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Jahresrückblick 2022: Sozialversicherungen

Im Zentrum des Themenbereiches «Sozialversicherungen» standen im Jahr 2022 – wie in den meisten Jahren zuvor – die Altersvorsorge und die Krankenkassen.

Bei der Altersvorsorge wurde insbesondere über die AHV21 diskutiert, insbesondere vor der Abstimmung im September, wie Abbildung 1 der APS-Zeitungsanalyse 2022 verdeutlicht. Das Parlament hatte die neuste AHV-Reform im Dezember 2021 fertig beraten und dabei entschieden, das Rentenalter der Frauen auf 65 Jahre zu erhöhen und somit demjenigen der Männer anzupassen. Als Kompensation sollten die am stärksten von der Änderung betroffenen neun Jahrgänge entweder einen Rentenzuschlag erhalten oder bei einem frühzeitigen Rentenbezug geringere Renteneinbussen hinnehmen müssen. Eine Erhöhung der Mehrwertsteuer um 0.4 Prozentpunkte sollte zusätzliche Mehreinnahmen für die AHV generieren. Nachdem die SP vor allem aufgrund der Rentenaltererhöhung der Frauen das Referendum ergriffen hatte – sie störte sich insbesondere am Umstand, dass die Renten der Frauen noch immer um einen Drittel tiefer liegen als diejenigen der Männer –, sprachen sich die Stimmberechtigten im September 2022 mit Ja-Anteilen von 50.6 Prozent und 55.1 Prozent für die Änderung des AHV-Gesetzes und für die Mehrwertsteuererhöhung zugunsten der AHV aus. Laut Nachbefragungen hatten sich Frauen mehrheitlich gegen die Erhöhung ihres Rentenalters ausgesprochen, waren aber von einer Mehrheit der Männer überstimmt worden.

Weil Frauen vor allem in der zweiten Säule deutlich tiefere Renten erhalten als Männer, wurde die Diskussion um die Angleichung des Rentenalters auch mit der Besserstellung der Frauen in der beruflichen Vorsorge verknüpft. Deren Revision war 2021 erstmals vom Nationalrat beraten worden. Im Zentrum stand dabei eine Senkung des Mindestumwandlungssatzes. Für Frauen besonders zentral war die vom Bundesrat geplante Senkung des Koordinationsabzugs sowie die von der SGK-NR ergänzte Senkung der Eintrittsschwelle, welche den versicherten Lohn von Teilzeiterwerbstätigen erhöhen sollen. Statt die BVG21-Revision in der Frühjahrssession 2022 merklich voranzutreiben, schickte der Ständerat das Geschäft für vertiefte Abklärungen zurück an die Kommission. Damit verärgerte er jene Kreise, die ihre Unterstützung der AHV21 von einer Verbesserung der Situation von Teilzeiterwerbstätigen in der beruflichen Vorsorge abhängig machten. Für neuerliche Enttäuschung sorgte in diesen Kreisen dann die Meldung der Kommission, die Vorlage nicht in der Herbstsession, also noch vor der Abstimmung über die AHV21, zur Beratung bereit zu haben. Der Ständerat setzte sich also erst nach erfolgter Annahme der AHV21-Reform in der Wintersession mit der BVG-Reform auseinander und entschied sich dabei unter anderem für einen Mittelweg zwischen Bundesrat und Nationalrat bei der Eintrittsschwelle und für einen prozentualen Abzug beim Koordinationsabzug anstelle der vom Nationalrat geplanten Halbierung des bisherigen Abzugs.

Neben dem Gleichstellungsargument betonten die Gegnerinnen und Gegner der AHV21 im Abstimmungskampf auch ihre Befürchtung, dass die Rentenaltererhöhung der Frauen nur ein erster Schritt für weitere Erhöhungen des Pensionsalters sei. Dabei verwiesen sie unter anderem auf die Initiative der Jungfreisinnigen «Für eine sichere und nachhaltige Altersvorsorge (Renteninitiative)», welche eine automatische Anpassung des Rentenalters an die Lebenserwartung fordert. Diese empfahl der Bundesrat im Juni zur Ablehnung. Zudem beklagten die Gegnerinnen und Gegner der AHV21 die steigenden Lebenshaltungskosten – auch im Rahmen der Teuerung – und forderten einen Leistungsausbau bei der AHV. Dies bezweckt etwa die vom Gewerkschaftsbund eingereichte Initiative «Für ein besseres Leben im Alter (Initiative für eine 13. AHV-Rente)». Der Bundesrat empfahl jedoch auch dieses Anliegen zur Ablehnung und der Nationalrat teilte diesen Antrag in der Wintersession. Stattdessen behandelte das Parlament die Teuerung in einer ausserordentliche Session, wobei eine Motion für einen vollständigen Teuerungsausgleich bei der AHV vom National- und Ständerat angenommen wurde.

Bei den Krankenversicherungen standen – nach einer dreijährigen Erholungspause, in der die Krankenkassenprämien jeweils weniger als 0.6 Prozent pro Jahr angestiegen waren – 2022 die Gesundheitskosten und Prämien im Mittelpunkt des Interesses. Bereits Mitte Jahr wurde aufgrund der steigenden Gesundheitskosten darüber spekuliert, dass die Krankenkassenprämien auf das Jahr 2023 hin wohl einen grossen Sprung machen würden – und tatsächlich musste Gesundheitsminister Berset Ende September eine Erhöhung der mittleren Prämie um 6.6 Prozent bekannt geben. Dies führte in den Medien einmal mehr zur Forderung an die Politik, den Anstieg der Gesundheitskosten endlich in den Griff zu bekommen, was gemäss APS-Zeitungsanalyse insbesondere im September ausführlich diskutiert wurde.
Bundesrat und Parlament beschäftigen sich in der Tat auch 2022 mit verschiedenen Projekten zur Dämpfung des Kostenanstiegs im Gesundheitswesen, etwa im Rahmen des ersten Massnahmenpakets zur Kostendämpfung im Gesundheitswesen. Im Jahr zuvor hatte das Parlament bereits das Teilpaket 1a gutgeheissen und unter anderem entschieden, auch ambulante Behandlungen zukünftig durch Patientenpauschalen abzurechnen und dafür eine neue Tarifstruktur zu schaffen. Die Frage der Tarifstrukturen im ambulanten Bereich beschäftigte die Tarifpartner denn auch während des ganzen Jahres.
Im Teilpaket 1b, welches das Parlament im Jahr 2022 verabschiedete, wurde unter anderem ein Beschwerderecht der Krankenversicherungen gegen Spitalplanungsentscheide der Kantone sowie ein «Monitoring der Entwicklung der Mengen, Volumen und Kosten» geschaffen. Ein ausführlicheres Kostenmonitoring mit verpflichtenden Massnahmen bei zu starkem Kostenanstieg schlug der Bundesrat zudem als indirekten Gegenvorschlag zur Kostenbremse-Initiative der Mitte-Partei vor. Eine solche Massnahme war zuvor im zweiten Massnahmenpaket zur Kostendämpfung vorgesehen gewesen.
Auch zur Prämien-Entlastungs-Initiative der SP, die gleichzeitig zur Debatte stand, schuf der Bundesrat einen indirekten Gegenvorschlag, mit dem er zukünftig einen Mindestbeitrag an Prämienverbilligungen für die Kantone festsetzen wollte. Der Nationalrat hiess diesen Vorschlag in der Sommersession gut, der Ständerat trat in der Wintersession jedoch nicht auf den Gegenvorschlag ein.
Einen anderen Ansatz zur Kostendämpfung verfolgte das Parlament schon seit mehreren Jahren: Seit 2011 wird an einer einheitlichen Finanzierung von ambulanten und stationären Leistungen (EFAS) gearbeitet. Im Jahr 2022 nahm sich der Ständerat dieses Themas an und schuf zahlreiche gewichtige Differenzen zum Erstrat: So entschied er unter anderem, bereits jetzt die Integration der Pflegeleistungen in EFAS zu regeln und mehr Steuerungsmöglichkeiten und Pflichten für die Kantone zu schaffen.
Eine Möglichkeit, die Prämien zu senken, sahen verschiedene Kantone der Romandie sowie das Tessin in den hohen Reserven der Krankenversicherungen. Ihre Standesinitiativen sowie weitere Vorstösse für eine verbindlichere Rückzahlung der zu hohen Reserven scheiterten 2022 jedoch allesamt im Parlament. Vielmehr wurden die im Vorjahr erfolgten Rückzahlungen der Reserven in verschiedenen Kommentaren als Mitgrund für den hohen aktuellen Prämienanstieg erachtet: Einerseits hätten die Rückzahlungen den Anstieg der Gesundheitskosten überdeckt, andererseits seien deshalb für das neue Jahr weniger Reserven zur Prämienreduktion vorhanden gewesen.

Nicht in erster Linie eine Senkung der Gesundheitskosten, sondern weniger Ärger für die Versicherten erhofften sich Bundesrat und Parlament durch das Bundesgesetz über die Regulierung der Versicherungsvermittlertätigkeit. Damit soll der Bundesrat Branchenlösungen der Krankenversicherungen im Bereich der Vermittlertätigkeit allgemeinverbindlich erklären können, wodurch Werbeanrufe für Krankenversicherungen bei Personen, die nicht bereits bei der entsprechenden Krankenkasse versichert sind, verboten würden. Strittig war hier zwischen den Räten insbesondere, ob die Branchenlösungen zu Entschädigungen und Ausbildung neben den externen auch für interne Mitarbeitende gelten sollen. Nach der Durchführung einer Einigungskonferenz lenkte der Nationalrat diesbezüglich ein und das Parlament verzichtete auf die Schaffung einer entsprechenden Unterscheidung.

Jahresrückblick 2022: Sozialversicherungen
Dossier: Rétrospective annuelle 2022

Jahresrückblick 2022: Gesundheit, Sozialhilfe, Sport

Zu Beginn des Jahres 2022 wurde befürchtet, dass die Covid-19-Pandemie auch in diesem Jahr das politische Geschehen der Schweiz dominieren würde: Mitte Januar erreichte die Anzahl laborbestätigter täglicher Neuansteckungen mit 48'000 Fällen bisher kaum denkbare Höhen – im Winter zuvor lagen die maximalen täglichen Neuansteckungen noch bei 10'500 Fällen. Die seit Anfang 2022 dominante Omikron-Variante war somit deutlich ansteckender als frühere Varianten – im Gegenzug erwies sie sich aber auch als weniger gefährlich: Trotz der viermal höheren Fallzahl blieben die Neuhospitalisierungen von Personen mit Covid-19-Infektionen deutlich unter den Vorjahreswerten. In der Folge nahm die Dominanz der Pandemie in der Schweizer Politik und in den Medien fast schlagartig ab, wie auch Abbildung 1 verdeutlicht. Wurde im Januar 2022 noch immer in 15 Prozent aller Zeitungsartikel über Covid-19 gesprochen, waren es im März noch 4 Prozent. Zwar wurde im Laufe des Jahres das Covid-19-Gesetz zum fünften Mal geändert und erneut verlängert, über die Frage der Impfstoff- und der Arzneimittelbeschaffung gestritten und versucht, in verschiedenen Bereichen Lehren aus den letzten zwei Jahren zu ziehen. Jedoch vermochten weder diese Diskussionen, die zwischenzeitlich gestiegenen Fallzahlen sowie ein weltweiter Ausbruch vermehrter Affenpocken-Infektionen das mediale Interesse an der Pandemie erneut nachhaltig zu steigern.

Stattdessen erhielten im Gesundheitsbereich wieder andere Themen vermehrte Aufmerksamkeit, vor allem im Rahmen von Volksabstimmungen und der Umsetzung von Abstimmungsentscheiden.
Einen direkten Erfolg durch ein direktdemokratisches Instrument erzielte das Komitee hinter der Volksinitiative «Kinder ohne Tabak». Die Stimmbürgerinnen und Stimmbürger hiessen diese Initiative am 13. Februar mit 56.7 Prozent gut. Das Volksbegehren ziel darauf ab, dass Kinder und Jugendliche nicht länger mit Tabakwerbung in Berührung kommen. Während das Initiativkomitee die Vorlage unter anderem damit begründete, dass durch das Werbeverbot dem Rauchen bei Jugendlichen Einhalt geboten werden könne, führten die Gegnerinnen und Gegner die Wirtschaftsfreiheit an. Zudem befürchtete die Gegnerschaft, dass in Zukunft weitere Produkte wie Fleisch oder Zucker mit einem vergleichbaren Werbeverbot belegt werden könnten. Der Bundesrat gab Ende August einen gemäss Medien sehr strikten Entwurf zur Umsetzung der Initiative in die Vernehmlassung. Während die Stimmbevölkerung Werbung für Tabakprodukte verbieten wollte, bewilligte das BAG ein Gesuch der Stadt Basel zur Durchführung von Cannabisstudien; die Städte Bern, Lausanne, Zürich und Genf lancierten ebenfalls entsprechende Studien. Zudem können Ärztinnen und Ärzte seit dem 1. August medizinischen Cannabis ohne Bewilligung durch das BAG verschreiben.

Teilweise erfolgreich waren im Jahr 2022 aber auch die Initiantinnen und Initianten der Organspende-Initiative. 2021 hatte das Parlament eine Änderung des Transplantationsgesetzes als indirekten Gegenvorschlag gutgeheissen, woraufhin das Initiativkomitee die Initiative bedingt zurückgezogen hatte. Im Januar kam das Referendum gegen die Gesetzesänderung zustande. Mit dem Gesetz beabsichtigten Bundesrat und Parlament die Einführung einer erweiterten Widerspruchslösung, wobei die Angehörigen der verstorbenen Person beim Spendeentscheid miteinbezogen werden müssen. Auch wenn es sich dabei um eine Abschwächung der Initiativforderung handelte, ging die Änderung dem Referendumskomitee zu weit; es äusserte ethische und rechtliche Bedenken. Die Stimmbevölkerung nahm die Gesetzesänderung am 15. Mai allerdings deutlich mit 60.2 Prozent an. Damit gewichtete sie die von den Befürwortenden hervorgehobene Dringlichkeit, die Spenderquote zu erhöhen und etwas gegen die langen Wartezeiten auf ein Spenderorgan zu unternehmen, stärker als die Argumente des Referendumskomitees. In den Wochen vor dem Abstimmungssonntag wurde die Vorlage vermehrt von den Zeitungen aufgegriffen, wie Abbildung 1 der APS-Zeitungsanalyse verdeutlicht.

Nach dem deutlichen Ja an der Urne im November 2021 unterbreitete der Bundesrat dem Parlament im Mai 2022 seine Botschaft zur Umsetzung eines ersten Teils der Pflegeinitiative. Dieser entspricht dem indirekten Gegenvorschlag, den die Legislative ursprünglich als Alternative zur Volksinitiative ausgearbeitet hatte. Ohne grosse Änderungen stimmten die beiden Kammern der Gesetzesrevision zu.

Noch immer stark von der Covid-19-Pandemie geprägt waren die Diskussionen zu den Spitälern. Da die Überlastung der Spitäler und insbesondere der Intensivstationen während der Pandemie eine der Hauptsorgen dargestellt hatte, diskutierten die Medien 2022 ausführlich darüber, wie es möglich sei, die Intensivstationen auszubauen. Vier Standesinitiativen forderten zudem vom Bund eine Entschädigung für die Ertragsausfälle der Krankenhäuser während der ersten Pandemiewelle, der Nationalrat gab ihnen indes keine Folge.

Von einer neuen Krise betroffen war die Medikamentenversorgung. Die Versorgungssicherheit wurde als kritisch erachtet, was die Medien auf den Brexit, die Opioidkrise in den USA sowie auf den Ukrainekrieg zurückführten. Der Bundesrat gab in der Folge das Pflichtlager für Opioide frei. Das Parlament hiess überdies verschiedene Motionen für eine Zulassung von Medizinprodukten nach aussereuropäischen Regulierungssystemen gut, um so die Medikamentenversorgung auch mittelfristig sicherzustellen (Mo. 20.3211, Mo. 20.3370). Kein Gehör fand hingegen eine Standesinitiative aus dem Kanton Aargau zur Sicherung der Landesversorgung mit essenziellen Wirkstoffen, Medikamenten und medizinischen Produkten, durch ausreichende Lagerhaltung, Produktion in Europa und durch die Vereinfachung der Registrierung in der Schweiz.

Im Bereich des Sports war das Jahr 2022 durch mehrere Grossanlässe geprägt, die nicht nur in sportlicher, sondern auch in politischer Hinsicht für Gesprächsstoff sorgten. Die Olympischen Winterspiele in Peking Anfang Jahr und die Fussball-Weltmeisterschaft der Männer in Katar zum Jahresende standen aufgrund von Menschenrechtsverletzungen an den Austragungsstätten in den Schlagzeilen. Skandale gab es aber nicht nur in der internationalen Sportwelt, sondern auch hierzulande, wo Vorwürfe bezüglich Missständen im Synchronschwimmen erhoben wurden und die 1. Liga-Frauen-Fussballmannschaft des FC Affoltern nach einem Belästigungsskandal praktisch geschlossen den Rücktritt erklärte. Erfreut zeigten sich die Medien hingegen über eine Meldung im Vorfeld der Fussball-Europameisterschaft der Frauen, dass die Erfolgsprämien durch die Credit Suisse und die Gelder für Bilder- und Namensrechte durch den SFV für die Spielerinnen und Spieler der Nationalmannschaft der Frauen und Männer künftig gleich hoch ausfallen sollen. Sinnbildlich für den wachsenden Stellenwert des Frauenfussballs stand ferner eine Erklärung des Nationalrats in der Wintersession 2022, wonach er die Kandidatur zur Austragung der Fussball-Europameisterschaft der Frauen 2025 in der Schweiz unterstütze. Trotz dieser verschiedenen Diskussionen im Sportbereich hielt sich die Berichterstattung dazu verglichen mit derjenigen zu gesundheitspolitischen Themen in Grenzen (vgl. Abbildung 1). Dies trifft auch auf die Medienaufmerksamkeit für die Sozialhilfe zu, die sich über das gesamte Jahr hinweg unverändert auf sehr tiefem Niveau bewegte.

Jahresrückblick 2022: Gesundheit, Sozialhilfe, Sport
Dossier: Rétrospective annuelle 2022

In der Wintersession 2022 beriet der Ständerat den indirekten Gegenvorschlag des Bundesrates zur Prämien-Entlastungs-Initiative der SP. Die Initiative selbst sollte erst in einem zweiten Schritt beraten werden, um den Initiantinnen und Initianten die Möglichkeit zu geben, die Initiative in der Zwischenzeit zurückzuziehen. Erich Ettlin (mitte, OW) stellte dem Rat den Gegenvorschlag vor und betonte, dass der Bundesrat damit die Kantone in die Pflicht nehmen wolle – für den Bund würde die Vorlage denn auch keine neuen Verpflichtungen mit sich bringen. Bei den Kantonen, namentlich der FDK und der GDK, sei die Vorlage jedoch auf Widerstand gestossen; die FDK lehne Initiative und Gegenvorschlag ab, während die GDK «nur» Verbesserungen am Gegenvorschlag verlange. Die SGK-SR habe in der Folge einige Änderungen vorgenommen, sei bei ihrem Entwurf aber nahe an der bundesrätlichen Version geblieben. Zur Beratung dieser Details gelangte der Ständerat jedoch nicht. Zuvor hatte er einen Einzelantrag Würth (mitte, SG) auf Nichteintreten zu beraten. Bevor man über Verbesserungen am Gegenvorschlag diskutiere, solle man überlegen, «ob das geltende System wirklich revisionsbedürftig» sei, argumentierte Würth. Das aktuelle System sei im Rahmen der NFA geschaffen worden, wobei man den Kantonen bezüglich Prämienverbilligungen absichtlich viel Spielraum gelassen habe, zumal sie die sozialpolitische Situation – etwa alternative sozialpolitische Massnahmen, Einkommensverteilung, Gesundheitskosten und Prämienlast – am besten kennen würden. Wolle man die Regeln zur IPV erneut ändern, solle man das durch eine Entflechtung der Aufgaben von Bund und Kantonen tun, nicht durch eine noch stärkere Verflechtung, wie sie der Gegenvorschlag beinhalte. Zudem seien die Kantonsbeiträge aufgrund der Finanzkrise zwar deutlich gesunken, in den letzten Jahren aber wieder angestiegen. Auch Jakob Stark (svp, TG) zeigte sich vom Gegenvorschlag des Nationalrats nicht begeistert, er erachtete diesen als «dirigistisch-zentralistische Lösung [...], die den Kantonen den Spielraum nimmt».
Für Eintreten sprachen sich hingegen Marina Carobbio Guscetti (sp, TI) und Paul Rechsteiner (sp, SG) aus. Bei der Schaffung des KVG habe man das Versprechen gegeben, dass aufgrund der Prämienverbilligungen niemand mehr als 8 Prozent des Einkommens für die Krankenkassenprämien aufbringen müsse – quasi als «Korrektiv der Kopfprämien» (Rechsteiner). Durch die Änderung im Rahmen der NFA sei das System dysfunktional geworden, weil die Kantone keine Mindestbeiträge mehr leisten müssten. Heute liege der Anteil der Krankenkassenprämien bei durchschnittlich 14 Prozent des Einkommens, in Extremfällen gar bei 20 Prozent. Mit der Initiative und dem Gegenvorschlag wolle man nun zum damaligen System zurückkehren.
Gesundheitsminister Berset rief dem Rat den Kontext des Projekts in Erinnerung, nämlich die Initiative, «[qui] aurait des conséquences financières assez importantes pour la Confédération», die also bei Annahme grosse finanzielle Auswirkungen für den Bund hätte. In den letzten Jahren seien die Beiträge der Kantone an die Prämienverbilligungen – wie von der Initiative kritisiert – stark auseinandergegangen, daher sei es nötig, hier wieder für mehr Konvergenz zu sorgen.
Mit 22 zu 20 Stimmen sprach sich der Ständerat jedoch gegen Eintreten aus. Geschlossen für Eintreten stimmten die Mitglieder der SP- und der Grünen-Fraktion, gespalten zeigte sich die Mitte-Fraktion. Geschlossen oder fast geschlossen gegen Eintreten votierten die Mitglieder der SVP- und der FDP-Fraktion.

Eidgenössische Volksinitiative «Maximal 10 Prozent des Einkommens für die Krankenkassenprämien (Prämien-Entlastungs-Initiative)» und indirekter Gegenvorschlag (BRG 21.063)
Dossier: Freiner l'augmentation des primes des assurances-maladie (depuis 2020)
Dossier: Réduction de primes
Dossier: Initiatives populaires au sujet de la «caisse-maladie» (depuis 2015)

Im November 2022 präsentierte die SGK-NR ihren Entwurf für eine Änderung des KVG bezüglich der dreijährigen Tätigkeitspflicht zur Zulassung von Leistungserbringenden zur Abrechnung mit der OKP.
Erst per 1. Januar 2022 hatte das Parlament die Zulassungsbeschränkungen für ausländische Leistungserbringende verschärft. Seither können bereits in der Schweiz tätige Ärztinnen und Ärzte ohne dreijährige Tätigkeit an einer Schweizer Weiterbildungsstätte, welche zuvor bereits über die OKP abgerechnet hatten, entsprechend den Übergangsbestimmungen zwar weiterhin praktizieren, jedoch nicht in einen anderen Kanton wechseln oder selbständig werden. Entsprechend gefährde die neue Regelung die ambulante medizinische Grundversorgung in der Schweiz, insbesondere in Randregionen, kritisierte die Kommission. Folglich soll eine bis Ende 2027 befristete Ausnahmeregelung die neu geschaffene Zulassungsbeschränkung abschwächen. Demnach sollen Kantone, die in Allgemeinmedizin, Kinder- und Jugendmedizin sowie Kinder- und Jugendpsychiatrie und ‑psychotherapie eine Unterversorgung aufweisen, Ausnahmen von dieser Zulassungsbeschränkung vornehmen können. Eine Minderheit Glarner (svp, AG) beantragte, die Kinder- und Jugendpsychiatrie und ‑psychotherapie von der Liste der Fachgebiete zu streichen.
Anlässlich der von August bis Oktober 2022 durchgeführten Vernehmlassung waren 73 Stellungnahmen eingegangen, welche die Ausnahmeregelung mehrheitlich grundsätzlich guthiessen. Diskutiert wurde insbesondere, ob die Fachgebiete, für welche die Ausnahmeregelung gelten soll, abschliessend aufgelistet oder ihre Bestimmung den Kantonen überlassen werden soll, und ob die Kantone die Regelung in eigene Gesetze giessen müssen oder sich direkt auf das KVG beziehen können sollen.

Ausnahmen von der dreijährigen Tätigkeitspflicht gemäss Artikel 37 Absatz 1 KVG bei nachgewiesener Unterversorgung (Pa.Iv. 22.431)
Dossier: Limitation du nombre de médecins (depuis 1998)

In der Herbstsession 2022 bereinigte das Parlament das Paket 1b des ersten Massnahmenpakets zur Kostendämpfung im Gesundheitswesen. Offen war zu Beginn der Session noch immer die Frage eines «Monitorings der Entwicklung der Mengen, Volumen und Kosten» sowie von Korrekturmassnahmen bei nicht erklärbaren Entwicklungen. Eine solche Regelung hatten beide Räte anfänglich abgelehnt, nach Annahme eines entsprechenden Rückkommensantrags durch die beiden Kommissionen hatte sie jedoch der Nationalrat wieder in das Massnahmenpaket aufgenommen. Die Mehrheit der SGK-SR zeigte sich zur Einführung eines Monitorings bereit, wollte aber keine subsidiäre Interventionsmöglichkeit von Bund oder Kantonen bezüglich Korrekturmassnahmen, falls sich die Tarifpartner nicht einigen können. Die Kommissionsmehrheit wolle, «dass die Tarifpartner wirklich alleine verantwortlich sind», betonte Kommissionssprecher Ettlin (mitte, OW). Darüber hinaus schlug die Kommission auf Anraten der Verwaltung verschiedene redaktionelle Änderungen sowie verschiedene Anpassung einzelner Details vor, «deren Auswirkungen nicht so dramatisch sind», wie der Kommissionssprecher betonte. Eine Minderheit Hegglin (mitte, ZG) beantragte jedoch mit Verweis auf die steigenden Krankenkassenprämien, nicht nur ein Monitoring einzuführen, sondern auch verbindliche Korrekturmassnahmen festlegen zu lassen – durch den Bundesrat oder die Kantonsregierungen, falls sich die Tarifpartner nicht einigen können. Dies verstärke die Wirkung der Massnahme. Mit 25 zu 19 Stimmen (bei 1 Enthaltung) folgte der Ständerat jedoch der Kommissionsmehrheit und verzichtete auf die subsidiären Interventionsmöglichkeiten.
Stillschweigend bereinigte der Ständerat die zweite offene Frage bezüglich Vereinfachungen für den Parallelimport von Arzneimitteln. Hier lenkte die kleine Kammer ein und folgte der nationalrätlichen Muss-Formulierung: Swissmedic muss demnach zukünftig solche Vereinfachungen bei Parallelimporten vornehmen.

Mit einer letzten Differenz gelangte das Massnahmenpaket 1b somit zurück in den Nationalrat. Hier hatte die Kommissionsmehrheit beantragt, dem Ständerat zu folgen und auf die subsidiären Interventionsmöglichkeiten zu verzichten. Für die Kommissionsmehrheit erläuterten Ruth Humbel (mitte, AG) und Philippe Nantermod (fdp, VS), dass die Bestimmung auch ohne Interventionsmöglichkeiten ihre Wirkung nicht verfehlen würden, weil die Genehmigungsbehörden – also Bundesrat und Kantonsregierungen – aufgrund der neuen Regelung Tarifverträge ohne Korrekturmassnahmen gar nicht mehr genehmigen dürften. Somit sei der entsprechende Passus nicht mehr nötig. Eine Minderheit Lohr (mitte, TG) beantragte hingegen, an der Regelung festzuhalten, um die Tarifpartnerschaft zu stärken und Bund und Kantonen die Möglichkeit zu geben, dort einzugreifen, wo die Kosten entstehen. Mit 138 zu 43 Stimmen (bei 6 Enthaltungen) folgte der Nationalrat seiner Kommissionsmehrheit und bereinigte damit die Vorlage. Der Minderheit gefolgt waren die geschlossen stimmende Mitte-Fraktion sowie eine Minderheit der SP-Fraktion.

In den Schlussabstimmungen sprachen sich National- und Ständerat ohne Gegenstimmen (193 zu 0 respektive 40 zu 0 Stimmen bei 5 Enthaltungen) für Annahme des Massnahmenpakets 1b aus.

Erstes Massnahmenpaket zur Kostendämpfung im Gesundheitswesen (BRG 19.046)
Dossier: Freiner l'augmentation des primes des assurances-maladie (depuis 2020)

Die sozialdemokratische Fraktion wollte mittels einer während der Covid-19-Pandemie im Herbst 2020 eingereichten Motion erreichen, dass dem Personal von Krankenhäusern sowie vergleichbaren stationären und ambulanten Einrichtungen, welche Covid-19-Patientinnen und -Patienten behandeln, eine einmalige Corona-Prämie von CHF 4'000 zugestanden wird. Das Geschäft kam anlässlich der Herbstsession 2022 in den Nationalrat. Dort setzte sich Barbara Gysi (sp, SG) für das Anliegen ihrer Fraktion ein: Die Prämie sei angesichts der grossen Belastung und der unternommenen Anstrengungen und Überstunden der Betroffenen, mit denen sie die Gesundheitsversorgung während der Covid-19-Pandemie gewährleistet hatten, gerechtfertigt. Weiter betonte sie die Wichtigkeit der Wertschätzung des Gesundheitspersonals. Bundesrat Guy Parmelin anerkannte zwar den Beitrag, den das Gesundheitspersonal während der Pandemie geleistet hatte, gab aber zu bedenken, dass sich viele Arbeitnehmende aus unterschiedlichen Berufen in dieser Zeit speziell engagiert hätten. Eine Corona-Prämie sei nicht angebracht, weil diese einer Bevorzugung einer bestimmten Gruppe gleichkäme. Zudem wies der Wirtschaftsminister auf die Pflegeinitiative hin, mit deren Annahme sich die Stimmbevölkerung für eine Verbesserung der Situation von qualifizierten Arbeitskräften im Gesundheitswesen ausgesprochen habe. Der Bundesrat empfahl die Motion daher zur Ablehnung. Mit 118 zu 64 Stimmen folgte der Nationalrat dieser Empfehlung. Während sich die Fraktionen der SP und der Grünen geschlossen für den Vorstoss aussprachen, lehnten ihn die anderen Fraktionen geschlossen ab.

Corona-Prämie (Mo. 20.4307)

Mittels eines Postulats wollte Philippe Nantermod (fdp, VS) den Bundesrat dazu auffordern, einen Bericht zu Gefälligkeitszeugnissen durch Ärztinnen und Ärzte und zu entsprechenden Bekämpfungsmassnahmen zu erstellen. Ebenfalls Teil des Berichts soll eine Statistik zu nachgewiesenen Betrugsfällen sein. Nachdem der Vorstoss im Juni 2022 von Katharina Prelicz-Huber (gp, ZH) und Baptiste Hurni (sp, NE) bekämpft worden war, nahm sich der Nationalrat in der Herbstsession 2022 dem Geschäft an. Der Postulant begründete seinen Vorstoss damit, dass zwar niemand die Notwendigkeit des Schutzes der Arbeitnehmenden im Krankheitsfall in Frage stelle, dass es aber auch zu Missbräuchen komme. Diese führten zu grossem Schaden bei den Unternehmen, wobei insbesondere KMU hart getroffen würden. Leidtragende seien neben den Arbeitgebenden auch die anderen Mitarbeitenden. Bekämpferin Prelicz-Huber ihrerseits gab zu bedenken, dass die Ärztinnen und Ärzte durch das Postulat unter Generalverdacht gestellt würden, obwohl sie keinen Vorteil aus einem Gefälligkeitsgutachten zögen. Mit dem Eid des Hippokrates würden sich die Ärztinnen und Ärzte verpflichten, «sowohl für die psychische als auch für die physische Genesung der Patienten und Patientinnen alles zu tun». Ärztinnen und Ärzte seien «ein Ort der Zuflucht», es gehe nicht an, dass Patientinnen und Patienten den Eindruck bekommen, dass ihr Arzt oder ihre Ärztin von den Arbeitgebenden unter Druck gesetzt würden. Gesundheitsminister Berset erklärte, der Bundesrat halte die Forderung des Postulats für berechtigt. Er wies jedoch darauf hin, dass das Erstellen von Statistiken durch das Arztgeheimnis relativ schwierig sein dürfte. Der Nationalrat nahm das Postulat mit 126 zu 55 Stimmen (bei 8 Enthaltungen) an. Während sich die Fraktionen der SP und der Grünen gegen den Vorstoss aussprachen, stimmten die bürgerlichen Fraktionen und die GLP dafür.

Welche Massnahmen gegen Gefälligkeitszeugnisse von Ärztinnen und Ärzten? (Po. 19.4194)

Die Stärkung der digitalen Kompetenzen von Gesundheitsfachpersonen war Gegenstand einer Motion Silberschmidt (fdp, ZH), die im März 2022 eingereicht wurde. Damit wollte der Motionär die Vermittlung der notwendigen digitalen Kompetenzen für die berufliche Tätigkeit während der Aus-, Weiter- und Fortbildung von Gesundheitsfachpersonen erreichen. Konkret zielte er dabei nicht nur auf die Nutzung digitaler Instrumente, sondern auch auf die damit in Zusammenhang stehenden Kompetenzen bezüglich Wissensaneignung, interprofessioneller Zusammenarbeit, Kommunikation, Diagnostik sowie Monitoring der Patientenschaft ab. Da Andreas Glarner (svp, AG) die Motion im Sommer 2022 bekämpft hatte, beschäftigte sich der Nationalrat in der darauffolgenden Herbstsession mit dem Vorstoss. Vor seinen Ratskolleginnen und -kollegen führte Silberschmidt aus, dass mit der digitalen Transformation die Vereinfachung der Administration erreicht und die Qualität der Behandlung gefördert werden solle. Damit dies jedoch gelinge, bedürfe es der Mitarbeit der im Gesundheitswesen tätigen Menschen. Während die Digitalisierung im Gesundheitsberufegesetz zwar angetönt werde, fehle von ihr im Medizinalberufegesetz und im Psychologieberufegesetz jegliche Spur. Andreas Glarner war indes der Ansicht, dass zu zügig und zu weitreichend vorwärtsgegangen und dadurch das Personal überfordert werde. Pflegende «möchten nicht das iPad, sondern lieber die Hand des Patienten halten». Rückendeckung erhielt Silberschmidt aber von Gesundheitsminister Berset. Im Namen des Gesamtbundesrates unterstützte dieser die Motion. Denkbar sei etwa eine einheitliche Formulierung im Gesundheitsberufegesetz, im Medizinalberufegesetz und im Psychologieberufegesetz, weil dadurch ein gemeinsames Verständnis geschaffen werde, das alle Gesundheitsberufe teilten. Mit 136 zu 50 Stimmen nahm der Nationalrat die Motion an, wobei alle 50 Gegenstimmen aus dem Lager der geschlossen stimmenden SVP-Fraktion stammten.

Stärkung der digitalen Kompetenzen von Gesundheitsfachpersonen (Mo. 22.3163)
Dossier: Système de santé et numérisation

Jörg Mäder (glp, ZH) störte sich im September 2020 daran, dass Spitäler Ärztinnen oder Ärzten Vergütungen für mengenmässige Ziele zukommen lassen – sowohl internen Ärztinnen und Ärzten bei Durchführung von Behandlungen als auch externen bei Vermittlung von Patientinnen und Patienten. Da Studien gezeigt hätten, dass mengenbezogene Entschädigungen bei der Ärzteschaft die Anzahl Eingriffe erhöhe – auch die Expertengruppe hatte diesen Aspekt hervorgehoben –, sollen solche Spitäler zukünftig von der Spitalliste gestrichen werden, forderte Mäder in einer Motion. Im September 2022 behandelte der Nationalrat das Anliegen. Obwohl Gesundheitsminister Berset erklärt hatte, dass das Anliegen in einer zwischenzeitlich verabschiedeten Verordnungsänderung umgesetzt worden sei, nahm der Nationalrat die Motion mit 112 zu 75 Stimmen (bei 4 Enthaltungen) an.

Keine mengenbezogenen Lohnanreize für Spitalärzte

Der Ständerat beschäftigte sich in der Herbstsession 2022 als Zweitrat mit einer Motion Herzog (svp, TG) zur Stärkung der Kinder- und Jugendmedizin. Als Kommissionssprecherin der SGK-SR, die den Vorstoss im Vorfeld mit 7 zu 3 Stimmen angenommen hatte, setzte sich Maya Graf (gp, BL) für das Geschäft ein. Sie hob Defizite in der Versorgung im Bereich der Kinder- und Jugendmedizin hervor, weswegen diese nun mittels Massnahmen gestärkt werden müsse. Zwar anerkannte die Baselbieterin die bisher schon begonnenen Arbeiten zur Schliessung der bestehenden Datenlücken. Um den Defiziten nachhaltig begegnen zu können, seien jedoch vertiefte und periodische Analysen erforderlich. Eine Minderheit Hegglin (mitte, ZG) war indes der Ansicht, dass seit dem Einreichejahr 2019 bereits Vieles unternommen worden sei – etwa durch verschiedene Obsan-Studien –, und deshalb kein zusätzlicher Handlungsbedarf angezeigt sei. Ebenfalls dieser Meinung war Gesundheitsminister Berset. Er erläuterte, dass im Kompetenzbereich des Bundes bereits sehr viel erreicht worden sei und man gegen die Aufgabenverteilung zwischen Bund und Kantonen verstossen müsste, wolle man darüber hinausgehen. Nichtsdestotrotz folgte der Ständerat der Kommissionsmehrheit und nahm die Motion mit 23 zu 19 Stimmen (bei 1 Enthaltung) an.

Stärkung der Kinder- und Jugendmedizin. Versorgungsforschung und Massnahmenplanung zur Sicherstellung der Behandlung von Kindern und Jugendlichen (Mo. 19.4134)

In der Herbstsession 2022 debattierte der Ständerat zwar nicht inhaltlich über die Kostenbremse-Initiative der Mitte-Partei, setzte sich aber mit einem Antrag auf Fristverlängerung auseinander. Aufgrund des vom Bundesrat geschaffenen und vom Nationalrat angenommenen indirekten Gegenvorschlags solle die Behandlungsfrist um ein Jahr auf Mitte November 2023 verlängert werden, forderte die SGK-SR ohne Gegenantrag. Stillschweigend hiess der Ständerat die Fristverlängerung gut.

Eidgenössische Volksinitiative «Für tiefere Prämien – Kostenbremse im Gesundheitswesen» (BRG 21.067)
Dossier: Freiner l'augmentation des primes des assurances-maladie (depuis 2020)
Dossier: Initiatives populaires au sujet de la «caisse-maladie» (depuis 2015)

Eine Mehrheit der SGK-NR reichte im Juni 2022 eine Motion gegen überhöhte Entschädigungen für Geschäftsleitungs- und Verwaltungsratsmitglieder im Bereich der obligatorischen Krankenversicherung ein. Demnach sollen Geschäftsleitungsmitglieder maximale Entschädigungen – inklusive 2. Säule und Nebenleistungen – von CHF 250'000, Verwaltungsratsmitglieder von CHF 50'000 jährlich erhalten. Eine Minderheit Silberschmidt (fdp, ZH) sowie der Bundesrat empfahlen die Motion zur Ablehnung. Der Bundesrat erachtete die Massnahme als «grossen Eingriff in die Unternehmungsfreiheit» der privatrechtlich organisierten Krankenkassen, insbesondere da diese neben der OKP ja auch Zusatzversicherungen anböten. Zudem seien die Versicherungen mit dem KVAG bereits zu transparenten Entschädigungen verpflichtet worden.
Der Nationalrat nahm die Motion in der Herbstsession 2022 mit 113 zu 74 Stimmen (bei 2 Enthaltungen) an, wobei sich die meisten Fraktionen gespalten zeigten: Zu den geschlossen zustimmenden Fraktionen der SP und der Grünen gesellte sich eine Mehrheit der SVP- sowie Minderheiten der Mitte- und der GLP-Fraktionen. Einzig die FDP.Liberale-Fraktion sprach sich geschlossen gegen die Motion aus.

Keine überhöhten Entschädigungen für Geschäftsleitungs- und Verwaltungsratsmitglieder im Bereich der obligatorischen Krankenversicherung (Mo. 22.3866)

In der Herbstsession 2022 beschäftigte sich der Ständerat mit dem vom Bundesrat vorgeschlagenen Bundesgesetz über die Förderung der Ausbildung im Bereich der Pflege, mittels welchem ein erster Teil der Pflegeinitiative umgesetzt werden soll. Die SGK-SR war im Vorfeld einstimmig auf das Bundesgesetz eingetreten und hatte in ihrer Detailberatung lediglich Korrekturen formeller Natur beschlossen. Während der Ratsdebatte strich Marina Carobbio Guscetti (sp, TI) für die Kommission hervor, dass rascher Handlungsbedarf angezeigt sei. Der Pflegefachkräftemangel sei bereits vor der Covid-19-Pandemie prekär gewesen, habe sich durch die Pandemie allerdings noch verschärft. Ein zügiges Vorgehen ohne grosse Änderungen begrüsste etwa auch Bundesrat Alain Berset. Dabei argumentierte er mit der Pflicht, den Volkswillen zu befolgen, und der Tatsache, dass sich das Parlament in Form des indirekten Gegenvorschlags zur Pflegeinitiative bereits mit der Vorlage auseinandergesetzt habe. In der Folge trat der Ständerat denn auch einstimmig auf das Bundesratsgeschäft ein und hielt sich in der Detailberatung an die Anträge der Kommission. Johanna Gapany (fdp, FR) zog ihren Minderheitsantrag, der verlangte, dass bei der praktischen Ausbildung innovative Methoden zum Zuge kommen sollen dürfen, um möglichst schnell genügend Personal auszubilden, zurück, da diese Forderung auf Verordnungsebene umgesetzt werden könne. Einstimmig stimmte der Ständerat dem Bundesgesetz und den drei Bundesbeschlüssen in der Gesamtabstimmung zu.

Förderung der Ausbildung im Bereich der Pflege (BRG 20.040)
Dossier: L'initiative sur les soins infirmiers et sa mise en œuvre

In der Sommersession 2022 setzte sich der Nationalrat als Erstrat mit der Prämien-Entlastungs-Initiative der SP und dem bundesrätlichen indirekten Gegenvorschlag auseinander. Thomas de Courten (svp, BL) und Benjamin Roduit (mitte, VS) präsentierten dem Rat die beiden Vorlagen. Die SGK-NR habe «Vertretungen des Initiativkomitees, der Kantone, der Versicherer und der Versicherten sowie der Leistungserbringer» angehört und die Behandlung des Geschäfts in der Folge mit demjenigen zur Kostenbremse-Initiative koordiniert, erläuterte de Courten. Dabei habe sie – basierend auf dem Bundesratsvorschlag – ein «neues Modell zum Ausbau der individuellen Prämienverbilligung» geschaffen. Gemäss diesem sollen die Kantone in einem Sozialziel den maximalen Anteil der Prämien am verfügbaren Einkommen in ihrem Kanton definieren und einen minimalen Gesamtbetrag zur Prämienverbilligung festlegen. Diesen Gesamtbetrag dürfen sie auch für die Verlustscheine nicht bezahlter Prämien einsetzen, nicht aber für Prämienverbilligungen für Beziehende von Ergänzungsleistungen – deren Kosten kämen also noch zusätzlich hinzu. Dieser Vorschlag wurde von der Kommission mit 16 zu 9 Stimmen gutgeheissen, während sie mit 17 zu 8 Stimmen die Ablehnung der Initiative beantragte. Eine Minderheit Gysi (sp, SG) forderte hingegen eine Empfehlung auf Annahme der Initiative. Gysi betonte als Mitglied des Initiativkomitees, dass «die unsozialen Kopfprämien» für Personen mit kleinen und mittleren Einkommen eine nicht mehr tragbare Belastung darstellten – sie müssten bis zu 20 Prozent ihrer Einkommen für die Krankenkassenprämien ausgeben. Obwohl die Prämien seit 1995 um 142 Prozent gestiegen seien, gäben heute zudem einige Kantone weniger Geld für die Prämienverbilligungen aus als noch vor zehn Jahren. Der indirekte Gegenvorschlag sei diesbezüglich lediglich «ein Tropfen auf den heissen Stein».
Eine Minderheit de Courten beantragte, nicht auf den Gegenvorschlag einzutreten. Die Kosten der Prämienverbilligungen seien bereits von CHF 1.5 Mrd. auf CHF 5 Mrd. jährlich angestiegen und würden mit dem Gegenvorschlag noch weiter steigen. Der Vorschlag des Bundesrates verringere die Prämienkosten nicht – zumal der «Druck auf die Prämienzahlenden» sinke, wenn jemand anderes für ihre Prämien aufkomme. Neben dem Nichteintretensantrag legte die SVP-Fraktion weitere Minderheitsanträge vor: So sollen gemäss eines Minderheitsantrags von Thomas Aeschi (svp, ZG) die Ergänzungsleistungen nicht separat ausgewiesen werden müssen, wodurch sich die Belastung für die Kantone verringern würde. Zudem sollten gemäss einer Minderheit de Courten zumindest die Verlustscheine angerechnet werden. Schliesslich sollten die Kantone anonymisierte Angaben zu den Empfängerinnen und Empfängern, unter anderem zur Staatsbürgerschaft, machen müssen (Minderheit Aeschi).
Es folgte eine angeregte und sehr ausführliche Debatte zu Krankenkassenprämien und Individualverbilligungen. Die Mitglieder der SP- und Grünen-Fraktion warben für die Initiative, empfahlen aber auch den Gegenvorschlag zur Annahme, variierten in dessen Einschätzung aber deutlich: Mattea Meyer (sp, ZH) sprach etwa von einem substanziellen Gegenvorschlag, während ihn Manuela Weichelt (al, ZG) als «Kröte» erachtete. Die Sprechenden der SVP-Fraktion lehnten sowohl Initiative als auch Gegenvorschlag als unnütz und zu teuer ab. Die Sprechenden der Mitte-, Grünliberalen- und FDP-Fraktionen zeigten sich zwar mehrheitlich nicht enthusiastisch gegenüber dem Gegenvorschlag, empfahlen ihn aber etwa als «tragbar» (Regine Sauter: fdp, ZH) oder gar als «in sich stimmig und in seiner Grösse ausreichend, um eine echte Alternative zur Volksinitiative darzustellen» (Jörg Mäder: glp, ZH) zur Annahme.
Tags darauf schritt der Nationalrat zur Abstimmung über Eintreten auf den Gegenvorschlag. Mit 134 zu 53 Stimmen sprach sich der Rat für Eintreten und gegen den Minderheitsantrag de Courten aus. Einstimmig lehnte die SVP-Fraktion Eintreten ab. In der Folge verwarf die grosse Kammer die Minderheitsanträge Aeschi und de Courten deutlich. Schliesslich nahm der Nationalrat den indirekten Gegenvorschlag mit 119 zu 66 Stimmen – die Gegenstimmen stammten von der SVP- und von Teilen der FDP.Liberalen-Fraktion – (bei 2 Enthaltungen) an. Hingegen sprach er sich mit 121 zu 67 Stimmen für eine Empfehlung zur Ablehnung der Volksinitiative und somit gegen die Minderheit Gysi aus; für eine Annahmeempfehlung stimmten die Fraktionen der SP und der Grünen. Stillschweigend verlängerte der Rat in der Folge die Behandlungsfrist der Initiative aufgrund des Gegenvorschlags bis Oktober 2023.

Eidgenössische Volksinitiative «Maximal 10 Prozent des Einkommens für die Krankenkassenprämien (Prämien-Entlastungs-Initiative)» und indirekter Gegenvorschlag (BRG 21.063)
Dossier: Freiner l'augmentation des primes des assurances-maladie (depuis 2020)
Dossier: Réduction de primes
Dossier: Initiatives populaires au sujet de la «caisse-maladie» (depuis 2015)

Als Reaktion auf die während der Covid-19-Pandemie nötigen Triage-Entscheidungen verlangte Maya Graf (gp, BL) im März 2022 in einer Motion die Schaffung einer rechtlichen Grundlage für solche Entscheidungen. Triage-Entscheidungen beinhalteten die Beschlussfassung, wem bei Ressourcenknappheit im intensivmedizinischen Bereich eine Behandlung zukommen soll, und tangierten damit das «Recht auf Leben», erklärte die Motionärin. Insbesondere müsse in diesen Situationen eine Diskriminierung von Personen mit Behinderungen verhindert werden. Zwar habe die Schweizerische Akademie der medizinischen Wissenschaften ihre Richtlinien Ende 2020 angepasst, jedoch dürfe eine solch wichtige Frage nicht von Privaten entschieden werden, sondern brauche eine rechtliche Grundlage. Der Bundesrat erachtete die rechtliche Grundlage in dieser Frage mit dem Recht auf Leben, dem Rechtsgleichheitsgebot und dem Diskriminierungsverbot als gegeben. Die Schaffung einer allfälligen Triage-Richtlinie liege zudem in der Handlungskompetenz der Kantone. In der Sommersession 2022 wies der Ständerat die Motion auf Antrag von Philippe Bauer (fdp, NE) seiner Kommission zur Vorberatung zu.

Rechtsgrundlage für Triage-Entscheidungen beim Zugang zu intensivmedizinischen Behandlungen (Mo. 22.3246)

In einer parlamentarischen Initiative verlangte die SGK-NR, dass bei nachgewiesener Unterversorgung Ausnahmen von der dreijährigen Tätigkeitspflicht zur Zulassung von Leistungserbringenden zur Abrechnung mit der OKP gemacht werden dürfen. Damit solle eine ärztliche Unterversorgung aufgrund der neuen Zulassungsvoraussetzungen verhindert werden, begründete die Kommission ihren Vorstoss. Ausnahmsweise frühzeitig zugelassen werden könnten demnach Ärztinnen und Ärzte der allgemeinen inneren Medizin, der Kinder- und Jugendmedizin sowie praktische Ärztinnen und Ärzte, solange sie keine zusätzlichen Weiterbildungstitel haben. Mit der Zustimmung der SGK-SR im Juni 2022 schickte die Kommission Ende August 2022 einen entsprechenden Entwurf in die Vernehmlassung.

Ausnahmen von der dreijährigen Tätigkeitspflicht gemäss Artikel 37 Absatz 1 KVG bei nachgewiesener Unterversorgung (Pa.Iv. 22.431)
Dossier: Limitation du nombre de médecins (depuis 1998)

In der Sommersession 2022 schrieben die beiden Parlamentskammern eine Motion Heim (sp, SO) zur Transparenz bei Entschädigungen und Honoraren für Ärzte und Ärztinnen in leitender Funktion ab. Im Rahmen des bundesrätlichen Berichts über Motionen und Postulate der eidgenössischen Räte im Jahr 2021 erklärte die Landesregierung, dass zur Thematik verschiedene Berichte verfasst wurden – etwa in Erfüllung der Postulate 09.4239, 10.3753 und 13.4012. Weiter sei in der Evaluation der KVG-Revision im Bereich der Spitalfinanzierung auf die Spitalplanung eingegangen worden und der Stärkung der Planung werde in einer Änderung der KVV vom Juni 2021 Rechnung getragen.

Transparenz bei Entschädigungen und Honoraren für Ärzte und Ärtinnen in leitender Funktion (Mo. 18.3107)

Anfang Juni 2022 griff die Tageszeitung Blick in mehreren Artikeln den Hausärztinnen- und -ärztemangel auf. Am Beispiel der Walliser Gemeinde Grächen, welche eine Ärztin aus El Salvador engagierte, und am Beispiel des Gruppenpraxen-Geschäftsmodells wurden Möglichkeiten vorgestellt, wie man dem Problem begegnen könnte. Wenn eine Firma eine Gruppenpraxis kaufe und führe, sei dies sowohl für die Patientenschaft als auch für die Ärzteschaft gewinnbringend, so der Blick. Patientinnen und Patienten hätten nach wie vor einen eigenen Arzt oder eine eigene Ärztin und würden bei dessen oder deren Abwesenheit durch eine stellvertretende Person aus der gleichen Praxis betreut, die schon über das Patientendossier verfügt. Ärztinnen und Ärzte wiederum könnten in Praxen arbeiten, ohne unternehmerisch tätig sein und das entsprechende Risiko tragen zu müssen. Zudem würden die administrativen Arbeiten von der Firmenzentrale übernommen. Somit könnten sich die Ärztinnen und Ärzte vollständig auf ihre Patientinnen und Patienten konzentrieren.
Thema war ein möglicher Mangel in der Hausarztmedizin zeitgleich auch im Kanton Aargau, wo bedingt durch strengere Zulassungsvorschriften vonseiten des Bundes eine Verschärfung der Unterversorgung befürchtet wurde. Konkret war es seit Anfang 2022 nur noch Ärztinnen und Ärzten gestattet, eine eigene Praxis zu eröffnen, falls diese eine Arbeitstätigkeit von drei oder mehr Jahren in einer schweizerischen Weiterbildungsstätte vorweisen konnten. Die Sorgen aus dem Aargau wurden auf nationaler Ebene geteilt, weshalb die SGK-NR im Mai 2022 eine parlamentarische Initiative (Pa.Iv. 22.431) zum Thema einreichte.

Hausärztemangel

Zu Beginn der Sommersession 2022 debattierte der Nationalrat über die Kostenbremse-Initiative der Mitte-Partei und über den bundesrätlichen indirekten Gegenvorschlag dazu. Philippe Nantermod (fdp, VS) und Thomas de Courten (svp, BL) präsentierten dem Rat die beiden Vorlagen. Die Initiative wolle den Anstieg der Prämien begrenzen und mit demjenigen der Durchschnittslöhne und der Volkswirtschaft in Einklang bringen, erläuterte Nantermod. Geschehe dies nicht, müsse der Bundesrat innerhalb von zwei Jahren verbindliche Massnahmen ergreifen. Die Initiative führe nun aber entweder zu einem «tigre de papier» – einem Papiertiger – oder zur Einführung eines Globalbudgets, also quasi eines Kostendachs. Beide Entwicklungen seien nicht wünschenswert, betonte der Kommissionssprecher. Deshalb habe sich die die Kommission mit 20 zu 4 Stimmen für eine Ablehnungsempfehlung zur Initiative ausgesprochen und zahlreiche Änderungen am Gegenvorschlag vorgenommen. Man lehne «le coeur du contre-projet du Conseil fédéral», die Aufnahme der Kostenziele, ab.
Christian Lohr (mitte, TG) bewarb in der Folge die Initiative: Die Schere zwischen Gesundheitskosten und Löhnen sei immer stärker aufgegangen, die Gesundheitskosten gehörten zu den grössten Sorgen der Schweizerinnen und Schweizer. Immer mehr Leute, aktuell rund 6 Prozent der Versicherten, könnten ihre Prämien nicht mehr bezahlen und gerieten dadurch in finanzielle Schwierigkeiten. Die Initiative verlange aber kein Globalbudget, wie immer wieder behauptet werde. Vielmehr sollten bei einem zu starken Anstieg der Kosten alle Betroffenen «gemeinsam am Problem arbeiten» und Lösungen suchen.
Bevor sich der Rat mit der Initiative befasste, stimmte er über Eintreten auf den Gegenvorschlag ab und führte dessen Detailberatung durch. Eine Minderheit Weichelt (al, ZG), die von Céline Amaudruz (svp, GE) übernommen wurde, nachdem sie Weichelt zurückziehen wollte, erachtete die Massnahmen der Massnahmenpakete Ia und Ib zur Kostendämpfung im Gesundheitswesen als vorerst genügend und beantragte, nicht auf den Gegenvorschlag einzutreten. Zudem fürchtete Amaudruz eine Rationierung der Behandlungen, mehr Bürokratie und einen Konflikt der neuen Regelungen mit der Tarifpartnerschaft. Mit 119 zu 43 Stimmen (bei 15 Enthaltungen) sprach sich der Nationalrat für Eintreten aus. Neben der mehrheitlich gegen Eintreten stimmenden SVP-Fraktion votierten auch drei Mitglieder der FDP.Liberalen-Fraktion und ein Mitglied der Grünliberalen dagegen. Enthaltungen fanden sich überdies bei Mitgliedern der Grünen und der SP.
Für die Detailberatung lagen zahlreiche Änderungsanträge der Kommissionsmehrheit gegenüber dem bundesrätlichen Vorschlag vor. So wollte die Mehrheit der SGK-NR wie von Philippe Nantermod angekündigt insbesondere auf die Kostenziele verzichten, verlangte aber auch verschiedene zusätzliche Regelungen, etwa eine Evaluation der Leistungen, die womöglich nicht wirksam oder zweckmässig sind, mehr Wettbewerb bei den Laboratorien, die Beurteilung von Tarifverträgen innert einem Jahr sowie ein Opting-Out für Ärzte – also die Möglichkeit, sich von Listen der Krankenversicherungen streichen zu lassen. Zudem soll der Bundesrat sofort überhöhte Vergütungen im Tarmed korrigieren. Eine Minderheit I Lorenz Hess (mitte, BE) versuchte, den Kommissionsvorschlag näher an die Initiative zu bringen, indem er die Kostenziele des Bundesrates im Gegenvorschlag belassen wollte. Neu sollten sie jedoch weniger ausführlich geregelt und jeweils für vier Jahre und unter vorheriger Anhörung von Versicherungen, Kantonen und Leistungserbringenden festgelegt werden. Bei Nichteinhaltung der Kostenziele sollte zudem nicht der Bundesrat aktiv werden, sondern eine neu zu schaffende «Eidgenössische Kommission für das Kosten- und Qualitätsmonitoring in der OKP» soll Empfehlungen für Massnahmen erlassen. Eine Minderheit II Wasserfallen (sp, BE) ergänzte den Vorschlag von Hess um eine Anhörung der Versicherten in Ergänzung zu den Tarifpartnern. Diese Ergänzung hiess der Rat gut und bevorzugte anschliessend das Konzept von Hess und Wasserfallen gegenüber dem Vorschlag der Kommissionsmehrheit knapp mit 94 zu 91 Stimmen (bei einer Enthaltung). Somit konnte die Mitte-Fraktion mit Unterstützung der SP und der Grünen das Konzept der Kostenziele im Gegenvorschlag verteidigen.
Neben verschiedenen stillschweigend gutgeheissenen Änderungen der Kommission, etwa bezüglich eines stärkeren Wettbewerbs zwischen den Laboratorien und der Beurteilung der Tarifverträge innert eines Jahres, waren auch zwei Minderheitsanträge erfolgreich. Eine Minderheit Prelicz-Huber (gp, ZH) wollte nicht nur überhöhte Vergütungen im Tarmed, wie es die Kommissionsmehrheit verlangte, sondern auch nicht sachgerechte und nicht betriebswirtschaftliche Vergütungen korrigieren lassen. Dem stimmte der Nationalrat gegen eine Minderheit de Courten zu, der argumentierte, dass die Überprüfung erst nach der Ersetzung von Tarmed durch Tardoc vorgenommen werden solle. Der Nationalrat folgte weiter einer Minderheit Nantermod, welche sich gegen das Opting-Out der Ärzte wehrte: Diese Massnahme weise kein Sparpotenzial auf und könne in kleinen Gemeinden mit wenigen Ärzten gar die Nutzung von alternativen Versicherungsmodellen verhindern, wurde argumentiert.
In der Gesamtabstimmung nahm der Nationalrat den Gegenvorschlag mit 104 zu 74 (bei 5 Enthaltungen) an, wobei die befürwortenden Stimmen von der Mitte-, der SP-, der Grünen- und einem Grossteil der GLP-Fraktion stammten. In der folgenden Abstimmung zur Empfehlung auf Ablehnung der Initiative stand die Mitte-Fraktion dann jedoch alleine da: Mit 156 zu 28 Stimmen sprach sich der Nationalrat für die Nein-Parole aus, lediglich die Mitglieder der Mitte-Fraktion votierten für eine Ja-Parole. Stillschweigend hiess die grosse Kammer in der Folge eine Fristverlängerung der Initiative bis November 2023 gut.

Eidgenössische Volksinitiative «Für tiefere Prämien – Kostenbremse im Gesundheitswesen» (BRG 21.067)
Dossier: Freiner l'augmentation des primes des assurances-maladie (depuis 2020)
Dossier: Initiatives populaires au sujet de la «caisse-maladie» (depuis 2015)

Um einen ersten Teil der im vergangenen November angenommenen Pflegeinitiative umzusetzen, unterbreitete der Bundesrat dem Parlament Ende Mai 2022 seine Botschaft zur Ausbildungsförderung im Pflegebereich. Dabei griff er den indirekten Gegenvorschlag zur Volksinitiative wieder auf, welcher zum einen eine Ausbildungsoffensive und zum anderen die Möglichkeit für Pflegefachpersonen, gewisse Leistungen direkt mit den Sozialversicherungen abzurechnen, vorsah.
Bezüglich Ersterem hielt der Bundesrat fest, dass gerade aufgrund der hohen Auslandsabhängigkeit und der Rekrutierungsschwierigkeiten von diplomierten Pflegefachpersonen Handlungsbedarf angezeigt sei. Zudem werde der Bedarf aufgrund der alternden Bevölkerung und der damit verbundenen höheren Pflegekomplexität sogar noch weiter steigen. Die vorgesehene Ausbildungsoffensive umfasste drei Punkte: Die finanzielle Unterstützung von Gesundheitseinrichtungen, die sich an der praktischen Ausbildung diplomierter Pflegefachpersonen beteiligen, die finanzielle Unterstützung von Personen in Ausbildung an einer Fachhochschule oder einer höheren Fachschule sowie die Erhöhung der Ausbildungsplätze an höheren Fachschulen und Fachhochschulen. Mit Ausnahme der Ausbildungsplätze an Fachhochschulen, deren Finanzierung über direkte Beiträge des Bundes geplant ist, soll die Unterstützung durch die Kantone erfolgen, welche wiederum vom Bund teilweise dafür entschädigt werden. In drei Bundesbeschlüssen sollen dafür insgesamt CHF 502 Mio. gesprochen werden.
Was die direkte Abrechnung mit den Sozialversicherungen anbelangt, so stehe die bessere Berücksichtigung der «spezifischen Kompetenzen der Pflegefachpersonen» sowie die Stärkung ihrer Funktion in der Gesundheitsversorgung im Zentrum, so dass sie selbständiger arbeiten könnten. Um einen ungerechtfertigten Anstieg der Gesundheitskosten zu vermeiden, sei zudem ein Kontrollmechanismus vorgesehen. Zur Umsetzung dieser Forderung der Volksinitiative plante der Bundesrat Änderungen im KVG, wobei ihm selbst die Aufgabe zukommen sollte, die betroffenen Pflegeleistungen zu bestimmen.
Da die Vorschläge zur Ausbildungsoffensive und der direkten Abrechnung mit den Sozialversicherungen bereits Teil des indirekten Gegenvorschlags waren, sah der Bundesrat von einer erneuten Vernehmlassung ab. Der Umsetzung der weiteren Forderungen der Volksinitiative – einer angemessenen Abgeltung, anforderungsgerechten Arbeitsbedingungen und beruflichen Entwicklungsmöglichkeiten – werde in einem zweiten Schritt Rechnung getragen, weil es diesbezüglich noch einige Fragen zu klären gelte.

Förderung der Ausbildung im Bereich der Pflege (BRG 20.040)
Dossier: L'initiative sur les soins infirmiers et sa mise en œuvre

Eine Stärkung der Ausbildung von Ärztinnen und Ärzten in der Schweiz war Ziel einer im Mai 2020 eingereichten Motion Barrile (sp, ZH). Konkret forderte der Motionär den Bundesrat dazu auf, die notwendigen Schritte einzuleiten, um die Anzahl Ärztinnen und Ärzte, die hierzulande ausgebildet werden, zu erhöhen. Dazu gehörten unter anderem die Überarbeitung des Zulassungsverfahrens zum Studium, die Erhöhung der Anzahl Studienplätze sowie die Stärkung von Weiterbildungen und Fortbildungen. Der Vorstoss kam im Mai 2022 in den Nationalrat. Nachdem Barrile sein Anliegen vorgestellt hatte, erklärte Bundesrat Guy Parmelin, dass die Regierung zwar die Meinung teile, dass genügend qualifizierte Personen im Gesundheitswesen ausgebildet werden müssen, dass sie eine Änderung des Zulassungsverfahrens jedoch nicht als zielführend erachte. Parmelin verwies weiter auf das Sonderprogramm «Erhöhung der Anzahl Abschlüsse in Humanmedizin» und fasste zusammen, dass der Bundesrat der Auffassung sei, dass die essenziellen Massnahmen zur Erhöhung der Anzahl ausgebildeter Ärztinnen und Ärzte bereits ergriffen worden seien. Daher empfehle er die Motion zur Ablehnung. Diesen Worten folgte die grosse Kammer denn auch mit 98 zu 84 Stimmen (bei 6 Enthaltungen). Während die befürwortenden Stimmen in erster Linie aus den Reihen der SP-, Grünen- und GLP-Fraktion stammten, sprach sich das bürgerliche Lager grossmehrheitlich gegen das Geschäft aus.

Stärkung der Ausbildung von Ärztinnen und Ärzten in der Schweiz (Mo. 20.3394)

In der Frühjahrssession 2022 bereinigte das Parlament die Änderung des KVG bezüglich der Vollstreckung der Prämienzahlungspflicht. In der ständerätlichen Debatte bestanden nur noch zwei kleinere Differenzen, zumal der Nationalrat zuvor im Hauptpunkt der Vorlage, der Abschaffung der Liste der säumigen Prämienzahlenden, knapp dem Erstrat gefolgt war und sich gegen deren Verbot ausgesprochen hatte. Stillschweigend pflichtete die kleine Kammer dem Nationalrat nun im Gegenzug bei, dass säumige Prämienzahlende auch weiterhin nicht zwangsweise Versicherungen und Modellen mit eingeschränkter Wahl der Leistungserbringenden zugewiesen werden sollen und dass stattdessen neu die Arbeitgebenden angewiesen werden können, einen Teil der Löhne in der Höhe der laufenden Prämien- und Kostenbeteiligungsforderungen an das zuständige Amt zu überweisen. Beide Punkte seien wenig kontrovers und es lohne sich nicht, diesbezüglich eine Differenz aufrechtzuerhalten, betonte Kommissionssprecher Rechsteiner (sp, SG).
Damit hatte der Ständerat die letzten Differenzen ausgeräumt und beide Kammern sprachen sich in den Schlussabstimmungen einstimmig – wenn auch mit Enthaltungen eines Teils der grünen Fraktion – für diese Änderung des KVG aus (Nationalrat: 165 zu 0 Stimmen bei 25 Enthaltungen; Ständerat: 41 zu 0 Stimmen).

Vollstreckung der Prämienzahlungspflicht der Versicherten (Kt. Iv. 16.312)
Dossier: Liste noire pour les payeurs de primes en souffrance

Nachdem sich die SGK-SR im April 2021 mit 6 zu 3 Stimmen (bei 3 Enthaltungen) gegen die parlamentarische Initiative Nantermod (fdp, VS) für eine vorgängige Information der Patientinnen und Patienten über die Kosten der Leistungen ausgesprochen hatte, setzte sich in der Frühjahrssession 2022 der Nationalrat mit dem Anliegen auseinander. In der Zwischenzeit hatte sich auch die SGK-NR – trotz anfänglicher Unterstützung – mit 13 zu 11 Stimmen (bei 1 Enthaltung) gegen die Initiative ausgesprochen. Sie begründete ihre Ablehnung mit der Schwierigkeit für die Leistungserbringenden, die Kosten abzuschätzen, und mit den bereits getroffenen Massnahmen zur Stärkung des Kostenbewusstseins der Leistungserbringenden, etwa im Kostendämpfungspaket Ia. Eine Minderheit Nantermod erhoffte sich von der Initiative dennoch Kostensenkungen durch eine weitere Stärkung des Kostenbewusstseins bei Leistungserbringenden und Patientenschaft. Mit 108 zu 82 Stimmen (bei 3 Enthaltungen) gab die grosse Kammer der Initiative keine Folge. Für Folgegeben hatten sich die Fraktionen der SVP und der FDP ausgesprochen. Die Initiative ist damit erledigt.

KVG. Mehr Wettbewerb durch mehr Transparenz bei den Preisen (Pa.Iv. 18.487)

Anlässlich der Frühjahrssession 2022 befasste sich der Ständerat mit einer Motion der BDP-Fraktion, welche die Einführung medizinischer Qualitätsindikatoren im ambulanten Pflegebereich zum Gegenstand hatte. Peter Hegglin (mitte, ZG) führte als Sprecher der SGK-SR aus, dass sich die Kommission der Zentralität des Anliegens bewusst sei, dass in diesem Bereich allerdings schon einiges unternommen werde. Dazu gehörten etwa die Erarbeitung von Qualitätsindikatoren durch die GDK und die Spitex-Verbände oder die Aufnahme der Stärkung solcher Indikatoren in das KVG, welche durch die Verabschiedung von Artikel 58 erfolgt sei. Weiter dürfe der zunehmende administrative Aufwand, der auf das Pflegepersonal zukomme, nicht auf Kosten der direkten Pflege der Patientenschaft gehen. Daher spreche sich die Kommission gegen das Geschäft aus. Gesundheitsminister Berset schloss sich dem Argumentarium Hegglins an und empfahl die Motion zur Ablehnung. Stillschweigend kam die kleine Kammer diesem Antrag nach.

Qualitätssicherung in der Pflege. Qualitätsindikatoren auch in der ambulanten Pflege überwachen (Mo. 19.4055)