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  • Politique étrangère

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  • Jositsch, Daniel (sp/ps, ZH) SR/CE

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Nachdem der Nationalrat den Nachtragskredit für zusätzliche humanitäre Hilfsleistungen für die Ukraine in der Sommersession 2022 einstimmig angenommen hatte, beantragte die APK-SR ihrem Rat einstimmig die Ablehnung des Vorstosses. Das lag aber keineswegs daran, dass sie das Anliegen der Motion inhaltlich nicht unterstützte. Die Kommission verwies in ihrem Bericht darauf, dass der Bundesrat im März 2022 bereits einen Kredit für humanitäre Hilfe in der Region beschlossen habe, der von den eidgenössischen Räten in der Sommersession angenommen worden sei. Der in der Motion verlangte Betrag von CHF 15 Mio. sei in ebendiesem Kredit bereits enthalten, weshalb das Motionsanliegen erfüllt sei und gemäss ständerätlicher Praxis nicht angenommen werden könne.
Der Ständerat befasste sich in der Wintersession desselben Jahres mit der Motion der APK-NR. Kommissionssprecher Jositsch (sp, ZH) nannte die Forderung der nationalrätlichen Kommission «höchst berechtigt» und faktisch erfüllt, weshalb eine Annahme nicht mehr möglich sei. Bundesrat Cassis schloss sich dieser Argumentation an, woraufhin der Ständerat die Motion stillschweigend ablehnte.

Humanitäre Hilfe für die Ukraine (Mo. 22.3073)

In der Herbstsession 2022 kam die Änderung des Embargogesetzes zur Differenzbereinigung in den Ständerat. Der Nationalrat hatte in der Sommersession 2022 auf Antrag der APK-NR einen Artikel eingefügt, durch den der Bundesrat ermächtigt werden sollte, unter Berücksichtigung der Positionen der wichtigsten Handelspartner eigenständig Zwangsmassnahmen gegen Personen oder Entitäten zu erlassen, die für schwere Verletzungen des humanitären Völkerrechts oder der Menschenrechte verantwortlich zeichneten. Eine Mehrheit der APK-SR beantragte dem Rat, diesen Artikel wieder zu streichen, eine Minderheit Sommaruga (sp, GE) wollte diesen jedoch beibehalten. Kommissionssprecher Damian Müller (fdp, LU) erklärte der kleinen Kammer, dass sich die SiK-SR in ihrem Mitbericht an die APK-SR klar gegen die Möglichkeit autonomer Schweizer Sanktionen ausgesprochen habe, da dies einen drastischen Wandel in der Schweizer Sanktionspolitik bedeuten würde. Die SiK-SR erachtete die Ergänzung des Nationalrats auch in Bezug auf Rechtsstaatlichkeit und Neutralität als problematisch. Die APK-SR sei daher mit 10 zu 2 Stimmen (bei 1 Enthaltung) dem Antrag der sicherheitspolitischen Kommission gefolgt.
Carlo Sommaruga gestand im Namen der Kommissionsminderheit zwar ein, dass die Änderung, die der Nationalrat vorgenommen hatte, einen Paradigmenwechsel darstelle würde. Dieser führe jedoch zu mehr Kohärenz zwischen den Verfassungswerten der Schweiz zur Achtung der Völkerrechte und der Menschenrechte auf der einen Seite und der Aussenpolitik auf der anderen Seite. Mit dem UNO-Beitritt oder der kürzlich erfolgten Übernahme der EU-Sanktionen gegen Russland habe man in der Vergangenheit ebenso Paradigmenwechsel vollzogen, ohne dass sich diese negativ auf die Neutralität, die Aussen- oder die Handelspolitik ausgewirkt hätten. Sommaruga zeigte sich nicht einverstanden mit der Einschätzung der SiK-SR bezüglich möglicher Probleme in Bezug auf die Schweizer Neutralität. Denn einerseits beziehe sich der neue Artikel auf Personen und Entitäten, nicht auf Staaten, andererseits verhalte man sich angesichts von schweren Völkerrechtsverbrechen ohnehin nicht neutral. Daniel Jositsch (sp, ZH), der ebenfalls der Kommissionsminderheit angehörte, erklärte zudem, dass derartige Sanktionen durchaus rechtsstaatlich seien. Die betroffenen Personen hätten auf alle Fälle Beschwerdemöglichkeit, entweder bei einer Ombudstelle – wie von der parlamentarischen Initiative Molina (sp, ZH; Pa. Iv. 19.501) gefordert – oder im Rahmen des Verwaltungsrechts. Der im Rat anwesende Bundesrat Parmelin bat die kleine Kammer, der Mehrheit zu folgen und den Artikel zu streichen. Der Vorschlag des Nationalrats berge die Gefahr von Gegenmassnahmen, darüber hinaus wären eigenständige Sanktionen ohne multilaterale Koordinierung ineffizient. Ausserdem sei unklar, nach welchen objektiven Kriterien man die Sanktionen aussprechen würde. Der Ständerat folgte der Empfehlung der Kommissionsmehrheit und strich den fraglichen Artikel wieder aus dem Gesetzesentwurf. Damit schuf er eine neuerliche Differenz zum Nationalrat, womit die Differenzbereinigung noch in der gleichen Session in eine weitere Runde ging.

Änderung des Embargogesetzes (BRG 19.085)
Dossier: Sanctions prises par la Suisse à l'encontre d'autres états
Dossier: Réaction de la Suisse aux agressions russes en Ukraine (dès 2014)

In der Herbstsession 2022 beriet der Ständerat über die parlamentarische Initiative Molina (sp, ZH) zur Einführung einer Rechtsgrundlage für gezielte Sanktionen bei schweren Menschenrechtsverletzungen und Korruption durch hochrangige Politiker und Politikerinnen. Damian Müller (fdp, LU) erläuterte der kleinen Kammer die Geschichte des Geschäfts, dem von der APK-NR im Januar 2021 Folge gegeben worden war. Die APK-SR hatte der Initiative zwar im April 2021 nicht zugestimmt, da die APK-NR aber daran festgehalten hatte und der Nationalrat die Initiative in der Folge ebenfalls angenommen hatte, musste sich die APK-SR erneut damit befassen. Kommissionssprecher Müller erklärte, dass die Kommission die Differenzbereinigung beim Embargogesetz habe abwarten wollen und daher die Beratung des Geschäfts verschoben hatte. Da man bei der Beratung des Embargogesetzes verneint habe, eine Rechtsgrundlage für eigenständige Sanktionen schaffen zu wollen, mache es in den Augen der Kommissionsmehrheit auch keinen Sinn, der Initiative Folge zu geben. Eine Minderheit Jositsch (sp, ZH) beantragte dem Rat dennoch, der Initiative Folge zu geben, da durch die persönliche Sanktionierung einzelner hochrangiger Personen negative Konsequenzen für die Zivilbevölkerung vermieden werden könnten. Jositsch erklärte, dass die Initiative – wie der ähnlich ausgestaltete Minderheitsantrag Sommaruga (sp, GE) zum Embargogesetz – eine Ombudsstelle zur Wahrung der rechtsstaatlichen Prinzipien vorsehe. Er erwarte jedoch nicht, dass dies den Ständerat umstimmen würde. Damit behielt er Recht und der Ständerat gab der Initiative mit 28 zu 13 Stimmen keine Folge, womit das Geschäft erledigt war.

Einführung einer Rechtsgrundlage für gezielte Sanktionen bei schweren Menschenrechtsverletzungen und Korruption durch hochrangige Politiker und Politikerinnen (Pa.Iv. 19.501)

«Es braucht legale Fluchtrouten als humanitäre flankierende Massnahmen zur Übernahme der Frontex-Verordnung» forderte Ständerat Daniel Jositsch (sp, ZH) im März 2022 in einer parlamentarischen Initiative. Jositsch wollte den Bundesbeschluss zur Übernahme der Frontex-Verordnung, mit der die EU-Grenzschutzagentur ausgebaut werden sollte, um einen Artikel ergänzen. Die Ergänzung sähe vor, dass die Schweiz in den Jahren 2022 und 2023 insgesamt mindestens 4'000 UNHCR-Resettlement-Flüchtlinge aufnehmen müsste. Resettlement bezeichnet die dauerhafte Neuansiedelung besonders schutzbedürftiger Flüchtlinge, die weder in ihr Heimatland zurückkehren, noch in dem Land bleiben können, in welches sie geflohen sind. Jositsch argumentierte, dass diese Forderung bereits in der parlamentarischen Debatte zur Frontex-Vorlage gestellt worden sei. Seiner Meinung nach müsste man zusätzlich zum Frontex-Ausbau die legalen Fluchtrouten ausbauen. Nach einer allfälligen Ablehnung der Frontex-Vorlage durch die Stimmbevölkerung solle der Bundesrat möglichst rasch eine neue Vorlage erarbeiten, welche die in der parlamentarischen Initiative genannten humanitären flankierenden Massnahmen umsetze, denn dies würde die Annahmewahrscheinlichkeit des Frontex-Ausbaus erhöhen. Ständerat Jositsch zog seine Initiative Ende Mai 2022 zurück, nachdem die Frontex-Vorlage mit einer deutlichen Mehrheit (71.5% Ja-Stimmen) angenommen worden war.

Es braucht legale Fluchtroute als humanitäre flankierende Massnahmen zur Übernahme der Frontex-Verordnung
Dossier: Participation de la Suisse à l'élargissement de Frontex

Der Abstimmungskampf zum Referendum gegen den Ausbau des Schweizer Beitrags an die EU-Grenzschutzagentur Frontex wurde in der Westschweizer Öffentlichkeit schon im Januar 2022 lanciert, noch bevor das Referendum zustande gekommen war. In einem Meinungsbeitrag in Le Temps beschrieben Ständerätin Lisa Mazzone (gp, GE) und eine Flüchtlingshelferin die Zustände auf dem Mittelmeer und in Libyen und wiesen vor allem auf die Menschenrechtsverletzungen durch Frontex hin. Wenige Tage darauf meldete sich FDP-Ständerat Damian Müller (fdp, LU) im gleichen Medium zu Wort und kritisierte seine Ratskollegin dafür, in ihrem Beitrag keine Alternativen anzubieten und stattdessen Frontex kategorisch abzulehnen. Er argumentierte überdies, dass fehlende Mittel für Frontex dazu führen könnten, dass es in Europa und der Schweiz zu einer Explosion «irregulärer Überfahrten» von Wirtschaftsmigrantinnen und -migranten kommen würde. Der Frontex-Beitrag sei essentiell, um ein Mindestmass an Kontrolle der Migrationsströme sicherzustellen. Zudem brauche man darüber hinaus eine verstärkte Entwicklungshilfe in den Ursprungsländern der Flüchtenden in Kombination mit besseren Grenzkontrollen durch die Nachbarländer Libyens.

Die deutschsprachigen Medien griffen das Thema erst im Februar grossflächig auf, nachdem das Referendumskomitee am 20. Januar knapp 58'360 Unterschriften – davon 54'377 gültige – eingereicht hatte. Diskutiert wurde in den Medien insbesondere über mögliche interne Konflikte innerhalb der SP und der SVP. Bei der SP orteten die Medien einen Widerspruch zwischen der Ablehnung von Frontex und dem Wunsch nach Beibehaltung des Schengen-Abkommens, bei der SVP hingegen zwischen dem parteilichen Ziel einer restriktiven Migrationspolitik, und somit der Unterstützung von Frontex, bei gleichzeitiger Ablehnung aller Arten von EU-Verträgen. Der Blick sah die «Linke» gar in der «EU-Falle» sitzen, da die Schweiz bei einem Nein nicht nur aus dem Schengen-Dublin-System ausgeschlossen würde, sondern sich in diesem Fall auch die bilateralen Beziehungen mit der EU dramatisch verschlechtern würden. Dabei waren die Auswirkungen einer Ablehnung auf den Verbleib im Schengen-Raum jedoch umstritten. Gemäss EJPD-Vorsteherin Karin Keller-Sutter würde durch ein Nein zum Frontex-Ausbau ein Beendigungsverfahren für das Schengen-Abkommen ausgelöst, welches bei einer fehlenden Einigung nach sechs Monaten den Ausschluss der Schweiz aus Schengen/Dublin zur Folge hätte. Dieser Einschätzung widersprach jedoch der emeritierte Rechtsprofessor Rainer J. Schweizer in der NZZ. Demnach könne der Ausschluss der Schweiz aus Schengen/Dublin nicht gemäss der Guillotineklausel von 2004 vonstatten gehen, da die Schweiz seither rund 370 Rechtsakte der EU übernommen habe. Dies würde folglich einen umfassenden Austrittsvertrag nach dem Vorbild des Brexit-Vertrags vonnöten machen. Dieser Meinung schloss sich die SP (sowie auch die Grünen) an. Ergänzend präsentierte etwa SP-Ständerat Daniel Jositsch (sp, ZH) einen Plan B in Form einer parlamentarischen Initiative, falls die Schweizer Stimmbevölkerung den Frontex-Ausbau tatsächlich ablehnen sollte. Darin schlug er vor, das Schweizer Kontingent der von der UNO anerkannten Flüchtlinge innerhalb der 90 Tage bis zum Schengen-Ausschluss auf 4'000 zu erhöhen, sozusagen als humanitäre flankierende Massnahme zum Frontex-Ausbau. Da die SP die Unterstützung an den Frontex-Ausbau an diese Bedingung gekoppelt hatte, könnte die Schweiz nach der Aushandlung dieser Erhöhung den Frontex-Beitrag dann trotzdem freigeben.
Die Nein-Parole beschloss die SP an ihrem Parteitag mit grosser Mehrheit, wenngleich einzelne Parteiexponentinnen und -exponenten wie Nationalrat Eric Nussbaumer (sp, BL) sich nur halbherzig anschliessen mochten. In den Befragungen im Vorfeld der Abstimmung zeichnete sich jedoch eine SP-interne Spaltung ab: Die Sympathisierenden der SP wollten der Vorlage gemäss einer Ende April durchgeführten Tamedia-Vorumfrage entgegen dem Kurs des Parteipräsidiums und des Parteitags mit fast 53 Prozent zustimmen. Ähnliches spielte sich bei den Grünen ab, bei denen 48 Prozent der Sympathisierenden trotz Nein-Parole der Partei eine Ja-Stimme in Aussicht stellten, wogegen 44 Prozent der Parteileitung zu folgen gedachten. Auch bei den traditionell SP-nahen Organisationen zeigten sich die Auswirkungen dieses inhaltlichen Dilemmas, wie CH Media berichtete. Obwohl das Sekretariat des Gewerkschaftsbundes seinem Vorstand und den Mitgliedern in einem internen Papier Stimmfreigabe vorgeschlagen hatte, da «ein Interessenkonflikt zwischen einer menschenwürdigen europäischen Flüchtlingspolitik und der Personenfreizügigkeit im Rahmen von Schengen» vorliege, beschloss der SGB-Vorstand die Nein-Parole. Hingegen entschied sich der Gewerkschaftsbund gemäss Mediensprecher Gaillard jedoch dagegen, den Abstimmungskampf des Referendumskomitees mitzufinanzieren. Auch andere NGOs wie die SFH, die traditionell die Anliegen der SP unterstützten, taten sich mit der Parolenfassung schwer. SFH-Direktorin Miriam Behrens befürchtete, dass die Schweiz bei einem Nein nicht mehr an der Verbesserung der europäischen Migrationspolitik mitwirken könnte. Andererseits könnte der Ausbau der EU-Agentur die Kontrolle der Mitgliedstaaten erschweren, in deren Kompetenzbereich die meisten Verstösse fielen. Amnesty International verzichtete darauf, sich am Abstimmungskampf zu beteiligen, da die im Referendum betroffenen Bestimmungen nicht die konkreten Bedingungen von Schutzsuchenden oder die Verteidigung der Menschenrechte beträfen.

Am anderen Ende des politischen Spektrums hatte die SVP ebenfalls mit der Beschlussfassung zu kämpfen. Obwohl die Vorlage zum Ausbau des Schweizer Beitrags an Frontex aus dem Departement von SVP-Bundesrat Ueli Maurer stammte, lehnten sie mehrere einflussreiche SVP-Mitglieder von Anfang an ab, darunter Esther Friedli (svp, SG), Lukas Reimann (svp, SG), Marcel Dettling (svp, SZ)) und Marco Chiesa (svp, TI), oder wechselten nach der parlamentarischen Phase aus dem Ja- ins Nein-Lager (Céline Amaudruz (svp, GE) und Roger Köppel (svp, ZH)). Die Südostschweiz berichtete, dass sich die Parteibasis eine Nein-Parole wünsche, was eine unheilige Allianz mit der SP und den Grünen bedeuten würde. Die Vertreterinnen und Vertreter des Nein-Lagers innerhalb der SVP wollten die Gelder lieber an der eigenen Grenze investieren, als diese der Frontex, deren Nutzlosigkeit sich gezeigt habe, zur Verfügung zu stellen. Die Befürworterinnen und Befürworter setzten sich hingegen für mehr Grenzschutz an den EU-Aussengrenzen und weniger «illegale Migration» ein. Es lag daher an der neunköpfigen Parteileitung, eine Empfehlung auszuarbeiten, deren Mitglieder hatten in der Schlussabstimmung im Parlament aber unterschiedliche Positionen vertreten. Die Partei beschloss schliesslich Anfang April 2022 die Ja-Parole und folgte damit nicht zuletzt der Empfehlung ihres verantwortlichen Bundesrats Ueli Maurer.
Bei der Parolenfassung weniger schwer taten sich die Mitte und die FDP, deren Delegiertenversammlungen im Januar (Mitte) und Februar (FDP) klare Ja-Parolen ausgaben.

Mitte März trat erstmals das Referendumskomitee «No Frontex» an die Öffentlichkeit. Das Komitee lehnte nicht nur die Erhöhung des Beitrags, sondern die Grenzschutzagentur als Ganzes ab, weil diese «ohne jegliche demokratische Kontrolle der Mitgliedstaaten» agiere, berichtete die Tribune de Genève. Mitte April versuchten die Frontex-Gegnerinnen und -Gegner mit Demonstrationen und anderen öffentlichen Anlässen, die Stimmbevölkerung für die Thematik zu sensibilisieren.

In der Folge äusserten sich aber auch zahlreiche Befürworterinnen und Befürworter öffentlich zu Wort. Während sich die Frontex-Gegnerinnen und -Gegner auf humanitäre Argumente stützten, wandten sich Wirtschaftsorganisationen mit ökonomischen Bedenken an die Öffentlichkeit. So gründete der Tourismussektor im April ein Ja-Komitee, da dieser bei einer Ablehnung der Vorlage den Ausschluss aus dem Schengen-Visa-Raum befürchtete. Dadurch bräuchten Touristen aus Fernmärkten ein separates Visum für einen Aufenthalt in der Schweiz, was die Attraktivität einer Schweiz-Reise drastisch senken würde, begründete STV-Direktor Philipp Niederberger die Ängste der Branche. Hotelleriesuisse rechnete mit Einbussen von bis zu CHF 188 Mio. pro Jahr und der Bundesrat erwartete jährliche Ausfälle von jährlich maximal CHF 500 Mio. Franken für den Schweizer Tourismus. Doch nicht nur wirtschaftliche Bedenken wurden vorgebracht, KKJPD-Präsident Fredy Fässler (sp, SG) warnte davor, bei einem Nein zum Frontex-Beitrag vom Sicherheitssystem der EU abgehängt zu werden, was für die Polizeiarbeit hochproblematisch wäre.

Ebenfalls im April, also knapp einen Monat vor der Abstimmung, wurde bekannt, dass OLAF – die Antibetrugsbehörde der EU – in einem geheimen Bericht mehrfache Verfehlungen durch Frontex-Verwaltungsräte festgestellt hatte. Die Frontex-Spitze um Direktor Fabrice Leggeri sei demnach in Mobbing und illegale Pushbacks – also in illegale Ausweisungen oder Rückschiebungen von Migrantinnen und Migranten unmittelbar vor oder nach dem Grenzübertritt, ohne dass diese die Möglichkeit hatten, einen Asylantrag zu stellen – verwickelt gewesen. Nach Veröffentlichung dieser Vorwürfe verweigerte der Haushaltsausschuss des EU-Parlaments Frontex die Décharge. Auch der Vorsitzende des Frontex-Verwaltungsrats, Marko Gasperlin, gab in einem Blick-Interview zu Protokoll, dass in bestimmten Fällen «absolut falsch gehandelt» worden sei, auch wenn das Frontex-System im Grossen und Ganzen funktioniere. Zwei Wochen vor dem Abstimmungstermin bat der umstrittene Frontex-Chef Fabrice Leggeri seinen Rücktritt an, der vom Verwaltungsrat gleichentags akzeptiert wurde. Leggeri wurde nicht nur für die zahlreichen nachgewiesenen Pushbacks verantwortlich gemacht, er wurde auch des Missmanagements und des Mobbings bezichtigt. Unklar war, wie sich diese Nachricht auf die Volksabstimmung auswirken würde. Einerseits bestätige der Rücktritt die Kritik an der Grenzagentur, andererseits sei er Zeugnis einer gewissen Reformbereitschaft, argumentierte der Tages-Anzeiger. Letzterer Interpretation schloss sich das EFD an. Eine Sprecherin erklärte, dass Frontex nun das angeschlagene Vertrauen zurückgewinnen könne und dass sich gezeigt habe, dass die Aufsichtsmechanismen funktionierten.

Eine Tamedia-Meinungsumfrage vom 4. Mai machte jeglichen Anflug von Spannung hinsichtlich des Ausgangs der Abstimmung zunichte, denn eine grosse Mehrheit der Befragten (64%) wollte ein Ja an der Urne einlegen. Auf eine deutliche Annahme der Vorlage am 15. Mai deuteten nicht nur die Meinungsumfragen, sondern auch die Auswertung der Zeitungs- und Inserateanalyse von Année Politique Suisse hin. Während das Ja-Lager in den untersuchten Printmedien rund 120 Inserate publizieren liess, fand quasi keine Gegenkampagne statt (ein einzelnes Kontra-Inserat während der ganzen Untersuchungsperiode). Die Pro-Inserate warnten vor allem davor, dass ein Nein die Sicherheit der Schweiz, die Reisefreiheit und die Schweizer Wirtschaft bedrohen würde. Einen direkten Zusammenhang zum oftmals genannten Ausschluss der Schweiz aus Schengen/Dublin machten nur 35 Prozent der Inserate, also deutlich weniger als drei Jahre zuvor beim Referendum zur Umsetzung der EU-Waffenrichtlinie.

Übernahme und Umsetzung der Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates über die Europäische Grenz- und Küstenwache (Frontex; BRG 20.064)
Dossier: Participation de la Suisse à l'élargissement de Frontex

Die Beratung des Ständerats über die Freigabe des zweiten Kohäsionsbeitrags in der Herbstsession 2021 dauerte rund zwei Stunden. Einen Nichteintretensantrag Minder (parteilos, SH) lehnte die kleine Kammer mit 34 zu 9 Stimmen klar ab. Ständerat Minder zweifelte daran, dass die EU nach der Auszahlung der Kohäsionsmilliarde in Höhe von CHF 1.3 Mrd. ihre «Repressionen gegen die Schweiz» beenden würde. Man habe von der EU bisher keine Signale erhalten, dass dadurch die Aufnahme ins Forschungsprogramm Horizon Europe oder die Wiederinstandsetzung der Börsenäquivalenz gewährleistet würde. Eine bedingungslose Freigabe wäre daher «falsch» und «grob fahrlässig». Sein Mitunterstützer Marco Chiesa (svp, TI) äusserte seinen Unmut darüber, dass sich die Schweiz der «kolonialistischen Politik Brüssels» unterwerfen wolle und ohne Garantien Geld auszahle. Auch einige Ratsmitglieder der Mitte wie Heidi Z'graggen (mitte, UR) und Daniel Fässler (mitte, AI) störten sich daran, dass der Kohäsionsbeitrag ausbezahlt werden solle, obwohl die 2019 vom Parlament geforderte Bedingung der «Nicht-Diskriminierung» seitens der EU nicht erfüllt worden war.
Eine überwiegende Mehrheit des Ständerats wollte mit dem Entscheid jedoch einen ersten Schritt auf die EU zugehen. Matthias Michel (fdp, ZG), Sprecher der APK-SR, hielt fest, dass die Zurückbehaltung der Kohäsionsmilliarde offensichtlich keinen Druck auf die EU aufgebaut habe. Die gegenseitige «Blockadepolitik» habe auf beiden Seiten die gewünschte Wirkung verfehlt, nach dem Scheitern des Rahmenabkommens müssten nun auch diese Blockaden beendet werden. Pirmin Bischof (mitte, SO) betonte, dass die Kohäsionszahlungen nichts mit dem InstA zu tun hätten und der EU für die Teilnahme der Schweiz am Binnenmarkt geschuldet sei. Bischof meinte, die Deblockierung der bilateralen Verträge müsse der nächste Schritt sein. Obwohl die EU keine Garantie dafür abgegeben habe, so herrsche doch die Gewissheit, dass die Nichtfreigabe des Beitrags sicher nicht zur Deblockierung führe. Auch Daniel Jositsch (sp, ZH) kam zum Schluss, dass die Schweiz ohne eine Freigabe nichts erreichen könne und bemühte die Analogie eines Mietverhältnisses, bei dem der Mieter einen neuen Mietvertrag abschliessen will, obwohl er seine Miete nicht bezahlt habe. Die Zahlung des Kohäsionsbeitrags bestärke die Verlässlichkeit der Schweiz und lege die Basis für die Fortführung des bilateralen Wegs, argumentierte Andrea Gmür-Schönenberger (mitte, LU).
Bundesrat Ignazio Cassis wiederholte, dass die Zahlung keineswegs eine Garantie für die Assoziierung an Horizon Europe bedeute, obwohl die EU diese politisch sachfremden Themen miteinander verknüpft habe. Der Bundesrat sei aber bestrebt, die «Negativspirale der Konditionalitäten» zu durchbrechen und mit dem Beitrag einen ersten Schritt zu machen. Daher lehnte Cassis auch die Verknüpfung der Freigabe mit der Finanzierungsbotschaft zu Erasmus plus ab. Eine Minderheit Sommaruga (sp, GE) hatte vorgeschlagen, den Rahmenkredit nicht umzusetzen, bis der Bundesrat dem Parlament die Finanzierungsbotschaft der Teilnahme an Erasmus plus vorgelegt habe. Diesen Minderheitenantrag zog Sommaruga kurz darauf zurück, da der Nationalrat gleichentags eine Motion der APK-NR (Mo. 21.3975) angenommen hatte, welche seinem Anliegen entsprach. Aussenminister Cassis erinnerte die kleine Kammer auch daran, dass das Bundesgesetz über die Zusammenarbeit mit den Staaten Osteuropas 2024 auslaufe und Verpflichtungen nur bis dann eingegangen werden könnten. Er plädierte daher für einen möglichst baldigen Entscheid, denn anhand der Erfahrungen mit dem ersten Kohäsionsbeitrag liesse sich festhalten, dass zwischen dem Parlamentsentscheid und der Projektumsetzung rund drei Jahre vergingen. Schliesslich stimmte der Ständerat der Freigabe mit 30 zu 9 Stimmen, gegen den Willen der SVP und einiger Mitglieder der Mitte, deutlich zu.

Der zweite Schweizer Beitrag an ausgewählte EU-Mitgliedstaaten (Zweite Kohäsionsmilliarde)
Dossier: Contribution de la Suisse à l'UE élargie

In der Sommersession 2021 befasste sich der Ständerat mit der Motion Seiler Graf (sp, ZH), welche den Stopp aller Kriegsmaterialexporte an die Jemen-Kriegsallianz forderte. Thierry Burkart (fdp, AG) – Sprecher der SiK-SR – beantragte im Namen der Kommission die Ablehnung der Motion. Man sei zwar besorgt über die humanitäre Krise in Jemen und über die Menschenrechtsverletzungen in Saudi-Arabien, da sich die Intervention der Jemen-Koalition aber auf eine Resolution des UNO-Sicherheitsrats stütze, sei diese völkerrechtlich legitimiert. Zudem liefere man nur defensive Waffensysteme an Saudi-Arabien. Auch sei das Parlament nicht für die Rechtsanwendung zuständig, weshalb eine Annahme der vorliegenden Motion das Prinzip der Gewaltenteilung verletzen würde, führte Burkart aus. Eine Minderheit Jositsch (sp, ZH) setzte sich hingegen für die Annahme der Motion ein. Der Minderheitssprecher erklärte, dass aufgrund der Situation in Saudi-Arabien und Jemen die Natur der Waffenlieferungen, ob offensiv oder defensiv, keine Rolle spiele. Zudem fordere die Motion zwar die Anwendung von Artikel 19 des Kriegsmaterialgesetzes, welche eigentlich dem Bundesrat vorbehalten sei, doch die Motion ermutige den Bundesrat ja nur, dies zu tun, und breche daher nicht mit der Gewaltenteilung. Der anwesende Bundesrat Guy Parmelin erinnerte daran, dass der Bundesrat die militärische Intervention in Jemen bereits 2016 bei seiner Beurteilung der saudischen Exportanträge berücksichtigt habe und aus seiner Sicht nach wie vor keine «aussergewöhnlichen Umstände» vorlägen, welche die Anwendung von Artikel 19 rechtfertigen würden. Parmelin forderte daher die Ablehnung der Motion, auch weil die Schweiz im internationalen Vergleich sehr restriktiv agiere. Während sich der Nationalrat noch über den Wunsch des Bundesrats hinweggesetzt hatte, tat dies der Ständerat nicht. Er lehnte die Motion mit 28 zu 14 Stimmen ab.

Stopp aller Kriegsmaterialexporte an die Jemen-Kriegsallianz

In der Sommersession 2021 befasste sich der Ständerat mit der Weiterentwicklung von Frontex und der Änderung des AIG. Im Vorfeld hatte die SiK-SR diese als für die Schweiz «unerlässlich» bezeichnet. Da die Kommission die EU-Migrationspolitik jedoch kritisch beurteilte, forderte sie dazu auf, den Bundesratsentwurf mit Ausgleichsmassnahmen im Sinne der humanitären Tradition der Schweiz zu ergänzen. Einerseits beantragte sie ergänzend zur Übernahme der Verordnung die Aufnahme von 2'800 Flüchtlingen im Rahmen des Resettlements, wobei diese Erhöhung der Resettlementquote stufenweise und in Kooperation mit den Kantonen erfolgen sollte. Andererseits beantragte sie einen Mechanismus zur Beschwerdenbearbeitung und eine Rechtsberatung, um die Rechtsmittel der Asylsuchenden zu stärken. Zudem sprach sie sich einstimmig für einen Antrag aus, demgemäss das Schweizer Kontingent für Frontex nicht zulasten des nationalen Grenzschutzes gehen dürfe. Schliesslich beantragte die SiK-SR, dass Frontex-Einsätze einem Genehmigungsverfahren unterliegen sollen. Dieser angepassten Version der Vorlage stimmte die Kommission mit 8 zu 2 Stimmen bei 1 Enthaltung zu, während eine Minderheit nicht auf die Vorlage eintreten wollte, weil die humanitären Ausgleichsmassnahmen in ihren Augen nicht ausreichend waren.
Die Ratsdebatte entwickelte sich trotz der relativ eindeutigen Position der Kommission zu einer umstrittenen Angelegenheit. Daniel Jositsch (sp, ZH) kritisierte, dass die EU über keine gesamtheitliche Migrationspolitik verfüge und das Dublin-System nur den Umgang mit Flüchtlingen an den Aussengrenzen regle. Dadurch entstünden in gewissen Staaten eine Extrembelastung und illegale Sekundärmigration, beides für Jositsch Grund genug, um diese neuen Massnahmen «nicht einfach so durchzuwinken» und stattdessen, wie von der Kommission vorgeschlagen, mit flankierenden Massnahmen zu ergänzen. Als «eine falsche Politik» bezeichnete Thomas Minder (parteilos, SH) hingegen die von der Kommission gemachten Resettlement-Anträge, weil man damit das Schengen- mit dem Dublin-System und damit Sicherheits- mit Flüchtlingspolitik vermische. Auch Finanzminister Maurer schloss sich dieser Argumentation an und betonte, dass Schengen für Grenzsicherheit stehe und nicht primär ein Projekt der Asypolitik sei. Daher lehnte er im Namen des Bundesrats die von der SiK-SR vorgeschlagenen Ausweitungen des Resettlement-Verfahrens ab, nicht zuletzt weil man in dieser Sache die Kantone einbeziehen müsse, bevor man absolut verbindliche Beschlüsse mache. Zu wenig weit ging der Kommissionsvorschlag Ständerat Zopfi (gp, GL), der im Rat einen Nichteintretensantrag einreichte, da die Anzahl der Resettlement-Flüchtlinge in seinen Augen auf 4'000 hätte erhöht werden müssen. Er begrüsste zwar den Ausbau des Grundrechtsschutzes, kritisierte aber die Methoden des europäischen Grenzschutzes und argumentierte, dass man Sicherheit und Migration in dieser Frage nicht trennen könne. Thierry Burkart (fdp, AG) erinnerte in diesem Kontext daran, dass eine Nichtübernahme der Weiterentwicklung des Schengen-Besitzstandes im Extremfall die Beendigung der Schengen-Zusammenarbeit nach sich ziehen könnte. Der Ständerat beschloss mit 33 zu 10 Stimmen (bei 1 Enthaltung), auf die Vorlage einzutreten, lehnte kurz darauf aber die von der Kommission geforderte Erhöhung der Anzahl der Resettlement-Flüchtlinge auf 2'800 mit 22 zu 21 Stimmen knapp ab. Der Rat folgte jedoch teilweise seiner Kommission, indem er sich entschied, dass Schweizer Frontex-Einsätze nicht vom Kontingent der Schweizer Grenzschützerinnen und Grenzschützer abgezogen werden dürfen und dass derartige Einsätze einem Genehmigungsverfahren unterstellt werden müssen. In der Gesamtabstimmung nahm die kleine Kammer den Frontex-Entwurf mit 30 zu 14 Stimmen schliesslich deutlich an, wobei die Nein-Stimmen vornehmlich von Mitgliedern der Grünen und der SP stammten. Die Änderungen im Asylrecht, welche die Rechtsmittel der Asylsuchenden und die Unterstützung bei Beschwerdeverfahren stärken, wurden vom Ständerat einstimmig angenommen.

Übernahme und Umsetzung der Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates über die Europäische Grenz- und Küstenwache (Frontex; BRG 20.064)
Dossier: Participation de la Suisse à l'élargissement de Frontex

In der Sommersession 2021 stimmte der Ständerat der Abschreibung des Postulats Jositsch (sp, ZH) zur Demokratisierung der Vereinten Nationen zu. Der Bundesrat hatte das Postulatsanliegen mit der Veröffentlichung des dazugehörigen Berichts erfüllt.

Démocratisation des Nations Unies

Der Nationalrat hatte die Motion Stamm (svp, AG) zur Verbesserung der Kooperation bezüglich des Vollzugs von Freiheitsstrafen im Herkunftsland in der Frühjahrssession 2019 stillschweigend angenommen.
Erst in der Wintersession 2020 beschäftigte sich schliesslich der Ständerat mit der Motion. Die RK-SR hatte sich im Vorfeld der Session gegen die Motion ausgesprochen, da die Schweiz ohnehin bereits bestrebt sei, die Zusammenarbeit mit Staaten wie etwa Italien, Albanien und Bosnien Herzegowina zu verbessern, indem man diese zur Ratifikation des Zusatprotokolls zum Übereinkommen über die Überstellung verurteilter Personen bewege. Die Kommission konnte daher keinen zusätzlichen Gesetzgebungsbedarf erkennen, wie ihr Sprecher Daniel Jositsch (sp, ZH) dem Rat im Plenum mitteilte. Die anwesende Bundesrätin Karin Keller-Sutter merkte an, dass der Bundesrat die Motion in ihrer Stossrichtung unterstütze, er sie aber eigentlich als bereits umgesetzt erachte. Man arbeite so oder so daran, möglichst viele Überstellungen durchzuführen, weshalb der Bundesrat nichts dagegen hätte, wenn die Motion abgelehnt werden würde. Der Ständerat liess sich nicht zweimal bitten und verwarf die Motion mit 29 zu 7 Stimmen deutlich.

Strafvollzug im Ausland. Verstärkung der Kooperation mit umliengeden Ländern (Mo. 18.4369)

Im Dezember 2020 legte der Bundesrat in Erfüllung des Postulats Jositsch (sp, ZH) den Bericht zur Demokratisierung der Vereinten Nationen vor, der insbesondere der Frage nachging, ob innerhalb der UNO ein Demokratidefizit vorliege und wie ein solches vermindert werden könnte. Des Weiteren hatte Ständerat Jositsch den Bundesrat damit beauftragt zu prüfen, ob die Schaffung einer parlamentarischen UNO-Versammlung zur Vertretung der Bevölkerung ein zweckmässiges Modell zur Problemlösung darstellen würde.
Der Bericht untersuchte ein mögliches Demokratiedefizit unter verschiedenen Gesichtspunkten und kam zum Schluss, dass auf Basis des bewussten Verzichts auf die Demokratieanforderung der Regierungsform von Mitgliedstaaten, auch nicht-demokratische Staaten haben Zugang zur UNO, und die hohe Inklusivität und Transparenz der UNO kein Demokratiedefizit erkennbar sei. Damit erübrige sich auch die Frage nach Massnahmen zur Behebung eines solchen. Der Bundesrat sei aber der Auffassung, dass es hinsichtlich der Struktur und Arbeitsweise der UNO Reformbedarf gebe. UNO-Generalsekretär António Guterres habe 2017 eine umfassende Reformagenda verabschiedet, an deren Prozessen sich auch die Schweiz beteilige. Die Idee einer parlamentarischen Versammlung der UNO, analog zum schweizerischen Zweikammersystem, brächte gemäss Bericht Vorteile, aber auch Herausforderungen mit sich. Eine solche Versammlung würde zwar zu einem verbesserten politischen Dialog, einer Sensibilisierung für globale Probleme und einer engeren Kontrolle der internationalen Arbeit führen, jedoch wären grosse institutionelle Anpassungen notwendig. Primär müsste die UNO-Charta, je nach Kompetenzbereich dieser Kammer, geändert werden. Die Schaffung einer zweiten Kammer würde die UNO-Generalversammlung schwächen, was nicht im Interesse der Schweiz wäre, die als kleines Land ein überproportional gewichtetes Mitspracherecht geniesse. Auch die Wahl der Mitglieder, deren Anzahl und die Finanzierung dieser Kammer seien potenzielle Streitfragen, weshalb die praktische Umsetzung einer solchen Idee sehr ambitioniert wäre.

Démocratisation des Nations Unies

In der Wintersession 2020 nahm sich der Ständerat der Übernahme der Rechtsgrundlagen über die Einrichtung, den Betrieb und die Nutzung des SIS an, nachdem der Nationalrat diese abgelehnt hatte, was einem Nichteintreten gleichkam. Die Sprecherin der SIK-SR, Andrea Gmür-Schönenberger (cvp, LU), fasste zu Beginn der Diskussion die Ablehnungsgründe des Nationalrats zusammen. Dieser habe bemängelt, dass EU-Recht übernommen werden müsse und dass das Ausländerrecht verschärft würde. Ständerätin Gmür-Schönenberger machte diesbezüglich aber klar, dass die Schweiz als Schengen-Staat zur Übernahme verpflichtet sei und eine mangelhafte Umsetzung zum Ausschluss aus dem Schengen/Dublin-Verband führen könne. Die SIK-SR anerkenne die wichtige Rolle der SIS bei der Kontrolle der Schengen-Aussengrenzen und befürworte daher die verstärkte Zusammenarbeit der europäischen Sicherheits- und Migrationsbehörden. Dennoch habe die Kommission drei Änderungsanträge eingebracht: die Richtlinie soll nicht auf die Anordnung und den Vollzug der Landesverweisung angewendet werden; es sollen Ausnahmen bei der Lieferung von biometrischen Daten möglich sein und durch zusätzliche Bestimmungen soll die Aufsichtsfunktion des EDÖB und die Zusammenarbeit mit kantonalen und europäischen Stellen verbessert werden. Werner Salzmann (svp, BE) zeigte sich zufrieden damit, dass die Schweiz es sich explizit vorbehalte, kriminelle Drittstaatsangehörige in «souveräner Art und Weise auszuschaffen», unabhängig von der Entwicklung der EU-Rückführungsrichtlinie. Für Salzmann habe die Vorlage mit dieser Änderung gute Chancen im Nationalrat. Auch Daniel Jositsch (sp, ZH) war zuversichtlich, dass der Nationalrat aufgrund der Anpassungen hinsichtlich der Koordination im Bereich des Datenschutzes keinen Widerstand mehr leisten würde. Bundesrätin Karin Keller-Sutter betonte, dass das SIS an die neuen Herausforderungen in den Bereichen Migration und innere Sicherheit angepasst werden soll. Eine verstärkte europäische Zusammenarbeit sei notwendig, was nicht zuletzt die Terroranschläge in Paris 2015 gezeigt hätten. Mit der Zustimmung zu den Verpflichtungskrediten zur Weiterentwicklung des Schengen/Dublin-Besitzstandes habe das Parlament bereits die finanziellen Grundlagen für das Projekt geschaffen. Sie verdeutlichte aber auch, dass man aus dem Schengen-Verbund ausscheiden würde, wenn die gesetzlichen Anpassungen nicht vorgenommen würden. Daher bat sie die Räte darum, das Differenzbereinigungsverfahren und die Schlussabstimmung bereits in der laufenden Wintersession durchzuführen. Der Ständerat nahm die Änderung des BGIAA mit 40 Stimmen (bei 1 Enthaltung) ohne Gegenstimmen an. Auch die Übernahme der Rechtsgrundlagen für die Einrichtung, den Betrieb und die Nutzung des SIS wurde inklusive der drei genannten Änderungen mit 41 Stimmen (bei 1 Enthaltung) angenommen. Abgelehnt wurde – mit 31 zu 11 Stimmen – hingegen ein Antrag der Minderheit Vara (gp, NE), die eine Bestimmung streichen lassen wollte, wonach das SEM Einreiseverbote verfügen kann, wenn die gesuchstellende Person vorgängig Sozialkosten verursacht hat, auch wenn diese Sozialleistungen berechtigterweise beantragt worden waren. Kommissionssprecherin Gmür-Schönenberger relativierte, dass diese Kann-Bestimmung bereits bestehe und nicht durch die vorliegende Vorlage verändert werde.

Weiterentwicklung des Schengen-Besitzstandes: Schengener Informationssystem

Im September 2020 veröffentlichte der Bundesrat den Bericht in Erfüllung des Postulats der APK-SR, um aufzuzeigen wie der Bundesrat das Parlament während des Einsitzes der Schweiz im UNO-Sicherheitsrat einbeziehen wird. 2011 hatte der Bundesrat beschlossen die Kandidatur für ein nichtständiges Mandat im Sicherheitsrat 2023/24 einzureichen, die Wahlen dafür finden im Juni 2022 statt. Der Bericht hielt fest, dass die Beteiligung des Parlaments an der Gestaltung der Aussenpolitik in der Verfassung verankert, die operative Führung ebenjener aber Aufgabe des Bundesrats sei. Obwohl das Parlament an der Willensbildung zu aussenpolitischen Grundsatzfragen und bei wichtigen Entscheiden mitwirken könne, bringe dies ausser bei völkerrechtlichen Verträgen kein Mitentscheidungsrecht mit sich. Die für die Aussenpolitik zuständigen Kommissionen und der Bundesrat stünden, wie im Parlamentsgesetz vorgesehen, im gegenseitigen Meinungsaustausch. Der Bundesrat informiere die Kommissionen jeweils frühzeitig über wichtige aussenpolitische Entwicklungen. Diese werden aber nur konsultiert, wenn das Kriterium der Wesentlichkeit erfüllt ist, namentlich wenn die Umsetzung von Empfehlungen internationaler Organisation den Erlass oder eine wesentliche Änderung eines Bundesgesetzes nötig machen oder der Verzicht der Umsetzung negative wirtschaftliche oder anderweitig gravierende Konsequenzen für die Schweiz hätte. Der Bundesrat habe das Parlament vor dem Einreichen der Kandidatur für den Sicherheitsrat 2011 konsultiert, die Positionierung in multilateralen Gremien obliege gemäss verfassungsmässiger Kompetenzordnung im Folgenden aber dem Bundesrat. Im Sinne des Postulats schlug der Bundesrat vor, das Parlament via APK mündlich oder schriftlich zu informieren; die Grundsatzpositionen vor der Einsitznahme zukommen zu lassen; die beiden Kommissionen zu den Prioritäten der Schweiz im Sicherheitsrat zu konsultieren und das APK-Präsidium bei wesentlichen und dringlichen Umständen zu konsultieren. Darüber hinaus zeigte sich der Bundesrat auch für weitere Massnahmen offen, wie der Entsendung einer/eines Mitarbeitenden der Parlamentsdienste oder Informationsreisen von APK-Mitgliedern nach New York, solange dabei die aussenpolitische Handlungsfähigkeit gewährleistet bleibe.
Eine weitere Option, die Schaffung einer parlamentarischen UNO-Delegation, wurde hingegen nicht weiter verfolgt. Diese hatte der Bundesrat bereits in seiner Stellungnahme zum Postulat Jositsch (sp, ZH; Po. 18.4111) als sehr ambitioniert bezeichnet. Es bedürfte einer breiten internationalen Unterstützung für deren Umsetzung, weshalb sie bis 2023 kaum realisierbar wäre.

Schweizer Sitz im Uno Sicherheitsrat (Po. 19.3967)
Dossier: Mandat de la Suisse au Conseil de sécurité de l'ONU

Le 13 mars 2019, le Conseil des Etats a adopté le postulat déposé par Daniel Jositsch (ps, ZH) en faveur d'une démocratisation des Nations Unies. Par son intervention, le sénateur zurichois invite ainsi le Conseil fédéral à se pencher sur la question d'un éventuel problème de légitimité démocratique au sein de l'ONU et, le cas échéant, à envisager des solutions afin d'y remédier. Selon le socialiste, le modèle de fonctionnement des Nations Unies, hérité des lendemains de la Seconde Guerre mondiale, n'est plus adapté au monde d'aujourd'hui. «Les rapports de force ont évolué, et le droit de veto n'a plus toujours sa raison d'être.» Daniel Jositsch se réfère également à la recommandation du Parlement européen qui, adoptée en juillet 2018 à l'intention du Conseil de l'ONU, plaide pour la mise en place d'une assemblée parlementaire onusienne inspirée du modèle helvétique.
Le Conseil fédéral s'était auparavant également exprimé en faveur de l'acceptation du postulat Jositsch.

Démocratisation des Nations Unies

Nachdem die Motion «Die UNO untergräbt das Fundament unserer Rechtsordnung» von Dick Marty (fdp, TI) 2010 angenommen worden war, beantragten die Aussenpolitischen Kommissionen beider Räte in der Herbstsession 2013 eine Fristverlängerung um ein Jahr. Nationalrat Marty hatte vom Bundesrat verlangt, dem UNO-Sicherheitsrat mitzuteilen, dass die Schweiz die Sanktionen, die gegen natürliche Personen im Rahmen der Terrorbekämpfung beschlossen werden, nicht mehr umsetzen werde. Die Grundrechte derartiger Personen würden ansonsten stark eingeschränkt, ohne dass die Betroffenen ein Einsichts- oder Rekursrecht hätten. Laut Kommissionssprecherin Keller-Sutter (fdp, SG) sei die APK-SR zum Schluss gekommen, dass das Anliegen der Motion aufrecht erhalten werden müsse, auch wenn bereits Veränderungen am Sanktionensystem des UNO-Sicherheitsrats vorgenommen worden seien. Diesem Antrag kamen beide Kammern stillschweigend nach, womit die Motion ein weiteres Jahr ihre Gültigkeit behielt.

In den darauffolgenden Jahren wiederholten sich derartige Verlängerungsanträge aufgrund der anhaltenden Relevanz des Themas sowohl im National-, wie auch im Ständerat. In der Herbstsession 2016 begründete Daniel Jositsch (sp, ZH) den erneuten Antrag der APK-SR damit, dass die Kommission die Stossrichtung der Motion zwar für richtig empfinde, die vorgeschlagene Massnahme aber nicht «der Weisheit letzter Schluss» sei und deshalb eine vertiefte Auseinandersetzung nötig sei.

In der Frühjahrssession 2019 wurde die Behandlungsfrist des Geschäfts erneut von beiden Räten verlängert. Ständerat Filippo Lombardi (cvp, TI) hob im Namen der APK-SR die Erfolge der Motion hervor, insbesondere die Schaffung des Büros der Ombudsperson im Jahr 2009. Dadurch wurde es Personen, welche auf einer schwarzen Liste stehen, möglich, ein Gesuch um Streichung einzureichen. Laut Lombardi wolle man sich weiterhin für die Effizienz und die Legitimität aller UNO-Sanktionsregime einsetzen und benötige daher mehr Zeit.

Non-application des sanctions de l'ONU dans le cadre de la lutte contre le terrorisme (Mo. 09.3719)