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Acteurs

  • Parti libéral-radical (PLR) FDP
  • Pfister, Gerhard (cvp/pdc, ZG) NR/CN
  • Levrat, Christian (sp/ps, FR) SR/CE
  • Brunner, Toni (svp/udc, SG) NR/CN

Processus

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Bei den Bundesratswahlen 2019 bestätigte die FDP ihre zwei Sitze im Bundesrat: Sowohl ihre bisherige Bundesrätin Karin Keller-Sutter als auch ihr bisheriger Bundesrat Ignazio Cassis wurden wiedergewählt. Ignazio Cassis erzielte aufgrund der fehlenden Unterstützung der SP und der Grünen 145 Stimmen, womit der Coup der Grünen, den zweiten FDP-Sitz zu erobern und damit mit Regula Rytz (gp, BE) erstmals eine grüne Bundesrätin zu verzeichnen, scheiterte. Der Widerstand der links-grünen Parteien gegen Ignazio Cassis hatte sich schon früher abgezeichnet, etwa als SP-Parteipräsident Christian Levrat (sp, FR) Cassis nur zwei Monaten nach dessen Wahl gemäss Medien als «Praktikanten» bezeichnet hatte.
Die Medien spekulierten nach den Bundesratswahlen über einen möglichen Departementswechsel von Ignazio Cassis, zumal der Tessiner Bundesrat von vielen Seiten für seine Verhandlungsweise mit der EU bezüglich des institutionellen Rahmenabkommens kritisiert wurde. Trotz dieser Kritik blieb Cassis weiterhin Vorsteher des EDA.
Auch Bundesrätin Karin Keller-Sutter erzielte – so die NZZ – ein relativ schlechtes Ergebnis: Sie erhielt 169 Stimmen. Die Zeitung vermutete, dass hinter dieser niedrigen Stimmenzahl SVP-Vertreterinnen und -Vertreter steckten, die an ihrer Stelle den Namen von FDP-Nationalrat Marcel Dobler (fdp, SG) auf den Stimmzettel geschrieben hätten – Marcel Dobler erhielt 21 Stimmen. Seit Langem würden somit bei den Bundesratswahlen erstmals wieder «solche Spiele» gespielt, kritisierte die NZZ.
Vor den Bundesratswahlen hatte sich FDP-Parteipräsidentin Petra Gössi (fdp, SZ) gegenüber den Medien zu einem möglichen grünen Bundesratssitz geäussert. Demnach müssten sich die Grünen zuerst auf allen Ebenen etablieren und Beständigkeit in ihren Resultaten zeigen, bevor sie einen Bundesratssitz fordern könnten. Zudem sollten die Grünen die SP-Bundesratssitze angreifen, weil sie auf deren Kosten in den National- und Ständeratswahlen so stark zugelegt hätten. Die FDP sei zwar bereit, über andere mögliche Zusammensetzungen des Bundesrates zu diskutieren, ein Konkordanz-Gipfel, wie ihn CVP-Präsident Gerhard Pfister (cvp, ZG) vorgeschlagen hatte, sei jedoch unnötig. Die FDP-Parteipräsidentin nannte denn auch zwei Möglichkeiten, wie eine neue Zusammensetzung des Bundesrates herbeigeführt werden könne: durch einen Verzicht auf Ersatzwahlen bei Rücktritten in der zweiten Hälfte der Legislatur sowie durch eine Verschiebung der Bundesratswahlen auf zwei Jahre nach den Parlamentswahlen, womit die Parteien mehr Zeit für die Diskussionen untereinander hätten.

Resultate der FDP bei den Bunderstaswahlen 2019

Im Konkordanzsystem Schweiz mangelt es – anders etwa als in einem System mit einem Präsidenten – an Köpfen, mit denen man aufgrund der zunehmenden Personalisierung Medienberichte besser verkaufen kann. Es verwundert deshalb nicht, dass sich die Medien für einzelne Exekutivmitglieder interessieren sowie gerne und häufig auch Spekulationen über Rücktritte und mögliche Nachfolgerinnen und Nachfolger amtierender Bundesrätinnen und Bundesräte anstellen. Dies taten sie auch bereits kurz nach der Wahl des neuen Bundesrates Cassis: Schliesslich ist nach der Wahl auch für das Regierungskollegium immer auch vor der Wahl.
In der Tat hatte Doris Leuthard ja bereits im Sommer 2017 ihren Rücktritt auf spätestens Ende der Legislatur im Herbst 2019 angekündigt. Dies war eine Steilvorlage für die Medien, die insbesondere den Umstand thematisierten, dass mit dem Rücktritt der Aargauerin nur noch eine Frau, nämlich Simonetta Sommaruga, in der Regierung sässe und die CVP deshalb gut daran täte, Frauen als mögliche Kandidatinnen aufzubauen – häufig genannt wurden die Ambitionen von Viola Amherd (cvp, VS). Freilich standen bei den Christdemokraten auch einige Männer in den Startlöchern: In den Medien kursierten insbesondere die Namen von Parteipräsident Gerhard Pfister (cvp, ZG), der Ständeräte Konrad Graber (cvp, LU) und Pirmin Bischof (cvp, SO), aber auch Benedikt Würth (SG, cvp), Regierungsrat des Kantons St. Gallen, und Bundeskanzler Walter Thurnherr wurden als Kandidaten gehandelt. Der Bundeskanzler winkte jedoch relativ rasch ab und auch Parteipräsident Pfister zog sich mit dem Argument zurück, einen Austausch im Präsidium kurz vor den Wahlen vermeiden zu wollen. Auch Konrad Graber nahm sich mit seiner Ende August gemachten Ankündigung, bei den eidgenössischen Wahlen 2019 nicht mehr antreten zu wollen, aus dem Rennen.
Ende April 2018 gab dann auch Johann Schneider-Ammann bekannt, dass er keine weitere Legislatur mehr anstrebe. Neben der Forderung, dass auch die FDP nun ein Frauenticket aufstellen müsse, wurde mit der Ankündigung des Berner Magistraten auch die Diskussion um einen konzertierten Doppel- (zusammen mit Leuthard) oder gar Dreierrücktritt (zusammen mit Ueli Maurer) angestossen. Das Parlament müsse eine möglichst grosse Auswahl haben, damit eine genügend grosse Frauenvertretung gesichert sei, lautete der Tenor in den Medien. Auch das Kandidatenkarussell für die Nachfolge des Berner Magistraten begann sich rasch zu drehen. Neben Karin Keller-Sutter (fdp, SG), die bei der Wahl Schneider-Ammanns 2010 noch unterlegen war, brachten die Medien Parteipräsidentin Petra Gössi (fdp, SZ), die Ständeräte Andrea Caroni (fdp, AR), Martin Schmid (fdp, GR) und Ruedi Noser (fdp, ZH) sowie Nationalrat Beat Walti (fdp, ZH) ins Spiel. Auch beim Freisinn zogen sich einige potenzielle Papabili allerdings bereits vor dem definitiven Rücktritt Schneider-Ammans zurück. So gab Petra Gössi etwa zu Protokoll, ihrer Partei eine Kandidatur nicht zumuten zu wollen. Mit dem Namen Keller-Sutter wurde in den Medien häufig auch der Anspruch der Zentral- und Ostschweiz auf einen Bundesratssitz zur Sprache gebracht.
Rücktrittspotenzial sahen die Medien schliesslich auch bei Ueli Maurer, bei dem sie vermuteten, dass er mit 67 Jahren und nach zehn Jahren im Amt bald genug haben könnte. Von verschiedener Seite wurde Magdalena Martullo-Blocher (svp, GR) als mögliche Nachfolgerin ins Spiel gebracht, die in mehreren Interviews ihre Bereitschaft signalisierte. Hierfür kam aber wenig später ein Dementi von der SVP-Spitze – Vater Christoph Blocher gab zu Protokoll, dass er seine Tochter nicht in das «Gefängnis» Landesregierung stecken wolle. Maurer selber gab in einem Interview zu Protokoll, dass er auf das Ende einer Legislatur zurücktreten werde – ob 2023, 2027 oder 2031 sei noch offen.
Ein vorläufiges Ende nahm zumindest ein Teil der Spekulationen Mitte September, als sowohl Johann Schneider-Ammann als auch Doris Leuthard ihren Rücktritt auf Ende 2018 bekannt gaben. In der Tat gilt die Herbstsession ein Jahr vor den Wahlen als idealer Zeitpunkt für einen Rücktritt vor Ende einer Legislatur, weil so Ersatzwahlen noch vor Ende eines Jahres stattfinden können. Rücktritte in einem Wahljahr selber gelten eher als unschicklich. Freilich war laut Aussage von Doris Leuthard der Doppelrücktritt vorher nicht abgesprochen worden; Schneider-Ammann habe immer davon gesprochen, erst auf Ende Legislatur 2019 zurückzutreten. In den Medien wurde das Vorpreschen des FDP-Bundesrats – er hatte seinen Rücktritt zwei Tage vor Doris Leuthard der Presse verkündet – als geplanter Mediencoup gewertet.

Spekulationen Rücktritt Bundesräte nach der Wahl von Cassis

Ranglisten haben etwas Eingängiges: Mit ihrer Hilfe lassen sich vermeintliche Unterschiede fest- und darstellen. So versuchen öfters auch die Medien Parlamentarierinnen und Parlamentarier einzuordnen und zu vergleichen. 2017 präsentierte die Sonntagszeitung ein Parlamentarierrating, mit welchem der Einfluss aller Parlamentsmitglieder gemessen werden sollte, und die NZZ wartete mit ihrem jährlichen Links-Rechts-Rating auf.
Der Einfluss wurde in der Sonntagszeitung anhand der Kommissionszugehörigkeit, der in den Räten vorgebrachten Voten, der Anzahl erfolgreicher politischer Vorstösse, der Ämter im Rat und in der Partei, der Medienpräsenz und dem ausserparlamentarischen Beziehungsnetz gemessen. Zwar wies die Zeitung nicht aus, wie sie diese Elemente miteinander verknüpfte und gewichtete, die Rangliste diente ihr aber als Grundlage für immerhin drei ganze Zeitungsseiten. Laut den Berechnungen war SP-Parteipräsident Christian Levrat (FR) in den Jahren 2015–2017 der einflussreichste Parlamentarier, gefolgt von Pirmin Bischof (svp, SO) und Gerhard Pfister (cvp, ZG). Die «Flop 15» – so die Sonntagszeitung – wurden angeführt von Géraldine Marchand-Balet (cvp, VS), Hermann Hess (fdp, TG) und David Zuberbühler (svp, AR). Die Rangierungen verleiteten die Zeitung zu weiteren Analysen: So sei der Einfluss der SVP und der FDP, gemessen am Anteil Fraktionsangehöriger unter den Top 50, verglichen mit dem Rating 2014 gestiegen und der Einfluss des Kantons Zürich gesunken. Mit einem Vergleich der Rangliste hinsichtlich Medienpräsenz und dem Gesamtrang konnte die Zeitung zudem «die grössten Blender» ausmachen. Zwar häufig in den Medien, aber sonst nur wenig einflussreich waren laut dieser Berechnung etwa Tim Guldimann (sp, ZH), Andreas Glarner (svp, AG) oder Benoît Genecand (fdp, GE). Einzelne Regionalzeitungen diskutierten in der Folge «ihre» kantonalen Vertreterinnen und Vertreter. Solche Ratings seien nicht entscheidend, aber es fühle sich immer gut an, wenn man vorne sei, beurteilte Christian Levrat die Auswertung.

Wichtigste Erkenntnis der von der NZZ präsentierten Links-Rechts-Positionierung, die seit 1999 jährlich auf der Basis von in den Räten durchgeführten Abstimmungen von der Forschungsstelle Sotomo durchgeführt wird – auch in der NZZ wurde die Methode zur Messung von Links und Rechts lediglich sehr kryptisch mit den Begriffen «D-Nominate» und «Alpha-Nominate» angedeutet und dem Hinweis versehen, dass diese Methode für den amerikanischen Kongress entwickelt worden seien und die ideologische Position der Abgeordneten messe –, war die zunehmende Fraktionsdisziplin. Der Druck, auf Fraktionslinie zu stimmen, habe dazu geführt, dass es kaum noch Überlappungen in der ideologischen Positionierung zwischen den einzelnen Parteien gebe. Vor allem die CVP – sie variiert auf der Gesamtskala von -10 (links) bis +10 (rechts) zwischen 0.2 (Gerhard Pfister) und -1.7 (Barbara Schmid-Federer, ZH) – sei wesentlich geschlossener als früher, als sie noch Fraktionsmitglieder gehabt habe, die sich am rechten Rand bei der Position von (linken) FDP- und SVP-Mitgliedern befunden und am linken Rand die «rechten Ausläufer der SP» berührt hätten. Die FDP-Mitglieder, die Positionen zwischen 0.3 (Christa Markwalder, BE) und 2.4 (Bruno Pezzatti, ZG) einnahmen, sowie die SVP-Mitglieder (Jean-Pierre Grin, VD: 6.1 bis Erich Hess, BE: 10.0) lagen ziemlich weit auseinander. Der Median des gesamten Nationalrats verlief genau zwischen der CVP und der FDP. Auf der Ratslinken gab es mehr ideologische Gemeinsamkeiten: Zwar war die SP insgesamt etwas linker als die Grünen – die Werte variierten bei den Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten zwischen -8.2 (Chantal Galladé, ZH) und -9.9 (Silvia Schenker, BS) und bei den Grünen zwischen -9.4 (Lisa Mazzone, GE) und -7.8 (Bastien Girod, ZH) –, aber die Durchmischung war wesentlich stärker als im Block der Bürgerlichen. Die grösste Geschlossenheit wies die GLP auf, bei der sich Kathrin Bertschy (BE) und Tiana Angelina Moser (ZH) mit einem Wert von -3.0 ideologisch nur marginal von Martin Bäumle (ZH, -2.7) entfernt positionierten. Die BDP wies mehr Varianz auf: Sowohl Rosmarie Quadranti (ZH, -1.6) als auch Hans Grunder (BE, -0.2) fanden sich ideologisch leicht links der Mitte. Interessant war, dass sich die Kleinstparteien am Rand ihrer Fraktionen ansiedelten. Sowohl die Lega und das MCG bei der SVP-Fraktion, als auch die EVP bei der CVP-Fraktion wiesen im Rating ideologische Differenzen zu ihrer Fraktion auf.
Im Ständerat waren zwar die verschiedenen Parteien ebenfalls voneinander getrennt, es kam aber zwischen CVP und FDP zu Überlappungen und die Gesamtvarianz der Positionen in der kleinen Kammer war geringer. Sie reichte von Liliane Maury Pasquier (sp, GE; -8.3) bis Peter Föhn (svp, SZ; 9.8), wobei sich Letzterer am rechten Rand ziemlich alleine auf weiter Flur befand, gefolgt von Werner Hösli (svp, GL; 7.6). Bei der FDP gesellten sich Fabio Abate (TI, -0.2) und vor allem Raphaël Comte (NE; -1.6) zum Lager der CVP, das von -2.4 (Anne Seydoux-Christe, JU) bis 0 (Isidor Baumann, UR) reichte. Am rechten Rand der FDP politisierte Philipp Müller (AG, 3.4) und lag damit nahe bei Thomas Minder (SH, 4.8), der als Parteiloser der SVP-Fraktion angehört. Von der SP sassen mit Pascale Bruderer (AG, -5.2) , Claude Janiak (BL, -5.5), Hans Stöckli (BE, -5.6) und Daniel Jositsch (ZH, -5.6) vier im Vergleich zum Nationalrat ziemlich gemässigte Genossinnen und Genossen in der kleinen Kammer.

Nationalratsrating

Am 14. Oktober 2017 trat ProTell, die Gesellschaft für ein freiheitliches Waffenrecht, in den Fokus der Öffentlichkeit, weil bekannt wurde, dass Bundesratskandidat Ignazio Cassis (fdp, TI) im September 2017, rund eine Woche vor seiner Wahl in den Bundesrat, dem Verein beigetreten war. ProTell hatte die drei FDP-Bundesratskandidaten Pierre Maudet (GE, fdp), Isabelle Moret (fdp, VD) und Ignazio Cassis vor der Bundesratswahl zu ihrer Haltung zum Waffenrecht befragt und sie eingeladen, Vereinsmitglied zu werden. Cassis hatte dem Verein mitgeteilt, dass er gerne Mitglied werde, und war ProTell am 11. September 2017 beigetreten, wie der Generalsekretär von ProTell, Robin Udry, der Nachrichtenagentur SDA mitteilte. Brisant war diese Meldung, weil ProTell vehement die Übernahme der verschärften EU-Waffenrichtlinie bekämpft und bei deren Nicht-Übernahme ein Ausschluss der Schweiz aus dem Schengen-Raum drohen würde. Bisher hatte sich Cassis jedoch stets für die bilateralen Verträge mit der EU und das Schengen-Abkommen ausgesprochen. Politiker jeglicher Couleur reagierten prompt. CVP-Präsident Gerhard Pfister (cvp, ZG) etwa zeigte sich „erstaunt“, dass Cassis ProTell so kurz vor der Bundesratswahl beigetreten war. Als Aussenminister müsse Cassis die Bilateralen vertreten, dazu gehöre auch Schengen, sagte Pfister im St. Galler Tagblatt und schlussfolgerte: „Eine Mitgliedschaft bei ProTell ist mit dem Amt eines Bundesrates nicht kompatibel.“ Die FDP bemühte sich derweil, die Wogen zu glätten: Die Partei stehe weiterhin zu Schengen, versicherte FDP-Präsidentin Petra Gössi im gleichen Artikel.
Nur wenige Tage nach dem öffentlichen Bekanntwerden seiner ProTell-Mitgliedschaft kündigte Cassis diese am 17. Oktober 2017 wieder. „Angesichts der laufenden öffentlichen Diskussion und der Instrumentalisierung seines damaligen Beitritts hat Bundesrat Cassis seine Mitgliedschaft bei ProTell und Libertà e valori (Freiheit und Werte, das Tessiner Pendant zu ProTell; Anmerkung des Autors) aufgegeben“, liess Cassis über die Bundeskanzlei ausrichten. Es folgte erneut Kritik von Medien und Politikern: Die Zeitung Nordwestschweiz und der Tages-Anzeiger warfen Cassis Opportunismus vor, Beat Arnold (svp, UR) äusserte Zweifel an Cassis' Rückgrat, weil er im Vorfeld der Wahl „den Rechten“ habe gefallen wollen und jetzt „den Linken“. Silvia Schenker (sp, BS) verglich Cassis mit einer „Fahne im Wind“. Nur Cassis' Parteikollegen zeigten Verständnis: Der Beitritt und Austritt bei ProTell sei ein „Lapsus, der aufgrund der enormen Drucksituation während des Wahlkampfs verzeihbar ist“, so Joachim Eder (fdp, ZG) in der „Nordwestschweiz“. Auch ProTell wollte die Kündigung ihres prominentesten Mitglieds nicht überbewerten. ProTell-Vizepräsident Jean-Luc Addor (svp, VS) sagte gegenüber dem St. Galler Tagblatt, dass Cassis aufgrund seines langjährigen Engagements für Libertà e valori echte Überzeugungen für ein liberales Waffenrecht habe. Es gebe keinen Grund zu glauben, dass sich das ändern werde, so Addor.

Pro Tell und Cassis

Ziemlich überraschend – sogar für seine eigene Partei – gab Didier Burkhalter Mitte Juni 2017 seinen Rücktritt bekannt. Nach acht Jahren im Bundesrat – zwei Jahre als Innen- und sechs Jahre als Aussenminister – und vorher sechs Jahren im Nationalrat habe er das Bedürfnis, etwas anderes zu machen: „J'ai ressenti le besoin de changer de vie”. In den Medien war Burkhalter seit einiger Zeit zwar als etwas amtsmüde dargestellt worden – insbesondere seine häufige Absenz in Bundesbern und der Umstand, dass er lieber von Neuenburg aus arbeite, wurden moniert –, zudem habe er zunehmend den Rückhalt für das Europadossier verloren, der Rücktritt war aber doch nicht erwartet worden. Insbesondere auch, weil er wenige Tage vor einer EU-Standortbestimmung im Bundesrat erfolgte. Der Zeitpunkt des Rücktritts wurde denn auch als äusserst ungünstig bezeichnet, weil die Regierung dadurch aussenpolitisch während Monaten gelähmt sei, so etwa die Reaktion von CVP-Präsident Gerhard Pfister.
Die Bilanz zu Burkhalters Wirken, die in den Medien im Anschluss an die Rücktrittserklärung gezogen wurde, war gemischt. Burkhalter sei ein guter Bundesrat gewesen, „weltoffen und weltfremd zugleich” so etwa die BaZ. Zwar habe Burkhalter auf dem internationalen Parkett brilliert – von praktisch allen Medienbeiträgen erwähnt wurde immer wieder seine Rolle als Vorsitzender der OSZE in der Ukraine-Krise –, in der Innen- bzw. Europapolitik habe er sich aber immer wieder selbst ins Abseits gestellt. Die Erwartungen, die man in ihn gesetzt habe, etwa als Gegenspieler von Christoph Blocher das Rahmenabkommen mit der EU abzuschliessen, habe er nicht erfüllt. Dass das EU-Dossier an einem toten Punkt angelangt sei, sei „le gros point noir de son bilan”, schlussfolgerte die Tribune de Genève. Darüber hinaus habe er sich von seiner Partei immer mehr distanziert. Als Westschweizer Liberaler habe er eine Mitte-Links-Politik priorisiert, was ihm in der Partei angekreidet worden sei, so die NZZ. Als Indiz für das schlechte Verhältnis zwischen Partei und Magistrat wurde der Umstand gedeutet, dass die FDP erst rund zwei Stunden vor der Ankündigung vom Rücktritt in Kenntnis gesetzt worden sei. Vor allem von rechtsbürgerlicher Seite wurde der Vorwurf immer lauter, dass Burkhalter daran schuld sei, dass sich die SVP-FDP-Mehrheit in der Exekutive nicht deutlicher zeige.

Bereits am Tag der Rücktrittsmeldung stellten die Medien Spekulationen bezüglich potenzieller Nachfolger an. Gute Karten habe vor allem Ignazio Cassis, der aktuelle Fraktionspräsident der FDP, da der Anspruch des Kantons Tessin, nach 1999 wieder einen Sitz in der Regierung zu haben, kaum mehr umgangen werden könne und die Westschweiz auch mit nur noch zwei Magistraten adäquat vertreten sei. Werde der Sitz jetzt nicht dem Tessin zugesprochen, würden wohl weitere 10 Jahre vergehen, bis es eine neue Chance gäbe, rechnete Ex-FDP-Präsident Fulvio Pelli vor. Neben Cassis wurden auch dem Tessiner Staatsrat Christian Vitta und der ehemaligen National- und Staatsrätin Laura Sadis sowie Karin Keller-Sutter und Martin Schmid als Vertreterin oder Vertreter der Ostschweiz, die ebenfalls seit längerem Anspruch auf einen Bundesratssitz erhebt, gute Chancen eingeräumt. Die Romandie sei aber nicht zum Vornherein auszuschliessen, weil die Freisinnig-Liberalen in der Westschweiz deutlich auf dem Vormarsch seien. Den verlorenen Sitz werde die französische Schweiz wohl nicht kampflos preisgeben, war in den Medien zu lesen. Aus der Westschweiz fielen denn auch rasch die Namen des Genfer Regierungsrats Pierre Maudet und des Nationalrats Christian Lüscher. Die beiden Waadtländer Staatsräte Jacqueline de Quattro und Pascal Broulis, aber auch Nationalrätin Isabelle Moret und Ständerat Olivier Français wurden trotz ihres Handicaps, wie bereits Guy Parmelin aus dem Kanton Waadt zu stammen, ebenfalls als valable Kandidatinnen und Kandidaten auf das sich drehende Karussell gesetzt. Auch der Name Raphaël Comte wurde für den Kanton Neuenburg ins Spiel gebracht.

Dass die FDP einen Anspruch auf einen zweiten Bundesratssitz hat, war kaum umstritten. Die Parteileitung machte rasch klar, dass es sich beim Nachfolger von Burkhalter um einen „Lateiner” handeln soll – ob Tessiner oder Romand liess man bewusst offen. Die FDP-Frauen, die seit 1989 keine Vertretung mehr in der Landesregierung gehabt hatten, forderten per Kommuniqué bei dieser oder spätestens der nächsten Vakanz eine Bundesrätin. Auch die Grünen verlangten, dass die FDP eine Frau portiere. Die SVP forderte einen Kandidaten mit klar bürgerlichem Profil. Die Mitte-Rechts-Mehrheit müsse jetzt endlich auch im Bundesrat durchgesetzt werden. Die FDP machte früh deutlich, dass man sicher kein Einerticket präsentieren wolle. Bis Mitte August hatten die Kantonalsektionen Zeit, Vorschläge zu machen. Die Fraktion wollte sich dann Anfang September entscheiden.

Die Tessiner Kantonalsektion portierte – nach langer Diskussion, ob man ein Einer- oder ein Zweierticket präsentieren wolle – am 1. August einzig Ignazio Cassis. Sowohl Sadis als auch Vitta sagten Cassis ihre Unterstützung zu. Obwohl Sadis sowohl die Ansprüche aus dem Tessin, als auch der Frauenvertretung hätte erfüllen können, wurde sie nicht berücksichtigt. Vor allem ihre (zu) lange Absenz von der (nationalen) Politik dürfte hierfür mitentscheidend gewesen sein. Mit nur einem Kandidaten aus dem Tessin würde zudem das Risiko von Stimmenaufteilung minimiert, so die kantonale Parteileitung. Das Einerticket wurde auch als Referenz an die Romandie interpretiert; der Weg sei jetzt offen, um eine Frau aus der Romandie zu portieren. Die Frauenfrage wurde auch deshalb noch virulenter, weil Doris Leuthard ebenfalls am 1. August ihren Rücktritt ankündigte. Als Kandidatinnen aus der Romandie gerieten insbesondere Isabelle Moret und Jacqueline de Quattro in den Fokus. Der zweite offizielle Kandidat war dann allerdings doch wieder ein Mann: Am 8. August wurde Pierre Maudet von der Genfer Kantonalsektion einstimmig auf den Schild gehoben. Der Genfer Regierungsrat rechnete sich zwar nur geringe Chancen aus, wollte aber mit Jugend, Modernität und Urbanität punkten. Der zweite, lange ebenfalls als Kandidat gehandelte Genfer, Christian Lüscher, hatte sich kurz zuvor aus persönlichen Gründen selber aus dem Rennen genommen und eine Lanze für seinen jüngeren Genfer Parteikollegen gebrochen. Komplizierter gestaltete sich die offizielle Nominierung der dritten potenziellen Kandidatin. In der Presse wurde ein parteiinterner Zwist über und zwischen den drei Papabili der FDP-Sektion Waadt vermutet. Jacqueline de Quattro und Olivier Français zogen sich dann allerdings zurück, um den Platz für Isabelle Moret frei zu machen, die sich zwar erst spät – und später als die beide anderen – für eine Kandidatur entschieden hatte, am 10. August von ihrer Kantonalsektion aber als einzige Kandidatin aufgestellt wurde.

Nach Ablauf der Meldefrist standen also drei Kandidierende aus drei Kantonen fest. Sofort gingen die Spekulationen los, ob die FDP ein Zweierticket oder ein Dreierticket aufstellen würde. Dabei schien klar, dass Cassis gesetzt war, folglich entweder nur gegen Moret oder aber gegen Moret und Maudet antreten würde. Der Umstand, dass Moret zwar aus dem Kanton Waadt kommt, die FDP aber nicht auf eine mögliche Frauenvertretung verzichten konnte, sowie der umtriebige „Wahlkampf” von Maudet – der Blick sprach von schlechten Karten, die der Genfer aber brillant spiele – waren wohl die Hauptgründe für das Dreierticket, das die FDP-Fraktion offiziell am 1. September aufstellte. Das „tricket” (LT), das in der Fraktion knapp mit 22 zu 19 Stimmen beschlossen worden sei, stosse niemanden vor den Kopf, sei aber auch der Weg des geringsten Widerstands (NZZ) und ein klarer Etappensieg für Maudet (BaZ). Das Dreierticket wurde auch als gute Kunde für den Favoriten Cassis gewertet, dessen Chancen sich dadurch noch weiter erhöhten, weil sich die Stimmen seiner Gegner aufteilen dürften.

Die Kandidatin und die beiden Kandidaten wurden in der Presse unterschiedlich porträtiert. Cassis galt von Anfang an als eigentlicher Kronfavorit. Einziges Manko des in Bundesbern bestens vernetzten Tessiner Arztes sei seine mit der Präsidentschaft beim Krankenkassenverband Curafutura verbundene Nähe zu den Krankenkassen. Insbesondere der Lega, aber auch der SP, war dieses Amt von „Krankencassis” (SGT, So-Bli, TA, WW) ein Dorn im Auge. Ausführlich diskutiert wurde zudem die politische Position des Tessiners. Das Parlamentarierrating der NZZ zeigte, dass er seit seinem Amtsantritt als Fraktionspräsident der FDP vom linken Rand der Partei leicht in die Mitte gerückt war. Insbesondere die SVP betrachtete Cassis freilich als den ihr am nächsten stehenden der drei Kandidierenden. Letztlich gab es aber kaum etwas, was die „occasione d'oro per il Ticino” (CdT) behindert hätte. Die zahlreichen giftigen Angriffe auf die Gesundheitspolitik von Cassis konnten ihm scheinbar nichts anhaben. Auch seine doppelte Nationalität bzw. der Umstand, dass er seinen italienischen Pass abgab und damit zwar Applaus von rechts, aber auch Kritik von links erhielt und eher unfreiwillig eine Debatte um die doppelte Nationalität von Mitgliedern von Bundesbehörden lancierte – diskutiert wurde sogar die Frage, ob man als Doppelbürger loyal sein könne –, schadete dem Südschweizer nicht.
Der grosse Trumpf von Isabelle Moret sei, dass sie eine Frau sei, war den Medien zu vernehmen. Die dezidiert bürgerlich politisierende 46-Jährige spreche drei Landessprachen fliessend, sei gut vernetzt, in den über 10 Jahren im Nationalrat aber kaum aufgefallen. Dies beinhalte immerhin auch, dass sie bisher keine Fehler gemacht habe (TA). Moret selber betonte von Anfang an, dass „Frausein” kein politisches Argument sei. Sie wolle lieber mit ihrer Dynamik punkten und frischen Wind ins Europadossier bringen. Sie betonte allerdings auch, dass sie die erste Mutter mit Schulkindern in der Exekutive wäre. Allerdings hinterliess die Anwältin laut verschiedenen Medien in ihrem Wahlkampf keinen überzeugenden Eindruck (WW), wurde von vielen Seiten angegriffen und wirkte ab und zu nicht wirklich souverän (NZZ). Ihr Wahlkampf sei „ungenügend” (SGT) und „harzig” (AZ) und wurde gar als chaotisch bezeichnet (24 Heures).
Pierre Maudet, 39 Jahre alt, wurde als politisches Naturtalent beschrieben. Der forsche und ambitionierte Regierungsrat habe sich innert kurzer Zeit vom Stadtpräsidenten zum Aushängeschild der Kantonsregierung entwickelt, was ihm auch Vergleiche mit dem französischen Präsidenten Emmanuel Macron einbringe (AZ). Sein Nachteil sei allerdings die schwache Vernetzung in Bundesbern. In der Regel würden die Bundesparlamentarierinnen und -parlamentarier einen Bundesrat oder eine Bundesrätin aus den eigenen Reihen vorziehen. Sein Wahlkampf wurde hingegen als exzellent bezeichnet (Blick). Maudet sei vor allem in der Deutschschweiz unterschätzt worden, was das Beste sei, was einem Politiker passieren könne (TA). Vor allem inhaltlich konnte Maudet mit verschiedenen originellen Positionen überzeugen: Er spreche als einziger wirklich „Klartext” (BaZ), gelte in der Europafrage aber als EU-Turbo (WW), was ihn bei der Ratsrechten wohl Stimmen kosten werde.

Die „Kampagne” vor den Bundesratswahlen – eigentlich ein Unding, wenn man bedenkt, dass der Bundesrat von der Vereinigten Bundesversammlung und nicht von der Bevölkerung gewählt wird – nahm ein Ausmass an, das angesichts der Ausgangslage erstaunte. Da die Bundesratswahlen eine in der Schweizer Politik eher seltene Chance für eine Personalisierung der Politik bieten, liefen die Medien auf Hochtouren. In der APS-Zeitungsdokumentation finden sich von Burkhalters Rücktrittsankündigung Mitte Juni bis Ende September mehr als 800 Zeitungsartikel zum Thema Bundesratswahlen. Die FDP selber trug freilich mit geschicktem Politmarketing das Ihre dazu bei, dass die Berichterstattung am Kochen blieb. Mit einer FDP-Roadshow tingelten die Kandidierenden durch die Schweiz. Zahlreiche Homestories, Lifechats, Bevölkerungsbefragungen und gar graphologische Gutachten fanden den Weg in die Presse. Inhaltlich ging es letztlich primär um die Frage, ob die Vertretung der Sprachregion oder die Vertretung der Frauen höher gewichtet werden soll. Oder mit anderen Worten: ob die 20 Jahre Bundesrat ohne Tessiner oder die 30 Jahre ohne FDP-Frau beendet werden sollten. Wirklich inhaltliche Diskussionen wurden hingegen kaum geführt, auch wenn die Aussen- bzw. Europapolitik bzw. der Reset-Knopf, den Cassis in den Verhandlungen mit der EU zu drücken angekündigt hatte, sich angeboten hätten.

Nach der offiziellen Bekanntgabe des Dreiertickets standen am 12. und am 19. September die Hearings auf dem Programm, womit auch die anderen Parteien wieder stärker in den medialen Fokus gerieten. Den Auftakt machte die SVP, deren Parteipräsident Albert Rösti die beiden Romand.e.s stark kritisierte und sich früh für Cassis aussprach. Wichtigstes Kriterium für die Volkspartei sei die Haltung zum Rahmenabkommen mit der EU. Allerdings wurde gemutmasst, dass die Bauern in der SVP-Fraktion wohl eher auf Moret setzen würden, da diese mehr Sympathien für die Anliegen der Landwirtschaft gezeigt habe. Unzufrieden mit dem Dreierticket zeigte sich die SP: „Zwei Super-Lobbyisten und ein Hardliner in der Aussenpolitik” weckten keine Begeisterung (SP-Fraktionspräsident Roger Nordmann in der BZ). Inhaltliche Kriterien stellten die Genossen aber – wie auch die CVP und die GP – nicht auf. Der CVP-Parteipräsident Gerhard Pfister hatte sich allerdings ebenfalls schon früh für die Ansprüche des Tessins, also für Cassis, ausgesprochen. Dieser sei allerdings für einige CVP-Mitglieder zu weit rechts, mutmasste die Zeitung LeTemps. Nach den Hearings zeigten sich die Parteien zwar noch bedeckt – mit Ausnahme der SVP, die demonstrativ für Cassis Stellung bezog –, die Favoritenrolle des Tessiner Kandidaten schien sich allerdings noch einmal verstärkt zu haben. Maudet schien hingegen eher nicht auf Wohlwollen gestossen zu sein. Die SP und die CVP konnten sich nicht auf einen der drei Kandidierenden einigen und gaben entsprechend keine Wahlempfehlung ab – anders als die FDP- und die GLP-Fraktion, die alle drei Kandidierenden empfahlen, die SVP-Fraktion, die sich für Cassis aussprach, die GP-Fraktion, die Moret empfahl, und die BDP-Fraktion, die Maudet auf den Schild hob.

Kurz vor der Ersatzwahl bilanzierte die WOZ die vorherrschende Meinung, dass sich grundsätzlich keine Überraschung abzeichne: Die Bundesratswahlen hätten bisher viel Tamtam, aber nur wenig Spannung verheissen. Mit der Diskussion verschiedener Szenarios versuchten die Medien dieser Spannungslosigkeit entgegenzuwirken. Drei Möglichkeiten, Cassis zu verhindern, seien denkbar: Isabelle Moret könne dank ihrem Frauenbonus und der Unterstützung aller Bauernvertreter sowie mit Hilfe der Stimmen all jener Parlamentarierinnen und Parlamentarier, welche die Frauenfrage möglichst rasch klären wollten, gewinnen; ein Sieg von Pierre Maudet wäre dann möglich, wenn sich die Mehrheit der Bundesversammlung von seinen Fähigkeiten überzeugen liesse. Dies sei durchaus möglich, wenn es ab dem dritten Wahlgang zu einem Zweikampf zwischen Cassis und Maudet kommen würde. Ins Spiel gebracht wurde mit Laura Sadis auch eine Sprengkandidatin, die vor allem bei der Linken auf Unterstützung zählen könnte. Roger Nordmann gab zu Protokoll, dass die Tessinerin in der Tat die Synthese der drei aktuell Kandidierenden gewesen wäre: „Elle a une expérience d’exécutif, elle est italophone et elle a la capacité d’être une femme” (LT). Die Lust der SP auf Experimente halte sich allerdings in Grenzen.

Die Ersatzwahl am 20. September war schliesslich noch weniger spannend, als von den zahlreichen Medien vor Ort befürchtet worden war. Schon im zweiten Wahlgang wurde Ignazio Cassis zum 87. Bundesrat gewählt und zum Nachfolger von Didier Burkhalter gekürt. Der achte Bundesrat aus dem Kanton Tessin hatte bereits im ersten Wahlgang 109 Stimmen erhalten, damit allerdings das absolute mehr von 122 Stimmen verfehlt. Weil die Basler Nationalrätin Sibel Arslan (basta, BS) im ersten Durchgang fehlte, waren lediglich 245 Wahlzettel eingegangen. Die Baslerin erklärte ihr Fernbleiben als stillen Protest gegen den Rücktritt von Bundesrat Burkhalter, dessen Abschiedsrede sie bewegt habe. Wie erwartet splitteten sich die Stimmen für Maudet (62 Stimmen) und Moret (55 Stimmen) auf. Diverse erhielten 16 Stimmen und drei Stimmzettel waren leer geblieben. Weil von den Diversen niemand zehn Stimmen erreicht hatte, wurden keine Namen genannt. Ob also beispielsweise Laura Sadis im Rennen war oder nicht, wird das Geheimnis des Stimmbüros bleiben. Im zweiten Umgang fielen zahlreiche Stimmen für Moret auf Cassis. Die 125 Stimmen reichten dem Tessiner knapp für die absolute Mehrheit. Maudet konnte zwar noch einmal zulegen und erhielt 90 Stimmen, dies reichte allerdings nicht für einen dritten Wahlgang. Moret ihrerseits erhielt lediglich noch 28 Stimmen. Eine Stimme entfiel auf Diverse und zwei Stimmzettel blieben erneut leer – wahrscheinlich stammten sie von den beiden Lega-Parlamentariern, die zwar für eine Tessiner Vertretung waren, nicht aber für Cassis stimmen wollten.
In den Medien wurde gemutmasst, dass vor allem die Stimmen der SVP entscheidend gewesen seien, von denen im ersten Durchgang vereinzelte noch an Moret gegangen, dann aber geschlossen für Cassis eingelegt worden seien. Weil Moret im ersten Wahlgang auch von ihrer eigenen Partei zu wenig Unterstützung erhalten habe, hätte die SP im zweiten Wahlgang umgeschwenkt und ziemlich geschlossen für Maudet gestimmt, um die Wahl von Cassis zu verhindern. Den Namen Moret hätten lediglich noch die Grünen sowie einige Ratsmitglieder aus der BDP, der CVP, der GLP und der SVP auf den Wahlzettel geschrieben.

Cassis erklärte die Annahme der Wahl und bedankte sich bei allen Ratsmitgliedern, auch bei denen, die ihm die Stimme verwehrt hätten. Man könne anderer Meinung sein, letztlich würden aber alle die gleichen übergeordneten Ziele für die Schweiz anstreben. Freiheit sei auch immer die Freiheit der anders Denkenden, zitierte er Rosa Luxemburg, womit er vor allem die Ratslinke überraschte und sichtlich erfreute. Er verspreche vor allem seiner Frau, der Gleiche zu bleiben wie vor der Wahl. Er fühle sich vor allem der Kollegialität verpflichtet und werde als Brückenbauer die ganze Schweiz vertreten. Bereits um 9.30 nahm die Sitzung mit der Vereidigung des neuen Bundesratsmitglieds ihr Ende.

Die Regionen- und Sprachenfrage sei letztlich stärker gewichtet worden als die Frauenfrage, so die Bilanz in den Medien am Tag nach der Wahl. „E la Svizzera è più svizzera”, die Schweiz sei wieder ein bisschen mehr Schweiz, titelte der Corriere del Ticino. Die Wahl von Cassis sei keine Überraschung und Maudet habe eine ehrenvolle Niederlage eingefahren, so die ziemlich einhellige Meinung in den Deutsch- und Westschweizer Medien. Vor wenigen Wochen hätte niemand in Bundesbern den Genfer gekannt und jetzt habe er 90 Stimmen erhalten. Allerdings zeige seine Nichtwahl auch die Schwierigkeiten für einen Kandidierenden, der nicht der Bundesversammlung angehört. Für Moret hingegen, sowie für die Vertretung der Frauen im Bundesrat im Allgemeinen, sei der Ausgang der Wahlen eine Schmach. Verschiedene Politikerinnen kritisierten, dass das Beispiel Moret gezeigt habe, dass an Frauen wesentlich höhere Massstäbe gesetzt würden als an Männer. Die SP habe Cassis nicht verhindern können und müsse sich nun Vorwürfe gefallen lassen, weshalb sie auf Maudet gesetzt und so die Vertretung der Frauen hintergangen habe. Die SP wies die Kritik allerdings an die FDP zurück: Wäre Laura Sadis portiert worden, hätte die SP sie unterstützt. Während sich die Rechte auf einen Mitte-Rechts-Bundesrat freute – Cassis wisse, wem er seine Wahl zu verdanken habe, liess sich SVP-Präsident Rösti nach der Wahl zitieren –, winkte die Linke ab: Es müssten auch im neuen Gremium nach wie vor unterschiedliche Koalitionen geschmiedet werden, so etwa SP-Parteipräsident Christian Levrat. Die WOZ befürchtete allerdings eine Zunahme der Polarisierung. Mit der Wahl von Cassis sei die Kirche aber wieder im Dorf und die Sprachenfrage für eine Weile geregelt. Jetzt müssten die Regionen wieder besser vertreten werden – so der Tenor vor allem aus der Ostschweiz. Verschiedene Politikerinnen forderten zudem eine adäquatere Vertretung von Frauen. Die Idee einer parlamentarischen Initiative, mit der eine angemessene Frauenvertretung in der Verfassung festgeschrieben werden soll, verdichtete sich. Die FDP-Frauen forderten zudem bei der nächsten FDP-Vakanz ein Frauen-Zweierticket.

Über die nach der Ersatzwahl anstehende Departementsverteilung war bereits früh spekuliert worden. Insbesondere Alain Berset waren Ambitionen auf das frei gewordene EDA nachgesagt worden. Allerdings hätte der Departementswechsel von Berset einen unangenehmen Beigeschmack gehabt, weil kurz nach der Departementsverteilung die Abstimmung zur Altersreform 2020 anstand, für die Berset mit Herzblut geworben hatte. Der Wechsel ins Aussendepartement hätte von der Stimmbevölkerung als Flucht interpretiert werden können. Der Bundesrat solle deshalb mit der Departementsverteilung warten, forderte der ehemalige SVP-Präsident Toni Brunner (svp, SG) kurz vor den Bundesratswahlen in der Presse. Wenn nämlich die AHV-Vorlage verloren ginge, wäre Berset nicht mehr der richtige Innenminister. Ende September kam es dann aber schliesslich zur mehrheitlich erwarteten Departementsverteilung. Das freie EDA wurde vom neuen Kollegiumsmitglied Ignazio Cassis übernommen. Er setzte damit eine eigentliche Tradition fort, da Tessiner Bundesräte sehr häufig als Aussenminister amteten. Die Italianità und seine Vielsprachigkeit dürften Vorteile des neuen EDA-Chefs sein. Mit ein Grund dafür, dass sonst alles beim Alten blieb, dürfte auch die im Vorfeld der Bundesratswahl gemachte Aussage von Cassis gewesen sein, dass es vielleicht nicht gut sei, wenn er mit seinen Verbindungen das Innendepartement übernehmen würde. Cassis werde als Aussenminister „der bessere Burkhalter” sein, weil er mehr Verständnis für die Deutschschweiz habe, besser kommuniziere und mehr Kampfgeist habe, urteilte der Tages-Anzeiger. Auf ihn wartet nun das komplexe Europadossier – und zahlreiche Erwartungen von links bis rechts.

Bundesratsersatzwahl 2017 – Nachfolge Didier Burkhalter
Dossier: Élection du Conseil fédéral depuis 2008

A l'invitation de la Neue Zürcher Zeitung, les président-e-s des quatre plus grands partis échangent leurs points de vue sur leur idée de la patrie (ou "Heimat" en allemand). Petra Gössi pour le Parti libéral-radical et Albert Rösti pour l'Union démocratique du centre citent l'élément de la nature comme constitutif de leur vision de la partie. Pour les deux également, la patrie est l'endroit où l'on se sent à l'aise, en sécurité et où l'on a ses proches. Le président du Parti socialiste, Christian Levrat, quant à lui construit son image de la patrie autour de la variété et du vivre ensemble entre différentes cultures, langues et religions. Gerhard Pfister – président du Parti démocrate chrétien – fait également mention de la diversité et cite pour exemple son canton d'origine, Zoug, comme étant une Suisse en miniature – un canton où la campagne et le monde international se côtoient.
Les chef-fe-s de partis ont également réagi aux réponses d'un questionnaire sur cette idée de la patrie, fait par l'institution et musée "Stapferhaus" de Lenzbourg en Argovie. Celui-ci révèle que les 1000 suisses interrogés lient leur sentiment de patrie principalement aux humains y vivant, aux paysages et aux traditions. L'importance de la nature ressort fortement de ce sondage – les montagnes y prenant une signification particulière – et cela même pour les citadins. Selon le politologue Michael Hermann qui a analysé les résultats, la nature ferait même office d'agrafe patriotique. Par ailleurs, les personnes estimant que la patrie est en danger (la moitié des sondé-e-s) citent en premier lieu la destruction de la nature, puis le bétonnage intensif et troisièmement les cultures étrangères comme sources de menace.
Albert Rösti voit dans ces différentes menaces un vecteur commun qu'est l'immigration et postule que les Suisses et Suissesses se rattachent à une langue et à des valeurs communes. Il rappelle, par ailleurs, que tous ceux habitant en Suisse doivent respecter l'ordre juridique ainsi que la Constitution fortement teintée – tout comme l'hymne national – de christianisme. Christian Levrat fait remarquer que la Suisse ne possède pas qu'une langue commune et n'est pas faite que d'une seule culture unie. A la culture chrétienne prônée par les présidents de l'UDC et du PDC, il oppose la Suisse moderne et libérale fondée en 1848. Petra Gössi, quant à elle, estime, tout comme Christian Levrat, que la Suisse est un Etat séculaire, reposant sur les valeurs des Lumières et de la liberté. Malgré tout, elle considère qu'une Suisse multiculturelle ne peut fonctionner. Gerhard Pfister, en réponse aux propos de Christian Levrat, est de l'avis que la gauche sous-estime l'apport et l'influence du christianisme sur notre société, et considère que le christianisme (ainsi que le judaïsme) a été le socle de la démocratie. Ce dernier estime également que cette peur de la destruction de la nature est à lier avec la peur de la croissance. Le oui à l'initiative dite "d'immigration de masse" est un signe qui irait en ce sens.
L'une des autres menaces ressortant du questionnaire est la globalisation. Celle-ci est perçue différemment par les quatre président-e-s. Pour le chef de file du Parti socialiste, l'évolution du droit international est l'un des aspects positifs de ce phénomène, car cela permet de contrôler les firmes multinationales. Le président de l'UDC, quant à lui, considère que la libre circulation des matières est fondamentale pour le bon fonctionnement de l'économie, mais que celle-ci ne doit surtout pas s'accompagner de la libre circulation des personnes – vue comme non-compatible avec le sentiment de patrie. Petra Gössi reconnait que la globalisation et les changements rapides qu'elle implique font peur et estime que le rôle de la politique est de préparer au mieux les gens devant subir ses effets négatifs. Finalement, Gerhard Pfister voit un contre-mouvement à ce phénomène de globalisation où cette idée de patrie deviendrait de plus en plus importante pour la population.

Les chefs des trois plus grands partis échangent leurs points de vue sur leur idée de la patrie

Die von-Wattenwyl-Gespräche dienen den Parteispitzen als wichtige Möglichkeit des Austausches. In der Regel trifft sich eine Delegation des Bundesrates mit den Partei- und Fraktionspräsidenten der Regierungsparteien, um zentrale Geschäfte und Anliegen im Vorfeld der Sessionen zu diskutieren und zu koordinieren. Im Gegensatz zu 2015 war die BDP nach dem Ausscheiden von Eveline Widmer-Schlumpf nicht mehr an die Gespräche eingeladen.
Die Themen blieben bei den ersten Gesprächen Anfang Februar allerdings dieselben wie schon 2015: Die Legislatur- und Finanzplanung sowie die Umsetzungsarbeiten zum Verfassungsartikel 121a (Steuerung der Zuwanderung) und die Flüchtlingssituation in Europa und der Schweiz.
Zu den zweiten Gesprächen im Mai 2016 traten die Parteien mit drei neuen Präsidien an. Bei der FDP hatte Petra Gössi das Zepter übernommen, die CVP wurde neu von Gerhard Pfister präsidiert und bei der SVP war Albert Rösti neu an die Parteispitze gewählt worden. Gegenstand der Diskussionen war der Sprachenstreit, der durch die Diskussionen um den Frühsprachenunterricht in den Kantonen angeheizt worden war. Im Bereich der internationalen Finanzpolitik wurde die Vermeidung eines möglichen Reputationsschadens für die Schweiz durch die Übernahme internationaler Regulierungen diskutiert. Schliesslich informierte der Bundesrat über die Weiterentwicklung der Armee.
Im August wurde auf Anregung von Bundeskanzler Thurnherr entschieden, die von-Wattenwyl-Gespräche des dritten Quartals künftig in Form einer Klausur durchzuführen. An der nach wie vor freien und informellen Diskussion über wichtige politische Anliegen soll neu der Gesamtbundesrat teilnehmen. Damit soll den Gesprächen ein höherer Stellenwert zugemessen werden. Der früher substanzielle Austausch, der als Zeichen der funktionierenden Konkordanz bewertet wurde – die NZZ sprach von einem eigentlichen Schmiermittel der Konkordanz –, laufe immer mehr Gefahr, ein Leerlauf zu werden oder zu reinen Alibi-Gesprächen zu verkommen. Die einzige Möglichkeit für ein Treffen zwischen Regierung und Bundesratsparteien sei aber wichtig, um Möglichkeiten und Strategien auszuloten. Fix auf der Agenda soll eine Diskussion über die Jahresziele des Folgejahres stehen.
Erstmals trat die Exekutive also am 2. September 2016 in corpore zu den Gesprächen an. Neben den Jahreszielen 2017 des Bundesrates, die Schwerpunkte in der Finanzpolitik, im Infrastrukturbereich, der Bildung und der Europapolitik vorsehen, wurden die Lage im Asylwesen und die durch den Brexit schwieriger gewordenen Verhandlungen mit der EU diskutiert.
Bei den letzten Gesprächen des Jahres Mitte November nahm dann wieder nur eine Delegation des Bundesrates teil. Ueli Maurer informierte über die finanzpolitische Lage und plädierte für eine Annahme des Stabilisierungsprogramms 2017-2019. Im Rahmen der Europapolitik wurde auch über die im Dezember anstehende Entscheidung zur Umsetzung der Masseneinwanderungsinitiative, die Rasa-Initiative und den Brexit diskutiert.

Von-Wattenwyl-Gespräche seit 2013

Ende November erschien das NZZ-Parlamentarierrating 2016 und bildete das erste Jahr nach den Wahlen 2015 ab. Der Rechtsrutsch der Wahlen zeichnete sich im Rating deutlich ab. Der Median der Positionen aller Parlamentarierinnen und Parlamentarier, die aufgrund paarweiser Vergleiche des Abstimmungsverhaltens während der vier vergangenen Sessionen errechnet werden, rückte auf der Skala von -10 (absolut links) bis + 10 (absolut rechts) von 0.8 (2015) auf 1.7. Gleich drei SVP-Fraktionsmitglieder nahmen die rechte Extremposition (10) ein: Marcel Dettling (SZ), Erich Hess (BE) und, wie bereits 2015, Pirmin Schwander (SZ). Lisa Mazzone (gp, GE) positionierte sich mit einem Wert von -9.6 am linken Extrempol.
Vom Rechtsrutsch habe – gemessen an der Anzahl gewonnener Abstimmungen im Rat – vor allem die FDP, kaum aber die SVP profitiert, so die Studie. Bei den Parteien zeigten sich insgesamt nur leichte Verschiebungen. So hatte sich die SVP noch einmal nach rechts verschoben und nahm insgesamt den Wert 8.0 ein (2015: 7.7.). Jean-Pierre Grin (VD) besetzte mit 6.3 die moderateste Position in der Volkspartei. Damit war er dennoch ziemlich weit vom am meisten rechts stehenden FDP-Fraktionsmitglied entfernt: Bruno Pezzatti (ZG) erreichte einen Wert von 3.4. Den linken Rand der FDP, die sich im Vergleich zu 2015 nicht verändert hatte und fraktionsübergreifend konstant bei 2.2 blieb, nahm erneut Christa Markwalder mit 1.4 ein. Damit war die Bernerin leicht linker positioniert als Daniel Fässler (AI), der mit 1.9 den rechten Rand der CVP besetzte. Den Gegenpol bei den Christlichdemokraten nahm Barbara Schmid-Federer (ZH) mit -0.9 ein. Auch die CVP blieb im Vergleich zu 2015 konstant bei 0.6. Innerhalb des Spektrums der CVP-EVP-Fraktion fand sich die BDP (0.9: Hans Grunder, BE bis -0.5: Rosmarie Quadranti, ZH), die leicht nach links gerutscht war (0.2). Deutlich am linken Rand der CVP-Fraktion positionierte sich die EVP mit Maja Ingold (ZH, -2.8) und Marianne Streiff-Feller (BE, -3.1). Einen Linksrutsch verzeichnete auch die GLP, die sich bei -2.7 positionierte und sich wie schon 2015 sehr geschlossen zeigte. Nur gerade 0.5 Skalenpunkte trennten Kathrin Bertschy (BE, -2.8) von Martin Bäumle (ZH, -2.3). Etwas geschlossener als 2015 zeigte sich auch die SP, die fraktionsübergreifend bei -8.3 zu liegen kam. Chantal Galladé (ZH, -6.6) fuhr dabei den sozialliberalsten Kurs. Gleich drei Fraktionsmitglieder positionierten sich beim linken Extremwert der SP, bei -9.1: Bea Heim (SO), Susanne Leutenegger Oberholzer (BL) und Silvia Schenker (BS). Die Grünen schliesslich positionierten sich insgesamt bei -9.0 und die Fraktionsmitglieder überlappten sich stark mit der SP: Daniel Brélaz (VD, -7.9) zeigte sich dabei sogar noch etwas rechter als die gesamte SP.
Die Forschungsstelle Sotomo, welche das Rating durchführte, wertete auch 2016 den Ständerat aus. Erneut zeigte sich eine geringere Polarisierung als in der grossen Kammer. Zwar lagen auch in der kleinen Kammer die Extremwerte weit auseinander, Lilian Maury Pasquier (sp, GE, -9.5) und Peter Föhn (svp, SZ, 9.8) fanden sich aber ziemlich alleine auf weiter Flur. Alle anderen Ständeratsmitglieder befanden sich zwischen -6.2 (Christian Levrat, sp, FR) und 7.3 (Hannes Germann, svp, SH).

Nationalratsrating

In der Woche nach der Schlussabstimmung in den eidgenössischen Räten über das revidierte BÜPF stellte sich – wie von SVP-Nationalrat und Komitee-Chef Franz Grüter (svp, LU) bereits seit längerem angekündigt – das Referendumskomitee „Stop BÜPF“ vor. Ihm gehörten neben der Piratenpartei, der Alternativen Liste und der Partei der Arbeit auch die Jungfreisinnigen, die Jungen Grünliberalen, die Junge SVP sowie die Juso an. Dazu kamen sieben zivilgesellschaftliche Organisationen, namentlich die Digitale Gesellschaft, der Verein Grundrechte, Operation Libero, die Internet Society Schweiz, der Chaos Computer Club Schweiz, die Stiftung pEp und Wilhelm Tux. Diese ungewöhnliche Allianz von Jungparteien von links bis rechts deutete darauf hin, dass in dieser Frage weniger ein parteiideologischer als vielmehr ein Generationenkonflikt vorlag. Mitte April präsentierte das Komitee seine Argumente. Im Zentrum der Kritik stand einerseits die als „unverhältnismässig“ angesehene Vorratsdatenspeicherung, bei der zwar die Frist zur Aufbewahrung der Daten nicht verlängert, aber der Kreis der Anbieter, die Daten für die Behörden bereithalten müssen, ausgeweitet wurde. Andererseits störten sich die BÜPF-Gegner an den Staatstrojanern, die fortan in fremde Computersysteme eindringen und so verschlüsselte Kommunikation abhören können. Besonders stossend sei hierbei, dass die Staatstrojaner bestehende Sicherheitslücken ausnutzen sollen, wodurch ein „legaler Schwarzmarkt von Sicherheitslücken“ geschaffen werde, so Norbert Bollow, Präsident der Digitalen Gesellschaft. Zum Abhören verschlüsselter Kommunikation gebe es auch andere Mittel, betonte JGLP-Co-Präsident Pascal Vuichard und verwies auf die Firma Skype, welche auf Gerichtsbeschluss hin mit den Behörden kooperiere. Vonseiten der IT-Anbieter kritisierte Jean-Marc Hensch, Geschäftsführer des Branchenverbandes Swico, die „überrissenen Mitwirkungspflichten“, da auch kleinere Anbieter einen automatischen Zugriff der Behörden auf ihre Systeme einrichten müssten. Im Grundsatz war sich das Komitee einig, dass die Privatsphäre nicht auf Vorrat eingeschränkt werden solle – mit den Worten von Juso-Präsident Fabian Molina: „Im Zweifel für die Freiheit.“ Ebenfalls im April trat die SP nach einem entsprechenden, äusserst knappen Beschluss der Delegiertenversammlung dem Referendumskomitee bei, allerdings gegen den Widerstand ihres Parteipräsidenten Christian Levrat (sp, FR) und entgegen der Mehrheit der Bundeshausfraktion, die das BÜPF im Parlament gutgeheissen hatte.
Einen Monat vor Ablauf der Referendumsfrist am 7. Juli 2016 wurde bekannt, dass die Unterschriftensammlung bis anhin harzig verlaufen war und deshalb noch rund die Hälfte der benötigten 50'000 Unterschriften fehlten. Daraufhin erklärte Juso-Präsident Fabian Molina den Abbruch der offiziellen Unterschriftensammlung. Er zeigte sich enttäuscht über die schwache Sammelleistung der bürgerlichen Jungparteien und glaubte nicht mehr an den Erfolg des Referendums. Die Allianzpartner ihrerseits bezeichneten den Rückzug Molinas als feige und unzuverlässig und beklagten auch das mangelnde Engagement der Juso, welche das Unterschriften-Soll auch nicht erfüllt hätten. Dennoch wollten sie nicht aufgeben und setzten die Unterschriftensammlung auch ohne Beteiligung der Juso fort. Ende Juni sah es denn auch tatsächlich danach aus, dass sich der Einsatz im Schlussspurt gelohnt hätte: Das Komitee verkündete, 55'000 Unterschriften erhalten zu haben, die lediglich noch beglaubigt werden müssten. Nach dem Austritt der Juso habe sich ein „gewaltiger Alarmismus“ breitgemacht, der die Sammler zusätzlich anspornte, erklärte Hernani Marques vom Chaos Computer Club. Er zeigte sich zuversichtlich, dass mindestens 51'000 gültige Unterschriften beisammen seien und das Referendum damit zustande komme.
Wie sich am Tag des Ablaufs der Referendumsfrist herausstellte, hatte sich das Komitee jedoch verkalkuliert. Von den gut 55'000 gesammelten Unterschriften trafen nur rund 45'000 rechtzeitig beglaubigt ein, damit sie bei der Bundeskanzlei hätten eingereicht werden können. Damit war das Referendum im allerletzten Moment gescheitert. Für das Komitee sei es eine „gewaltige Enttäuschung“. Schuld daran seien aber weder die Sammlerinnen und Sammler noch die Gemeinden, sondern das Komitee selbst, das in der Anfangsphase zu viel Zeit verloren habe, gab es in einer Mitteilung bekannt. Damit wird das BÜPF wie von den eidgenössischen Räten verabschiedet in Kraft treten.

BÜPF-Revision (BRG 13.025)
Dossier: Surveillance étatique

2014 schlug der Parteipräsident der SVP, Toni Brunner (svp, SG), der FDP flächendeckende Listenverbindungen für die eidgenössischen Wahlen im Herbst 2015 vor. Laut Medien erklärte sich die SVP dazu bereit, in kleinen Kantonen auf eigene Kandidierende zu verzichten, wenn überall sonst eine Allianz gebildet werde. Die FDP tat sich allerdings schwer mit diesem Angebot. Rein rechnerisch sind Listenverbindungen für den kleineren Partner in der Regel nicht vorteilhaft. Aber auch inhaltlich sahen zahlreiche FDP-Kantonalsektionen zu wenig Nähe zur SVP, um eine Zusammenarbeit einzugehen.
Vor diesem Hintergrund erteilte FDP-Parteipräsident Philipp Müller (fdp, AG) der SVP im Januar 2015 eine Absage für flächendeckende Listenverbindungen. In einzelnen Kantonen sei dies denkbar, die Basis sei aber in der grossen Mehrheit gegen eine engere Zusammenarbeit mit der SVP, die sich zusehends «radikalisiere», so Müller. Auch ein inhaltlicher bürgerlicher Schulterschluss – ein solcher war zusammen mit SVP und CVP vor allem in Wirtschaftsfragen geplant – dürfe nicht «zur Selbstaufgabe führen»; wenn sich die FDP der nach rechts driftenden SVP annähere, würde sie ihr «historisches Erbe» aufgeben. Die Weltwoche machte aus dem bürgerlichen Schulterschluss flugs einen «bürgerlichen Schulterschuss».
Bei einigen aktuellen kantonalen Parlaments- und Regierungswahlen (z.B. Luzern, Zürich oder Basel-Landschaft) war die Zusammenarbeit zwischen FDP und SVP zwar durchaus erfolgreich gewesen, kantonale Wahlen seien aber nicht das gleiche wie nationale Wahlen. Die nationale FDP-Parteispitze empfahl deshalb im Mai 2015 den Kantonalsektionen aus wahlarithmetischen und inhaltlichen Gründen, auf Listenverbindungen zu verzichten. Der Alleingang schärfe das Profil und demonstriere Unabhängigkeit, verteidigte der FDP-Präsident diese Empfehlung in den Medien. Das System Schweiz sei «nicht geeignet für verpflichtende Allianzen».
Letztlich verbanden sich die SVP und die FDP lediglich in den Kantonen Aargau, Basel-Landschaft und Schaffhausen. Die Nicht-Allianz zwischen den beiden Parteien trieb dabei seltene Blüten: Im Kanton Waadt nahm die jahrzehntelange Zusammenarbeit – als «exception vaudoise» bekannt – ein Ende. Und im Kanton Luzern verbanden sich die «Schwarzen» (FDP) zum ersten Mal überhaupt mit den «Roten» (CVP), was als Folge des verhinderten Zusammengehens von FDP und SVP interpretiert wurde.

FDP gegen Listenverbindungen mit der SVP

Im September präsentierte die NZZ das von Sotomo errechnete Parlamentarierrating 2015. Die ideologische Ausrichtung aller Parlamentsmitglieder wird mit Hilfe paarweiser Vergleiche aller Parlamentarierinnen und Parlamentarier hinsichtlich ihres Abstimmungsverhaltens berechnet. Die Skala reicht von -10 (ganz links) bis +10 (ganz rechts). Die rechte Extremposition wurde im Rating 2015 von Pirmin Schwander (svp, SZ) und Lukas Reimann (svp, SG) besetzt. Am linken Rand fand sich mit einem Wert von -9.5 Christine Häsler (gp, BE).
Am deutlichsten rechts und zwar ohne Überschneidung mit anderen Fraktionen stand die SVP, deren Mitglieder zwischen 6.3 (Jean-Pierre Grin, VD) und 10 positioniert wurden. Die FDP-Mitglieder schwankten zwischen 1.6 (Christa Markwalder, BE) und 4.1 (Hans-Peter Portmann, ZH) und überschnitten sich damit sowohl mit der BDP (0.9: Rosmarie Quadranti, ZH bis 2.1: Urs Gasche, BE) als auch teilweise mit der CVP, bei der Gerhard Pfister (ZG) und Ruedi Lustenberger (LU) mit dem Wert von 3.0 den rechten und Jacques Neirynck (VD) mit -1.6 den linken Rand abdeckten. Die beiden EVP-Vertreterinnen, die der CVP-EVP-Fraktion angehören, waren dabei pointierter links (-2.8) als der Rest der CVP-Fraktion. Die GLP-Fraktion zeigte sich ziemlich geschlossen und links der Mitte. Bei den Grünliberalen wurden die Extreme von Thomas Böhni (TG, -1.7) und Martin Bäumle (ZH, -1.2) eingenommen. In ihrem Gesamtwert von -8.0 deckungsgleich zeigten sich die Grünen und die SP. Während die Genossinnen und Genossen Extremwerte zwischen -9.1 (Carlo Sommaruga, GE und Susanne Leutenegger Oberholzer, BL) und -5.7 (Daniel Jositsch, ZH) einnahmen, fanden sich bei den Grünen Christine Häsler (-.9.5) und Yvonne Gilli (SG, -6.8) an den Fraktionspolen.
Der Median des gesamten Nationalrats lag bei 0.8; das Parlament politisierte also leicht rechts der Mitte. Die Studie stellte bei der Analyse der gesamten 49. Legislatur allerdings im Vergleich mit der 48. Legislatur einen Linksrutsch fest. Insbesondere in der Verkehrs- und Energiepolitik habe Mitte-Links erfolgreich koaliert.

Erstmals konnte aufgrund der neu eingeführten elektronischen Stimmanlage auch der Ständerat vermessen werden. Insgesamt zeigte sich in der kleinen Kammer eine wesentlich schwächere Polarisierung als bei der Volksvertretung. Zwar gab es auch im Ständerat Extrempositionen – Robert Cramer (gp, GE) mit -9.6 zur Linken und Peter Föhn (svp, SZ) mit 9.6 zur Rechten –, die überwiegende Mehrheit der Ständerätinnen und Ständeräte fanden sich aber zwischen den Werten -4 bis +5.

Nationalratsrating

Am 6. Mai 2015 leitete ein NZZ-Artikel eine eigentliche Kaskade ein, die später als „Kasachstan-Affäre” nicht nur zahlreiche Diskussionen und Vorstösse zu Lobbyismus- und Kommissionsgeheimnisregelungen im Bundeshaus auslöste, sondern auch Gesuche der Bundesanwaltschaft, zwei Parlamentsmitgliedern die Immunität zu entziehen, provozierte.

Der NZZ-Journalist Markus Häfliger hatte gestützt auf E-Mails, die Unbekannte ins Internet gestellt hatten, recherchiert, dass eine von Christa Markwalder (fdp, BE) eingereichte Interpellation formale Ungereimtheiten aufweist. Der Vorstoss war von Marie-Louise Baumann, Senior Advisor bei der PR-Firma Burson-Marsteller, ausformuliert worden, die wiederum von einem kasachischen Politiker hierfür finanziell honoriert worden war. Entsprechend konnten im Vorstoss starke Überarbeitungen aus Kasachstan selbst ausgewiesen werden. Dass Vorstösse von Parlamentarierinnen und Parlamentariern von Dritten formuliert werden, ist nicht selten. Dass allerdings ein autokratisches Land indirekt Einfluss nimmt und dafür bezahlt, sei weniger alltäglich – so Häfliger in der NZZ. In der Interpellation war der Bundesrat angefragt worden, wie er die Demokratisierungsprozesse in Kasachstan und die Partei Ak Schol – die indirekte Auftraggeberin der Interpellation – unterstütze. Markwalder habe zudem drei von Baumann formulierte und von den kasachischen Auftraggebern überarbeitete Fragen zu Kasachstan in der APK-NR eingereicht. In einer ersten Reaktion im NZZ-Artikel selber gab Markwalder zu Protokoll, nicht gewusst zu haben, dass Baumann sich derart eng mit Kasachstan abgesprochen habe. Sie habe in guter Absicht gehandelt und es handle sich letztlich um eine harmlose Interpellation, von der andere finanziell profitiert hätten, was sie ärgere. Sie sei wohl zu gutgläubig gewesen.

Die Reaktionen am nächsten Tag in der Presse waren zuerst noch zurückhaltend. Von „käuflicher” (AZ) oder „ferngesteuerter” Politik (Blick) war die Rede und davon, dass man es mit CHF 7'000 – die Summe die Burson-Marsteller für das Verfassen und Überarbeiten der Interpellation verlangt hatte – ins Bundeshaus schaffe (Le Matin). Hinterfragt wurden zunächst die „kasachischen Verflechtungen” (NLZ) der Berner FDP-Politikerin.
In der Folge nahm die mediale Debatte dann aber Fahrt in zweifache Richtung auf. Auf der einen Seite wurde der Lobbyismus diskutiert. „Politik-Einflüsterer” hätten Konjunktur und Lobbying sei ein lukratives Business (AZ). Die „Käuflichkeit von Politikern” sei „pikant” (WW). Allerdings – so die Meinung in den meisten Medien – sei das Milizsystem bei der Formulierung von Vorstössen auf ausserparlamentarische Expertise angewiesen. Weil ein breiter Mitarbeiterstab fehle, würden sich die meisten Parlamentarierinnen und Parlamentarier etwa von Mitgliedern der Bundesverwaltung oder Vertreterinnen und Vertretern von Verbänden und NGO's Vorstösse zumindest vorformulieren lassen. Zahlreiche Parlamentsmitglieder nahmen Christa Markwalder entsprechend in Schutz. Gefordert wurde aber mehr Transparenz und eine Reform des Badge-Systems, also der Zulassungsregeln von Lobbyisten ins Bundeshaus. Weil zahlreiche entsprechende parlamentarische Vorstösse allerdings bisher chancenlos geblieben waren, spielte Thomas Minder (parteilos, SH) mit dem Gedanken, eine Volksinitiative zu lancieren, und zahlreiche Parlamentarier kündigten an, neuerliche Vorstösse für mehr Transparenz zum „krass unterreglementierten Lobbying” (AZ) zu lancieren.

Auf der anderen Seite geriet die Person Christa Markwalder immer stärker ins Zwielicht. Die Bernerin sei selber eine „knallharte Lobbyistin” – vor allem für die Krankenkassen – und so stark verbandelt, dass sie den Überblick verliere (Blick). Ein gefundenes Fressen war die Geschichte für die Sonntags-Medien. Die Sonntagszeitung fand heraus, dass die Antworten, die Markwalder auf ihre Fragen an die APK-NR erhalten hatte, an Kasachstan weitergeleitet worden waren, obwohl es sich dabei vermutlich um Dokumente gehandelt habe, die dem Kommissionsgeheimnis unterstellt seien. Markwalder dementierte, Dokumente weitergegeben zu haben; sie habe sie lediglich mit Baumann geteilt. Die FDP stellte allerdings in einer Medienmitteilung klar, dass Markwalder von der Zusammenarbeit zwischen Kasachstan und Baumann gewusst habe, aber nicht genügend transparent informiert worden sei. Die Partei verlangte von Markwalder und Baumann vollständige Transparenz und eine Offenlegung aller Dokumente. In der Presse wurden erste Forderungen der Ratsrechten laut, dass die designierte Nationalratspräsidentin ihr Amt im kommenden Jahr nicht antreten dürfe. Markwalder bezeichnet das Ganze als „Rufmordkampagne”; sie sehe sich als Medienopfer (TA) und die letzten Tage seien für sie „die Hölle” gewesen (Blick).
Ende Mai gab die Bundesanwaltschaft bekannt, dass gegen Markwalder zwei Strafanzeigen von Privatpersonen eingegangen seien und sie Ermittlungen aufnehmen wolle, wenn die Immunität der Bernerin aufgehoben werde, wonach sie ersuche. Die APK-NR entschied sich ihrerseits mit 18 zu 0 Stimmen bei 5 Enthaltungen, keine Strafanzeige wegen Amtsgeheimnisverletzung einzureichen. Die Kommission entschied sich gar mit 14 zu 9 Stimmen (1 Enthaltung) dafür, die besagten Dokumente (die Fragen von Markwalder und die Antworten des Bundesrates) zu veröffentlichen. Auch das Büro-NR beschloss Anfang Juni, auf disziplinarische Massnahmen gegen Markwalder zu verzichten, da diese das Amtsgeheimnis zwar verletzt habe, aber nur geringfügig. Ein Teil des Parlaments applaudierte nach der Bekanntgabe des Büros, um Solidarität zu signalisieren. Zwar stand eine Entscheidung über die Forderung der Bundesanwaltschaft zur Aufhebung der Immunität noch aus, die Presse zeigte sich ob der starken Rückendeckung für Markwalder aber doch einigermassen erstaunt. „Même pas une tape sur les doigts”, wunderte sich etwa Le Temps. Die Classe Politique beschütze sich wieder einmal gegenseitig, liess sich Christoph Mörgeli (svp, ZH) im Blick zitieren. Die Parlamentsmitglieder hätten „nicht begriffen, dass ihre Glaubwürdigkeit auf dem Spiel” stehe. Die Angelegenheit dürfe nicht als erledigt betrachtet werden (TA).
Noch einmal aufgekocht wurde die Affäre, weil im Nachgang des Entscheids des Büros bekannt wurde, dass weitere Dokumente an Kasachstan weitergegeben worden waren, die aber nicht in die Beurteilung der APK-NR eingeflossen zu sein schienen. In der Tat hatte Markwalder auch Antworten des Bundesrates zu Tschechien und Bosnien weitergegeben. Die SVP forderte, den Fall nicht einfach ad acta zu legen oder aber über eine generelle Aufhebung des Kommissionsgeheimnisses nachzudenken.
Die Immunitätskommission des Nationalrats (IK-NR) nahm dann den Ball Anfang Juli wieder auf. Zwar entschied sich die IK-NR, nachdem sie festgestellt hatte, dass die strafrechtlich relevanten Tätigkeiten mit dem Parlamentsmandat zusammenhängen, und auf das Gesuch der Bundesanwaltschaft eingetreten war, die Immunität der Bernerin nicht aufzuheben. Sie forderte das Büro-NR aber mit 4 zu 4 Stimmen und einer Enthaltung bei Stichentscheid des Vizepräsidenten (Gerhard Pfister; cvp, ZG) auf, nochmals auf den Entscheid zurückzukommen und Disziplinarmassnahmen zu ergreifen. Das Kommissionsgeheimnis dürfe nicht ausgehöhlt werden, begründete Pfister den Entscheid. Mitte August bestätigte die Rechtskommission des Ständerats (RK-SR) den Entscheid der IK-NR: Einstimmig trat sie auf das Gesuch ein und mit 10 zu 0 Stimmen bei einer Enthaltung entschied sie, die Immunität nicht aufzuheben. Das Verhalten der Berner Freisinnigen sei zwar wenig besonnen und unvorsichtig gewesen und die Weitergabe der Dokumente zu Tschechien und Bosnien sei kritisch zu beurteilen, eine Aufhebung der Immunität sei aber nicht zu rechtfertigen.
Mitte August entschied das Büro-NR schliesslich, nicht auf die Forderung der IK-NR einzutreten. Es gebe keine neuen Fakten, die ein Rückkommen auf den ursprünglichen Entscheid rechtfertigten. Allerdings fordert das Büro eine umfassende Auseinandersetzung über Lobbyismus. Die zur Zeit dieser Forderung hängigen 13 Vorstösse zum Thema zeigten deutlich, dass eine vertiefte Diskussion angezeigt sei. Damit war Markwalder definitiv aus dem Schneider.

Die „Affäre Markwalder” (AZ) war vollends zur Kasachstan-Affäre geworden, als bekannt wurde, dass Walter Müller (fdp, SG) und Christian Miesch (svp, BL) eine von Burson-Marsteller organisierte Reise ins autokratische Land unternahmen, ohne selber für die Reisekosten aufgekommen zu sein. Das Geld sei von Kasachstan aus geflossen. Müller, welcher der Freundschaftsgruppe Schweiz-Kasachstan angehört, gab zu Protokoll, weder gewusst zu haben, dass die Reise von Kasachstan bezahlt worden war, noch dass die organisierende PR-Agentur mit Kasachstan verbandelt sei. Die Juso reichte bei der Bundesanwaltschaft Klage wegen Verdachts auf Vorteilnahme gegen Müller ein. Weil Miesch zum Zeitpunkt der Reise noch nicht im Nationalrat sass, wurde gegen ihn keine Anzeige eingereicht. Müller, der von seiner eigenen Partei gerügt wurde, wollte das Geld für die Reise zurückzahlen.
Die IK-NR beriet das Gesuch der Bundesanwaltschaft um Aufhebung der Immunität von Müller (15.191) an der gleichen Sitzung, an der sie auch den Entscheid zu Christa Markwalder gefällt hatte. Müllers Immunität wurde einstimmig nicht aufgehoben. Die Reise stehe im Zusammenhang mit seinem Mandat, weshalb auf das Gesuch einzutreten sei. Müller habe sich zwar nicht an die Empfehlungen zum Korruptionsstrafrecht gehalten, die institutionellen Interessen würden jedoch die rechtsstaatlichen überwiegen. Zum gleichen Schluss kam die RK-SR, die einstimmig Eintreten beschloss und mit 10 zu 2 Stimmen entschied, Müllers Immunität nicht aufzuheben. Allerdings wünschte sich die ständerätliche Kommission, dass die Empfehlungen für Reisen von Parlamentsmitgliedern durch das Büro verbindlicher formuliert werden.

Ein Nachspiel hatte die Affäre auch für die Lobbyistin Marie-Louise Baumann. Sie wurde aus dem Bundeshaus verbannt, musste also den Badge, den sie von Corina Eichenberger (fdp, AG) erhalten hatte, zurückgeben. Sie entschuldigte sich öffentlich bei Markwalder und zeigte sich über den Verlauf der Affäre erschüttert. Die Standesskommission der Schweizerischen Public Affairs Gesellschaft (SPAG) kam zudem zum Schluss, dass Baumann die Standesregeln nicht vollständig beachtet habe, und sprach eine Rüge aus. Es liege zwar keine Täuschung vor, aber sie hätte mehr Transparenz schaffen müssen; die Kommunikation sei nicht optimal gewesen. Die 69-Jährige kündigte an, ihre Tätigkeit als Lobbyistin im Parlament per Ende der Legislatur zu beenden. Zudem wurde die Zusammenarbeit zwischen Burson-Marsteller und Baumann beendet.

Das Thema Lobbying, aber auch die Diskussion um den Rahmen des Kommissionsgeheimnisses, liessen in der Folge das Parlament eine Weile nicht mehr los.

"Kasachstan-Affäre"
Dossier: Lobbyisme au palais fédéral

Anfang März 2015 standen die Präsidenten der drei bürgerlichen Parteien CVP (Christophe Darbellay; cvp, VS), FDP (Phillip Müller; fdp, AG) und SVP (Toni Brunner; svp, SG) vor die Medien, um einen bürgerlichen Schulterschluss in der Wirtschaftspolitik anzukünden. Mit Hilfe eines Programms, das möglichst viele gemeinsame Punkte wie etwa ein Verbot neuer Steuern in den nächsten fünf Jahren oder die Bekämpfung administrativer Kosten für Unternehmen enthalte, wolle man einen einheitlichen bürgerlichen wirtschaftspolitischen Kurs einschlagen, um den von der Frankenstärke verursachten Problemen Herr zu werden.
Weniger konkrete Übereinstimmung fand sich im Ende März vorgelegten Programm dann freilich in der AHV-, der Energie- und der Europapolitik. Das St. Galler Tagblatt sprach denn auch von einer «bürgerliche[n] Schnittmenge mit Lücke». Die Linke reagierte skeptisch auf das gemeinsame Wirtschaftsprogramm. Christian Levrat (sp, FR), Parteipräsident der SP, sprach davon, dass FDP und CVP vor der SVP kapitulierten und zu Juniorpartnerinnen würden, sich damit aber für die anstehenden eidgenössischen Wahlen wohl «das eigene Grab schaufeln» würden. In Le Temps wurde die Vermutung geäussert, dass vor allem die CVP mit diesem Bündnis die rechte Flanke sichern wolle; dies sei nach dem BDP-Nein zu einer Fusion mit der CVP nötig, so die «Schweiz am Sonntag».
Das als gemeinsamer roter Faden gedachte bürgerliche Projekt bekam schon im Mai 2015 erste Risse. Die CVP versagte einem im Rahmen des Konsolidierungs- und Aufgabenüberprüfungspakets (KAP) von der SVP gestellten Antrag für eine Deckelung der Staatsausgaben ihre Unterstützung und hiess auch Mehrausgaben im Kulturbereich gut. Freilich hatten sich auch FDP und SVP im Rahmen des KAP für ein höheres Armeebudget und eine Entschärfung des Sparprogramms in der Agrarpolitik ausgesprochen. Der Blick sprach deshalb von einem «Wortbruch in Serie» und von einem gebrochenen «Sparschwur» und startete für die Sommersession 2015 einen «Schwur-Check», um aufzuzeigen, wo die bürgerlichen Parteien von ihren Sparversprechen abwichen. In der Folge meldeten sich im Boulevardblatt kritische Stimmen von CVP- und FDP-Nationalratsmitgliedern, wonach der Schulterschluss zu einem Verlust der Glaubwürdigkeit der eigenen Partei führen könnte.
Mitte Juni bezeichnete dann SVP-Parteipräsident Toni Brunner den Schulterschluss in einem Interview in der «Schweiz am Sonntag» als «Makulatur». Grund dafür war vor allem auch die Weigerung der FDP, mit der SVP flächendeckende Listenverbindungen für die eidgenössischen Wahlen einzugehen. Die SVP habe alles versucht, die beiden anderen Parteien «auf den Pfad der Tugend zurückzubringen», die CVP bewege sich aber nach links und der FDP sei egal, ob bei den Wahlen die SP oder die SVP zulege. In der Folge kam es zu gegenseitigen Schuldzuweisungen via Medien. Laut Christophe Darbellay verabschiede sich die SVP aus dem bürgerlichen Lager, weil sie keine Hand für Lösungen biete. Zurückhaltender zeigte sich Philipp Müller. Man dürfe nicht nur auf die Differenzen zeigen, sondern müsse auch darauf schauen, was die bürgerliche Zusammenarbeit bereits gebracht habe. Die FDP halte deshalb am Schulterschluss fest, weil es ihr um den Erhalt von Arbeitsplätzen gehe. Die in der Herbstsession von der bürgerlichen Mehrheit gegen den Willen der eigenen Bundesratsmitglieder gutgeheissenen Deregulierungsvorstösse wurden denn etwa von der Aargauer Zeitung als «Lebenszeichen» für die angekündigte bürgerliche Zusammenarbeit interpretiert.

Bürgerlicher Schulterschluss in der Wirtschaftspolitik

Nach den Anschlägen in Paris haben die Schweizer Muslime ihre Forderung nach der Anerkennung des Islams als Landeskirche erneut aufgegriffen. Ihr designiertes Ziel hierbei sei es, Muslime besser in die hiesige Gesellschaft integrieren zu können und zugleich aufkommenden Radikalisierungstendenzen Einhalt bieten zu können. Erste Gesuche hierfür seien bereits in Vorbereitung und würden zunächst im Pilotkanton Basel-Stadt und zu einem späteren Zeitpunkt dann auch in der Waadt eingereicht. Für den Vorstoss verantwortlich zeigen sich die beiden nationalen Muslim-Verbände KIOS und FIDS. Die Organisationen erarbeiten zur Zeit gemeinsam ein Musterstatut für islamische Gesellschaften, welches den kantonalen Verfassungen entspreche, um somit eine solide Grundlage für das staatliche Akzeptanzsiegel zu schaffen. Das Gesuch selbst soll sodann von offiziellen Muslimvertreterinnen und -vertretern, welche mittels Testwahlen von Basler Muslimen bestimmt werden, an offizieller Stelle eingereicht werden. Farhad Afshar, Präsident der KIOS, betonte, dass den Frauen für die Wahlen das gleiche aktive und passive Wahlrecht zugesprochen werde wie den Männern. Zudem soll zur Offenlegung der geforderten demokratischen Organisation und Transparenz eine unabhängige Rekurskommission geschaffen werden. Somit greift das Musterstatut relevante Eckpfeiler des juristischen Gutachtens auf, welches im Jahr zuvor an der Universität Luzern in Auftrag gegeben worden war. Dass nebst dem Kanton Basel-Stadt auch die Waadt in den Fokus der beiden Verbände gerückt war, kam nicht von ungefähr: Im November des vergangenen Jahres hatte der Waadtländer Staatsrat Anpassungen im Reglement für die Anerkennung weiterer, auch nicht christlicher Religionsgemeinschaften vorgenommen. Beide Muslimverbände erhoffen sich durch den Vorstoss zunächst die "kleine Anerkennung" – welche in Basel schon länger möglich ist – zu erlangen, um danach die volle staatliche Anerkennung zu erreichen. Der Kirchenstatus würde es der Gemeinschaft ermöglichen, eine adäquate islamisch-religiöse Infrastruktur aufzugleisen und hätte zugleich auch eine starke Signalwirkung an die anderen Kantone.
In der Schweizer Parteienlandschaft sind aber nicht alle von diesem Vorstoss angetan. Die SVP-Spitze beispielsweise stellte zwar klar, dass sie die Kultusfreiheit zu keinem Zeitpunkt in Frage stelle, die Anerkennung des Islams als integralen Bestandteil der Landeskirche jedoch explizit ablehne. Mit einer verfassungsrechtlichen Anerkennung seien diverse Privilegien verbunden, deren Fürsprache aber – zur Wahrung des religiösen Friedens – der Mitsprache der kantonalen Bürger bedürfe. Zudem seien die Muslime in keiner Organisation zusammengefasst, welche alle Glaubensangehörigen vertrete. Christoph Neuhaus (BE, svp), Berner Kirchendirektor und Regierungsrat, schlägt als eine mögliche Alternative zur staatlichen Anerkennung eine Anerkennung der muslimischen Gemeinschaften als gemeinnützige Vereine vor. Dadurch könne man die nötige Transparenz schaffen und hätte noch einen gewissen Einfluss auf die Vereinstätigkeit. Christian Levrat (sp, FR) betrachtet die Diskussion jedoch aus einer ganz anderen Perspektive: Die SVP schüre mit ihrer Haltung lediglich den Hass gegen die Muslime und würde sich somit zugleich auch gegen jegliche Integrationsmassnahmen wehren. Die Schweiz müsse aber viel entschiedener gegen die Islamophobie vorgehen und sich vermehrt für die Integration einsetzen, wobei genau diese Anerkennung als eine passende Massnahme zu verstehen sei. Dieser Meinung schloss sich auch Regula Rytz (gp, BE) an und betonte, dass durch eine solche Anerkennung zugleich auch die Rechte und Pflichten klar geregelt werden könnten. Christophe Darbellay (cvp, VS) hielt sich indes etwas mehr zurück: Zur Religionsfreiheit gebe es definitiv ein Ja, nicht aber zur Anerkennung, schliesslich sei die Schweiz ein christlich-abendländisch geprägtes Land und, wie Erfahrungen mit anderen Glaubensgemeinschaften zeigten, sei eine staatliche Anerkennung für eine gelungene Integration nicht vonnöten. Philipp Müller (fdp, AG) hingegen stellte klar, dass die staatliche Anerkennung den Kantonen obliege, wobei für ihn persönlich die kulturelle Verwurzelung einer Glaubensgemeinschaft innerhalb eines Kantons im Fokus stehe. Zudem verwies er auf die viel diskutierte Trennung von Staat und Kirche, welche zwischenzeitlich sogar Anklang in der Kirche selbst finde.
So befindet selbst der Churer Generalvikar Martin Grichting, dass das heutige System nicht mehr mit der Religionsvielfalt in der Schweiz vereinbar sei. Anstelle der Volkskirche könne er sich eine kleinere Glaubensgemeinschaft mit einer treuen Gefolgschaft vorstellen. Gerade in der heutigen Zeit, in der so viele Personen aus der Kirche austreten würden und sehr wahrscheinlich irgendwann mehr als die Hälfte der Steuerzahlenden konfessionslos sein werde, stelle sich unweigerlich die Frage nach der Legitimationsgrundlage für die staatlich unterstützte Erhebung der Kirchensteuer – in diesem Sinne hätten die Landeskirchen also ausgedient.

Anerkennung ausserchristlicher Religionsgemeinschaften

Das ganze Jahr über wurde in den Medien spekuliert, ob sich die FDP stärker mit der SVP verbünden sollte. Zur Diskussion standen dabei insbesondere Listenverbindungen für die eidgenössischen Wahlen 2015. Anfang Jahr drohte der Parteipräsident der SVP Toni Brunner (svp, SG) implizit damit, der FDP einen Bundesratssitz streitig zu machen, sollte sie sich nicht für flächendeckende Mitte-Rechts-Verbindungen einsetzen. Im Januar sah der FDP-Parteipräsident Philipp Müller noch keinen Grund, nicht mit der SVP zu paktieren. Allerdings müsse man die Frage von Listenverbindungen den Kantonen überlassen und die SVP könne nicht nur Forderungen stellen, sondern müsse die FDP auch unterstützen. Anders als sein Vorgänger Fulvio Pelli (TI) verschloss sich der neue FDP-Präsident Listenverbindungen nicht. Auch mit der CVP oder den neuen Mitteparteien könne man sich – je nach kantonaler Ausgangslage – verbünden. Das Verhältnis zwischen FDP und SVP kühlte sich dann jedoch nach der Annahme der Masseneinwanderungsinitiative merklich ab. Auch die deutlichen Worte, die Parteipräsident Müller gegen die von der SVP angekündigte Initiative fand, welche Landesrecht über Völkerrecht stellen will, dienten der Abgrenzung gegen rechts. Anfang Oktober gab Müller dann allerdings auch bekannt, dass die FDP – falls die dannzumal erste Trendumfrage zu den Wahlen, die für die FDP einen leichten Zuwachs voraussah, sich bestätigen sollte – Bundesrätin Widmer-Schlumpf auf Kosten eines zweiten SVP-Bundesratssitzes abwählen würde, sofern die SVP einen valablen Kandidierenden aufstelle. Auch seitens der CVP wurden der FDP Avancen gemacht. Die FDP sei eingeladen, an einer kohärenten Mitte zu partizipieren. Müller reagierte prompt auf diese Einladung und forderte vielmehr die CVP und die anderen Mitteparteien auf, in einem Bürgerblock mitzuarbeiten. Von links wurde einer der beiden FDP-Bundesratssitze in Frage gestellt. Um eine rechte Mehrheit aus zwei FDP- und zwei SVP-Regierungsmitgliedern zu verhindern, und unter der Annahme, dass der SVP zwei Regierungssitze zustünden, müsste die FDP auf einen ihrer Sitze verzichten. Ins Visier der SP geriet dabei vor allem Bundesrat Johann Schneider-Ammann, der nicht nur aufgrund einer Steuergeschichte seiner ehemaligen Firma ins mediale Schlaglicht geriet, sondern der von der Linken auch für die Annahme der Masseneinwanderungsinitiative mitverantwortlich gemacht wurde, weil er zu wenig dagegen angekämpft habe.

FDP mit der SVP verbünden

Auch 2014 war die direkte Demokratie Auslöserin für Gedanken und Polemik zur nationalen Kohäsion. Allen voran das Ja zur Masseneinwanderungsinitiative sorgte für zahlreiche Reaktionen. So wurde etwa der sich bei der Abstimmung zeigende Sprachgraben kurz nach dem Urnengang vom ehemaligen SVP-Bundesrat Christoph Blocher mit einem „schwächeren Bewusstsein der Welschen für die Schweiz“ erklärt. Diese in einem Interview mit der BaZ gemachte Aussage sorgte auf beiden Seiten der Saane für teilweise harsche Reaktionen. Künstlerisch wurde die Aussage vom Maison du dessin de presse in Morge verarbeitet, wo eine Ausstellung mit dem Titel „Les Romands sont-ils Suisses?“ mit verschiedenen Karikaturen zum Thema stattfand. Blocher hatte bereits Anfang Januar – wie bereits vor der EWR-Abstimmung 1992 – Niklaus von Flüe bemüht, der gemahnt haben soll, den Zaun nicht zu weit zu machen. Die sich auf der Verliererseite breit machende Konsternation verschaffte sich in einigen Unmutsbekundungen Luft. So demonstrierten Anfang März auf Aufruf eines Bündnisses von verschiedenen Parteien, Gewerkschaften und Ausländerorganisationen rund 12'000 Personen auf dem Bundesplatz für eine offene und solidarische Schweiz. Mehrere Organisationen – ähnlich wie noch 1992 nach dem EWR-Nein – wurden ins Leben gerufen, so etwa die Aktion Libero, die sich unter anderem für den Erhalt der bilateralen Verträge einsetzen will. Mitte Oktober riefen über 100 Persönlichkeiten, darunter etwa auch die alt-Bundesräte Pascal Couchepin (fdp, VS) und Micheline Calmy-Rey (sp, GE) zu einem Überdenken der negativen Einstellung zur europäischen Integration der Schweiz auf. Die Weltoffenheit der Schweiz und die guten wirtschaftlichen Beziehungen zur EU waren zudem häufiger Gegenstand der behördlichen 1.-August-Reden. Ausnahme bildete Bundesrat Maurer, der Carl Spittelers „Standpunkt“ als Appell für die Eigenständigkeit und Neutralität der Schweiz zitierte. Beklagt wurde im Berichtjahr auch hie und da ein Wandel von der Konkordanz zur „Diskordanz“: Die noch 2011 mit der Stärkung der „neuen“ Mitte einhergehende Hoffnung auf ein Ende der Polarisierung habe sich zerschlagen, die Regierungsparteien seien nicht mehr an Kompromissen interessiert und die Stimmbevölkerung – aufgehetzt von Brandstiftern – habe auf Fundamentalopposition geschaltet. Die Schweizer Politik müsse wieder zu mehr Verständigung zurückkehren. Bei einer im August veröffentlichten GfS-Umfrage bei rund 1000 Befragten unterstützten 75% die Forderung nach mehr Kompromissbereitschaft, um das politische System zu stärken und zu deblockieren. Für Diskussionen sorgten die Vorwürfe der Parteipräsidenten der SP und der BDP: Martin Landolt (bdp, GL) wie auch Christian Levrat (sp, FR) warfen der SVP „faschistoide Tendenzen“ vor. Levrat begründete dies damit, dass die Volkspartei die Institutionen verleumde, Völker- und Menschenrechte angreife und das Asylrecht abschaffen wolle. Auch der Parteipräsident der BDP, Martin Landolt, attackierte die SVP und warf ihr eine die menschliche Würde missachtende und heuchlerische Politik vor. Er frage sich, bis zu welchem Punkt eine Politik „noch brauner werden“ müsse, „bis alle merken, dass sie stinkt“. Die als „provozierender Elektroschock“ (Levrat) gedachten Vorwürfe stiessen auch bei Rechtsextremismus-Experten auf Kritik. Während CVP-Präsident Darbellay eine gewisse Radikalisierung der SVP nicht abstreiten, dafür aber keine Vergleiche mit dem Faschismus anstellen wollte, kritisierte der Parteipräsident der FDP, Philipp Müller (AG), die Debatte als „daneben“. Nicht zu den Vorwürfen äussern wollte sich SVP-Parteipräsident Toni Brunner (SG). In den Medien wurden die Vorwürfe unterschiedlich kommentiert. Während die NZZ etwa darauf hinwies, dass die politischen Debatten in der Regel sachlich blieben, wurden die Parteichefs im Blick als Politclowns betitelt. Die Ablehnung der teilweise als Schicksalsabstimmungen bezeichneten drei Initiativen, die im November zur Abstimmung gelangten – Ecopop-Initiative, Abschaffung der Pauschalbesteuerung und Goldinitiative – schien zumindest vorübergehend die Diskussionen um den nationalen Zusammenhalt etwas zu beruhigen.

Verlust des politischen und gesellschaftlichen nationalen Zusammenhalts

Der Abstimmungssonntag am 18. Mai 2014, wurde nicht nur Höhe-, sondern auch Schlusspunkt eines langwierigen Seilziehens um die Gripen-Beschaffung bzw. den Tiger-Teilersatz. Dieses grosse Rüstungsvorhaben hatte zahlreiche Hürden zu nehmen. Die letzte davon - der Urnengang - wurde 2013 durch den Bundesrat selbst ermöglicht, indem als Finanzierungsgrundlage ein Fondsgesetz vorgeschlagen wurde. Erst dieser Kniff ermöglichte es, die Finanzierung und damit sehr unmittelbar auch die Beschaffung selbst, dem fakultativen Referendum zu unterstellen. Mit der Ablehnung des Gripen-Fondsgesetzes an der Urne wurde die aufsehenerregende Kampfflugzeugbeschaffung erfolglos abgeschlossen.

Dass das Referendum ergriffen würde, war schon früh klar. Noch vor den parlamentarischen Debatten Ende 2013 kündigte die Grüne Partei an, sie werde dieses Geschäft zu verhindern suchen. Zwei Referendumskomitees hatten sich dann bereits vor der letzten Beratung im Ständerat konstituiert, so dass einer Unterschriftensammlung nichts mehr im Wege stand. Links-grün und die Grünliberale Partei stellten sich je individuell an, die nötige Anzahl Unterschriften zu sammeln. Der Erfolg liess nicht lange auf sich warten. Innert zwei Monaten und damit noch 2013, hatte das Komitee um SP und GPS rund 80‘000 Unterschriften beisammen. Damit zeichnete sich rasch ab, dass die Referendumsabstimmung bereits im Frühjahr 2014 abgehalten werden konnte. Entsprechend früh erkannte auch der Verteidigungsminister den Ernst der Lage und noch Ende 2013 stieg er in den Abstimmungskampf. Fortan standen sich bürgerliche Gripen-Befürworter und Gripen-Gegner aus links-grünen Kreisen gegenüber. Neu standen aber erstmals auch bürgerliche Politiker einer Armeevorlage kritisch gegenüber: die GLP hatte sich nicht nur an der Unterschriftensammlung beteiligt, sondern sie stellte sich fortan auch in einem Gegnerkomitee gegen die Beschaffung der Gripen-Jets.

Erster Meilenstein war Mitte Januar 2014 die Einreichung der Unterschriften. Das links-grüne Bündnis um SP, GPS und andere Organisationen konnte rund 100'000 Unterschriften für das Referendum zusammentragen, nur etwa 5'000 davon waren vom grünliberalen Anti-Gripenkomitee beigesteuert worden. Da schon Mitte Mai abgestimmt werden sollte, war die Einreichung der Unterschriften gleichzeitig der Startschuss für den Abstimmungskampf. Sogleich wurde dieser befeuert, als es nicht nur darum ging, ob sich die Herstellerfirma Saab an der Finanzierung der Ja-Kampagne beteiligen soll, sondern ob dies überhaupt zulässig sei. Das Gegnerkomitee meldete sehr rasch seine Ablehnung an. Aber auch Gripen-Befürworter standen einer finanziellen Beteiligung aus Schweden kritisch gegenüber. Thomas Hurter (svp, SH) forderte, dass sich Saab gänzlich aus der Abstimmungskampagne raushalte.

Unangenehme Tage musste der Verteidigungsminister auch im Februar erleben: Nachdem bereits der Prozess zum Typenentscheid durch verschiedene Nebenereignisse und Indiskretionen für negative Schlagzeilen gesorgt hatte, wurden auch im neuen Jahr geheime (und brisante) Informationen publik. So hatte sich Verteidigungsminister Ueli Maurer in mehreren Treffen mit dem Schwedischen Botschafter Per Thöresson ausgetauscht. Dabei soll es nicht nur um gute Kontakte gegangen sein, sondern ganz konkret um ein Engagement Schwedens im Abstimmungskampf. Diese Informationen hatte ein Schwedischer Radiosender veröffentlicht, der drei Berichte des Botschafters an das Aussen- und Verteidigungsministerium Schwedens vorliegen hatte. Der Inhalt war insofern brisant, als dass angeblich Bundesrat Maurer selbst um Unterstützung aus Schweden gebeten haben soll. Zwar solle sich Schweden nicht direkt in den Abstimmungskampf einmischen, jedoch durch verschiedene Anlässe in Schweden und der Schweiz eine positive Stimmung erzeugen. Ein Beispiel wären Journalisten-Besuche in den Saabwerken zu Informationszwecken. Maurer musste sich in der Folge erklären und versuchte den Ball flach zu halten. Dass Gespräche geführt wurden konnte er nicht in Abrede stellen, er wollte jedoch darin keine gemeinsame Kampagnenplanung sehen. Dass er sich als Vorsteher des VBS an vorderster Front für den Gripen stark mache, sei nicht mehr als opportun. Die Ungereimtheiten spielten den Gegnern dennoch in die Hände und den Befürwortern wie auch dem Verteidigungsminister selbst blieb nichts anderes übrig, als gebetsmühlenartig festzuhalten, dass der Gripen die richtige Lösung für die Schweiz sei. Fast täglich wurde in den Zeitungen über den Gripen berichtet.

Die Kampagnenleitung der Befürworter sollte von der CVP übernommen werden, allerdings stellte sie sich nur zögerlich dafür zur Verfügung, denn scheinbar sah sich Parteipräsident Darbellay mit zu wenig finanziellen Mitteln ausgestattet. Dass bis zu CHF 5 Mio. für die Befürworterkampagne aufgewendet werden sollten, liess man seitens des Vereins für eine sichere Schweiz VSS, dem CVP-Nationalrat Jakob Büchler (SG) vorsteht, unkommentiert. Auch diese Informationen stammten aus geheimen Berichten aus Schweden. Beim VSS versuchte man derweil, sich von Schweden zu distanzieren. Das Durchsickern dieser Informationen führte indes dazu, dass sich die CVP zurückzog und nicht mehr als Kampagnenleiterin fungieren wollte. Ausschlaggebend waren unter anderem auch verunglimpfende, persönliche Kommentare des Schwedischen Botschafters gegen CVP-Exponenten. Im Engagement der CVP hätte man sich auf Befürworterseite erhofft, dass Gripen-kritische Wähler in der politischen Mitte abgeholt werden könnten. Daraus wurde nun vorerst nichts. Dass zudem die Sektion der CVP-Frauen im Gegensatz zur Mutterpartei die Nein-Parole fasste, schien für die CVP ebenfalls eine Hypothek darzustellen. Wer die Kampagnenleitung übernehmen sollte, war in der Folge offen. Die CVP wollte die Volkspartei vorschicken, da es schliesslich ein Dossier ihres Magistraten sei. Bei der SVP zeigte man sich jedoch bedeckt und Parteipräsident Brunner (SG) stellte eine Einigung „in einigen Wochen“ in Aussicht, rund drei Monate vor dem Abstimmungstermin, notabene.
Während auf politischer Ebene weiter gestritten wurde, führte Saab eine regelrechte Promotionstour durch die Schweiz durch. Mitte Februar wurde an einem Anlass mit Wirtschaftsvertretern über Kompensationsgeschäfte informiert, daneben sollte der Gripen zu verschiedenen Gelegenheiten vorgeführt, beziehungsweise ausgestellt werden, etwa an Ski-Weltcuprennen oder an der Mustermesse in Basel. Dies wurde den Gripengegnern zu viel und Nationalrätin Chantal Galladé (sp, ZH) tat ihren Unmut öffentlich kund. Dass mitunter Geld fliesse, sei in Abstimmungskämpfen normal, jedoch sei die Omnipräsenz des Gripen-Herstellers Saab störend und eine „Einmischung aus dem Ausland in diesem Masse bedenklich.“ Derweil und schneller als erwartet stellte sich Ende Februar tatsächlich die SVP als neue Koordinatorin der Ja-Kampagne vor. Angesichts des nahenden Abstimmungstermins sah sie sich in der Verantwortung. Man habe keine Zeit mehr zu verlieren und wolle diese Abstimmung gewinnen, so SVP-Präsident Brunner.

Etwas Aufwind erhielt der Gripen durch eine Flugzeugentführung im Raum Genf, als der Schweiz vor Augen geführt wurde, weshalb eine intakte Luftabwehr nötig sein kann. Der Co-Pilot einer Maschine der Ethiopian Airline hatte das eigene Flugzeug nach Genf entführt, um in der Schweiz einen Asylantrag zu stellen – was jedoch erst nach dem Vorfall bekannt wurde. Zuvor irrte die vollbesetzte Passagiermaschine, von zwei Eurofighter-Jets der Italienischen Luftwaffe begleitet, über Italien, ehe sie über dem Montblanc-Massiv von der Französischen Luftwaffe weiterbegleitet wurde und schliesslich in Genf zur Landung gezwungen werden konnte. Dass die Schweizerische Luftwaffe nur zu Bürozeiten operativ ist und nicht eingreifen konnte, sorgte im Ausland für Erstaunen und in der Schweiz einerseits zur Forderung nach einem ausgebauten Luftschirm, andererseits aber auch zu Spott und Häme. Später wurde auch die Krim-Krise in der Ukraine als Argument für eine funktionierende Luftwaffe herangezogen.
Am 25. Februar präsentierte das Ja-Komitee seine Argumente für den Abstimmungskampf. „Sicherheit zuerst!“ sollte als Leitmotiv die Stimmbürgerschaft mobilisieren. Sicherheit sei die Garantie für Frieden, Freiheit und Wohlstand, so Jakob Büchler (cvp, SG). Ab März und damit rund zwei Monate vor dem Urnengang sorgte ein allfälliger „Plan B“ für Irritation. Aus verschiedenen Kreisen wurde kolportiert, Bundesrat Maurer arbeite für den Fall eines Volks-Neins an einer alternativen Gripen-Beschaffung: er wolle Gripen-Jets mieten, leasen oder über das ordentliche Armeebudget – und damit ohne Mitsprache der Stimmbevölkerung – beschaffen. Trotz Dementi Maurers selbst, seines Sekretariats und auch der armasuisse, hielt sich das Gerücht über einen allfälligen „Plan B“ hartnäckig in den Medien.
Ebenfalls Mitte März lancierte das Gegnerkomitee seinen Abstimmungskampf und setzte vor allem auf die Kostenfrage. Man wollte die Gripen-Beschaffung nicht zu einer Armee-Grundsatzfrage machen und auch nicht sicherheitspolitische Argumente ins Feld führen, da man sich daraus eher weniger Chancen versprach. Vielmehr erhoffte man sich mit dem Slogan „Kampfjetmilliarden gegen Bildung, Verkehr oder AHV“ einen Erfolg an der Urne. In der Zwischenzeit wurde der Tonfall im Abstimmungskampf gehässiger. SVP-Patron Christoph Blocher hinterfragte die Finanzierung der Gegnerkampagne, indem er den Verdacht äusserte, dass möglicherweise die beim Typenentscheid unterlegenen Rüstungskonzerne (EADS und Dassault) Geld gegen den Gripen einschiessen würden – dies, um bei einer Neu-Evaluation zum Zug kommen zu können. Aus dem bürgerlichen Nein-Komitee wurde jedoch postwendend klargestellt, man habe weder Kontakt mit anderen Rüstungsgesellschaften, noch Geld erhalten, so etwa Beat Flach (glp, AG). Gar als absurd betitelte Chantal Galladé (sp, ZH) die Vorwürfe.
Kurz darauf bemühte sich der Sonntags Blick um einen ersten Trend in der Gripen-Frage und stellte eine Ablehnung von über 60 Prozent fest. Trotz dieser erstmaligen Stimmungsaufnahme zeigte sich der Verteidigungsminister gegenüber der Presse betont gelassen und zuversichtlich. Dennoch legte er einen regelrechten Redemarathon hin und trat von April bis zur Abstimmung im Mai an über 20 Veranstaltungen für den Gripen auf.

Das bürgerliche Nein-Komitee wurde ab Anfang April aktiv. Man stehe für eine starke Armee ein, sei jedoch gegen den Gripen, weil Geld und ein Konzept fehle - Argumente, die bereits in den Parlamentsdebatten von Roland Fischer (glp, LU) vorgebracht worden waren. In diesem Nein-Komitee waren auch die CVP-Frauen vertreten.
Über Alternativen zur Gripen-Beschaffung, also wiederum über einen „Plan B“, wurde weiter berichtet, als sich im April auch der ehemalige Jetpilot und Nationalrat Thomas Hurter (svp, SH), seines Zeichens Präsident der SiK-NR, über solche Pläne äusserte. Es brauche einen „Plan B“ für den Fall, dass der Gripen an der Urne scheitern sollte. Seine Vorstellung war die Beschaffung von zwölf Fliegern alle 15 Jahre. Eine Forderung, die sogar von Parteikollegen kritisiert wurde. Hans Fehr (svp, ZH) gab etwa zu bedenken, dass es ungeschickt sei, bereits vor der Abstimmung laut über Alternativen nachzudenken. Alex Kuprecht (svp, SZ) bezeichnete die Aussage gar als „absoluten Blödsinn“. Hurter rechtfertigte seine Idee mit dem Umstand, dass beim Urnengang nicht für oder gegen neue Flieger, sondern nur für oder gegen die Art der Finanzierung abgestimmt werde. Mit einer Alternativbeschaffung würde der Volkswillen – von der SVP gemeinhin hochgehalten – also nicht umgangen. Ein erneuter Evaluationsprozess für einen neuen Flugzeugtyp würde zudem viel zu lange dauern. Deswegen müsse man sich für den Ersatz der Tiger-Flotte bereits zu diesem Zeitpunkt und auch unter Berücksichtigung eines möglichen Volks-Neins Gedanken machen.
Auch über weitere Alternativen zur Luftraumüberwachung wurde diskutiert, etwa über den Kauf gebrauchter F/A 18 Jets der neueren Generation, die Beschaffung von Kampf-Helikoptern, einen Ausbau der Boden-Luft-Fliegerabwehr (die ohnehin konkretisiert werden sollte) oder über die Aufrüstung der alten Tiger Flotte. Anfang Juni wurde bekannt, dass das VBS beabsichtige, israelische Drohnen beschaffen zu wollen. Immer mehr wurde auch die Frage debattiert, wie die budgetierten Mittel verwendet werden sollen, falls der Gripen an der Urne abgelehnt würde. Für Sicherheitspolitiker war klar, dass dieses Geld der Armee gehöre, weil es über das ordentliche Armeebudget hätte aufgebracht werden müssen. Linke Politiker hingegen sahen eine Chance, neu über die Verteilung der ca. CHF 3 Mia. zu beraten. Ihrer Vorstellung nach sollte das Geld zu Gunsten der Bildung, zur Sicherung der sozialen Sicherheit, des öffentlichen Verkehrs, oder auch zu Gunsten der Entwicklungshilfe, die richtig eingesetzt friedensfördernd wirke, eingesetzt werden. Dieser Punkt blieb freilich vorerst offen.
Als sehr unsicher musste der Erfolg der Gripen-Beschaffung ab Mitte April betrachtet werden: Nachdem die oben genannte Sonntags Blick-Umfrage noch nicht zu Unruhe bewogen hatte, tat dies die erste SRG-Trendumfrage des gfs.bern. Nur 42 Prozent der Befragten sprachen sich darin für den Gripenkauf aus, ein Ergebnis, das sich fast mit der ersten Umfrage deckte. Freilich gaben die Demografen zu bedenken, dass die Unterschiede zwischen den Ja- und Nein-Anteilen zu gering seien, um sich bereits festlegen zu können. Noch am selben Tag liess sich Bundesrat Maurer zitieren, er glaube, dass sich die Stimmbevölkerung der sicherheitspolitischen Tragweite der Gripen-Vorlage bewusst sei. Weiterhin gab sich der Verteidigungsminister kämpferisch. Sein Engagement für den Gripen gipfelte jedoch zwischenzeitlich in einem Fiasko, als Maurer in der Sendung „Rundschau“ des SRF zu einem Rundumschlag ausholte und kurz sogar die Contenance verlor. Er enervierte sich derart über die Berichterstattung zum Gripen-Kauf, dass er sich mit dem Moderator einen verbalen Schlagabtausch lieferte. Die als einseitig kritisierte Sendung löste eine Rekordzahl an Beschwerden bei der Ombudsstelle der SRG aus, die allerdings Ende Mai sämtlich abgewiesen wurden, da das Sachgerechtigkeitsgebot nicht verletzt worden sei und das Publikum durchaus in der Lage gewesen sei, sich eine eigene Meinung zum fraglichen Rundschau-Beitrag zu bilden. Dennoch wurde auch die Sendung selbst kritisiert. So habe der ausgestrahlte Bericht „die hohen Anforderungen an die Ausgewogenheit, welche im Vorfeld einer Volksabstimmung verlangt werden, nicht erfüllt.“ Zudem wurde festgehalten, dass einige der gestellten Fragen „manchmal unnötig provokativ waren“.
Später und mit zunehmender Nähe zum Abstimmungstermin setzte der Verteidigungsminister im Lichte des ungewissen Abstimmungsausgangs auf warnende Worte und beschwor die Angst vor einem ungeschützten Luftraum, ja er bediente sich gar erpresserischer Formulierungen. „Wenn man jetzt nicht Flieger bestellt, steht man zehn Jahre später ohne Luftwaffe da“, mahnte Maurer. Dass die „F/A 18 im Krisenfall nicht genügen“, doppelte auch Divisionär Bernhard Müller, stellvertretender Kommandant der Luftwaffe, nach. Doch die Stimmbevölkerung zeigte sich in der zweiten Welle der SRG Trendumfrage unbeeindruckt. Knapp zehn Tage vor der Abstimmung schien der Gripen noch immer nicht abzuheben: mit 44 Prozent Zustimmung war nach wie vor nur eine Minderheit der Befragten für die Kampfjetbeschaffung. Zudem zeichnete sich ab, dass tatsächlich die Kostenfrage entscheidendes Argument werden dürfte. Trotz der gemäss gfs.bern bereits weit fortgeschrittenen Meinungsbildung machten sich beide Lager zu einer Schlussoffensive auf. Die vier Parteipräsidenten Martin Landolt (bdp, GL), Christophe Darbellay (cvp, VS), Philipp Müller (fdp, AG) und Toni Brunner (svp, SG) – diese Parteien hatten die Ja-Parole ausgegeben – versammelten sich in der Folge in Bern zu einer Medienorientierung, um nochmals ihre besten Argumente vorzutragen. Der hochkarätig besetzte Anlass wurde kurzfristig anberaumt und zeigte die Nervosität der Parteispitzen offensichtlich. Vor dem Bundeshaus gingen sie gemeinsam symbolisch auf einer Hebebühne „in die Luft“. Ein unglücklicher Entscheid, wie sich später herausstellen sollte. Ihre von den Stadtberner Behörden nicht bewilligte Aktion führte nämlich zu einer Anzeige.

Einziger Lichtblick für die Befürworter war die Erfahrung, dass das Stimmvolk kaum je eine Armeevorlage versenkt hatte. Doch auch dieser wurde am Abstimmungstag zerschlagen. 53,4 Prozent der Stimmenden (Stimmbeteiligung: 55,5 Prozent) lehnten das Gripen-Fondsgesetz an der Urne ab, ein Erfolg für die linken Parteien, die zusammen mit der GLP die Nein-Parole beschlossen hatten und eine herbe Niederlage für Verteidigungsminister Maurer, der sich über Jahre für neue Kampfjets eingesetzt hatte. Er hielt fest, dass es ein Votum gegen den Gripen sei, nicht gegen die Armee und wiederholte, dass nun kein „Plan B“ aus der Schublade gezogen werde. Zunächst sei das Resultat zu analysieren, erst dann wollte der Verteidigungsminister über neue Varianten sprechen. Er gab jedoch auch zu bedenken, dass die Diskussion über neue Kampfflieger bald wieder beginnen müsse, zumal auch die F/A 18 Flieger irgendwann ersetzt werden müssten. Die Linken sahen sich dagegen in ihren Bemühungen gegen das teure Rüstungsgeschäft bestätigt und auch aus dem bürgerlichen Gegnerlager hörte man erleichterte Stimmen. Das Resultat zeige, dass auch viele liberale und bürgerliche Wählerinnen und Wähler den Gripen-Kauf ablehnten, so Roland Fischer (glp, LU). In seinen Augen hätten sich die zwei Gegnerkomitees gelohnt. Aus der SVP wurde hingegen konsterniert verkündet, dass man „jetzt erst recht in die Landesverteidigung investieren müsse“.
Im Nachgang an die Volksabstimmung beherrschten die Fragen um die Zukunft der Armee und der Luftwaffe den politischen Diskurs, jedoch auch und wiederholt die Frage, was mit den frei gewordenen „Gripen Milliarden“ nun geschehen soll. Ernüchtert musste auch der Wirtschaftsstandort Schweiz den Volksentscheid hinnehmen. Rund 500 Verträge mit 125 Unternehmen und einem Volumen von rund CHF 400 Mio. hatte Saab im Vorfeld der Abstimmung mit Schweizer Unternehmen unterzeichnet – Anlagen, die nun ungewiss waren. Der Rüstungskonzern Ruag befürchtete, rund 200 Stellen streichen zu müssen, unter anderem von Mitarbeitern, die bereits seit langem auch an Gripen-Konfigurationen arbeiteten.


Abstimmung vom 18. Mai 2014

Beteiligung: 56,33%
Ja: 1 345 726 (46,6%)
Nein: 1 542 761 (53,4%)

Parolen:
– Ja: SVP, CVP(3*), FDP, BDP, GLP; Economiesuisse, SGV, SOG, AUNS, Swissmem.
– Nein: SP, GPS, GLP (1*); SGB, VPOD, GSoA.
* In Klammer Anzahl abweichender Kantonalsektionen

Das Gripen-Nein veranlasste Bundesrat Maurer schliesslich auch dazu, die Weiterentwicklung der Armee (WEA) zu vertagen und die Botschaft erst im Herbst zu verabschieden. Das Reformprojekt wurde dadurch um mindestens drei Monate verzögert. Mit der dadurch gewonnenen Zeit sollen, unter anderem, finanzielle Fragen neu abgesteckt werden, die durch die abgelehnte Jet-Beschaffung aufkamen. Entscheidend war dabei, ob das Armeebudget revidiert werden musste – ein zentrales Element der WEA.
Die allfällige Geld-Neuverteilung selbst wurde vom Verteidigungsminister ausgeschlagen; er wollte die für den Jet-Kauf eingeplanten Mittel für andere Rüstungsgeschäfte einsetzen und mit CHF 790 Mio. weniger als die Hälfte der Bundeskasse zurückgeben. Dies führte zu Unstimmigkeiten innerhalb der Landesregierung, da Finanzministerin Widmer-Schlumpf in einem Mitbericht bereits Widerstand gegen dieses Ansinnen angekündigt hatte. Seitens der SP wurde eine ganz neue Ausrichtung der Armee gefordert und die Gripen-Ablehnung als Chance dafür betrachtet. Die Rückgabe der CHF 790 Mio. wurde indes von bürgerlichen Politikern nicht goutiert. Ihrer Meinung nach „gehörte“ das Geld der Armee, gleich wie es eingesetzt werden sollte. Es gebe „unzählige Möglichkeiten, dieses Geld zu verwenden“, so Jakob Büchler (cvp, SG), der das Thema in der SiK-NR nochmals durchdiskutiert wissen wollte. Im selben Zeitraum gab der Rüstungschef Ulrich Appenzeller seinen Rücktritt bekannt, womit Ueli Maurer noch ein personelles Problem zu lösen hatte. Appenzeller gab seinen Posten wegen „unterschiedlicher Auffassungen über die Ausrichtung der Armasuisse und die Rolle des Rüstungschefs“ auf.

In der Analyse der Abstimmung (Vox) wurden die ausschlaggebenden Argumente für die Ablehnung des Gripen ermittelt. Vor allem die Gruppe der jüngeren Stimmenden und Frauen sowie zahlreiche Mitte-Wählende und FDP-Anhänger waren gegen den Flugzeug-Kauf. Ein Drittel der Befragten kritisierte die hohen Kosten dieses Rüstungsgeschäfts und rund zehn Prozent gaben an, der Gripen sei nicht das richtige Flugzeug für die Schweiz. Nochmals zehn Prozent sprachen sich dafür aus, dass erst die Rolle der Ausgestaltung der Armee geklärt werden müsse, bevor ein solches Rüstungsvorhaben umgesetzt werden könne. Ebenfalls knapp zehn Prozent lehnten den Gripen wegen einer grundsätzlich ablehnenden Haltung zur Armee ab. Im unterlegenen Ja-Lager wurden überwiegend sicherheitspolitische Argumente für den Stimmentscheid vorgebracht. Die Politologen der Universität Zürich hielten zudem fest, dass im Vergleich zu anderen Abstimmungen auffällig häufig die Kampagne und die Informationspolitik der Gripen-Befürworter als Grund für ein Nein genannt wurden. So seien auch das langwierige Auswahlverfahren, wie auch die zahlreichen Ungereimtheiten und Indiskretionen über die gesamte Dauer aller Verfahren hinweg ausschlaggebend für das Nein gewesen.

Beschaffung des Kampfflugzeuges Gripen (BRG 12.085)
Dossier: Programmes d'armement de l'armée
Dossier: Acquisition du Gripen
Dossier: Acquisition de nouveaux avions de combat
Dossier: remplacement partiel de la flotte d’avions de combat F-5 Tiger et acquisition du Gripen

An der Delegiertenversammlung in Meiringen Ende Oktober wetterte Parteipräsident Brunner gegen die FDP, die ihre Grundsätze verloren habe, weil sie die SVP-Familieninitiative ablehne. Einen Tag später machte Brunner in einem Interview in der Ostschweiz am Sonntag den Freisinnigen allerdings ein Angebot für flächendeckende Listenverbindungen für die Wahlen 2015. Das bürgerliche Angebot müsse vergrössert werden. Die FDP reagierte zurückhaltend. Noch im Frühjahr 2012 hatte sich FDP-Präsident Philipp Müller für ein Verbot von Listenverbindungen ausgesprochen, war aber mittlerweile zum Schluss gekommen, dass sich die Ausgangslage für die Wahlen 2015 verändert hätte. Ende Oktober drohte die SVP dann allerdings damit, dass sie nach den Wahlen 2015 den zweiten FDP-Bundesratssitz übernehmen werde.

Beziehungen zwischen SVP und FDP

Auf die Ende Oktober gemachten Avancen der SVP wollte Philipp Müller nicht eingehen. Toni Brunner, der Präsident der SVP, bot der FDP via Sonntagsmedien einen Pakt für die Nationalratswahlen 2015 an. Die Parteien sollten flächendeckend Listenverbindungen knüpfen. Müller wollte sich noch alle Optionen offen halten und gab sich irritiert, weil der SVP-Präsident nur wenige Tage vor seinem Angebot an einer Delegiertenversammlung mehrere Breitseiten gegen die FDP abgefeuert hatte. Bei den Wahlen 2011 hatte die FDP – damals noch unter Pelli – grossen Wert auf den Alleingang als „liberales Original“ gelegt. Damals waren die Freisinnigen nur in sechs Kantonen Listenverbindungen eingegangen und nur im Kanton Waadt kam es dabei zu einem Zusammengehen der FDP mit der SVP. Müller hatte sich kurz nach den nationalen Wahlen 2011 gar für ein nationales Verbot von Listenverbindungen stark gemacht. Weniger Berührungsängste zeigten die Jungparteien, die sich gegen den Vormarsch des „schleichenden Sozialismus“ verbrüderten.

Pakt für die Nationalratswahlen 2015

Was prägte 2012 die Schweizer Politik? Welches waren die bedeutenden Geschäfte im Parlament? Und was hat die politisch interessierte Öffentlichkeit bewegt? Nachfolgend werden die wichtigsten Ereignisse im Jahr 2012 zusammengefasst und anschliessend nach Thema geordnet aufgelistet. Mit den Links gelangen Sie direkt zu diesen im Berichtsjahr zentralen Geschäften und Ereignissen. Vous trouverez ici la version française de cet article.

Das politische Jahr 2012 war geprägt von härter werdenden aussenpolitischen Auseinandersetzungen. Eigentlich hätte sich die Schweiz in einer guten Ausgangsposition befunden: Sie blieb auch 2012 von den wirtschaftlichen Verwerfungen im EU-Raum weitgehend verschont, was sich etwa im Staatsrechnungsüberschuss von CHF 1.3 Mia., im widerstandsfähigen Arbeitsmarkt mit tiefen Arbeitslosenquoten oder im zwar geringen, aber im europäischen Vergleich überdurchschnittlichen Wirtschaftswachstum zeigt. Auch der dank Devisenmarktinterventionen der Schweizerischen Nationalbank bei einer Untergrenze von CHF 1.20 gehaltene Euro-Wechselkurs zeugt von der wirtschaftlichen Stärke der Eidgenossenschaft. Dennoch wurde der Schweiz im Berichtjahr ihre aussenpolitisch schwache Position vor Augen geführt. Davon zeugen etwa die Umsetzung des FATCA-Abkommens mit den USA, die das Bankgeheimnis weiter aufweicht, die nur sehr schleppenden Verhandlungen mit den Vereinigten Staaten im Steuerstreit, oder auch die gescheiterten Abkommen mit Deutschland zu den Abgeltungssteuern und zum Fluglärm. Ein rauer aussenpolitischer Wind wehte der Schweiz auch in den nach wie vor durch institutionelle Fragen blockierten Verhandlungen mit der EU ins Gesicht. Das Anrufen der Ventilklausel gegenüber acht osteuropäischen EU-Staaten durch den Bundesrat im April war, obwohl lediglich symbolische Wirkung entfaltend, einer Entspannung der Situation auch nicht eben dienlich. Für das Anfang Berichtjahr von Bundesrat Didier Burkhalter übernommene EDA dürften schwierige Zeiten bevorstehen. Die Schweizer Bürgerinnen und Bürger sprachen allerdings ihr Vertrauen in die Aussenpolitik des Bundes aus, indem sie die Auns-Initiative «Staatsverträge vors Volk» deutlich verwarfen.

Für einigen von medialer Aufmerksamkeit begleiteten Wirbel sorgte im Berichtjahr auch der noch 2011 gefällte Entscheid des Bundesrates, 22 Kampfflugzeuge des schwedischen Typs Gripen anzuschaffen. Negative Evaluationsberichte, ein Untersuchungsbericht der Sicherheitspolitischen Kommission, der den Kauf als riskant bezeichnete, eine überaus kritische Haltung auch der bürgerlichen Parteien und in Umfragen sich abzeichnende Bedenken in der Bevölkerung führten zu einem eigentlichen Tauziehen. Dem Bundesrat, der Mitte November in seiner Botschaft CHF 3.126 Mia. für den Kauf beantragte, gelang dabei im Berichtjahr kein Befreiungsschlag.

Wichtige Pflöcke wurden 2012 in der Agrarpolitik und bei der Raumplanung eingeschlagen. Die Räte beugten sich über die Agrarpolitik 2014 bis 2017, die eine nachhaltigere und wirtschaftlich leistungsfähigere Landwirtschaft zum Ziel hat. Die umstrittene Revision der Direktzahlungen stiess in beiden Kammern auf Unterstützung. Die Teilrevision des Raumplanungsgesetzes (RPG), die als indirekter Gegenvorschlag für die Landschaftsinitiative ausgearbeitet worden war, konnte nach einigem Hin und Her im Berichtjahr unter Dach und Fach gebracht werden. Heftig umstritten war dabei die Rückzonungspflicht bei überdimensionierten Bauzonen. Dieser Punkt war nicht nur Auslöser für ein durch den Gewerbeverband (SGV) lanciertes, erfolgreich zustande gekommenes Referendum, sondern auch für einen CVP-internen Streit. Da die Rückzonungspflicht vor allem im Kanton Wallis eine grosse Reduktion von Bauzonen nach sich ziehen würde, drohte die CVP-Sektion Wallis mit einem Austritt aus der Mutterpartei, weil sich diese im Parlament auf die Seite der Befürworter gestellt hatte. Die Abstimmung über das RPG wurde auf Frühjahr 2013 angesetzt. Mit der überraschenden Annahme der Zweitwohnungsinitiative und der Ablehnung von drei Initiativen zur Wohneigentumsförderung mischte auch die Schweizer Bevölkerung direkt an der Raumpolitik mit. Während die Idee des Bausparens für die nächsten Jahre vom Tisch ist, dürfte die Zweitwohnungsinitiative die Gemüter noch längere Zeit bewegen. Das mit einer knappen Mehrheit (50.6 % Ja-Stimmenanteil) angenommene Begehren will den Anteil an Zweitwohnungen in einer Gemeinde auf 20 Prozent beschränken. Nach der Annahme der Volksinitiative wurde um ihre Umsetzung gerungen. Insbesondere die betroffenen Tourismusregionen versuchten Einfluss auf die geplante Übergangsverordnung zu nehmen, was wiederum die Initianten von «Helvetia Nostra» zu juristischen Schritten verleitete.

Im Berichtsjahr legte der Bundesrat die Energiestrategie 2050 vor, mit der er den historischen Entscheid aus dem Vorjahr bekräftigt, künftig auf Atomstrom verzichten zu wollen. Ein erstes Massnahmenpaket für den schrittweisen Umbau der Energieversorgung wurde im Herbst 2012 in die Vernehmlassung geschickt. Die im Berichtjahr eingereichten Initiativen der GLP, die eine ökologische Steuerreform fordert und der GP, die einen früheren Ausstieg aus der atombasierten Energieversorgung fordert, sorgen dafür, dass die Energiepolitik für längere Zeit wichtig bleiben wird. Mit der Unterzeichnung eines Zusatzprotokolls mit der Stiftung Klimarappen strebte die Regierung zudem das im Kyoto-Protokoll vereinbarte CO2-Reduktionsziel an, dessen Erreichung mit den bisherigen Massnahmen noch in weiter Ferne lag.

Wenig Einigkeit gab es 2012 in der Gesundheitspolitik. Die Räte zerzausten im Berichtjahr die 6. IV-Revision, die Stimmbürgerinnen und Stimmbürger verwarfen die Managed Care Vorlage, die in den Räten noch auf Zustimmung gestossen war, deutlich und die Kammern konnten sich nicht über das Bundesgesetz über Prävention und Gesundheitsförderung einigen, das letztlich am Widerstand des Ständerates scheiterte.

Das anhaltende Wachstum der Bevölkerung – die ständige Wohnbevölkerung überschritt im August 2012 die 8-Millionen-Grenze – hatte nicht zuletzt auch Auswirkungen auf die Verkehrspolitik. Im Berichtjahr zeigte sich der Ständerat bei der Beratung zur Finanzierung und Ausbau der Eisenbahninfrastruktur (FABI) von seiner spendablen Seite. Er nahm teilweise aus taktischen Gründen derart viele zusätzliche Ausbauprojekte auf, dass das Investitionsvolumen mit CHF 6.4 Mia.fast doppelt so hoch ausfiel, wie von der Regierung vorgesehen (CHF 3.5 Mia.). Gleichzeitig sprach sich die kleine Kammer für eine Erhöhung des Preises der Autobahnvignette zwecks Finanzierung des Strassenverkehrs auf CHF 100 aus. Beides wird 2013 in der grossen Kammer für Gesprächsstoff sorgen. Ebenfalls für viel mediales Echo sorgte der Entscheid des Bundesrates, zwecks Sanierung des Gotthard-Strassentunnels eine zweite Röhre bauen zu wollen. Eine solche habe finanzielle Vorteile und mit der Beschränkung auf jeweils eine Fahrspur im neuen und im sanierten Tunnel werde der Alpenschutzartikel eingehalten. Während bürgerliche Parteien, Wirtschaftsverbände und der Kanton Tessin den Entscheid begrüssten, wurde er von Links-Grün und dem Kanton Uri heftig kritisiert.

Wachsendes Interesse wurde 2012 der Familienpolitik zuteil. Die Räte sprachen sich für eine Verankerung eines Familienartikels in der Verfassung aus, der eine bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf anstrebt. Das obligatorische Referendum wurde für 2013 angesetzt. In seiner Botschaft stellte sich der Bundesrat gegen die Familieninitiative der SVP, die einen Steuerabzug für die Selbstbetreuung von Kindern verlangt. Im Dezember kamen zudem zwei Initiativen der CVP zu Stande, die beide steuerliche Erleichterungen für Familien bzw. Ehepaare verlangen.

Es dürfte der medialen Logik der Bewirtschaftung möglichst publikumswirksamer politischer Ereignisse geschuldet sein, dass von der Schweizerischen Politik im Jahr 2012 auch skandalumwitterte Schicksale politisch exponierter Personen haften bleiben. Freilich hatten sowohl der Fall «Hildebrand» als auch der Fall «Zuppiger» ihren Ursprung bereits im Vorjahr, politische Wirkung entfalteten sie aber im Berichtjahr. Nationalbankchef Philipp Hildebrand trat aufgrund des Vorwurfs, die Einführung der Frankenkursuntergrenze zur persönlichen finanziellen Bereicherung genutzt zu haben, von seinem Posten zurück. Ein Nachspiel sollte dies für Christoph Blocher haben, der die Affäre ins Rollen gebracht hatte, gegen den ein Strafverfahren eröffnet wurde und dem die Immunität entzogen wurde. Bruno Zuppiger, der 2011 als aussichtsreicher Bundesratskandidat galt, sich dann aber aufgrund eines Verdachts auf Veruntreuung zurückziehen musste, trat nach langem Zögern und grossem Druck seiner Partei erst zu Beginn der Herbstsession auch als Nationalrat zurück. Ein handfester Skandal in der Bundesverwaltung wird 2012 unter dem Stichwort «Insieme» in Erinnerung bleiben. Die Kosten eines seit 2001 beschlossenen Informatikprojektes unter diesem Namen liefen derart aus dem Ruder, dass es mit einem Verlust von rund CHF 105 Mio. aufgegeben wurde. Eine Administrativuntersuchung brachte auch mehrere Ungereimtheiten bei der Vergabe von Teilprojekten zutage.

Bei den kantonalen Wahlen schnitten die Parteien unterschiedlich ab. Die GLP und die BDP, bei der mit Martin Landolt ein neuer Präsident an die Spitze gewählt wurde, konnten zulegen. Die FDP, die neu von Philipp Müller präsidiert wird und bei der der Fusionsprozess mit der Liberalen Partei 2012 abgeschlossen wurde, konnte ihre Besitzstände überraschend gut wahren. Der negative Trend für die CVP, die ihr 100-jähriges Bestehen feierte, setzte sich hingegen fort. Auch die Grünen, die neu von einer Doppelspitze bestehend aus Adèle Thorens und Regula Rytz geleitet werden, mussten herbe Verluste hinnehmen. Die SP ihrerseits konnte etwas zulegen. Für Schlagzeilen sorgte Links-Grün, weil sowohl die SP als auch die GP Spendenangebote von Grossbanken ablehnten. Was die SVP betrifft, setzte sich der negative Trend der eidgenössischen Wahlen 2011 zumindest anfangs 2012 fort, was zu einiger, letztlich aber kaum umgesetzter Kritik an der Parteispitze führte. Dass die Volkspartei ihr Kernthema Asylpolitik nach wie vor erfolgreich besetzt, zeigte sich bei der Verschärfung des Asylgesetzes das nicht nur bei der SVP, sondern auch bei der FDP und der CVP auf Unterstützung stiess. Sogar die SP verzichtete auf ein Referendum gegen die Vorlage, welches schliesslich u.a. von den Jungen Grünen ergriffen wurde. Auflösungserscheinungen zeigten im Berichtjahr die Schweizer Demokraten, die nach der Abwahl im Kanton Aargau in keinem kantonalen Parlament mehr vertreten waren.

Die Strategie, direktdemokratische Instrumente für Eigenwerbung zu nutzen, stiess bei den Parteien immer mehr auf Anklang. Dies zeigt sich nicht zuletzt am Umstand, dass im Jahr 2012 elf neue Initiativen lanciert und zehn eingereicht wurden (total befanden sich im Berichtjahr 20 Begehren im Sammelstadium) und über sieben Volksbegehren (und zwei Gegenvorschläge) abgestimmt wurde. Freilich ist das Sammeln von Unterschriften kein einfaches Unterfangen. So mussten etwa die CVP wie auch die GLP lange zittern, bis sie ihre Begehren einreichen konnten. Die FDP – bisher ebenfalls nicht erprobt im Umgang mit Unterschriftensammlungen – scheiterte mit ihrer Bürokratieinitiative gar am Unterschriftenquorum. Die erfolgreiche Qualifizierung von Verfassungsinitiativen stellt lediglich die erste Hürde dar. Der Weg bis hin zum Urnengang kann mitunter ein sehr langer sein, wie die Abzockerinitiative erfahren musste: Bereits 2008 eingereicht, handelten die Räte erst im Berichtjahr nach einer eigentlichen Odysee und zahlreichen Fristverlängerungen einen indirekten Gegenvorschlag aus. Dass das Parlament zuweilen auch effizienter arbeiten kann, zeigt das Beispiel der SP-Initiative für eine Einheitskrankenkasse. Damit die Sozialdemokraten nicht im Wahljahr 2015 aus der Initiative Profit ziehen können, wurden mehrere Vorstösse eingereicht, die verlangen, dass der Bundesrat auf die Ausarbeitung eines Gegenvorschlags verzichtet. Erfolgreich können Begehren durchaus schon aufgrund der Parlamentsdebatte sein, wenn etwa mögliche alternative und abgeschwächte Lösungen in indirekte oder direkte Gegenvorschläge fliessen – im Berichtjahr wurde etwa über die Jugendmusikförderung oder die Regelung der Geldspiele abgestimmt, beides Entwürfe des Parlaments, die auf zurückgezogene Initiativen beruhen. Selten, in den letzten Jahren jedoch zunehmend, erreichen Initiativen ihr eigentliches Ziel: Die Unterstützung von Volk und Ständen – seit 1871 wurden 19 Begehren, seit 1990 mehr als die Hälfte davon (elf) angenommen. Dieses Kunststück schaffte im Berichtjahr die Zweitwohnungsinitiative. Freilich bedeutet die Annahme an der Urne noch nicht automatisch, dass eine Initiative ihre geplante Wirkung entfaltet. Ein Volksbegehren zielt grundsätzlich auf eine Änderung der Verfassung und die spezifischen Ausführungsbestimmungen auf Gesetzesstufe unterliegen Bundesrat und Parlament. Die Umsetzung erweist sich mitunter dann als problematisch, wenn die Initiative gegen Grundrechte, Verfassungsgrundsätze oder internationale Abkommen verstösst. Mögliche Lösungen für dieses Problem wurden auch im Berichtsjahr virulent diskutiert, die Einführung einer Verfassungsgerichtsbarkeit wurde in den Räten hingegen erneut abgelehnt. Ob die Umsetzungsschwierigkeiten dazu führen, dass Initianten ihren Initiativtext verbindlicher formulieren und ob auf eine buchstabengetreue Umsetzung abzielende Begehren wie etwa die Durchsetzungsinitiative der SVP das semidirekte demokratische System mit seiner Gewaltenbalance zwischen Stimmbürgerschaft und politischen Behörden aushöhlen, bleibt abzuwarten.

Politische Grundfragen:
– Der Vorschlag für die Einführung einer Verfassungsgerichtsbarkeit scheiterte nach langer Diskussion.
– Zwei Vorstösse fordern auch für Parteianlässe einen freien Zugang zum Rütli.
– Die UNO stellte der Schweiz ein gutes Zeugnis hinsichtlich Respektierung der Menschenrechte aus, empfahl aber, Initiativen vorgängig auf ihre Kompatibilität mit den Grundrechten zu prüfen.
– Das Vertrauen der Bevölkerung in die politischen Institutionen ist nach wie vor hoch.
– Das Projekt Expo Bodensee-Ostschweiz 2027 konkretisierte sich weiter.

Rechtsordnung:
– Der Bundesrat unterzeichnete ein Abkommen über den Austausch vom Polizeidaten mit den USA.
– Das Bundesgericht hiess die Beschwerde von Google Streetview teilweise gut.
– Der Bundesrat stellte die Strategie zum Schutz der Schweiz vor Cyber-Risiken vor.
– Das Bundesgericht hiess den Deal in Causa Tinner gut.
– In Bern haben 10‘000 Jugendliche gegen die Trägheit des Berner Nachtlebens demonstriert.
– Das Parlament beschloss die Wiedereinführung der verdeckten Ermittlungen.
Cannabiskonsum wird künftig mit einer Busse von CHF 100 bestraft.
– Das Parlament verabschiedete ein Bundesgesetz betreffend die Unverjährbarkeit pornographischer Straftaten an Kinder.
– Der Bundesrat präsentierte einen Gegenvorschlag zur Volksinitiative «Pädophile sollen nicht mehr mit Kindern arbeiten dürfen».
– Die SVP lancierte eine Volksinitiative zur Durchsetzung der Ausschaffung krimineller Ausländer.
– Die Konferenz der kantonalen Justiz- und Polizeidirektoren verabschiedete eine Verschärfung des Hooligan-Konkordats.
– Das Parlament beschloss ein Bundesgesetz über die Massnahmen gegen Zwangsheiraten.

Institutionen und Volksrechte:
– Bundesrat und Parlament empfahlen die Initiative zur Volkswahl des Bundesrates zur Ablehnung.
– Die Staatsleitungsreform verkam zur Minireform.
– Das Informatikprojekt «Insieme» im EFD lief aus dem Ruder und musste abgebrochen werden; CHF 105 Mio. wurden in den Sand gesetzt.
– Die Räte hiessen die Revision des Bundespersonalgesetzes gut.
– Maya Graf war 2012 die erste grüne Nationalratspräsidentin.
– Per Videoerfassung nachgewiesene Zählfehler zwangen den Ständerat, auf einen Vorstoss zur Einführung einer elektronischen Zählanlage zurückzukommen.
– Die Akkreditierung von Lobbyisten war Gegenstand mehrerer Ratsdebatten.
– Mit der Zweitwohnungsinitiative wurde das neunzehnte Volksbegehren seit 1891 angenommen.

Föderativer Aufbau:
– Einige Kantone versuchten mit der Schaffung von Lobbyingstellen mehr Einfluss auf die nationale Politik zu nehmen.
– Der Ständerat gewährleistete die neue Schwyzer Verfassung nur knapp. Das neue Proporzwahlsystem bleibt höchst umstritten.
– Die im Juli präsentierten Zahlen zum Finanzausgleich evozierten Auseinandersetzungen zwischen den Kantonen und eine Diskussion um die Grenzen interkantonaler Solidarität.
– In den beiden Basel wurde eine Initiative für eine Fusion lanciert.
– Die Kantone Bern und Jura unterzeichneten eine Absichtserklärung, deren Ziel eine Volksabstimmung über ein Verfahren für die Gründung eines neuen Kantons bestehend aus dem Kanton Jura und dem Berner Jura ist.

Wahlen:
– Bei den Parlamentswahlen in acht Kantonen konnte die neue Mitte (BDP und GLP) zulegen, während die SVP und die GP teilweise hohe Verluste einfuhren.
– Der negative Trend für die CVP setzte sich fort; die FDP konnte ihre Besitzstände wahren und teilweise gar ausbauen.
– Die Schweizer Demokraten waren nach Verlusten im Kanton Aargau in keinem kantonalen Parlament mehr vertreten.
– Die Angriffe der SVP bei sechs der acht Regierungswahlen scheiterten mit Ausnahme des Kantons Schwyz, wo die Volkspartei die SP aus der Regierung verdrängte.
– Im Kanton Waadt kam es zum ersten Mal zu einer Frauenmehrheit in einer kantonalen Regierung.
– Bei den Legislativwahlen gehörten die Frauen zu den Verliererinnen: in fünf der acht Kantonswahlen und in drei der vier Kommunalwahlen ging der Frauenanteil zurück.
– Bei den Ständeratsersatzwahlen im Kanton Freiburg verteidigte die SP mit ihrem Präsidenten Christian Levrat ihren Sitz, der aufgrund der Wahl von Alain Berset in den Bundesrat frei geworden war.

Aussenpolitik:
– Bundesrat Didier Burkhalter übernahm das Eidgenössische Departement für auswärtige Angelegenheiten (EDA).
– Das Parlament genehmigte einen Kredit über CHF 11.35 Milliarden für die internationale Zusammenarbeit 2013-2016.
– Der Bundesrat aktivierte gegen die EU-8-Staaten die Ventilklausel.
– Die bilateralen Verhandlungen mit der EU wurden weiterhin durch institutionelle Fragen blockiert.
– Der Druck Deutschlands und der USA auf den Schweizer Finanzplatz blieb auch im Rahmen der Verhandlungen über Doppelbesteuerungsabkommen hoch.
– Das Stimmvolk lehnte die AUNS-Initiative «Für die Stärkung der Volksrechte in der Aussenpolitik (Staatsverträge vors Volk!)» ab.
– Die Schweiz bezog Stellung zum Syrien-Konflikt und verhängte Sanktionen über das Land.
– Die Schweiz feierte ihre 10-jährige Mitgliedschaft in der UNO und wurde vom UNO-Generalsekretär Ban Ki-Moon besucht.
– Die Schweiz empfing die Friedensnobelpreisträgerin Aung San Suu Kyi in Bern und eröffnete eine Botschaft in Myanmar.

Landesverteidigung:
– In mehreren Vorstössen wurde der Bundesrat beauftragt, das Nebeneinander von Rekrutenschule und Studium, beziehungsweise zwischen Arbeitsleben und Armee besser zu koordinieren.
– Die Schweizerische Botschaft in Tripolis (Libyen) musste durch Armeeangehörige geschützt werden.
– Für CHF 407 Mio. sollen Armeeimmobilien saniert werden.
– Mit der Umsetzung des Übereinkommens über Streumunition setzte das Parlament den eingeschlagenen Weg der Friedensförderung fort.
– Mit dem Rüstungsprogramm 2012 beantragte der Bundesrat den Kauf von 22 Kampfflugzeugen des Typs Gripen vom Schwedischen Hersteller Saab. Das Geschäft Tiger Teilersatz beschäftigte zahlreiche Akteure und sorgte für viel Unmut.
– Die Anfang Jahr eingereichte Volksinitiative «Ja zur Aufhebung der Wehrpflicht» wurde vom Nationalrat zur Ablehnung empfohlen.
– Der Bundesrat skizzierte in einem Bericht die Zukunft des Zivilschutzes nach 2015.

Wirtschaftspolitik:
– Das Bruttoinlandprodukt der Schweiz wuchs im Berichtsjahr um ein Prozent.
– Im Rahmen der Swissness-Vorlage waren sich der Nationalrat und der Ständerat uneinig über die Kriterien, die einen besseren Schutz der «Marke Schweiz» ermöglichen sollten.
– Die Stimmbürgerinnen und Stimmbürger stimmten dem Gegenentwurf zur zurückgezogenen Volksinitiative «für Geldspiele im Dienste des Allgemeinwohls» zu.
– Der Bundesrat unterbreitete dem Parlament eine Botschaft zur Revision des Kartellgesetzes.
– Das Parlament stellte der Abzocker-Initiative einen indirekten Gegenvorschlag gegenüber.

Geld, Währung und Kredit:
– Die Nationalbank kaufte massiv Währungsreserven, um den Mindestkurs gegenüber dem Euro zu verteidigen.
– Der Präsident der SNB wurde verdächtigt, die Einführung der Kursuntergrenze zur persönlichen finanziellen Bereicherung genutzt zu haben und trat zurück.
– Das Parlament segnete die Verordnungen zur Grossbankenregulierung («Too-big-to-fail») ab.
– Im Steuerstreit mit den USA wurden keine Fortschritte erzielt. Das Abgeltungssteuerabkommen mit Deutschland konnte nicht in Kraft gesetzt werden.
– Mit der Verabschiedung des Steueramtshilfegesetzes und der Umsetzungsvereinbarung zu FATCA wurde das Bankgeheimnis weiter aufgeweicht.

Landwirtschaft:
– Das Parlament begann im Herbst mit den Beratungen über die Agrarpolitik 2014-2017.
– Das Referendum gegen das revidierte Tierseuchengesetz scheiterte an der Urne.
– Die Turbulenzen um den kürzlich liberalisierten Milchmarkt beschäftigten die Branchenvertreter und das Parlament.
– Sowohl das revidierte Tierschutzgesetz als auch das Bundesgesetz über den Verkehr mit Tieren und Pflanzen geschützter Arten wurden vom Parlament angenommen.
– Eine Volksinitiative zum Schutz von Grossraubtieren wie Luchs, Bär und Wolf wurde bei der Staatskanzlei eingereicht.

Öffentliche Finanzen:
– Das Parlament verschärfte die Bemessungsgrundlagen der Pauschalbesteuerung.
– Der Bundesrat bereitete die Unternehmenssteuerreform III vor.
– Der Bundesrat legte dem Parlament die Botschaft zum Konsolidierungs- und Aufgabenüberprüfungspaket 2014 vor.
– Die Staatsrechnung 2012 schloss mit einem Überschuss von CHF 1.3 Mia. weit besser ab als erwartet.
– Der Voranschlag 2013 budgetierte ein Defizit von CHF 450 Mio.

Energie:
– Der Bundesrat schickte die Energiestrategie 2050 in die Vernehmlassung.
– Die Volksinitiative der Grünliberalen zur Einführung einer ökologischen Steuerreform kam zu Stande.
Swissgrid übernahm das Schweizer Übertragungsnetz.
– Die Grünen reichten ihre Volksinitiative zum Atomausstieg ein.
– Experten stellten die Unabhängigkeit der Nuklearaufsicht in Frage.
– Das Bundesverwaltungsgericht befristete den Betrieb des Atomkraftwerks Mühleberg.

Verkehr und Kommunikation:
– Der Ständerat hat die FABI-Vorlage beraten und massiv ausgebaut.
– Der Entscheid des Bundesrates, einen zweiten Gotthardstrassentunnel zu bauen, warf hohe Wellen.
– Nach der Bereinigung der Differenzen wurden das Via-Sicura-Massnahmenpaket und der letzte Teil der Bahnreform 2 vom Parlament gutgeheissen.
– Der Nationalrat wollte den Preis der Autobahnvignette auf CHF 70 erhöhen, der Ständerat auf CHF 100.
– Die Lizenzauktion für die Mobilfunkfrequenzen brachte der Bundeskasse CHF 997 Mio. ein.
– Im Fluglärmstreit zwischen Deutschland und der Schweiz zeichnete sich überraschend eine Lösung ab, der ausgehandelte Staatsvertrag überzeugte jedoch nicht alle involvierten Parteien und wurde von Deutschland auf Eis gelegt.

Raumplanung und Wohnungswesen:
– Mit dem Raumkonzept Schweiz wurde das erste tripartite Konzept zur Förderung der nachhaltigen Raumentwicklung verabschiedet.
– Gegen die beschlossene Teilrevision des Raumplanungsgesetzes, welche der Landschaftsinitiative als indirekter Gegenvorschlag gegenübergestellt worden war, ergriff der Schweizerische Gewerbeverband erfolgreich das Referendum.
– Mit einem hauchdünnen Mehr nahmen Volk und Stände die Volksinitiative «Schluss mit dem uferlosen Bau von Zweitwohnungen» überraschend an. Der Bundesrat erarbeitete sogleich eine Übergangsverordnung, welche per 1.1.13 in Kraft tritt.
– Mit der Ablehnung dreier Volks-initiativen sprachen sich die Stimmbürgerinnen und Stimmbürger gegen eine verstärkte Wohneigentumsförderung aus («steuerlich begünstigtes Bausparen», «Eigene vier Wände» und «sicheres Wohnen im Alter»).

Umweltschutz:
– Die Volksinitiative «Grüne Wirtschaft» der Grünen Partei Schweiz kam erfolgreich zustande.
– Nach unbenutztem Verstreichen der Referendumsfrist zur Revision des CO2-Gesetzes zog das überparteiliche Initiativ-Komitee sein Volksanliegen «für ein gesundes Klima» zugunsten des in Kraft tretenden Gegenvorschlags zurück.
– Zum Erreichen des im Kyoto-Protokoll vorgeschriebenen CO2-Reduktionsziels unterzeichnete der Bundesrat ein Zusatzabkommen mit der Stiftung Klimarappen.
– Die im Vorjahr beschlossene Revision des Gewässerschutzgesetzes sowie die entsprechende Verordnung waren ausschlaggebend für die Einreichung zahlreicher Standesinitiativen.
– Aufgrund einer Motion wird die Ausgabe von Wegwerf-Plastiksäcken an Ladentheken zukünftig verboten.
– Das Parlament beschloss die Ratifikation der Europäischen Landschaftskonvention.

Bevölkerung und Arbeit:
– Die ständige Wohnbevölkerung der Schweiz überschritt im August des Berichtsjahres die Grenze von acht Millionen Personen.
– Der Bundesrat rief gegenüber den osteuropäischen EU-Staaten die Ventilklausel an.
– Die Arbeitslosenquote stieg leicht an.
– Im Rahmen der flankierenden Massnahmen zur Personenfreizügigkeit führte das Parlament im Baugewerbe die Solidarhaftung ein.
– Die Nominallöhne stiegen um 0.8 Prozent, die Reallöhne um 1.5 Prozent.
– Das Parlament entschied sich für eine Liberalisierung der Ladenöffnungszeiten von Tankstellenshops.
– Das Stimmvolk lehnte die Ferieninitiative ab.

Gesundheit, Sozialhilfe, Sport:
– Die Räte verabschiedeten verschiedene Geschäfte zu Patientenrechten und Patientensicherheit.
– Das Epidemiengesetz wurde erneuert und besser auf zukünftige Szenarien ausgelegt.
– Im Bereich Pflege sollen Aus- und Weiterbildungsmöglichkeiten gefördert und pflegende Personen besser entschädigt werden können.
– Die Ausbildung angehender Ärztinnen und Ärzte soll durch Zulassungsmassnahmen und Bereitstellung von genügend Weiterbildungsplätzen sichergestellt werden.
– Auf Initiative des Nationalrates wurden CHF 70 Mio. zum Ausbau von bedeutenden Sportanlagen bewilligt.
– Die Bündner Regierung und der Bundesrat gaben grünes Licht für eine Kandidatur für Olympische Winterspiele 2022 in der Schweiz.

Sozialversicherungen:
– Die Regierung kündigte eine umfassende Reform der 1. und 2. Säule an.
– Das erste Massnahmenpaket der 6. IV-Revision trat in Kraft.
– Grosse Teile des zweiten Massnahmenpakets für die 6. IV-Revision wurden in den Ratsverhandlungen zerzaust.
– Die Räte verabschiedeten einzig die neue Regelung der Kostenvergütung bei stationären Spitalaufenthalten von IV-Beziehenden.
– Die Volksinitiative «Für eine öffentliche Krankenkasse» kam zustande; der Bundesrat begann mit der Erarbeitung eines indirekten Gegenvorschlags.
– Das Volk lehnte die Revision des Krankenversicherungsgesetzes (Managed Care) wuchtig ab.

Soziale Gruppen:
– Die SVP lancierte mit den Volksinitiativen «Gegen Masseneinwanderung» und «Zur Durchsetzung der Ausschaffung krimineller Ausländer» zwei direktdemokratische Instrumente zum Thema Immigration.
– Die Revision des Asylgesetzes führte zu heftigen Debatten und mündete in einem Referendum der Jungen Grünen.
– Das Parlament versuchte eine Lösung für die Wohnungsnot von Asylbewerbern zu finden.
– Das Parlament beschloss seine Position zum neuen Familienartikel.
– Der Nationalrat erlaubte gleichgeschlechtlichen Paaren die Adoption der Kinder ihres Partners.
– Die CVP lancierte zwei Volksinitiativen zur Unterstützung der Familie («Familien stärken!» und «gegen die Heiratsstrafe»).

Bildung und Forschung:
– Die Bereiche Bildung und Forschung sind neu dem Departement für Wirtschaft, Bildung und Forschung unter dem Dach des Staatssekretariats für Bildung, Forschung und Innovation (SBFI) zugeordnet.
– Zahlreiche Massnahmen zur Förderung der Ausbildung in den MINT-Fächern wurden beschlossen.
– Der Bundesbeschluss über die Jugendmusikförderung wurde mit 72.7 Prozent Ja-Stimmenanteil angenommen.
– Das Niveau der Maturaausbildung war Gegenstand zahlreicher Diskussionen.
– Die Stipendieninitiative kam im Februar zustande.
– Das Forschungs- und Innovationsförderungsgesetz wurde insbesondere mit dem Ziel der Einrichtung eines nationalen Innovationsparks revidiert.

Kultur, Sprache, Kirchen:
– Das Bundesamt für Kultur verabschiedete die «Liste der lebendigen Traditionen in der Schweiz».
– Die Buchpreisbindung wurde vom Stimmvolk verworfen.
– Die Thematik des Urheberrechts im Internet beschäftigte das Parlament.
– Der Bündner Sprachenstreit erhitzte weiterhin die Gemüter.
– Das Bundesgericht bestätigte die Möglichkeit eines Teilaustritts aus der Kirche.

Medien:
– Der Bundesrat wurde beauftragt, eine medienpolitische Gesamtschau vorzunehmen, um die staats- und demokratiepolitischen Aufgaben der Medien zu sichern.
– Insgesamt sprach das BAKOM CHF 50 Mio. für die Förderung von Presseerzeugnissen.
– Die geräteabhängige Gebühr für den Empfang von TV- und Radiosignalen soll abgeschafft werden; neu soll eine Abgabe von jedem Haushalt und jedem Unternehmen entrichtet werden.
– Eine Studie der Publicom kam zum Schluss, dass die wirtschaftliche Situation der konzessionierten Privatradios und Regionalfernsehen in der Schweiz nach wie vor als durchzogen bezeichnet werden kann.

Parteien
– Der Bundesrat entschied sich, mit der Umsetzung der Empfehlungen der GRECO für mehr Transparenz in der Parteienfinanzierung zuzuwarten.
– Einige etablierte Parteien hatten Mühe, für ihre im Vorjahr lancierten Volksinitiativen genügend Unterschriften zu sammeln; die Bürokratie-Initiative der FDP schaffte das nötige Quorum nicht.
– In der BDP, der FDP und der GP wurden neue Präsidien gewählt, die SP und die SVP bestellten neue Fraktionspräsidenten.
BDP, FDP, GLP, GP und SVP verbreiterten ihre Parteispitze.
SP und GP lehnten Spendenangebote von Grossbanken ab.
– Der 2009 gestartete Fusionsprozess zwischen FDP und LP wurde mit dem Zusammenschluss im Kanton Waadt abgeschlossen.
– Die CVP feierte im Berichtjahr ihr 100-jähriges Bestehen.
– Die SVP erhielt mehr durch ihre Exponenten als durch ihre Politik mediale Aufmerksamkeit.


Verbände und übrige Interessenorganisationen
Economiesuisse, der Schweizerische Gewerbeverband, der Schweizerische Bauernverband, die Gewerkschaft Unia und die Dachorganisation Schweizer Ärztinnen und Ärzte FMH wählten neue Personen in ihre Präsidien.
– Der Detailhandel und das Gastgewerbe suchten nach Möglichkeiten, um sich mit der Frankenstärke zu arrangieren.
– Drei marktführende Unternehmen traten aus dem Telekommunikationsverband Asut aus.
– Die Dachgewerkschaft Travail Suisse verlor durch den Austritt von Angestellte Schweiz 22'000 Mitglieder.
– Die Volksinitiative «Ja zur Aufhebung der Wehrpflicht» der GSoA kam zustande.

Jahresrückblick / Rétrospective annuelle 2012
Dossier: Rétrospectives annuelles 2004 à 2014

Qu'est-ce qui figurait à l'agenda politique suisse en 2012? Quelles étaient les affaires les plus importantes au Parlement? Et qu'est-ce qui a interpellé le public intéressé par la politique ? Les événements les plus importants en 2012 sont résumés ci-dessous et ensuite listés par thème. Les liens vous mèneront directement à ces objets et événements clés de l'année en cours. Hier finden Sie die deutsche Version dieses Artikels.

L’année politique 2012 a été marquée par des controverses d’une dureté croissante dans le domaine de la politique étrangère. Pourtant, la Suisse aurait pu se retrouver dans une situation bien plus confortable: elle a été largement épargnée par les difficultés économiques qu’ont rencontrées les pays de l‘Union européenne. Cela s’est notamment traduit par un excédent budgétaire de CHF 1.3 milliards, par un marché du travail qui a résisté à la crise grâce à un faible taux de chômage et par une croissance économique certes modérée, mais s’inscrivant au-delà de la moyenne européenne. Le taux de change face à l’euro, qui a pu être maintenu au niveau de CHF 1.20 grâce aux interventions de la Banque national suisse, témoigne également de la force économique de le Confédération. Pourtant, la position de faiblesse de la Suisse dans le domaine de la politique extérieure aura été très visible au cours de l’année sous revue. Par exemple, il est possible de citer la mise en œuvre de l’accord FATCA avec les Etats-Unis qui aura pour effet d’affaiblir davantage le secret bancaire, les négociations avec les Etats-Unis portant sur les différends fiscaux qui traînent en longueur, ou également les accords avec l’Allemagne en matière d’imposition et de bruit aérien, qui ont échoué tous les deux. Les temps auront également été difficiles concernant les négociations avec l’Union européenne, celle-ci ayant continué d’être bloquées pour des raisons d’ordre institutionnel. En avril, l’activation de la clause de sauvegarde par le Conseil fédéral à l’égard de huit Etats de l’Est membres de l’Union européenne n’aura pas été favorable à l’amélioration des relations bilatérales, même s’il s’agissait d’une mesure entraînant des effets simplement symboliques. Cela laisse en tout cas entrevoir des temps difficiles pour le Département des affaires étrangères, repris par le Conseil fédéral Didier Burkhalter au début de l’année sous revue. Les citoyen-ne-s suisses ont en revanche exprimé leur confiance envers la politique étrangère de la Confédération en rejetant massivement l’initiative populaire «Accords internationaux: la parole au peuple» de l’ASIN.

La décision prise par le Conseil fédéral en 2011 d’acquérir 22 avions de combat suédois du type Gripen a continué de faire des vagues dans les médias. Des rapports d’évaluation négatifs, un rapport d’enquête de la commission de la politique de sécurité qui a mis en avant les risques de l’achat, une attitude critique même de la part des partis bourgeois ainsi que des doutes exprimés par la population dans le cadre de sondages ont conduit à des marchandages laborieux. Le Conseil fédéral, qui a demandé 3.126 milliards de francs pour l‘acquisition, n’a pas trouvé de solution politique au cours de l’année sous revue.

Des étapes importantes ont été franchies en 2012 dans les domaines de la politique agricole et de l’aménagement du territoire. Les Chambres se sont penchées sur la politique agricole 2014-2017. L’objectif en point de mire est une agriculture plus soutenable et plus performante d’un point de vue économique. La modification contestée des paiements directs a été soutenue par les deux Chambres. La révision partielle de la loi sur l’aménagement du territoire (LAT), qui a été élaborée sous forme de contre-projet à l’initiative populaire pour le paysage, a été adoptée après bien des débats. C’est l’obligation de déclassement en cas de zones à bâtir surdimensionnées qui a fait l’objet de vives controverses. Cette disposition a non seulement été le déclencheur d‘un référendum lancé par l’Union suisse des arts et métiers (USAM) ayant abouti, mais a également entraîné une querelle au sein du PDC. Comme l’obligation de déclassement aurait pour effet une réduction d’un grand nombre de zones à bâtir dans le canton du Valais, la section valaisanne du PDC a menacé de quitter le parti, puisque celui-ci s’était rallié au côté des partisans. La votation sur la LAT a été fixée au printemps 2013. En soutenant de manière surprenante l’initiative populaire sur les résidences secondaires et en rejetant trois initiatives populaires portant sur la promotion de la propriété du logement, la population suisse s’est directement immiscée dans la politique territoriale. Alors que l’idée de l’épargne-logement devrait être écartée pour les prochaines années, l’initiative sur les résidences secondaires devrait échauffer les esprits longtemps encore. L’initiative qui a été acceptée par une courte majorité de 50.6 pourcent vise à limiter la part des résidences secondaires à 20 pourcent dans les communes. Suite à son acceptation, c’est la mise en œuvre de l’initiative populaire qui a été au centre des préoccupations. Ce sont surtout les régions touristiques concernées qui ont tenté d’exercer leur influence sur l’ordonnance transitoire, ce qui a poussé les initiateurs de «Helvetia Nostra» à saisir la justice.

Au cours de l’année sous revue, le Conseil fédéral a présenté sa Stratégie énergétique 2050 dans laquelle il a réaffirmé sa décision historique prise l’année précédente de sortir de l’énergie nucléaire à l’avenir. Un premier paquet de mesure destiné à une transformation de l’approvisionnement énergétique en plusieurs étapes a été mis en consultation en automne 2012. Les initiatives populaires que les Vert’libéraux (au sujet d’un réforme fiscale écologique) et les Verts (demandant une sortie précoce de l’énergie nucléaire) ont déposées au cours de l’année sous revue, auront pour conséquence de placer la politique énergétique sur le devant de la scène pendant longtemps encore. En outre, par la signature d’un protocole supplémentaire avec la Fondation Centime Climatique, le gouvernement a tenté d’atteindre ses objectifs de réduction des émissions de CO2 définis dans le cadre du protocole de Kyoto. Etant donné les mesures prises jusqu’à présent, ces objectifs sont encore loin d’être atteints.

La politique de la santé s’est illustrée par son manque de consensus en 2012. Durant l’année sous revue, le parlement a vidé de son contenu la sixième révision de l’assurance invalidité, les citoyen-ne-s ont massivement rejeté le projet «managed care», qui avait pourtant obtenu un large soutien au parlement, et les Chambres n’ont pas réussi à trouver un terrain d’entente s’agissant de la loi fédérale sur la prévention et la promotion de la santé. C’est le refus du Conseil des Etats qui a eu raison de cet objet parlementaire.

L‘augmentation continue de la population – la population résidente a franchi le cap des 8 millions d’habitants en août 2012 – a entre autres des répercussions sur la politique des transports. Au cours de l’année sous revue, le Conseil des Etats s’est montré très généreux lors des délibérations portant sur le financement et l’aménagement de l’infrastructure ferroviaire (FAIF). Pour des raisons en partie tactiques, la Chambre des cantons a intégré tellement de projets supplémentaires que le volume des investissements s’est établi à CHF 6.4 milliards, correspondant ainsi à une somme qui a quasiment doublé par rapport aux propositions du Conseil fédéral (celle-ci s’élevait à CHF 3,5 milliards). En même temps, le Conseil des Etats s’est prononcé en faveur d’une hausse du prix de la vignette à CHF 100 afin de pouvoir financer le réseau routier. Ces deux objets feront couler beaucoup d’encre en 2013. La décision du Conseil fédéral de vouloir construire un deuxième tunnel routier au Gothard en raison de l’assainissement nécessaire du premier a également suscité un grand intérêt médiatique. Selon le gouvernement, cette option présente des avantages financiers tout en respectant l’article constitutionnel sur la protection des alpes. En effet, les deux tunnels ne compteraient respectivement qu’un seul tracé. Alors que les partis bourgeois, les associations économiques et le canton du Tessin ont salué cette décision, le camp rouge-vert ainsi que le canton d’Uri l’ont âprement critiquée.

La politique de la famille a joui d’un intérêt grandissant en 2012. Les Chambres se sont prononcées en faveur d’un nouvel article constitutionnel ayant pour but une meilleure conciliation travail-famille. Cette votation aura lieu en 2013 dans le cadre d’un référendum obligatoire. Dans son message, le Conseil fédéral a rejeté l’initiative populaire de l’UDC demandant une déduction fiscale pour la garde des enfants par leurs parents. En décembre, les deux initiatives populaires du PDC ont abouti. Celles-ci demandent des allègements fiscaux en faveur des familles et des couples mariés.

En 2012, avec l’importance croissante des événement politiques relatés par les médias, des personnes impliquées politiquement en Suisse on été mises en face de leurs responsabilités. Evidemment, le cas «Hildebrand» et aussi le cas «Zuppiger» ont été initiés en 2011 déjà. Néanmoins, de nombreux effets qui en découlent sont perceptibles dans l’année sous revue. Le chef de la banque national Philipp Hildebrand a démissionné après qu’on l’ait accusé d’avoir utilisé l’introduction du taux plancher afin de s’enrichir personnellement. Finalement, un procédé pénal était ouvert contre Christoph Blocher. En effet, c’est lui qui avait fait éclater l’affaire avec des dossiers bancaires secrets présentés au Conseil fédéral. Bruno Zuppiger, encore candidat potentiel au Conseil fédéral en 2011, a été accusé d’abus de confiance pour avoir détourné les fonds d’un héritage. Après de longues hésitations et une grande pression issue de son parti, Zuppiger s’est retiré du Conseil national. Un véritable scandale au sein de l’administration fédérale, portant le nom d’Insieme, est également resté dans tous les esprits. Les coûts d’un projet informatique décidé en 2001 ont échappé à tout contrôle, de telle manière qu’il a dû être arrêté, avoisinant des pertes de CHF 105 millions. Une enquête administrative a révélé plusieurs incohérences dans l’octroi de certains projets.

S’agissant des élections cantonales, les partis ont connu fortunes diverses. Les Vert’libéraux et le PBD de Martin Landolt, qui a été élu à la tête du parti, ont progressé. Le PLR, récemment présidé par Philipp Müller et qui a finalisé le processus de fusion avec le parti libéral en 2012, a su étonnamment bien maintenir ses acquis. En revanche, la spirale négative s’est poursuivie pour le PDC, qui a fêté ses 100 ans d’existence. Les Verts, dorénavant dirigés par une co-présidence composée d’Adèle Thorens et de Regula Rytz, ont également dû essuyer de lourdes pertes. Quant aux socialistes, ils ont pu légèrement progresser. Les deux partis de gauche ont attiré l’attention en refusant des dons émanant des grandes banques. Pour ce qui est de l’UDC, la tendance négative entamée lors des élections fédérales en 2011 s’est confirmée en tout cas au début de l’année 2012, ce qui a provoqué quelques critiques internes qui n’ont cependant pas été pris en compte par la direction du parti. Le fait que l’UDC continue d‘occuper avec succès le domaine de la politique d’asile, son thème de prédilection, s’est de nouveau vérifié lors du durcissement de la loi sur l’asile. Cette révision n’a pas seulement été adoptée par l’UDC, mais également par le PLR et le PDC. Le PS ayant même renoncé à lancer le référendum, ce sont finalement les Jeunes Verts qui ont assumé cette tâche. Au cours de l’année sous revue, les Démocrates Suisses ont montré des signes de désintégration. Suite à la non-réélection de leurs deux députés dans le canton d’Argovie, le parti n’a plus d’élus au niveau cantonal.

La stratégie consistant à exploiter les instruments de la démocratie directe à des fins partisanes, a de plus en plus été utilisée par les partis. Cela s’est vérifié dans les faits avec onze initiatives populaires qui ont été lancées et l’aboutissement de dix textes en 2012, alors que 20 initiatives se trouvent au stade de la récolte des signatures. Au total, les citoyen-ne-s se sont prononcés sur sept initiatives populaires (et deux contre-projets). La récolte des signatures s’avère être cependant un exercice fort délicat. Ainsi, le PDC et les Vert’libéraux ont dû batailler ferme afin qu’aboutissent leurs projets respectifs. Le PLR – également guère expérimenté en matière de récolte de signatures – n’a pas réussi à faire aboutir son initiative populaire s’intitulant «stop à la bureaucratie». La qualification d’une initiative constitutionnelle ne constitue que la première étape. Le chemin menant au scrutin peut parfois être très long, comme en témoigne l’exemple de l’initiative populaire contre les rémunérations abusives. Déposée en 2008, les Chambres ne sont parvenues à élaborer un contre-projet indirect qu’après une véritable odyssée et plusieurs prolongations de délai. Le parlement a néanmoins démontré qu’il savait travailler de manière plus efficace, comme l’illustre le cas de l’initiative socialiste visant à établir une caisse de maladie unique. Afin que le parti socialiste ne puisse tirer profit de cette initiative lors de l’année électorale 2015, plusieurs interventions parlementaires ont été déposées demandant au Conseil fédéral de renoncer à élaborer un contre-projet. Il arrive également que des initiatives soient couronnées de succès au cours des délibérations parlementaires. Cela est le cas lorsque des plans alternatifs ou atténués prennent forme dans la cadre de contre-projets directs et indirects. Au cours de l’année sous revue, par exemple, les citoyen-ne-s ont eu l’occasion de se prononcer sur deux contre-projets élaborés par le parlement mais issus de deux initiatives populaires qui ont été retirées entre temps – l’arrêté fédéral sur la promotion de la formation musicale des jeunes ainsi que l’arrêté fédéral concernant la réglementation des jeux d’argent en faveur de l’utilité publique. Rarement, mais de plus en plus souvent, les initiatives atteignent leur objectif premier, c'est-à-dire le soutient du peuple et des cantons devant les urnes. Depuis 1871, 19 initiatives populaires ont été acceptées, dont plus de la moitié depuis 1990 (soit onze textes). Au cours de l’année sous revue, l’initiative sur les résidences secondaires a réussi cet exploit. Il est évident que l’adoption d’une initiative ne garantit pas que celle-ci produise automatiquement les effets escomptés. Le texte porte sur la constitution, alors que l’élaboration des dispositions d’exécution spécifiques au niveau des lois incombe au Conseil fédéral et au parlement. La mise en œuvre s’avère difficile lorsqu’une initiative déroge aux droits fondamentaux, à des principes constitutionnels ou à des accords internationaux. De possibles solutions à ces problèmes ont fait l’objet de vives discussions au cours de l’année sous revue, l’introduction d’une juridiction constitutionnelle ayant été de nouveau rejetée par les Chambres. Il conviendra d’observer si ces difficultés d’implémentation conduiront les initiateurs à formuler des textes plus astreignants ou si une interprétation à la lettre, comme le demande l’initiative de mise en œuvre de l’UDC, sapera le système démocratique semi-direct et son équilibre des pouvoirs entres citoyen-ne-s et autorités politiques.

Problèmes politiques fondamentaux:
– La proposition d’introduire la juridiction constitutionnelle a échoué suite à de longues discussions.
– Deux interventions parlementaires ont demandé un accès libre au Grütli, également pour les manifestations de parti.
– L’ONU a tiré un bilan positif quant au respect des droits de l’homme par la Suisse, mais elle a recommandé de vérifier au préalable la compatibilité des initiatives populaires avec les droits fondamentaux.
– La confiance de la population envers les institutions politiques reste élevée.
– Le projet Expo Lac de Constance-Suisse orientale 2017 a continué à se concrétiser.

Ordre juridique:
– Le Conseil fédéral a approuvé l’accord avec les Etats-Unis sur l’échange de données concernant des terroristes connus ou présumés.
– Le Tribunal fédéral a agréé partiellement le recours de Google Streetview.
– Le Conseil fédéral a présenté la stratégie nationale de protection de la Suisse contre les cyberrisques.
– Le Conseil fédéral a été d’accord avec la solution concernant l’affaire Tinner.
– À Berne, 10'000 jeunes ont manifesté contre la lourdeur de la vie nocturne.
– Le parlement a décidé la réintroduction de l’investigation secrète.
– Désormais, la consommation de cannabis sera passible d'une amende d'ordre de CHF 100.
– Le parlement a approuvé la loi concernant l’imprescriptibilité des actes de pornographie enfantine.
– Le Conseil fédéral a présenté un contre-projet indirect à l’initiative «Pour que les pédophiles ne travaillent plus avec des enfants».
– L’UDC a lancé une initiative populaire de mise en œuvre pour le renvoi effectif des étrangers criminels.
– La Conférence des directrices et directeurs des départements cantonaux de justice et police a décidé la révision du concordat instituant des mesures contre la violence lors de manifestations sportives.
– Le parlement a adopté la loi contre les mariages forcés.

Institutions et droits populaires:
– Le Conseil fédéral et le parlement ont recommandé de rejeter l’initiative populaire portant sur l’élection du Conseil fédéral par le peuple.
– La réforme de la direction de l’Etat a accouché d’une souris.
– Le projet informatique «Insieme» au sein du DFF s’est enlisé et a dû être annulé; CHF 105 millions ont été dilapidés.
– Les Chambres ont adopté la révision de la loi sur le personnel de la Confédération.
– En 2012, Maya Graf a été la première présidente du Conseil national issue des Verts.
– En raison d’erreurs dans le comptage des votes établies par des enregistrements vidéo, le Conseil des Etats a été contraint de reconsidérer une intervention parlementaire demandant l’introduction d’une installation de comptage électronique.
– L’accréditation de lobbyistes a été l’objet de plusieurs débats au sein du parlement.
– Le oui à la votation sur les résidences secondaires a constitué la dix-neuvième acceptation d’une initiative populaire depuis 1891.

Structures fédéralistes:
– Plusieurs cantons ont tenté d’augmenter leur influence sur la politique fédérale en créant des postes de lobbyiste.
– Le Conseil des Etats n’a donné sa garantie à la nouvelle constitution du canton de Schwyz que par une courte majorité. Le nouveau système de vote proportionnel reste très controversé.
– Les chiffres présentés en juillet au sujet de la péréquation financière ont provoqué des altercations entre les cantons et une discussion portant sur les limites de la solidarité intercantonale.
– Une initiative demandant la réunification des deux Bâles a été lancée.
– Les cantons de Berne et du Jura ont signé une déclaration d’intentions ayant pour objectif une votation portant sur le processus concernant la création d’un nouveau canton se composant du canton du Jura et du Jura bernois.

Elections:
– Lors des élections parlementaires dans huit cantons, les nouveaux partis du centre (PBD et Vert’libéraux) ont progressé, alors que l’UDC et les Verts ont subi des pertes importantes.
– Pour le PDC, la tendance négative s’est poursuivie; le PLR a pu conserver ses acquis, voire même progresser.
– Suite au revers subis dans le canton d’Argovie, les Démocrates Suisses ne sont plus représentés dans aucun parlement cantonal.
– Les attaques de l’UDC lors de six des huit élections à l’exécutif cantonal ont échoué à l’exception du canton de Schwyz où l’UDC a évincé le PS du gouvernement.
– Dans le canton de Vaud, les femmes ont formé pour la première fois une majorité au sein d’un gouvernement cantonal.
– Lors des élections parlementaires, les femmes ont fait partie des perdantes: dans cinq élections cantonales sur huit et trois élections communales sur quatre, la part des femmes a diminué.
– Grâce à l’élection de son président Christian Levrat, le PS fribourgeois a défendu son siège au Conseil des Etats, qui était à pourvoir suite à l’élection d’Alain Berset au Conseil fédéral.

Politique étrangère:
– Le conseiller fédéral Didier Burkhalter a pris la direction du Département fédéral des affaires étrangères (DFAE).
– Le parlement a octroyé un crédit de CHF 11.35 milliards pour la coopération internationale 2013-2016.
– Le Conseil fédéral a activé la clause de sauvegarde envers les Etats de l’UE-8.
– Les questions institutionnelles ont continué à bloquer les relations bilatérales avec l’UE.
– L’Allemagne et les Etats-Unis ont maintenu la pression sur la place financière suisse lors des négociations d’accords de double-imposition.
– Le peuple a refusé l’initiative de l’ASIN «La parole au peuple!».
– La Suisse a pris position sur le conflit syrien en instaurant des sanctions contre le régime.
– La Suisse a fêté ses 10 ans d’adhésion à l’ONU et a reçu son secrétaire général Ban Ki-Moon.
– La Suisse a accueilli à Berne le Prix Nobel de la Paix Aung San Suu Kyi et a ouvert une ambassade au Myanmar.

Armée:
– Lors de plusieurs interventions, le Conseil fédéral a été prié de proposer des mesures permettant mieux concilier l’école de recrues et les études, ou, en d’autres termes, la vie professionnelle et l’armée.
– L’ambassade de Suisse à Tripoli (Libye) a dû être protégée par des membres de l’armée.
– Les bâtiments de l’armée seront assainis pour un montant de CHF 407 millions.
– Avec le programme d’armement 2012, le Conseil fédéral a sollicité l’achat de 22 avions de combat de type Gripen au constructeur suédois Saab. L’affaire du remplacement partiel du Tiger a fait beaucoup de bruit et suscité de nombreuses critiques.
– Le Conseil national s’est exprimé contre l’initiative «Oui à l'abrogation du service militaire obligatoire», qui avait abouti en début d’année.
– Dans un rapport, le Conseil fédéral a esquissé l’avenir de la protection civile après 2015.

Politique économique:
– Le produit intérieur brut de la Suisse a cru d’un pourcent au cours de l’année sous revue.
– Dans le cadre du projet Swissness, le Conseil national et le Conseil des Etats étaient en désaccord quant aux critères qui devaient permettre une meilleure protection de la «marque suisse».
– Le peuple a adopté le contre-projet à l’initiative «pour des jeux d’argent au service du bien commun».
– Le Conseil fédéral a soumis un message relatif à une révision de la loi sur les cartels.
– Le parlement a élaboré un contre-projet indirect à l’initiative populaire contre les rémunérations abusives.

Crédit et monnaie:
– La Banque nationale a acquis une quantité importante de devises pour maintenir le cours plancher face à l’Euro.
– Le président de la BNS a été soupçonné d’avoir utilisé l’introduction du taux plancher pour son enrichissement personnel, il a démissionné.
– Le parlement a approuvé les ordonnances concernant les régulations des grandes banques («Too-big-to-fail»).
– Le conflit fiscal avec les USA n’a franchi aucune étape supplémentaire. L’accord sur l’impôt libératoire avec l’Allemagne n’a pas abouti.
– Avec l’adoption de la loi sur l’assistance administrative et de l’accord visant à faciliter la mise en œuvre de la FATCA, le secret bancaire s’est une fois de plus affaibli.

Agriculture:
– Les Chambres ont débuté en automne les délibérations parlementaires sur la politique agricole 2014-2017.
– Le référendum contre la révision de la loi sur les épizooties a échoué dans les urnes.
– Les turbulences à propos du marché laitier récemment libéralisé ont occupé les représentants des interprofessions concernés et le parlement.
– Le parlement a adopté et la révision de la loi sur la protection des animaux et la loi fédérale sur la circulation des espèces de faune et de flore protégées.
– Une initiative populaire visant à protéger les grands prédateurs tels que l’ours, le loup et le lynx a été déposée auprès de la Chancellerie fédérale.

Finances publiques:
– Le parlement a adopté un durcissement de l’imposition forfaitaire.
– Le Conseil fédéral a préparé la réforme de l’imposition des entreprises III.
– Le Conseil fédéral a soumis au parlement un message portant sur le programme de consolidation et de réexamen des tâches 2014.
– Les comptes 2012 ont affiché un excédent de CHF 1.3 milliards, un résultat nettement supérieur aux prévisions.
– Le budget 2013 a prévu un déficit de CHF 450 millions.

Energie:
– Le Conseil fédéral a mis en consultation la Stratégie énergétique 2050.
– L’initiative populaire des Vert’libéraux destinée à introduire une réforme fiscale écologique a abouti.
Swissgrid a repris le réseau suisse de transport de l'électricité.
– Les Verts ont déposé une initiative populaire demandant la sortie de l’énergie nucléaire.
– Des experts ont émis des doutes quant à l’indépendance des instances de sécurité nucléaire.
– Le Tribunal fédéral administratif a fixé un délai à l’exploitation de la centrale nucléaire de Mühleberg.

Transports et communications:
– Le Conseil des Etat a délibéré sur le FAIF et a massivement augmenté les crédits.
– La décision prise par le Conseil fédéral de construire un deuxième tunnel routier au Saint-Gothard a suscité l‘émoi.
– Suite à l’élimination de divergences, le parlement a adopté le paquet de mesures du programme «via secura» ainsi que la dernière partie de la réforme des chemins de fer 2.
– Le Conseil national a voulu augmenter le prix de la vignette à CHF 70, le Conseil des Etats à CHF 100.
– La mise aux enchères de fréquences de téléphonie mobile a rapporté CHF 997 millions de à la Confédération.
– Dans la dispute qui oppose l’Allemagne à la Suisse sur le bruit de trafic aérien, une solution s’est étonnamment profilée à l’horizon, mais l’accord n’a pas convaincu toutes les parties impliquées et a été mis en veilleuse par l’Allemagne.

Aménagement du territoire et logement:
– Le premier concept tripartite pour promouvoir un développement territorial durable a été adopté.
– L’Union suisse des arts et métiers a lancé avec succès le référendum contre la révision partielle de la loi sur l’aménagement du territoire, qui avait été proposée comme contre-projet indirect à l’initiative pour le paysage.
– Le peuple et les cantons ont accepté avec une très faible majorité l’initiative populaire «Halte aux constructions envahissantes de résidences secondaires». Le Conseil fédéral a aussitôt réalisé une ordonnance de transition entrée en vigueur le 1.1.13.
– En refusant trois initiatives populaires le peuple suisse s’est exprimé à plusieurs reprises contre un renforcement de l’encouragement à la propriété du logement.

Protection de l'environnement:
– L’initiative populaire «économie verte» lancée par le parti des Verts a abouti.
– Après l’expiration du délai référendaire concernant la révision de la loi sur le CO2, le comité interpartis a retiré son initiative «pour un climat sain» au profit du contre-projet entré en vigueur.
– Afin d’atteindre l’objectif de réductions de CO2 requis par le protocole de Kyoto, le Conseil fédéral a signé un contrat additionnel avec la Fondation Centime Climatique.
– La loi sur la protection des eaux, entérinée l’année précédente, ainsi que l’ordonnance correspondante, ont été décisives pour le dépôt de nombreuses initiatives cantonales.
– Suite à une motion, la distribution de sacs plastiques à la caisse des magasins sera dorénavant interdite.
– Le parlement a ratifié la Convention européenne du paysage.

Population et travail:
– La population résidente permanente de la Suisse a franchi la barre des 8 millions de personnes en août de l'année sous revue.
– Le Conseil fédéral a activé la clause de sauvegarde à l’égard des pays de l’Est de l’UE.
– Le taux de chômage a légèrement augmenté.
– Dans le cadre des mesures d’accompagnement à la libre circulation des personnes, le parlement a introduit la responsabilité solidaire dans le domaine de la construction.
– Les salaires nominaux ont progressé de 0,8%, les salaires réels de 1.5 pourcent.
– Le parlement fédéral s’est prononcé en faveur d’une libéralisation des heures d’ouverture des magasins de stations-services.
– Le peuple a rejeté l’initiative «6 semaines de vacances pour tous».

Santé, assistance sociale, sport:
– Les Chambres ont adopté plusieurs objets relatifs aux droits et à la sécurité des patients.
– La loi sur les épidémies a été renouvelée et améliorée.
– Dans le domaine des soins, les possibilités de formations et de formations en continu doivent être promues et le personnel doit bénéficier d'une rémunération plus importante.
– La formation de futurs médecins doit être garantie par des mesures portant sur l'accès et la mise en place d'un nombre suffisant de places de formation.
– Sur initiative du Conseil national, CHF 70 millions ont été débloqués afin d'améliorer les installations sportives importantes.
– Le gouvernement grison et le Conseil fédéral ont donné leur accord à une candidature pour les jeux d'hiver 2022.

Assurances sociales:
– Le Gouvernement a annoncé une réforme globale du 1er et du 2e pilier.
– Le premier volet de la 6e révision de l’AI est entré en vigueur.
– La grande partie du 2e volet de la 6e révision de l’AI a été démantelée lors des débats parlementaires.
– Les Chambres ont entériné uniquement la nouvelle réglementation concernant la prise en charge des traitements stationnaires hospitaliers pour les rentiers AI.
– L’initiative «pour une caisse publique d’assurance-maladie» a abouti; le Conseil fédéral s’est attelé à l’élaboration d’un contre-projet indirect.
– Le peuple a clairement refusé la révision de la loi sur l’assurance-maladie (Managed Care).

Groupes sociaux:
– L’UDC a utilisé les instruments de la démocratie directe en déposant une initiative «contre l’immigration de masse» et en lançant une initiative de mise en œuvre pour faire appliquer sa première initiative «pour le renvoi des étrangers criminels».
– Les tours de vis apportés à la loi sur l’asile ont fait couler beaucoup d’encre. Un référendum a été lancé par les jeunes verts.
– Le parlement a tenté de trouver des solutions pour faire face à la pénurie de logements touchant les requérants d’asile.
– Avant de passer devant le peuple en 2013, le parlement a arrêté sa position sur le changement constitutionnel demandant un nouvel article sur la famille.
– Le Conseil national a accepté de donner le droit aux partenaires de même sexe d’adopter les enfants de leur conjoint.
– La politique familiale a été au centre des préoccupations du PDC qui a déposé deux initiatives visant à aider les familles.

Enseignement et recherche:
– Les questions de formation et de recherche concerneront désormais le département de l’économie avec la formation d’un Secrétariat d’Etat à la formation, à la recherche et à l’innovation (SEFRI).
– De nombreuses mesures visant à promouvoir les formations MINT ont été prises.
– L’arrêté fédéral sur la promotion musicale des jeunes a été approuvé par 77.2 pourcent des voix.
– Le niveau de la maturité fédérale a été longuement débattu.
– L’initiative sur les bourses d’étude a abouti.
– La loi sur l’encouragement de la recherche et de l’innovation a été révisée, avec notamment comme objectif un Swiss Innovation Park.

Culture, langues, églises:
– L’Office fédéral de la culture a publié la «liste des traditions vivantes en Suisse».
– Le peuple a refusé la loi sur la réglementation du prix du livre.
– La thématique des droits d’auteur a occupé le parlement.
– La dispute linguistique dans les Grisons a échauffé les esprits.
– Le Tribunal fédéral a confirmé la possibilité de sortie partielle de l’église.

Médias:
– Le Conseil fédéral a été chargé d'élaborer un concept général du paysage médiatique suisse afin de garantir le rôle étatique et démocratique des médias.
– L’OFCOM a accordé au total CHF 50 millions à l’aide à la presse.
– La redevance de réception pour la télévision et la radio, jusqu’à présent imposée à l’unité, sera remplacée par une redevance payée par tous les ménages et entreprises.
– Une étude de Publicom a conclu que la situation économique des radios privées et télévisions régionales en Suisse pouvait toujours être qualifiée de mitigée.

Partis
– Le Conseil fédéral a décidé de patienter avant la mise en œuvre des recommandations du GRECO pour améliorer la transparence des finances des partis.
– Quelques partis, pourtant bien établis, ont peiné à récolter les signatures nécessaires pour leurs initiatives populaires lancées l’année passée; l’initiative du PLR contre la bureaucratie n’a pas réussi à atteindre le quorum requis.
– Le PBD, le PLR et les Verts ont renouvelé leur comité directeur, le PS et l’UDC ont élu un nouveau président de groupe.
– Le PBD, le PLR, le PVL, les Verts et l’UDC ont élargi leurs instances dirigeantes.
– Le PS et les Verts ont refusé les offres de dons provenant des grandes banques.
– Le processus de fusion entre le PLR et le PL, démarré en 2009, s’est achevé par l’union des sections vaudoises.
– Le PDC a fêté son 100e anniversaire au cours de l’année sous revue.
– L’UDC a attiré l’attention des médias plus grâce à ses représentants que grâce à sa politique.

Associations et autres groupes d’intérêt
Economiesuisse, L’Union suisse des arts et métiers, l’Union suisse des paysans, le syndicat Unia et la Fédération des médecins suisses FMH ont élu de nouvelles personnes à leurs présidences.
– Le commerce de détail ainsi que le secteur de l’hôtellerie et de la restauration ont recherché des possibilités afin de faire face au franc fort.
– Trois entreprises leader sur le marché de la communication ont quitté l’association des télécommunications ASUT.
– Par le retrait d’Employés Suisse, l’association faîtière syndicale a perdu 22 000 membres.
– L’initiative populaire «Oui à l’abrogation du service militaire obligatoire» lancée par le GSsA a abouti.

Jahresrückblick / Rétrospective annuelle 2012
Dossier: Rétrospectives annuelles 2004 à 2014

Bei den nationalen Wahlen nahm sich die CVP vor, in jenen Kantonen zu punkten, in denen sie noch nicht stark vertreten war. Zum obersten Ziel der eidgenössischen Wahlen erklärte sie einen Wähleranteil von 17% und damit auch die Rückeroberung des zweiten, 2003 verlorenen Bundesratssitzes. Zudem wolle man die stärkste Kraft im Ständerat bleiben. Nicht emotionale, auf Missstände fokussierte Boulevard-Debatten, sondern sachpolitische Diskussionen wollte die CVP im Wahljahr führen. Mit einem Budget von CHF 3 Mio. und den Familien-Initiativen wollte die CVP vor allem auch Wählerinnen und Wähler von Mitte-Links überzeugen. Zur Führung der Wahlkampagne bestimmte die CVP eine leitende Kommission, bestehend aus den Nationalräten Gerhard Pfister (ZG) und Luc Barthassat (GE) sowie dem Parteipräsidenten Christophe Darbellay (VS).

Wahlkampf und Resultate der CVP bei den eidgenössischen Wahlen 2011
Dossier: Les résultats des partis les plus importants lors des élections nationales 2011

Für einen Eklat sorgte SP-Präsident Christian Levrat, der – unzufrieden mit der Departementsverteilung nach den Bundesratsersatzwahlen – den Präsidenten der FDP Fulvio Pelli der Lüge bezichtigte. Die FDP hätte versprochen, dass sie einen Departementswechsel der Bundesräte Maurer und Widmer-Schlumpf verhindern würde und einer Sitzverteilung nach dem Anciennitätsprinzip nicht entgegenstehen würde, unter der Bedingung, dass die SP den FDP-Bundesratssitz unterstützte. Beide Versprechen hätten die Freisinnigen nicht eingehalten. Die grosse Rochade bei der Departementsverteilung hatte zur Folge, dass die SP nicht nur das Uvek an die CVP abgeben musste, sondern auch, dass Bundesrätin Sommaruga als Konsumentenschützerin nicht das Volkswirtschaftsdepartement erhielt, sondern als Nichtjuristin das EJPD übernehmen musste. Pelli seinerseits kündigte eine Verleumdungsklage gegen Levrat an. Die Causa Levrat-Pelli beschäftigte die Presse einige Tage lang, bevor der Streit Mitte Oktober mit einer dürren Medienmitteilung beigelegt wurde.

Streit zwischen SP und FDP bei Departementsverteilung

Le Conseil national a examiné le projet de révision partielle de la loi sur l’aménagement du territoire durant l’année sous revue. Malgré une proposition de non-entrée en matière déposée par le groupe des Verts, au motif que la révision proposée affaiblirait l’aménagement du territoire en Suisse (la distinction entre zones à bâtir et zones non constructibles devenant de plus en plus floue), le plénum a décidé d’entrer en matière sur le projet par 155 voix contre 12. Socialistes, démocrates-chrétiens et radicaux ont soutenu cette révision, émettant seulement quelques critiques à son égard. L’UDC a également soutenu ce projet, même s’il aurait souhaité une révision plus audacieuse. Des minorités de la Commission de l’environnement, de l’aménagement du territoire et de l’énergie, presque exclusivement composées de membres du groupe UDC, ont d’ailleurs proposé d’assouplir davantage encore les règles d’aménagement du territoire applicables aux zones agricoles. Une minorité emmenée par le député Toni Brunner (udc, SG) a par exemple réclamé que soit biffé l’art. 27a, selon lequel les cantons peuvent introduire des règles de protection du paysage plus restrictives que celles prévues par la loi fédérale. Cette proposition a toutefois été rejetée par 112 voix contre 56. Le conseil a introduit dans le projet de loi une disposition qui impose aux activités accessoires non agricoles de satisfaire aux mêmes exigences légales et aux mêmes conditions-cadre que les entreprises commerciales ou artisanales en situation comparable dans la zone à bâtir. Au vote sur l’ensemble, le projet a été adopté par 139 voix contre 18.

Loi sur l'aménagement du territoire. Révision partielle (05.084)