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  • Assurance-vieillesse et survivants (AVS)

Acteurs

  • Parti libéral-radical (PLR) FDP

Processus

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In der Sommersession 2023 behandelte der Nationalrat als Zweitrat die Renteninitiative der Jungfreisinnigen. In der Eintretensdebatte standen sich zwei grundsätzliche Positionen gegenüber: Einerseits vertraten die Sprechenden der SVP-, SP-, Mitte- und Grünen-Fraktionen die Meinung, dass die Renteninitiative abzulehnen sei – obwohl Mitglieder der SVP-Fraktion durchaus auch Sympathien für die Initiative äusserten. Für die SVP verwies Thomas Aeschi (svp, ZG) auf die Abstimmungen zur BVG 21-Reform sowie zur 13. AHV-Rente, die beide im nächsten Jahr anstünden, sowie auf den Auftrag des Parlaments an den Bundesrat zur Ausarbeitung einer weiteren AHV-Reform für die Jahre 2030 bis 2040. Die Schaffung eines Erhöhungsautomatismus für das Rentenalter im Rahmen der Renteninitiative würde daher «das Fuder definitiv überladen». Christian Lohr (mitte, TG) betonte für die Mitte-Fraktion, dass man im Rahmen der AHV 21-Reform versprochen habe, auf baldige weitere Rentenaltererhöhungen zu verzichten, und sich seine Fraktion daran halten wolle. Grundsätzliche Ablehnung gegen eine weitere Rentenaltererhöhung taten Flavia Wasserfallen (sp, BE) und Katharina Prelicz-Huber (gp, ZH) für die SP- und die Grünen-Fraktion kund. Allfällige AHV-Finanzierungsprobleme sollten über eine «Stärkung der solidarischen Finanzierung» (Wasserfallen) gelöst werden, zumal eine Rentenaltererhöhung insbesondere Personen mit tieferen Einkommen belaste, da diese nicht über die finanziellen Mittel für eine frühzeitige Pensionierung verfügten.
Gewisses Verständnis für das Anliegen der Initiative zeigte andererseits Melanie Mettler (glp, BE) für die GLP-Fraktion. In der Tat funktioniere «der Generationenvertrag aktuell temporär nicht», weil zu wenige Arbeitstätige die Renten der Babyboomer finanzieren müssten. Das Problem könne aber nicht durch eine Rentenaltererhöhung gelöst werden. Vielmehr schlug Mettler vor, die Kommission durch Rückweisung des Entwurfs mit der Schaffung einer «Schuldenbremse für die AHV» in Form eines indirekten Gegenvorschlags zu betrauen. Dabei sollte das Parlament im Falle negativer Finanzperspektiven der AHV zum Beispiel fünf Jahre Zeit erhalten, um die AHV-Finanzierung anzupassen. Gelänge diese Neufinanzierung nicht, sollte das Rentenalter stufenweise erhöht werden, bis die Finanzperspektiven wieder im Lot wären oder eine andere Lösung vorläge.
Zur Annahme empfohlen wurde die Initiative nur von der FDP-Fraktion. Regine Sauter (fdp, ZH) erläuterte, dass die AHV-Finanzierung insbesondere für junge Leute ein Problem darstelle, man wolle daher mit der Initiative «allgemeingültige Regeln» vorsehen, damit es zukünftig nicht mehr zu «kurzfristigen Notfallübungen und politischem Hickhack» komme. Aufgrund der mangelnden Unterstützung für die Initiative schlug Sauter jedoch in einem Minderheitsantrag einen direkten Gegenentwurf zur Initiative vor, der die von Mettler vorgeschlagene Schuldenbremse ausdrücklich regelte.

Nach dem obligatorischen Eintreten stimmte der Nationalrat über den Rückweisungsantrag Mettler ab. Anfänglich mit 89 zu 89 Stimmen (bei 1 Enthaltung) und Stichentscheid von Ratspräsident Candinas (mitte, GR) abgelehnt, nahm die grosse Kammer den Rückweisungsantrag nach einem Antrag Silberschmidt (fdp, ZH) auf Wiederholung der Abstimmung nach der Rückkehr verschiedener Parlamentsmitglieder auf ihre Plätze mit 93 zu 92 Stimmen (bei 1 Enthaltung) knapp an. Für Rückweisung sprachen sich die geschlossen stimmenden Fraktionen der GLP und der FDP, eine Mehrheit der SVP-Fraktion und einzelne Mitglieder der Mitte-Fraktion aus. Die Abstimmung über den Minderheitsantrag Sauter wurde durch den Entscheid auf Rückweisung (vorläufig) obsolet.

Nur eine Woche später bat die SGK-NR die grosse Kammer jedoch bereits um Wiederaufnahme der Initiative in das laufende Sessionsprogramm. Da die Vorstellungen der Befürwortenden eines indirekten Gegenvorschlags zu weit auseinanderlägen und der Zeitplan für dessen Ausarbeitung, Vernehmlassung und Beratung zu eng wäre, solle stattdessen die Beratung der Initiative wieder aufgenommen werden, empfahl Thomas Aeschi für die Kommission. Mit 146 zu 30 Stimmen (bei 11 Enthaltungen) stimmte der Nationalrat dem Ordnungsantrag gegen den Willen der FDP-Fraktion zu.

Tags darauf setzte sich der Nationalrat somit erneut mit der Initiative auseinander, wobei ihm erneut ein Antrag auf Rückweisung an die Kommission vorlag, dieses Mal von Regine Sauter. Demnach sollte die Kommission nach Rückweisung einen neuen indirekten Gegenvorschlag ausarbeiten, in dem die Rentenaltererhöhung nicht vom Referenzalter, sondern entsprechend einer Motion Humbel (mitte, AG; Mo. 22.4430) von der Lebensarbeitszeit abhängen würde. Der Antrag scheiterte jedoch mit 140 zu 42 Stimmen (bei 7 Enthaltungen), wobei die befürwortenden Stimmen von der FDP- und einem Teil der SVP-Fraktion stammten. Bevor der Rat nun aber über die Abstimmungsempfehlung zur Initiative selbst entschied, hatte er noch über den ursprünglichen Minderheitsantrag Sauter zur Schaffung eines direkten Gegenentwurfs zu befinden. Die Ratsmehrheit entschied sich dabei mit 125 zu 61 Stimmen (bei 3 Enthaltungen), auf einen direkten Gegenentwurf zu verzichten. Der Antrag hatte bei den Mitgliedern der FDP-, GLP- und einer Minderheit der SVP-Fraktion Stimmen geholt.

Zum Abschluss stand schliesslich der Ratsentscheid über die Abstimmungsempfehlung zur Initiative an: Mit 133 zu 40 Stimmen (bei 16 Enthaltungen) folgte der Nationalrat seiner Kommissionsmehrheit und empfahl der Stimmbürgerschaft und den Kantonen die Initiative entgegen einem Antrag Nantermod (fdp, VS) zur Ablehnung. Für eine Empfehlung auf Annahme der Initiative sprachen sich dabei die geschlossen stimmende FDP-Fraktion, eine Minderheit der SVP-Fraktion sowie ein Mitglied der Mitte-Fraktion aus. Enthaltungen fanden sich auch in der GLP-Fraktion. Mit 143 zu 40 Stimmen (bei 11 Enthaltungen) respektive mit 32 zu 11 Stimmen (bei 1 Enthaltung) bestätigten beide Räte ihre vorgängigen Entscheide in den Schlussabstimmungen.

Eidgenössische Volksinitiative «für eine sichere und nachhaltige Altersvorsorge (Renteninitiative)» (BRG 22.054)
Dossier: Initiatives populaires concernant la prévoyance vieillesse (depuis 2015)
Dossier: Hausse de l’âge de la retraite à 65 ans

In der Frühjahrssession 2023 startete der Ständerat in die Debatte zur Volksinitiative der Jungfreisinnigen «Für eine sichere und nachhaltige Altersvorsorge», der sogenannten «Renteninitiative». Gleich zuvor hatte sich die kleine Kammer erstmals mit der anderen im Parlament hängigen Volksinitiative für eine 13. AHV-Rente befasst und diese der Stimmbürgerschaft und den Ständen zur Ablehnung empfohlen. Denselben Antrag stellte die SGK-SR mit 7 zu 2 Stimmen bei 3 Enthaltungen auch im Hinblick auf die Renteninitiative, wie Kommissionssprecher Bischof (mitte, SO) erläuterte. In Anbetracht des knappen Ausgangs der AHV21-Abstimmung und der anstehenden Abstimmung zum BVG21-Projekt sei der Zeitpunkt für eine weitere Rentenaltererhöhung «nicht gegeben», begründete Bischof den Entscheid der Mehrheit. Zudem arbeite der Bundersat bereits an einer neuen Reform zur Finanzierung der AHV, die man abwarten wolle. Des Weiteren lehnte die Kommissionsmehrheit aber auch einen fixen Automatismus ab. Eine Minderheit Dittli (fdp, UR) beantragte hingegen, Stimmbevölkerung und Kantonen einen Antrag auf Annahme der Initiative vorzulegen. Die AHV besitze ein Finanzierungsproblem, da man heute für eine durchschnittlich 23 Jahre dauernde Rente gleich lang spare wie früher für eine Rente von 13 Jahren. Mit der Initiative könne man nun dafür sorgen, dass die Menschen in der Schweiz «nicht nur länger leben, sondern dies auch mit anständigen und nachhaltig gesicherten Renten tun können». In der nachfolgenden Debatte kamen Dittli zahlreiche Sprechende der FDP-Fraktion zu Hilfe und wiesen etwa darauf hin, dass man mit dieser Lösung das Problem bekämpfen könne, dass Politikerinnen und Politiker das unpopuläre Thema des Rentenalters gerne aufschieben würden (Andrea Caroni: fdp, SR). Mit der Initiative könne man die Rentenalterfrage hingegen «objektivieren» (Philippe Bauer: fdp, NE), also zukünftig ohne emotionale Diskussionen lösen. Die Gegnerinnen und Gegner aus dem bürgerlichen Lager verwiesen wie der Kommissionssprecher und Innenminister Berset auf die anstehenden Revisionsprojekte, die man abwarten solle, während die Sprechenden der SP vor allem Argumente gegen eine Rentenaltererhöhung insgesamt anführten. So sei etwa die Konzentration auf die durchschnittliche Lebenserwartung unfair, variiere diese doch zwischen verschiedenen Gruppen deutlich (Hans Stöckli: sp, BE). Am poetischsten wehrte sich wohl Charles Juillard (mitte, JU) gegen einen Automatismus: Die Frage des Rentenalters sei sehr emotional und widerspiegle das Bild der Bevölkerung von der Gesellschaft und vom Alter. Entsprechend sei es gesund, dass Parlament und Stimmbevölkerung regelmässig darüber diskutierten. Die vorgeschlagene Regel erachtete er hingegen als «trop rigide, trop technocratique et trop froide ou aveugle – sans coeur» – also als zu starr, zu technokratisch, zu kalt oder blind – ohne Herz. Mit 30 zu 11 Stimmen sprach sich der Ständerat gegen den Willen der Mitglieder der FDP-Fraktion für eine Empfehlung auf Ablehnung der Initiative aus.

Eidgenössische Volksinitiative «für eine sichere und nachhaltige Altersvorsorge (Renteninitiative)» (BRG 22.054)
Dossier: Initiatives populaires concernant la prévoyance vieillesse (depuis 2015)
Dossier: Hausse de l’âge de la retraite à 65 ans

Ende April 2022 kam das Referendum gegen die AHV21 zustande. Damit wurde an der Urne nicht nur über die Mehrwertsteuererhöhung um 0.4 Prozentpunkte respektive 0.1 Prozentpunkte und somit über eine Zusatzfinanzierung für die AHV von CHF 12.4 Mrd. bis 2032 abgestimmt – diese musste als Verfassungsänderung sowieso der Stimmbürgerschaft vorgelegt werden –, sondern auch über die übrigen Massnahmen des Reformprojekts. Dieses sah vor, das Rentenalter der Frauen in vier Schritten (2024 bis 2027) demjenigen der Männer anzupassen, wodurch die AHV bis 2032 CHF 9 Mrd. weniger ausgeben respektive mehr einnehmen sollte als bisher. Im Gegenzug sollten die ersten neun betroffenen Frauenjahrgänge Zuschläge zu ihren Renten oder günstigere Bedingungen beim Rentenvorbezug erhalten, die insgesamt CHF 2.8 Mrd. kosten sollten. Allgemein sollte der Start des Rentenbezugs flexibilisiert und neu zwischen 63 und 70 Jahren möglich werden – mit entsprechenden Abzügen und (teilweise) Gutschriften bei früherem oder späterem Bezug –, wobei die Rente nicht mehr nur vollständig, sondern auch teilweise bezogen werden kann. Dies würde bis 2032 etwa CHF 1.3 Mrd. kosten. Insgesamt könnten die AHV-Ausgaben bis ins Jahr 2032 um insgesamt CHF 4.9 Mrd. gesenkt werden.

Die Gegnerinnen und Gegner der AHV21-Reform wehrten sich vor allem gegen die Finanzierung der Reform auf dem «Buckel der Frauen» (Tages-Anzeiger), also durch die Erhöhung des Frauenrentenalters. Dadurch würde den Frauen faktisch die Rente gekürzt – ein Jahr weniger Rente entspreche CHF 26'000, rechnete das Referendumskomitee vor. Diese Reduktion würde noch nicht einmal für diejenigen Jahrgänge, welche Kompensationsmassnahmen erhielten, vollständig ausgeglichen. Besonders störend daran sei, dass Frauen noch immer einen deutlich geringeren Lohn für ihre Arbeit und einen Drittel weniger Rente als die Männer erhielten, während sie gleichzeitig sehr viel mehr unbezahlte Arbeit leisteten. Darüber hinaus erachtete die Gegnerschaft die Erhöhung des Frauenrentenalters auch als ersten Schritt hin zum Rentenalter 67, das sie jedoch unter anderem mit Verweis auf die schlechten Arbeitsmarktchancen älterer Arbeitnehmender sowie auf die Erhöhung der Langzeitarbeitslosigkeit und der Sozialhilfequote ablehnte. Schliesslich erachteten die Gegnerinnen und Gegner auch die aktuelle Situation der AHV als weniger gravierend als die Befürwortenden der Revision: Die AHV sei solide, werde aber immer durch dramatische Prognosen schlechtgeredet – diese seien bisher jedoch nie eingetroffen. Die Nein-Parole zu beiden AHV-Vorlagen gaben die SP, die Grünen, die PdA sowie die SD aus, sie wurden von den Gewerkschaften unterstützt.

Die Befürwortenden der Reform betonten, dass die AHV struktureller Reformen bedürfe, zumal sie ansonsten bereits in wenigen Jahren mehr ausgeben als einnehmen werde. Die AHV21-Reform führe durch Massnahmen sowohl auf Einnahmeseite – durch die Mehrwertsteuererhöhung – als auch auf Ausgabenseite – durch die Erhöhung des Frauenrentenalters – zu einer Verbesserung der AHV-Finanzen. Bezüglich des Arguments der Gegnerschaft, dass vor allem die Frauen für die Reform aufkommen müssten, verwiesen die Befürwortenden auf die «substanziellen Kompensationen», welche die Frauen der Übergangsgeneration erhielten. Zudem sei eine Rentenaltererhöhung der Frauen auf 65 Jahre gerechtfertigt, da sie einerseits als Teil der Gleichstellung erachtet werden könne und da die grossen Rentenunterschiede andererseits nicht aus der AHV, sondern aus der beruflichen Vorsorge stammten. Im Gegenzug forderten jedoch auch verschiedene Mitglieder der Pro-Komitees Verbesserungen für die Frauen in der zweiten Säule, vor allem beim Koordinationsabzug, welcher gesenkt werden sollte. Die Ja-Parole zu beiden Vorlagen gaben die SVP, die FDP, die Mitte, die GLP, die EVP und die EDU sowie etwa Economiesuisse, der Arbeitgeberverband, der Gewerbeverband und der Bauernverband aus.

In der medialen Berichterstattung stand vor allem die Frage nach den Auswirkungen für die Frauen sowie der Fairness ihnen gegenüber im Mittelpunkt. Im Zentrum des Interesses stand dabei der Bund Schweizerischer Frauenorganisationen, Alliance f. So zeigten sich die im Verband organisierten Frauen öffentlich gespalten: Selbst der Vorstand des Verbands bestand aus Befürworterinnen und Gegnerinnen der AHV21. Alliance f sei in einer «delikate[n] Ausgangslage», betonten folglich etwa die AZ-Medien. Als Konsequenz gab der Verband Stimmfreigabe heraus und schuf zwei Frauenallianzkomitees, ein befürwortendes und ein ablehnendes. Damit wolle man sich trotz unterschiedlicher Positionen in die Diskussion einbringen und somit verhindern, dass die Männer die Debatte um das Frauenrentenalter dominierten, betonte etwa Co-Präsidentin von Alliance f und Präsidentin des befürwortenden Frauen-Komitees, Kathrin Bertschy (glp, BE).

Zusätzliche Aufmerksamkeit erhielt die AHV21-Abstimmung Ende Mai, als das BSV die neuen Finanzperspektiven der AHV herausgab. So war der Bundesrat in der Botschaft zur AHV21 im August 2019 von einem negativen Betriebsergebnis der AHV im Jahr 2030 von CHF 4.6. Mrd. ausgegangen. Im Juni 2021 hatte das BSV für 2030 ein Defizit von CHF 3.7 Mrd. prognostiziert, in den neusten Finanzperspektiven Ende Mai 2022 war hingegen nur noch von einem Defizit von CHF 1.8 Mrd. die Rede. Das BSV erklärte diese Veränderungen mit dem guten Betriebsergebnis des AHV-Ausgleichsfonds 2021 sowie mit einem stärkeren Beschäftigungs- und Reallohnwachstum als erwartet. Diese Entwicklung zeige auf, dass die AHV in einer «systematische[n] Angstmacherei zulasten der Bevölkerung» schlechtgeredet werde, liess der SGB verlauten. Die NZZ erachtete diese Zahlen trotz der Korrekturen noch immer als schlecht, «die AHV [werde] so oder so ins Minus» rutschen.

Im Juni 2022 entschied die SGK-SR, dass ihr Entwurf zur Pensionskassenreform BVG21 noch nicht reif für die Behandlung in der Herbstsession 2022 sei. Die Gegnerinnen und Gegner der AHV21-Reform sahen darin einen Versuch, kritische Debatten zur BVG21-Reform vor der Abstimmung über die AHV21 zu verhindern. Doch auch Befürwortende der AHV21-Reform störten sich an diesem Vorgehen der Kommission, zumal man bei einer Behandlung der BVG21-Reform den Frauen hätte zeigen wollen, dass man als Ausgleich zur Rentenaltererhöhung wie mehrfach versprochen ihre Pensionskassenrenten erhöhen werde.

Zu medialen Diskussionen führten in der Folge auch die Vorumfragen. Bereits Anfang Mai berichtete die SonntagsZeitung mit Verweis auf eine Umfrage des Marktforschungsinstituts Demoscope, welche gemäss SonntagsBlick von den Befürwortenden in Auftrag gegeben worden war, dass sich 62 Prozent der SP-Sympathisierenden und 59 Prozent der Sympathisierenden der Grünen für die AHV21 aussprechen wollten. Insgesamt machte die Studie eine Zustimmung zur AHV21 von 55 Prozent aus. Darob publizierte jedoch der SGB die Resultate einer eigenen, zuvor beim Forschungsinstitut Sotomo in Auftrag gegebenen Studie, gemäss welcher die Sympathisierenden der SP die AHV21 zu 63 Prozent ablehnten, während der durchschnittliche Ja-Stimmenanteil über alle Parteien hinweg bei 48 Prozent zu liegen kam. Die Diskussion darüber, wie verlässlich Studien sind, welche von den Befürwortenden respektive der Gegnerschaft einer Vorlage in Auftrag gegeben werden, währte in den Medien jedoch nicht lange. Ab August konzentrierte sich die mediale Debatte auf die Vorumfragen von SRG/gfs.bern und Tamedia/Leewas, welche auf eine mehr oder weniger deutliche Annahme der zwei Vorlagen hindeuteten (Mehrwertsteuererhöhung: zwischen 54 und 65 Prozent, AHVG: zwischen 52 und 64 Prozent). Vor allem zeichnete sich in den Vorumfragen aber bereits ein deutlicher Geschlechtergraben ab, so sprachen sich beispielsweise Anfang August 2022 in der ersten Tamedia-Umfrage 71 Prozent der Männer für die Änderung des AHVG und somit für die Erhöhung des Frauenrentenalters aus, während diese nur 36 Prozent der Frauen befürworteten.

Hatten die Vorumfragen letztlich doch eine relativ deutliche Annahme beider AHV21-Vorlagen in Aussicht gestellt, wurde es am Abstimmungssonntag für die Gesetzesänderung sehr eng: Mit 50.55 Prozent Ja-Stimmen und gut 31'000 Stimmen Unterschied sprach sich die Stimmbürgerschaft für Annahme der Reform aus. Deutlicher fiel das Verdikt für die Zusatzfinanzierung über eine Mehrwertsteuererhöhung aus (55.07%).


Abstimmung vom 25. September 2022

Änderung des Bundesgesetzes über die Alters- und Hinterlassenenversicherung (AHVG; AHV21)
Beteiligung: 52.2%
Ja: 1'442'591 Stimmen (50.5%)
Nein: 1'411'396 Stimmen (49.5%)

Bundesbeschluss über die Zusatzfinanzierung der AHV durch eine Erhöhung der Mehrwertsteuer
Beteiligung: 52.2%
Ja: 1'570'813 Stimmen (55.1%)
Nein: 1'281'447 Stimmen (44.9%)

Parolen:
-Ja: SVP, FDP, Mitte, GLP, EVP, EDU; Economiesuisse, SAV, SBV, SGV
-Nein: SP, GPS, PdA, SD; SGB, Travail.Suisse, VPOD
* in Klammern Anzahl abweichender Kantonalsektionen


«Männer haben Frauen überstimmt», titelte in der Folge der «Blick», von einem «eklatante[n] Geschlechtergraben, wie es ihn noch nie gegeben hat», sprach die WOZ. In der Tat zeigten verschiedene Nachbefragungen einen grossen Zustimmungsunterschied zwischen Frauen und Männern. In der Vox-Analyse lag die Zustimmung zur Gesetzesänderung bei den Frauen im Schnitt bei 38 Prozent, bei den Männern bei 64 Prozent – wobei die direktbetroffenen Frauen unter 65 Jahren der Vorlage nur mit 25 Prozent (18-39 Jährige) respektive mit 29 Prozent (40-64 Jährige) zustimmten, die Frauen im Rentenalter hingegen mit 63 Prozent. In der Folge kam es in Bern und anderen Städten zu Demonstrationen, in denen Teile der Gegnerinnen der Vorlage ihre Wut über das Ergebnis ausdrückten. In einer Rede zeigte sich Tamara Funiciello (sp, BE) gemäss Medien empört darüber, dass «alte, reiche Männer» entschieden hätten, dass «Kita-Mitarbeiterinnen, Nannys, Reinigungskräfte und Pflegefachfrauen» länger arbeiten müssten. Dies führte im Gegenzug zu Unmut bei Vertreterinnen und Vertretern der bürgerlichen Parteien, welche kritisierten, dass «die Linke» den Stimmentscheid nicht akzeptieren wolle. Zudem sprach Regine Sauter (fdp, ZH) Funiciello die Berechtigung ab, im Namen aller Frauen zu sprechen, zumal Frauen keine homogene Masse bildeten. Funiciello hingegen betonte gemäss Tages-Anzeiger, dass es «für Verbesserungen [...] den Druck von der Strasse und den Dialog im Bundeshaus» brauche.

Doch nicht nur zwischen den Geschlechtern, auch zwischen den Sprachregionen zeigten sich bereits am Abstimmungssonntag grosse Unterschiede. Sämtliche mehrheitlich romanischsprachigen Kantone lehnten die Reform ab, allen voran die Kantone Jura (29% Ja-Stimmen), Neuenburg (35%) und Genf (37%), während sich nur drei deutschsprachige Kantone mehrheitlich gegen die Reform des AHV-Gesetzes aussprachen (Basel-Stadt: 47% Zustimmung; Solothurn: 49.8%, Schaffhausen: 50.0%). Die höchste Zustimmung fand sich in den Kantonen Zug (65%), Nidwalden (65%) und Appenzell-Innerrhoden (64%). «Die Deutschschweiz sichert die AHV», bilanzierte folglich etwa die NZZ, während SGB-Präsident und Nationalrat Maillard (sp, VD) die Unterschiede zwischen den Sprachregionen kritisierte, neben dem Geschlechtergraben und dem Sprachgraben aber auch einen Einkommensgraben ausmachte. Diese Ergebnisse bestätigte später auch die Vox-Analyse, welche für Personen mit Haushaltseinkommen unter monatlich CHF 3'000 eine deutlich tiefere Zustimmung zur Gesetzesänderung ermittelte als für Personen mit höheren Haushaltseinkommen (unter CHF 3'000: 32%; CHF 3'000-5'000: 49%, CHF 5'000-9'000: 52%, CHF 9'000-11'000: 59%, CHF über 11'000: 60%). Dieselben Unterschiede waren jeweils auch bei der Mehrwertsteuererhöhung erkennbar, wenn auch in geringerem Ausmass.

Als Motive für ihren Stimmentscheid machte die Vox-Analyse bei den Befürwortenden die Notwendigkeit zur Stabilisierung der AHV aus – sowohl bei der Gesetzesänderung (41%) als auch bei der Mehrwertsteuererhöhung (64%) wurde dieser Punkt häufig genannt. Zusätzlich erachteten aber die Befürwortenden die Gesetzesänderung – also wohl vor allem die Rentenaltererhöhung – auch als Schritt hin zur Gleichberechtigung (45%). Die Gegnerinnen und Gegner erachteten sowohl die Gesetzesänderung als ungerecht (84%), insbesondere im Hinblick auf die Lohnungleichheit zwischen Frauen und Männern, als auch auf die Mehrwertsteuererhöhung (46%), die vor allem einkommensschwache Personen treffe und allgemein ein «schlechtes Finanzierungsmittel» (Vox-Analyse) darstelle.

Bereits am Tag nach der Volksabstimmung zur AHV21 schwenkte das mediale Interesse weg von der Reform der AHV hin zur BVG21-Reform. Denn nicht nur die Gegnerinnen und Gegner der AHV21-Reform, sondern auch weite Teile der Befürwortenden wiesen auf die Verpflichtung oder gar das «Versprechen» (AZ) hin, die mit dieser Annahme der Reform einhergingen: Im Gegenzug müsse das Bundesparlament die Benachteiligung der Frauen bei der Altersvorsorge im Rahmen der anstehenden BVG21-Reform korrigieren.

Reform «Stabilisierung der AHV (AHV 21)» (BRG 19.050)
Dossier: Débats sur l'âge de la retraite des femmes
Dossier: Hausse de l’âge de la retraite à 65 ans

Deutlich mehr mediale Aufmerksamkeit als die kurz zuvor eingereichte Initiative «Ja zu steuerfreien AHV- und IV-Renten» erhielt die im Oktober 2019 von der Bundeskanzlei vorgeprüfte Volksinitiative «Für eine sichere und nachhaltige Altersvorsorge (Renteninitiative)» der Jungfreisinnigen. Diese wollen damit das Rentenalter an die durchschnittliche Lebenserwartung der Schweizer Wohnbevölkerung binden – das Rentenalter würde dann mithilfe der Differenz zwischen der aktuellen Lebenserwartung und der Lebenserwartung eines Referenzjahres berechnet und jährlich maximal um zwei Monate angepasst werden. Bis 2032 würde zuerst das Rentenalter der Frauen und Männer auf 66 angehoben, anschliessend würde das Rentenalter für jeden Monat, den die Lebenserwartung ansteigt, um 0.8 Monate erhöht. Voraussichtlich würde es somit 2043 bei 67 Jahren und 2056 bei 68 Jahren zu liegen kommen, wie die Presse berichtete. «Wenn wir länger leben, müssen wir auch länger arbeiten», betonte Patrick Eugster vom Initiativkomitee gegenüber den Medien. Damit sollen die Stimmbürgerinnen und Stimmbürger erstmals über eine reine Rentenaltererhöhung abstimmen können, bisher war diese stets an weitere Massnahmen gekoppelt (etwa in der 11. AHV-Revision oder in der Altersvorsorge 2020) oder es wurde gar über eine teilweise Senkung des Rentenalters abgestimmt. Die NZZ erachtete die Initiative insbesondere als Herausforderung für die FDP und die SVP, die diesbezüglich «Farbe bekennen» müssten – vorausgesetzt den Jungfreisinnigen gelingt es, rechtzeitig 100'000 Unterschriften zu sammeln. Dafür hätten sie eigentlich bis zum 25. August 2021 Zeit, aufgrund des Fristenstillstand bei eidgenössischen Volksbegehren bis zum 31. Mai 2020 wird diese Frist entsprechend verlängert.

Eidgenössische Volksinitiative «für eine sichere und nachhaltige Altersvorsorge (Renteninitiative)» (BRG 22.054)
Dossier: Initiatives populaires concernant la prévoyance vieillesse (depuis 2015)
Dossier: Hausse de l’âge de la retraite à 65 ans

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Zusammenfassung
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Für eine sichere und nachhaltige Altersvorsorge (Renteninitiative; BRG 22.054)

Die Volksinitiative «Für eine sichere und nachhaltige Altersvorsorge (Renteninitiative)» der Jungfreisinnigen verlangt, dass das Rentenalter an die durchschnittliche Lebenserwartung der Schweizer Wohnbevölkerung angepasst wird. Bis 2032 soll zuerst das Rentenalter der Frauen und Männer auf 66 angehoben und anschliessend das Rentenalter für jeden Monat, den die Lebenserwartung ansteigt, um 0.8 Monate erhöht werden – maximal jedoch um 2 Monate pro Jahr. Die Initiantinnen und Initianten versprachen sich von der Initiative eine Lösung des AHV-Finanzierungsproblems ohne «politische[n] Hickhack», wie es im Rahmen der Parlamentsdebatte etwa Regine Sauter (fdp, ZH) formulierte. Der Bundesrat lehnte die Rentenaltererhöhung als einseitige Massnahme ohne gleichzeitige Zusatzfinanzierung ab und empfahl die Initiative zur Ablehnung. Insbesondere der Nationalrat diskutierte im Rahmen der Initiative über zahlreiche alternative Projekte; schliesslich empfahl aber das Parlament die Initiative ohne Gegenvorschlag zur Ablehnung. Somit gelangt die Renteninitiative im März 2024 zusammen mit der Initiative für eine 13. AHV des SGB an die Urne.


Chronologie
Lancierung der Initiative
Zustandekommen der Initiative
Botschaft zur Initiative
Behandlung im Ständerat
Behandlung im Nationalrat
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Eidgenössische Volksinitiative «für eine sichere und nachhaltige Altersvorsorge (Renteninitiative)» (BRG 22.054)
Dossier: Initiatives populaires concernant la prévoyance vieillesse (depuis 2015)
Dossier: Hausse de l’âge de la retraite à 65 ans

Zwischen April und Juli 2017 fand die Vernehmlassung zur Änderung des AHVG zur Modernisierung der Aufsicht in der 1. Säule und Optimierung in der 2. Säule der Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenvorsorge statt. 73 Organisationen, darunter alle Kantone sowie die KdK, vier in der Bundesversammlung vertretene Parteien sowie verschiedene Verbände der Wirtschaft, Fachverbände oder Durchführungsstellen, beteiligten sich an der Vernehmlassung, wie das BSV in seinem erst im August 2019 erschienenen Ergebnisbericht zur Vernehmlassung erklärte. Der Bundesrat definierte in seiner Botschaft vier Hauptpunkte der Revision: die risiko- und wirkungsorientierte Aufsicht, die Verbesserung der Governance in der 1. Säule, die Steuerung und Aufsicht über Informationssysteme und die punktuelle Optimierung der 2. Säule.
9 Kantone unterstützten die Änderungen zur 1. Säule grundsätzlich; 14 weitere Kantone fürchteten trotz ihrer eigentlichen Zustimmung um die kostengünstige Durchführung der Aufsicht. Die SP – und mit ihr der SGB und Travail.Suisse – hielt eine Anpassung des Systems insgesamt für angemessen, die CVP befürwortete eine Beschränkung der Gesetzesänderung auf alle Aspekte zur Modernisierung der Aufsicht. Die FDP und die SVP lehnten die Änderung ab, da sie punktuelle Korrekturen bevorzugen würden und die Kosten der Revision fürchteten. Letztere Ansicht teilten auch der Arbeitgeberverband und der Bauernverband, Centre Patronal und FER. Die Vorsorge- und Versicherungseinrichtungen forderten insbesondere eine Beibehaltung des bisherigen, dezentralen Systems. Zahlreiche unterschiedliche Organisationen (verschiedene Kantone, die FDP oder Mitglieder des SGV) kritisierten überdies die starke Konzentration der Vorlage auf operative Fragen. Grösstenteils auf Zustimmung stiessen hingegen die Massnahmen in der 2. Säule.

Aufsicht in der 1. Säule (BRG 19.080)

Auf Vorschlag der Bundeskanzlei legte der Bundesrat den Abstimmungstermin für die Volksinitiative „AHVplus: für eine starke AHV“ auf den 25. September 2016 fest. Er entsprach damit nicht dem Wunsch der bürgerlichen Parteien, die Initiative möglichst früh an die Urne zu bringen, damit diese vor der Beratung der Reform der Altersvorsorge 2020 durch den Nationalrat vom Tisch gewesen wäre. Die Kommissionssitzungen zur Reform fanden folglich vor der Volksabstimmung über die Initiative statt, die Plenardebatte begann am Tag nach dem Abstimmungssonntag.

Auf der Befürworterseite formierten sich nebst dem lancierenden Gewerkschaftsbund die SP und JUSO, die Grünen, sämtliche anderen Gewerkschaftsorganisationen sowie verschiedene, jedoch nicht alle Senioren- und Seniorinnenverbände. Wichtigstes Argument der Befürworter war der Umstand, dass die Entwicklung der AHV-Renten nicht mit jener der Löhne Schritt halten könne und gleichzeitig die Lebenskosten, insbesondere für Mieten und Krankenkassen, angestiegen seien, weshalb es eines Ausgleichs bedürfe. Dieser Ausgleich sei mittels der AHV, im Gegensatz zur zweiten Säule, günstig und effizient vorzunehmen. Bei den Pensionskassen sei in den nächsten Jahren dagegen mit Rentenkürzungen von 15 bis 20% zu rechnen, ein weiterer Grund für eine Aufstockung der ersten Säule. Die AHV bezeichneten die Befürworter und Befürworterinnen als nicht nur das gerechteste, sondern aufgrund des Umlageverfahrens auch das sicherste Sozialwerk. An einer Medienkonferenz Ende Juni lancierte das Pro-Komitee seine Kampagne und kündigte an, bis zum Abstimmungstag eine grosse Auswahl an niederschwelligen Anlässen durchzuführen, um eine breite Mobilisierung zu erreichen.

Auf der Gegnerseite fanden sich neben den Bundesbehörden die bürgerlichen Parteien SVP, FDP, CVP, EVP, GLP und BDP sowie die Wirtschaftsverbände (Arbeitgeberverband, Gewerbeverband, Economiesuisse und Bauernverband). Sie warnten, angesichts der demografischen Entwicklung führe die Initiative zu Mehrkosten in unverantwortlicher Höhe und stünde damit vollkommen quer zu den tatsächlichen Entwicklungen. Bis ins Jahr 2030 wäre demnach bei Annahme der Initiative die Finanzierungslücke in der AHV fast doppelt so gross, wie sie es gemäss dem aktuellen Szenario ist, was auf Kosten der jungen Beitragszahlerinnen und -zahler gehen werde. Die Situation der Rentnerinnen und Rentner mit den tiefsten Einkommen würden zudem durch die Initiative kaum verbessert, weil diese ohnehin durch Ergänzungsleistungen unterstützt werden, welche bei einer Anhebung der AHV entsprechend gesenkt würden. Die Erhöhung der AHV sei nicht notwendig, da diese mittels des Mischindex' laufend an die Teuerung und damit an die Lohnentwicklung angepasst würde, und die Aussage der Initiantinnen und Initanten, die Renten der zweiten Säule würden stark sinken und es gelte daher die erste Säule zu stärken, entspreche nicht den Tatsachen. Überhaupt sei eine Gesamtreform der Altersvorsorge angezeigt; punktuelle Massnahmen wie die von der Initiative angestrebte Erhöhung seien keine Lösung. Auch das Gegenkomitee kündigte beim Start der Kampagne eine Reihe von Aktionen an.

Am Umstand, dass nebst den Parteien sämtliche grossen und viele mittlere und kleine Berufs- und Interessenorganisationen zur Initiative Stellung bezogen, lässt sich die zugeschriebene Wichtigkeit der Vorlage ablesen. Dies hängt zweifellos mit der parallel zum Abstimmungskampf im Parlament weiter diskutierten Reform der Altersvorsorge zusammen, deren durch den Bundesrat vorgesehener fein austarierter Massnahmenmix durch eine Annahme der Initiative auf den Kopf gestellt würde.

Im Juli bezog Bundesrat Berset im Namen des Gesamtbundesrates Stellung zur Initiative. Er wies auf die Konsequenzen einer Annahme für die Reform der Altersvorsorge hin, insbesondere da die Rentenerhöhung bereits per Anfang 2018 eingeführt werden müsste, womit wenig Zeit für eine Anpassung der Reform bliebe. Das Defizit der AHV würde rasch ansteigen. Der sozialdemokratische Vorsteher des Innendepartements erklärte an der Medienkonferenz explizit, er habe die Initiative dem Bundesrat zur Ablehnung empfohlen. Damit stellte sich Berset einmal mehr gegen ein Anliegen seiner eigenen Partei, und wiederum erhielt er von den Medien und vielen politischen Akteuren ein gutes Zeugnis für seine Ausführung dieser Aufgabe.

Die erste Tamedia-Umfrage, publiziert Mitte August, zeigte eine Zustimmung von 60% für die Initiative. Dieser hohe Wert überraschte; insbesondere gaben neben den Anhängerinnen und Anhänger des linken Lagers auch SVP- und CVP-Wählende mehrheitlich an, für oder eher für die Initiative zu sein. Auch die erste SRG-Umfrage, eine Woche später publiziert, zeigte einen Ja-Trend, wenn auch weniger deutlich. Die Zustimmung geriet in der Folge ins Bröckeln, womit sich Ende August ein enges Rennen abzeichnete. Die Anzahl der Unentschlossenen blieb vergleichsweise hoch. Mitte September wies die Tamedia-Umfrage ein Gleichgewicht zwischen Befürwortern und Gegnern aus, während die SRG-Umfrage ein Nein vorhersagte. Erstere zeigte zudem einen deutlichen Altersgraben: Während jüngere Stimmbürgerinnen und Stimmbürger der Initiative klar kritisch gegenüberstanden, gaben ältere ebenso klar an, sie annehmen zu wollen. Angesichts der Übermacht älterer Stimmender an der Urne war deshalb vereinzelt der Begriff der „Gerontokratie" zu vernehmen.

Am 25. September 2016 legten schliesslich bei einer als durchschnittlich einzustufenden Stimmbeteiligung rund 41% der Stimmenden ein Ja, 59% ein Nein in die Urne. Nur in den Kantonen Jura, Neuenburg, Genf, Tessin und Waadt traf die Initiative auf Zustimmung, womit sich annähernd ein Röstigraben ergab. Besonders deutlich wurde die Initiative in ländlichen Gebieten der Deutschschweiz abgelehnt. Das Nein der Stimmbürgerinnen und Stimmbürger wurde im Allgemeinen als Anschub für die anstehende Rentendebatte gedeutet, wobei Uneinigkeit darüber herrschte, ob die Position der Linken dadurch geschwächt wurde.


Abstimmung vom 25. September 2016

Beteiligung: 43,13%
Ja: 921'375 (40,60%) / Stände: 5
Nein: 1'348'032 (59,40%) / Stände: 15 6/2

Parolen
– Ja: SP, GPS; SGB, Travail.Suisse
– Nein: SVP (1*), CVP, FDP, GLP, BDP, EVP; Economiesuisse, SGV, SAV
* In Klammern Anzahl abweichender Kantonalsektionen

Volksinitiative „AHVplus: für eine starke AHV“

Der Bundesrat habe in regelmässigen Abständen einen Bericht zu veröffentlichen, der aufzeigen soll, wie sich die finanziellen Lasten zwischen den Generationen verteilen. Dieser Auffassung war der Nationalrat in der Herbstsession 2016 und reichte mit 124 zu 57 Stimmen bei 1 Enthaltung eine entsprechende Motion der FDP-Liberalen-Fraktion an den Ständerat weiter – gegen den Widerstand der Parlamentslinken. Der Bericht zum Generationenvertrag habe, so die Motionärin, insbesondere aufzuzeigen, wie sich die implizite Staatsverschuldung, also alle zugesagten, aber nicht finanzierten Versprechen staatlicher Leistungen (v.a. bei den Sozialversicherungen und im Gesundheitswesen), entwickelt haben und welche Kosten damit auf die nächsten Generationen übertragen werden. Der Bundesrat hatte sich gegen den Vorstoss ausgesprochen, da es bereits genügend breit abgestützte und in regelmässigen Abständen aktualisierte Grundlagen gebe, um die angestrebte öffentliche Diskussion zu führen.

Bericht zum Generationenvertrag

Die Vernehmlassung zur Reform der Altersvorsorge 2020 dauerte bis Ende März 2014. Am Vernehmlassungsverfahren beteiligten sich alle Kantone, alle grösseren Parteien, die eingeladenen Spitzenverbände der Wirtschaft und diverse Organisationen von Versicherten und Versicherern. Insgesamt gingen 168 Stellungnahmen ein. Ein Grossteil äusserte sich unter anderem zur Revision als Ganzes, wovon rund drei Viertel deren grundsätzliche Stossrichtung – eine gemeinsame Betrachtung der 1. und 2. Säule – begrüssen. Dazu gehören die bürgerlichen Mitteparteien mit Ausnahme der FDP und eine Mehrheit der Kantone, wobei einige jedoch starke Kostenfolgen befürchten. Der Freisinn beurteilt die Reform äusserst kritisch: Umfangreichen Mehreinnahmen stünden nur geringe Einsparungen gegenüber. Damit sei die Reform chancenlos. Ein ausgewogener Kompromiss hätte dagegen Erfolgschancen. Die SVP lehnt die Stossrichtung der Reform aus ähnlichen Überlegungen dagegen grundsätzlich ab und schlägt eine Aufteilung in drei Pakete vor. Arbeitgeberverband, Economiesuisse und Gewerbeverband kritisierten das Paket als überladen und zu stark auf Mehreinnahmen fokussierend; erstere forderten eine Erhöhung des Rentenalters, um die Rentenhöhe erhalten zu können. SP und Grüne sowie der Gewerkschaftsbund plädierten für eine Stärkung bzw. Erhaltung der 1. Säule; die Interessen der Versicherten müssten im Mittelpunkt stehen. Der Gewerkschaftsbund lehnt zudem eine Staffelung der Reform explizit ab, ebenso jegliche Erhöhungen des Rentenalters und die Senkung des Umwandlungssatzes in der 2. Säule. Weiter bemängelten linke Parteien, Gewerkschaften und Frauenorganisationen, die Einsparungen fielen einseitig zulasten der Frauen aus.
Die im Vernehmlassungsverfahren geäusserten Standpunkte entsprachen weitgehend den bereits zuvor öffentlich bezogenen Positionen. Die stark divergierenden Forderungen der verschiedenen Akteure führten rasch zur Befürchtung, die Reform werde im Parlament scheitern und damit weitere kostbare Zeit für eine Neuaufgleisung der Altersvorsorge ungenutzt verstreichen. Im Juni entschied der Bundesrat, das Reformpaket voranzutreiben und noch im Jahr 2014 eine Botschaft auszuformulieren. Dabei sollten einige kleinere Korrekturen zum Vernehmlassungsentwurf vorgenommen werden: Die Mehrwertsteuer-Erhöhung zugunsten der AHV soll auf maximal 1,5 anstelle von 2 Prozentpunkten beschränkt werden, die bereits seit 1999 erhobenen MWSt.-Anteile für die AHV sollen an diese zweckgebunden und der Bundesbeitrag im Gegenzug entsprechend gesenkt werden, und der Koordinationsabzug im obligatorischen Teil der 2. Säule soll abgeschafft werden. Der Bundesrat gab jedoch an, er wolle sich in der Botschaft in weiten Teilen an den Vorentwurf halten, was umgehend auf Kritik stiess. So soll insbesondere an der Behandlung der Reformen der 1. und 2. Säule in einem einzigen Paket festgehalten werden, ebenso an der Abschaffung von Witwenrenten für Frauen ohne minderjährige Kinder. In der Folge war in der Presse zunehmend von einer drohenden Rückweisung der Vorlage durch das Parlament an den Bundesrat die Rede, damit dieser sie in einzelne, kleinere Pakete aufteilen würde. Mitte November wurde bekannt, dass der Entwurf zuerst in den Ständerat kommen würde, was Innenminister Bersets Wunsch entsprechen dürfte. Während die rückweisungswilligen Parteien SVP, FDP und BDP im Nationalrat mehrheitsfähig sind, dürfte im Ständerat die in dieser Sache kompromissbereitere CVP eine Schlüsselrolle spielen. Zudem äusserten sich verschiedene Ständeratsmitglieder der Mitteparteien skeptisch gegenüber einer diskussionslosen Rückweisung, welche zu unnötigen Verzögerungen führen würde. Nichtsdestotrotz erklärten diverse Medien die Reformvorlage bereits für gescheitert, sprachen sich doch auch die bürgerlichen Sozialpolitikerinnen und -politiker im Ständerat für eine Auftrennung der Reform in ihre Bestandteile aus, wobei sie diese jedoch selbst vornehmen und nicht dem Bundesrat überlassen wollten. Einer ebenfalls Mitte November publizierten repräsentativen Umfrage zufolge, welche GfS Bern im Auftrag von Pro Senectute duchgeführt hatte, würden sich 62% der Stimmberechtigten (Stichzeitpunkt Ende September bzw. Anfang Oktober 2014) deutlich oder eher für die Rentenreform aussprechen und nur 28% klar oder eher dagegen.

Reform «Altervorsorge 2020» (BRG 14.088)
Dossier: Débats sur l'âge de la retraite des femmes
Dossier: Hausse de l’âge de la retraite à 65 ans
Dossier: Déduction de coordination et seuil d'entrée LPP

An ihrer Delegiertenversammlung Ende Oktober in Thun verabschiedeten die Freisinnigen einstimmig einen Resolutionsentwurf, der eine Schuldenbremse für die AHV und eine Angleichung des Rentenalters von Frauen und Männern bei 65 Jahren fordert. Diese beiden nicht ganz neuen Anliegen müssten sofort und nicht erst mit der 12. AHV-Reform an die Hand genommen werden. Ausschliessen wollte die FDP allerdings eine Erhöhung der Lohnnebenkosten.

AHV

An der Delegiertenversammlung Anfang Mai in Luzern forderte die FDP in einer Resolution rasche Massnahmen bei den Sozialversicherungen. Ergänzend zur laufenden Reform der AHV seien das Rentenalter 65 für Mann und Frau und eine Schuldenbremse einzurichten. Darüber hinaus solle die IV-Revision möglichst rasch umgesetzt werden. Bei der beruflichen Vorsorge wollte sich die FDP für die Erhaltung des Kapitaldeckungsverfahrens einsetzten.

Sozialversicherungen

Da es sich bei Mehrwertsteueranpassungen um Verfassungsänderungen handelt, unterstand der Finanzierungsbeschluss dem obligatorischen Referendum. Die Vorlage wurde dem Volk am gleichen Abstimmungswochenende wie die 11. AHV-Revision unterbreitet, gegen welche die Linke das Referendum ergriffen hatte. Obgleich die FDP-Fraktion der Finanzierungsvorlage als Teil eines ausgewogenen Ganzen zugestimmt hatte, bröckelte die freisinnige Zustimmung angesichts der Opposition der Wirtschaft in den Wochen vor der Abstimmung zusehends. Schliesslich gab die Partei die Nein-Parole aus. Als Hauptargument nannte sie ihre Ablehnung von „Steuern auf Vorrat“ sowie das Zustandekommen des Referendums gegen die 11. AHV-Revision. Beobachter bezeichneten die Begründung allerdings als etwas fragwürdig: Das Mehrwertsteuerprozent sollte erst erhoben werden, wenn es wegen der demographischen Entwicklung wirklich nötig ist. Zudem hätte die tatsächliche Einführung einen Parlamentsbeschluss benötigt, gegen den das Referendum hätte ergriffen werden können. Die SVP hatte von Anbeginn erklärt, dass sie die Mehrwertsteuererhöhung bekämpfen werde und zur Sicherung der AHV-Finanzierung auf das Nationalbankgold setzen wolle. Als dann auch noch ein Teil der Gewerkschaftsbewegung ein Fragezeichen hinter die „unsoziale“ Erhöhung der Mehrwertsteuer setzte, schien das Schicksal der Vorlage besiegelt. Es zeigte sich, dass es fatal gewesen war, die beiden Finanzierungsbeschlüsse zu AHV und IV nicht aufzusplitten, wie dies der Ständerat vorerst angeregt hatte; eine differenzierte Stimmabgabe war unter diesen Voraussetzungen nicht möglich.

11. AHV-Revision (BRG 00.014)
Dossier: 11e révision de l'AVS (1991-2004; 2005-2010)
Dossier: Débats sur l'âge de la retraite des femmes

In ihrer Stellungnahme „Golden Age – Alt und Jung gemeinsam“ verlangte die FDP, dass ältere Menschen ein selbstbestimmtes Leben in materieller Sicherheit führen können. Dazu seien Änderungen im 3-Säulen-System sowie Massnahmen in den Bereichen Arbeitsmarkt, Gesundheit, Pflege und Integration nötig. Wichtig sei insbesondere eine generationengerechte Ausrichtung der Altersvorsorge, d.h. keine weiteren Ausbauschritte bei der AHV, sondern eine Stärkung der dritten Säule (steuerbegünstigtes privates Sparen). Ausserdem sollten die im hohen Alter wichtigen Ergänzungsleistungen in die Verfassung aufgenommen werden. In Bezug auf die Höhe des Rentenalters wollten sich die Freisinnigen nicht festlegen.

FDP-Positionspapier zur Altersvorsorge

Die FDP will mit finanziellen Anreizen die Arbeit nach dem Rentenalter fördern. Die Forderung nach einer flexiblen Öffnung des AHV-Alters nach oben war unter dem Titel „Die 4. Säule“ zentraler Punkt eines neuen Wirtschaftsprogramms der Partei. Konkret regte die FDP an, arbeitende Rentner sollten von Steuervergünstigungen profitieren und keine AHV- und ALV-Beiträge mehr bezahlen. Mit der Flexibilisierung nach oben rückte die Partei von ihrer Forderung nach einer generellen Erhöhung des Rentenalters auf 67 oder 68 Jahre ab. Arbeitgeberverband, Economiesuisse und die wirtschaftsnahe Denkfabrik „Avenir Suisse“ unterstützten diese Forderung.

FDP „Die 4. Säule“

Im Frühjahr nahm die Kommission für soziale Sicherheit und Gesundheit des Nationalrates die Beratung dieser Vorlage auf. Sie verlangte vom BSV eine Reihe von Zusatzberichten zu den gesamtwirtschaftlichen und gesellschaftlichen Aspekten der Revision sowie zur Koordination mit der 1. BVG-Revision. Mehr wissen wollte sie insbesondere über die finanzielle Entwicklung der AHV, die Situation der Frauen, die wirtschaftliche Bedeutung der Witwen- und Witwerrente sowie die Lage der über 60-Jährigen auf dem Arbeitsmarkt. Auskunft verlangte sie auch darüber, ob das Leistungsprofil des BVG dem Verfassungsauftrag (Fortsetzung der gewohnten Lebenshaltung) noch entspricht. Beim Ausbau der Finanzierung über Mehrwertsteuerprozente folgte die SGK grundsätzlich dem Bundesrat, lehnte es aber ab, gleichzeitig mit dieser Vorlage auch die Finanzierung der IV zu regeln. Sie bekräftigte zudem ihren Willen, die Einnahmen aus den für die AHV bestimmten Mehrwertsteuerprozenten vollumfänglich dieser zukommen zu lassen. Den Vorschlag, den Beitragssatz der Selbstständigerwerbenden von 7,8 auf 8,1% zu erhöhen und den Freibetrag für Rentner aufzuheben, hiess sie trotz Opposition aus Gewerbekreisen gut. Andere Weichenstellungen als der Bundesrat nahm sie dagegen bei den Witwenrenten vor, welche sie weniger stark abbauen wollte. Nach dem Modell der Kommission soll eine Witwe einen unbefristeten Rentenanspruch haben, wenn sie über 45 Jahre alt ist, bevor das jüngste Kind das 18. Altersjahr vollendet hat; der Bundesrat hatte die Altersgrenze bei 50 Jahren angesetzt. Für die laufenden Renten beschloss die SGK die volle Besitzstandsgarantie; der Bundesrat hatte lediglich eine Schonfrist von drei Jahren vorgesehen. Damit niemand durch die Maschen fällt, sollen nach dem Vorschlag der Kommission Witwen und Witwer in prekären finanziellen Verhältnissen Anspruch auf Ergänzungsleistungen haben – unabhängig davon, ob sie eine Verwitwetenrente beziehen oder nicht. Aus Rücksicht auf die anstehende Volksabstimmung über die beiden Rentenalterinitiativen beschloss die SGK, die Frage des flexiblen Rentenalters erst im kommenden Jahr zu behandeln.

Gegen einen Abbau bei den Witwenrenten wehrten sich nach der SP auch die Frauenorganisationen der bürgerlichen Parteien FDP und CVP, die fanden, eine gänzliche Abkehr vom Versorgerprinzip beim Aufbau der Altersvorsorge sei nicht reif, solange es nicht bessere Strukturen für die Erwerbstätigkeit von Müttern (insbesondere ausserhäusliche Kinderbetreuung) gebe. Nationalrätin Egerszegi (fdp, AG) regte an, die Witwer- und Witwenrenten analog zu den EL nur noch finanzschwachen Personen und nicht mehr nach dem Gieskannenprinzip auszurichten.

FDP-Parteipräsident Steinegger sprach sich für eine generelle Erhöhung des Rentenalters auf 66 oder 67 Jahre aus anstatt einer Anhebung der Mehrwertsteuer. Er nahm damit Überlegungen der beiden freisinnigen Bundesräte Villiger und Couchepin auf, die bereits im Vorjahr ein Pensionsalter „65 plus“ zur Diskussion gestellt hatten. Die welschen Freisinnigen distanzierten sich von den Aussagen Steineggers, die sie als für ihre Wählerschaft verunsichernd bezeichneten.

11. AHV-Revision (BRG 00.014)
Dossier: 11e révision de l'AVS (1991-2004; 2005-2010)
Dossier: Débats sur l'âge de la retraite des femmes

Nach mehrmaliger Verschiebung leitete der Bundesrat Anfang Februar dem Parlament seine Botschaft zur 11. AHV-Revision zu. Die Vorlage stützte sich auf das 1998 einer Vernehmlassung unterzogene erste Projekt, auf die Zwischenentscheide des Bundesrates von Ende März 1999 sowie auf eine neue Gesamtschau zur Weiterentwicklung der Sozialversicherungen bis zum Jahr 2025. Im Zentrum der Revision stehen die finanzielle Konsolidierung sowie die Anpassung an neue gesellschaftliche Realitäten. Durch Sparmassnahmen und Mehreinnahmen soll die AHV/IV-Rechnung um rund CHF 1,2 Mrd. pro Jahr entlastet werden. Als Zusatzfinanzierung möchte der Bundesrat die Mehrwertsteuer ab 2003 um 1,5 Prozentpunkte erhöhen (1% für die IV, 0,5% für die AHV). Wenn die Reserven des AHV-Ausgleichsfonds unter die Schwelle von 70% einer Jahresausgabe sinken, soll zur Ergänzung des bereits 1999 eingeführten „Demographieprozents“ ein weiterer halber Prozentpunkt zu Gunsten der AHV erhoben werden. Weitere Mehreinnahmen ergeben sich durch die Heraufsetzung des Beitragssatzes der Selbstständigerwerbenden und durch die Aufhebung des Freibetrags für erwerbstätige Rentnerinnen und Rentner. Einsparungen entfallen auf die Erhöhung des gesetzlichen Rentenalters der Frauen von 64 auf 65 Jahre, die schrittweisen Einschränkung des Anspruchs auf eine Witwenrente sowie auf den von zwei auf drei Jahre verlangsamten Teuerungsausgleich auf den Renten. Die rund CHF 400 Mio., die sich aus den Einsparungen durch das höhere Frauenrentenalter ergeben, werden für die Finanzierung eines sozial verträglich ausgestalteten flexiblen Altersrücktritts verwendet. Bis zuletzt hatte sich Bundesrätin Dreifuss für CHF 600 Mio. eingesetzt. Einige Wochen später vertrat der Bundesrat in seiner Botschaft zur Verwendung der überschüssigen Goldreserven der Nationalbank die Meinung, dass ein Teil davon zur sozialen Abfederung der 11. AHV-Revision im Bereich Rentenalter und Witwenrente eingesetzt werden könnte. Einen entsprechenden Antrag stellte er aber nicht, da es in einem ersten Schritt darum gehe, den legalen Rahmen für die Solidaritätsstiftung zu schaffen.

Die Vorschläge fanden in keinem parteipolitischen oder sozialpartnerschaftlichen Lager Zustimmung. Arbeitgeber- und Gewerbeverband lehnten sowohl die Erhöhung des Mehrwertsteuersatzes als auch Zusatzleistungen für tiefere Einkommen beim flexiblen Altersrücktritt ab. Die FDP erklärte, sie würde der Flexibilisierung nur zustimmen, wenn diese kostenneutral ausgestaltet werde, während sich die SVP grundsätzlich dagegen stemmte. Gleich wie die FDP verlangte auch die CVP eine Gesamtschau sämtlicher Sozialversicherungen; nur wenn diese vorliege, sei sie überhaupt bereit, auf die Vorlage einzutreten. Ganz anders reagierte die SP. Sie sprach von einem schwer wiegenden Sozialabbau, der vor allem die Frauen treffe. Der SGB bezeichnete die Vorlage als unausgewogen; sie bringe nur den Ärmsten und den Reichsten etwas, den Normalverdienenden aber wenig bis nichts. Der CNG erachtete die Vorlage als generelle Demontage der AHV und drohte offen mit dem Referendum.

11. AHV-Revision (BRG 00.014)
Dossier: 11e révision de l'AVS (1991-2004; 2005-2010)
Dossier: Débats sur l'âge de la retraite des femmes

Ende August lancierte die SVP die im Vorjahr von Nationalrat Blocher (svp, ZH) angekündigte und von den SVP-Delegierten im April beschlossene Volksinitiative zur Verteilung der von der Nationalbank nicht mehr benötigten Währungsreserven oder derer Erträge. Sie verlangt, dass diese in vollem Umfang in den Ausgleichsfonds der Alters- und Hinterlassenenversicherung (AHV) zu übertragen sind. Für die am 5. März 1997 vom Bundesrat angekündigte Solidaritätsstiftung würde dabei nichts mehr übrigbleiben. Auch die SP konkretisierte ihre Vorstellungen, was mit diesen Geldern anzufangen sei. Sie ging bei ihren Überlegungen davon aus, dass aus dem Verkauf der nicht mehr benötigten Goldreserven wesentlich mehr als bisher angenommen, nämlich rund CHF 24 Mia. zur Verfügung stehen werden. Davon möchte sie CHF 7 Mia. der Solidaritätsstiftung zuweisen und die restlichen CHF 17 Mia. für die AHV zur Finanzierung des flexiblen Rentenalters verwenden. Die FDP und die CVP stellten sich weiterhin hinter die Idee einer Solidaritätsstiftung, legten sich jedoch bei der Verwendung der restlichen Mittel noch nicht fest. Um ein Absacken des Goldkurses zu vermeiden, verpflichteten sich fünfzehn europäische Notenbanken auf gestaffelte und limitierte Verkäufe von Goldbeständen für die nächsten fünf Jahre, wobei die Verkaufspläne der SNB darin voll berücksichtigt sind und demnach dadurch nicht beeinträchtigt werden.

Volksinitiative „Überschüssige Goldreserven in den AHV-Fonds“ (BRG 01.020)
Dossier: Utilisation des résereves d'or excédentaires de la banque nationale suisse

Gegen den Widerstand von Bundespräsidentin Dreifuss überwies der Ständerat ein Postulat Schiesser (fdp, GL), welches den Bundesrat auffordert, im Licht der Berichte IDA-Fiso 1 und 2 sowie anderer Steuer- und Abgabeprojekte unmissverständliche und klare Aussagen zu machen, mit welchem Szenario er leistungs- und einnahmenseitig vorgehen will, damit die Sozialversicherungen bis mindestens 2015 finanziell gesichert sind. Dreifuss verschanzte sich vergeblich hinter den Vorarbeiten für ein ökologisches Steuersystem und der bereits eingeleiteten 11. AHV-Revision. In deren Botschaft werde der Bundesrat umfassend über den Finanzierungsbedarf der Sozialversicherungen bis 2010 orientieren; über längerfristige Finanzierungsprobleme werde hingegen „zu gegebener Zeit“ befunden werden müssen. Dennoch wurde das Postulat mit 34 zu 1 Stimmen klar angenommen und damit deutlich gemacht, dass die kleine Kammer nun von der Landesregierung Klartext erwartet. Der Nationalrat überwies ein analoges Postulat der FDP-Fraktion; diesmal widersetzte sich der Bundesrat der Entgegennahme nicht mehr. Eine bereits 1997 eingereichte Motion (97.3370) von NR Seiler (svp, BE), welche den BR verpflichten wollte, mindestens bis zum Vorliegen des IDA-FiSo-2-Berichtes auf einen weiteren Ausbau der Sozialversicherungen zu verzichten, wurde hingegen, da eindeutig überholt – und weil BR Dreifuss darlegen konnte, dass mit Ausnahme der EO in den letzten Jahren kein „Ausbau“, sondern höchstens ein „Umbau“ stattgefunden habe – mit 62 zu 42 Stimmen abgelehnt.

Postulat Szenario Sozialversicherungen bis mindestens 2015 finanziell gesichert

In ersten Reaktionen stiessen die Vorschläge des Bundesrates von Rechts bis Links auf Kritik. Der Arbeitgeberverband erklärte, die Regierung setze falsche Prioritäten; nicht die Flexibilisierung des Rentenalters sei vordringlich, sondern die Sanierung der AHV, wozu Mehreinnahmen über die Mehrwertsteuer nichts taugten. Der Gewerbeverband unterstützte das einheitliche Rentenalter für Mann und Frau, lehnte jede Erhöhung des Beitragssatzes für Selbständigerwerbende hingegen kategorisch ab. Die FDP äusserte sich ebenfalls positiv zur vorgesehenen Gleichstellung von Mann und Frau, meldete aber bereits Opposition gegen das Modell der langen Erwerbsdauer an, da es ausbildungsfeindlich sei. Die SP sah in den bundesrätlichen Vorschlägen einen Schritt in die richtige Richtung, bedauerte aber, dass die Einsparungen einmal mehr einseitig zu Lasten der Frauen gehen sollen. Für den SGB gingen die vorgeschlagenen Flexibilisierungsmodelle eindeutig zu wenig weit. Einzig die CVP zeigte sich auf der ganzen Linie zufrieden und meinte, die Gleichstellung der Geschlechter sei ebenso zu begrüssen wie die Beschaffung zusätzlicher Finanzmittel über die Mehrwertsteuer. Im Lauf der Vernehmlassung änderte sich kaum etwas an diesen ersten Stellungnahmen; allerdings wurde klar, dass die bürgerlichen Bundesratsparteien und die Wirtschaftsverbände nur auf die 11. AHV-Revision einzutreten gewillt sind, wenn der Bundesrat vorgängig eine Gesamtstrategie für die Sicherung aller Sozialwerke vorlegt.

11. AHV-Revision (BRG 00.014)
Dossier: 11e révision de l'AVS (1991-2004; 2005-2010)
Dossier: Débats sur l'âge de la retraite des femmes

Kurz vor Weihnachten stellte das EDI den zweiten Bericht der interdepartementalen Arbeitsgruppe Finanzierung der Sozialversicherung (IDA-FiSo-2) der Öffentlichkeit vor. Nachdem der erste Bericht die finanziellen Folgen der Weiterführung des geltenden Leistungssystems in den Jahren 2010 und 2025 dargestellt hatte, wurden mit dem zweiten Bericht die möglichen Aus-, Um- oder Abbauszenarien im Leistungsbereich dargestellt. IDA-FiSo-1 war im Vorjahr zum Schluss gelangt, dass im Jahre 2010 15,3 Mia. Fr. mehr nötig sind, um die heutigen Sozialleistungen inklusive Mutterschaftsversicherung zu finanzieren. Der Bundesrat hatte IDA-FiSo-2 daraufhin den Auftrag erteilt, anhand von drei Szenarien darzustellen, was getan werden müsste, um den Mehrbedarf auf 9 Mia. Fr. zu beschränken, welche Massnahmen die Fortführung des Status quo fordert und welche die Erhöhung der Ausgaben auf 18 Mia. Fr. Der IDA-FiSo-2-Bericht zeigte den Gestaltungsraum innerhalb der einzelnen Sozialversicherungszweige auf sowie die Auswirkungen für das ganze System, die Versicherten und die Wirtschaft. Bei allen Varianten wurde mit einem finanziellen Mehrbedarf gerechnet.

Sowohl die bürgerlichen Parteien und die Arbeitgeber auf der einen, als auch die SP und die Gewerkschaften auf der anderen Seite sahen sich von den Schlussfolgerungen des Berichtes in ihren Ansichten bestätigt. Die FDP fand, dass jetzt weder ein Ausbau noch die Schliessung von Lücken im sozialen Netz möglich sei. Sie forderte den Bundesrat auf, für die mittel- und langfristigen Aspekte der Finanzierung der Sozialwerke zu einem Gespräch am runden Tisch einzuladen. Die SVP verlangte ein Sanierungspaket, das auf der Leistungsseite zwingende Korrekturen vornehme. Die Arbeitgeber vertraten die Auffassung, dass nur das Szenario "gezielter Abbau" wirtschaftsverträglich sei, und dass im jetzigen Zeitpunkt die Einführung einer Mutterschaftsversicherung nicht zur Diskussion stehen könne. Gegen jeglichen Ausbau war auch der Schweizerische Gewerbeverband; er verlangte unter anderem ein einheitliches Rentenalter von mindestens 65 Jahren, eine Kürzung der Bezugsdauer bei der Arbeitslosenversicherung sowie Kostendämpfungen im Gesundheitswesen.

Ganz andere Schlüsse zogen SP und Gewerkschaften aus dem Bericht. Für die Sozialdemokraten zeigte dieser, dass kein Bedarf für Leistungsabbauszenarien im Sozialversicherungsbereich bestehe und auch ein Moratorium wirtschaftspolitisch nicht zu rechtfertigen sei. Aus dem Bericht sei zudem ersichtlich, dass die Politik in der Ausgestaltung der sozialen Schweiz der nächsten Jahrzehnte einen sehr grossen Spielraum habe. Für den Christlichnationalen Gewerkschaftsbund (CNG) stellte der Bericht eine gute Ausgangslage dar, um die Auseinandersetzungen über die künftige Ausgestaltung der Sozialwerke zu versachlichen. Der Schweizerische Gewerkschaftsbund (SGB) hingegen bezeichnete den Bericht als mangelhaft. Er liste unzählige Abbauvorschläge auf und beschränke sich dabei auf die Bezifferung der möglichen Einsparungen. Dabei hätten die Experten vergessen, die Folgen für die Betroffenen darzulegen. SP und SGB verlangten die rasche Realisierung der Mutterschaftsversicherung und der Ruhestandsrente.

Einmal mehr zwischen den Fronten versuchte sich die CVP zu positionieren. Die Partei sprach sich sowohl gegen den Abbau als auch gegen den Ausbau, sondern für den Umbau der Sozialversicherungen auf dem Niveau der heutigen Sozialleistungsquote sowie für eine Mutterschaftsversicherung aus. Sie kritisierte aber, die Arbeitsgruppe sei von zu optimistischen Arbeitslosenquoten (maximal 3,5%) ausgegangen. Sparpotential ortete sie in mehr Eigenverantwortung und in der Missbrauchsbekämpfung.

Drei-Säulen-Bericht/IDA FiSo

Die Behandlung zweier Motionen führte in der Sommersession des Nationalrates zu einer ausgiebigen Diskussion über die Dringlichkeit der zu ergreifenden Massnahmen zur langfristigen Finanzierung der AHV. Die vom Ständerat bereits angenommene Motion Schiesser (fdp, GL) forderte die Bereitstellung der Botschaft zur 11. AHV-Revision bis zum Sommer 1998. Eine Motion der FDP-Fraktion verlangte, dass diese Revision noch vor Ende der Legislaturperiode (1999) zu verabschieden sei. Die Mehrheit der vorberatenden Kommission wollte den Bundesrat nicht unter zeitlichen Druck setzen, da zwar das Ziel klar sei, nicht aber der Weg. Um Vermittlung bemühte Stimmen forderten daher die vorgängige Bildung eines breiten Konsenses. Mehrere Redner und Rednerinnen hielten demgegenüber dafür, es sei nun Zeit, rasch zu zeigen, wohin der Weg führen soll. Dafür müssten zwei Jahre ausreichen. Berichte und Grundlagen seien zur Genüge vorhanden. Diese Meinung obsiegte in der Abstimmung, bei welcher die beiden Motionen mit 94 zu 83 bezw. 103 zu 71 Stimmen gutgeheissen wurden. Die Motion der FDP-Fraktion (Mo. 95.3048) wurde vom Ständerat ebenfalls angenommen.

Motion für eine langfristige Finanzierung der AHV (Mo. 95.3534)
Dossier: 11e révision de l'AVS (1991-2004; 2005-2010)

Da die Äusserungen der Arbeitgeber und der Vertreter von FDP und SVP - insbesondere auch die immer wieder vorgebrachte These, wonach die AHV kurz vor dem finanziellen Kollaps stehe - vor allem in der älteren Bevölkerung bedeutende Ängste auslösten, griff Bundesrätin Dreifuss schliesslich zu einem für schweizerische politische Verhältnisse ungewohnten Mittel. Sie liess der Presse einen offenen Brief an die Bevölkerung zukommen, in welchem sie das materielle Fundament der AHV bis über die Jahrtausendwende hinaus als solide und für die Sicherung der Renten ausreichend taxierte, weshalb sich ihrer Ansicht nach auch die Anhebung des Rentenalters der Frauen im Rahmen der 10. AHV-Revision nicht aufdränge. Da der Gesamtbundesrat im Vorjahr beschlossen hatte, sich entgegen seiner ursprünglichen Haltung dieser Erhöhung des Rentenalters nicht zu widersetzen, sah sich Dreifuss dem Vorwurf der bürgerlichen Parteien ausgesetzt, mit ihrer Initiative das Kollegialitätsprinzip verletzt zu haben.

AHV kurz vor dem finanziellen Kollaps offenen Brief an die Bevölkerung

Pour le groupe de travail du Parti radical, l'attention doit être portée en premier lieu sur le vieillissement démographique et ses retombées financières sur l'AVS. Dans ce contexte, il estime nécessaire de réaliser des économies et préconise par conséquent l'introduction générale de l'âge de la retraite à 65 ans dans les douze ans qui suivront l'entrée en vigueur de la loi. Mais il n'écarte pas la possibilité de toucher une rente dès 62 ans, moyennant une réduction des prestations de 6,8% par année. Le modèle radical, neutre du point de vue des coûts, prévoit également un système de rentes calculé indépendamment de l'état civil ainsi qu'un bonus pour les assurés à faible revenu et pour ceux qui doivent assumer des tâches éducatives ou ont des parents handicapés à charge.

10. AHV-Revision (BRG 90.021)
Dossier: 10ème révision de l'assurance-vieillesse et survivants (AVS; 1980-1998)
Dossier: Débats sur l'âge de la retraite des femmes

Pour la droite et les associations patronales, la révision de l'AVS doit être susceptible de répondre au problème du financement à long terme des prestations sociales, rendu crucial en raison de la chute de la natalité (un nombre de plus en plus réduit de personnes actives doit subvenir aux besoins d'un effectif grandissant de rentiers) et aux considérations d'ordre financier. Ainsi, le PDC s'est prononcé en faveur d'un modèle de l'AVS qui mettrait hommes et femmes sur un pied d'égalité, mais sans entraîner de coûts supplémentaires. En d'autres termes, il s'agit d'instaurer la retraite à 64 ans pour tous avec toutefois la possibilité d'une rente diminuée dès 62 ans.

Quant au PRD et à l'UDC, ils accordent la priorité au principe de la neutralité des coûts et rejettent par conséquent toute solution entraînant une hausse des dépenses. Parmi les propositions formulées par l'Union centrale des associations patronales figure le relèvement de l'âge de la retraite à 66 ans, tant pour les hommes que pour les femmes. Si elle reconnaît que sa proposition serait politiquement difficilement réalisable, elle a cependant indiqué que ce passage ne s'effectuerait pas brusquement et qu'il devrait être combiné avec l'importante question de la flexibilité de la retraite et de la réalisation de l'égalité entre hommes et femmes.

10. AHV-Revision (BRG 90.021)
Dossier: 10ème révision de l'assurance-vieillesse et survivants (AVS; 1980-1998)
Dossier: Débats sur l'âge de la retraite des femmes