Réinitialiser la recherche

Contenu

  • Partis

Acteurs

Processus

2386 Résultats
Sauvegarder en format PDF Pour plus d'information concernant l'utilisation de la requête cliquer ici

Jahresrückblick 2023: Parteien

Für die Parteien stand das Jahr 2023 überwiegend im Zeichen der National- und Ständeratswahlen sowie der Gesamterneuerungswahlen des Bundesrats. Dies schlägt sich auch in der Medienpräsenz der Parteien nieder, die sich dem Spitzenwert aus dem letzten eidgenössischen Wahljahr 2019 annäherte und im Wahlmonat Oktober kulminierte (vgl. Abbildungen 1 und 2 der APS-Zeitungsanalyse).

Die SVP lancierte ihren Wahlkampf mit einem neuen Parteiprogramm, das sich unter anderem gegen «Gender-Terror und Woke-Wahnsinn» wandte. Im Wahlkampf rückte die Partei mit der Asyl- und Migrationspolitik indessen zunehmend zwei ihrer klassischen Kernthemen ins Zentrum. Nebst ihren inhaltlichen Forderungen bescherten der SVP auch ein Wahlkampfsong und ein aufwändiger Wahlkampfanlass viel Aufmerksamkeit. Bei den Nationalratswahlen erzielte die Partei schliesslich das drittbeste Resultat ihrer Geschichte, im Ständerat musste sie hingegen Verluste hinnehmen. Bei den Bundesratswahlen sprach sich die SVP für ein Festhalten an der bisherigen Sitzverteilung aus, erhob jedoch – letztlich ohne Erfolg – mit einem Zweierticket Anspruch auf die Nachfolge von Bundeskanzler Walter Thurnherr.
Auch in diesem Jahr zeigte sich die SVP aktiv bei der Nutzung der Volksrechte. So lancierte sie ihre «Nachhaltigkeitsinitiative» und brachte – unter Rückgriff auf unübliche Methoden – das Referendum gegen das Klimagesetz zustande, an der Urne konnte sie das Gesetz aber nicht zu Fall bringen. Verschiedentlich wurde in den Medien diskutiert, ob sich die SVP genügend gegen Rechtsextremismus abgrenze. Anlass dazu boten unter anderem die in zwei Kantonen eingegangenen Listenverbindungen mit Mass-voll und Verbindungen einzelner SVP-Exponentinnen und -Exponenten zur Jungen Tat.

Die SP konnte sowohl bei den Nationalrats- als auch bei den Ständeratswahlen zulegen. Eine Erklärung für den Wahlerfolg sah die Presse in der Themenlage, die der SP mit Inflation, steigenden Mieten und Krankenkassenprämien in die Hände gespielt habe. Die Partei hatte in ihrem Wahlkampf denn auch das Thema Kaufkraft an erste Stelle gesetzt. Im Rampenlicht stand die SP im Zusammenhang mit den Bundesratswahlen, bei denen sie den Sitz des zurücktretenden Alain Berset zu verteidigen hatte (vgl. Abbildung 1). Letztlich wählte die Bundesversammlung mit Beat Jans unter einigen Nebengeräuschen einen der beiden offiziellen SP-Kandidaten.
In der direktdemokratischen Arena musste die SP eine Niederlage hinnehmen, als die von ihr bekämpfte OECD-Mindeststeuer an der Urne deutlich angenommen wurde. Einen Erfolg konnte sie hingegen mit dem Zustandekommen ihrer Kita-Initiative verbuchen. Bereits vor den Wahlen hatte die SP ihr Fraktionspräsidium neu zu besetzen. Wie schon die Bundespartei wird nun auch die Fraktion von einem geschlechtergemischten Co-Präsidium geführt.

Für die FDP verliefen die National- und Ständeratswahlen enttäuschend. Im Wahlkampf hatten Diskussionen dazu, ob die grossflächigen Listenverbindungen mit der SVP für die FDP strategisch sinnvoll seien oder gemässigte Wählende abschreckten, ihre inhaltlichen Wahlkampfthemen teilweise in den Schatten gestellt. Die Vorwürfe, die FDP verkomme zur Juniorpartnerin der SVP, verstärkten sich noch, als sich die Freisinnigen vor den zweiten Ständeratswahlgängen in mehreren Kantonen zugunsten der SVP-Kandidaturen zurückzogen. Die Verluste bei den Parlamentswahlen befeuerten die Diskussion, ob die Doppelvertretung der FDP im Bundesrat noch gerechtfertigt sei; bei den Bundesratswahlen gerieten die beiden FDP-Sitze trotz eines Angriffs der Grünen aber nicht ernsthaft in Gefahr.

Die Mitte konnte bei den ersten nationalen Wahlen nach der Parteifusion den kumulierten Wählendenanteil von CVP und BDP leicht übertreffen, überholte bei den Nationalratssitzen die FDP und baute im Ständerat ihre Position als stärkste Partei aus. Parteipräsident Gerhard Pfister liess darauf verlauten, er sehe die Mitte, die sich im Wahlkampf als Anti-Polarisierungspartei profiliert hatte, künftig als Anführerin eines dritten Pols mit eigenständiger Themensetzung. Vor den Bundesratswahlen entschied sich die Mitte trotz ihres Wahlerfolgs dagegen, auf Kosten der FDP einen zweiten Bundesratssitz zu beanspruchen, da eine Abwahl wiederkandidierender Regierungsmitglieder vermieden werden solle. Bei einem FDP-Rücktritt werde eine Mitte-Kandidatur aber Thema werden. Mit unvorteilhaften Schlagzeilen war die Mitte im Frühling konfrontiert, als ehemalige Mitarbeitende der Partei Vorwürfe erhoben, im Generalsekretariat werde gemobbt.

Die Grünen konnten im Frühling ihr 40-jähriges Jubiläum begehen, hatten 2023 ansonsten aber nicht viel zu feiern. Bei den eidgenössischen Wahlen erlitten sie in beiden Räten deutliche Einbussen. Die Parteispitze betonte zwar, man habe das nach der «Klimawahl» 2019 zweitbeste Resultat der Parteigeschichte erzielt. Gleichwohl kam Parteipräsident Balthasar Glättli zum Schluss, er wolle als «Gesicht des Misserfolgs» sein Amt 2024 abgeben. Im Wahlkampf hatte eine millionenschwere Wahlkampfspende einer Gönnerin für einige Schlagzeilen gesorgt. Inhaltlich setzten die Grünen vor allem auf ihre Kernthemen Klima und Ökologie sowie Gleichstellung. Passend dazu beschlossen sie im August die Lancierung einer neuen Volksinitiative zum Ausbau der Solarenergie.
Ungeachtet ihrer geschwächten Position im Parlament wollten die Grünen im Dezember erstmals in den Bundesrat einziehen und griffen mit Nationalrat Gerhard Andrey die beiden Bundesratsmitglieder der FDP, nicht aber die SP-Sitze an. Nachdem Andrey bei seiner gemeinhin erwarteten Nichtwahl wohl nur eine Minderheit der SP-Stimmen erhalten hatte, konnte sich Glättli aber auch für künftige Angriffe auf SP-Bundesratssitze erwärmen. Unerfreulich war für die Grünen sodann eine Serie von Parteiaustritten von Kantonsparlamentarierinnen und -parlamentariern.

Nach Erfolgen bei mehreren kantonalen Parlamentswahlen brachten die Nationalratswahlen für die GLP einen herben Dämpfer. Ihre Nationalratsfraktion schrumpfte – teilweise wegen Proporzpech – um mehr als einen Drittel, worüber der geglückte Wiedereinzug in den Ständerat nicht hinwegtrösten konnte. Ihre zuvor gehegten Bundesratsambitionen begruben die Grünliberalen nach dem deutlichen Verpassen ihrer Wahlziele, mit Viktor Rossi konnten sie aber immerhin den Kampf ums Bundeskanzleramt für sich entscheiden. Als neue Fraktionspräsidentin bestimmte die GLP im Dezember Corina Gredig (glp, ZH).
Nach den Wahlen gab die künftige Ausrichtung der Partei Stoff für Spekulationen: Während Parteipräsident Jürg Grossen in Interviews gewisse Avancen nach Rechts zu machen schien, schloss sich die einzige GLP-Ständerätin der Ratsgruppe der Grünen an, der grösste Spender der Partei wiederum regte öffentlich eine Fusion mit der Mitte an.

Für die kleineren Parteien hielt das Jahr 2023 Unterschiedliches bereit. Dies gilt etwa für die EVP, die in Basel-Landschaft erstmals überhaupt den Sprung in eine Kantonsregierung schaffte, bei den eidgenössischen Wahlen aber den Nationalratssitz ihrer Parteipräsidentin einbüsste. Das Mouvement Citoyens Genevois wiederum verlor seinen Regierungssitz in Genf, konnte aber den Einzug in National- und Ständerat feiern. Nicht mehr im Bundesparlament vertreten sind die PdA und Ensemble à Gauche.

Erstmals kamen bei den eidgenössischen Wahlen die neuen Transparenzregeln des Bundes für die Politikfinanzierung zur Anwendung. Auswertungen der Daten in den Medien zeigten zwar, dass solche Analysen aus verschiedenen Gründen mit nennenswerten Unschärfen verbunden bleiben. Der Hauptbefund aber, dass FDP und SVP mit deutlichem Abstand vor SP und Mitte sowie Grünen und GLP über die grössten Wahlkampfbudgets verfügten, schien unbestritten.

Jahresrückblick 2023: Parteien
Dossier: Rétrospective annuelle 2023

Die SP im Jahr 2023: Kurzüberblick

Die SP startete mit einer Stabilisierung ihres Wählendenanteils bei den Zürcher Wahlen ins Jahr, und in Luzern gelang ihr die Rückkehr in die Kantonsregierung. Auch wenn die Partei bei einigen anderen kantonalen Wahlen des Jahres – unter anderem im Tessin, wo ihr eine Parteiabspaltung zu schaffen machte – weniger gut abschnitt, ergab dies zusammen mit zunehmend positiven nationalen Umfragewerten in den Medien das Bild einer Partei, die sich nach einer längeren Phase von Niederlagen bei kantonalen Wahlen wieder gefangen hatte.
In der Tat vermochte die SP schliesslich sowohl bei den Nationalrats- als auch bei den Ständeratswahlen zuzulegen. Eine Erklärung für den Wahlerfolg sah die Presse in der Themenlage, die mit Inflation, steigenden Mieten und einem Schub bei den Krankenkassenprämien der SP in die Hände gespielt habe: In ihrem Wahlkampf hatte die Partei – nebst Gleichstellung und Klimaschutz – vor allem das Thema Kaufkraft propagiert.
Im Rampenlicht stand die SP im Zusammenhang mit den Bundesratswahlen, bei denen sie den Sitz des zurücktretenden Alain Berset zu verteidigen hatte. War zunächst noch spekuliert worden, dass die Grünen mit bürgerlicher Unterstützung den SP-Sitz angreifen könnten, wurde der Anspruch der SP auf zwei Bundesratssitze spätestens nach den eidgenössischen Parlamentswahlen im Prinzip kaum mehr in Frage gestellt – von bürgerlicher Seite jedoch unter der Bedingung, dass die SP den Angriff der Grünen auf die FDP-Sitze nicht unterstütze. Die Mehrheit der SP-Fraktion erfüllte – nach eigenen Angaben «contre coeur» – diese Bedingung, was wiederum die Grünen vertäubte. Des Weiteren gab es kurz vor der Bundesratswahl aus den bürgerlichen Parteien Drohungen, eine SP-Vertretung ausserhalb des offiziellen SP-Tickets zu wählen. Auf dieses hatte die SP-Fraktion den Basler Regierungsrat Beat Jans und den Bündner Nationalrat Jon Pult gesetzt. Vier weitere Kandidierende – darunter wie schon im Vorjahr auch die Berner Regierungsrätin Evi Allemann und der Zürcher Ständerat Daniel Jositsch – blieben auf der Strecke. Die Bundesversammlung entschied sich letztlich deutlich für Beat Jans, der sich in den Anhörungen bei den anderen Fraktionen gemäss Medienberichten konzilianter gegeben hatte als Jon Pult. Dieser erhielt in allen drei Wahlgängen gar weniger Stimmen als Daniel Jositsch. Bei der Departementsverteilung blieben das EDI und das EJPD in SP-Hand, wobei überraschend die bisherige EJPD-Vorsteherin Elisabeth Baume-Schneider ins EDI wechselte und der Neugewählte Beat Jans somit das EJPD übernahm.
In der direktdemokratischen Arena musste die SP eine Niederlage hinnehmen, als die von ihr bekämpfte OECD-Mindeststeuer an der Urne deutlich angenommen wurde. Die Nein-Parole dazu hatten die Parteidelegierten entgegen der Empfehlung der Parteileitung gefasst, welche Stimmfreigabe beantragt hatte. Einen Erfolg konnte die SP verbuchen, indem sie im Sommer ihre Kita-Initiative zustande brachte.
Bereits vor den Wahlen hatte die SP ihr Fraktionspräsidium im Bundeshaus neu zu besetzen. Die Doppelkandidatur von Samira Marti und Samuel Bendahan für die Nachfolge von Roger Nordmann blieb ohne Konkurrenz, womit die Fraktion nun wie schon die Bundespartei von einem geschlechtergemischten Co-Präsidium geführt wird.

Die SP im Jahr 2023: Kurzüberblick
Dossier: Bref aperçu des partis politiques en 2023

Die SVP im Jahr 2023: Kurzüberblick

Für die SVP stand das Jahr 2023 wie auch für die übrigen Parteien stark im Zeichen der National- und Ständeratswahlen. So lancierte sie zu Jahresbeginn ihren Wahlkampf mit einem neuen Parteiprogramm, das sich unter anderem in einem eigenen Kapitel gegen «Gender-Terror und Woke-Wahnsinn» wandte. Im Lauf des Wahlkampfs rückte die Partei mit der Asyl- und Migrationspolitik indessen zunehmend zwei ihrer klassischen Kernthemen ins Zentrum; dabei wurde ihre Kampagne von der Eidgenössischen Kommission gegen Rassismus EKR als «fremdenfeindlich und hetzerisch» taxiert, worauf die Partei von Zensur sprach. Nebst ihren inhaltlichen Forderungen bescherten der SVP auch ein Wahlkampfsong, mit dem sie womöglich Urheberrechte verletzte, und ein aufwändig inszenierter Wahlkampfanlass viel Aufmerksamkeit.

Bei den Nationalratswahlen trug der intensive Wahlkampf für die Partei reiche Früchte, indem sie sowohl beim Wählendenanteil als auch bei der Sitzzahl markant zulegte und das drittbeste Resultat ihrer Geschichte erzielte. Im Ständerat musste die SVP hingegen Verluste hinnehmen und wurde nur viertstärkste Partei. Dass sich die SVP als Polpartei bei Majorzwahlen immer wieder schwertut, hatte sich auch bei den Baselbieter Wahlen gezeigt, wo sie ihren einzigen Sitz in der Kantonsregierung an die Kleinpartei EVP verlor.

Bei den Bundesratswahlen sprach sich die SVP für ein Festhalten an der bisherigen Sitzverteilung aus, erhob jedoch Anspruch auf die Nachfolge von Bundeskanzler Walter Thurnherr und legte dafür ein Zweierticket vor. In der Bundesversammlung machte jedoch der GLP-Kandidat und bisherige Vizekanzler Viktor Rossi das Rennen. Die SVP muss somit weiter auf ihre erste Bundeskanzlerin oder ihren ersten Bundeskanzler warten.

Im Übrigen zeigte sich die SVP auch in diesem Jahr aktiv bei der Nutzung der Volksrechte. So lancierte sie – passend zu ihren Wahlkampfthemen – die «Nachhaltigkeitsinitiative», die mit Massnahmen im Asyl- und Migrationsbereich das Bevölkerungswachstum bremsen soll. Zu Beginn des Jahres hatte die Partei zudem das Referendum gegen das Klimagesetz zustande gebracht – und dabei intern für böses Blut gesorgt, weil nach einem harzigen Start zur Unterschriftensammlung ein Strafgeld für Fraktionsmitglieder beschlossen wurde, die nicht mindestens 150 Unterschriften beisteuerten. An der Urne drang die SVP mit ihrem Widerstand gegen das Gesetz schliesslich nicht durch, ebensowenig wie mit ihrer Nein-Parole zur fünften Revision des Covid-19-Gesetzes.

Verschiedentlich wurde in den Medien diskutiert, ob sich die SVP genügend gegen Rechtsextremismus abgrenze. Anlass dazu boten unter anderem die in zwei Kantonen eingegangenen Listenverbindungen mit Mass-voll und das Bekanntwerden von Verbindungen einzelner SVP-Exponentinnen und -Exponenten zur Jungen Tat.

Für einige Schlagzeilen sorgten im Herbst Vorwürfe an SVP-Präsident Marco Chiesa, wonach dieser bei der Führung seiner Tessiner Treuhandfirma über ein Jahr lang gegen Vorgaben des kantonalen Gesetzes verstossen habe. Chiesa wies die Vorwürfe zurück.

Die SVP im Jahr 2023: Kurzüberblick
Dossier: Bref aperçu des partis politiques en 2023

Die FDP im Jahr 2023: Kurzüberblick

Das dominierende Ereignis des Parteienjahrs 2023, die eidgenössischen Wahlen, verlief für die FDP enttäuschend: Nicht nur verpassten die Freisinnigen deutlich ihr ursprüngliches Ziel, beim Wählendenanteil die SP als zweitstärkste Partei abzulösen, sondern am Ende konnten sie sogar den dritten Platz nur knapp vor der Mitte verteidigen. Bei der Anzahl Sitze fielen sie gar hinter die Mitte zurück, und auch im Ständerat büssten die Freisinnigen ein Mandat ein. Die Verluste befeuerten die Diskussionen, ob die Doppelvertretung der FDP im Bundesrat noch gerechtfertigt sei; letztlich gerieten die beiden FDP-Sitze bei den Bundesratswahlen aber trotz eines Angriffs der Grünen nicht ernsthaft in Gefahr.
Im Wahlkampf waren sowohl parteiintern als auch in den Medien Kontroversen darum entbrannt, ob die grossflächigen Listenverbindungen mit der SVP für die FDP strategisch sinnvoll seien oder gemässigte Wählende abschreckten. Die inhaltlichen Wahlkampfthemen der Freisinnigen wurden von diesen Diskussionen teilweise in den Schatten gestellt. Die Vorwürfe, die FDP verkomme zu einer Juniorpartnerin der SVP, verstärkten sich noch, als sich die Freisinnigen vor den zweiten Ständeratswahlgängen in mehreren Kantonen zugunsten der SVP-Kandidaturen zurückzogen.
Aufgrund der Vorgeschichte hatten manche Beobachterinnen und Beobachter im Frühling vor der Parolenfassung zum Klima- und Innovationsgesetz eine Zerreissprobe für die Partei erwartet. Eine solche blieb jedoch aus, die Parteidelegierten fassten letztlich deutlich, wenn auch ohne grosse Begeisterung, die Ja-Parole. Ob an der Urne schliesslich anders als noch beim CO2-Gesetz 2021 eine Mehrheit der Sympathisierenden der Partei der Ja-Parole folgte, dazu lieferten die Nachbefragungen widersprüchliche Ergebnisse.
In mehreren, auch gewichtigen, FDP-Kantonalsektionen kam es im Berichtsjahr zu Wechseln an der Parteispitze. So wählten die Freisinnigen in Zürich, Bern, Genf, Neuenburg und Jura neue Kantonalpräsidien.

Die FDP im Jahr 2023: Kurzüberblick
Dossier: Bref aperçu des partis politiques en 2023

Die Mitte im Jahr 2023: Kurzüberblick

Für die Mitte brachte das Jahr 2023 mit den ersten nationalen Wahlen nach der Parteifusion aus CVP und BDP eine Bewährungsprobe. Dabei konnte die Mitte ihr deklariertes Wahlziel, den kumulierten Wählendenanteil der beiden Vorgängerparteien zu halten, leicht übertreffen, und überholte bei der Zahl der Nationalratssitze die FDP. Im Ständerat baute sie ihre Position als stärkste Partei aus. Viele Medienkommentare erwarteten sie deshalb in den kommenden Jahren noch stärker in der Rolle als Mehrheitsmacherin. Dem Parteipräsidenten Gerhard Pfister schwebte für die Mitte, die sich in ihrem Wahlkampf als Anti-Polarisierungspartei profiliert hatte, freilich nicht einfach eine vermittelnde Rolle zwischen Rechts und Links vor, sondern eine Positionierung als Anführerin eines dritten Pols im Zentrum des politischen Spektrums, die eigenständig Themen setzen soll.
Dass die Mitte bei den Sitzanteilen die FDP überholte, gab medialen Diskussionen Auftrieb, ob sie einen zweiten Bundesratssitz auf Kosten der Freisinnigen beanspruchen könnte. Parteipräsident Pfister und die Fraktion wollten einen solchen Schritt jedoch erst «mittelfristig» ins Auge fassen, da sie eine Abwahl wiederkandidierender Bundesratsmitglieder ablehnten.
Mit unvorteilhaften Schlagzeilen sah sich die Mitte im Frühling konfrontiert, als ehemalige Mitarbeitende der Partei Vorwürfe erhoben, im Generalsekretariat werde gemobbt und es herrsche «ein Klima der Angst». Zumindest in den Medien zogen die Vorwürfe aber keine weiteren Kreise.

Die Mitte im Jahr 2023: Kurzüberblick
Dossier: Bref aperçu des partis politiques en 2023

Die Grünen im Jahr 2023: Kurzüberblick

Die Grünen konnten im Frühling ihr 40-jähriges Jubiläum begehen, hatten im Berichtsjahr ansonsten aber nicht viel zu feiern. Bei den eidgenössischen Wahlen erlitten sie in beiden Räten deutliche Einbussen. Viele Medien sahen die Partei damit wieder in die Rolle einer Juniorpartnerin im linksgrünen Lager abrutschen, welche nach dem fulminanten Wahlerfolg 2019 in Frage gestellt war. Die Niederlage hatte sich in nationalen Umfragen und kantonalen Wahlen bereits abgezeichnet und wurde in den Medien oft damit erklärt, dass der Klimawandel angesichts neuer Krisen viele Leute nicht mehr gleich stark bewegt habe wie noch bei der «Klimawahl» 2019. Die Parteispitze betonte zwar, man stehe immer noch stärker da als vor 2019 und habe das zweitbeste Resultat der Parteigeschichte erzielt. Gleichwohl kam Parteipräsident Balthasar Glättli nach den Wahlen zum Schluss, er wolle der Partei einen Neubeginn ermöglichen und als «Gesicht des Misserfolgs» sein Amt im Frühling 2024 abgeben.
Im Wahlkampf sorgte eine Millionenspende, die die Grünen von einer Gönnerin erhalten hatten und für eine eigene App zur Mobilisierung ihrer Mitglieder verwendeten, für einiges Aufsehen. Inhaltlich setzten die Grünen im Wahlkampf vor allem auf ihre Kernthemen Klima und Ökologie sowie Gleichstellung. Passend dazu beschlossen sie im August die Lancierung einer neuen Volksinitiative, welche eine Pflicht zur Installation von Solaranlagen auf geeigneten Dächern und Fassaden bringen soll («Solar-Initiative»).
Ungeachtet ihrer geschwächten Position im Parlament wollten die Grünen im Dezember in den Bundesrat einziehen und griffen mit der Kandidatur des Freiburger Nationalrats Gerhard Andrey die beiden Bundesratsmitglieder der FDP an. Von einem in den Medien immer wieder erörterten Angriff auf ihre Partnerin und Konkurrentin im linksgrünen Lager, die SP, sahen die Grünen ab, nachdem sie einen solchen vorher lange nicht kategorisch ausgeschlossen hatten. Nach dem gemeinhin erwarteten Scheitern von Andreys Kandidatur äusserte sich Parteipräsident Glättli indessen erbost über den Umstand, dass Andrey wohl nur eine Minderheit der SP-Stimmen erhalten hatte; in Zukunft kämen für ihn deshalb auch Angriffe auf SP-Bundesratssitze in Frage.
Unerfreulich war für die Grünen 2023 auch eine Serie von Parteiaustritten von Kantonsparlamentarierinnen und -parlamentariern in vier verschiedenen Kantonen, wobei die Gründe sich von Fall zu Fall unterschieden.

Die Grünen im Jahr 2023: Kurzüberblick
Dossier: Bref aperçu des partis politiques en 2023

Die GLP im Jahr 2023: Kurzüberblick

Im Zentrum des Jahres 2023 standen für die GLP wie auch für die anderen Parteien die National- und Ständeratswahlen. Für die Grünliberalen brachten diese einen herben Dämpfer. Nicht nur ging – nachdem sie sich ursprünglich eine deutliche Steigerung zum Ziel gesetzt hatten – ihr Wählendenanteil leicht zurück, sondern ihre Nationalratsfraktion schrumpfte – teilweise wegen Proporzpech – sogar um mehr als einen Drittel. Dass sie den Wiedereinzug in den Ständerat schafften, war für die Grünliberalen nur ein schwacher Trost. Als neue Fraktionspräsidentin bestimmten die Grünliberalen nach den Wahlen Corina Gredig (glp, ZH), die auf die in den Ständerat wechselnde Tiana Angelina Moser (glp, ZH) folgte.
Ihre zuvor gehegten Bundesratsambitionen begrub die GLP nach dem deutlichen Verpassen ihrer Wahlziele. Mit der Wahl ihres Kandidaten Viktor Rossi zum Bundeskanzler ist sie künftig dennoch im Bundesratszimmer vertreten. Die Grünliberalen sind damit die erste Partei der Schweizer Geschichte, die einen Bundeskanzler stellt, ohne ein Bundesratsmitglied zu haben.
Nach den Parlamentswahlen gab in den Medien die künftige Ausrichtung der GLP Stoff für Spekulationen: Während Parteipräsident Jürg Grossen in Interviews gewisse Avancen nach Rechts zu machen schien, schloss sich mit Tiana Angelina Moser die einzige GLP-Ständerätin der Ratsgruppe der Grünen an. Ein wichtiger Geldgeber der Partei wiederum sprach sich für eine Parteifusion mit der Mitte aus.
Erfreulicher als die eidgenössischen Wahlen waren für die GLP in der ersten Jahreshälfte eine Reihe kantonaler Parlamentswahlen verlaufen, auch wenn die Zugewinne bereits bescheidener als noch in den Vorjahren ausfielen: Im Tessin und in Appenzell Ausserrhoden gelang der GLP jeweils der erstmalige Einzug ins Kantonsparlament, im Baselbieter Landrat erreichte sie erstmals Fraktionsstärke. Und auch in Glarus konnte die GLP – hier nicht aufgrund eines Wahlerfolgs, sondern wegen Parteiübertritten – erstmals eine eigene Fraktion bilden.

Die GLP im Jahr 2023: Kurzüberblick
Dossier: Bref aperçu des partis politiques en 2023

Kleinere Parteien im Wahljahr 2023: Kurzüberblick

Für die kleineren Parteien hielt das Wahljahr 2023 ganz Unterschiedliches bereit. Die EVP startete mit einem Triumph ins Jahr, als sie in Baselland erstmals überhaupt in ihrer 104-jährigen Parteigeschichte den Sprung in eine Kantonsregierung schaffte. Bei den eidgenössischen Wahlen verlor sie dann jedoch einen ihrer bisher drei Nationalratssitze – betroffen war Lilian Studer (AG, evp), die daraufhin verlauten liess, sich nun einen Rücktritt als nationale Parteipräsidentin zu überlegen.
Umgekehrt verlief die Stimmungskurve beim Mouvement Citoyens Genevois, das im Frühling seinen Regierungssitz in Genf verlor, im Herbst aber den Einzug in National- und Ständerat feiern konnte. Nach einigem Hin und Her schlossen sich dort alle seine Vertreter der SVP-Fraktion an.
In der SVP-Fraktion verblieben wie schon in der letzten Legislatur auch die EDU, die im Nationalrat von einem auf zwei Sitze zulegen konnte, und die Lega dei Ticinesi, die ihr einziges Nationalratsmandat hielt; bei den Wählendenanteilen musste letztere sowohl bei den Grossrats- als auch bei den Nationalratswahlen deutliche Einbussen hinnehmen.
Auf der linken Seite des Spektrums konnten weder die PdA noch das linke Wahlbündnis Ensemble à Gauche ihre Sitze im Bundesparlament verteidigen. Letzterem dürften auch die Konflikte innerhalb der Genfer Linken zum Verhängnis geworden sein.
Für keine Parlamentssitze reichte es den aus der Gegnerschaft zu den Covid-Massnahmen hervorgegangenen Organisationen Mass-voll und Aufrecht Schweiz, und zwar weder bei den eidgenössischen Wahlen noch bei den kantonalen Wahlen, zu denen sie antraten. Elektoral erfolgreicher war die ebenfalls dem massnahmenskeptischen Lager zuzurechnende Tessiner Formation HelvEthica, die den Sprung ins Tessiner Kantonsparlament schaffte.
Geradezu fulminant startete in Genf die vom umstrittenen ehemaligen FDP-Regierungsrat Pierre Maudet neu gegründete Bewegung Libertés et Justice sociale, die auf Anhieb einen Regierungs- und zehn Grossratssitze holte.

Kleinere Parteien im Jahr 2023: Kurzüberblick
Dossier: Bref aperçu des partis politiques en 2023

Der Parti Chrétien-Social Indépendant du Jura (PCSI) bestimmte im November 2023 Sophie Guenot, Suppleantin im Kantonsparlament, zu seiner neuen Präsidentin. Guenot war die einzige Kandidatin für das Amt, das nach der Rücktrittsankündigung von Thomas Schaffter per Anfang 2024 neu zu besetzen war. Schaffter hatte der Kantonalpartei seit Februar 2016 vorgestanden.

PCSI Jura

Nachdem die Grünen im Vorjahr bereits Parteiaustritte mehrerer Kantonsparlamentarierinnen und -parlamentarier in den Kantonen Wallis und Glarus hatten hinnehmen müssen, setzte sich der Aderlass 2023 in vier weiteren Kantonen fort. Die Gründe unterschieden sich dabei von Fall zu Fall:

In Bern verliess im Februar der Grossrat Bruno Martin die Partei und die Fraktion. Als Beweggrund nannte der Biowinzer einen «persönlichen Werteentscheid», konkretere Angaben macht er öffentlich nicht. Martin trat vorerst keiner anderen Partei bei, im Berner Grossen Rat schloss er sich der EDU-Fraktion an.

In der Waadt begründete Grossrat und Biobauer Andreas Wüthrich seinen Parteiaustritt im August damit, dass für ihn in seinem Engagement stets ökologische Fragen an erster und soziale Fragen an zweiter Stelle gestanden hätten; bei den Grünen habe er hingegen eine zunehmende Umkehrung dieser Prioritätenordnung wahrgenommen. Zudem bedauere er die wachsende Polarisierung des Politikbetriebs und hoffe, als Parteiunabhängiger künftig auch ausserhalb des linken Lagers mehr Gehör für seine Argumente zu erhalten. Im Grossen Rat blieb Wüthrich in der Folge fraktionslos. Er schloss sich «Les Libres» an, die sich als Vereinigung für parteiunabhängige Bewegungen und Personen im Kanton Waadt verstehen und bereits zwei andere Grossratsmitglieder in ihren Reihen hatten. Wüthrich liess sich auch auf die Liste der «Libres» für die Nationalratswahlen 2023 setzen.

In Luzern gab im September Kantonsrat Urban Frye seinen Parteiaustritt bekannt. In der Luzerner Zeitung erklärte er, er könne die Positionierung der Grünen im Zusammenhang mit Russlands Angriffskrieg gegen die Ukraine nicht mit seinen Werten vereinbaren: Anders als etwa die Grünen in Deutschland habe die Schweizer Partei die Zeichen der Zeit nicht erkannt und bleibe «in einer ideologischen pazifistischen Blase gefangen». Mit der strikten Ablehnung von Waffenlieferungen an die Ukraine spreche die Partei dem angegriffenen Land «faktisch das Recht zur Selbstverteidigung ab» und mache sich mitschuldig an Deportationen, Vergewaltigungen und Tötungen. Enttäuscht zeigte sich Frye auch über die parteiinterne Streitkultur: Er sei mit seinen Anliegen sowohl auf nationaler als auch auf kantonaler Ebene weitherum auf Desinteresse gestossen und der «angebliche Konsens» in der Partei scheine ihm «eher hierarchisch von oben nach unten durchgedrückt zu werden». Auch losgelöst von der Ukraine-Politik scheine ihm die links-grüne Politik manchmal realitätsfern, und sie stilisiere etwa Vermietende oder Polizeikräfte blindlings zu Feindbildern.
In einer Medienmitteilung verwahrten sich die Luzerner Grünen gegen den «Rundumschlag» ihres ehemaligen Mitglieds: Die Grünen seien eine Partei, in der Differenzen benannt und mit Respekt ausdiskutiert würden, um eine gemeinsame Haltung zu finden. Als einzige nationale Partei hätten die Grünen ihre Mitglieder das ganze Wahlprogramm «mitgestalten» lassen, bevor es schliesslich von der Delegiertenversammlung verabschiedet wurde; dies gelte auch für die darin enthaltenen Positionen zur Sicherheits-, Friedens- und Aussenpolitik. Im Übrigen setzten sich die Grünen «auf allen politischen Ebenen für die ukrainischen Geflüchteten und für ein Ende der Finanzierung der russischen Kriegsmaschinerie aus der Schweiz» ein.
Frye politisiert im Luzerner Kantonsrat als Partei- und Fraktionsloser weiter, nachdem Gespräche mit der GLP über einen Beitritt zu deren Fraktion zu keinem Ergebnis geführt hatten.

In Basel-Landschaft schliesslich verliess Landrätin Laura Grazioli die Grünen im Oktober. Sie war Vizepräsidentin der Kantonalpartei, Präsidentin der landrätlichen Finanzkommission und gemäss BLZ «lange [eine] grosse Hoffnungsträgerin der Baselbieter Grünen» gewesen, die auch als künftige Regierungs-, National- oder Ständerätin gehandelt worden sei. Als Grund für ihren Parteiaustritt nannte Grazioli in der BLZ, dass sie «über die letzten Jahre in wesentlichen Themengebieten von der Mehrheit der Fraktion und der Partei abgewichen» sei. Damit dürfte insbesondere ihre Ablehnung von Massnahmen zur Bekämpfung der Covid-19-Pandemie gemeint gewesen sein, hatte sie doch entgegen der Parteilinie etwa das Covid-19-Gesetz, die Einführung eines Impfzertifikats oder obligatorische Covid-Tests an Schulen abgelehnt. Im Frühling 2023 hatten die Grünen darauf verzichtet, Grazioli als Nationalratskandidatin aufzustellen, weil sie im Initiativkomitee der «Souveränitäts-Initiative» sass, die vor allem von massnahmenkritischen Organisationen wie Mass-voll und den Freunden der Verfassung getragen wird und verlangt, dass die Schweiz keine völkerrechtlichen Verpflichtungen eingehen darf, die in die Grundrechte eingreifen.
Anders als ihre ehemaligen Parteikollegen in Bern, Waadt und Luzern trat Grazioli gleichzeitig mit dem Parteiaustritt auch aus dem Kantonsparlament zurück, womit ihr Sitz bei der Grünen-Fraktion verblieb: Er ging an die Nächstplatzierte auf der Liste der Grünen, Dominique Zbinden vom «jungen grünen Bündnis Nordwest».

Parteiaustritte bei den Grünen

Im Juli 2023 wurde bekannt, dass der frühere Post-Verwaltungsratspräsident und CVP-Nationalrat Claude Béglé neu der SVP angehört. Béglé, der 2021 die Mitte im Streit verlassen und 2022 erfolglos ein Mitgliedsgesuch bei der FDP gestellt hatte, gab an, sich der SVP aufgrund einer «gemeinsamen Wertebasis» («un important socle de valeurs communes») anzuschliessen. Als weltweit tätigem Unternehmer sei ihm namentlich bewusst, wie wichtig ein Festhalten an der Neutralität für den Wohlstand und das Ansehen der Schweiz sei. Die SVP hatte sich zuletzt regelmässig mit dem Thema Neutralität profiliert, so etwa mit der Neutralitätsinitiative.

Prominente Ein- und Austritte bei der SVP

Im Juni 2023 wurde die Junge SVP Säntis gegründet. Sie fungiert als Jungpartei der SVP für die Kantone Appenzell Ausserrhoden und Appenzell Innerrhoden und ist die erste kantonsübergreifende Sektion der JSVP. Die JSVP Säntis trat an die Stelle der JSVP Ausserrhoden, die gemäss Presseberichten «nur noch auf dem Papier» existiert hatte und nun formell aufgelöst wurde, sowie der JSVP Innerrhoden, welche wegen Mitgliederschwunds schon vor Längerem aufgelöst worden war.
Die neue Partei zählte bei ihrer Gründung rund 25 Mitglieder. Zum Gründungspräsidenten wurde der 22-jährige Ausserrhoder Kantonsrat Max Slongo gewählt. Er formulierte gegenüber der Presse das Ziel, innert dreier Jahre die Ausserrhoder Jungfreisinnigen als stärkste Jungpartei im Appenzellerland abzulösen. Daneben bestanden im Einzugsgebiet der JSVP Säntis auch noch die Juso (als Teil der Juso St. Gallen), die 2020 gegründeten Jungen Grünen Appenzellerland sowie die 2021 etablierte Junge Mitte Ausserrhoden.

Gründung der Jungen SVP Säntis

Die Centre Gauche – PCS Valais romand beschloss im Juni 2023 ihre Auflösung. Begründet wurde der Schritt mit einer zu geringen Wählendenbasis, nachlassenden Kräften für die Parteiarbeit, einer zunehmenden Unabhängigkeit der verschiedenen linken Parteien im Wallis und dem Scheitern einer Allianz mit der CSP Oberwallis. Zuletzt hatte die Partei bei den eidgenössischen Wahlen 2019 im Wallis 1.02 Prozent der Stimmen geholt; im Walliser Grossen Rat besetzte sie vier Mandate, die sie 2021 auf gemeinsamen Listen mit der SP erzielte. Ob sich die vier Grossrätinnen und Grossräte der SP anschliessen würden, in deren Fraktion sie schon bisher Aufnahme gefunden hatten, war zunächst nicht bekannt.
Die Geschichte der Partei reicht ins Jahr 1997 zurück, als Angehörige des christlich-sozialen Flügels aus der Unterwalliser CVP austraten und unter dem Namen «Parti chrétien-social du Valais romand» eine neue Formation gründeten, die zunächst allerdings noch Teil der CVP Schweiz blieb. 2005 trat die Unterwalliser Partei dann der CSP Schweiz bei, mit der sie 2013 auch den Namenswechsel zu «Centre Gauche – PCS» mitmachte. Ihren ersten Sitz im Walliser Grossen Rat holte die Partei 2001, ab 2009 waren es jeweils drei bis vier Grossratssitze. Dabei traten ihre Kandidierenden meist auf gemeinsamen Listen mit der SP und den Grünen an. Zu den bedeutenden Erfolgen der Parteigeschichte zählte die abtretende Co-Präsidentin gegenüber der Presse den Beitrag der CSP Unterwallis zur Wahl des SP-Nationalrats Mathias Reynard 2011 und das erfolgreiche Engagement für die Einsetzung eines Verfassungsrats zur Totalrevision der Walliser Kantonsverfassung im Jahr 2018.
Mit dem Verschwinden der Unterwalliser Sektion verfügt die Mitte Links – CSP Schweiz noch über vier Kantonalparteien in Freiburg, Jura, Zürich und Luzern; von letzterer sind allerdings seit Längerem keine Aktivitäten mehr bekannt. Hingegen gehören die CSP Obwalden und die CSP Zug keiner nationalen Partei an, während die vormalige CSP Oberwallis (2023 in «neo» umbenannt) und weitere kantonale Formationen mit dem Kürzel «CSP» Mitgliedsektionen der Mitte (ehemals CVP) sind.

Auflösung der Unterwalliser Centre Gauche-PCS

Im Juni 2023 wurde in Nidwalden eine Sektion der Juso gegründet. Am Gründungsanlass nahmen rund 20 Mitglieder und Interessierte teil. Zwar war bereits 2011 erstmals eine Nidwaldner Juso ins Leben gerufen worden, gemäss Nidwaldner Zeitung war diese aber «danach wieder von der Bildfläche [verschwunden]». Nach der Neugründung verfügt die Jungpartei gemäss Angaben ihres nationalen Zentralsekretariats nun in allen Kantonen über eine aktive Sektion.

JUSO Nidwalden (wieder) gegründet

Die jurassische Kantonalsektion der EVP gab im Mai 2023 eine Änderung ihres Parteinamens bekannt: Neu werde sie als «PEV Les Socio-Chrétiens Jura» auftreten. Bis dahin hatte sie schlicht als «PEV Jura» firmiert und sich damit wie auch die nationale Mutterpartei und die übrigen französischsprachigen Kantonalsektionen auf das Kürzel für «Parti évangélique» beschränkt.
Laut Medienmitteilung beabsichtigte die Kantonalpartei mit der Ergänzung ihres Namens eine klarere Wahrnehmung ihrer politischen Positionierung. Bisher würden die beiden Grundprinzipien, von denen sie sich leiten lasse, in Bevölkerung und Medien nämlich manchmal missverstanden. Das erste Prinzip sei eine Mitte-Links-Politik, die eine soziale, ethische und verantwortungsvolle Wirtschaftstätigkeit sowie einen starken Umweltschutz bezwecke. Das zweite Prinzip bildeten Eigenverantwortung und traditionelle menschliche Werte, insbesondere der Schutz des Lebens, der Schwächsten und der Familie.

Umbenennung EVP Jura zu «PEV Les Socio-Chrétiens»

Kurz nach entsprechenden Schritten in Ob- und Nidwalden sowie in Luzern wurde im Mai 2023 unter dem Namen «Mitte Frauen Glarnerland» auch eine Glarner Sektion der Mitte Frauen ins Leben gerufen. Zur ersten Präsidentin wurde Bianca Winteler (GL, mitte) gewählt.
In ihrer Mitteilung stellten die Mitte Frauen Glarnerland die Gründung in Zusammenhang mit der Beobachtung, dass sich Frauen auch über 50 Jahre nach Einführung des Frauenstimmrechts weniger an der Politik beteiligten als Männer. Die neue Parteiorganisation wolle deshalb «Frauen für die Politik sensibilisieren und stärken sowie ein Netzwerk und eine Plattform schaffen, um über aktuelle Themen zu diskutieren». Dass Frauen ihre Perspektiven vermehrt in die Politik einbringen, sei wichtig, weil diese «sich nicht immer mit denjenigen der männlichen Kollegen [decken], da zum Teil die Interessen und Herausforderungen des Alltags unterschiedlich» seien. Die neue Parteisektion werde sich für die Gleichstellung von Frauen nicht nur in der Politik, sondern in allen Lebensbereichen einsetzen und Frauen unabhängig von ihrem Lebensmodell ermutigen, Verantwortung in Familie, Beruf und Politik zu übernehmen. Dazu brauche es unter anderem eine gute Vereinbarkeit von Familie und Beruf.

Kantonale Sektionen der Mitte Frauen

Mit einiger medialer Aufmerksamkeit wurde im Frühling 2023 die Parolenfassung der FDP zur Abstimmung über das Klima- und Innovationsgesetz erwartet. Die Ausgangslage versprach in der Tat Spannung: Zwar hatte sich die freisinnige Bundeshausfraktion in der Schlussabstimmung praktisch geschlossen hinter das Klima- und Innovationsgesetz gestellt, mit bloss einer Nein-Stimme im Nationalrat (vom Berner Christian Wasserfallen) und einer Enthaltung im Ständerat (vom Ausserrhoder Andrea Caroni). Allerdings hatte die Positionierung zur Klimapolitik in den Vorjahren verschiedentlich für parteiinterne Konflikte gesorgt, und bei der Abstimmung über das CO2-Gesetz 2021 waren nicht nur fünf Kantonalsektionen und (laut VOX-Analyse) eine deutliche Mehrheit der freisinnigen Wählendenbasis von der Ja-Parole der Mutterpartei abgewichen, sondern die Abstimmungsniederlage war gemäss breiter öffentlicher Wahrnehmung auch ein wichtiger Grund für den unmittelbar darauf folgenden Rücktritt der damaligen Parteipräsidentin Petra Gössi (fdp, SZ) gewesen. Hinzu kam beim Klima- und Innovationsgesetz, dass sich einzelne Parteigrössen bereits stark für beziehungsweise gegen die Vorlage exponiert hatten: auf der einen Seite etwa Nationalrat Christian Wasserfallen (fdp, BE) als Vorstandsmitglied des Nein-Komitees, auf der anderen Seite etwa Ständerat Ruedi Noser (fdp, ZH) als Mitglied eines Ja-Komitees und davor schon des Initiativkomitees der Gletscherinitiative, die schliesslich zum Klima- und Innovationsgesetz als indirekten Gegenvorschlag geführt hatte. Auch eine kurz vor der Parolenfassung veröffentlichte Umfrage von Tamedia sprach für eine tiefe Spaltung der FDP-Basis: 49 Prozent ihrer Wählerinnen und Wähler tendierten demnach zu einem Ja, 45 Prozent zu einem Nein. Schon davor hatten die Jungfreisinnigen Stimmfreigabe beschlossen, weil sie sich auf keine Parole hatten einigen können.

Die Delegiertenversammlung der Mutterpartei sprach sich im Mai mit 234 Ja- gegen 51 Nein-Stimmen bei 5 Enthaltungen dann aber letztlich recht deutlich zugunsten des Gesetzes aus. Die Mehrheit der Parteidelegierten folgte damit dem Präsidenten Thierry Burkart (fdp, AG), der in seiner Rede dafür warb, «auch einmal im Sinn der Sache einen Kompromiss [zu] machen» und Verantwortung für das Land zu übernehmen. Die Begeisterung für das Gesetz, das stark auf Subventionen setzte, war gemäss NZZ zwar auch bei den wenigen anderen Rednerinnen und Rednern «überschaubar», doch gab es auch bloss zwei Reden für eine Nein-Parole – eine davon von Christian Wasserfallen, der kritisierte, mit der staatlichen Unterstützung für den Umstieg von fossilen Heizungen auf Wärmepumpen wolle das Gesetz einen bereits «übersättigten Markt [subventionieren]. Das macht kein Freisinniger!». Burkart zeigte sich im Anschluss an die Parolenfassung gegenüber den Medien zufrieden. Aus liberaler Sicht sei das Klima- und Innovationsgesetz zwar «alles andere als perfekt», doch im Gegensatz zur CO2-Vorlage von 2021 gehe es diesmal nicht «um Verbote [und] Preiserhöhungen ohne Nutzen fürs Klima». Anders als noch bei der CO2-Kampagne werde sich die FDP im Abstimmungskampf aber nicht stark exponieren, weil man auf die Vorbehalte in bedeutenden Teilen der Basis Rücksicht nehmen wolle.

Gegen aussen präsentierte sich die FDP in der Folge geschlossener als zwei Jahre davor im Vorfeld der Abstimmung über das CO2-Gesetz. Zur bereits früher beschlossenen Stimmfreigabe der Jungfreisinnigen kam als einzige abweichende Parole nur noch ein Nein der Schaffhauser Kantonalpartei hinzu, das mit einer Stimme Unterschied denkbar knapp zustande gekommen war. Inwieweit sich die Sympathisantinnen und Sympathisanten der FDP davon beeindrucken liessen, dazu lieferten verschiedene Umfragen unterschiedliche Ergebnisse: Sowohl bei den von Leewas für Tamedia als auch bei den von gfs.bern für die SRG durchgeführten Umfragen nahm der Ja-Anteil unter den FDP-Sympathisierenden nach der Parolenfassung nicht etwa zu, sondern sank sogar. Bei der Tamedia-Erhebung ergaben sich in der letzten Vorumfragewelle und auch bei der Nachbefragung nach dem Urnengang sogar knappe Nein-Mehrheiten unter den FDP-Sympathisierenden, die Vox-Nachanalyse von gfs.bern fand hingegen unter den FDP-Sympathisierenden eine Zweidrittel-Mehrheit für ein Ja. Konsistent waren die Erhebungen dahingehend, dass beim Klima- und Innovationsgesetz 2023 deutlich mehr FDP-Sympathisierende der Ja-Parole der Partei folgten als noch beim CO2-Gesetz 2021.

FDP-Parole zum Klimaschutzgesetz

Im Frühling 2023 bestätigte das Bundesgericht die Verurteilung des Präsidenten des Parti nationaliste suisse (PNS) zu einer Geldstrafe wegen Rassendiskriminierung und Aufrufs zu Hass. Der Mann hatte 2020 in einem Text auf der Facebook-Seite seiner Partei den Holocaust angezweifelt.
Der 2011 gegründete PNS besteht nur in der Romandie. Auf der eigenen Website beschreibt sich der PNS als nationalistische Partei, die die Umwelt in der Schweiz schützen und unter anderem einen kompletten Zuwanderungsstopp verhängen möchte. Ideologisch fühle man sich mit dem Italiener Matteo Salvini und dem Ungarn Viktor Orban, teils auch mit der deutschen AfD (Alternative für Deutschland) verwandt. Die 2022 aufgelöste Pnos, die in der Deutschschweiz verankert war, wurde auf der PNS-Website als «frère du PNS» bezeichnet, zu dem aber keine formelle Verknüpfung bestehe.

Rechtsaussen Präsident der PNS verurteilt

16 Gründungsmitglieder riefen im April 2023 die Mitte Frauen Unterwalden ins Leben. Mit der Gründung wurden alle Frauen, die Mitglied einer Mitte-Ortspartei in Nid- oder Obwalden waren, automatisch zu Mitgliedern der neuen Frauensektion. Deren Leitung übernahmen die Obwaldnerin Lilian Gasser und die Nidwaldnerin Alexandra Bachmann im Co-Präsidium.
Mit der neuen Parteisektion sollten Frauen gemäss Medienmitteilung «eine Plattform erhalten, die ihnen den Einstieg in die Politik erleichtert, wo sie Ideen äussern und umsetzen können [sowie] Unterstützung bei der Verwirklichung erhalten». Frauen sollen für die Politik begeistert und für politische Ämter motiviert werden, wofür unter anderem der Aufbau und die Pflege eines Netzwerks zentral seien.
Antrieb für die Neugründung waren gemäss den beiden Co-Präsidentinnen einerseits der «unglaubliche Drive» der Mitte Frauen Schweiz, andererseits auch die Enttäuschung über die Obwaldner Kantonsratswahlen 2022, bei denen der Frauenanteil im Kantonsparlament unter 20 Prozent gesunken war. Um dies zu ändern, wolle man bei den nächsten Wahlen mit 50 Prozent weiblichen Kandidaturen auf den Listen der CVP/Mitte Obwalden antreten. Dieses Ziel sei mit dem Präsidenten der Kantonalpartei abgesprochen. Überhaupt strebe man bei der Tätigkeit der Frauensektion eine enge Abstimmung mit den beiden Kantonalparteien an; man wolle diese schliesslich nicht konkurrieren, sondern ergänzen. Trotzdem sei die Etablierung der eigenen Sektion wichtig, unter anderem, weil sich von Anlässen, die von den Mitte Frauen Unterwalden organisiert würden, mehr Frauen angesprochen fühlen dürften als wenn dieselben Anlässe von der Mitte durchgeführt würden. Für eine kantonsübergreifende Sektion habe man sich entschieden, weil sich separate Vereinigungen in Nidwalden und Obwalden «nicht gelohnt» hätten, erklärte Gasser in der Nidwaldner Zeitung.

Kantonale Sektionen der Mitte Frauen

Die SP des Kantons Tessin musste im Vorfeld der kantonalen Gesamterneuerungswahlen 2023 eine Parteiabspaltung hinnehmen. Amalia Mirante, 2019 noch Staatsratskandidatin der SP, und Evaristo Roncelli, bis Oktober 2022 Vizepräsident der Kantonalpartei, gaben ihren Austritt und gründeten eine neue Bewegung mit dem Namen «Avanti». Hintergrund war die Nomination der SP-Kandidierenden für die kantonalen Regierungswahlen 2023, die im Tessin nach dem Proporzverfahren durchgeführt werden und für die die SP erstmals eine gemeinsame Liste mit den Grünen bildete, um den einzigen linken Sitz in der Regierung zu sichern. Für die zwei SP-Plätze auf der Liste schlug die Parteileitung nebst der Favoritin Marina Carobbio Guscetti mit Yannick Demaria einen 21-jährigen Jungsozialisten und Klimaaktivisten mit wenig politischer Erfahrung vor. An dieser Auswahl störten sich Mirante, die selbst früh Interesse an einer Kandidatur geäussert hatte, aber auch weitere Personen, die zum sozialliberalen Flügel der Partei zählten. Ihrer Ansicht nach hätte Mirante, die als gemässigte Sozialdemokratin galt, aber ausser auf kommunaler Ebene noch keine politischen Ämter ausgeübt hatte, mehr Vielfalt und interne Konkurrenz zur Kandidatur der als prononciert links geltenden Carobbio Guscetti gebracht. Roncelli und Mirante kritisierten die Partei in der Folge in offenen Briefen, prangerten etwa ein «linkes Einheitsdenken» in der Partei an, welches keine abweichenden Meinungen toleriere und eine Vielfalt von sozialdemokratischen Positionen verunmögliche. Die Parteileitung gleite immer weiter nach links ab, Kritiker würden zum Schweigen gebracht und teilweise auch persönlich angegriffen. Die Co-Parteivorsitzenden Laura Riget und Fabrizio Sirica wiesen diese Vorwürfe zurück, machten an der Nominationsversammlung aber auch klar, dass Mirante «in unserem Projekt keine Funktion erfüllt», während Carobbio Guscetti inhaltlich-politisch das Denken der Partei verkörpere. Gemäss NZZ vertrat die Ökonomie-Dozentin Mirante in der Tat «teilweise wirtschaftsfreundliche Positionen» und habe etwa die 99-Prozent-Initiative der Juso abgelehnt. Riget und Sirica machten auch geltend, Mirante sei in den Parteigremien nicht präsent und verfolge bloss eigene Ambitionen.
Nachdem die SP-Nominationsversammlung den Vorschlag der Parteileitung unterstützt hatte, traten Mirante und Roncelli aus der Partei aus und gaben im Dezember 2022 die Gründung der neuen Bewegung «Avanti» bekannt. Diese solle eine «offene Mitte-Links-Politik» verfolgen, Gleichheit und Freiheit als zentrale Werte hochhalten und für «eine neue Art des Politisierens» stehen; vorgesehen sei etwa, die Bevölkerung online konsultativ über Kandidierendenlisten oder Vorhaben der Partei abstimmen zu lassen. Kurz darauf gab Avanti bekannt, für die anstehenden Regierungs- und Parlamentswahlen jeweils eine gemeinsame Liste mit der Bewegung «Ticino&Lavoro» zu bilden. Letztere wurde vom ehemaligen CVP-Lokalpolitiker Giovanni Albertini angeführt und hatte ihre Wurzeln in einem Verein, der sich für die Wiedereingliederung von Arbeitslosen in die Arbeitswelt einsetzt. Listenname war «Avanti con Ticino&Lavoro» (ATL).
Nach der Gründung der neuen Splitterbewegung wurde Riget im Tages-Anzeiger mit der Aussage zitiert, die SP sei «kompakt» und ausser Mirante und Roncelli gebe es keine Abgänge. Die Wahlergebnisse im April 2023 deuteten dann allerdings darauf hin, dass die neue Konkurrenz durchaus unangenehme Folgen für die SP hatte: Bei den Staatsratswahlen schaffte Carobbio Guscetti zwar die Wahl, die links-grüne Liste holte jedoch rund vier Prozentpunkte weniger Stimmen als ihre Vorgängerlisten 2019. «Avanti con Ticino&Lavoro» mit der Kandidatur von Mirante an der Spitze erreichte demgegenüber aus dem Stand einen Wählendenanteil von fünf Prozent. Auch bei den Parlamentswahlen büsste die SP 1.2 Prozentpunkte und einen Sitz ein, während ATL mit 3.7 Prozent der Stimmen drei Sitze holte. Diese gingen an Mirante, Roncelli und Albertini. Im Grossen Rat blieben die Avanti- und Ticino&Lavoro-Mitglieder vorerst fraktionslos. Den Wahlerfolg von ATL wertete die NZZ als «kleines Erdbeben für die Tessiner Parteienlandschaft», und das Co-Präsidium der SP räumte ein, die Auswirkungen der neuen Konkurrenz unterschätzt zu haben. Es erachtete es im Sinn einer kohärenten Politik aber weiterhin als richtig, dass Mirante nicht als SP-Kandidatin aufgestellt worden war, weil diese inhaltlich nicht «das rot-grüne Projekt» vertreten hätte.

SP-Abspaltung «Avanti» im Kanton Tessin

Im März 2023 wurde eine Frauensektion der SP Waadt gegründet. Mitglieder der «Femmes socialistes vaudoises (FSV)», so der offizielle Name, werden analog zu den SP Frauen Schweiz automatisch alle Frauen, die Mitglieder der SP Waadt sind. Als Co-Präsidentinnen der neuen Sektion amteten Audrey Petoud und Camille Robert, Gemeindeparlamentarierinnen in Lausanne beziehungsweise Morges.
Befragt nach der Motivation für die Gründung, nannte Petoud gegenüber 24 Heures die Ziele, den Einstieg von Frauen in die Politik zu fördern, eine bessere Vertretung von Frauen in politischen Ämtern zu erreichen und den immer noch bestehenden Sexismus in der Politik – auch innerhalb der SP – zu bekämpfen. Zudem sei die Waadt der letzte Kanton der Romandie ohne SP-Frauensektion gewesen, nachdem sich im Vorjahr im Unterwallis und in Genf entsprechende Sektionen formiert hatten. Noch in den 1970er-Jahren hatte die SP Waadt zwar ebenfalls eine SP-Frauensektion gehabt, diese dann aber durch eine Gleichstellungskommission ersetzt.

SP Gründung der SP Frauen Waadt

Nach der Wahl von Elisabeth Baume-Schneider (sp/ps, JU) in den Bundesrat hatte die SP deren Sitz im Vizepräsidium der Partei neu zu besetzen. Nach einiger Bedenkzeit willigte die Freiburger Nationalrätin Valérie Piller Carrard (sp, FR) in eine Kandidatur ein. Als Frau, die im Bundesparlament sitzt, eine ländliche Region der Romandie vertritt und zudem eine Berufslehre absolviert hat, könne sie das sechsköpfige Vizepräsidium gemäss Medienberichten und eigenen Interviewaussagen in idealer Weise ergänzen. In der Parteileitung wolle sie insbesondere ihren gesunden Menschenverstand und ihr Verständnis für die Sorgen der einfachen Bevölkerung einbringen. Am Parteitag im Februar 2023 wurde Valérie Piller Carrard ohne Gegenkandidatur einstimmig gewählt.

SP-Vizepräsidium

Anfangs 2023 gab Michael Frauchiger auf Twitter seinen Austritt aus der SVP bekannt. Seinen Wegzug aus der Gemeinde Weiach ZH, wo er die SVP-Lokalsektion präsidiert hatte, nahm er zum Anlass, die Konsequenzen aus «diverse[n] Unstimmigkeiten mit der Gangart der SVP Zürich und der SVP Schweiz und deren Exponenten» zu ziehen. Frauchiger hatte überregionale Bekanntheit erlangt, weil er seine Meinungsunterschiede zur Parteilinie regelmässig veröffentlicht und unverblümte Kritik auch an prominenten Parteikollegen angebracht hatte. Über Kreuz mit anderen SVP-Exponentinnen und -Exponenten war er unter anderem bei der Covid-19-Politik, aber auch bei Auseinandersetzungen um LGBTQ-Rechte gelegen. Frauchiger hatte 2009 die GaySVP mitgegründet und sich etwa im Abstimmungskampf zur Ehe für alle entgegen der SVP-Mehrheitsposition stark für ein Ja eingesetzt. Nach seinem Parteiaustritt werde er keine Anti-SVP-Kampagne führen, zumal er «in der SVP stets anständig behandelt, gefordert und gefördert» worden sei, schrieb Frauchiger auf Twitter.

Prominente Ein- und Austritte bei der SVP

Nach dreijähriger Amtszeit demissionierte Julia Küng (ZG) per Januar 2023 als Co-Präsidentin der Jungen Grünen Schweiz. Damit war wenige Monate, nachdem Margot Chauderna als Co-Präsidentin gewählt worden war, auch der Deutschschweizer Sitz im Co-Präsidium der Jungpartei neu zu besetzen. In einer Kampfwahl setzte sich dabei Magdalena Erni (BE) gemäss Medienmitteilung «knapp» gegen Jasmin Bärtschi durch. Die 19-jährige Erni hatte Erfahrungen als Vorstandsmitglied und Mitglied der Wahlkampfleitung 2023 der Jungen Grünen Schweiz sowie als Co-Präsidentin der Jungen Grünen Bern vorzuweisen. Mit den Jungen Grünen Schweiz wolle sie dazu beitragen, «die Kämpfe gegen die Klimakrise, die sozialen Ungerechtigkeiten und die Diskriminierung» zu gewinnen.

Präsidium der Jungen Grünen Schweiz

Die für ein fakultatives Referendum nötigen 50'000 Unterschriften innert 100 Tagen zusammenzubringen, ist ohne viele motivierte Mitwirkende und eine gute Organisation nur in Ausnahmesituationen möglich. Für mitgliederstarke, organisatorisch gut eingespielte und referendumserfahrene Parteien wie die SVP ist ein Scheitern an der Unterschriftenhürde aber eine Seltenheit.
Es sorgte deshalb für einiges Aufsehen, als Parteipräsident Marco Chiesa (svp, TI) und Fraktionschef Thomas Aeschi (svp, ZG) Mitte Dezember 2022 öffentlich die Alarmglocke läuteten, weil ihre Partei mit der Unterschriftensammlung fürs Referendum gegen das Klima- und Innovationsgesetz «massiv» im Hintertreffen sei: Nach mehr als der Hälfte der Sammelfrist fehlten noch 20'000 Unterschriften, und über die anstehenden Feiertage könne erfahrungsgemäss nicht mit vielen Unterschriften gerechnet werden.

Als Gründe für die Schwierigkeiten kursierten in der Presse verschiedene Erklärungen: Chiesa selbst gab im Sonntags-Blick an, das Engagement von Fraktionsmitgliedern und Kantonalparteien in der Unterschriftensammlung sei «ungenügend». Hinzu komme «Pech», weil nach den Rücktritten von Ueli Maurer (svp, ZH) und Simonetta Sommaruga (sp, BE) die Bundesratswahlen die Schlagzeilen dominierten und das Referendum deshalb weniger öffentliche Aufmerksamkeit erhalten habe.
Auch die NZZ erwähnte die Bundesratswahlen, allerdings in etwas anderem Licht: Dass die SVP sich mit Blick auf den SP-Sitz von Beginn an zur Konkordanz bekannt und ihrerseits Albert Rösti (svp, BE) ohne nennenswerte Gegenwehr in den Bundesrat gebracht habe, habe «die frühere Oppositionspartei in den vergangenen Wochen züchtig und zahm gemacht»: Die Bundesratswahlen hätten gezeigt, dass die SVP selbst zum «Establishment» gehöre und sich dies für sie «wohlig anfühlt». Das «harmonisch-konkordante Schaulaufen» der Partei stachle die Basis nicht zum Unterschriftensammeln in der Kälte und zu einem Referendumskampf an.
Daneben wusste die NZZ noch von einem anderen Problemfaktor zu berichten: Im Büro des ehemaligen Nationalrats Ulrich Schlüer (ZH, svp), wo die ausgefüllten Unterschriftenbogen aus der ganzen Schweiz geordnet und für die Beglaubigung bereitgemacht würden, habe es gehapert. Schlüer scheine den Überblick über die Anzahl der bisher eingegangenen Unterschriften verloren und anfänglich eine viel zu tiefe Zahl genannt zu haben – in der Parteispitze sei gar von «Chaos» die Rede. Die Unzufriedenheit mit Schlüer gehe so weit, dass Christoph Blocher (ZH, svp) seinem langjährigen Weggefährten kurzerhand die ebenfalls laufende Unterschriftensammlung für die Neutralitätsinitiative entzogen und dort nun eigene Leute für das administrative Kampagnen-Management und die Unterschriften-Logistik eingesetzt habe, mutmasste die NZZ weiter.
Einen weiteren Erklärungsansatz für die Schwierigkeiten beim Referendum gegen das Klima- und Innovationsgesetz hielt Nationalrat Yves Nidegger (svp, GE) in 24heures bereit: Das Referendumsanliegen sei relativ kompliziert zu erklären, und im Gegensatz zum CO2-Gesetz, das die SVP ebenfalls gegen fast alle anderen Parteien bekämpft habe, gehe es zudem um Subventionen und Ziele statt um Preiserhöhungen und Verbote. Auf der Strasse mache es in den Augen der angesprochenen Passantinnen und Passanten deshalb nicht sofort «Klick» wie bei anderen Anliegen, mit denen sich die SVP profiliere.

Die Sorge vor einem blamablen Scheitern in der Unterschriftensammlung schien in der Bundeshausfraktion so gross, dass sie wenige Tage nach Chiesas Sonntags-Blick-Interview zu ungewöhnlichen Massnahmen griff: Zwar ist es bei der SVP üblich, dass den Fraktionsmitgliedern bei Referenden und Initiativen der Partei jeweils unverbindliche Zielvorgaben zur Anzahl zu sammelnder Unterschriften gemacht werden. Beim Klima- und Innovationsgesetz wurde nun aber auf Antrag von Nationalrat Alfred Heer (svp, ZH) nicht nur die ursprünglich bei 100 Unterschriften angesetzte Vorgabe auf 150 Unterschriften pro Fraktionsmitglied erhöht, sondern auch ein Strafgeld von 10 Franken pro fehlende Unterschrift festgelegt, welches Fraktionsmitglieder der Partei zu entrichten hätten, wenn sie ihre Zielvorgabe verpassen sollten. Der Beschluss, der mit 13 zu 11 Stimmen knapp und in Abwesenheit von mehr als der Hälfte der Fraktionsmitglieder gefällt worden war, sorgte in der Folge für einiges böses Blut. Nationalrat Roland Rino Büchel (svp, SG) etwa habe nach der Abstimmung die Sitzung kurzerhand verlassen, beim nächsten Geldautomaten 1500 Franken abgehoben und nach dem Motto «Ihr wollt Stutz statt Stimmen? Könnt ihr haben!» dem Fraktionschef noch in derselben Sitzung auf den Tisch «geknallt», wie die NZZ kolportierte. Sein Ratskollege Yves Nidegger wiederum liess sich in 24heures mit der Aussage zitieren, der Beschluss sei demotivierend und nicht umsetzbar, kurz: «in jeder Hinsicht idiotisch» («idiote à tous points de vue»). Jean-Pierre Grin (svp, VD) sprach gar von parteiinterner «Diktatur» und zeigte sich entschlossen, keinesfalls auch nur einen Rappen Strafgeld abzuliefern. Grin befürchtete, die kontroverse Massnahme könnte sogar kontraproduktiv wirken: Ein Fraktionskollege habe ihm gesagt, er werde unter diesen Voraussetzungen aus Protest keine Unterschriften mehr sammeln.

Ob trotz, wegen oder ungeachtet des umstrittenen Fraktionsbeschlusses: Die Unterschriftensammlung nahm in der Folge Fahrt auf, und schon zwei Wochen nach dem Läuten der Alarmglocke – und drei Wochen vor Ablauf der Sammelfrist – liess Kampagnenleiter und Nationalrat Michael Graber (svp, VS) in der NZZ verlauten, es sehe inzwischen «sehr gut» aus für das Zustandekommen des Referendums. In der Tat konnte die SVP letztlich sogar 103'015 gültige Unterschriften einreichen – doppelt so viele wie nötig. Seit fast zehn Jahren hatte überhaupt nur ein fakultatives Referendum (jenes gegen die Übernahme der EU-Waffenrichtlinie) noch mehr Unterschriften erzielt.

SVP-Referendum gegen das Klimagesetz 2023