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Le Conseil fédéral souhaite restreindre le traitement de la justice militaire des infractions commises par des personnes civiles. Ainsi, seules les juridictions pénales ordinaires devraient être habilitées à statuer sur les violations des dispositions relatives à la protection du secret commises en temps de paix par des personnes civiles sans la complicité de militaires. Concernant les autres délits relevant de la compétence militaire, il entend pouvoir, au cas par cas, les attribuer aux autorités civiles lorsqu'aucune raison matérielle ne justifie le recours à la justice militaire. Les modifications légales – relatives au code pénal militaire, au code pénal et la loi fédérale concernant la protection des ouvrages militaires – ont été soumises en consultation. Deux variantes sont proposées: des nouvelles dispositions dans le droit pénal ou la possibilité de déférer devant la justice pénale ordinaire. La procédure de consultation prendra fin en avril 2021.

Restriction du cercle de civils justiciables des tribunaux militaires

Rund 70 Terrorismusstrafverfahren waren Medienberichten zufolge Anfang 2020 am Bundesstrafgericht hängig. Eine Handvoll weitere kamen im Verlauf des Jahres hinzu. Im Dunstkreis der Genfer IS-Zelle um die Moschee Petit-Saconnex, die unter anderem den enthüllten Terroranschlag auf das Treibstofflager in Vernier geplant hatte, kam es etwa zu neuen Anklagen gegen zwei Männer, die 2015 versucht hatten, nach Syrien zu reisen und sich dem IS anzuschliessen. Obwohl sie von den türkischen Behörden an der Weiterreise nach Syrien gehindert worden seien, hätten sie bereits in der Türkei logistische Unterstützung des IS in Anspruch genommen und diesen finanziell unterstützt, lauteten die Vorwürfe. Grosse Medienaufmerksamkeit generierte auch die Messerattacke von Morges (VD) im September, als ein nachrichtendienstlich bekannter Islamist einen Kunden eines Kebaplokals mit einem Messer angriff und tödlich verletzte. Die Bundesanwaltschaft ermittelte zu diesem Zeitpunkt bereits seit einem Jahr wegen versuchter Brandstiftung an einer Tankstelle gegen den Mann, weil die Polizei bereits damals Hinweise auf einen dschihadistischen Hintergrund festgestellt hatte. Ob die Tat von Morges als erster islamistischer Terroranschlag in der Schweiz gelten kann, wird gemäss Einschätzung der NZZ allerdings nur schwer zu klären sein. Die Grenze zwischen religiösem Fanatismus und psychischer Erkrankung könne nicht klar gezogen werden und es stehe die Frage im Raum, inwiefern radikal-islamistische Kreise die angebliche psychische Erkrankung des Mannes für ihre Zwecke missbraucht hätten, so die Zeitung.
Ebenfalls 2020 brachte das Bundesstrafgericht zwei Verfahren gegen Islamisten aus dem Netzwerk um die An'Nur-Moschee in Winterthur zum Abschluss, die auf reges mediales Interesse stiessen. Im August standen Sandro V. – die mutmassliche Schlüsselfigur im Winterthurer Islamistennetzwerk – sowie ein weiterer Mann aus diesem Umfeld vor den Richtern in Bellinzona. Als Syrien-Rückkehrer – bereits 2013 und damals noch unbehelligt verbrachte Sandro V. drei Wochen im Kriegsgebiet, nach eigenen Aussagen lediglich auf einer humanitären Hilfsmission – wurde der Hauptangeklagte in der Szene als «Emir» verehrt, genoss hohes Ansehen und grossen Einfluss. Laut Anklageschrift hatte er eine «Intermediärstellung» zu radikalen Geistlichen im Ausland inne. Als Verantwortlicher der Koranverteilungsaktion «Lies!» in der Schweiz und der Kampfsportschule «MMA Sunna» schuf er ein «Auffangbecken für die Jugendlichen, die sich vom radikalen Islamismus angezogen fühlten» und wurde zum «Dschihad-Reiseleiter», wie die NZZ ausführte. Schlagzeilen machten während des Prozesses nicht zuletzt die Zeugen, die ihre wichtigsten belastenden Aussagen aus den Ermittlungen nun nicht mehr bestätigten und so die Beweisführung der Bundesanwaltschaft erheblich erschwerten. Nichtsdestotrotz sah das Gericht die Vorwürfe gegen Sandro V. als erwiesen an und verurteilte ihn wegen Beteiligung und Unterstützung einer kriminellen Organisation sowie wegen Besitzes von Gewaltdarstellungen zu 50 Monaten Freiheitsstrafe – mehr als die Anklage gefordert hatte. Die Presse zitierte aus dem Urteil, der Mann habe als «fanatischer Anhänger des IS» und als «ideologische[r] Überzeugungstäter» mit «grosse[r] kriminelle[r] Energie» «kaltblütig und menschenverachtend» Dschihad-Reisende, darunter auch Minderjährige, rekrutiert. Seinem Mitangeklagten wurde eine bedingte Geldstrafe wegen der Verbreitung von IS-Propagandabildern auferlegt. Der Vorwurf, er habe eine Beziehung zu einem 15-jährigen Mädchen geführt und sie zur Reise ins Kriegsgebiet verführt – sie war der weibliche Teil des medial bekannten minderjährigen Geschwisterpaars aus Winterthur, das in den Dschihad gezogen war –, konnte mangels Beweisen nicht bestätigt werden. Die NZZ beklagte anschliessend, dass der Prozess der «ratlosen Öffentlichkeit» keine Antworten geliefert habe; es gebe immer noch keine einleuchtende Erklärung für die «merkwürdig[e] Häufung von Jihad-Reisen aus dem Raum Winterthur» und es bleibe offen, wie gefährlich diese radikalen Kreise für die Sicherheit der Schweiz seien.
Einen Monat später musste sich auch Azad M., der in der Winterthurer An'Nur-Moschee als Hilfs-Imam amtete, vor dem Bundesstrafgericht verantworten. Laut Anklage soll er die Schweiz als sicheren Hafen benutzt haben, um von hier aus unbemerkt dem IS zu dienen. Das Gericht kam zum Schluss, er habe sich «in multifunktionaler Rolle und mit grossem Zeitaufwand» für den IS eingesetzt. So habe er in Kontakt mit der Führungsriege des IS und selbst in «mittlerer Kaderrolle» gestanden, Geld an den IS überwiesen und zusammen mit seiner Frau ein Selbstmordattentat im Libanon geplant. Dass er auch Terroranschläge in der Schweiz vorbereitet haben soll, wie die Bundesanwaltschaft vermutet hatte, sei indes «reine Spekulation». Der Iraker wurde zu einer Freiheitsstrafe von fünf Jahren und zehn Monaten, wovon er gut die Hälfte bereits in Untersuchungshaft verbüsst hatte, und 15 Jahren Landesverweis verurteilt. Gemäss NZZ sei dies die höchste Strafe, die bisher gegen einen IS-Anhänger in der Schweiz ausgesprochen worden sei.
Bereits zum zweiten Mal verhandelte das Bundesstrafgericht im Herbst 2020 den Fall der Terrorpropaganda durch den IZRS. Dessen Präsident Nicolas Blancho und der Medienverantwortliche Qaasim Illi waren 2018 wegen Formfehlern seitens der Bundesanwaltschaft noch freigesprochen worden; nur der dritte im Bunde, Naim Cherni, der den strittigen Film über den islamistischen Geistlichen Abdallah al-Muhaysini in Syrien realisiert hatte, war verurteilt worden. Das Bundesgericht hatte im März 2020 dann die Verurteilung Chernis bestätigt und die Entscheide Blancho und Illi ans Bundesstrafgericht zurückgewiesen. Dieses annullierte die Freisprüche im Herbst, sprach die beiden IZRS-Exponenten der Terrorismusunterstützung schuldig und verhängte bedingte Freiheitsstrafen von 18 Monaten für Illi und 15 Monaten für Blancho. Der Film sei Propaganda, weil die dschihadverherrlichenden und antisemitischen Aussagen des Interviewten nicht kritisch dargestellt und in keinerlei Kontext gesetzt würden. Somit hätten sich Illi mit der Veröffentlichung und Blancho mit der Bewerbung des Videos strafbar gemacht.

Terrorismusprozesse am Bundesstrafgericht 2020

Im Juli 2019 gab ein Entscheid des Bundesgerichts über den Besitz von Cannabis bei Jugendlichen zu reden. Es sprach einen 16-Jährigen aus Winterthur, der mit 1.4 Gramm Marihuana erwischt worden war, frei und hob damit einen Strafbefehl und einen Verweis der Jugendstrafanwaltschaft auf. Damit machte das Bundesgericht klar, dass von der 2012 vorgenommenen Änderung des BetmG, die es Erwachsenen erlaubt, 10 Gramm Cannabis straffrei auf sich zu tragen, und sie beim Konsumieren nur noch mit einer Ordnungsbusse statt mit einer Strafuntersuchung zu bestrafen, ersterer Teil auch für Teenager gelten soll. Dies obwohl der Bundesrat in der Medienmitteilung zum Inkrafttreten der Revision Folgendes geschrieben hatte: «Für Jugendliche, die Cannabis konsumieren, gilt diese Gesetzesrevision nicht. Sie werden weiterhin in einem ordentlichen Verfahren nach der Jugendstrafprozessordnung beurteilt.» Der Konsum der Droge durch Minderjährige wird allerdings immer noch strafrechtlich verfolgt.
Nicht zufrieden mit dem Urteil zeigten sich Andrea Geissbühler (svp, BE) und Thomas de Courten (svp, BL). Das Gericht habe sich über den Willen des Parlaments hinweggesetzt, welches lediglich eine Lockerung für Volljährige beabsichtigte, so Geissbühler. Weiter warf sie dem Bundesgericht Naivität vor. De Courten liess verlauten, dass niemand im Besitz von Cannabis sei, «um es sich unter das Kopfkissen zu legen». Der SVP-Politiker und seine Parteikollegin beabsichtigen beide, politische Vorstösse zu lancieren, um das Gesetz zu verbessern. Da der Bundesrat einen Experimentierartikel zur Cannabisabgabe einführen wollte, war das BetmG zum Zeitpunkt des Urteils ohnehin in Revision. Die Oberjugendanwaltschaft Zürich, deren Urteil an das Bundesgericht weitergezogen worden war, bedauerte den Entscheid des Bundesgerichts, da man sich aus Sicht des Jugendschutzes einen anderen Ausgang erhofft habe.

Cannabiskonsum von Jugendlichen

Eigentlich ist im Parlamentsgesetz (Art. 47) geregelt, dass vertraulich sei, was parlamentarische Kommissionen beraten. Allerdings wird diese Regel wohl ziemlich häufig verletzt, da Verbände oder Fraktionsangehörige, aber auch Medienvertreterinnen und -vertreter häufig Informationen über Kommissionssitzungen erhalten dürften. Geben die Medien diese Informationen preis, kann dies für sie selber allerdings rechtliche Folgen haben. In der Tat war 2016 ein Journalist der Basler Zeitung von der Bundesanwaltschaft per Strafbefehl zu einer Geldbusse von CHF 300 verurteilt worden, weil er in seinem Zeitungsbeitrag detaillierte Diskussionspunkte und Abstimmungen der RK-NR im Vorfeld der Beratungen zum Geldspielgesetz aufgelistet hatte. Zwar war im damaligen Verfahren nicht klar geworden, woher die Informationen stammten, der Medienschaffende wurde aber wegen Publikation geheimer Informationen bestraft (StGB Art. 293). Dies blühte auch einem Blick-Journalisten, der Anfang Mai von einer Sitzung der RK-NR zur Aktienrechtsreform berichtete, bei welcher Hans-Ueli Vogt (svp, ZH) den Raum verlassen habe. Die Gründe für diesen «Eklat im Bundeshaus», wie der Blick titelte, wurden sehr detailliert, mit Nennung der Personen und ihren Aussagen während der Sitzung ausgeführt. Zahlreiche Medien, darunter gar ein deutsches Nachrichtenportal, nahmen den Ball auf. Es sei zum Eklat gekommen, weil Vogt nicht der gleichen Meinung gewesen sei wie seine Partei und die SP ihm vorgeworfen habe, als Kommissionssprecher – Vogt wäre dafür vorgesehen gewesen – nicht glaubwürdig zu sein. Die verbalen Angriffe gegen den Zürcher seien sehr heftig gewesen. Ende Mai reichte die RK-NR bei der Bundesanwaltschaft Strafanzeige gegen unbekannt wegen Verletzung des Kommissionsgeheimnisses ein.

Eklat in Kommission

Zu Beginn der Nullerjahre machte in einem vom Platzen der New-Economy-Blase und sinkenden Börsenindizes geprägten Umfeld der Basler Financier Dieter Behring auf sich aufmerksam: Während der SMI im Jahr 2002 27 Prozent seines Wertes verlor, erwirtschaftete Behring auf seinem Hedge-Fund einen Zuwachs von 47 Prozent. Der Financier führte seinen Erfolg auf eine neuartige Software zurück, die automatisch Investitionsentscheidungen treffe und sichere Gewinne verspreche. Viele Anleger liessen sich von diesem Geschäftsmodell überzeugen und investierten in diese Anlage. Zwei Jahre später führten erste Zweifel an der Seriosität dieses Anlagevehikels dazu, dass Investoren begannen, ihre Mittel abzuziehen. Bald darauf wurde deutlich, dass das Konstrukt Behrings auf einem gigantischen Schneeballsystem aufbaute, worauf die Justiz Ermittlungen wegen Anlagebetrug aufnahm.
Zwölf Jahre später begann Ende Mai der Prozess gegen Dieter Behring vor dem Strafgerichtshof in Bellinzona. Ihm wird vorgeworfen, 2000 Anleger um 800 Mio. CHF betrogen zu haben. Das Urteil wird für den Herbst 2016 erwartet.

Prozess gegen Dieter Behring

Mit dem Freispruch einer Nebenfigur wurde 2014 endgültig ein Schlussstrich unter die Tinner-Affäre gezogen. Der 65-jährige Ingenieur wurde vom Vorwurf der Förderung der Herstellung von Kernwaffen für das libysche Atomwaffenprogramm vom Bundesstrafgericht freigesprochen.

Causa Tinner

Internationale Beachtung fand das Strafverfahren gegen Erwin Sperisen. Der ehemalige Polizeichef Guatemalas wurde zwei Jahre nach seiner Festnahme zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe verurteilt. Das Genfer Strafgericht sprach ihn im Vorwurf schuldig, bei der Erstürmung des Gefängnisses Pavón 2006 die Ermordung von sechs Häftlingen angeordnet zu haben. Das Urteil wurde auch in Guatemala verfolgt und dort von jenen begrüsst, die das Land auf dem Weg in Richtung rechtsstaatlicher Verhältnisse sehen.

Erwin Sperisen

Im Fall Lucie Trezzini entschied das Bundesgericht, dass der Mörder Daniel H. doch nicht lebenslang verwahrt wird. Damit hiess es eine Beschwerde von Daniel H. gegen den Entscheid des Aargauer Obergerichts, das ihn lebenslang verwahren wollte, gut. Nur wer tatsächlich auf Lebzeiten als unbehandelbar gälte, dürfe lebenslang verwahrt werden. Unter dauerhafter Untherapierbarkeit sei laut Bundesgericht «ein mit der Person des Täters verbundener, unveränderbarer Zustand auf Lebzeiten» zu verstehen. Eine Untherapierbarkeit in Grössenordnung des Schwellenwerts von zwanzig Jahren reiche nicht aus. Damit fällte das Bundesgericht einen Grundsatzentscheid, was unter „dauerhaft nicht therapierbar“ zu verstehen ist. Laut der 2004 angenommenen Verwahrungsinitiative sollte in diesem Fall ein Straftäter lebenslang und ohne periodische Überprüfung verwahrt werden. Das Aargauer Obergericht hatte in Folge noch zu entscheiden, ob Daniel H. nach dem Absitzen der lebenslänglichen Freiheitstrafe ordentlich verwahrt werden sollte. Auch eine ordentliche Verwahrung könnte faktisch lebenslang dauern. Die Initiantin Anita Chaaban zeigte sich enttäuscht über den Entscheid des Bundesgerichts und erwog die Lancierung einer neuen Volksinitiative. Diese soll sicherstellen, dass Personen, die bei der Haftentlassung von Straftätern Fehlentscheide treffen, zur Verantwortung gezogen werden können.

Fall Lucie Trezzini

Mit der Revision der Rechtsprechung, wonach die willentliche Ansteckung mit HIV nicht mehr per se als lebensgefährliche Körperverletzung verurteilt werden soll, trug das Bundesgericht den medizinisch-therapeutischen Fortschritten in diesem Bereich Rechnung. Da eine Infektion mit AIDS an sich heute nicht mehr lebensgefährlich sei, sollten auch mildere Strafen für schwere oder einfache Körperverletzung ausgesprochen werden können.

Ansteckung mit HIV

Dans le domaine judiciaire, le Tribunal pénal fédéral a débouté l’ancien ministre algérien de la défense, Khaled Nezzra, accusé de crimes contre l’humanité entre 1992 et 1999 dans son pays. Avec ce jugement, le tribunal a clairement refusé l’immunité de l’ancien ministre. Khaled Nezzra pourrait ainsi être le premier accusé de tels crimes jugé en Suisse.

Tribunal pénal fédéral refuse l’immunité de l’ancien ministre algérien de la défense

Ein grosses Medienecho gab es für das Gerichtsverfahren im Fall des Au-Pair-Mädchens Lucie Trezzini, welches am 4. März 2009 Opfer eines Gewaltverbrechens wurde. Das Bezirksgericht Baden verurteilte den Wiederholungstäter Daniel H. am 29. Februar 2012 wegen Mordes zu einer lebenslänglichen Freiheitsstrafe. Die Richter stuften den Mörder zwar als „derzeit unbehandelbar“, jedoch nicht als untherapierbar, ein, weshalb sie nicht die lebenslängliche sondern die normale Verwahrung wählten, bei welcher Daniel H. regelmässig einem psychologischen Gutachten unterzogen wird. Dieses Urteil entsprach der Forderung der Verwahrungsinitiative von 2004, welche „dauerhaft nicht therapierbare“ Täter lebenslänglich verwahren will. Dennoch liess das Urteil die Diskussion über die Verwahrungsinitiative und deren Umsetzung wieder aufleben und Forderungen nach einer lebenslänglichen Verwahrung von Daniel H. wurden laut. So will der Aargauer Staatsanwalt den Fall weiterziehen und eine lebenslängliche Verwahrung erwirken. Der Fall zeigte jedoch auch das unklare Verhältnis zwischen Haft und Verwahrung: Auch bei einem Urteil zu lebenslänglicher Haft, kann der Straftäter nach fünfzehn Jahren laut Gesetz einen Antrag auf bedingte Entlassung stellen. Wird die Frage nach seiner Rückfälligkeit negativ beantwortet, kann der Täter entlassen werden. Was dann mit der Verwahrung geschehen würde, ist unklar. Das seit 2007 in Kraft stehende Strafgesetzbuch schweigt nämlich zu der Frage, wann die Strafzeit für einen Lebenslänglichen endet und seine Verwahrung beginnt. Das Urteil veranlasste auch die Initiantin der Verwahrungsinitiative, Anita Chaaban, eine Revision des Strafgesetzbuches anzustreben, nach der auch ein „auf lange Sicht nicht therapierbarer“ Täter lebenslang verwahrt werden kann.

Fall Lucie Trezzini

Im Fall Tinner hatte sich die Bundesanwaltschaft für ein verkürztes Verfahren entschieden, das eine Vereinbarung zwischen der Anklage und des Angeklagten über die vorgeworfenen Tatbestände und das Strafmass ermöglichte. Die Bundesanwaltschaft und die Familie Tinner wurden sich einig. Der Ball liegt zurzeit beim Bundesstrafgericht, das das Vorgehen noch gutheissen muss.

Causa Tinner

2003 hatte die Bundesanwaltschaft ein Verfahren gegen den Bankier Oskar Holenweger wegen Verdachts auf Wäsche von Drogengeldern eingeleitet. 2010 hatte sie dann schliesslich Klage eingereicht. Der Fall sollte zum Verhängnis gleich für zwei Bundesanwälte werden. Der Rücktritt von Valentin Roschacher im Jahr 2006 und insbesondere die Nichtwiederwahl von Erwin Beyeler im Berichtsjahr waren unmittelbar mit dem Fall Holenweger verknüpft. Im April 2011 hatte das Bundesstrafgericht Holenweger frei gesprochen und die Anklagepunkte der Bundesanwaltschaft allesamt demontiert. Der Freispruch wurde in der Presse denn auch als Debakel für Beyeler interpretiert. Der Freispruch war Wasser auf die Mühlen der SVP, die mutmasste, dass die Abwahl Christoph Blochers aus dem Bundesrat 2007 ebenfalls mit dem Fall Holenweger zu tun gehabt haben musste. Blocher war damals vorgeworfen worden, in ein Komplott gegen den damaligen Bundesanwalt Roschacher verwickelt gewesen zu sei. Mit dem Freispruch Holenwegers erwiesen sich diese Vorwürfe jedoch als haltlos. Ende November kam auch die Geschäftsprüfungskommission des Parlaments zum Schluss, dass der ehemalige Bundesrat nicht an einem Komplott gegen den ehemaligen Bundesanwalt beteiligt gewesen war.

Justizaffäre Holenweger

Ein in Appenzell Ausserrhoden zu einer Busse von 100 Franken verurteilter Nacktwanderer wurde mit seiner Beschwerde beim Bundesgericht abgewiesen. Dieses besagte in seinem Urteil, dass Freikörperkultur auf Wanderungen in der Schweiz von den Kantonen eigenständig geregelt werden dürfe. In Appenzell Innerrhoden zieht Nacktwandern künftig eine Busse nach sich.

Nacktwanderer

Die linksradikale Zürcher Politikaktivistin Andrea Stauffacher wurde vom Bundesstrafgericht zu einer 17-monatigen unbedingten Freiheitsstrafe verurteilt. Ihr wurde angelastet, zwischen 2002 und 2007 fünf Sprengstoffanschläge gegen Gebäude verübt zu haben.

Andrea Stauffacher

Gerügt wurde die Bundesanwaltschaft auch im so genannten Hells-Angels-Prozess. Im April 2004 kam es zu einer spektakulären Polizeiaktion gegen den Motorradclub, der unter Verdacht geraten war, eine kriminelle Vereinigung zu sein. Zwar wurde im Berichtsjahr ein Mitglied der Hells Angels vom Bundesstrafgericht angeklagt, aber nicht wegen des ursprünglichen Verdachts der Bundesanwaltschaft, sondern aufgrund eines Drogendeliktes. Der Bundesstrafrichter kritisierte die Bundesanwaltschaft, sie hätte viel zu lange gebraucht, um den Fall aufzuarbeiten und das Beschleunigungsgebot verletzt. Im Oktober musste der Prozess aufgrund unvollständiger Beweismittel sogar vertagt werden.

Hells-Angels-Prozess

Nach einer Strafanzeige durch das EDA ermächtigte der Bundesrat die Bundesanwaltschaft Anfang Juni, aufgrund der Geiselnahme von Rachid Hamdani und Max Göldi Ermittlungen gegen das Gaddafi-Regime aufzunehmen.

Ermittlungen gegen das Gaddafi-Regime

In der aufgrund des Falls des Walliser Hanfbauern Bernard Rappaz aktuell gewordenen Frage, inwieweit Ärzte bei Hungerstreiks zur Anordnung von Zwangsernährung forciert werden können, machte das Bundesgericht einen Schritt zurück und liess die Frage vorerst unbeantwortet. Grund war der Abbruch des Hungerstreiks durch Rappaz, wodurch die Frage obsolet geworden war.

Zwangsernährung

Für Kontroversen sorgte der Protest des Walliser Hanfbauern Bernard Rappaz, der mit einem rund hunderttägigen Hungerstreik einen Unterbruch seines Strafvollzugs erzwingen wollte. Die Frage, ob ein bewusstloser sich im Hungerstreik befindender Häftling zwangsernährt werden dürfe, beschäftigte Ethik- und Rechtsexperten, aber auch die Konferenz der kantonalen Justiz- und Polizeidirektoren (KKJPD). Auch der Entscheid von Regierungsrätin Kalbermatten (VS, sp), die Haftstrafe aufgrund der Weigerung der Ärzte im Berner Inselspital, Rappaz unter Zwangsernährung zu stellen, in einen Hausarrest umzuwandeln, warf hohe Wellen. Das Bundesgericht wies Rappaz‘ Gesuch auf Haftunterbruch am 26. August 2010 schliesslich zurück und leitete aus der polizeilichen Generalklausel eine Billigung der Zwangsernährung als letztes legitimes Mittel zum Schutz von Leib und Leben ab. In der Urteilsbegründung wandte sich das Gericht auch gegen ethische Bedenken von Ärzten. Mehrere Bundesrichter forderten das Parlament daraufhin auf, eine einheitliche gesetzliche Grundlage für den Umgang mit Zwangsernährung zu schaffen. Nachdem Rappaz wieder in Haft genommen wurde, trat er erneut in den Hungerstreik. Im November weigerten sich die Ärzte des Genfer Unispitals jedoch, eine Zwangsernährung einzuleiten. Der Walliser Grosse Rat lehnte ein Gnadengesuch Rappaz‘ ab und das Bundesgericht verweigerte ein drittes Mal einen Antrag auf Haftunterbuch. Der Europäische Menschenrechtsgerichtshof (EGMR), der den Fall auf Antrag des Hanfbauern untersuchen will, forderte ein Ende des Hungerstreiks. Dieser Forderung kam der Walliser am 24. Dezember 2010 nach. Gleich zwei CVP-Bundesparlamentarier aus dem Kanton Wallis reagierten im Berichtsjahr auf den Vorfall. Roberto Schmidt reichte eine Motion ein und Viola Amherd verfasste eine parlamentarische Initiative. Beide Vorstösse fordern eine einheitliche Regelung im Umgang mit Zwangsernährung.

Zwangsernährung

Le Tribunal pénal fédéral a refusé d’accorder une entraide judiciaire pour élucider un détournement de fonds publics en Iran. Il a considéré que la situation des droits humains est trop compromise pour coopérer aux procédures pénales ouvertes par Téhéran.

Entraide judiciaire pour élucider un détournement de fonds publics en Iran

En novembre, après une procédure longue de dix ans, le fils de l’ancien dictateur nigérian Abba Abacha a été condamné en Suisse pour participation à une organisation criminelle. 350 millions de francs ont été confisqués, la partie présente dans les banques suisses ayant été restituée à l’Etat nigérian.

Condamnation du fils de l’ancien dictateur nigérian Abba Abacha

Die Rechtsprechung war weiterhin mit der Suche nach einer einheitlichen Auslegung des Antirassimusgesetzes befasst. In Genf wurde die erstinstanzliche Verurteilung eines Buchhändlers bestätigt, der ein antisemitische Passagen enthaltendes Buch des französischen Philosophen Roger Garaudy verkauft hatte. Da der Buchhändler nicht aus antisemitischen Gründen gehandelt habe, reduzierte das Gericht die Busse. In einem analogen Fall hatte demgegenüber das Waadtländer Kantonsgericht einen erstinstanzlich verurteilten Buchhändler mit der Begründung freigesprochen, dass nur der Autor und der Herausgeber derartiger Publikationen bestraft werden können. Das Bezirksgericht Baden (AG) sprach gegen zwei notorische Holocaust-Leugner, den Basler Publizisten Jürgen Graf und dessen Verleger, den im Aargau lebenden Deutschen Gerhard Förster, exemplarisch hohe Strafen aus. Sie wurden zu einem unbedingten Freiheitsentzug von 15 resp. 12 Monaten verurteilt.

Einheitliche Auslegung des Antirassismusgesetz von 1995
Dossier: La norme pénale antiracisme de 1995 et ses suites

Vor dem Bundesstrafgericht in Lausanne fand der Prozess gegen den ehemaligen Leiter des Bélier, Daniel Pape, sowie zwei weitere Ex-Mitglieder dieser Organisation statt, die 1993 wegen Besitz von Sprengstoff resp. Anschlägen verhaftet worden waren. Das Urteil von 2 (für Pape) resp. 15 und 18 Monate bedingt wurde von der Presse als milde bezeichnet und in einen Zusammenhang mit der Entspannung der politischen Situation im Berner Jura gebracht.

Verhaftung und Prozess Daniel Pape (Chef des Bélier)
Dossier: Problème jurassien: attentats et terrorisme

Das Bundesgericht fällte einen Grundsatzentscheid, der nicht ohne Folgen für die Sozialversicherungen und den Arbeitsbereich bleiben dürfte. Das BAG und die Eidgenössische Fachkommission für AIDS-Fragen hatten immer wieder betont, HIV-Seropositivität sei wohl ein behandlungsbedürftiger Zustand, nicht aber eine eigentliche Krankheit. Der Kassationshof des Bundesgerichts bestätigte nun die Verurteilung eines HIV-Positiven mit der Begründung, die Übertragung des AIDS-Virus auf einen ahnungslosen Intimpartner bedeute eine vorsätzliche schwere Körperverletzung und eine vorsätzliche Verbreitung einer gefährlichen übertragbaren menschlichen Krankheit (Art. 122 und 231 StGB).

Stellung der HIV-Positiven und Aids-Kranken in den Sozialversicherungen