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  • Problèmes politiques fondamentaux

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Eine ähnliche Problematik kam am Forum "Störfall Heimat – Störfall Schweiz", organisiert vom Zürcher Institut für angewandte Psychologie, zur Sprache. Thematisiert wurde das Ende des 'Sonderfalls' sowie das Spannungsfeld von verunsichertem Selbstverständnis und europäischer Herausforderung. Die Referenten unterschieden verschiedene Ebenen von Identität und deren mögliche Konsequenzen wie Provinzialismus, Fremdenfeindlichkeit, aber auch Kooperations- und Integrationsfähigkeit. Die These, wonach die übermässige Beschäftigung mit sich selber als Zeichen einer allgemeinen Verunsicherung wie auch einer Schweiz im Umbruch zu deuten sei, wurde ebenfalls diskutiert. Im Spannungsfeld zwischen Öffnung und Heimatbezogenheit plädierten die einen für eine verstärkte Integration der Schweiz in ein übergeordnetes Europa, während andere die Idee Heimat in der Region, auch in der staatenübergreifenden, als erstrebenswert erachteten.

Störfall Heimat – Störfall Schweiz

Im Rahmen des Nationalen Forschungsprogrammes "Kulturelle Vielfalt und nationale Identität" (NFP 21) ergab eine repräsentative Befragung der Bevölkerung über die territoriale Identifikation, dass sich die Bewohner der französischen und der italienischen Schweiz stärker mit der Region und weniger mit der ganzen Schweiz identifizieren als jene der deutschen Schweiz; letztere identifizieren sich aber gleichzeitig stärker mit der Gemeinde. Ausserdem zeigte die Studie auf, dass einem tiefen Bildungsgrad eine hohe kommunale Bindung und geringe übernationale Bindung entspricht. Aus den Abstimmungsresultaten zum Freihandelsabkommen von 1972 und zum UNO-Beitritt 1986 leitete eine Studie ab, dass im Hinblick auf eine europapolitische Abstimmung zum EWR-Vertrag oder zu einem EG-Beitritt mit drei Lagern zu rechnen sei, die sich etwa folgendermassen zusammensetzen: ein Viertel "harte Isolationisten" (vor allem in ländlichen Gebieten), ein Viertel "harte Integrationisten" (eher in städtischen Siedlungen mit hohem Linkswähleranteil) und etwa die Hälfte "weiche Integrationisten" (eher in Arbeitergemeinden und kleinbürgerlicher Umgebung), wobei letztere vor allem am wirtschaftlichen Nutzen einer Öffnung interessiert sind.

Kulturelle Vielfalt und nationale Identität" (NFP 21)

Die Gruppe Olten, welche sich 1989 noch grundsätzlich gegen einen Boykottaufruf ausgesprochen hatte, stimmte im Juni an ihrer Generalversammlung mit 22 Ja gegen 17 Nein bei 5 Enthaltungen für die Unterstützung des Boykotts. Dass sich Gegner und Befürworter des Boykotts praktisch die Waage hielten, zeigte, wie umstritten diese Frage war. Einerseits betonten die Befürworter den Grundsatzcharakter der Boykottfrage. Kulturschaffende sollten dem Uberwacherstaat nicht durch konstruktive Kritik im Rahmen der Zentenarfeiern dienen, weil sie damit bloss eine Alibifunktion übernehmen und das bestehende Machtgefüge legitimieren würden. Gegner betonten, dass die Mitarbeit an den kulturellen Veranstaltungen eine einmalige Gelegenheit der Mitsprache und Mitgestaltung am kulturellen und politischen Geschehen in der Schweiz sei, die es nicht zu verpassen gelte.

Keine Kultur zur Feier des Schnüffelstaates

Ursprünglich war das Projekt Totalrevision vor 25 Jahren, nach der letzten grossen Staatskrise, der sogenannten Mirage-Affäre, an die Hand genommen worden. 1977 hatte die Expertenkommission Furgler einen Verfassungsentwurf präsentiert, der im anschliessenden Vernehmlassungsverfahren sehr unterschiedlich beurteilt wurde. Der Bundesrat hielt, wie auch die Mehrheit der Vernehmlassungsantworten, eine Totalrevision der Bundesverfassung für notwendig und beantragte der Bundesversammlung, die förmliche Einleitung des Verfahrens zu beschliessen. Seinem Bericht an die Bundesversammlung legte er eine Modellstudie des EJPD bei. Diese Studie, welche aufgrund des Schlussberichts der Arbeitsgruppe Wahlen, der bisherigen Verfassungsentwürfe sowie von totalrevidierten Kantonsverfassungen erarbeitet worden war, sollte die wichtigsten Züge einer neuen Verfassung aufzeigen. Die eidgenössischen Räte beschlossen 1987 die Totalrevision der Bundesverfassung und beauftragten den Bundesrat, einen Entwurf mit einer allerdings nur formalen Revision, welche das geltende Recht systematisch ordnet, vereinheitlicht und verständlicher darstellt, zu erarbeiten. Der Auftrag einer rein formalen Revision hatte zur Folge, dass sich niemand mehr enthusiastisch hinter das Projekt stellen konnte.

Rekapitulation der Vorbereitung der Verfassungsreform
Dossier: Révision totale de la Constitution fédérale 1/2: Les précedents (1966 à 1996)

In der Folge unterzeichneten über 700 Kulturschaffende aus der ganzen Schweiz die Erklärung "Keine Kultur zur Feier des Schnüffelstaates". Sie machten die Abschaffung der politischen Polizei und die vollständige Offenlegung von allen Fichen und Dossiers bis Ende Jahr zur Bedingung für die Mitarbeit an kulturellen Veranstaltungen anlässlich der 700-Jahr-Feier. Nachdem diese Erklärung ohne wahrnehmbare Wirkung bei Regierung und Parlament geblieben war, gingen die Initianten einen Schritt weiter und liessen im April der Boykottdrohung den Boykottbeschluss folgen. Bis zum Juli unterschrieben über 500 Kulturschaffende die Boykotterklärung.

Keine Kultur zur Feier des Schnüffelstaates

Auch die Bundesversammlung will ihren eigenen Beitrag an die Feierlichkeiten leisten. Die von den Büros der beiden Räte eingesetzte Arbeitsgruppe sprach sich für eine Frauensession, eine Sondersession mit der Aufführung eines Theaterstücks im Nationalratssaal und eine Jugendsession aus.

Frauensession Sondersession Jugendsession

Die französische Wochenzeitschrift "Le Canard enchaîné" hat im Frühjahr ein Dossier Schweiz, "La Suisse noir sur blanc", zusammengestellt, in welchem verschiedenste – unter anderem auch welsche – Journalisten Aufsätze zu einem differenzierten Bild der Schweiz beitrugen. Die Artikel reichten von idealisierenden Klischeebildern bis zur harten Kritik an der Drogengeldwäscherei und dem Fichenskandal. Die Publikation zeigte, dass das Ausland die aktuellen Probleme der Schweiz durchaus wahrnimmt.

französische Wochenzeitschrift

Im Rahmen der Enthüllungen der Parlamentarischen Untersuchungskommission zu den Vorkommnissen im EJPD sowie den weiteren Nachforschungen zur Fichenaffäre innerhalb des EMD stellten sich bei vielen Kulturschaffenden Zweifel ein, ob sie sich an Kulturprojekten im Rahmen der 700-Jahr-Feierlichkeiten aktiv beteiligen sollen oder nicht. Bereits am Jahresanfang zog der Schriftsteller Gerold Späth aus Protest gegen den "Schnüffelstaat" sein für eine 700-Jahr-Feier-Serie von Radio DRS geschriebenes Hörspiel "Lasst hören aus alter Zeit" zurück. Die Diskussion um einen Kulturboykott wurde nun vor allem innerhalb der Autoren- und Autorinnen-Gruppe Olten geführt, ohne dass vorerst jedoch ein kollektiver Boykottentscheid zustandekam.

Keine Kultur zur Feier des Schnüffelstaates

Eine weitere private Koordinationsorganisation, "Chance 700", setzte sich zum Ziel, Gegenakzente zu den offiziellen Feierlichkeiten zu setzen. Die Auseinandersetzung mit den Benachteiligten unserer Gesellschaft sollen den Schwerpunkt dieser Veranstaltungen bilden; so wurden denn Projekte wie eine therapeutische landwirtschaftliche Wohngemeinschaft, die Ausstellung "Altitudes" zur Entwicklung des Berggebiets, die Musikanimationsveranstaltung "Pop Schwiz" und eine Sternwanderung mit Menschen aus der dritten Welt geplant.

Chance 700

Die Regierung des Kantons Luzern unternahm mit einem sogenannten Planungsbericht einen ersten Schritt, um das Gesetz über die Organisation von Regierung und Verwaltung aus dem Jahre 1899 zu ändern und gleichzeitig eine Teil-, später eventuell eine Totalrevision der Staatsverfassung von 1875 an die Hand zu nehmen.

Luzern
Dossier: Révisions des constitutions cantonales

In Appenzell-Ausserrhoden möchte namentlich die Regierung die aus dem Jahre 1908 stammende Verfassung einer Totalrevision unterziehen. Deren Bestimmungen sind nach Ansicht der Behörden zu sehr geprägt vom Leitgedanken der Versammlungsdemokratie und würden den heutigen Anforderungen an ein modernes Staatswesen nicht mehr genügen. Vorerst sollen verwaltungsintern die nötigen Vorarbeiten geleistet werden. Die eigentlichen Arbeiten werden erst nach dem spätestens 1993 fälligen Grundsatzentscheid über die Beibehaltung der Landsgemeinde in Angriff genommen werden.

Appenzell-Ausserrhoden
Dossier: Révisions des constitutions cantonales

Die eidgenössischen Räte haben auf Antrag des Bundesrates die 1988 totalrevidierten Verfassungen der Kantone Glarus und Thurgau einstimmig gewährleistet.

Glarus Thurgau
Dossier: Révisions des constitutions cantonales

Die Vorarbeiten zu einer eventuellen Totalrevision der Verfassung des Kantons Tessin wurden weitergeführt. Anfangs November fand in Locarno unter dem Patronat des Föderalismusinstituts der Universität Freiburg ein interdisziplinäres Seminar zur Frage der Integration der Sozialrechte in die Verfassung statt.

Tessin
Dossier: Révisions des constitutions cantonales

Der Regierungsrat arbeitete unter Berücksichtigung der Vernehmlassung einen eigenen Entwurf aus und stellte diesen am 5. Juli der Öffentlichkeit vor. Seine Version orientiert sich zwar am Expertenvorschlag, sie ist aber formal straffer und weist auch wesentliche inhaltliche Unterschiede auf. So ist etwa die in der Vernehmlassung besonders heftig kritisierte Schaffung eines kantonalen Verfassungsgerichts oder die detaillierte und abschliessende Aufzählung der Staatstätigkeiten fallengelassen worden. Eine 35köpfige Verfassungskommission des Grossen Rates nahm die Beratung der Vorlage auf, wobei sie sich im Berichtsjahr vorwiegend mit Grundsatzfragen befasste.

Vorschlag des Experten Aldo Zaugg
Dossier: Révisions des constitutions cantonales

Nicht zu einer Totalrevision der Verfassung, aber zu einer sehr gewichtigen Teilrevision unternahm die Regierung des Kantons Zug konkrete Schritte. Sie legte dem Parlament neun separate Vorlagen vor und beantragte darin vor allem die Revision von Bestimmungen in den Bereichen Volksrechte, Gewaltentrennung und Notrecht.

Zug
Dossier: Révisions des constitutions cantonales

Im Kanton Bern fand das 1988 eröffnete und breit angelegte Vernehmlassungsverfahren über den Vorschlag des Experten Aldo Zaugg zur Totalrevision der Kantonsverfassung seinen Abschluss. Neben Parteien, Interessenorganisationen, Verwaltungsstellen und Gemeinden hatten sich auch knapp 400 Einzelpersonen und Firmen daran beteiligt. Das Resultat der Vernehmlassung zeigte relativ klare Fronten auf: Linke, Grüne und die Gewerkschaften stimmten dem Entwurf grundsätzlich zu. Die beiden grossen bürgerlichen Parteien SVP und FDP, der Bauernverband und die Arbeitgeberorganisationen aus Gewerbe-, Handel- und Industrie fanden den Entwurf wirtschaftsfeindlich und staatsdirigistisch und lehnten ihn deshalb rundweg ab. Die Volksrechte, ein relativierter Freiheitsbegriff und die Verfassungsgerichtsbarkeit bildeten zentrale Punkte der Auseinandersetzung.

Vorschlag des Experten Aldo Zaugg
Dossier: Révisions des constitutions cantonales

In Erfüllung eines vom Nationalrat im Vorjahr überwiesenen Postulats Ott (sp, BL), setzte der Bundesrat eine Expertenkommission ein, welche verschiedene Szenarien zur Entwicklung der Schweiz nach dem Jahre 2000 erarbeiten soll. Diese Expertenkommission "Schweiz morgen" vereinigt 16 Persönlichkeiten aus Kultur, Wissenschaft und Wirtschaft unter dem Vorsitz von Christian Lutz, Direktor des Gottlieb Duttweiler-Instituts in Rüschlikon. Die Szenarien sollen mögliche Entwicklungen der Schweiz im kulturellen, politischen, sozialen und wirtschaftlichen Bereich nach der Jahrtausendwende aufzeigen. Im weitern erhofft sich der Bundesrat von dieser Studie, deren erste Ergebnisse für 1991 erwartet werden, Entscheidungsgrundlagen und einen Beitrag zur Diskussion über die Beziehungen zur EG. Die Kommission kann bei ihrer Arbeit an den Bericht einer früheren Expertenkommission, "Qualitatives Wachstum", anknüpfen.

Expertenkommission Schweiz morgen

Im Kanton Freiburg ist der Anlauf zu einer Totalrevision der aus dem Jahre 1857 stammenden Kantonsverfassung gescheitert. Der Grosse Rat lehnte mit 59 gegen 36 Stimmen eine von der SP unterstützte Motion ab. Die Gegner meinten, eine Totalrevision sei nicht vordringlich und zur Lösung brennender Probleme eigneten sich Teilrevisionen besser.

Freiburg
Dossier: Révisions des constitutions cantonales

Im Kanton St. Gallen beriet eine 15köpfige Kommission über eine allfällige Totalrevision der Kantonsverfassung. Die Einsetzung dieser Kommission, in welcher neben Politikern auch Fachleute aus Verwaltung und Wissenschaft vertreten sind, war durch ein 1988 überwiesenes Postulat der bürgerlichen Kantonsratsfraktionen angeregt worden. Die Kommissionsaufgabe besteht vorerst in der Ausarbeitung eines Berichtes zuhanden des Parlamentes über die Schwerpunkte und Zielsetzungen einer eventuellen Revision.

St. Gallen
Dossier: Révisions des constitutions cantonales

Dass sich die turbulenten Ereignisse des Jahres 1968 zum zwanzigsten Mal jährten, bildete für manche den Anlass zu einem Rückblick auf dieses Jahr und zu einer Bilanz der 68er Bewegung. Während sich ehemalige «68er» teilweise über das Scheitern ihrer damaligen Bemühungen und über den heutigen Rückzug ins Private beklagten, freuten sich Vertreter der liberalen Ideologie über ebendieses Scheitern und werteten es als Beweis für die Tauglichkeit des liberalen Staates. Neben den Zeichen von Frustration, Nostalgie und Häme, die zu vernehmen waren, wurden aber auch Versuche unternommen, die politische und gesellschaftliche Wirkung jener Bewegung zu erfassen und über den Verbleib der damaligen Ideale nachzudenken. Dabei wurde nicht übersehen, dass die konkreten Forderungen der Studentenbewegung – vielleicht abgesehen von der Beendigung des Vietnam-Krieges – entweder nicht erfüllt oder aber mit dem Nachlassen des politischen Druckes in den 70er Jahren wieder rückgängig gemacht worden waren. Andererseits wurde jedoch auch argumentiert, dass «1968» zu, einem Symbol für einen Zeitabschnitt geworden sei, der eine Generation – analog zur «Aktivdienstgeneration» – mit einer gemeinschaftlichen Prägung des Bewusstseins und des Selbstverständnisses hervorgebracht habe. Die 68er Bewegung habe dadurch Tore geöffnet zu alternativen Lebenswerten und zu einer Gegenkultur, welche schliesslich zu den Trägern von neuen politischen Organisationen, von Feminismus und Ökologiebewegung geworden seien. Im Weiteren wurde auch darauf aufmerksam gemacht, dass der vor 20 Jahren angetretene «Marsch durch die Institutionen» zwar von seinem ursprünglichen Weg Richtung Sozialismus abgekommen sei, dass er aber doch die Wissenschaft, das Geistesleben und Teile der öffentlichen Verwaltung auf einen tendenziell progressiveren Kurs gebracht habe. Umstritten blieben die Fragen, inwieweit die zunehmende Distanz zu Traditionen und Konventionen Resultat des damaligen Aufbrechens von gesellschaftlichen Tabus sei, und inwiefern die Abkehr vom Streben nach der Verwirklichung von gesellschaftlichen Globalkonzepten hin zu punktuellem, von Betroffenheit geprägtem Handeln als Resultat der repressiven Reaktion auf die 68er Bewegung betrachtet werden könne, oder ob nicht beides vielmehr sozioökonomische Ursachen habe.

Bilanz 20 Jahre nach 1968
Dossier: 1968 en Suisse

In der Reihe von Totalrevisionen der meist rund 100-jährigen Kantonsverfassungen hatte der Kanton Thurgau dieses Jahr eine spezielle Hürde zu überwinden, mussten doch die Stimmbürgerinnen und -bürger zum zweiten Mal über die gleiche Vorlage abstimmen. Die im Vorjahr äusserst knapp positiv ausgefallene Abstimmung über die neue Verfassung war mit einer Beschwerde angefochten worden. Nachdem die kantonalen Instanzen diese abgewiesen hatten, wurde sie vom Bundesgericht jedoch als berechtigt erklärt, worauf die Regierung eine erneute Zählung der Stimmzettel anordnete. Diese waren indessen in sechs Gemeinden nicht aufbewahrt worden, so dass die Abstimmung ein zweites Mal durchgeführt werden musste. Mit einer rund doppelt so hohen Stimmbeteiligung und einem etwas deutlicheren Ergebnis wurde die Vorlage erneut gutgeheissen.

Thurgau
Dossier: Révisions des constitutions cantonales

Im Kanton Glarus stimmte die Landsgemeinde einer neuen Verfassung zu, welche vor allem eine Klärung von Grundrechten, Staatsaufgaben und Behördenstruktur bringt. Ausserdem wurde das Alter von Mitgliedern der Regierung, des Ständerats und der Gerichte auf 65 Jahre beschränkt. In den Kantonen Bern und Tessin wurden Entwürfe für neue Staatsverfassungen in die Vernehmlassung geschickt, und im Kanton St. Gallen überwies der Grosse Rat ein Postulat, das die Regierung auffordert, eine Verfassungstotalrevision zu prüfen.

Glarus
Dossier: Révisions des constitutions cantonales

In etlichen Kantonen wurden in den letzten Jahren die zumeist aus dem letzten Jahrhundert stammenden Verfassungen einer Totalrevision unterworfen, wobei das Unterfangen beim Stimmvolk oft nur auf geringes Interesse stiess. So ging dieses Jahr im Kanton Thurgau nach einem flauen Abstimmungskampf nur ein fünftel der Stimmberechtigten an die Urne, und die Zustimmung war bei einem Anteil von nur 50.1 Prozent äusserst knapp. Gegnerschaft war der Vorlage einerseits seitens der kleinen Parteien erwachsen, die den Ersatz des obligatorischen Referendums durch das fakultative trotz der geringen Schwelle von 2000 beizubringenden Unterschriften ablehnten. Auf wenig Begeisterung stiess in zahlreichen Gemeinden auch die vorgesehende Aufhebung des Gemeindedualismus. Der zuständige Regierungsrat versprach denn auch nach der Abstimmung ein «sehr subtiles» Vorgehen bei der Bildung der neuen politischen Gemeinden. Vorher muss das neue Grundgesetz aber eine weitere Hürde nehmen, da ein von den kantonalen Instanzen abgelehnter Rekurs gegen die Abstimmung noch vom Bundesgericht entschieden werden muss.

Thurgau
Dossier: Révisions des constitutions cantonales

Nachdem sich der Ständerat im Vorjahr lediglich für eine formale Revision der Bundesverfassung ausgesprochen hatte, gelangte das Geschäft im Sommer an den Nationalrat. Hier setzte sich eine Minderheit aus FDP und NA für den Abbruch des vor über zwanzig Jahren begonnenen Unterfangens ein, da eine tragende Idee im Volk nicht zu erkennen sei. Auch die Kommissionsmehrheit war der Ansicht, die gegenwärtige Zeit der Wende und der Neubesinnung hätte der Totalrevision den Stellenwert genommen, den sie in den sechziger Jahren noch gehabt hätte. Wegen der offensichtlichen formaljuristischen Mängel, die die bereits 127mal teilrevidierte Verfassung aufweist, beantragte die Kommissionsmehrheit aber doch, dem Beschluss des Ständerates zu folgen. Nur die Ratslinke setzte sich, zusammen mit der LdU/EVP-Fraktion, für eine materielle Totalrevision ein, die den geänderten gesellschaftlichen Verhältnissen Rechnung tragen sollte, indem sie zum Beispiel die Sozialrechte – etwa im Bereich des Ausländerrechts – und ökologische Notwendigkeiten neu definiere. Die Ratsmehrheit wandte sich jedoch gegen den Versuch, chancenlose Partialrevisionen im Schutz einer Totalrevision zu verwirklichen. Bundesrätin Kopp, die sich für den Beschluss des Ständerates einsetzte, erhielt schliesslich den gewünschten Auftrag, die bestehende Verfassung formal zu revidieren und mit dem bestehenden ungeschriebenen Verfassungsrecht (etwa dem System des Vernehmlassungsverfahrens) zu ergänzen. Sie behielt sich aber vor, auch sich aufdrängende Neuerungen, wie etwa die Gesetzes- oder die Einheitsinitiative, als Varianten vorzuschlagen.

Fünf Monate nach diesem Beschluss des Nationalrates wurde als Pionierwerk die erste Teillieferung eines umfangreichen, von bekannten Staatsrechtlern verfassten Kommentars zur geltenden Bundesverfassung vorgestellt. Als Ziele ihrer Anstrengung nannten die Herausgeber das Ausmerzen bestehender Rechtsunsicherheiten und das Erreichen einer höheren normativen Lenkungskraft der Verfassung. Der Kommentar bezieht sich nicht nur auf das geschriebene, sondern auch auf das durch die Verwaltungspraxis oder durch Bundesgerichtsentscheide entstandene ungeschriebene Verfassungsrecht. Da die letzte Teillieferung ungefähr zu jenem Zeitpunkt erscheinen sollte, zu dem auch der Entwurf einer totalrevidierten Verfassung diskussionsreif sein dürfte, wurde der Verdacht geäussert, das gross angelegte Werk sei zur Unterstützung der bestehenden Grundordnung gedacht. Die Autoren bekannten sich jedoch zur anstehenden Totalrevision und betonten, dass auch die künftige Verfassung zu vielleicht zwei Dritteln auf der bestehenden aufbauen werde. Ausserdem könne der Kommentar die Diskussion um die neue Verfassung befruchten, da er die dazu unabdingbare Kenntnis der alten erhöhe.

Bericht über die Totalrevision der Bundesverfassung (BRG 85.065)
Dossier: Révision totale de la Constitution fédérale 1/2: Les précedents (1966 à 1996)

Die Rückfrage des Bundesrates an das Parlament, ob die Arbeiten an einer Totalrevision der Bundesverfassung fortgesetzt werden sollten, führte nicht zum Abbruch des umstrittenen Unternehmens. Eine Diskussion am Parteitag der FDP im April, die eine überwiegend negative Haltung zum Ausdruck brachte, wirkte zwar vorerst eher entmutigend. Die vorberatende Kommission des Ständerates erwog die Möglichkeit einer rein formalen Revision und liess sich vom EJPD einen entsprechenden Zusatzbericht vorlegen, verwarf dann aber diesen Ausweg. Sie beantragte dem Rat, den Revisionsauftrag zu erteilen, ihn aber zugleich zu präzisieren: Der von der Regierung auszuarbeitende Entwurf sollte «das geltende geschriebene und ungeschriebene Verfassungsrecht nachführen, es verständlich darstellen, systematisch ordnen sowie Dichte und Sprache vereinheitlichen». Konkrete Weisungen, wie sie von den Staatsrechtslehrern Jagmetti (fdp, ZH) und Aubert (lp, NE) gewünscht wurden, lehnte die Kommission jedoch ab, um dem Bundesrat die Freiheit, mindestens in Form von Varianten Neuerungen vorzuschlagen, nicht zu nehmen. Noch im Dezember gab die Ständekammer diesem Vorschlag mit 28:6 Stimmen ihren Segen – gewissermassen als Geschenk zum 50. Geburtstag der Vorsteherin des EJPD, die sich nachdrücklich für den Auftrag eingesetzt hatte. Zu diesem bescheidenen Neuanfang trugen befürwortende Stellungnahmen bürgerlicher Staatsrechtler und Politiker bei, die nicht als Systemveränderer verdächtigt werden konnten, ausserdem das sich verbreitende Gefühl, nach zwanzigjähriger Vorarbeit nicht einfach kapitulieren zu können.

Bericht über die Totalrevision der Bundesverfassung (BRG 85.065)
Dossier: Révision totale de la Constitution fédérale 1/2: Les précedents (1966 à 1996)