung komme dieser Forderung nach. Mit dieser Position befanden sie sich unter den Vernehmlassungsteilnehmenden jedoch klar in der Minderheit.

Umsetzung der Pädophilen-Initiative (16.048)
Dossier: Initiative sur les pédophiles

Anders als ihre Schwesterkommission zeigte sich die SiK-SR im November 2015 nicht überzeugt davon, dass die rechtlichen Möglichkeiten zur Terrorismusbekämpfung dringend erweitert werden müssen. Die Schweiz kenne bereits Rechtsvorschriften, die terroristische Organisationen verbieten und terroristische Handlungen sowie entsprechende Vorbereitungshandlungen unter Strafe stellen, darunter das Verbot der Gruppierungen «Al-Qaïda» und «Islamischer Staat» sowie verwandter Organisationen sowie die Bestimmungen zur Terrorismusfinanzierung. Die Schaffung einer Strafbestimmung zur Terrorismusbekämpfung, wie sie die FDP-Fraktion mittels parlamentarischer Initiative forderte, sei deshalb zum jetzigen Zeitpunkt nicht angezeigt, erklärte die Kommission in einer Medienmitteilung. Der Fokus müsse nun vielmehr auf die Terrorismusprävention gelegt werden; wichtig dafür sei ein zügiges Inkrafttreten des neuen Nachrichtendienstgesetzes sowie des revidierten BÜPF. In naher Zukunft sollten überdies im Zuge der Umsetzung des Übereinkommens des Europarates zur Verhütung des Terrorismus weitere Strafnormen eingeführt werden. Aus diesen Gründen entschied sich die Kommission dazu, im kommenden Jahr eine erneute Lagebeurteilung vorzunehmen und die Behandlung der parlamentarischen Initiative vorerst zu sistieren.

Pa.Iv. FDP-Fraktion: Schaffung einer Strafbestimmung zur Terrorismusbekämpfung

Mittels parlamentarischer Initiative beabsichtigte die FDP-Fraktion, eine Strafbestimmung zur Terrorismusbekämpfung zu schaffen, wie sie vom Bundesrat zusammen mit der Strafnorm zur Terrorismusfinanzierung schon einmal vorgesehen, aber 2003 im Parlament gescheitert war. Die urhebende Fraktion schlug vor, den Entwurf von 2002 dahingehend zu erweitern, dass nicht nur terroristische Handlungen an sich, sondern auch Vorbereitungshandlungen sowie die Unterstützung und Verherrlichung von Terrorismus unter Strafe gestellt werden. Ausserdem soll es den schweizerischen Strafverfolgungsbehörden gemäss dem Staatsschutzprinzip ermöglicht werden, Täterinnen und Täter auch im Ausland zu verfolgen – so beispielsweise Schweizer Dschihadreisende, die sich noch im Ausland befinden. Mit 15 zu 9 Stimmen bei einer Enthaltung sprach sich die SiK-NR im Oktober 2015 für die Schaffung einer allgemeinen Terrorismusstrafnorm aus. Man wolle damit ein «starkes Zeichen zur Eindämmung und Prävention von terroristischen Aktivitäten jeglicher Art» setzen, verkündete die Kommission per Medienmitteilung.

Pa.Iv. FDP-Fraktion: Schaffung einer Strafbestimmung zur Terrorismusbekämpfung

Eine von der FDP-Liberalen-Fraktion eingereichte parlamentarische Initiative „Den Verkauf von Bankkundendaten hart bestrafen“ wurde im Berichtsjahr 2014 erstmals inhaltlich vom Parlament behandelt. Sie war 2010 eingereicht worden und hatte während des Steuerdisputs mit Deutschland an politischer Bedeutung gewonnen. Die Wirtschafts- und Abgabekommissionen (WAK) beider Räte hatten das Begehren bereits 2011 angenommen. Im Jahr 2013 hatte der Nationalrat zudem einer Fristverlängerung bis Herbst 2015 zugestimmt. Der Nationalrat behandelte die Vorlage als Erstrat im September 2014. Sie schlug die Ausdehnung des Personenkreises vor, der im Zusammenhang mit dem Diebstahl von Bankkundendaten unter Strafe gestellt werden sollte. Etwas genauer sollten auch Personen unter Strafe stehen, die Bankkundendaten, die ihnen unter Verletzung des Bankkundengeheimnisses zugetragen worden waren, weitergeben oder für sich selbst nutzen. Bisher waren einzig die Erstverletzer des Bankkundengeheimnisses strafbar, nicht aber die Erwerber (und potenziellen Weiterverkäufer) der Daten. Der Bundesrat unterstützte die vorgeschlagene Änderung, mitunter mit dem Argument, dass die Weitergabe und Verwendung gestohlener Bankkundendaten das Vertrauen in den Banken- und Finanzplatz Schweiz verletze. Er erachtete die vorgesehene Regelung als geeignet, um eine abschreckende Wirkung auf potenzielle Datenverkäufer zu entfalten. Die Ratslinke setzte sich im Nationalrat für Nichteintreten ein. Sie argumentierte, dass unter dem künftigen Regime des automatischen Informationsaustausches (AIA) kein Anreiz mehr bestünde, Bankkundendaten zu stehlen und/oder diese weiterzugeben. Zudem sei die erwartete Abschreckungswirkung eine „Wunschvorstellung“ (Louis Schelbert, gp, LU). Das Ratsplenum liess sich von dieser Argumentation nicht überzeugen und stimmte deutlich, mit 126 zu 57 Stimmen, für Eintreten. In der Detailberatung wurden keine Minderheitsanträge mehr gestellt, weshalb sich der Nationalrat einstimmig für die Annahme des Entwurfs aussprach. Im Dezember 2014 kam das Geschäft in den Ständerat. Weil weder Nichteintretens- noch Minderheitsanträge vorlagen, passierte die Vorlage auch in der Kleinen Kammer einstimmig. In den Schlussabstimmungen wurde die verschärfte Handhabung im Zusammenhang mit dem Verkauf von Bankkundendaten mit 137 zu 57 Stimmen (Nationalrat) und 40 zu 0 Stimmen bei 5 Enthaltungen (Ständerat) angenommen.

Verkauf von Bankkundendaten (Pa.Iv. 10.450)

Als Erstrat behandelte der Ständerat den Entwurf einer Totalrevision des Bundesgesetzes betreffend die Überwachung des Post- und Fernmeldeverkehrs (BÜPF). Die Gesetzesänderung sollte vor allem sicherstellen, dass der verschlüsselte Fernmeldeverkehr auch bei künftigen technologischen Entwicklungen im Rahmen der Strafverfolgung weiterhin überwacht und nicht für kriminelle Taten missbraucht werden kann. So sollte eine gesetzliche Grundlage geschaffen werden für Überwachungen mit sogenannten Staatstrojanern (Government Software/GovWare), deren Einsatz im Rahmen eines Strafverfahrens möglich ist, wenn er von der Staatsanwaltschaft beantragt und vom zuständigen Zwangsmassnahmengericht genehmigt wurde. Bisher ist eine Überwachung nur bei der Notsuche nach einer vermissten Person erlaubt. Neu sollten auch Anbieter von Post- und Fernmeldediensten zur Mitwirkung an Überwachungen verpflichtet werden können. Als Gegenzug erhielten sie eine Entschädigung. Es war denn auch dieser Punkt, der im Ständerat mehr zu reden gab als der Einsatz der Staatstrojaner und deren Vereinbarkeit mit den Grundrechten. Mit 27 zu 13 Stimmen bei einer Enthaltung entschied sich dennoch eine Ratsmehrheit dafür, die Anbieter zu entschädigen. Eine weitere Abweichung vom bundesrätlichen Entwurf ergab sich bei der Aufbewahrungsdauer der Randdaten. Während der Bundesrat die Frist allgemein von sechs auf zwölf Monate verlängern wollte, sprach sich der Ständerat nur beim Fernmeldeverkehr, nicht aber beim Postverkehr, dafür aus. Der Ständerat nahm den abgeänderten Entwurf mit 30 zu 2 Stimmen bei 4 Enthaltungen an. Im Juli formierte sich ein Bündnis von linken Gruppierungen – darunter die Juso, die Grünen, die jungen Grünen, die Piratenpartei und die Nichtregierungsorganisation „Digitale Gesellschaft“ – und Telekommunikationsanbietern, welches gegen die Büpf-Revision das Referendum erwog.

BÜPF-Revision (BRG 13.025)
Dossier: Surveillance étatique

Der im Vorjahr vom Bundesrat in die Vernehmlassung gegebene Vorentwurf für ein Sistieren des Laufens der zehnjährigen Verjährungsfrist bei sexuellen Delikten mit Kindern bis zum 18. Altersjahr der Opfer rief ein gemischtes Echo hervor. Die beiden Strafrechtler Martin Killias und Guido Jenny, aber auch die SP befürchteten, dass es bei einer derart verlängerten Verjährungsfrist zu Fehlurteilen kommen könnte und die Gefahr von verleumderischen Anzeigen bestehen würde. Neben der SP zeigte sich auch die SVP skeptisch.

Vernehmlassung zur StGB-Revison (kinderpornografie/sexueller Missbrauch von Kindern)
Dossier: L'audidt de la CP en matière de la pornographie enfantine et de l'abus sexuels sur des mineurs

In der Vernehmlassung stiess insbesondere die Aufwertung der Bestechung im Privatbereich zu einem Offizialdelikt auf breite Kritik. Alle vier Bundesratsparteien, aber auch der Vorort und die linke Vereinigung «Demokratische Juristinnen und Juristen» lehnten diese Gleichbehandlung von staatlicher und privater Sphäre ab. Wenig Zustimmung fanden auch die neuen Vorschriften über das sogenannte Anfüttern. Dieser Tatbestand sei derart unklar, dass die Gefahr von willkürlicher Strafverfolgung bestehe. Mit der Strafbarkeit der Bestechung ausländischer Beamter erklärte sich der Vorort einverstanden, auch wenn er zu bedenken gab, dass damit die Bewerbung um Staatsaufträge in Ländern, wo derartige Zahlungen landesüblich seien, gravierend erschwert würde.

Reform des Korruptionsstrafrechts betreffend Bestechung im nichtstaatlichen Bereich
Dossier: Changement de la CP en matière de la corruption de fonctionnaires

Die im Vorjahr eingeleitete Vernehmlassung über einen Beitritt der Schweiz zum internationalen Übereinkommen zum Verbot und zur Verhütung des Völkermordes (Genozid-Konvention) der UNO von 1948 ergab breite Zustimmung. Die SP und Amnesty International verlangten, dass bei der notwendigen Anpassung der Strafrechtsnormen der Begriff Genozid nicht nur ethnische, sondern auch soziale und politische Gruppen einschliessen soll.

Genozid-Konvention der UNO von 1948

Der im Vorjahr in die Vernehmlassung gegebene Vorentwurf für ein Gesetz über den Einsatz von verdeckten Ermittlern bei der Polizei gab bei den Kantonen und den bürgerlichen Parteien zu wenig Kritik Anlass. Die SP und der Schweizerische Anwaltsverband lehnten das neue Gesetz hingegen ab; erstere, weil die Verfassung dem Bund keine entsprechenden Kompetenzen einräume, letzterer, weil die Arbeit von verdeckten Ermittlern gegen rechtsstaatliche Prinzipien verstossen würde. Trotz dieser grundsätzlichen Kritik beauftragte der Bundesrat das EJPD mit der Ausarbeitung einer entsprechenden Vorlage. Als zusätzliche Massnahme vor allem im Kampf gegen das organisierte Verbrechen forderte Bundesanwältin Del Ponte wiederholt die Einführung einer Kronzeugenregelung nach italienischem oder deutschem Vorbild, welche aussagewilligen Delinquenten Strafmilderung oder -verschonung zusichert.

Bundesgesetz: Überwachung des Post- und Fernmeldeverkehrs und verdeckte Ermittlung (BRG 98.037)
Dossier: Modificatin de la loi sur la surveillance de la correspondance postale et des télécommunications (2003)

Der Bundesrat gab die Frage, ob der Drogenkonsum straffrei werden solle, in eine breite Vernehmlassung. Die FDP sprach sich grundsätzlich für eine Strafbefreiung des Konsums aus, wollte diesen aber auf den privaten Bereich beschränken. Die SP forderte eine möglichst rasche Entkriminalisierung nicht nur beim Konsum, sondern auch beim Erwerb und Besitz kleiner Drogenmengen für den Eigenverbrauch. Beide Parteien stimmten der Kommission Schild bezüglich der ärztlichen Verschreibung von Betäubungsmitteln zu. Ihr Nein zur Strafbefreiung bekräftigte die SVP. In der Frage der Drogenabgabe wollte sich die SVP nicht definitiv festlegen, sondern vorerst den Abschluss der Versuche abwarten. Die CVP, die 1994 noch zusammen mit FDP und SP das Programm "für eine kohärente Drogenpolitik" unterstützt hatte, welches die Entkriminalisierung des Konsums vorsah, sprach sich nun ebenfalls für den Beibehalt der Strafverfolgung aus, wobei ihrer Meinung nach die Richter aber vom Grundsatz der Opportunität sollen Gebrauch machen können. Der Weiterführung der Heroinabgabe stimmte sie zu. Die Kantone zeigten sich gespalten. Graubünden und Baselland befürworteten die Entkriminalisierung grundsätzlich, der Tessin zeigte sich nicht abgeneigt. Als falschen Weg stuften hingegen Thurgau, St. Gallen und Wallis die Strafbefreiung ein, wobei St. Gallen aber, wie Schaffhausen und Zürich eine Strafbefreiung für den Konsum von Cannabis unterstützte. Von den Organisationen verlangte der Verband Sucht- und Drogenfachleute (VSD) nicht nur eine Strafbefreiung für Konsum, sondern ein Staatsmonopol für die Abgabe verschiedener Suchtmittel. Für eine Strafbefreiung sprachen sich auch die Eidg. Kommission für Jugendfragen (EKJ), die Dachorganisation der Jugendverbände (SAJV), der Dachverband schweizerischer Lehrerinnen und Lehrer (LCH) sowie die Stiftung Pro Juventute aus. Der Bundesrat fühlte sich durch die Ergebnisse der Vernehmlassung in seiner Vier-Säulen-Politik bestätigt, kündigte aber an, dass er mit weiteren Beschlüssen zuwarten wolle, bis das Ergebnis der Volksabstimmung über die verbotsorientierte Initiative "Jugend ohne Drogen" vorliegt.

Straffreiheit Drogenkonsum Vernehmlassung

Der Nationalrat befasste sich als Zweitrat mit der Volksinitiative «S.o.S. – Schweiz ohne Schnüffelpolizei» und dem als indirekten Gegenvorschlag konzipierten Bundesgesetz über die Wahrung der inneren Sicherheit. Mit 116 zu 61 Stimmen empfahl der Rat die von der SP und der GP unterstützte Volksinitiative zur Ablehnung.

Mit derselben Stimmenzahl lehnte er auch den Antrag der Kommissionsminderheit auf Nichteintreten auf das neue Bundesgesetz ab. Die SP und die Grünen begründeten ihre Opposition gegen die Schaffung von gesetzlichen Grundlagen für eine präventiv wirkende Polizei damit, dass ein solches Gesetz überflüssig sei und nur dazu dienen würde, der Polizei unkontrollierbaren Handlungsspielraum zur Überwachung der Bürger zu verschaffen. Wo es um die Bekämpfung echter Gefahren gehe, sei das bestehende Instrumentarium ausreichend: insbesondere sei die Bekämpfung des politischen Nachrichtendienstes (Spionage) bereits rechtlich abgesichert, und bei Sprengstoffdelikten und schweren Gewaltverbrechen seien seit 1981 auch vorbereitende Handlungen strafbar. Diese Einschätzung wurde von den Sprechern der bürgerlichen Parteien und Bundesrat Koller zurückgewiesen. Letzterer argumentierte damit, dass die von der Linken befürchtete Überwachung der Ausübung politischer Rechte im neuen Gesetz explizit ausgeschlossen sei. Andererseits sei die Überwachung der Aktivitäten bestimmter politischer Gruppierungen (z.B. der kurdischen PKK oder der islamischen Heilsfront) auch dann erforderlich, wenn deren Mitglieder die Schweiz nur als logistische Basis benutzen würden, ohne hier aber kriminelle Akte zu begehen. Das Gesetz sei deshalb auch im Hinblick auf die Zusammenarbeit und den Informationsaustausch mit anderen europäischen Staaten notwendig.

In der Detailberatung strich der Nationalrat die Bekämpfung des organisierten Verbrechens aus dem Geltungsbereich des Gesetzes; nicht weil dieser keine Bedeutung zuerkannt wurde, sondern weil dies eine Aufgabe der strafrechtlichen Ermittlungsbehörden sei und auf Bundesebene mit den polizeilichen Zentralstellen bereits ein Koordinationsorgan bestehe. Bundesrat Koller argumentierte vergeblich damit, dass in vielen europäischen Staaten (allerdings nicht in Deutschland) die präventive Polizei auch in diesem Aufgabenbereich tätig sei. Eine gewichtige Differenz schuf der Rat bei den zulässigen Mitteln der präventiven Informationsbeschaffung. Gegen die Stimmen der FP, der Liberalen und eines Teils der FDP-Fraktion strich er die vom Ständerat aufgenommene Bestimmung, dass dazu auch ohne richterliche Anordnung der Telefon- und Postverkehr überwacht und elektronische Abhörgeräte eingesetzt werden können. Den Antrag der vorberatenden Kommission, dass im Staatsschutz grundsätzlich die im Datenschutzgesetz garantierten Einsichtsrechte gelten sollen, fand keine Mehrheit. Beschlossen wurde eine gleiche Regelung wie im Gesetz über die polizeilichen Zentralstellen, bei welcher der Datenschutzbeauftragte nur überprüft, ob eventuell vorliegende Daten rechtmässig bearbeitet werden, aber keine materiellen Auskünfte erteilt. In der Gesamtabstimmung wurde das neue Gesetz gegen die Stimmen der SP und der GP angenommen.

Neues Staatsschutzgesetz und Volksinitiative «S.o.S. – Schweiz ohne Schnüffelpolizei» (BRG 94.028)
Dossier: Le scandale de la fiche et ses conséquences

Als Erstrat befasste sich der Nationalrat mit den vom Bundesrat 1991 vorgeschlagenen Änderungen des Strafrechts in bezug auf nicht erlaubte Handlungen gegen das Vermögen und auf das Fälschen von Urkunden. In der Eintretensdebatte begrüssten sämtliche Fraktionen diese Rechtsanpassung an die neuen Formen der Wirtschaftskriminalität. In der Detailberatung stimmte der Rat der von der Kommission vorgeschlagenen weniger strengen Bestrafung von Personen, welche ohne Bereicherungsabsichten in ein Computersystem eindringen (sog. Hacking) zu. Einen von Vertretern der SP unterstützten Antrag auf vollständige Straffreiheit für derartige Aktivitäten lehnte er hingegen ab. Mit Stichentscheid des Präsidenten abgelehnt wurde auch ein von der SP, der GP, dem LdU und Teilen der CVP unterstützter Antrag, es dem Richter zu erlauben, bei Bagatelldelikten von einer Strafverfolgung abzusehen (sog. Opportunitätsprinzip). Im übrigen nahm der Rat eine Reihe von Korrekturen am Regierungsentwurf vor, ohne allerdings Wesentliches zu verändern. Im Anschluss an seine Debatte überwies der Nationalrat oppositionslos eine Motion (Mo. 93.3037), welche die Vorlage eines Bundesgesetzes über die wirtschaftliche Strafrechtspflege in Kriegszeiten verlangt. Der Ständerat stimmte den neuen Bestimmungen in der Wintersession zu, schuf aber doch einige Differenzen zum Nationalrat. Insbesondere nahm er als zusätzlichen strafbaren Tatbestand auch noch das Einschleusen von Viren in Computersysteme sowie die Herstellung und Verbreitung derartiger Programme in das Gesetz auf.

Strafbare Handlungen gegen das Vermögen und Urkundenfälschungen (BRG 91.032)

Mitte Mai 1993 lancierte die Arbeitsgemeinschaft für Drogenlegalisierung (Droleg), die Nachfolgeorganisation des «Vereins gegen gesellschaftliche Gleichgültigkeit» (VGGG) mit Unterstützung der Grünen und der SP die Volksinitiative «Für eine vernünftige Drogenpolitik/Tabula rasa mit der Drogenmafia». Sie verlangt, dass der Drogenkonsum entkriminalisiert wird und der Staat Handel und Herstellung von Betäubungsmitteln regelt. Der Text der Initiative hatte bis zuletzt zu heftigen Diskussionen geführt. Über die generelle Stossrichtung waren sich die in der Trägerschaft zusammengeschlossenen Gassenarbeiter, Drogenfachleute, Ärzte, Juristen und Politiker weitgehend einig. Umstritten war hingegen die sogenannte Medizinalisierung der Drogenabgabe. Schliesslich setzten sich die Gassenarbeiter mit ihrer Variante durch, wonach Betäubungsmittel, die heute illegal konsumiert werden, wie Haschisch, Heroin und Kokain, nach Annahme des Volksbegehrens frei und ohne Rezept bezogen werden könnten. Nicht glücklich über diesen Entscheid war der St. Galler SP-Nationalrat Rechsteiner, der massgeblich an der Ausarbeitung der Initiative beteiligt gewesen war und nun befürchtete, damit werde die politische Grundsatzdiskussion auf einen Nebenschauplatz abgedrängt. Wegen dieser Bedenken und der Skepsis der welschen Genossen beschloss der Vorstand der SP, die Initiative zwar zu unterstützen, dem Trägerverein aber nicht beizutreten.

Volksinitiativen «für eine vernünftige Drogenpolitik» (Droleg-Initiative) und «Jugend ohne Drogen» sowie direkter Gegenvorschlag (BRG 95.046)

Die Grüne Partei stellte ihre Vorschläge zur Drogenpolitik vor. Kurzfristig verlangten die Grünen eine breitangelegte, medizinisch kontrollierte Drogenabgabe sowie Betreuungsangebote und Ausstiegshilfen für Süchtige. Langfristig, meinten sie, müsse eine kontrollierte Regelung des Handels eingeführt werden, um dem illegalen Markt den Boden zu entziehen. Die Einfuhr, die Herstellung, der Verkauf und die fiskalische Belastung von Betäubungsmitteln solle ausschliesslich dem Bund zustehen. Auch die Sozialdemokratische Partei sprach sich an ihrem Parteitag für eine weitgehende Legalisierung der Drogen sowie für ein Staatsmonopol bei der Herstellung dem Handel und dem Vertrieb aus.

Positionen der Grünen und der SP zur Drogenpolitik (1992)