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  • Réforme des droits populaires

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  • Union démocratique du centre (UDC)

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Als Teil ihrer Kampagne zum Stadt-Land-Graben lancierte die SVP Schweiz im Herbst 2021 die Forderung, dass für demokratische Entscheide innerhalb der Kantone neu föderalistische Prinzipien eingeführt werden sollen. So soll gemäss dem Positionspapier zum einen bei kantonalen Volksabstimmungen nebst dem Volksmehr künftig ein Bezirksmehr oder ein Gemeindemehr nötig sein und zum anderen sollen Kantonsparlamente künftig über ein Zweikammersystem mit einer Volks- und einer Bezirkskammer verfügen. Die Partei wollte damit die Institutionen des Ständemehrs und des Ständerats von der Bundesebene auf die Kantonsebene übertragen und so den ländlichen gegenüber den städtischen Gebieten mehr Gewicht verleihen: Es gehe darum, «den schädlichen Einfluss der links-grünen Städte auf die freiheitliche politische Kultur der Schweiz zu beschränken sowie mehr Fairness und Transparenz in den Stadt-Land-Beziehungen sicherzustellen».
Die Idee eines Bezirks- oder Gemeindemehrs – die in Kantonen wie Schaffhausen, Appenzell Ausserrhoden, Bern oder Zug freilich auch schon früher diskutiert, aber stets verworfen worden war – griffen sodann verschiedene Exponentinnen und Exponenten sowie Kantonalsektionen der SVP auf. Auf Bundesebene erkundigte sich SVP-Ständerat Werner Salzmann (svp, BE) mit einer Interpellation (Ip. 21.4000), ob es bundesrechtliche Vorbehalte gegen ein Doppelmehr-Erfordernis in den Kantonen gebe. Der Bundesrat führte in seiner Antwort aus, dass diese Frage bisher nicht eindeutig geklärt sei und durch die Gerichte oder gegebenenfalls durch die Bundesversammlung bei der Gewährleistung einer entsprechend angepassten Kantonsverfassung entschieden werden müsste. In der Rechtswissenschaft werde jedoch grösstenteils die Ansicht vertreten, dass ein Doppelmehr-Erfordernis für kantonale Abstimmungen unterhalb der Verfassungsstufe wohl zulässig wäre, während es bei Verfassungsabstimmungen vermutlich im Widerspruch zu Art. 51 BV stünde; dieser schreibt den Kantonen vor, dass sie eine Anpassung ihrer Verfassungen vorsehen müssen, «wenn die Mehrheit der Stimmberechtigten es verlangt».
Im Kanton Zürich gab die SVP im Oktober 2021 bekannt, eine kantonale Volksinitiative zur Einführung eines Bezirksmehrs zu prüfen. In St. Gallen wählte die SVP den parlamentarischen Weg und forderte mit einer Motion die Einführung eines Gemeindemehrs für alle kantonalen Abstimmungen unterhalb der Verfassungsstufe; nach ihrer Ansicht würde dies letztlich den Zusammenhalt zwischen ländlichen und städtischen Regionen stärken. Im Kantonsrat blieb der Vorschlag indes chancenlos. Davor hatte sich auch der Regierungsrat dezidiert für eine Ablehnung des Vorstosses ausgesprochen, weil dieser ein «massives Ungleichgewicht» bei der Stimmkraft der Stimmberechtigten aus grossen und kleinen Gemeinden schaffen und damit der Akzeptanz und Legitimität von Abstimmungsergebnissen schaden würde. Der Vergleich zum Ständemehr auf Bundesebene sei verfehlt, weil die Gemeinden in den Kantonen weder historisch noch staatspolitisch eine ähnliche Rolle hätten wie die Kantone im Bund. Zudem machte die St. Galler Regierung verfassungsrechtliche Bedenken geltend.

Forderung der SVP nach Gemeindemehr und Zweikammersystem in den Kantonen

Jahresrückblick 2021: Föderativer Aufbau

Wie schon im Vorjahr befeuerte der anhaltende Kampf von Bund und Kantonen gegen die Covid-19-Krise auch 2021 die öffentliche Debatte um Vor- und Nachteile sowie allfälligen Reformbedarf des Föderalismus in der Schweiz. Die Stärken des Systems zeigten sich etwa darin, dass einzelne Kantone mit Innovationen vorangingen, die andere Kantone oder der Bund im Erfolgsfall übernehmen konnten – ein Beispiel dafür waren 2021 die vom Kanton Graubünden eingeführten Massentests, die zum Vorbild für die nationale Teststrategie wurden. Ein anderer Vorteil bestand darin, dass den regional teilweise unterschiedlichen epidemiologischen und gesellschaftlichen Ausgangslagen durch spezifische Regimes Rechnung getragen werden konnte. Kantonal unterschiedliche Regelungen wurden jedoch in der Presse bisweilen auch als «Flickenteppich» problematisiert, zumal die Unterschiede nicht immer sachlich begründbar erschienen. Wenn es aufgrund der epidemiologischen Entwicklung unpopuläre Massnahmen zu beschliessen galt, war teilweise auch ein Schwarzpeterspiel zu beobachten, das die Entscheidfindung verzögerte, indem Kantone und Bund einander gegenseitig die Verantwortung zuschoben – so etwa beim Entscheid über Massnahmen zur Eindämmung der fünften Welle Anfang Dezember. Die Grenzen des Föderalismus traten auch in der Auseinandersetzung um die Öffnung der Restaurantterrassen in Skigebieten zutage, als mehrere Kantone sich vorübergehend weigerten, die verbindliche Vorgabe des Bundes zur Schliessung der Terrassen umzusetzen. Im Weiteren stellten die Planung und Durchführung von Tests, Impfungen und Contact-Tracing die Kantone vor grosse Herausforderungen, welche von manchen Beobachterinnen und Beobachtern auch der Kleinheit der kantonalen Verwaltungen zugeschrieben wurden.

Nicht nur, aber auch vor dem Hintergrund der Covid-19-Krise wurden Reformvorschläge für das föderalistische System der Schweiz diskutiert. Dazu gehörte die auch von der KdK propagierte Idee, ein paritätisch zusammengesetztes gemeinsames Führungsgremium von Bund und Kantonen zu schaffen, das bei künftigen Krisen die Koordination und Vorbereitung von Entscheidungen des Bundesrats und der Kantonsregierungen übernehmen würde. Der Stadtpräsident von Biel schlug derweil vor, mit einem Städtereferendum, bei dem analog zum bestehenden Kantonsreferendum acht grössere Städte eine nationale Referendumsabstimmung bewirken könnten, die Rolle der Städte in der Bundespolitik zu stärken; der Vorschlag erinnerte an Forderungen nach einem Gemeindereferendum oder nach einer Vertretung der Städte im Ständerat, die in den letzten Jahren erfolglos geblieben waren. Ob eine nennenswerte Föderalismusreform diesmal mehrheitsfähig werden könnte, war Ende 2021 noch nicht absehbar.

Für intensive Debatten sorgte das Verhältnis zwischen städtischen und ländlichen Gebieten in der Schweiz. Sie flammten zunächst nach dem Abstimmungswochenende vom 13. Juni auf, an dem gleich bei drei Vorlagen – dem CO2-Gesetz, der Trinkwasser- und der Pestizidinitiative – über unterschiedliche Betroffenheiten und Interessen von Stadt- und Landbevölkerung diskutiert wurde und sich in den meisten städtischen Gemeinden Ja-Mehrheiten, in den ländlichen Gebieten hingegen überwiegend Nein-Mehrheiten ergaben. Richtig Fahrt nahm die Debatte aber auf, als sich die SVP bei 1.-August-Reden und in den darauf folgenden Wochen über «Schmarotzertum» und Arroganz von «Luxus-Sozialisten und Bevormunder-Grünen» in den Städten beklagte und sich als Verteidigerin der Interessen der Landbevölkerung darstellte. Die Partei lancierte dabei etwa Forderungen nach einer Revision des Finanzausgleichssystems oder nach der Einführung eines Bezirks- oder Gemeindemehrs bei kantonalen Abstimmungen analog zum Ständemehr auf Bundesebene. Gegenstimmen warfen der SVP vor, mit ihrer Rhetorik die Bevölkerung zu spalten und den Stadt-Land-Graben selbst mutwillig zu vertiefen; im Übrigen fliesse aus den meisten Städten mehr Geld aufs Land als umgekehrt.

Bei einer Stimmbeteiligung von über 88 Prozent entschieden sich die Stimmberechtigten von Moutier am 28. März mit 54.9 Prozent Stimmenanteil für einen Kantonswechsel ihrer Gemeinde von Bern zu Jura. Nachdem eine erste Abstimmung zum selben Thema 2017 wegen Unregelmässigkeiten annulliert worden war, handelte es sich beim diesjährigen Urnengang in den Worten von Le Temps um «la votation la plus contrôlée de l'histoire suisse». Zwar gab es auch im Zusammenhang mit der diesjährigen Abstimmung wieder Gerüchte um Abstimmungstourismus und um mögliche Ungereimtheiten im Wählendenregister der Gemeinde, doch Abstimmungsbeschwerden blieben diesmal aus; dazu dürfte auch das relativ deutliche Ergebnis beigetragen haben. Die Kantone Jura und Bern unterzeichneten in der Folge eine Roadmap für die Verhandlungen über die Modalitäten des Kantonswechsels; demnach soll Moutier spätestens ab dem 1. Januar 2026 offiziell Teil des Kantons Jura sein.

Auch 2021 kam es in verschiedenen Kantonen zu Gemeindefusionen, beispielsweise in Tresa TI, Assens VD oder Seedorf UR. Zwei besonders prominente Fusionsprojekte standen indessen im Gegenwind: Das seit 2017 laufende Vorhaben einer Fusion der Stadt Freiburg mit den umliegenden Gemeinden wurde beerdigt, nachdem eine Konsultativabstimmung im September in sechs von neun potenziellen Fusionsgemeinden negativ ausgefallen war. Und von den Gemeinden um die Stadt Bern beschlossen 2021 auch Kehrsatz und Frauenkappelen den Ausstieg aus den Fusionsabklärungen, nachdem Bolligen und Bremgarten dies bereits früher getan hatten und Köniz gar nie eingestiegen war. Im Projekt verbleiben somit noch die Stadt Bern und Ostermundigen.

Die Presse berichtete 2021 deutlich häufiger als in den drei Vorjahren über Fragen des Föderalismus, wie die APS-Zeitungsanalyse (vgl. Abbildung 2 der APS-Zeitungsanalyse 2021 im Anhang) zeigt. Dies ist zum einen auf das Thema der Aufgabenverteilung zwischen Bund und Kantonen bei der Pandemiebekämpfung zurückzuführen, vor allem aber auch auf die Abstimmung in Moutier. Diese wurde insbesondere in jurassischen und bernischen Zeitungen sehr ausgiebig behandelt und ist für den klaren Spitzenwert an Zeitungsartikeln im März 2021 verantwortlich (vgl. Abbildung 1). Seit 2016 war der Föderalismus in der Presse denn auch nur einmal noch häufiger Thema als 2021 – nämlich im Jahr 2017, als in Moutier der erste Anlauf für eine Abstimmung über die Kantonszugehörigkeit stattfand.

Jahresrückblick 2021: Föderativer Aufbau
Dossier: Rétrospective annuelle 2021

Im Nationalrat hatten beide parlamentarischen Initiativen (17.446 und 18.417), welche die Einführung eines Finanzreferendums forderten, keine Chance. Weil beide Vorstösse praktisch identisch waren, fand nur eine Abstimmung statt, bei der sich eine Mehrheit von 115 zu 79 Stimmen bei einer Enthaltung gegen Folge geben aussprach. Zu den Minderheiten-Stimmen aus den Fraktionen der Urheber gesellten sich je drei CVP- und BDP-Stimmen. Neben den Voten der Kommissionssprecher sowie der Urheber der Vorstösse – Adrian Amstutz (svp, BE) für die SVP-Fraktion bzw. Martin Bäumle (glp, ZH) – verlangte niemand das Wort. Die Idee eines Finanzreferendums dürfte damit wieder eine Weile vom Tisch sein.

Finanzreferendum (Pa.Iv. 17.446 und Pa.Iv. 18.417)
Dossier: Instauration d'un référendum financier au niveau national

Um die Vereinbarkeit von Volksinitiativen mit dem Völkerrecht konkret zu verbessern, schickte der Bundesrat Mitte März 2013 in Erfüllung zweier Motionen der Staatspolitischen Kommissionen beider Räte (Mo. 11.3751 und Mo. 11.3468) verschiedene Vorschläge in die Vernehmlassung. Zwei zentrale Massnahmen sollten die Konflikte von Volksbegehren mit völkerrechtlichen Verpflichtungen vermindern: eine materielle Vorprüfung vor der Unterschriftensammlung sowie die Ausdehnung der Ungültigkeitsgründe auf Grundrechte. Erstere sollte einer nicht verbindlichen Rechtskontrolle gleichkommen, wobei es dem Initiativkomitee überlassen bliebe, ob es bei einem Normkonflikt den Initiativtext ändern oder aber die Unterschriftensammlung trotzdem durchführen will. Die Initianten wären aber verpflichtet, die Stellungnahme auf die Unterschriftenbögen zu drucken. Die zweite Massnahme wollte den Katalog der Ungültigkeitsgründe ausdehnen: ein Begehren wäre somit ungültig, wenn sein Ziel die in der Bundesverfassung anerkannten grundrechtlichen Kerngehalte (und nicht nur das zwingende Völkerrecht) verletzt. Die SVP reagierte noch beim Start der Vernehmlassung und sprach von einem „Staatsstreich“. Weil die Volksrechte massiv eingeschränkt würden, drohte die Volkspartei bereits vorsorglich mit einem Referendum. Die Massnahmen stiessen jedoch auch auf Unterstützung, weil insbesondere durch das vorgängige Rechtsgutachten von Beginn weg auch für die Unterzeichner einer Initiative Klarheit über allfällige Umsetzungsschwierigkeiten hergestellt werde. Die Vernehmlassungsantworten waren gesamthaft aber ziemlich ernüchternd. Von den Parteien äusserte sich einzig die BDP positiv. Der Bundesrat zog deshalb Mitte Dezember seine Ideen zurück und beauftragte das EJPD zusammen mit dem EDA und der Bundeskanzlei neue Lösungsansätze zu erarbeiten.

Vereinbarkeit von Volksinitiativen mit dem Völkerrecht (BRG 14.024)
Dossier: Critères d’invalidité des initiatives populaires

Die vor allem im Rahmen der Umsetzung und Lancierung von Volksinitiativen diskutierte Kontroverse um das Verhältnis zwischen Bundesrecht und Völkerrecht wird 2014 wohl zu einigen weiteren parlamentarischen Debatten führen. Vertreter der SVP reichten im Berichtjahr nämlich nicht weniger als drei parlamentarische Initiativen zum Thema ein. Der Vorstoss von Brand (svp, GR) fordert einen Vorrang der Bundesverfassung über das Völkerrecht, die parlamentarische Initiative Rutz (svp, ZH) will, dass die Angleichung oder Auslegung völkerrechtlicher Verträge und Bestimmungen an das Schweizer Landesrecht dem Referendum unterstellt wird und die parlamentarische Initiative Stamm (svp, AG) fordert, dass völkerrechtliche Verträge vom Bundesrat gekündigt oder neu ausgehandelt werden müssen, wenn diese der (auch aufgrund von angenommenen Initiativen revidierten) Bundesverfassung widerspricht. Die SVP hatte im Rahmen der Präsentation eines Positionspapiers das Völkerrecht als undemokratisches Recht bezeichnet, weil dieses von Organisationen beschlossen werde, die demokratisch nicht legitimiert seien. Die Volkspartei dachte zudem laut über die Lancierung einer Volksinitiative zu diesem Thema nach. Ebenfalls im Berichtjahr noch nicht im Parlament behandelt wurde ein vom Bundesrat Ende 2013 zur Annahme beantragtes Postulat der FDP, mit dem ein Bericht zum Verhältnis von Landesrecht und Völkerrecht, insbesondere im Hinblick auf mögliche Hierarchiestufen, gefordert wird. Schliesslich mischte sich auch das Bundesgericht aktiv in die Debatte ein. Noch im Februar hatten sich die Bundesrichter dafür ausgesprochen, dass die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte (EGMR) Vorrang selbst gegenüber Verfassungsnormen geniesse. Die Richter sprachen sich dabei in einem Urteil insbesondere gegen einen Automatismus in der Ausschaffungsinitiative aus. Die faktische Überordnung von Völkerrecht über Landesrecht durch das oberste Gericht rief bei der SVP geharnischte Reaktionen hervor. Nachdem der EGMR dann aber im September die Schweiz verurteilte, weil diese einen nigerianischen Drogenkurier hatte ausweisen wollen und das Bundesgericht in der Folge zunehmend mit Beschwerden von kriminellen Ausländern konfrontiert wurde, die sich auf diesen Fall beriefen, machten die Lausanner Bundesrichter deutlich, dass sie den Entscheid des EGMR für zweifelhaft hielten.

Verhältnis zwischen Bundesrecht und Völkerrecht

Die SVP-Fraktion wollte mit einer parlamentarischen Initiative eine Änderung des Parlamentsgesetzes erwirken. Artikel 102 Absatz 2 sieht vor, dass das Parlament bei gleichzeitigem Vorliegen einer Volksinitiative und eines Gegenvorschlages nur den Gegenvorschlag zur Annahme empfehlen kann, nicht aber die Initiative. Die SVP wollte dieses Verbot mit der Begründung streichen, dass dadurch die freie Willensäusserung des Parlaments nicht mehr eingeschränkt werde. Mit 118 zu 64 Stimmen gab die grosse Kammer der Initiative allerdings keine Folge. Sie stützte sich dabei auf die Begründung ihrer Staatspolitischen Kommission, das Parlament dürfe Gegenvorschläge nicht aus taktischen Gründen entwerfen, sondern müsse den Gegenentwurf als bessere Lösung präsentieren. Abgelehnt wurde auch eine Motion Minder (parteilos, SH) (12.3963), die ein Verbot der Gleichzeitigkeit von direktem und indirektem Gegenvorschlag sowie ein Verfahren mit einer vorgängigen Eventualfrage (statt dem Stichentscheid) und zwei Abstimmungsfragen (Initiative vs. geltendes Recht bzw. Gegenvorschlag vs. geltendes Recht) vorgesehen hätte.

Abstimmungsempfehlung des Parlaments bei Volksinitiativen mit Gegenvorschlag (10.469)

Der Export einer Schaffhauser Spezialität war das Ziel einer Motion Minder (parteilos, SH) (12.3712). Mit der Volksmotion sollte „das partizipative Vakuum“ zwischen der einflussreichen, aber aufwändigen und teuren Volksinitiative und der vergleichsweise schwachen Petition gefüllt werden. Die Volksmotion, die von einer zu bestimmenden Anzahl Bürgerinnen und Bürgern eingereicht werden soll, würde in den Räten den gleichen Prozess durchlaufen wie eine parlamentarische Motion. Das Instrument war in den letzten rund dreissig Jahren in einigen Kantonen und Gemeinden eingeführt worden. Der Bundesrat lehnte die Motion mit der Begründung ab, dass ein Mehr an Volksrechten diese nicht unbedingt stärken würde, sondern eher schwächen, wovon etwa auch das Scheitern der allgemeinen Volksinitiative zeuge. Der Ständerat lehnte die Motion ab. Ebenfalls eine Erweiterung des Katalogs an Volksrechten strebte eine 2012 noch nicht behandelte parlamentarische Initiative der SVP-Fraktion an, die die Einführung eines ebenfalls in den Kantonen weit verbreiteten fakultativen Finanzreferendums fordert. Die kantonalen Erfahrungen zeigen, dass die Vetomöglichkeit der Bevölkerung gegen finanzpolitische Vorlagen mit geringeren Ausgaben und Schulden sowie tieferen Steuern einhergeht.

Finanzreferendum - Parlamentarische Initiative der SVP ohne Chance (12.459)
Dossier: Instauration d'un référendum financier au niveau national

Während auf der einen Seite eine Debatte um die Vereinbarkeit von Initiativen und übergeordnetem Recht geführt wurde, strebte die SVP auf der anderen Seite gleich mit drei Vorstössen Regelungen an, mit denen sich die Vereinbarkeitsfrage gar nicht mehr stellen würde. In einer ersten parlamentarischen Initiative forderte die SVP-Fraktion, jüngeren Bundesgesetzen gegenüber älteren Staatsverträgen Vorrang einzuräumen. Bei Widersprüchen zwischen Landesrecht und Völkerrecht müsste zwingend ersteres angewendet werden. Eine zweite parlamentarische Initiative der SVP-Fraktion wollte in der Verfassung festschreiben, was ‚zwingendes Völkerrecht‘ bedeutet, aufgrund dessen eine Initiative bei widersprechender Forderung ungültig würde (09.466). Die SVP schlug einen solchen Katalog gleich selber vor, der ius cogens umfasste (Verbot des Angriffskriegs, Verbot der Folter, Verbot des Völkermords und Verbot der Sklaverei) und also wesentlich weniger weit gespannt wurde, als etwa die UNO-Menschenrechtscharta. Beide parlamentarischen Initiativen hatten im Nationalrat keine Chance. Die grosse Kammer überwies allerdings ein Postulat der SVP-Fraktion, das den Bundesrat beauftragt, einen Wechsel vom Monismus zum Dualismus zu prüfen (09.3676). Bei einem Staatsvertrag soll jeweils abgeklärt werden, inwieweit dieser und die auf ihm basierende Rechtsprechung Vorrang gegenüber dem Landesrecht haben soll. Mit dem Prinzip des Dualismus wird anerkannt, dass Völkerrecht und Landesrecht unterschiedliche Rechtsordnungen darstellen. Neues Völkerrecht muss hier zuerst in Landesrecht umgewandelt bzw. in die Normenhierarchie eines Staates eingeordnet werden. Beim Monismus wird hingegen von einer Einheit der Rechtsordnung ausgegangen und internationale Normen ergänzend zum Landesrecht ohne vorgängige Umsetzung in dasselbe angewendet.

Landesrecht vor Völkerrecht? (Pa.Iv. 09.414)
Dossier: Critères d’invalidité des initiatives populaires

In der Volksabstimmung vom 27. September waren Volk und Stände damit einverstanden, auf die 2003 in die Verfassung aufgenommene allgemeine Volksinitiative wieder zu verzichten. Eine Kampagne fand nicht statt; gegen die Streichung ausgesprochen hatten sich nur die Lega und die PdA. Das Resultat fiel mit einem Ja-Stimmenanteil von 67,9% (1 307 237 Ja gegen 618 664) und keinem einzigen ablehnenden Kanton deutlich aus.

Abstimmung vom 27. September 2009

Beteiligung: 40,4%
Ja: 1 307 237 (67,9%) / 20 6/2 Stände
Nein: 618 664 (32,1%) / 0 Stände

Parolen:
– Ja: SVP, SP, FDP (1)*, CVP (2)*, GP (1)*, EVP, BDP, GLP, CSP, EDU (1)*, FPS, SD; SGV, SBV, Travail.Suisse.
– Nein: Lega, PdA.
* In Klammer Anzahl abweichender Kantonalsektionen

Verzicht auf die Einführung der allgemeinen Volksinitiative (Pa.Iv. 06.458)
Dossier: Renforcement des droits populaires (initiative populaire générale, référendum facultatif en matière de droit international) (2003)

Bei Volksinitiativen kommt es vor, dass die Initianten mit einem vom Parlament beschlossenen indirekten Gegenvorschlag zufrieden sind und ihr Begehren eigentlich zurückziehen möchten. Oft enthält dieser Gegenvorschlag auf Gesetzesstufe die Klausel, dass er nur dann in Kraft treten kann, wenn die Initiative entweder zurückgezogen oder in der Volksabstimmung abgelehnt worden ist. Da damit die offizielle Publikation des Gegenvorschlags und der Beginn der Sammelfrist für ein allfälliges Referendum erst nach dem Rückzug erfolgen, sind die Initianten über dessen Schicksal im Ungewissen und verzichten aus diesem Grund manchmal auf einen Rückzug. Ständerat Lombardi (cvp, TI) schlug deshalb in der Form einer parlamentarischen Initiative die Einführung des bedingten Rückzugs einer Volksinitiative vor. Die SPK des Ständerats arbeitete eine entsprechende Teilrevision des Gesetzes über die politischen Rechte aus. Da mit der Volksinitiative „Lebendiges Wasser“ und der als indirekten Gegenvorschlag konzipierten Revision des Gewässerschutzgesetzes ein konkreter Anwendungsfall im Parlament hängig war, drängte sie auf eine rasche Behandlung des Geschäfts. Sie beantragte, dass der Rückzug einer Volksinitiative nur dann gelten soll, wenn der Gegenvorschlag auch wirklich in Kraft tritt. Wird das Referendum ergriffen und der Gegenvorschlag vom Volk abgelehnt, dann findet anschliessend eine Abstimmung über die Volksinitiative statt. In der Vernehmlassung hatten sich FDP und SVP skeptisch gezeigt, der Bundesrat hingegen sprach sich für diese Neuerung aus.

Das Parlament hiess die Einführung des bedingten Rückzugs einer Volksinitiative bereits in der Herbstsession gut. Im Ständerat geschah dies einstimmig. Im Nationalrat stellte die SVP erfolglos einen Nichteintretensantrag, wobei die Begründung allerdings verwirrend war. Gemäss ihrem Sprecher Schibli (svp, ZH) würde diese bedingte Rückzugsmöglichkeit die Rechte des Volkes einschränken, da dieses Anspruch darauf habe, in jedem Fall über eine Initiative abzustimmen. Auch eine Mehrheit der FDP war für Nichteintreten, da die Neuerung die Ausübung der Volksrechte komplizierter gestalten würde. In der Schlussabstimmung verabschiedete der Nationalrat die neuen Bestimmungen mit 106 zu 88 Stimmen; dagegen waren die praktisch geschlossene SVP und eine grosse Mehrheit der FDP. In der kleinen Kammer gab es keine Gegenstimmen.

Bedingte Rückzüge von Volksinitiativen

Der Nationalrat hielt sich an den Antrag seiner SPK und beschloss mit 123 zu 60 Stimmen, der parlamentarischen Initiative der SVP-Fraktion für die Einführung des Finanzreferendums keine Folge zu geben. Das Hauptargument der Gegner war, dass beim Bund – im Gegensatz zu den Kantonen, die ja alle das Finanzreferendum kennen – fast alle grossen Ausgabeposten auf Gesetzen beruhen, und diese ja bereits dem fakultativen Referendum unterstellt sind. Gleich anschliessend an diesen Entscheid beschloss der Nationalrat mit 120 zu 61 Stimmen, auch einer parlamentarischen Initiative der Grünen für die Einführung des fakultativen Referendums bei Rüstungsausgaben (06.442) keine Folge zu geben. Die SP, welche den SVP-Vorstoss bekämpft hatte, stimmte in diesem Fall für die Ausweitung der Volksrechte, die SVP dagegen.

Finanzreferendum - Parlamentarische Initiative der SVP 2003 (03.401)
Dossier: Instauration d'un référendum financier au niveau national

Die SPK des Nationalrats beantragte, einer parlamentarischen Initiative der SVP-Fraktion für die Einführung des Finanzreferendums nun doch keine Folge zu geben. Der Nationalrat hatte dieser allgemein formulierten Initiative 2004 gegen den Widerstand der Linken und einer Mehrheit der CVP mit knappem Mehr Folge gegeben und damit die SPK mit der Ausarbeitung einer Vorlage beauftragt. In ihrem Bericht konstatierte die SPK, dass die Wissenschaft aufgrund von Daten aus den USA sowie schweizerischen Kantonen und Gemeinden nachgewiesen hat, dass dieses direktdemokratische Recht zu weniger Staatsausgaben führt. Die Kommission hatte dazu verschiedene Varianten formuliert und diese im Frühjahr 2007 in eine Vernehmlassung gegeben. Neben der FDP und der SVP unterstützten auch Economiesuisse und der Gewerbeverband die Vorlage. Der Bauernverband und die Gewerkschaften sprachen sich ebenso dagegen aus wie SP, CVP, EVP und LP. Die Staatspolitische Kommission des Nationalrats begründete ihren Ablehnungsantrag nicht nur mit der mehrheitlich negativen Vernehmlassung, sondern auch mit der Angst vor einer Blockierung der Bundespolitik. Meist sei eine Ausgabe gesetzlich verankert und damit bereits heute mit dem Referendum gegen das Gesetz angreifbar. In anderen Fällen wie etwa beim jährlichen Rüstungsprogramm würde sich die Volksabstimmung zeitlich mit der Ausarbeitung des nächsten Programms überschneiden und damit eine seriöse Planung verunmöglichen.

Finanzreferendum - Parlamentarische Initiative der SVP 2003 (03.401)
Dossier: Instauration d'un référendum financier au niveau national

Der Nationalrat lehnte eine parlamentarische Initiative der SVP-Fraktion für eine Ausweitung des Staatsvertragsreferendums mit 121 zu 59 Stimmen ab. Diese hatte verlangt, dass die bisher dem fakultativen Referendum unterstehenden völkerrechtlichen Verträge dem obligatorischen Referendum unterstellt werden. Diese strengere Regelung, welche die Opponenten nicht nur vom Unterschriftensammeln befreit, sondern in der Volksabstimmung sowohl das Volks- als auch das Ständemehr für eine Annahme verlangt, gilt gemäss Bundesverfassung nur für Beitritte zu supranationalen Gemeinschaften (z.B. UNO, EU) und zu Organisationen zur Wahrung der kollektiven Sicherheit (z.B. NATO). Die SPK hatte gegen eine Ausweitung des obligatorischen Referendums ins Feld geführt, dass es sich bei den angesprochenen völkerrechtlichen Verträgen um solche handelt, die wichtige rechtssetzende Bestimmungen enthalten oder deren Vollzug wichtige Gesetzesänderungen von der Schweiz verlangt. Für derartige Fälle sei analog zur Gesetzgebung im nationalen Rahmen nur das fakultative und nicht das obligatorische Referendum das angebrachte Volksrecht. Die AUNS gab bekannt, dass sie eine Volksinitiative für eine Ausweitung des obligatorischen Staatsvertragsreferendums lancieren werde, ohne allerdings einen Zeitpunkt zu nennen.

Pa.Iv. der SVP für eine Ausweitung des Staatsvertragsreferendums (05.426)
Dossier: Référendum obligatoire pour les accords internationaux?

Der Nationalrat hatte im Vorjahr eine Motion überwiesen, welche eine 2003 eingeführte Verfassungsbestimmung konkretisiert. Sie fordert, dass Staatsverträge mit „wichtigen“ rechtsetzenden Normen oder mit Bestimmungen, deren Umsetzung eine Gesetzesrevision verlangt, dem fakultativen Referendum unterstellt werden. Demnach sollen die gleichen Grundsätze gelten wie bei der innerstaatlichen Gesetzgebung: Als wichtig gilt ein Rechtsetzungsakt dann, wenn er nicht an die Exekutive delegiert ist (wie z.B. eine Verordnung). Der Ständerat hiess diese Motion im Berichtsjahr ebenfalls gut, nahm allerdings eine auch vom Bundesrat gewünschte Präzisierung vor. Seiner Meinung nach seien Staatsverträge nicht dem fakultativen Referendum zu unterstellen, wenn sie nicht wesentliche neue Rechtsetzungsakte beinhalten, sondern nur die Fortsetzung früherer, vor der Ausweitung des Staatsvertragsreferendums im Jahre 2003 eingeführter Bestimmungen zur Folge haben. Gegen den Widerstand der SVP schloss sich der Nationalrat dieser Präzisierung des Motionstextes an. (Zu der noch im gleichen Jahr eingereichte parlamentarische Initiative der SVP (05.426) für eine Ausweitung des Staatsvertragsreferendum siehe hier.)

Motion zur Regelung von fakultativen Staatsvertragsreferenden (04.3203)
Dossier: Référendum obligatoire pour les accords internationaux?
Dossier: Renforcement des droits populaires (initiative populaire générale, référendum facultatif en matière de droit international) (2003)

In der Regel ist ein politisches Anliegen der parlamentarischen Mehrheit nach einer Ablehnung in einer Volksabstimmung nicht für alle Zeiten vom Tisch. Oft wird es, meist in veränderter Form, rasch wieder in den politischen Prozess aufgenommen und vom Parlament nochmals gutgeheissen. Dass die Bundesversammlung im Jahr 2003, also vier Jahre nach dem Volksnein zu einer Mutterschaftsversicherung, eine neue Version guthiess, veranlasste die SVP-Fraktion, eine Art Karenzfrist zu fordern. Mit einer parlamentarischen Initiative verlangte sie, dass derartige Parlamentsbeschlüsse dem obligatorischen Referendum zu unterstellen sind, wenn sie innerhalb von fünf Jahren nach einem letzten negativen Volksentscheid erfolgen. Die SPK des Nationalrats hielt gar nichts von dieser Forderung, da ein Nein zu einer Vorlage in den wenigsten Fällen heisse, dass kein Handlungsbedarf bestehe und bei einer Neuauflage in der Regel eben gerade die Haupteinwände der Gegner berücksichtigt würden. Sie beantragte einstimmig (bei sieben Enthaltungen) der Initiative keine Folge zu geben und das Plenum schloss sich dieser Empfehlung an. Auch von der SVP mochte sich niemand mehr für den eigenen Vorschlag einzusetzen.

Karenzfrist für abgelehnte Abstimmungen (03.451)

Von den beiden im Vorjahr von der SVP-Fraktion eingereichten parlamentarischen Initiativen für mehr Volksabstimmungen über Finanzbeschlüsse des Parlaments konnte sich eine, nämlich diejenige, welche die Einführung des Finanzreferendums verlangt, durchsetzen. Die SPK des Nationalrats hatte sich mit Stichentscheid des Präsidenten für eine Unterstützung entschieden. Demnach sollen Verpflichtungs- oder Rahmenkredite ab einem im Initiativtext nicht festgelegten Betrag dem fakultativen Referendum unterstellt sein. Gegen den Widerstand der geschlossenen Linken und einer Mehrheit der CVP gab der Nationalrat dieser Initiative Folge. Dieses Finanzreferendum (obligatorisch und/oder fakultativ) kennen alle Kantone.

Finanzreferendum - Parlamentarische Initiative der SVP 2003 (03.401)
Dossier: Instauration d'un référendum financier au niveau national

Auf Antrag seiner SPK gab der Nationalrat einem Vorstoss der SVP-Fraktion keine Folge, welcher die Einführung des Behördenreferendums für Parlamentsbeschlüsse verlangte, die zu beträchtlichen Mehrausgaben führen. Gemäss diesem Vorschlag hätte eine qualifizierte Minderheit von je einem Drittel der Mitglieder beider Kammern in solchen Fällen eine Volksabstimmung anordnen können. Eines der Hauptgegenargumente der SPK-Sprecher Beck (lp, VD) und Gross (sp, ZH) war, dass damit die Parlamentarier davon dispensiert würden, breit akzeptierte Kompromisse zu finden und sich darauf beschränken könnten, das Volk laufend zu Plebisziten über Ausgaben aufzurufen. Zudem seien die Volksrechte bereits gut ausgebaut, da die meisten rechtlichen Grundlagen der Ausgabenbeschlüsse dem fakultativen Referendum unterstellt seien. Das finanzpolitische Behördenreferendum wird in einigen Kantonen praktiziert (u.a. ZH). (Zur Einreichung der Initiative im Vorjahr siehe hier.)

Keine Chance für das Behördenreferendum auf Bundesebene (03.402)

Die SVP-Fraktion im Nationalrat reichte zwei parlamentarische Initiativen zur Einführung des Finanzreferendums ein. Darin verlangt sie, dass Verpflichtungs- oder Rahmenkredite ab einem im Initiativtext nicht festgelegten Betrag dem fakultativen Referendum unterstellt sein sollen (03.401). Kredite von einem niedriger liegenden Minimalumfang sollen zudem auf Verlangen von je einem Drittel der Mitglieder der beiden Ratskammern dem fakultativen Referendum unterstellt werden (03.402). Die SPK des Nationalrats beantragte, dem ersten Vorstoss Folge zu geben und den zweiten abzulehnen. Der Freisinnige Müller (ZH) reichte zudem eine vom Bundesrat zur Ablehnung empfohlene Motion für ein fakultatives Finanzreferendum ein (03.3019).

Finanzreferendum - Parlamentarische Initiative der SVP 2003 (03.401)
Dossier: Instauration d'un référendum financier au niveau national

Auf Antrag seiner SPK beschloss der Nationalrat mit knappem Mehr (91:84), einer parlamentarischen Initiative der SVP-Fraktion Folge zu geben, welche die Kompetenz der Finanzdelegation des Parlaments zur Bewilligung von ausserordentlichen und dringlichen Ausgabenentscheiden des Bundesrats begrenzen will. Der im Nachgang zum Entscheid der Regierung zur Unterstützung der Swissair im Herbst 2001 eingereichte Vorstoss verlangt, dass der Bundesrat nur noch dringliche Ausgabenbeschlüsse bis zu maximal 100 Mio Fr. verabschieden darf. Bei höheren Summen soll nicht mehr wie bisher eine Zustimmung der Finanzdelegation ausreichen, sondern auf jeden Fall ein Parlamentsentscheid notwendig sein. Die Finanzkommission des Nationalrats hatte diesen Vorstoss vergeblich mit dem Argument bekämpft, dass sich die bisherige Ordnung bewährt habe und die vorgeschlagene Regelung für wirklich dringliche Entscheide zu schwerfällig sei. (Siehe auch hier für weitere Informationen.)

Dringliche Ausgabenentscheide des Bundesrats: Bewilligung durch das Parlament

Der Nationalrat behandelte als Zweitrat die Verfassungsänderungen zur Einführung der „allgemeinen Volksinitiative“ und zur Ausweitung des fakultativen Staatsvertragsreferendums auf alle Abkommen, die wichtige rechtsetzende Normen enthalten oder zum Erlass von Gesetzen verpflichten. Die vom Ständerat vor einem Jahr neu in das Reformpaket aufgenommene Kantonsinitiative, die von acht Kantonen eingereicht werden kann, wurde vom Nationalrat mit 86:60 Stimmen gestrichen. Die SVP-Fraktion beantragte erfolglos, auf die allgemeine Volksinitiative zu verzichten, da damit das sonst bei Volksinitiativen verlangte Ständemehr umgangen werden kann (wenn das Parlament eine Umsetzung auf Gesetzesebene beschliesst). Keinen Erfolg hatte auch die SP, die zusammen mit dem Bundesrat für eine Unterschriftenzahl von 70'000 statt 100'000 plädierte. Gescheitert ist die SP auch mit ihrem Versuch, das als „Mini-Reform“ charakterisierte Vorhaben doch noch etwas auszupolstern: der Nationalrat lehnte sowohl die Einführung der ausformulierten Gesetzesinitiative, wie sie in allen Kantonen ausser dem Jura besteht, als auch das neue Instrument der Volksmotion für die Aussenpolitik ab. Mit letzterem hätten 10'000 Stimmberechtigte dem Parlament beantragen können, den Bundesrat zu beauftragen, in internationalen Gremien bestimmte Anliegen zu vertreten. In der Gesamtabstimmung stimmte die Linke der Reform der Volksrechte gleichwohl zu. Im Gegensatz dazu lehnten die SVP und die Liberalen die Vorlage geschlossen ab. In der zweiten Runde der Differenzbereinigung verzichtete der Ständerat knapp (19:16 Stimmen) auf die Kantonsinitiative. In der Schlussabstimmung nahm der Nationalrat die Vorlage mit 102:67 Stimmen an. Die Hauptopposition kam aus der SP-Fraktion. Diese hatte aus Protest gegen die ihrer Ansicht nach zu hohe Unterschriftenzahl für die allgemeine Volksinitiative (100'000) Nein gestimmt. Dagegen gestimmt hatten auch die Liberalen, während sich die Grünen der Stimme enthielten; im Ständerat gab es sieben Gegenstimmen.

Volksabstimmung über den Ausbau der Volksrechte (Pa.Iv. 99.436)
Dossier: Renforcement des droits populaires (initiative populaire générale, référendum facultatif en matière de droit international) (2003)

Die im Vorjahr aus Kreisen um den Denner-Chef Schweri mit Unterstützung namhafter Exponenten der Zürcher SVP lancierte Volksinitiative „für Volksabstimmungen über Volksinitiativen innert sechs Monaten unter Ausschluss von Bundesrat und Parlament“ (von den Gegnern als „Maulkorb-Initiative“ apostrophiert) kam nicht zustande. Nach Angaben der Initianten waren zwar genügend Unterschriften gesammelt worden. Angesichts der deutlichen Ablehnung der Beschleunigungsinitiative sei dieses Anliegen zur Zeit aber offensichtlich nicht mehrheitsfähig, weshalb auf die Einreichung verzichtet werde.

„Maulkorb-Initiative“ (Sechs-Monate-Initiative) 1999
Dossier: Interventions pour un traitement plus rapide des initiatives populaires

Nach der klaren Abstimmungsniederlage der weniger weit gehenden Beschleunigungsinitiative wurde die von namhaften Exponenten der Zürcher SVP im Vorjahr lancierte Initiative für eine radikale Verkürzung der Behandlungsfristen für Volksinitiativen, die sogenannte Maulkorbinitiative, nicht eingereicht, obwohl nach Angabe der Initianten genügend Unterschriften gesammelt worden waren. Das SVP-Präsidium entschied Mitte März, auf die geplante Lancierung einer Initiative zur Volkswahl des Bundesrates vorläufig zu verzichten. Als Grund angegeben wurde die Konzentration der SVP auf die Einreichung der beiden im Vorjahr lancierten Volksinitiativen (Nationalbankgold für die AHV bzw. restriktivere Asylpolitik). Nicht zu überhören war aber auch massive parteiinterne Kritik an diesem Vorhaben.

SVP verzichtet auf Maulkorbinitiative

Am 12. März verwarfen die Stimmberechtigten die Volksinitiative „für eine Beschleunigung der direkten Demokratie“ deutlich. Diese von der Detailhandelskette Denner AG stammende Initiative hatte gefordert, dass Volksinitiativen spätestens ein Jahr nach ihrer Einreichung dem Volk zum Entscheid vorgelegt werden müssen. Das Begehren wurde in der Kampagne von den Rechtsaussenparteien FP, SD und Lega unterstützt. In ihren grossflächigen Inseraten appellierten die Initianten vor allem an Ressentiments gegen angeblich faule Bundesbeamte, welche die Anliegen des Volkes auf die lange Bank schieben würden. Die nationale Delegiertenversammlung der SVP hatte, gegen den Willen des Vorstands und der Fraktion, ebenfalls die Ja-Parole ausgegeben, allerdings nur mit 201:151 Stimmen. Zehn mehrheitlich dem traditionellen SVP-Flügel zuzuordnende Kantonalsektionen (AG, AR, BE, BL, GE, GL, GR, SH, TG, VD) empfahlen jedoch Ablehnung, und der Vorsitzende der Berner SVP, Nationalrat Weyeneth, übernahm das Präsidium des Kontra-Komitees. Im Gegensatz zu den Befürwortern der Initiative standen den Gegnern praktisch keine Mittel für bezahlte Werbung zur Verfügung. Hingegen empfahlen alle wichtigen Tageszeitungen in ihren redaktionellen Kommentaren ein Nein.

Die Ablehnung der Initiative fiel mit einem Anteil von 70% deutlich aus. Kein einziger Kanton hatte zugestimmt. Am besten schnitt sie im Tessin mit einem Ja-Anteil von 39% ab, am schlechtesten im Wallis mit 24%. Gemäss der Vox-Analyse sprach sich auch eine knappe Mehrheit der SVP-Sympathisanten dagegen aus. Bei Personen, welche der Regierung eher misstrauen, war der Ja-Anteil zwar überdurchschnittlich, zu einer Annahme reichte es aber auch bei ihnen


Volksinitiative für eine „Beschleunigung der direkten Demokratie“
Abstimmung vom 12. März 2000

Beteiligung: 42,1%
Ja: 573'038 (30,0%) / 0 Stände
Nein: 1'336'916 (70,0%) / 20 6/2 Stände

Parolen:
– Ja: SVP (10*), FP, SD, Lega.
– Nein: SP, FDP, CVP, LP, GP, EVP, EDU, CSP, PdA; Economiesuisse (Vorort), SGV, SGB, CNG.
* In Klammer Anzahl abweichender Kantonalsektionen

Volksinitiative „für eine Beschleunigung der direkten Demokratie“ (98.065)
Dossier: Interventions pour un traitement plus rapide des initiatives populaires

An der ersten Delegiertenversammlung nach den Wahlerfolgen vom vergangenen Herbst versicherte Parteipräsident Ueli Maurer, dass sich seine Partei nicht auf den Lorbeeren der Wahl ausruhen werde. Die Delegierten fassten gegen den Beschluss des Zentralvorstandes die Ja-Parole zur Beschleunigungsinitiative.

SVP fasst Ja-Parole zur Beschleunigungsinitiative

Im Juni lancierte ein aus den Parteipräsidenten von SVP, SD und FP und weiteren prominenten Politikern dieser Parteien (u.a. Blocher) gebildetes Komitee eine Volksinitiative „für Volksabstimmungen über Volksinitiativen innert sechs Monaten unter Ausschluss von Bundesrat und Parlament“. Diese verlangt, dass die Bundeskanzlei unmittelbar nach der Einreichung einer ausformulierten Volksinitiative einen Abstimmungstermin innerhalb der nächsten sechs Monate festlegt. Dabei braucht es nicht nur keine formelle Stellungnahme oder Abstimmungsempfehlung des Bundesrates und der Bundesversammlung mehr, sondern das Parlament darf auch keine Gegenvorschläge ausarbeiten. Ersatzlos gestrichen würde gemäss dem Initiativtext auch die Bestimmung, dass die Bundesversammlung eine Volksinitiative wegen Verletzung des Grundsatzes der Einheit der Materie oder wegen Widerspruchs zu zwingendem Völker- und Menschenrecht für ungültig erklären muss. In ganzseitigen Inseraten in einer Vielzahl von Zeitungen stellten die Initianten ihren Vorstoss unter dem Titel „Wenn in der Schweiz das Volk spricht, haben die Politiker zu schweigen“ vor. Wegen diesem Inseratetitel bezeichnete zuerst die NZZ, später dann auch andere Kritiker das Volksbegehren als „Maulkorb-Inititative“. Die Detailhandelskette Denner AG unterstützte das Begehren finanziell und beteiligte sich an der Unterschriftensammlung. Diese von einigen massgeblichen Politikern der Zürcher SVP mitgetragene Initiative war aber auch in SVP-Kreisen nicht unumstritten. So distanzierte sich der Aargauer Ständerat Reimann anlässlich der Debatte über die Beschleunigungsinitiative ausdrücklich davon. Der Bundesrat selbst sah sich veranlasst, in einer Stellungnahme die Stimmberechtigten vor der Unterzeichnung dieser Initiative, welche die schweizerische Demokratie und deren demokratisch legitimierten Institutionen in Frage stelle, zu warnen.

„Maulkorb-Initiative“ (Sechs-Monate-Initiative) 1999
Dossier: Interventions pour un traitement plus rapide des initiatives populaires