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Kurz nachdem das Parlament die Schaffung der Überbrückungsleistungen verabschiedet hatte, gaben verschiedene SVP-Parlamentarierinnen und Parlamentarier aus Nationalrat, Ständerat und dem Zürcher Kantonsrat im Juli 2020 bekannt, dass sie als Komitee «Nein zur Entlassungsrente» das Referendum gegen die neue Sozialleistung ergreifen werden. Die ÜL überdecke die bestehenden Probleme, sie löse sie aber nicht, betonte etwa der Thurgauer Nationalrat Manuel Strupler (svp, TG). Es sei überdies ihre Pflicht, dem Volk diese Entscheidung zu ermöglichen, zumal die ÜL zur Bekämpfung der Begrenzungsinitiative im Schnellzugstempo geschaffen worden sei. Zudem stehe das Vorhaben der Erhöhung des Rentenalters «diametral entgegen», kritisierte Ständerat Jakob Stark (svp, TG). Das Gesetz setze falsche Anreize, ergänzte die Obwaldner Nationalrätin Monika Rüegger (svp, OW), da es dadurch zukünftig für die Unternehmen einfacher werde, ältere Leute zu entlassen. Anstelle der Überbrückungsrente forderte der Walliser Nationalrat Jean-Luc Addor (svp, VS) eine Begrenzung der Masseneinwanderung.
Die Medien berichteten des Weiteren, die SVP wolle sich nicht aktiv am Komitee beteiligen, da sie mit der Begrenzungsinitiative beschäftigt sei und anderen Referenden den Vorzug gebe. Im Oktober 2020 gab das Komitee bekannt, dass das Referendum gescheitert sei. Man habe 48'400 der nötigen 50'000 Unterschriften zusammenbekommen, wobei die Unterschriftensammlung durch die Corona-Massnahmen, z.B. durch die fehlenden Messen und Märkte, deutlich erschwert worden sei.

Überbrückungsleistung für ältere Arbeitslose (BRG 19.051)
Dossier: Situation des travailleurs âgés sur le marché du travail

Am 17. September 2018 lancierte das Referendumskomitee seine Kampagne gegen das Gesetz über die Grundlage der Überwachung von Versicherten vor dem Hauptsitz der CSS-Krankenversicherung in Bern. Ziel dieser Aktion sei gemäss Komitee, den Fokus der Diskussion auch auf die Krankenkassen zu lenken. Da alle Bürger krankenversichert seien, könnten sie alle zukünftig einmal ins Visier der Sozialdetektive geraten, argumentierte Dimitri Rougy vom Referendumskomitee. Dass das neue Gesetz – entgegen deren Erklärungen – für die Krankenkassen wichtig sei, zeige das starke Lobbying, das sie diesbezüglich in Bern betrieben hätten. Dieser Darstellung widersprach die CSS: Observationen spielten für sie jetzt und auch zukünftig bei der Missbrauchsbekämpfung keine Rolle, erklärte CSS-Sprecherin Christina Wettstein.
Noch während der Abstimmungskampagnen präsentierte der Bundesrat seine Verordnung zur Anforderung an die mit der Überwachung betrauten Personen. Diese müssten über eine Bewilligung des BSV verfügen, in den letzten 10 Jahren nicht für ein mit der Überwachung zusammenhängendes Delikt verurteilt worden sein, über eine Polizeiausbildung oder gleichwertige Ausbildung, dazu zählt auch eine Ausbildung an einer Detektivschule, sowie über ausreichende Rechtskenntnisse verfügen und mindestens zwei Jahre Berufserfahrung in der Personenüberwachung haben. Zudem soll das BSV ein Verzeichnis über die entsprechenden Personen führen. Dies sei zwar besser als gar keine Regelung, erklärte Silvia Schenker (sp, BS) als Mitglied des Referendumskomitees, löse aber das Grundproblem der Überwachung nicht.
In der Folge versuchten die Referendumsführenden klar zu machen, dass es ihnen nicht in erster Linie darum gehe, Observationen zu verhindern. Diese dürften aber nicht willkürlich erfolgen, sondern müssten auf einer sorgfältig ausgearbeiteten gesetzlichen Grundlage beruhen. Eine solche stelle das neue Gesetz aber nicht dar, da zu viele Punkte unklar seien. Zudem gingen die Möglichkeiten, welche die Versicherungen erhielten, viel zu weit. Man würde damit «mit Kanonen auf Spatzen […] schiessen», betonte Anne Seydoux (cvp, JU). Erstere Kritik unterstützte auch ein bürgerliches Komitee, vor allem bestehend aus Jungen Grünliberalen sowie teilweise aus Jungfreisinnigen. Unterstützt wurden sie von einigen Kantonalsektionen, etwa der GLP Neuenburg oder der CVP Jura, CVP Neuenburg und CVP Genf. Offiziell bekämpft wurde die Vorlage schliesslich von SP, Grünen und Grünliberalen, Letztere entschieden sich aber mit 67 zu 61 Stimmen nur knapp und gegen den Willen des Parteivorstands gegen das Gesetz. Unterstützung in den Medien erhielten die Komitees während des Abstimmungskampfes auch von einem Teil des Verbandes Schweizerischer Polizeibeamter (VSPB): Die Hälfte der Verbandsmitglieder, die an einer entsprechenden Befragung teilgenommen hätten, lehne das neue Gesetz ebenfalls ab, weil Privatdetektive verglichen mit den Strafverfolgungsbehörden zu viele Kompetenzen erhielten, berichteten die Medien.
Auf der anderen Seite betonten die Befürworterinnen und Befürworter des neuen Gesetzes, zu dem unter anderem die SVP, FDP, CVP, BDP und EDU sowie zum Beispiel der Gewerbeverband, der Arbeitgeberverband und der Versicherungsverband zählten, dessen Wichtigkeit für die Sozialversicherungen. Einerseits sei eine konsequente Verfolgung von Missbrauch für das Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger in die Sozialversicherungen zentral, andererseits könnten so Kosten gespart werden, wodurch mehr Geld für die tatsächlich Berechtigten übrigbliebe. Um letzteren Punkt zu verdeutlichen, führten die Befürwortenden des Gesetzes an, wie viele unrechtmässig bezogenen Leistungen durch die Observationen gespart werden können. Alleine zwischen 2009 und 2016 habe die IV gemäss Zahlen des BSV wegen festgestellten Missbräuchen in etwa 2000 Fällen pro Jahr insgesamt Renten in der Höhe von CHF 1.2 Mrd. eingespart. Jährlich seien 220 Fälle mithilfe von Observationen durchgeführt worden, wobei sich der Verdacht in der Hälfte der Fälle bestätigt habe. Der momentane Überwachungsstopp erschwere den entsprechenden Stellen hingegen die Überführung von Betrügerinnen und Betrügern. So erklärte die IV-Stelle Bern, dass sie im ersten Halbjahr 2018 nur halb so viele Fälle unrechtmässig bezogener Leistungen festgestellt habe wie im ersten Halbjahr 2017. Keine entsprechende Einschätzung abgeben wollte jedoch zum Beispiel die IV-Stelle des Kantons Aargau, die SVA Aargau, da aufgrund der langen Dauer der Überwachungen zu Beginn des Untersuchungszeitraums noch Observationen eingesetzt worden seien. Auch Silvia Schenker kritisierte entsprechende Aussagen als reine Spekulation, da nicht nachgewiesen werden könne, ob die Unterschiede tatsächlich auf die fehlenden Observationen zurückzuführen seien.

Ungewohnt grosse Aufmerksamkeit erhielt im Rahmen des Abstimmungskampfes das Abstimmungsbüchlein. Das Referendumskomitee kritisierte in den Medien die Informationspolitik des Bundesrates im Abstimmungsbüchlein deutlich. Letzteres sei fehlerhaft, so dass die freie Meinungsbildung nicht mehr gewährleistet sei. Beanstandet wurde insbesondere, dass das neue Gesetz durch Aussagen, wonach dieses keine Möglichkeiten schaffe, in Wohn- und Schlafzimmern zu filmen, und wonach Richtmikrofone und Wanzen nicht erlaubt seien, verharmlost werde. Dem widersprach die Bundeskanzlei und erklärte, man habe die Grundsätze der Sachlichkeit, Transparenz und Verhältnismässigkeit eingehalten. In der Folge versuchte das Komitee, den Versand des Abstimmungsbüchlein durch eine Abstimmungsbeschwerde beim Kanton Zürich und anschliessend beim Bundesgericht zu verhindern. Das Bundesgericht wies hingegen den Antrag auf Versandstopp ab. Ein solcher sei nicht gerechtfertigt, weil auch zwei weitere Vorlagen Ende November 2018 zur Abstimmung kämen. Inhaltlich entschied es jedoch zu diesem Zeitpunkt noch nicht.
Etwa drei Wochen vor dem Urnengang wurde schliesslich publik, dass die Zahlen des BSV zur Anzahl Observationen bei der IV nicht korrekt waren. So wäre etwa der Kanton Freiburg mit knapp 4 Prozent der Schweizer Bevölkerung für 30 Prozent aller Observationen verantwortlich gewesen; statt 70 Observationen, wie sie das BSV aufführte, hätten in demselben Zeitraum in Freiburg jedoch nur 8 Observationen stattgefunden, erklärte dann auch der Direktor der kantonalen Sozialversicherungsanstalt. Auch in Bern und in Basel-Landschaft waren die Zahlen falsch. Diese Fehler hatten Auswirkungen auf die Höhe der Einsparungen durch die Observationen, die von der Anzahl Observationen abhängt. In der Folge musste die Bundeskanzlei die im Abstimmungsbüchlein gedruckten Zahlen korrigieren: Jährlich komme es bei der IV von 2'400 Fällen, in denen Verdacht auf Sozialversicherungsbetrug bestehe, in 150 Fällen zu Observationen, nicht in 220 Fällen wie ursprünglich erklärt. Da das Abstimmungsbüchlein zu diesem Zeitpunkt bereits gedruckt und verschickt war, korrigierte der Bund die Zahlen nur in der elektronischen Fassung. Dies könne womöglich rechtliche Folgen – bis hin zur Ungültigerklärung der Abstimmung – haben, spekulierten die Medien.
Kurze Zeit später wurde ein weiterer Fehler im Abstimmungsbüchlein publik. So berichtigte die GPK-NR eine Angabe in einer Tabelle, wonach der Nachrichtendienst zum Beispiel Telefonüberwachungen zur Bekämpfung von «Terrorismus und gewalttätigem Extremismus» einsetzen könne. Dies stimme nur für Terrorismus, gegen gewalttätigen Extremismus, zum Beispiel gegen Links- oder Rechtsradikale, könne der Nachrichtendienst keine Telefonüberwachung einsetzen. Relevant war dieser Aspekt vor allem, weil die Gegnerinnen und Gegner der Vorlage argumentierten, die Sozialversicherungen erhielten weitergehende Kompetenzen als Polizei oder Nachrichtendienst – was die Befürworterinnen und Befürworter bestritten.
Nicht nur das Abstimmungsbüchlein, auch die Zahlen bezüglich der Observationen, die der Schweizerische Versicherungsverband (SSV) publizierte, erwiesen sich kurz darauf als unvollständig. Der Verband sprach von 100 Fällen von Observationen pro Jahr und erklärte, das «Mittel der Observation [werde] zurückhaltend, aber effizient eingesetzt». Dabei führte er jedoch nur die Observationen zum obligatorischen Bereich der Unfallversicherung, nicht aber diejenigen von anderen Versicherungen (z.B. Zusatzversicherungen, Krankentaggeldversicherungen, Haftpflichtversicherungen) auf, bei denen Überwachungen deutlich häufiger eingesetzt werden, die jedoch das neue Gesetz nicht betraf.

Die Medien publizierten während des Abstimmungskampfes mehrmals Geschichten, welche unrechtmässige Bezüge von Sozialversicherungsgeldern thematisierten. So veröffentlichte etwa das Bundesgericht Mitte Oktober 2018 ein Urteil zu einer Person, die wegen Sozialversicherungsbetrugs ihren Rentenanspruch verlor (9C_221/2018). Auch ein Bericht in der «Rundschau» sowie Überwachungsvideos von Betrügern, die der Präsident der Konferenz der kantonalen Ausgleichskassen, Andreas Dummermuth, veröffentlichte, wurden von den Medien aufgenommenen. Andererseits kamen auch Personen zu Wort, welche zu Unrecht observiert worden waren, und im Zusammenhang damit wurden auch die Folgen von solchen Überwachungen beleuchtet. So könnten diese bei den Überwachten seelische Spuren bis hin zu psychischen Beschwerden und dem Gefühl des Überwachtwerdens hinterlassen und bestehende psychische Erkrankungen noch verstärken, erklärte die Psychiaterin Maria Cerletti gegenüber dem Blick. Dabei wirke nicht nur die Überwachung selbst schädlich, sondern bereits das Wissen, dass man überwacht werden könnte.

Deutliche Vorzeichen für den Abstimmungssonntag lieferten die Vorumfragen. Die verschiedenen Wellen der Tamedia-Umfrage zeigten konstant einen Ja-Stimmenanteil von ungefähr zwei Dritteln der Stimmen (1. Welle: 67% Jastimmen, 30% Neinstimmen, 2. Welle: 68% Jastimmen, 30% Neinstimmen, 3. Welle: 67% Jastimmen, 32% Neinstimmen), die zwei Wellen der SRG-Umfrage durch gfs.bern machten Ja-Mehrheiten von 57 respektive 59 Prozent aus. Ob der relativ klaren Ausgangslage begannen sich die Medien gegen Ende des Abstimmungskampfes für die Frage zu interessieren, was bei einer Bestätigung des Gesetzes durch das Volk geschehe. So bestehe durchaus die Möglichkeit, dass der EGMR in Strassburg auch das neue Gesetz beanstande, weil dieses verschiedene Anforderungen des Urteils von 2016 nicht erfülle. Zum Beispiel seien die Regelungen bezüglich der anordnenden, durchführenden und überwachenden Einheiten sowie die Art und Weise der Überwachung zu unpräzise formuliert, erklärte etwa Kurt Pärli, Professor für Soziales Privatrecht der Universität Basel, ebenfalls gegenüber dem Blick.

Am 25. November 2018 fiel das Abstimmungsergebnis ähnlich deutlich aus, wie die Umfragen zuvor angekündigt hatten. Mit 64.7 Prozent bei einer Stimmbeteiligung von 48.4 Prozent sprachen sich die Stimmbürgerinnen und Stimmbürger für das Gesetz zur Überwachung der Versicherten aus. Am höchsten lag die Zustimmung in den Kantonen Appenzell-Innerrhoden (81.2%), Nidwalden (78.0%), Obwalden (76.4%) und Schwyz (76.4%), abgelehnt wurde es in den Kantonen Jura (48.6%) und Genf (41.4%). Neben deutlichen sprachregionalen Unterschieden – in der Deutschschweiz lag die Zustimmung gemäss einer Auswertung des BFS durchschnittlich um fast 18 Prozentpunkte höher als in der Romandie, aber um etwa 2 Prozentpunkte tiefer als in der italienischsprachigen Schweiz – zeigten sich auch grosse Differenzen zwischen städtischen und ländlichen Regionen: Hier betrugen die Differenzen 15.7 Prozentpunkte in der Deutschschweiz und 11.3 Prozentpunkte in der Romandie. Lediglich in der italienischsprachigen Schweiz stimmten die Stadt- und die Landbevölkerung ähnlich (2.4 Prozentpunkte Unterschied). Unterschiede zeigten sich gemäss der Nachabstimmungsbefragung Voto auch zwischen den Altersgruppen: Personen zwischen 18 und 29 Jahren stimmten der Vorlage nur zu 42 Prozent zu, alle übrigen Altersgruppen wiesen Zustimmungsraten zwischen 60 und 76 Prozent auf. Ähnlich wie zuvor die Tamedia-Nachbefragung zeigte auch Voto auf, dass die Sympathisantinnen und Sympathisanten der Grünen (Voto: 24%, Tamedia: 22%) dem neuen Gesetz deutlich kritischer gegenüberstanden als diejenigen der SP (Voto: 42%, Tamedia: 38%). Die Befürworterinnen und Befürworter zielten gemäss Voto in erster Linie auf eine effektive Missbrauchsbekämpfung bei den Sozialversicherungen ab, die Gegnerinnen und Gegner bezogen sich in ihrer Argumentation insbesondere auf die Probleme der Vorlage bezüglich der Rechtsstaatlichkeit.

Das Ergebnis zeige, dass ohne schlagkräftige Organisation im Rücken zwar eine Abstimmung erzwungen, nicht aber gewonnen werden könne, urteilten die Medien. Mit «Die Grenzen der Bürgerbewegung» fasste das St. Galler Tagblatt die Vorlage zusammen. Auch die Initianten betonten, dass ihnen im Hinblick auf die «millionenschwere Kampagne der Versicherungsbranche» das notwendige Geld für einen Vollerfolg gefehlt habe. Einen Teil ihres Ziels hätten sie jedoch dadurch erreicht, dass durch verschiedene im Abstimmungskampf gemachte Äusserungen der Befürworterinnen und Befürworter persönlichkeitsrechtliche Aspekte hätten geklärt werden können, zum Beispiel die Frage von Filmaufnahmen aus Schlafzimmern. Daran müsse sich die Justiz orientieren, auch wenn diese nicht direkt in die Gesetzesauslegung einfliessen würden, betonte zum Beispiel Daniel Gerny in der NZZ.


Abstimmung vom 25. November 2018

Beteiligung: 48.4%
Ja: 1'667'849' (64.7%), Stände: 21
Nein: 909'172 (35.3%), Stände: 2

Parolen:
– Ja: BDP, CVP, EDU, FDP, SVP, Arbeitgeberverband, Gewerbeverband, Versicherungsverband
– Nein: GPS, GLP, PdA, SD, SP, Dachverband der Behindertenorganisationen, Gewerkschaftsbund, Pro Infirmis, Travailsuisse
– Stimmfreigabe: EVP
* in Klammern die Anzahl abweichender Kantonalsektionen

Parlament schafft eine gesetzliche Grundlage für die Überwachung von Versicherten (Pa. Iv. 16.479)
Dossier: Surveillance des assurés

Neben dem obligatorischen Referendum zur Zusatzfinanzierung der AHV durch eine Erhöhung der Mehrwertsteuer, kündigten verschiedene Gruppierungen, allen voran die Westschweizer Gewerkschaften, ihr Interesse an der Ergreifung eines fakultativen Referendums zur Reform der Altersvorsorge 2020 an. So seien mit der Erhöhung des Frauenrentenalters und der Senkung des Umwandlungssatzes zwei Änderungen enthalten, die man nicht akzeptieren könne. Nach kurzer Zeit wurde jedoch deutlich, dass die Westschweizer Gewerkschaften nicht auf eine breite Unterstützung hoffen konnten und das Referendum mehrheitlich alleine würden stemmen müssen. Unterstützt wurden sie lediglich von vereinzelten linken Organisationen, zum Beispiel von der Genfer SP-Kantonalsektion. Gegen Ende der Unterschriftensammlung engagierten sich auch die Zeitschriften K-Tipp und Saldo. Als Grund dafür gaben sie an, dass sie verhindern wollten, dass auf dem Stimmzettel ausschliesslich von der AHV die Rede sei und dadurch das vollständige Ausmass der Revision unterschätzt würde. Zwar kritisierten auch weitere linke Kreise die Vorlage, allen voran die Gewerkschaften, dennoch sprachen sich die Delegierten der Unia, von VPOD, des SGB sowie von Travai.Suisse knapp für die Reform aus. Dabei wurden die unterschiedlichen Positionen der Linken in der Deutsch- und Westschweiz deutlich. Um diese verschiedenen Positionen zu vereinen, beschloss die SP eine Urabstimmung durchzuführen, bei der sich 90 Prozent der teilnehmenden SP-Mitglieder für die Reform aussprachen. Ungeachtet dieser Urabstimmung beschlossen die Juso kurze Zeit später die Nein-Parole und unterstützten das linke Referendumskomitee.

Gespalten zeigten sich wie bereits im Parlament auch die Bürgerlichen. FDP und SVP sowie breite Wirtschaftskreise inklusive Economiesuisse, dem Gewerbeverband und dem Arbeitgeberverband sprachen sich gegen die Reform aus, setzten dem linken Referendumskomitee jedoch kein bürgerliches Pendant entgegen. Unter dem Namen „Generationenallianz” bewarben sie aber gemeinsam die Ablehnung der Reform. Die anderen bürgerlichen Parteien, allen voran die CVP und BDP, warben für die Annahme der Vorlage. Unterstützt wurden sie von zahlreichen Westschweizer Verbänden, unter anderem vom Westschweizer Wirtschaftsverband Centre Patronal. Im Laufe der Kampagne sprachen sich unter anderem auch der Bauernverband, Eveline Widmer-Schlumpf als neue Präsidentin der Pro Senectute, Pro Senectute selbst sowie weitere Seniorenverbände für die Reform aus. Gespalten zeigten sich die Versicherungen: Während Helvetia und Axa Winterthur, der Pensionskassenverband Asip sowie der Verwaltungsratspräsident des AHV-Fonds die Reform befürworteten, hielten sich die anderen Versicherer bedeckt.

Da die Berichterstattung zur Vorlage nach dem Showdown im Parlament im März 2017 bis zum Abstimmungstermin im September 2017 nie wirklich abriss, beleuchteten die Medien jedes Detail der Vorlage und insbesondere des Abstimmungskampfes. So wurde ausführlich über die Positionen der verschiedenen Parteien, Verbände, Vereine und Interessengruppen, aber auch über einzelne Abweichler innerhalb der verschiedenen Akteursgruppen berichtet. Diskutiert wurden die Gefahr für die Reform durch das erforderliche Ständemehr sowie die Konsequenzen für die Reform, falls nur eine der beiden Vorlagen angenommen würde. Ausführlich beschrieben wurden die Aktivitäten der Jungparteien, die trotz geringem Budget mit viel Engagement versuchten, die jüngeren Stimmbürger zu mobilisieren und zu überzeugen. So engagierte sich zum Beispiel die Junge CVP mit einer eigenen Pro-Kampagne im Internet und mit Standaktionen, während die Jungfreisinnigen mit Aktionstagen, Plakaten und Videos für ein Nein warben. Zudem erhielten die Befürworter mit Ruth Dreifuss, Walter Andreas Müller und Beni Thurnheer prominente Unterstützung. Dieses Engagement ausserhalb des bezahlten Raums wurde auch durch eine Auswertung der Inseratekampagne durch Année Politique Suisse verdeutlicht. Diese ergab, dass Anzahl und Reichweite der Inserate zur Altersvorsorge entgegen der betont grossen Relevanz der Vorlage nur durchschnittlich gross waren, was die Komitees mit ihren knappen Budgets erklärten.

Ebenfalls sehr engagiert zeigte sich Bundesrat Berset, der nicht müde wurde, die Wichtigkeit der Reform zu betonen. Dieses starke Engagement vor allem auch in Zusammenhang mit seinen Warnungen vor den drastischen Folgen eines Neins brachten ihm jedoch viel Kritik ein. Hinzu kam eine breite Kritik am Abstimmungsbüchlein, das ausschliesslich die Referendumsführer, also die Westschweizer Gewerkschaften, zu Wort kommen liess, nicht aber die bürgerlichen Gegner der Vorlage. Grund dafür war, dass bei obligatorischen Referenden Minderheitenpositionen keine eigenen Seiten erhalten und bei fakultativen Referenden nur die Referendumskomitees. Darüber hinaus war vor allem inhaltliche Kritik am Abstimmungsbüchlein zu vernehmen, so seien die Darstellungen des Bundesrates fehlerhaft und unvollständig. Doch nicht nur zur Informationspolitik des Bundesrates, auch bezüglich der Argumentationen beider Lager wurden im Laufe der Kampagne vermehrt kritische Stimmen laut. Kritisiert wurde, dass beide Seiten nicht mit offenen Karten spielten und wichtige Argumente gezielt verschwiegen.

Inhaltlich drehte sich die Berichterstattung vor allem um die Frage, ob die AHV schneller in ernsthafte finanzielle Probleme gerate, wenn man die Reform annehme oder wenn man sie ablehne. Beide Seiten gaben zu, dass in Zukunft weitere Reformen nötig sein werden, uneinig war man sich jedoch darüber, bei welchem Abstimmungsergebnis dies dringender der Fall sei. Auch bezüglich den Gewinnern und Verlierern der Reform war man sich uneins. Sowohl Befürworter als auch Gegner betonten, dass alleine ihre Position die Situation der Jungen und der Frauen verbessern würde.

Aufgrund der knappen, ungewöhnlichen Ausgangslage mit Spaltungen innerhalb der linken und bürgerlichen Parteien war schliesslich unklar, welches Lager tendenziell in Führung lag. Wirklich Licht ins Dunkel konnten auch die Vorumfragen nicht bringen. Manchmal ergaben sie einen Vorsprung der Befürworter, manchmal der Gegner, aber grösstenteils machten sie relativ knappe Zwischenresultate zwischen den beiden Lagern aus. Entsprechend knapp gingen die Abstimmungen schliesslich auch aus. Mit 2357 Stimmen mehr bei 50.0 Prozent und 11 5/2 Standesstimmen lehnte das Stimmvolk die Mehrwertsteuererhöhung ab. Leicht deutlicher fiel die Entscheidung zur Reform der Altersvorsorge 2020 aus, die mit 52.7 Prozent abgelehnt wurde. Nach über zweijähriger Ausarbeitung der Reform wird das Parlament somit bei der Revision der Altersvorsorge von vorne beginnen müssen.


Abstimmung vom 24. September 2017

Zusatzfinanzierung der AHV durch eine Erhöhung der Mehrwertsteuer:
Beteiligung: 46.8%
Ja: 1`254`675 (50,0%) / Stände: 9 1/2
Nein: 1`257`032 (50,0%) / Stände: 11 5/2

Parolen:
-Ja: SP, Grüne, CVP, GLP, EVP, BDP, EDU
-Nein: SVP, FDP


Reform der Altersvorsorge 2020:
Beteiligung: 46,7%
Ja: 1`186`079 (47,3%)
Nein: 1`320`830 (52,7%)

Parolen:
-Ja: SP, Grüne, CVP, GLP, EVP, BDP
-Nein: SVP, FDP, EDU, PdA

Reform «Altervorsorge 2020» (BRG 14.088)
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Die Voto-Studie zur Abstimmung über die Volksinitiative „AHVplus: für eine starke AHV“ vom 25. September 2016, erstellt am Zentrum für Demokratie Aarau, erschien im November. Im Nachgang der Abstimmung waren 1’575 Stimmberechtigte zu ihrem Abstimmungsentscheid, ihren Motiven und weiteren Faktoren telefonisch befragt worden. Die Analyse ergab, dass insbesondere Zweifel an der Finanzierbarkeit der AHV-Erhöhung diese zu Fall gebracht hatten. Auch dass Argument, dass die bedürftigsten Rentnerinnen und Rentner nichts von der Erhöhung gehabt hätten, erwies sich als wichtig. Nichtsdestotrotz betonten die Befragten mehrheitlich ihre Sympathie für die AHV und erläuterten, diese biete die sicherste Altersvorsorge und sollte deswegen gegenüber der zweiten Säule gestärkt werden. Als massgeblich für den Urnenentscheid erwies sich dennoch die Parteibindung: Stimmende, welche mit der SP oder der grünen Partei sympathisieren, stimmten „AHVplus" mehrheitlich zu, während die Sympathisantinnen und Sympathisanten aller anderen Parteien das Anliegen mehrheitlich ablehnten. Am deutlichsten taten dies die Stimmenden mit FDP-Parteibindung. Sowohl bei der SVP als auch bei der SP wich rund ein Drittel der Anhängerinnen und Anhänger von der Parteiparole ab. Der im Vorfeld der Abstimmung oft heraufbeschworene Generationengraben manifestierte sich weniger akzentuiert als erwartet: Zwar legten die jungen Stimmberechtigten überwiegend ein Nein ein, auch bei älteren Stimmenden fand die Initiative jedoch keinen eindeutigen Zuspruch.

Volksinitiative „AHVplus: für eine starke AHV“

Auf Vorschlag der Bundeskanzlei legte der Bundesrat den Abstimmungstermin für die Volksinitiative „AHVplus: für eine starke AHV“ auf den 25. September 2016 fest. Er entsprach damit nicht dem Wunsch der bürgerlichen Parteien, die Initiative möglichst früh an die Urne zu bringen, damit diese vor der Beratung der Reform der Altersvorsorge 2020 durch den Nationalrat vom Tisch gewesen wäre. Die Kommissionssitzungen zur Reform fanden folglich vor der Volksabstimmung über die Initiative statt, die Plenardebatte begann am Tag nach dem Abstimmungssonntag.

Auf der Befürworterseite formierten sich nebst dem lancierenden Gewerkschaftsbund die SP und JUSO, die Grünen, sämtliche anderen Gewerkschaftsorganisationen sowie verschiedene, jedoch nicht alle Senioren- und Seniorinnenverbände. Wichtigstes Argument der Befürworter war der Umstand, dass die Entwicklung der AHV-Renten nicht mit jener der Löhne Schritt halten könne und gleichzeitig die Lebenskosten, insbesondere für Mieten und Krankenkassen, angestiegen seien, weshalb es eines Ausgleichs bedürfe. Dieser Ausgleich sei mittels der AHV, im Gegensatz zur zweiten Säule, günstig und effizient vorzunehmen. Bei den Pensionskassen sei in den nächsten Jahren dagegen mit Rentenkürzungen von 15 bis 20% zu rechnen, ein weiterer Grund für eine Aufstockung der ersten Säule. Die AHV bezeichneten die Befürworter und Befürworterinnen als nicht nur das gerechteste, sondern aufgrund des Umlageverfahrens auch das sicherste Sozialwerk. An einer Medienkonferenz Ende Juni lancierte das Pro-Komitee seine Kampagne und kündigte an, bis zum Abstimmungstag eine grosse Auswahl an niederschwelligen Anlässen durchzuführen, um eine breite Mobilisierung zu erreichen.

Auf der Gegnerseite fanden sich neben den Bundesbehörden die bürgerlichen Parteien SVP, FDP, CVP, EVP, GLP und BDP sowie die Wirtschaftsverbände (Arbeitgeberverband, Gewerbeverband, Economiesuisse und Bauernverband). Sie warnten, angesichts der demografischen Entwicklung führe die Initiative zu Mehrkosten in unverantwortlicher Höhe und stünde damit vollkommen quer zu den tatsächlichen Entwicklungen. Bis ins Jahr 2030 wäre demnach bei Annahme der Initiative die Finanzierungslücke in der AHV fast doppelt so gross, wie sie es gemäss dem aktuellen Szenario ist, was auf Kosten der jungen Beitragszahlerinnen und -zahler gehen werde. Die Situation der Rentnerinnen und Rentner mit den tiefsten Einkommen würden zudem durch die Initiative kaum verbessert, weil diese ohnehin durch Ergänzungsleistungen unterstützt werden, welche bei einer Anhebung der AHV entsprechend gesenkt würden. Die Erhöhung der AHV sei nicht notwendig, da diese mittels des Mischindex' laufend an die Teuerung und damit an die Lohnentwicklung angepasst würde, und die Aussage der Initiantinnen und Initanten, die Renten der zweiten Säule würden stark sinken und es gelte daher die erste Säule zu stärken, entspreche nicht den Tatsachen. Überhaupt sei eine Gesamtreform der Altersvorsorge angezeigt; punktuelle Massnahmen wie die von der Initiative angestrebte Erhöhung seien keine Lösung. Auch das Gegenkomitee kündigte beim Start der Kampagne eine Reihe von Aktionen an.

Am Umstand, dass nebst den Parteien sämtliche grossen und viele mittlere und kleine Berufs- und Interessenorganisationen zur Initiative Stellung bezogen, lässt sich die zugeschriebene Wichtigkeit der Vorlage ablesen. Dies hängt zweifellos mit der parallel zum Abstimmungskampf im Parlament weiter diskutierten Reform der Altersvorsorge zusammen, deren durch den Bundesrat vorgesehener fein austarierter Massnahmenmix durch eine Annahme der Initiative auf den Kopf gestellt würde.

Im Juli bezog Bundesrat Berset im Namen des Gesamtbundesrates Stellung zur Initiative. Er wies auf die Konsequenzen einer Annahme für die Reform der Altersvorsorge hin, insbesondere da die Rentenerhöhung bereits per Anfang 2018 eingeführt werden müsste, womit wenig Zeit für eine Anpassung der Reform bliebe. Das Defizit der AHV würde rasch ansteigen. Der sozialdemokratische Vorsteher des Innendepartements erklärte an der Medienkonferenz explizit, er habe die Initiative dem Bundesrat zur Ablehnung empfohlen. Damit stellte sich Berset einmal mehr gegen ein Anliegen seiner eigenen Partei, und wiederum erhielt er von den Medien und vielen politischen Akteuren ein gutes Zeugnis für seine Ausführung dieser Aufgabe.

Die erste Tamedia-Umfrage, publiziert Mitte August, zeigte eine Zustimmung von 60% für die Initiative. Dieser hohe Wert überraschte; insbesondere gaben neben den Anhängerinnen und Anhänger des linken Lagers auch SVP- und CVP-Wählende mehrheitlich an, für oder eher für die Initiative zu sein. Auch die erste SRG-Umfrage, eine Woche später publiziert, zeigte einen Ja-Trend, wenn auch weniger deutlich. Die Zustimmung geriet in der Folge ins Bröckeln, womit sich Ende August ein enges Rennen abzeichnete. Die Anzahl der Unentschlossenen blieb vergleichsweise hoch. Mitte September wies die Tamedia-Umfrage ein Gleichgewicht zwischen Befürwortern und Gegnern aus, während die SRG-Umfrage ein Nein vorhersagte. Erstere zeigte zudem einen deutlichen Altersgraben: Während jüngere Stimmbürgerinnen und Stimmbürger der Initiative klar kritisch gegenüberstanden, gaben ältere ebenso klar an, sie annehmen zu wollen. Angesichts der Übermacht älterer Stimmender an der Urne war deshalb vereinzelt der Begriff der „Gerontokratie" zu vernehmen.

Am 25. September 2016 legten schliesslich bei einer als durchschnittlich einzustufenden Stimmbeteiligung rund 41% der Stimmenden ein Ja, 59% ein Nein in die Urne. Nur in den Kantonen Jura, Neuenburg, Genf, Tessin und Waadt traf die Initiative auf Zustimmung, womit sich annähernd ein Röstigraben ergab. Besonders deutlich wurde die Initiative in ländlichen Gebieten der Deutschschweiz abgelehnt. Das Nein der Stimmbürgerinnen und Stimmbürger wurde im Allgemeinen als Anschub für die anstehende Rentendebatte gedeutet, wobei Uneinigkeit darüber herrschte, ob die Position der Linken dadurch geschwächt wurde.


Abstimmung vom 25. September 2016

Beteiligung: 43,13%
Ja: 921'375 (40,60%) / Stände: 5
Nein: 1'348'032 (59,40%) / Stände: 15 6/2

Parolen
– Ja: SP, GPS; SGB, Travail.Suisse
– Nein: SVP (1*), CVP, FDP, GLP, BDP, EVP; Economiesuisse, SGV, SAV
* In Klammern Anzahl abweichender Kantonalsektionen

Volksinitiative „AHVplus: für eine starke AHV“

Am 5. Juni 2016 stimmten die Schweizerinnen und Schweizer über die eidgenössische Volksinitiative „Für ein bedingungsloses Grundeinkommen“ ab. Bei einer Stimmbeteiligung von rund 47% lehnten 76,9% der Stimmenden die Initiative ab, 23,1% legten ein Ja ein. In allen Kantonen wurde das Anliegen deutlich abgelehnt, am deutlichsten im Kanton Appenzell Innerrhoden; nur in Basel Stadt, Genf, Neuenburg und im Jura gingen mehr als 30% Ja-Stimmen ein. Die klare Ablehnung erstaunte nicht. Im Gegenteil: Der Ja-Anteil von einem knappen Viertel wurde eher mit Überraschung aufgenommen. Verschiedene Zeitungen kommentierten, die Initiative sei zwar deutlich gescheitert, habe aber wichtige Fragen aufgeworfen. Das Initiativkomitee liess verlauten, die Initiative sei ihrer Zeit voraus gewesen, man werde an der Idee jedoch festhalten.


Abstimmung vom 5. Juni 2016

Beteiligung: 46,95%
Ja: 568'660 (23,1%) / Stände: 0
Nein: 1'897'528 (76,9%) / Stände: 20 6/2

Parolen:
– Ja: GPS
– Nein: BDP, CVP, EVP, FDP, GLP, SP (9), SVP; Eco, SGV
– Stimmfreigabe: Travail.Suisse
* in Klammern Anzahl abweichender Kantonalsektionen

Volksinitiative „Für ein bedingungsloses Grundeinkommen“

Der Abstimmungstermin für die Volksinitiative „Für ein bedingungsloses Grundeinkommen“ wurde auf den 5. Juni 2016 festgesetzt. Anfang März begannen die Initiantinnen und Initianten offiziell ihre Kampagne – erneut mit einer ausgesprochen medienwirksamen Aktion, wie sie bereits bei der Einreichung stattgefunden hatte. Dabei verteilten Aktivistinnen und Aktivisten am Zürcher Hauptbahnhof zur morgendlichen Stosszeit 1'000 mit Aufklebern versehene Zehnfrankenscheine an die Vorbeigehenden.
Die Lancierung der Kampagne stiess eine relativ intensive Medienberichterstattung über die Initiative und ihr Anliegen an, welche sich insbesondere um die Finanzierbarkeit eines allfälligen Grundeinkommens drehte, jedoch auch um die intellektuellen Ursprünge der Idee und die moralische Richtigkeit einer bedingungslosen Einkommenssicherung und der dazugehörigen Umverteilung durch den Staat. Der Begriff „Utopie" erlebte eine mediale Hochkonjunktur – auch die Mitglieder des Initiativkomitees verwiesen auf die Chancenlosigkeit ihres Anliegens an der Urne. Als prominentester Befürworter eines bedingungslosen Grundeinkommens trat der ehemalige Bundesratssprecher Oswald Sigg auf.

Volksinitiative „Für ein bedingungsloses Grundeinkommen“

In der Wintersession 2015 ging die Bundesratsbotschaft zur Volksinitiative „AHVplus: für eine starke AHV“ zur Beratung in den Nationalrat. Zu diesem relativ rasch auf die ständerätliche Beratung in der Sommersession folgenden Termin war es auf Druck der bürgerlichen Mehrheit in der SGK gekommen. Diese wollte die Initiative bereits im Sommer 2016 an die Urne bringen, um danach die Rentenreform 2020 unabhängig vom Volksbegehren beraten und Kompromisse zwischen den Parteien finden zu können. Aufgrund der aussergewöhnlich hohen Anzahl Wortmeldungen – neben den Fraktionssprecherinnen und -sprechern traten 49 Einzelsprecher auf – dauerte die Debatte in der grossen Kammer fast den ganzen Tag. Das dennoch äusserst geringe Medienecho dürfte als Hinweis darauf zu verstehen sein, dass im Nationalrat weitgehend die bereits im Ständerat geäusserten Argumentationslinien aufgegriffen wurden. Die SGK-NR empfahl die Initiative zur Ablehnung mit der Argumentation, diese sei aufgrund der notwendigen Beitragserhöhungen wirtschaftsfeindlich, und das aktuelle System mit einer Kombination aus AHV und EL funktioniere gut. Eine Minderheit Schenker (sp, BS) beantragte, die Initiative zur Annahme zu empfehlen. Die Minderheit verspricht sich von einer Rentenerhöhung insbesondere eine Unterstützung von Frauen und Personen ohne Pensionskassenrente, denen dadurch der oft als demütigend empfundene Gang aufs Sozialamt zur Beantragung von Ergänzungsleistungen erspart bliebe. Am Ende der Debatte erklärten die Nationalratsmitglieder die Volksinitiative stillschweigend für gültig. Die SP- und die Grüne Fraktion sprachen sich geschlossen für den Antrag der Minderheit auf Annahme des Begehrens aus, während alle anderen Fraktionen für den Antrag der Mehrheit stimmten. Die beiden Lega-Vertreter enthielten sich der Stimme. Damit resultierten 49 Stimmen für und 131 gegen die Initiative, bei zwei Enthaltungen.

Volksinitiative „AHVplus: für eine starke AHV“

In der Sommersession 2015 behandelte der Ständerat als Erstrat die Botschaft des Bundesrates zur Volksinitiative „AHVplus: für eine starke AHV. Das Anliegen des Schweizerischen Gewerkschaftsbundes stiess bei den Kantonsvertreterinnen und Kantonsvertretern auf wenig Zustimmung. Die Kommissionsmehrheit beantragte, dem Bundesrat zu folgen und die Initiative der Stimmbevölkerung zur Ablehnung zu empfehlen. Eine linke Minderheit Rechsteiner (sp, SG) beantragte, die Initiative zur Annahme zu empfehlen. Die Gegnerinnen und Gegner machten geltend, das Volksbegehren stehe vor dem Hintergrund der angespannten Situation der AHV, der anstehenden Rentenreform und der aktuell schwierigen Wirtschaftslage „quer in der Landschaft". Bereits eine langfristige Sicherung der AHV auf dem aktuellen Niveau sei eine Herausforderung. Eine Erhöhung aller Renten um zehn Prozent würde jährlich fünf bis sechs Milliarden Franken kosten, so die Kommissionssprecherin. Diese zusätzlichen finanziellen Mittel könnten nicht innerhalb nützlicher Frist beschafft werden, müsste doch die Rentenerhöhung gemäss dem Initiativtext spätestens ab dem zweiten Kalenderjahr nach Annahme der Initiative vorgenommen werden. Die Mehrausgaben würden bei der AHV zudem zu einem strukturellen Umlagedefizit führen, was die aktuellen und zukünftigen Erwerbstätigen belaste und den Generationenvertrag weiter strapaziere. Nicht zuletzt würden die finanzschwächsten Rentnerinnen und Rentner gar nicht von einer Erhöhung der AHV-Renten profitieren, da diese bei ihnen vollumfänglich durch eine entsprechende Senkung der Ergänzungsleistungen kompensiert werden würde. Wohlhabenderen Rentnern und Rentnerinnen, die grundsätzlich gar nicht auf eine Rente der ersten Säule angewiesen wären, würde die Volksinitiative dagegen zu einer Einkommenserhöhung verhelfen. Sprecherinnen und Sprecher der sozialdemokratischen Fraktion machten sich für das Volksbegehren stark. Minderheitssprecher Rechsteiner erklärte, seit der Einführung des Mischindex' zur Berechnung der AHV-Renten im Jahr 1980 habe sich aufgrund des Effekts der sogenannten kalten Degression ein Rückstand der Renten auf die Löhne von zehn Prozent aufgelaufen. Ziel der Initiative sei es, diese zehn Prozent auszugleichen, um den verfassungsmässigen Auftrag der AHV, zusammen mit der Pensionskasse eine angemessene Fortführung des bisherigen Lebensstandards zu garantieren, wieder zu erfüllen. Dies sei wichtig, weil die AHV für eine Mehrheit der Bevölkerung, und insbesondere für die Frauen, die wichtigste Säule der Altersvorsorge darstelle. Aufgrund dieses Verfassungsgrundsatzes könnten auch nicht die Ergänzungsleistungen anstelle der AHV ausgebaut werden. Das Verhältnis zwischen Rentenverbesserung – diese würde für Alleinstehende rund 200, für Ehepaare 350 Franken monatlich betragen – und Erhöhung der Lohnbeiträge sei bei der AHV zudem hervorragend. Eine Rentenerhöhung sei verkraftbar, denn die Finanzierung der AHV sei aufgrund der umfassenden Beitragspflicht bei gleichzeitig nach oben begrenzten Renten aussergewöhnlich solide. Dem Argument, Wohlhabende sollten keine Erhöhung der AHV-Rente erhalten, weil sie gar nicht auf die erste Säule angewiesen seien, hielt der SP-Ständerat ein Zitat des Alt-Bundesrates Tschudi entgegen: „Die Reichen brauchen die AHV nicht, aber die AHV braucht die Reichen." Auf hohe Einkommen würden hohe Beiträge bezahlt. Weitere Mitglieder der SP betonten, die Ergänzungsleistungen seien unter Druck geraten, weshalb es die AHV zu stärken gelte. Diese sei als Mittel zur Existenzsicherung gegenüber den nur auf Antrag ausbezahlten EL ohnehin vorzuziehen. Bezüglich der Finanzierung wurde angemerkt, auch die Initiative „gegen die Heiratsstrafe" der CVP würde zu einer Erhöhung des Rentenvolumens führen, die Mittepartei könne die Initiative also eigentlich nicht mit dem Argument der Finanzierbarkeit bekämpfen. Schliesslich, führten die Befürworter aus, sei die Initiative nicht als Opposition gegen das Projekt Altersvorsorge 2020 zu verstehen, wie bürgerliche Politiker dies darstellten. Vielmehr stehe sie komplementär zur Rentenreform. Man hätte sich deshalb eine Behandlung in derselben Session gewünscht, wozu es jedoch aufgrund strategischer Überlegungen der bürgerlichen Kommissionsmehrheit nicht gekommen sei. In der Schlussabstimmung erklärte die kleine Kammer die Volksinitiative stillschweigend für gültig; der Minderheitsantrag Rechsteiner unterlag gegen die ablehnende Kommissionsmehrheit mit 33 gegen 11 Stimmen bei einer Enthaltung.

Volksinitiative „AHVplus: für eine starke AHV“

Am 28. September 2014 stimmten Volk und Stände über die Volksinitiative "Für eine öffentliche Krankenkasse" ab. Umfragen im Vorfeld der Abstimmung deuteten auf eine relativ deutliche Ablehnung der Initiative hin, was sich an der Urne bestätigte: Bei einer Stimmbeteiligung von 46,7% wurde die Initiative mit bloss 38,2% Ja-Anteil verworfen. Alle Deutschschweizer Kantone und das Tessin legten ein Nein ein, in den Kantonen Neuenburg, Waadt, Jura und Genf wurde die Initiative dagegen angenommen, in Fribourg nur sehr knapp abgelehnt. Die Resultate offenbarten einen überaus deutlichen Röstigraben, der sich in Fribourg entlang der innerkantonalen Sprachgrenze zog. Die SP Schweiz als Abstimmungsverliererin kündigte an, in Zukunft auf Reformen des Krankenversicherungssystems hinarbeiten zu wollen, bei fehlendem politischen Willen aber auch eine erneute Volksinitiative in Betracht zu ziehen. Dagegen äusserten die Gesundheitsdirektoren der zustimmenden Westschweizer Kantone, die bereits im Abstimmungskampf gemeinsam als Befürworter aufgetreten waren, die Absicht, die Einrichtung kantonaler Einheitskassen zu prüfen. Auch die Einrichtung einer einzigen Westschweizer Einheitskasse wurde nicht ausgeschlossen. Allerdings bedarf die Einrichtung von Einheitskassen auf subnationaler Ebene einer Änderung des KVG und damit eines Beschlusses der Bundesversammlung, was an bestehenden Mehrheiten scheitern dürfte. Aus diesem Grund wurde auch die Idee geäussert, eine Volksinitiative zu lancieren, welche den Kantonen die Einrichtung eigener Einheitskassen erlaubt. Die VOX-Analyse, durchgeführt von der GfS Bern und der Universität Bern, zeigte schliesslich, dass ein klassischer Links-Rechts-Gegensatz das Abstimmungsresultat geprägt hatte und die Einstellung der Stimmenden zur Rolle des Staates von grosser Bedeutung gewesen war. Die Befürworterinnen und Befürworter der Initiative erhofften sich tiefere Prämien und drückten ihre Unzufriedenheit mit dem aktuellen System aus, während die Gegnerinnen und Gegner nicht an eine Prämiensenkung aufgrund der Einheitskasse glaubten. Sie befürchteten dagegen negative Konsequenzen aufgrund des fehlenden Wettbewerbs und eine Einschränkung der freien Arztwahl. Insgesamt nannte sowohl die befürwortende als auch die ablehnende Seite mehrheitlich rationale Stimmmotive.


Abstimmung vom 28. September 2014

Beteiligung: 46.7%
Ja: 933'012 (38.2%) / Stände: 4
Nein: 1'512'036 (61.8%) / Stände: 16 6/2

Parolen:
– Ja: SP, GPS, EVP, CSP; SGB, Travail.Suisse, VPOD.
– Nein: SVP, CVP (2*), FDP, BDP, GLP, Economiesuisse, SGV
– Stimmfreigabe: FMH, GDK
*In Klammer Anzahl abweichender Kantonalsektionen

Volksinitiative „für eine öffentliche Krankenkasse“ (BRG 13.079)
Dossier: Interventions pour des caisses-maladie uniques (depuis 1998)

Die politischen Kampagnen zur Abstimmung über die Volksinitiative „Für eine öffentliche Krankenkasse“ vom 28. September 2014 begannen schon bald nach der parlamentarischen Beratung in der Frühjahrsession und zogen sich mit grosser Intensität bis zum Abstimmungstermin hin. Die Argumentationslinien verliefen entlang denen in den Räten, wobei sich medial die häufige Beschäftigung der Bevölkerung mit dem Thema in ihrem Alltagsleben und gleichzeitig ein grosser Bedarf nach Faktenwissen abzeichneten. Zahllose Politikerinnen, Gesundheitsexperten, Kadermitglieder der Kassen und Journalistinnen äusserten sich in Interviews, Podien und Kolumnen. Auffallend stark mobilisierte das Thema in der Romandie, die sich bei Volksinitiativen mit ähnlichen Forderungen in der Vergangenheit bereits offener für einen Systemwechsel gezeigt hatte als die Deutschschweiz. Verschiedene Details gaben Anlass zu Diskussionen. So ortete zu Beginn der Kampagne das Gutachten eines St. Galler Rechtsprofessors, in Auftrag gegeben von der Initiativgegnerschaft, einen Fehler im Initiativtext: Da der Text kantonal einheitliche Prämien verlange, wären in Zukunft keine Rabatte für junge Erwachsene und insbesondere keine Kinderprämien mehr möglich. Auch Rabatte bei Hausarzt- oder Telemedizin-Modellen und bei hohen Franchisen wären laut dem Gutachten nicht mehr erlaubt. Die Initianten widersprachen: Es sei zu einer Unklarheit aufgrund ungenauer Übersetzung des ursprünglich in französischer Sprache eingereichten Initiativtexts durch die Bundeskanzlei gekommen. Bei genauer Übersetzung müsse es heissen: „Für jeden Kanton wird eine Prämie festgelegt“, während in der geltenden Übersetzung von einer „einheitlichen" Prämie die Rede ist. Auch die Höhe der durch die öffentliche Kasse realisierbaren Einsparungen sorgte für Diskussionsstoff. Während die Befürworter von einer Milliarde – mittel- bis langfristig gar von drei Milliarden – sprachen, hielten die Gegner dagegen, man könne höchstens von CHF 350 Mio. an Einsparungen im administrativen Bereich ausgehen, viel wahrscheinlicher jedoch von nur CHF 100 Mio. Bereits im Frühling 2013 hatte sich das Gegner-Komitee „Alliance Santé“ konstituiert, dem rund 100 Parlamentsmitglieder, Vertreter der Leistungserbringer, die beiden grossen Krankenversichererverbände Santésuisse und Curafutura, Patienten- und Konsumentenschutzverbände, der Versicherungs-, der Gewerbe- und der Bauernverband sowie der Pharmaverband Interpharma angehörten. Zwischen Juni und August 2014 formten sich zudem diverse kantonale Komitees. Die Ärzteschaft, der in Abstimmungen zum Gesundheitswesen ein grosser Einfluss zugeschrieben wird, bildete einen Spezialfall: Einige Verbände, unter ihnen der Verband der Assistenz- und Oberärztinnen und -ärzte, schlossen sich dem Ja-Komitee an, da sie sich von der Einheitskasse eine Minderung des eigenen administrativen Aufwands, mehr Zeit für die Patientinnen und Patienten und eine bessere Koordination der Behandlungen erhofften. Andere, darunter der Spitalverband H+, befürchteten ein Staatsmonopol in der Medizin mit allfälliger Leistungsrationierung und schlossen sich dem Nein-Lager an. Der Dachverband FMH beschloss aufgrund der internen Divergenzen schliesslich Stimmfreigabe. Seitens der Parteien beschlossen nebst der SP die Grünen, die EVP und die CSP die Ja-Parole, alle anderen grossen Parteien sprachen sich für ein Nein aus. Travail.Suisse schloss sich dem Ja-Lager an.
Einige Aufmerksamkeit erhielt die schwierige Rolle des Gesundheitsministers Berset, der im Abstimmungskampf das Nein des Bundesrates zur Initiative seiner eigenen Partei vertreten musste – eine Rolle, die er dem allgemeinen Tenor nach gut erfüllte. Deutlich umstrittener war die Rolle der Krankenversicherer im Abstimmungskampf. Durch ihre Verbände waren sie im Nein-Komitee vertreten und steuerten drei der fünf Millionen Franken zum Kampagnenbudget bei, viele engagierten sich aber auch direkt gegen die Volksinitiative. Bereits früh publizierten diverse Kassen in ihren auflagenstarken Kundenmagazinen Artikel gegen die öffentliche Krankenkasse oder boten in Interviews prominenten Mitgliedern des Nein-Lagers eine Plattform. Vom Initiativkomitee ernteten die Kassen damit umgehend Kritik: Sie würden das Gebot der objektiven, verhältnismässigen und zurückhaltenden Information krass verletzen, das für sie als mit öffentlichen Bundesaufgaben betraute Organe in gleicher Weise wie für staatliche Behörden gelte. Die Kassen hielten dagegen, sie würden auch befürwortenden Stimmen Platz in ihren Publikationen einräumen; zudem würden sie das Geschäft durch und durch kennen und hätten damit die Pflicht, über die Konsequenzen der Initiative zu informieren. Im Juli wurde im Kanton Bern eine Abstimmungsbeschwerde gegen sieben Kassen beim Regierungsrat eingereicht; diese hätten durch ihre nicht objektive und unsachliche Information in ihren Publikationen die Abstimmungsfreiheit verletzt. Der Beschwerdeführer wurde von der SP juristisch unterstützt. Wenige Tage darauf folgten Abstimmungsbeschwerden in den Kantonen Waadt, Genf, Basel-Stadt und Tessin. Allerdings stellte sich schnell heraus, dass die kantonalen Behörden nicht zuständig sind: Da die Beanstandungen kantonsübergreifende Aspekte betreffen, führe der Rechtsmittelweg direkt ans Bundesgericht, so die jeweiligen Antworten. Das daraufhin mit zwei Stimmrechtsbeschwerden angerufene oberste Gericht stellte knapp drei Wochen vor der Abstimmung fest, die Krankenkassen seien bei der vorliegenden Abstimmung nicht zur sonst erforderlichen Neutralität verpflichtet, da die Vorlage sie in qualifizierter Weise betreffe. Eine sachliche Argumentation und Zurückhaltung beim Einsatz von Werbemitteln und finanziellen Ressourcen könnten dennoch erwartet werden. Das Gericht zweifelte diese Sachlichkeit bei einzelnen Publikationen zwar an. Es führte aber aus, da der Abstimmungskampf intensiv geführt werde und auch das Ja-Lager ausreichend zu Wort käme, würden die Äusserungen der Krankenkassen das Abstimmungsergebnis nicht wesentlich beeinflussen. Auf diverse Punkte der Beschwerden war das Gericht gar nicht eingetreten, da diese als nicht ausreichend begründet angesehen wurden.

Volksinitiative „für eine öffentliche Krankenkasse“ (BRG 13.079)
Dossier: Interventions pour des caisses-maladie uniques (depuis 1998)

Im Berichtsjahr behandelten die Räte die Volksinitiative Abtreibungsfinanzierung ist Privatsache – Entlastung der Krankenversicherung durch Streichung der Kosten des Schwangerschaftsabbruchs aus der obligatorischen Grundversicherung“, welche der Bundesrat im Vorjahr zur Ablehnung empfohlen hatte. Während die Argumentation sowohl der Befürworter als auch der Gegner zwar mehrheitlich gesellschaftspolitischer Natur war, wurden dennoch auch die Auswirkungen auf die Krankenversicherung diskutiert. Die Einsparungen, so die Initiativgegner, seien aufgrund der tiefen Abtreibungsrate in der Schweiz minimal und würden rund CHF 8 Mio. jährlich betragen. Dies mache lediglich 0,03% der gesamten Gesundheitskosten aus, wobei die Tendenz noch sinkend sei. Die durch die Krankenversicherung zu tragenden Folgekosten möglicher illegaler Abtreibungen seien wahrscheinlich deutlich höher. Zudem würde ein guter Teil der Kosten bereits heute über Franchise und Selbstbehalt von den Versicherten selbst bezahlt. Weiter wurde geltend gemacht, die Initiative gefährde das Solidaritätsprinzip in der Krankenversicherung. Es sei zu befürchten, dass eine Nichtübernahme der Kosten von Abtreibungen in Zukunft Anlass sein könnte, auch die Behandlung anderer „selbst verschuldeter“ Krankheiten wie Diabetes bei stark Übergewichtigen oder Lungenkrebs bei Rauchern aus dem Leistungskatalog der Grundversicherungen zu streichen. Die Befürworter der Initiative argumentierten, die Kosten allfälliger Schwangerschaftsabbrüche könnten durch eine freiwillige Zusatzversicherung gedeckt werden. Beide Kammern folgten schliesslich der Empfehlung des Bundesrates und lehnten die Initiative ohne Gegenvorschlag ab. Die Volksabstimmung wurde für den 9. Februar 2014 angesetzt.

Abtreibungsfinanzierung ist Privatsache

Die im Vorjahr eingereichte Volksinitiative „für eine öffentliche Krankenkasse“ erregte im Berichtsjahr grosse Aufmerksamkeit auf dem politischen und medialen Parkett. Im Dezember 2012 hatten im Nationalrat alle vier bürgerlichen Fraktionen, sowie im Ständerat Urs Schwaller (cvp, FR) insgesamt fünf gleichlautende Motionen eingereicht, welche eine rasche Volksabstimmung über die Initiative ohne Gegenvorschlag verlangen. Zusammengezählt hatte über die Hälfte der Parlamentsmitglieder mindestens eine dieser Motionen unterschrieben. Trotzdem beschloss der Gesamtbundesrat im Februar des Berichtsjahres, einen Entwurf für einen indirekten Gegenvorschlag zur Einheitskassen-Initiative in die Vernehmlassung zu schicken. Dieser konzentriert sich auf die bereits zuvor angekündigten Elemente: Einen verfeinerten Risikoausgleich mit zusätzlichen Kriterien, eine Trennung von Grund- und Zusatzversicherung zur Verhinderung von Geld- und Informationsflüssen zwischen den beiden Bereichen innerhalb eines Versicherungsunternehmens und – zentral – die Einrichtung eines von allen Versicherern proportional zur Anzahl Versicherter gespiesenen Hochrisikopools für besonders teure Behandlungen. Als speziell umstritten stellte sich der letzte Punkt heraus. Bürgerliche Kreise, Krankenversicherer und Wirtschaftsverbände warfen dem Gesundheitsminister vor, mittels einer umfassenden Rückversicherung die „Einheitskasse light“ einführen zu wollen. Zudem wurde das Vorgehen Bersets und des bürgerlich dominierten Gesamtbundesrats, einen im Parlament offensichtlich chancenlosen Gegenvorschlag in die Vernehmlassung zu schicken, kritisiert. In der Frühjahrssession, als sich der Gesetzesentwurf also noch in der Vernehmlassung befand, behandelten die jeweiligen Ersträte die Motionen. Die Befürworter der Motionen argumentierten dabei primär inhaltlich. Die Initiative führe nicht zu einer Kostendämpfung, im Gegenteil entfalle mit der Konkurrenz unter den Kassen auch der Sparanreiz und der Anreiz für die Versicherten, mit den Leistungserbringern für die Patienten vorteilhafte Tarife auszuhandeln. Grundsätzlich sei ein derartig tiefer Eingriff in das liberal funktionierende Modell abzulehnen, weshalb auch ein Gegenvorschlag hinfällig sei. Die Initiative blockiere zudem den Weg für sinnvolle Reformen des Systems, weshalb sie mittels rascher Volksabstimmung möglichst schnell ad acta gelegt werden solle. Die Vorstossgegner indes, SP, Grüne und Grünliberale sowie Gesundheitsminister Berset, führten staatsrechtliche Vorbehalte gegen das Vorgehen der Motionäre an. In beiden Räten wurden die Motionen deutlich angenommen. Kurz nach Abschluss der Vernehmlassung bestätigten beide Kammern in der Sommersession ihre bereits geäusserte Haltung und überwiesen alle fünf Motionen. Auch in der Vernehmlassung stiess der indirekte Gegenvorschlag – trotz Zustimmung zu einzelnen Elementen – als Ganzes mehrheitlich auf Ablehnung. Insbesondere wurde die Einrichtung eines Hochrisikopools stark kritisiert.

Volksinitiative „für eine öffentliche Krankenkasse“ (BRG 13.079)
Dossier: Interventions pour des caisses-maladie uniques (depuis 1998)

Die Abstimmung über das fakultative Referendum gegen die Teilrevision des Krankenversicherungsgesetzes (Managed Care) wurde auf den 17. Juni angesetzt. Im Vorfeld der Abstimmung wurde die Vorlage heiss diskutiert. Die SP stellte sich mehrheitlich gegen ihren Bundesrat Berset, der bekannt gab, Managed Care auch aus persönlicher Überzeugung zu unterstützen. Die Gewerkschaften folgten der SP. Auch die SVP und die BDP beschlossen die Nein-Parole, obwohl sich beide Parteien im Parlament noch für die Revision ausgesprochen hatten. Das Nein-Komitee argumentierte primär, die Vorlage schränke die freie Arztwahl ein. Dazu fördere sie eine Zweiklassenmedizin, bringe Qualitätseinbussen mit sich und führe, entgegen den Versprechen, nicht zu Kosteneinsparungen. Das Ja-Komitee setzte sich aus Vertretern der CVP, der FDP-Liberalen, der Grünliberalen, der EVP sowie des Konsumentenschutzes zusammen. Die Befürworter versprachen sich von Managed Care eine kostengünstigere und besser koordinierte Gesundheitsversorgung. Die Grünen beschlossen Stimmfreigabe. Die Ärzteschaft zeigte sich gespalten: Während die FMH in einer durch die Spezialärzte dominierten Urabstimmung beschloss, das Referendum zu unterstützen, sprach sich der Verband Hausärzte Schweiz für die Vorlage aus. Annahme empfahl auch die Konferenz der kantonalen Gesundheitsdirektoren. Ebenso uneinig waren sich die verschiedenen Patientenschutzorganisationen. Die Fronten im Abstimmungskampf waren denn auch unübersichtlich. Viele Kantonalparteien wichen von den Positionen ihrer eidgenössischen Mutterparteien ab und verschiedene Akteure wechselten während des Kampagnenverlaufs gar die Seite. Im Verlaufe der Abstimmungskampagne wurde immer deutlicher, dass die Unterstützung für Managed Care schwand. Nachdem auch ein Teil der bürgerlichen Parteien, welche die Revision im Parlament noch begrüsst hatten, sich nun dagegen aussprachen, zeichnete sich in diversen Umfragen ein deutliches Nein ab.

Die Stimmbevölkerung kippt die Vorlage der KVG-Reform Managed Care nach langjähriger Arbeit an der Urne (BRG 04.062)
Dossier: 3. Révision partielle de la loi fédérale sur l'assurance-maladie (LAMal; 2004-2012)

Die 38.7% der Stimmbürgerinnen und -bürger, die von ihrem Stimmrecht Gebrauch machten, lehnten die Vorlage dann am 17. Juni tatsächlich wuchtig mit einer Mehrheit von 76% ab; kein einziger Kanton sprach sich dafür aus. Die VOX-Analyse ergab wenig überraschend, dass sich die Stimmenden bei dieser Abstimmung kaum an Parteiparolen orientiert hatten. Allgemein wurde die Vorlage als äusserst komplex empfunden. SVP- und SP-Sympathisanten folgten ihren Parteien mehrheitlich und legten ein Nein ein, Sympathisanten der befürwortenden Mitteparteien dagegen stellten sich gegen ihre Parteien und lehnten die Vorlage nicht weniger wuchtig ab. Frauen lehnten die Vorlage deutlich stärker ab als Männer, Angehörige eines Ärztenetzwerks weniger stark als Personen, welche keinem Ärztenetzwerk angehören, obwohl auch bei diesen die Ablehnung noch deutlich ausfiel. Als wichtigstes Argument für ein Nein wurde von den befragten Stimmbürgerinnen und Stimmbürgern die Angst vor dem Verlust der freien Arztwahl genannt.


Abstimmung vom 17. Juni 2012

Beteiligung: 38,7%
Ja: 466'993 (24,0%) / Stände: 0
Nein: 1'482'536 (76,0%) / Stände: 20 6/2

Parolen:
– Ja: FDP (3*), CVP (8*), EVP, GLP; eco.
– Nein: SP, SVP (3*), CSP, BDP (2*); SGB, TravS.
– Stimmfreigabe: GPS
* In Klammer Anzahl abweichender Kantonalsektionen

Die Stimmbevölkerung kippt die Vorlage der KVG-Reform Managed Care nach langjähriger Arbeit an der Urne (BRG 04.062)
Dossier: 3. Révision partielle de la loi fédérale sur l'assurance-maladie (LAMal; 2004-2012)

Nach verschiedenen Verhandlungen mit Bundesrat Berset verzichteten die Ärzteverbände, der Spitalverband H+ sowie der Verband Patienten.ch auf das im Vorjahr angekündigte Referendum gegen die Revision des KVG bezüglich der subsidiären Kompetenz des Bundesrates beim Tarmed und der Übermittlung von Patientendaten.

tarification des prestations

Nach langjährigen Verhandlungen war im Vorjahr die Teilrevision des Krankenversicherungsgesetzes (Managed Care) von beiden Räten mit deutlicher Mehrheit angenommen worden. Eine Gruppierung von Spezialärzten, unterstützt vom Schweizerischen Gewerkschaftsbund, hatte bereits vor dem Ratsbeschluss ein Referendum angekündigt. Das eigentliche Referendumskomitee bildete schliesslich eine Vereinigung von Praktikern aus dem Gesundheitswesen, unterstützt von einem Fachärzteverband und einem Verband medizinischen Personals. Am Tag des Ablaufs der Referendumsfrist, dem 19. Januar 2012, wurde das Referendum mit über 130'000 gültigen Unterschriften eingereicht.

Die Stimmbevölkerung kippt die Vorlage der KVG-Reform Managed Care nach langjähriger Arbeit an der Urne (BRG 04.062)
Dossier: 3. Révision partielle de la loi fédérale sur l'assurance-maladie (LAMal; 2004-2012)

Durant l’année sous revue, les chambres ont poursuivi le processus d’élimination des divergences sur le volet relatif aux réseaux de soins intégrés de la révision partielle de la loi sur l’assurance-maladie (LAMal) présentée en 2004 visant à faciliter le développement des modèles de réseaux de soins intégrés (managed care). Au Conseil national, les députés se sont ralliés par 117 voix contre 64 à la position du Conseil des Etats en adoptant une formule potestative dans la fixation de l’étendue de la coresponsabilité budgétaire et des exigences de qualité des réseaux. La gauche a milité en faveur d’une formule contraignante pour le gouvernement, en vain. Les députés ont par contre maintenu les autres divergences notamment sur la question de la quote-part différenciée. Ils ont ainsi rejeté par 63 voix contre 60 une minorité Rossini (ps, VS) suggérant d’adhérer à la position du Conseil des Etats, à savoir une participation aux frais de 5% pour les assurés membres d’un réseau de soins et de 15% pour ceux hors réseau. Ils ont ensuite préféré par 95 voix contre 80 une minorité Bortoluzzi (udc, ZH) proposant des quotes-parts différenciées de respectivement 10% et 20% à la proposition de leur commission proposant de les fixer à 7,5% et 15%. Le Conseil national a encore rejeté par 111 voix contre 88 la proposition du Conseil des Etats de fixer un plafond aux quotes-parts de 500 francs pour les assurés membres d’un réseau et de 1'000 francs pour les autres assurés. Sur ces votes, la gauche s’est opposée en vain à l’augmentation des charges financières des malades. Par ailleurs, les députés ont également réaffirmé par 129 voix contre 52 l’obligation pour les caisses d’assurance-maladie de proposer au moins un réseau de soins intégrés. Seuls un tiers du groupe PLR et la grande majorité du groupe UDC s’y sont opposés estimant que l’offre de réseaux est un avantage comparatif suffisamment incitatif pour que ce type de modèle se développe. La gauche et le groupe PDC se sont inquiétés de l’obligation pour certains assurés de payer une quote-part plus élevée en raison de l’absence de réseau dans leur région. En outre, les députés ont maintenu l’augmentation de prime supérieure à la moyenne comme motif de résiliation avant l’échéance d’un contrat et ont rejeté par 115 voix contre 61 une minorité Schenker (ps, BS) proposant de ne pas autoriser des durées de contrat allant jusqu’à trois ans. Ils ont toutefois obligé les assureurs à proposer des contrats d’une année. Finalement, le Conseil national a introduit sans opposition une nouvelle disposition visant à interdire aux caisses-maladie de gérer et de cofinancer des réseaux. Au Conseil des Etats, les sénateurs ont adhéré à la position du Conseil national relativement aux motifs de résiliation d’un contrat d’assurance. Toutefois, certaines divergences ont été maintenues. Les sénateurs ont ainsi adopté par 21 voix contre 19 une proposition de leur commission fixant des quotes-parts de 7,5% pour les assurés membres d’un réseau et de 15% pour ceux optant pour une prise en charge plus traditionnelle, alors qu’une minorité Gutzwiller (plr, ZH) a suggéré d’adhérer à la proposition du Conseil national. Ils ont également confirmé sans opposition leur volonté de mettre en place des plafonds à la participation des assurés et ont maintenu sans opposition également leur refus de ne pas obliger les assureurs à proposer des réseaux de soins intégrés. Toutefois, ils ont introduit une disposition permettant au gouvernement de prendre les mesures appropriées si dans un délai de cinq ans à partir de l’application de la loi, l’offre de réseaux n’est pas généralisée. Les sénateurs ont finalement suivi par 33 voix contre 10 la proposition de leur commission en s’opposant à l’introduction de la clause interdisant les caisses-maladie de gérer ou cofinancer des réseaux de soins. Leur commission estime que la disposition peut être aisément contournée à travers la création d’une holding et que, formellement, elle ne peut être recevable car introduite au cours de la procédure d’élimination des divergences. De retour au Conseil national, les députés ont adhéré par 110 voix contre 43 à la position du Conseil des Etats en fixant des plafonds maximaux de participation aux frais des patients. Cependant, ils ont décidé de supprimer la possibilité pour le Conseil fédéral d’ajuster ce montant en fonction du renchérissement. Quant au montant des quotes-parts, ils ont maintenu par 98 voix contre 54 leur position précédente malgré une minorité Jacqueline Fehr (ps, ZH). Ils ont également maintenu par 128 voix contre 35 l’obligation pour les assureurs de proposer des réseaux de soins intégrés et par 121 voix contre 22 l’interdiction pour ces derniers de les gérer ou de les cofinancer.

Devant la confirmation de ces divergences, il a été nécessaire de convoquer une conférence de conciliation qui a proposé de fixer une quote-part de 10% pour les membres de réseaux et de 15% pour les autres, de ne pas obliger les assureurs à proposer des réseaux sur l’ensemble de leur territoire d’activités mais d’obliger le gouvernement à intervenir dans les trois ans si ce type d’offre n’est pas généralisé, de donner la possibilité au Conseil fédéral d’adapter le plafond de participation aux coûts en fonction du renchérissement et d’interdire la gestion ou le cofinancement de réseaux de soins par les assureurs tout en prévoyant un délai transitoire de 5 ans. Le Conseil des Etats a adhéré par 28 voix contre 9 à la proposition de la conférence. Au Conseil national, le groupe socialiste s’est opposé à la proposition considérant que le projet initial a été vidé de sa substance. Le groupe a critiqué l’accroissement des charges sur les assurés et l’absence d’obligation pour les assureurs de proposer des réseaux. Le groupe écologiste et le bloc bourgeois se sont montrés majoritairement favorables à la proposition estimant qu’elle demande une participation de tous les acteurs, renforce la médecine de famille et freine l’augmentation des prestations. Les députés ont donc accepté par 111 voix contre 39 la proposition. Au vote final, et après avoir corrigé une lacune relative aux dispositions transitoires en maintenant la législation en vigueur dans les cantons ne disposant pas de réseau, la chambre haute et la chambre basse ont adopté le projet par respectivement 28 voix contre 6 et 133 voix contre 46 et 17 abstentions. Dans cette dernière chambre, la majorité du groupe socialiste, un tiers du groupe écologiste et une partie du groupe UDC se sont opposés au projet. Un groupe de praticiens réunissant des spécialistes libéraux et des médecins favorables à la caisse unique ainsi que l’USS ont annoncé vouloir lancer un référendum.

Die Stimmbevölkerung kippt die Vorlage der KVG-Reform Managed Care nach langjähriger Arbeit an der Urne (BRG 04.062)
Dossier: 3. Révision partielle de la loi fédérale sur l'assurance-maladie (LAMal; 2004-2012)

Über das Referendum gegen die 4. Revision des Arbeitslosenversicherungsgesetzes, welches die Gewerkschaften zusammen mit den linken Parteien ergriffen hatten, wurde am 26. September abgestimmt. Das Volk nahm die Änderung des Arbeitslosenversicherungsgesetz mit 53,4% an. Gegen die Änderung des Arbeitslosenversicherungsgesetzes hatten nur die Urheber des Referendums Parolen gefasst; alle anderen grossen Parteien empfahlen die Änderung zur Annahme. Auffallend war, dass sich die Parteien auch bei den kantonalen Sektionen einig waren. Einzig bei der EVP wichen zwei Kantonalparteien vom Parolenentscheid ab.


Abstimmung vom 26. September 2010

Beteiligung: 35,5%
Ja: 958 913 (53,4%)
Nein: 836 101 (46,6%)

Parolen:
– Ja: FDP, CVP, SVP, EDU, FP, GLP, BDP; ZSA, eco, SGV, SBV.
– Nein: SP, EVP (2*), CSP, PdA, GP, SD, KVP; SGB, TravS.
* In Klammer Anzahl abweichender Kantonalsektionen

4. Revision der Arbeitslosenversicherung

Bei den kantonalen Abstimmungsergebnissen zeigten sich Unterschiede in den verschiedenen Sprachregionen der Schweiz. Während die französische und die italienische Schweiz die Änderung des Arbeitslosengesetzes ausnahmslos ablehnten, gab es in der Deutschschweiz mit Basel-Stadt nur einen einzigen Kanton, der die Änderung nicht befürwortete. Für den Abstimmungsentscheid waren gemäss Vox-Analyse im Wesentlichen der Links-Rechts-Gegensatz und das Alter von Bedeutung. Personen, die sich politisch links einstuften, verwarfen die Vorlage mehrheitlich. Die Altersklassen mit den höchsten Beschäftigungsrisiken, die von der Verlängerung der Karenzzeiten am meisten betroffen sind, also vor allem die jungen Stimmberechtigten, lehnten die Revision deutlich ab. Die über 70-jährigen Stimmbürger, welche als Leistungsbezüger nicht mehr in Frage kommen, stimmten den Leistungskürzungen mehrheitlich zu. Während den Ja-Stimmenden die finanzielle Sicherung der Arbeitslosenversicherung besonders wichtig war, stellte für die Nein-Stimmenden die Solidarität mit den Arbeitslosen das wichtigste Motiv dar.

4. Revision der Arbeitslosenversicherung

Die beiden verbliebenen Differenzen bereinigte der Ständerat, indem er den Beschlüssen des Nationalrates diskussionslos zustimmte. In der Schlussabstimmung stimmte er dem Entwurf mit 32 zu 12 Stimmen zu. Im Nationalrat äusserten sowohl die SVP als auch die Linke ihren Unmut über die Vorlage. Die SVP enthielt sich in der Schlussabstimmung der Stimme und die Ratslinke stellte in Aussicht, dass sie bei Annahme der Vorlage zusammen mit den Gewerkschaften das Referendum ergreifen werde. Der Nationalrat stimmte der Vorlage schliesslich mit 91 zu 64 Stimmen bei 37 Enthaltungen zu.

4. Revision der Arbeitslosenversicherung

Am 7. März stimmte das Volk über das fakultative Referendum gegen die Anpassung des Mindestumwandlungssatzes bei der zweiten Säule ab. Diese hatte das Parlament im Jahr 2008 beschlossen. Das Volk lehnte die Anpassung des Umwandlungssatzes wuchtig mit einer Mehrheit von 72,7% ab. Das fakultative Referendum unterstützten die Links-Parteien, die Grünen und die CVP sowie die wichtigsten Gewerkschaftsorganisationen. Die Gegner der Anpassung lehnten die Rentenkürzungen im Allgemeinen ab und hielten diese für verfassungswidrig. Sie waren den Pensionskassen und Versicherungen gegenüber sehr skeptisch eingestellt und vertraten die Ansicht, dass diese in erster Linie eine Gewinnmaximierung anstrebten. Befürworter einer Änderung des Mindestumwandlungssatzes waren unter anderem die SVP und die FDP. Sie machten geltend, dass eine Anpassung des Umwandlungssatzes wegen der gesteigerten Lebenserwartung nötig sei und dass die Beiträge ohne die Senkung des Mindestumwandlungssatzes heraufgesetzt werden müssten.


Abstimmung vom 7. März 2010

Beteiligung: 44,9%
Ja: 617 209 (27,3%) / Stände: 0
Nein: 1 646 369 (72,7%) / Stände: 20 6/2

Parolen:
– Ja: FDP (1*), CVP (5*), SVP (6*), EVP (4*), EDU (2*), GLP (3*), BDP (1*); ZSA, eco, SGV, SBV.
– Nein: SP, CSP, PdA, GP, SD (1*), Lega; SGB, TravS.
* In Klammer Anzahl abweichender Kantonalsektionen

Bundesgesetz über die berufliche Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenvorsorge (BVG) (Mindestumwandlungssatz)

Das Volk stimmte mit einer Mehrheit von 54,5% für die Annahme des Bundesbeschlusses über eine befristete Zusatzfinanzierung der IV durch Anhebung der Mehrwertsteuersätze. Unterstützung fand die Vorlage bei der Linken, bei den meisten bürgerlichen Parteien und auch bei den grossen Wirtschaftsverbänden. Für die Befürworter stand vor allem die Sanierung der IV im Zentrum. Viele von ihnen hielten die Zusatzfinanzierung für unvermeidbar und gaben als Hauptmotiv an, dass man, wolle man die IV sanieren, letztlich keine andere Wahl hätte als die Zusatzfinanzierung anzunehmen. Zu den Gegnern der Vorlage gehörten die SVP und die kleineren Rechtsparteien. Sie waren der Meinung, dass man einzig mit einer resoluten Missbrauchsbekämpfung den Schuldenberg der IV abtragen könne. Ausserdem bezweifelten viele, dass es bei einer befristeten Erhöhung der Mehrwertsteuer bleiben würde und befürchteten, dass diese einen permanenten Charakter erhalten könnte.

IV-Zusatzfinanzierung (BRG 05.053)
Dossier: Cinquième révision de l'AI (2004-2009)

Zwar stimmte eine klare Mehrheit von 54,5% für die Vorlage. Das erforderliche Ständemehr wurde jedoch nur mit dem knappest möglichen Ergebnis (12 zu 11 Stände) erreicht. Dabei zeigte sich ein aus sozialpolitischen Abstimmungen bekannter Graben: Die Westschweiz und die urbanen Kantone der Deutschschweiz stimmten für den Bundesbeschluss, die ländlichen Kantone der Ostschweiz und der Innerschweiz hingegen verwarfen die Vorlage überwiegend. Am klarsten abgelehnt wurde die Zusatzfinanzierung der IV in Appenzell Innerrhoden, Thurgau und Schwyz. Die meisten Befürworter fanden sich in den Kantonen Genf, Jura und Neuenburg mit jeweils mehr als 60% Ja-Stimmen. Die VOX-Analyse ergab, dass das Stimmverhalten insgesamt stark von politischen Variablen geprägt war. Gesellschaftliche Gruppenmerkmale spielten hingegen keine grosse Rolle. Entscheidend war insbesondere die Einordnung in das politische Spektrum. Wer sich Links oder in der Mitte einstufte nahm die Vorlage meist an, wer sich Rechtsaussen einstufte, lehnte die Vorlage mit grosser Wahrscheinlichkeit ab. Eindrucksvoll war die Parolenkonformität im Stimmverhalten der Parteianhänger.


Abstimmung vom 27. September 2009

Beteiligung: 40,8%
Ja: 1 112 818 (54,6%) / Stände: 11 2/2
Nein: 926 730 (45,4%) / Stände: 9 4/2

Parolen:
– Ja: FDP, CVP, SP, EVP, CSP, GP, GLP, BDP; eco, SGV, SBV, SGB, TravS.
– Nein: SVP, SD, EDU, FP, Lega.
* In Klammer Anzahl abweichender Kantonalsektionen

IV-Zusatzfinanzierung (BRG 05.053)
Dossier: Cinquième révision de l'AI (2004-2009)

Die auf Mai angesetzte Volksabstimmung zur IV, bei der es darum ging, dass zur Sanierung der IV Geld aus dem Topf der Mehrwertsteuer hätte bezogen werden sollen, wurde aus konjunkturpolitischen Gründen vom Bundesrat verschoben. Der Bundesrat hatte befürchtet, dass das Volk die Mehrwertsteuererhöhung für die IV wegen der schlechten Wirtschaftslage ablehnen würde und gab daher dem Parlament die Möglichkeit, den verabschiedeten Bundesbeschluss abzuändern. Parteien und Verbände reagierten mehrheitlich mit Verständnis auf die Verschiebung der Abstimmung, kritisierten aber, dass der Bundesrat keinen konkreten Änderungsvorschlag gemacht hatte. Dieses Vorgehen des Bundesrates war ungewöhnlich und kam in der Vergangenheit höchst selten vor. Der Bundesrat begründete seinen Entscheid damit, dass die Unterstützung von Wirtschaft und Parteien für die Vorlage am Schwinden war.

IV-Zusatzfinanzierung (BRG 05.053)
Dossier: Cinquième révision de l'AI (2004-2009)