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  • Assurances sociales

Acteurs

  • Metzler, Ruth (cvp/pdc) alt-BR/ex-CF
  • Couchepin, Pascal (fdp/plr) BR EDI / CF DFI

Processus

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Bei einem Gesundheitsgipfel im Frühjahr forderte Bundesrat Couchepin die Einführung einer Praxisgebühr von CHF 30, um unnötige Arztbesuche zu verhindern. Diese finanzielle Hürde sollte die Patienten davon abhalten, wegen Bagatellen die Krankenkasse zu beanspruchen. Die Belastung chronisch Kranker wurde dabei allerdings begrenzt. Der Vorschlag stiess auf sehr viel Kritik: Einzig der Krankenkassenverband Santésuisse stand der vorgeschlagenen Praxisgebühr positiv gegenüber. Neben der Praxisgebühr stellte Couchepin wenig später noch weitere Massnahmen vor, um die angekündigten massiven Prämienerhöhungen zu stoppen. Einerseits sollte eine Telefonberatung eingeführt werden, welche alle Versicherer kostenlos erbringen müssen. Andererseits wollte der Bundesrat die Kompetenz erhalten, die Senkung der Arzttarife bei einer überdurchschnittlichen Kostensteigerung beschliessen zu können. Mit Leistungsaufträgen sollten die Kantone zudem dazu gebracht werden, die Kosten bei den Spitalambulatorien zu senken. Für die Verbilligung von Krankenkassenprämien forderte Couchepin zudem den Einsatz von mehr Bundesmitteln.

Praxisgebühr

Ein Postulat Hêche (sp, JU) forderte den Bundesrat auf, einen Entwurf für die Revision des Invalidengesetzes auszuarbeiten, der die Einführung eines Assistenzbeitrages sowohl für Erwachsene als auch für minderjährige Versicherte, Heimbewohnerinnen und -bewohner und bevormundete Personen vorsieht. Der Bundesrat lehnte diesen Vorschlag ab, weil er der kostenneutralen Umsetzung der Reform der IV Priorität einräumte. Bundesrat Pascal Couchepin hatte allerdings während der Debatte im Ständerat seine Ansicht geändert und empfahl das Postulat dem Ständerat doch noch zur Annahme. Der Ständerat nahm das Postulat, gegen den ursprünglichen Willen des Bundesrates, an.

Assistenzbeitrages

Im Rahmen der Differenzbereinigung unterbreitete im Ständerat die Kommissionsmehrheit eine modifizierte Formulierung für den Gegenvorschlag. Darin soll die bestehende Gesundheitspolitik festgeschrieben werden mit Betonung eines regulierten Wettbewerbs, der Qualität und der Wirtschaftlichkeit. Als neue „Eckzähne“ würden die Vertragsfreiheit und die monistische Finanzierung aufgenommen. Die Diskussion im Rat drehte sich erneut um die grundsätzliche Frage, ob ein direkter Gegenvorschlag überhaupt sinnvoll sei. Für Frick (cvp, SZ) stellte der Gegenvorschlag das Gesundheitswesen auf eine klarere und bessere Grundlage auf Verfassungsstufe. Mehrere bürgerliche Ratsmitglieder knüpften ihr Ja zum Gegenvorschlag an die Forderung, dass die SVP ihre Initiative vor der Schlussabstimmung zurückziehe. Eine Kommissionsminderheit aus der SP beantragte, sowohl die Initiative wie auch den modifizierten Gegenvorschlag abzulehnen. Bundesrat Couchepin unterstützte die Kommissionsminderheit und gab zu bedenken, dass das Volk nicht einfach allgemeinen Grundsätzen zustimme, wenn es die konkreten Konsequenzen nicht kenne. Der Entscheid für den Gegenvorschlag fiel schliesslich überaus knapp aus – bei 20 zu 20 Stimmen mit Stichentscheid des Präsidenten (Brändli, svp GR). Im Nationalrat empfahl die Kommissionsmehrheit erneut den Gegenvorschlag zur Ablehnung. Der Minderheitsantrag, am Gegenvorschlag in der Fassung des Ständerates festzuhalten wurde von einer Koalition aus SVP, FDP und CVP unterstützt und setzte sich mit 108 zu 67 durch. Vor der Schlussabstimmung erklärte Bortoluzzi (svp, ZH) im Namen seiner Partei, unter diesen Vorzeichen sei die SVP bereit, ihre Volksinitiative zurückzuziehen. Die Initiative wurde am 10. Januar 2008 zurückgezogen.

Volksinitiative „für tiefere Krankenkassenprämien in der Grundversicherung“

In der Folge schloss sich der Nationalrat mit 97 zu 87 Stimmen bei der freien Spitalwahl der Einschränkung der kleinen Kammer an (Tarif der Wohnsitzgemeinde). Eine Minderheit aus LP, FDP und SVP plädierte vergeblich für die völlige Freiheit, die sie als einen Kernpunkt der Vorlage bezeichnete, da damit der Wettbewerbsgedanke erheblich gestärkt würde. Die CVP-EVP-GLP-Fraktion unterstützte die Linke vornehmlich aus einem „erledigungspolitischen“ Grund: Die Beratungen zur Spitalfinanzierung seien nun über Jahre hinaus verschleppt worden und sollten endlich abgeschlossen werden; weitergehende Schritte könne man sich später überlegen. Beim Kostenverteiler hielt die grosse Kammer mit 147 zu 35 an ihrer fixen Regelung von 55% fest. Die Kommissionssprecherin begründete dies damit, ein Bandbreitenmodell schaffe Rechtsunsicherheit und könne zu einem massiven Kostenschub führen. Auch Bundesrat Couchepin bezeichnete das Modell als kaum durchführbar und realitätsfremd. Der Ständerat bekräftigte allerdings mit 27 zu 10 Stimmen erneut sein Modell, da man Kantone, die sich in der Vergangenheit für ein kostengünstiges Gesundheitssystem eingesetzt hätten, nicht bestrafen dürfe. Im Grundsatz wich der Nationalrat weiterhin nicht von seinem Beschluss ab. Mit einer Übergangsbestimmung kam er aber dem Ständerat entgegen: Demnach können Kantone, die beim Inkrafttreten des Gesetzes ein unterdurchschnittliches Prämienniveau haben, ihren Kostenanteil zunächst zwischen 45 und 55% festlegen. Sie haben dann maximal fünf Jahre Zeit, diesen Anteil schrittweise auf 55% zu erhöhen. In der Einigungskonferenz setzte sich diese Variante des Nationalrats durch. In der Schlussabstimmung im Nationalrat enthielt sich die SVP grossmehrheitlich der Stimme, CVP und FDP stimmten geschlossen dafür, GP und SP mehrheitlich dagegen. Im Ständerat wurde die Gesetzesänderung mit 33:3 angenommen.

Beide Kammern überwiesen eine Motion (07.3555) der Kommission des Ständerates, die den Bundesrat auffordert, die gesetzlichen Grundlagen für die Rechnungskontrolle sowie die Überprüfung der Berechnung der Vergütung gemäss dem Tarifregime von SwissDRG (Fallkostenpauschalen) vorzulegen.

Die Räte verabschieden eine Revision des Krankenversicherungsgesetzes bezüglich der Spitalfinanzierung (BRG 04.061)
Dossier: 3. Révision partielle de la loi fédérale sur l'assurance-maladie (LAMal; 2004-2012)

Im Vorjahr hatte sich der Ständerat zwar für die Ablehnung der Volksinitiative der SVP „Für tiefere Krankenkassenprämien in der Grundversicherung“ ausgesprochen, gegen den Bundesrat jedoch beschlossen, dem Begehren einen direkten Gegenvorschlag entgegen zu stellen, ohne diesen bereits im Detail auszuarbeiten. Trotz Opposition vornehmlich aus dem links-grünen Lager hatte der Nationalrat zugestimmt, den Gegenvorschlag zumindest zu prüfen. Bei der inhaltlichen Debatte zur Volksinitiative zeigte sich, dass diese einzig von der SVP-Fraktion unterstützt wurde. Ruey (lp, VD) sprach von „Etikettenschwindel“ und Maury Pasquier (sp, GE) von „Populismus“. Die Mehrheit des Rates war mit dem Bundesrat und dem Ständerat der Meinung, dass die Initiative den sozialen und solidarischen Charakter der obligatorischen Krankenversicherung aushöhle und eine Zweiklassenmedizin fördere. Die Kommissionsmehrheit beantragte, auch den Gegenvorschlag abzulehnen. Sie vertrat die Ansicht, dass der Gegenvorschlag Entscheide ohne vorgängige Abklärung präjudizieren würde. So würde er neue Modalitäten in der Zusammenarbeit von Bund und Kantonen einführen, die Vertragsfreiheit festschreiben sowie auf eine monistische Finanzierung setzen. Die Kommissionsminderheit warb für den direkten Gegenvorschlag und argumentierte, er enthalte zentrale Prinzipien, so etwa dass das Gesundheitssystem in Richtung reguliertem Wettbewerb weiterentwickelt werden müsse. Auch die Sprecher und Sprecherinnen der CVP-, der FDP- und der SVP-Fraktion unterstützten den Gegenvorschlag. Bekämpft wurde er von der Ratslinken sowie von Bundesrat Couchepin. Mit 109 zu 74 Stimmen votierte die grosse Kammer für den direkten Gegenvorschlag.

Volksinitiative „für tiefere Krankenkassenprämien in der Grundversicherung“

Im Ständerat anerkannten die Vertreterinnen und Vertreter aller Parteien den Revisionsbedarf bei der Invalidenverischerung, wenn auch ebenfalls mit gewissen Vorbehalten in Bezug auf die Mittel. Insbesondere Vertreter der SP bemängelten den ihrer Ansicht nach ungenügenden Einbezug der Arbeitgeber sowie den Aufschub der Zusatzfinanzierung. In dieser Frage zeigte sich die CVP gespalten. Stähelin (TG) erinnerte an das Scheitern der „Paketlösung" in der Volksabstimmung 2004, weshalb er die Aufteilung begrüsste; Schwaller (FR) bedauerte sie und verlangte, dass die Zusatzfinanzierung umgebend an die Hand genommen werde. Eintreten wurde ohne Gegenstimme beschlossen.

In den grundsätzlichen Punkten der Revision wich die kleine Kammer kaum vom Nationalrat ab. So sprach sie sich mit 23 zu 11 Stimmen wie der Nationalrat für den Verzicht auf die Zusatzrenten für heutige oder künftige Ehegatten von IV-Empfängern aus und strich den Karrierezuschlag mit 21 zu 7 Stimmen. Vergeblich mahnte Ory (NE) als Vertreterin der SP, diese Massnahmen würden zu einer Verschiebung in die EL und damit zu einer Verlagerung der Kosten vom Bund auf die Kantone führen.

Der Ständerat schuf allerdings einige Differenzen zum Erstrat. In einem von der Kommission beantragten neuen Artikel präzisiert er, dass der Arbeitgeber aktiv mit der IV-Stelle zusammenarbeiten und bei der Herbeiführung einer angemessenen Lösung mitwirken muss. Zudem stimmte er mit 20 zu 15 Stimmen einem Antrag von Vertretern und Vertreterinnen von SP und CVP zu, wonach die Versicherung dem Arbeitgeber, der einen in seiner Arbeitskraft eingeschränkten Arbeitnehmer weiterbeschäftigt, einen Beitrag leisten kann. Die Gegner dieser Bestimmung, darunter Bundesrat Couchepin, wiesen vergeblich auf die nachteiligen Folgen hin, die diese Regelung mit sich bringen könnte, nämlich hohe Kosten sowie die künstliche Erhaltung des Arbeitsplatzes anstatt die Integration mit entsprechenden Eingliederungsmassnahmen. Die Befürworter argumentierten demgegenüber, die Unterbringung von Invaliden in speziell dafür eingerichteten Werkstätten würde ebenfalls bedeutende Kosten verursachen und nur in den seltensten Fällen zu einer Wiedereingliederung in den ersten Arbeitsmarkt führen. Die im Nationalrat ohne weitere Diskussion angenommene Kapitalhilfe wurde diskussionslos gestrichen, da es nicht Aufgabe der IV sein könne, Risikokapital für die Gründung einer neuen Firma bereit zu stellen. Die vom Nationalrat angenommene Bestimmung über die Kaufkraftbereinigung von im Ausland ausbezahlten Renten lehnte der Ständerat ab mit der Begründung, dass diese Regelung nicht durchführbar sei.

Das Volk bestätigt die 5. IV-Revision an der Urne (BRG 05.052)
Dossier: Cinquième révision de l'AI (2004-2009)

Ende September präsentierte der Bundesrat seinen Vernehmlassungsentwurf für die 5. IV-Revision, in welchem er die beiden Elemente koppelte. Neben dem bereits im April skizzierten Vorgehen mit Früherfassung und Reintegrationsbegleitung schlug er vor, die Lohnbeiträge um 1 Promille auf 1,5% zu erhöhen. Dies brächte Mehreinnahmen von CHF 300 Mio. pro Jahr. Die Arbeitgeber und Arbeitnehmer tröstete der Bundesrat mit der Aussicht, dass die Reduktion der Zahl neuer Renten bei der 2. Säule zu einer Entlastung von jährlich CHF 450 Mio. führen werde. Da dies aber noch nicht genügt, um den Schuldenberg der IV zu tilgen, verlangte der Bundesrat in einer separaten Vorlage noch andere Massnahmen. Als Varianten präsentierte er eine Erhöhung der Mehrwertsteuer bzw. der Lohnbeiträge um 0,8 Prozentpunkte, wobei er die Konsumsteuer favorisierte. Beide Lösungen brächten der IV in den Jahren 2007 bis 2025 im Schnitt rund CHF 2,4 Mrd. Mehreinnahmen pro Jahr. Nach den Vorstellungen der Landesregierung sollen die 5. IV-Revision und die Zusatzfinanzierung Mitte 2006 oder Anfang 2007 in Kraft treten, das neue gestraffte Verfahren zur Beurteilung von Rentenansprüchen bereits Anfang 2006. Dazu gehört, dass die Beitragsdauer für einen Rentenanspruch von heute einem Jahr auf drei Jahre erhöht und der Karrierezuschlag gestrichen werden soll. Die Zahl der Einsprachen gegen Rentenentscheide will der Bundesrat mit der Wiedereinführung des so genannten Vorbescheidverfahrens (anstelle des im Sozialversicherungsbereich allgemein geltenden Einspracheverfahrens) eindämmen.

Die Vorschläge des Bundesrates stiessen bei den bürgerlichen Parteien auf wenig Begeisterung. Am lautesten protestierte die SVP. Sie warf Couchepin vor, zu wenig konkrete Vorschläge vorzulegen. Eine Sanierung sei zwar dringend notwendig, doch dürfe diese nicht mit einer Erhöhung der Lohnprozente, höheren Mehrwertsteuern oder bloss kosmetischen Anpassungen erfolgen. Statt neue Abgaben zu fordern, solle der Bundesrat in erster Linie Missbräuche und die „Scheininvalidität“ bekämpfen. Vorbehalte zum Finanzierungsteil hatte auch die FDP. Die Neuauflage der 0,8%-igen MwSt-Erhöhung wurde so kurz nach der Ablehnung in der Volksabstimmung als wenig kreativ bezeichnet. Auf gar keinen Fall komme eine Anhebung der Lohnprozente in Frage. Gegen eine Erhöhung der Lohnprozente sprach sich auch die CVP aus; jene bei der MwSt genüge, um den Schuldenberg in der IV zu dämpfen. Die SP, die sich im Mai noch vehement für eine Anhebung der MwSt eingesetzt hatte, erachtete nun die Erhöhung der Lohnprozente als geeigneter.

Die SVP war wenige Tage nach der Eröffnung der Vernehmlassung mit eigenen Vorschlägen vorgeprescht und hatte erneut einen Angriff auf die angeblichen „Scheininvaliden“ lanciert. Sie ortete dieses Problem vor allem bei den psychisch Kranken, die 40% der Neurentner ausmachen, sowie bei Personen mit Schleudertrauma und Rückenleiden. Eine im Rahmen des NFP 45 („Probleme des Sozialstaates Schweiz“) durchgeführte Studie fand wenig Anzeichen für die Behauptung, dass es sehr viele Missbräuche gebe.

Das Volk bestätigt die 5. IV-Revision an der Urne (BRG 05.052)
Dossier: Cinquième révision de l'AI (2004-2009)

Im Abstimmungskampf begründeten die Gegner, zu denen auch die SVP-Frauen Schweiz sowie einige rechtsbürgerliche Abweichler aus der FDP gehörten, ihre Ablehnung vor allem mit dem ordnungspolitischen Argument, dass kein weiterer Ausbau des Sozialversicherungssystems mehr erfolgen dürfe. Sie machten geltend, die Geburtskosten seien durch das KVG abgedeckt, weshalb der über 50-jährige Verfassungsauftrag zum Mutterschutz erfüllt sei. Kinder seien zudem eine Privatsache; ihre Polemik gegen die Gesetzesänderung gipfelte denn auch im Begriff der „Staatskinder“, die es zu verhindern gelte. Zudem bemängelten sie, dass lediglich erwerbstätige Mütter in den Genuss von Leistungen kämen. Letztere Begründung war besonders bemerkenswert, da die gleichen Gegner 1999 die Vorlage einer Mutterschaftsversicherung gerade deshalb bekämpft hatten, weil auch die nichterwerbstätigen Mütter einbezogen werden sollten. Die Befürworter, mit Ausnahme der SD und der Lega alle anderen Parteien, machten für ihre Unterstützung den nie eingelösten Verfassungsauftrag von 1945 geltend sowie Anliegen der Familien- und der Gleichstellungspolitik. Sie unterstrichen, dass es sich eben gerade nicht um eine neue Sozialversicherung handle, sondern um die Ausdehnung der bestehenden EO, an welche die erwerbstätigen Frauen seit jeher Lohnbeiträge bezahlen, in den allermeisten Fällen ohne je Leistungen daraus zu beziehen. Die Befürworter erhielten prominente Unterstützung von den drei früheren Bundesrätinnen Dreifuss (sp), Kopp (fdp) und Metzler (cvp), denen sich über 60 ehemalige Parlamentarierinnen anschlossen.

Uneinheitlich war die Haltung der Wirtschaft, die fünf Jahre zuvor massiv zum Scheitern einer Mutterschaftsversicherung beigetragen hatte. Der Arbeitgeberverband anerkannte zwar, dass unter dem Strich die Wirtschaft eher entlastet würde, angesichts der starken ordnungspolitischen Opposition in seinen Reihen beschloss er aber Stimmfreigabe. Economiesuisse war mehrheitlich ablehnend eingestellt, wollte sich aber nicht exponieren und gab die Stimme ebenfalls frei. Der Vorstand des Gewerbeverbandes, dessen Direktor, Pierre Triponez (fdp, BE), zusammen mit Frauen aus den anderen Bundesratsparteien die nun vorliegende Lösung initiiert hatte, stellte sich klar hinter die Vorlage, konnte aber nicht die ganze Basis um sich scharen.

In der Volksabstimmung vom 26. September wurde die Gesetzesänderung mit 55,5% Ja-Stimmen klar angenommen. Am deutlichsten stimmten die Westschweizer Kantone Waadt (81,1% Ja), Jura (79,6%), Genf (79,5%) und Neuenburg (74,7%) sowie das Tessin (66,7%) zu, am schwächsten der Kanton Appenzell Innerrhoden (26,9%), gefolgt von Schwyz (32,3%) und Glarus (34,2%). Von den 17 Städten mit mehr als 30'000 Einwohnern lehnte einzig Schaffhausen den bezahlten Mutterschaftsurlaub ab, ein deutliches Zeichen, dass im urbanen Milieu heute die Berufstätigkeit der Frauen eine Selbstverständlichkeit ist, welche auch die Einstellung zur Frage des Erwerbsersatzes geprägt hat.

Die Gesetzesänderung wird Mitte 2005 in Kraft treten und stellt grosszügigere Regelungen wie etwa im Kanton Genf nicht in Frage.


Abstimmung vom 26. September 2004

Beteiligung: 53,8%
Ja: 1'417'159 (55,5%)
Nein: 1'138'580 (44,5%)

Parolen:
– Ja: FDP, CVP, SP, GP, LPS, CSP, EVP, EDU, PdA; SGB, Travail.Suisse, KV Schweiz; SGV, Gastrosuisse
– Nein: SVP (2*), SD, Lega
– Stimmenthaltung: Economiesuisse, SAGV
* In Klammer Anzahl abweichender Kantonalsektionen

Ausweitung der Erwerbsersatzansprüche auf erwerbstätige Mütter (Pa.Iv. 01.426)
Dossier: Création d'une assurance maternité (1989-2004)

Als Element der Steigerung der Eigenverantwortung der Patientinnen und Patienten schlug der Bundesrat vor, den Selbstbehalt der Versicherten von 10 auf 20% anzuheben, allerdings nach wie vor mit einer Obergrenze von CHF 700 pro Jahr. Für Kinder bleibt der Selbstbehalt bei 10%. Die Botschaft 1D wurde im Berichtsjahr nur vom Ständerat behandelt. Sommaruga (sp, BE) stellte den Antrag, diese Vorlage an die Kommission zurückzuweisen mit dem Auftrag, die Frage des Selbstbehaltes im Zusammenhang mit der Teilrevision Managed Care zu überprüfen. Eine Erhöhung des Selbstbehaltes mache nur Sinn, wenn sie mit einem Anreiz für die Versicherten kombiniert werde, ihre medizinische Behandlung mit ihrem Haus- oder Vertrauensarzt zu koordinieren. Sonst führe die Erhöhung des Selbstbehalts zu einer reinen Kostenverschiebung zu Lasten der Patientinnen und Patienten. Der Rat hörte aber auf die Argumente von Bundesrat Couchepin, der ausführte, die Massnahme setze Anreize, wegen Bagatellfällen nicht gleich den Arzt aufzusuchen. Sie sei sozialverträglich, da sie Familien nicht zusätzlich belaste; Bezüger von EL-Leistungen hätten ohnehin keinen Selbstbehalt, und Chronischkranke mit jährlichen Arztrechnungen von mehr als CHF 7'000 würden nicht stärker zur Kasse gebeten als bisher. Der Antrag Sommaruga wurde mit 30 zu 7 Stimmen abgelehnt. Stillschweigend genehmigte die kleine Kammer den Antrag der Kommissionsmehrheit, den Höchstbetrag des Selbstbehaltes im Gesetz festzuschreiben. In der Gesamtabstimmung wurde die Vorlage mit 26 zu 2 Stimmen angenommen; mehrere Abgeordnete der SP enthielten sich.

Der Ständerat überwies eine Motion des Nationalrates (02.3641) über die Kostenbeteiligung allein stehender Personen an einen Spitalaufenthalt nur als Postulat.

Selbstbehalt

Die kantonalen Gesundheitsdirektoren lehnten beide Modelle aus verwaltungstechnischen Gründen ab und schlugen stattdessen vor, die Prämien für Kinder bis 18 Jahre ganz abzuschaffen – allerdings zu Lasten der erwachsenen Prämienzahlenden. Hingegen konnte sich Bundesrat Couchepin zunehmend für den ständerätlichen Lösungsansatz erwärmen. Um die verschiedenen Modelle noch eingehender zu prüfen, stellte die kleine Kammer auf Antrag ihrer Kommission diesen Teil der Vorlage bis zur Wintersession zurück und setzte eine Subkommission ein, die auch die Vertreter der kantonalen Gesundheits- und Finanzdirektoren anhörte. Aus der Einsicht heraus, dass die kantonalen Durchschnittseinkommen sehr unterschiedlich sind, eine Prämienbefreiung mit den vorgesehenen CHF 200 Mio. wohl kaum finanzierbar wäre und möglicherweise auch falsche Anreize setzen könnte (null Kosten bei voller Leistung), entwickelte die Subkommission ein offeneres Modell, das auch die Zustimmung der Finanzdirektoren fand und von den Gesundheitsdirektoren zumindest als gangbarer Weg bezeichnet wurde. Anstatt fixe Einkommenslimiten zu definieren, wurde lediglich noch gesagt, dass die Kantone für untere und mittlere Einkommen die Prämien von Kindern und jungen Erwachsenen in Ausbildung um mindestens 50% verbilligen, allerdings nur im Umfang der durchschnittlichen kantonalen Prämie in diesen Altersegmenten. Bei dieser Lösung wird es den Kantonen überlassen, wie sie die unteren und mittleren Einkommen festlegen wollen. Sie können auch über die 50% hinausgehen. Allerdings müssen die Kantone dem Bund anonymisierte Angaben zu den Begünstigten machen, damit dieser das Erreichen der sozial- und familienpolitischen Ziele überprüfen kann. Gemäss früherer Beschlüsse zur Prämienverbilligung müssen die Kantone den Beitrag des Bundes um die Hälfte aufstocken, womit dann CHF 300 Mio. mehr pro Jahr für die Entlastung von Familien bereit stehen würden. Nach Berechnungen der Kommission könnten rund 80% der Kinder und rund 70% der jungen Erwachsenen in den Genuss dieser Massnahme kommen. Der Bundesbeschluss wurde vom Ständerat einstimmig angenommen, ebenso jener über die schrittweise Erhöhung der Bundesbeiträge.

Die Räte verabschieden eine Revision der Krankenversicherung bezüglich der Prämienverbilligung (BRG 04.033)
Dossier: 3. Révision partielle de la loi fédérale sur l'assurance-maladie (LAMal; 2004-2012)
Dossier: Réduction de primes

Gegen die 11. AHV-Revision hatte der SGB im Vorjahr mit Unterstützung von SP, GP und Travail.suisse das Referendum ergriffen und mit in Rekordzeit gesammelten über 150'000 Unterschriften eingereicht. Im Abstimmungskampf standen sich zwei klar abgesteckte Lager gegenüber. Auf der einen Seite das links-grün-gewerkschaftliche, welches die Revision mit der Erhöhung des Frauenrentenalters, den Abstrichen bei der Witwenrente, dem verlangsamten Teuerungsausgleich sowie dem nicht eingehaltenen Versprechen auf eine sozial abgefederte Frühpensionierung als reine „Sozialabbauvorlage“ bezeichnete, auf der anderen Seite die bürgerlichen Parteien, für welche die Revision einen dringend notwendigen Beitrag zur Sicherung der Sozialwerke darstellte. Im Vorfeld der Abstimmung vom 16. Mai gaben die meisten Beobachter der Revision nur geringe Erfolgschancen. Das Ausmass der Ablehnung – über zwei Drittel Nein-Stimmen – erstaunte dennoch. In sämtlichen Kantonen wurde die Vorlage verworfen. Am deutlichsten war die Verweigerung im Kanton Jura mit lediglich 13,6% Ja-Stimmen, gefolgt vom Wallis (17,6%) und dem Kanton Neuenburg (21%). Am meisten Zustimmung fand die Revision in den Kantonen Appenzell Innerrhoden (45,9%), Appenzell Ausserrhoden (41,1%) und Nidwalden (40,1%). Während im links-grünen Lager der deutliche Entscheid mit grossem Jubel aufgenommen wurde, da er zeige, dass sich das Volk einem Rentenabbau widersetze, versuchten die Vertreter des bürgerlichen Lagers, die Bedeutung ihrer Niederlage herunter zu spielen. Einig war man sich allerdings, dass das von Bundesrat Couchepin in die Diskussion gebrachte Rentenalter 67 praktisch vom Tisch sei; es könne nur noch darum gehen, das AHV-Alter, das heute faktisch bei 62 Jahren liegt, durch geeignete Massnahmen wieder an die gesetzlich vorgesehenen 65 Jahre anzunähern.


Abstimmung vom 16. Mai 2004

Beteiligung: 50,8%
Ja: 772 773 (32,1%)
Nein: 1 634 572 (67,9%)

Parolen:
– Ja: FDP, SVP, CVP, LPS, EDU; Economiesuisse, SAGV, SGV, SBV.
– Nein: SP, GP, CSP, EVP, Lega; SGB, Travail.suisse.
* In Klammern Anzahl abweichender Kantonalsektionen

11. AHV-Revision (BRG 00.014)
Dossier: 11e révision de l'AVS (1991-2004; 2005-2010)
Dossier: Débats sur l'âge de la retraite des femmes

Nur wenige Tage nach dem definitiven Scheitern der 2. Teilrevision des KVG im Nationalrat (Ende 2003) hatte Bundesrat Couchepin seinen Kollegen seine Vorschläge für das weitere Vorgehen unterbreitet. Er regte an, die Revision solle in zwei Gesetzgebungspakete mit Einzelvorlagen aufgeteilt werden, um allfällige unheilige Allianzen in Parlament und Öffentlichkeit möglichst zu vermeiden. Als dringlich einer Lösung bedürfend befand Couchepin die Bereiche Spitalfinanzierung, Risikoausgleich, Pflegefinanzierung und Beschränkung der zur Abrechnung über die Grundversicherung zugelassenen Arztpraxen. An einem Treffen Couchepins mit einer Delegation der Schweizerischen Konferenz der kantonalen Gesundheitsdirektorinnen und -direktoren Mitte Januar wurden neben diesen Themen auch die Einführung der Vertragsfreiheit zwischen Krankenkassen und Leistungserbringern, die Prämienverbilligung, die Förderung von Managed Care und die Kostenbeteiligung der Versicherten diskutiert. Damit waren die Felder abgesteckt, in welchen der Bundesrat in den kommenden Monaten seine Lösungsvorschläge dem Parlament zu unterbreiten gedachte. Bei den ersten Von-Wattenwyl-Gesprächen der neuen Legislatur fand dieses kapitelweise Vorgehen die Zustimmung der Bundesratsparteien.

Der Ständerat nahm im Einvernehmen mit dem Bundesrat eine Motion Heberlein (fdp, ZH) (03.3644) an, welche die dringlichsten Reformpunkte auflistete. Im Nationalrat wurde eine analoge Motion (03.3673) der FDP-Fraktion bekämpft und deshalb noch nicht behandelt. In einer Studie über den Nutzen des Gesundheitswesens, die zeigen sollte, wie viel die existierende Gesundheitsversorgung den Bezügern von Leistungen wert ist, kristallisierte sich heraus, dass die Prämienzahlenden am ehesten bei den Medikamenten zu Abstrichen bereit sind (Generika anstatt Originalpräparate), dass die freie Arztwahl aber sakrosankt bleibt. Eine Umfrage ergab zudem, dass die Schweizer Stimmberechtigten keinen Leistungsabbau im Gesundheitswesen wollen, auch wenn viele immer mehr Mühe haben, ihre Prämien zu bezahlen.

Die Räte verabschieden eine Revision des Krankenversicherungsgesetzes bezüglich Gesamtstrategie, Risikoausgleich und Pflegetarifen (BRG 04.031)
Dossier: 3. Révision partielle de la loi fédérale sur l'assurance-maladie (LAMal; 2004-2012)

Im Nationalrat wiederholte sich dann aber das Debakel des Vorjahres – allerdings mit umgekehrten Vorzeichen. SP und Grüne lehnten die Vorlage geschlossen ab, weil ihrer Meinung nach für das neue Modell der Prämienverbilligung zu wenig Geld gesprochen wurde und weil sie mehr Planung statt mehr Wettbewerb wünschten. Die CVP enthielt sich wegen der gestrichenen Kinderrabatte ebenso geschlossen der Stimme. Besonders in der neuen Zusammensetzung der grossen Kammer hätte diese Allianz allein nicht genügt, um die Vorlage bachab zu schicken. Auch die je vier Abweichler in FDP (die drei Waadtländer Favre, Vaudroz und Guisan, der formell den Antrag auf Ablehnung stellte, sowie Markwalder, BE) und SVP (die drei Zürcher Kaufmann, Keller und Maurer sowie Dunant, BS), welche die Revision gegen den Willen der Fraktionsmehrheit ablehnten, hätten nicht unbedingt zum Kippen der Vorlage führen müssen. Ausschlaggebend waren letztlich Absenzen: Auf der linken Seite fehlten nur zwei Nationalräte, während bei der FDP acht und bei der SVP neun Mitglieder abwesend waren. FDP-Fraktionschef Pelli (TI) äusserte sich entsprechend enttäuscht über seine Leute, die andere Termine dieser wichtigen Abstimmung vorgezogen hätten. Pelli ortete aber auch ein „Problem Couchepin“: im Nationalrat habe dieser zwar noch mit einem dringlichen Appell versucht, die Vorlage zu retten; tags zuvor habe er sie im Ständerat aber scheinbar lustlos verteidigt und erklärt, bei einem Referendum würde es zwar nicht unmöglich, aber schwierig, das Volk von dieser Revision zu überzeugen. Die Vorlage wurde mit 71 zu 66 Stimmen verworfen. Da sie in rund drei Jahren das ganze parlamentarische Verfahren durchlaufen hatte, war sie damit definitiv gescheitert.

2. KVG-Teilrevision (BRG 00.079)
Dossier: Réduction de primes

Als gerüchteweise bekannt wurde, Bundesrat Villiger wolle im Bestreben um Einsparungen den Mischindex (Anpassung der Renten nicht nur an die Teuerung, sondern auch an die Lohnentwicklung) für die Berechnung der laufenden AHV-Renten zur Disposition stellen, winkten alle grossen Parteien mehr oder weniger entschieden ab. Die SP erklärte, der Mischindex sei für sie unantastbar. Die CVP meinte, fürs Sparen sei es sinnvoller, die Renten weniger häufig anzupassen, wie dies ja in der 11. AHV-Revision vorgesehen ist. Auch Politiker der FDP und sogar der SVP, welche in der Vergangenheit selber schon angeregt hatten, die Renten lediglich der Preisentwicklung anzupassen, sprachen sich nun dagegen aus. Im Vorfeld des Ausflugs auf die Petersinsel brachte Bundespräsident Couchepin das Thema in einer etwas anderen Form in die Diskussion. Seiner Ansicht nach sollte der Mischindex zur Berechnung der Ausgangsrente beibehalten, für die periodische Erhöhung der laufenden Renten hingegen abgeschafft werden.

Mischindex

Nicht nur beim AHV-Gesetz, sondern auch bei der BVG-Revision widersetzte sich der Nationalrat dem Ständerat und hielt an seinem Bestreben fest, die Situation der Personen mit niedrigem Einkommen zu verbessern. Er bekräftigte seinen Willen, tiefen Löhnen den Zugang zur 2. Säule zu erleichtern; davon betroffen sind v.a. Frauen und Teilzeitbeschäftigte. Die Kommission hatte grundsätzlich am Beschluss des Vorjahres festhalten wollen, die Eintrittsschwelle sofort auf CHF 18'990 zu senken, hatte aber, um die Erhöhung der Altersgutschriften für ältere Arbeitnehmer zu vermeiden, auf ihre ursprüngliche Idee eines flexiblen, lohnabhängigen Koordinationsabzuges verzichtet. Gegen diese Auffassung setzte sich mit 91 zu 71 Stimmen ein Antrag Rechsteiner (sp, BS) durch, der die Unterstützung der SVP fand, die sich von der Wirtschaftsverträglichkeit des neuen Modells überzeugen liess. Demnach sollte, unter Beibehaltung des flexiblen Koordinationsabzugs, die heutige Eintrittsschwelle von CHF 25'320 so lange eingefroren werden, bis der Indexstand (Lohnentwicklung und Teuerung) so weit angehoben ist, dass dieser Betrag real drei Viertel einer maximalen AHV-Rente (heute CHF 18'990) entspricht. So wären kleine Einkommen während einer Dauer von 10 bis 20 Jahren schrittweise ins BVG „hineingewachsen“. Als Hauptargumente für seine Lösung nannte Rechsteiner die vorderhand ausbleibende Belastung der Wirtschaft sowie einen höheren Nutzen für die Versicherten. Im Namen der FDP warnte Triponez (BE) dagegen vor weiteren Leistungsverbesserungen; sein Antrag, beim Status quo zu bleiben, wurde mit 92 zu 70 Stimmen abgelehnt.

Im Berichtsjahr wurden die Revisionen von AHV und BVG stets gleichzeitig behandelt; davon erhoffte man sich mehr politischen Handlungsspielraum. Gleich zu Beginn seiner Amtszeit im EDI sprach sich Bundesrat Couchepin gegen eine Öffnung der 2. Säule für tiefere Einkommen aus. Er erklärte, er sei in diesem Bereich grundsätzlich nicht zu neuen Leistungen bereit, solange das ganze System nicht stabilisiert sei.

1. BVG-Revision (BRG 00.027)
Dossier: Déduction de coordination et seuil d'entrée LPP
Dossier: 1re révision de la loi fédérale sur la prévoyance professionnelle vieillesse, survivants et invalidité (LPP; 1990-2005)

Kaum im Amt als neuer Vorsteher des EDI legte Bundespräsident Couchepin seine Vorstellungen für die künftige Entwicklung der Altersvorsorge dar. Insbesondere sprach er sich dafür aus, mittelfristig das Rentenalter um ein oder zwei Jahre hinaufzusetzen. In einem Positionspapier, das er dem Gesamtbundesrat kurz vor seinem traditionellen Medienspaziergang auf die Petersinsel vorlegte, plädierte er für eine Erhöhung vorerst auf 66 (2015) und später auf 67 Jahre (2025). SP, Grüne und CVP wiesen diesen Vorschlag umgehend zurück; selbst die SVP, die 2000 sogar eine Erhöhung auf 68 Jahre verlangt hatte, äusserte sich – wenige Wochen vor den anstehenden eidgenössischen Wahlen – reserviert. Einzig die FDP hielt zu ihrem Bundesrat. Der Arbeitgeberverband unterstützte ebenfalls eine Erhöhung, wollte sich aber nicht auf ein starres Regelrentenalter festlegen, sondern verlangte eine Flexibilisierung nach oben.

Rentenalter

Entgegen einem Antrag Brunner (sp, GE) beharrte der Ständerat mit 39 zu 4 Stimmen aus Rücksicht auf die Bundesfinanzen darauf, dem Bund seinen Anteil am Ertrag des Demografieprozents und der neuen Mehrwertsteuerprozentpunkte zu belassen. Beim Ausmass der Erhöhung zu Gunsten der IV schloss sich die kleine Kammer mit 33 zu 9 Stimmen hingegen dem Nationalrat an. Vergeblich versuchte Brunner darauf aufmerksam zu machen, dass diese beiden Beschlüsse zueinander in Widerspruch stünden. 0,8% ohne Bundesanteil würden etwa 1% mit Bundesanteil entsprechen; bei 0,8% mit Bundesanteil sei eine Sanierung der IV praktisch ausgeschlossen. Mit ihrer Argumentation fand sie die Zustimmung ihrer Genfer Kollegin Saudan (fdp) sowie von Bundespräsident Couchepin. Der Kommissionssprecher begründete den Antrag auf 0,8% mit dem politischen Druck, der auf den Bundesrat, das BSV, die kantonalen IV-Stellen und die zuständige ärztliche Kommission ausgeübt werden soll, mit der Gewährung von neuen Invalidenrenten zurückhaltend zu sein. Bei der Zusatzfinanzierung der AHV bot der Ständerat Hand zu einem Kompromiss: er verzichtete stillschweigend darauf, den Finanzierungsbeschluss aufzusplitten, doch wollte er lediglich eine erste Erhöhung um 0,5% vornehmen.

11. AHV-Revision (BRG 00.014)
Dossier: 11e révision de l'AVS (1991-2004; 2005-2010)
Dossier: Débats sur l'âge de la retraite des femmes

Im Bundesamt für Sozialversicherungen (BSV) erfolgten im Berichtsjahr gewichtige personelle Veränderungen. Am 1. Januar übernahm der Freisinnige Couchepin als neuer Vorsteher des Departements des Innern (EDI) die Verantwortung für dieses Amt. Kurze Zeit darauf gab BSV-Direktor Piller seinen Rücktritt per Ende Februar bekannt. Der Wechsel an der Spitze des BSV war nach der Rochade im Bundesrat allgemein erwartet worden. Pillers Nachfolge trat Yves Rossier an, bisher Direktor des Sekretariats der Eidgenössischen Spielbankenkommission (ESBK). Kurz nach seinem Amtsantritt liess Couchepin Vor- und Nachteile einer Eingliederung der Abteilung Kranken- und Unfallversicherung des BSV ins Bundesamt für Gesundheit (BAG) auf die Frage hin prüfen, inwieweit sich mit dieser Umstrukturierung die Koordination der zentralen Fragen im Gesundheitsbereich innerhalb des EDI verbessern liesse. Auf seinen Antrag stimmte der Bundesrat im September dieser Abteilungsverlegung zu, die auf den 1.1.2004 effektiv wird. Auf Antrag des BR wurde eine Motion der liberalen Fraktion, die eine externe Untersuchung des BSV verlangte, abgelehnt.

Bundesamt für Sozialversicherungen

In der Sommersession folgte der Ständerat dem Bundesrat in den wesentlichen Punkten, verweigerte aber dem Solidaritätsbeitrag seine Zustimmung mit der Begründung, dass bei dessen Einführung versprochen worden sei, dass es sich lediglich um eine vorübergehende Massnahme handle. Mit Unterstützung der SP und von welschen Abgeordneten der FDP setzte sich Bundesrat Couchepin vergeblich dafür ein, das zusätzliche Lohnprozent weiterhin zu erheben, um gegen Konjunktureinbrüche gewappnet zu sein. Auf Antrag der Kommission wurde der Bundesrat aber verpflichtet, bei Erreichen eines Schuldenstandes des Ausgleichsfonds von 2,5% dem Parlament eine Beitragserhöhung vorzulegen. Nicht durchsetzen konnte sich ein Antrag aus der SP, älteren Arbeitslosen bereits ab 50 Jahren die verlängerte Bezugsdauer zu gewähren .

3.Revision des Gesetzes über die Arbeitslosenversicherung (AVIG)

Der Bundesrat nahm eine grössere Revision des Gesetzes über die Arbeitslosenversicherung (AVIG) in Angriff, welche die langfristige Finanzierung der ALV sicherstellen soll. Entsprechende Vorschläge gingen im September in die Vernehmlassung. Mit dem Auslaufen der Notmassnahmen für die Rückzahlung der Schulden der ALV (Ende 2003) soll der Beitragssatz wieder auf zwei Lohnprozente für Arbeitnehmer und Arbeitgeber zurückgefahren werden, Löhne zwischen CHF 106'800 (maximaler versicherter Verdienst) und CHF 267'000 bleiben aber weiterhin mit einem Prozent belastet (Deplafonierung). Damit eine über einen Konjunkturzyklus ausgeglichene Rechnung der Versicherung möglich wird, sollen sich der Bund und die Kantone fest an den Kosten der Regionalen Arbeitsvermittlungszentren und der arbeitsmarktlichen Massnahmen beteiligen. Die Belastung von Bund und Kantonen wird dadurch im Vergleich zu heute nur wenig erhöht. Die Mindestbeitragszeit für die Geltendmachung von Ansprüchen soll von sechs auf zwölf Monate erhöht und die Entschädigungsdauer von 520 auf 400 Tage gekürzt werden, wobei für ältere Arbeitnehmer sowie IV- und UV-Rentner die heutige Dauer belassen werden soll. Weitergehenden Forderungen bürgerlicher Politiker (degressiv abgestufte Taggelder, schärfere Zumutbarkeitsregeln, längere Wartezeiten für den Bezug von Taggeldern, Aufteilung der ALV in eine obligatorische Grundversicherung und eine freiwillige Zusatzversicherung) erteilte der Bundesrat eine Absage, da sie in den meisten Fällen nur die Sozialhilfe belasten würden. Das Seco prüfte Vorschläge, von Unternehmen und Branchen, die eine „Hire and Fire“-Politik betreiben, höhere Beiträge an die ALV zu verlangen, nahm diese dann aber nicht in die Vernehmlassungsvorlage auf. In Skandinavien und in einzelnen Staaten der USA hat man mit differenzierten Beiträgen gute Erfahrungen gemacht. Eine Reduktion bei den Taggeldern, die in der Volksabstimmung von 1997 deutlich verworfen wurde, lehnte Wirtschaftsminister Couchepin ab, da sie zu gravierenden sozialen Problemen führen könnte. Er bezeichnete die Vorlage als ausgewogen und den Anliegen der Arbeitnehmer und der Arbeitgeber Rechnung tragend. Diese Einschätzung wurde durch die gleichmässig verteilte Unzufriedenheit der Sozialpartner bestätigt. Der Arbeitgeberverband zeigte sich „schockiert“ ob der Absicht des Bundesrates, eine „Reichtumssteuer“ einzuführen („Solidaritätsbeitrag“ der höheren Einkommen), die Gewerkschaften stuften diesen als zu niedrig ein und kritisierten, mit den Leistungskürzungen bitte der Bundesrat die „Schwächsten der Gesellschaft zusätzlich zur Kasse“.

3.Revision des Gesetzes über die Arbeitslosenversicherung (AVIG)

Im Frühjahr nahm die Kommission für soziale Sicherheit und Gesundheit des Nationalrates die Beratung dieser Vorlage auf. Sie verlangte vom BSV eine Reihe von Zusatzberichten zu den gesamtwirtschaftlichen und gesellschaftlichen Aspekten der Revision sowie zur Koordination mit der 1. BVG-Revision. Mehr wissen wollte sie insbesondere über die finanzielle Entwicklung der AHV, die Situation der Frauen, die wirtschaftliche Bedeutung der Witwen- und Witwerrente sowie die Lage der über 60-Jährigen auf dem Arbeitsmarkt. Auskunft verlangte sie auch darüber, ob das Leistungsprofil des BVG dem Verfassungsauftrag (Fortsetzung der gewohnten Lebenshaltung) noch entspricht. Beim Ausbau der Finanzierung über Mehrwertsteuerprozente folgte die SGK grundsätzlich dem Bundesrat, lehnte es aber ab, gleichzeitig mit dieser Vorlage auch die Finanzierung der IV zu regeln. Sie bekräftigte zudem ihren Willen, die Einnahmen aus den für die AHV bestimmten Mehrwertsteuerprozenten vollumfänglich dieser zukommen zu lassen. Den Vorschlag, den Beitragssatz der Selbstständigerwerbenden von 7,8 auf 8,1% zu erhöhen und den Freibetrag für Rentner aufzuheben, hiess sie trotz Opposition aus Gewerbekreisen gut. Andere Weichenstellungen als der Bundesrat nahm sie dagegen bei den Witwenrenten vor, welche sie weniger stark abbauen wollte. Nach dem Modell der Kommission soll eine Witwe einen unbefristeten Rentenanspruch haben, wenn sie über 45 Jahre alt ist, bevor das jüngste Kind das 18. Altersjahr vollendet hat; der Bundesrat hatte die Altersgrenze bei 50 Jahren angesetzt. Für die laufenden Renten beschloss die SGK die volle Besitzstandsgarantie; der Bundesrat hatte lediglich eine Schonfrist von drei Jahren vorgesehen. Damit niemand durch die Maschen fällt, sollen nach dem Vorschlag der Kommission Witwen und Witwer in prekären finanziellen Verhältnissen Anspruch auf Ergänzungsleistungen haben – unabhängig davon, ob sie eine Verwitwetenrente beziehen oder nicht. Aus Rücksicht auf die anstehende Volksabstimmung über die beiden Rentenalterinitiativen beschloss die SGK, die Frage des flexiblen Rentenalters erst im kommenden Jahr zu behandeln.

Gegen einen Abbau bei den Witwenrenten wehrten sich nach der SP auch die Frauenorganisationen der bürgerlichen Parteien FDP und CVP, die fanden, eine gänzliche Abkehr vom Versorgerprinzip beim Aufbau der Altersvorsorge sei nicht reif, solange es nicht bessere Strukturen für die Erwerbstätigkeit von Müttern (insbesondere ausserhäusliche Kinderbetreuung) gebe. Nationalrätin Egerszegi (fdp, AG) regte an, die Witwer- und Witwenrenten analog zu den EL nur noch finanzschwachen Personen und nicht mehr nach dem Gieskannenprinzip auszurichten.

FDP-Parteipräsident Steinegger sprach sich für eine generelle Erhöhung des Rentenalters auf 66 oder 67 Jahre aus anstatt einer Anhebung der Mehrwertsteuer. Er nahm damit Überlegungen der beiden freisinnigen Bundesräte Villiger und Couchepin auf, die bereits im Vorjahr ein Pensionsalter „65 plus“ zur Diskussion gestellt hatten. Die welschen Freisinnigen distanzierten sich von den Aussagen Steineggers, die sie als für ihre Wählerschaft verunsichernd bezeichneten.

11. AHV-Revision (BRG 00.014)
Dossier: 11e révision de l'AVS (1991-2004; 2005-2010)
Dossier: Débats sur l'âge de la retraite des femmes