Im September 2016 kam es zum Eklat bei der Gewerkschaft Unia. Der landesweit bekannte Gewerkschafter Roman Burger, Leiter der Unia-Sektion Zürich-Schaffhausen, gab seinen Rücktritt bekannt, nachdem eine unabhängige Rechtsstelle in einem von der Unia in Auftrag gegebenen Untersuchungsbericht zum Schluss gekommen war, dass Burger eine Mitarbeiterin mit SMS-Nachrichten sexuell belästigt hatte. Der Rücktritt Burgers bedeutete einen grossen Verlust für die grösste Schweizer Gewerkschaft. Der 39-Jährige hatte die Streitkultur der Gewerkschaft mit seinem auf Konfrontation und Medienwirksamkeit bedachten Stil wesentlich geprägt und damit oft Erfolg gehabt.

Wenig später weitete sich die Affäre Burger zur Affäre Unia aus. In einem Artikel der WOZ kritisierten mehrere anonymisierte Unia-Mitarbeiter die Betriebskultur der Unia massiv. Der Gewerkschaft wurde unter anderem vorgeworfen, dass Burger seinen Rücktritt erst einreichte, als die Tageszeitung Blick vom Rechtsgutachten Wind bekommen hatte. Der Verdacht lag nahe, dass Burger Chef der Sektion Zürich-Schaffhausen geblieben wäre, wäre das Vergehen Burgers nicht an die Öffentlichkeit durchgedrungen. Aus rechtlicher Sicht wäre das jedoch nicht problematisch gewesen, kam Arbeitsrechtsprofessor Thomas Geiser von der Universität St. Gallen in einem Rechtsgutachten zum Schluss. Das Anstellungsreglement der Unia sieht als erste Sanktionsstufe für langjährige, fehlbare Mitarbeitende eine Ermahnung vor, im Wiederholungsfall käme es zu einer weiteren Verwarnung und erst im erneuten Wiederholungsfall käme eine Kündigung in Frage. Da Burger bereits 18 Jahre bei der Unia gearbeitet und seine ganze berufliche Karriere bei der Gewerkschaft absolviert hatte, konnte ihm aufgrund seines Vergehens nicht gekündigt werden.

Auch wenn der Unia damit rechtlich kein Fehlverhalten nachgewiesen werden konnte, blieben moralische Bedenken: Als Wächterin der Arbeitsbedingungen fordere die Unia von anderen Unternehmen eine Nulltoleranz gegenüber sexueller Belästigung am Arbeitsplatz, während Burger weiterhin geschützt werde, monierten Kritiker auch aus den eigenen Reihen, wie etwa die Personalkommission der Unia. Burgers Rücktritt führte aufgrund des starken internen Arbeitnehmerschutzes nicht zu dessen Kündigung, sondern lediglich zu dessen Freistellung; der Lohn wurde ihm somit bis auf weiteres ausbezahlt. Im Oktober einigten sich dann Burger und die Unia auf eine Kündigung Ende Januar 2017, bis dahin erhielt Burger den regulären Lohn. Ebenfalls werde die Unia effektiv anfallende Weiterbildungskosten bis zu CHF 40'000 für Burgers berufliche Neuorientierung übernehmen. In einem Interview mit der Sonntagszeitung Ende Oktober räumte Unia-Präsidentin Vania Alleva ein, dass bei der Unia zwischen der verlangten Nulltoleranz für sexuelle Belästigung und dem starken internen Kündigungsschutz „offensichtlich ein Widerspruch“ bestehe und dies derzeit rechtlich überprüft werde.

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