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Da die Feierlichkeiten zum Gedenken an die Schlacht bei Sempach in den letzten Jahren immer wieder durch Aufmärsche von Rechts- und teilweise auch Linksextremisten gestört wurden, was zu immensen Sicherheitskosten geführt hatte, beschloss die Luzerner Regierung für das 625-jährige Jubiläum von 2011 ein neues Konzept. Anders als auf dem Rütli wurden Extremisten allerdings nicht mit einem Zulassungssystem ferngehalten. Der Kanton Luzern richtete vielmehr ein grosses, allen zugängliches Mittelalter-Volksfest aus, verzichtete jedoch auf den Umzug auf das Schlachtgelände.

Feier der Schlacht von Sempach

Die Luzerner Behörden sahen vorerst noch keinen Anlass, das Konzept für die Feier der Schlacht von Sempach zu ändern. Diese wurde auch dieses Jahr wieder von Rechtsradikalen für einen Grossaufmarsch benutzt. Ihren rund 250 Personen standen, von der Polizei abgetrennt, rund 100 dagegen protestierende Jungsozialisten gegenüber. Die eigentliche Feier fand witterungsbedingt in einer Kirche und ohne die Rechtsradikalen statt; letztere marschierten anschliessend allein zum Schlachtgelände. Nach der Kundgebung kündigte die Luzerner Kantonsregierung die Ausarbeitung eines neuen Konzepts für die Durchführung dieses Anlasses an.

Feier der Schlacht von Sempach

Die Vernehmlassung über den Vorentwurf für ein Gesetz zum Schutz der Marke Schweiz und des Schweizer Wappens ergab einige Kritik. Einerseits wurde die Bestimmung kontrovers beurteilt, dass bei Industrieprodukten ein Mindestanteil von 60% der Herstellungskosten in der Schweiz anfallen muss, wenn das Erzeugnis die Bezeichnung „Swiss made“ tragen soll. Andererseits kritisierten einige Firmen und Interessenverbände, die bisher das Schweizer Wappen (Schild mit Schweizer Kreuz) verwendet hatten, dass sie in Zukunft nur noch die Schweizer Fahne oder das Schweizer Kreuz auf ihren Produkten oder in ihrem Logo einsetzen dürfen. Die Bundesverwaltung konterte dies mit dem Hinweis, dass die Verwendung des Wappens bereits heute auf der Grundlage des Wappenschutzgesetzes von 1931 an sich nicht erlaubt sei und das neue Gesetz in dieser Beziehung deshalb keine Verschärfung darstelle. Im Oktober beauftragte der Bundesrat das EJPD mit der Ausarbeitung einer Gesetzesvorlage. Dabei ging er auf die Vernehmlassungsergebnisse ein, indem er beschloss, dass Firmen und andere Institutionen, welche das Schweizer Wappen seit Jahrzehnten auf ihren Produkten oder in ihrem Logo verwendet haben, dies auch weiterhin tun dürfen.

Swissness-Vorlage (BRG 09.086)
Dossier: Swissness - Protection de la marque Suisse

Nachdem die Rechtsextremen vom Rütli verdrängt worden waren, suchten sie sich andere Orte für ihre historisch untermauerten Auftritte - unter anderem auch die Feier zur Schlacht von 1386 in Sempach (LU). Die Luzerner Behörden sahen keinen Anlass, etwas gegen die Beteiligung der PNOS (Partei National Orientierter Schweizer) und anderer Rechtsextremisten an der Sempacher Feier zu unternehmen. Diese hätten sich in den Vorjahren stets anständig benommen und ihr Kranzlegungsritual mit der sich an der faschistischen Frontenbewegung der 30er Jahre orientierenden Symbolik erst nach der offiziellen Feier durchgeführt.

Feier der Schlacht von Sempach

In der SVP und anderen nationalkonservativen Kreisen regte sich einiger Widerstand gegen die Ausleihe des Bundesbriefs von 1291 an eine drei Wochen dauernde Ausstellung in Philadelphia (USA) über die historische Verbundenheit der USA mit der Schweiz, welche die beiden ältesten demokratischen Republiken sind („Sister Republics“). Der Kanton Schwyz als Eigentümer sah keinen Anlass, auf den von mehreren SVP-Nationalräten (Brunner, SG, Mörgeli, ZH, und Föhn, SZ) geforderten Verzicht auf die Ausleihe oder gar auf das Ansinnen eines Verkaufs des Dokuments an eine private Stiftung einzugehen.

Bundesbriefs

Die Krise um das Verhalten der Schweiz und speziell ihrer Banken während und nach dem Zweiten Weltkrieg ist im Berichtsjahr weiter abgeflaut. Der im Vorjahr zwischen internationalen jüdischen Organisationen und den beiden grössten schweizerischen Banken abgeschlossene Vergleich, der als sogenannte Globallösung auch alle Ansprüche gegen andere schweizerische Firmen und Institutionen umfasst (mit Ausnahme der Versicherungen, wo analoge Verhandlungen noch laufen), wurde vor dem federführenden New Yorker Gericht besiegelt. Im Frühjahr konnte der Bundesrat die von ihm 1996 eingesetzte und unter der Leitung des Diplomaten Thomas Borer stehende Task Force zur Wahrung der schweizerischen Interessen auflösen.

Krise abgeflaut

Der im Vorjahr von den Banken eingerichtete und von der übrigen Wirtschaft und der Nationalbank mitfinanzierte Holocaust-Fonds setzte die Auszahlungen an bedürftige Opfer des Naziterrors fort. Neben jüdischen Personen wurden auch Roma und Homosexuelle berücksichtigt. Schwerpunktregion blieb das ehemals kommunistische Ost- und Mitteleuropa. Nach langen, nicht von der Schweiz verursachten Verzögerungen war im Dezember der Verteilplan für die gut 80 Mio Fr. für die rund 60 000 Holocaust-Überlebenden in Israel erstellt. Gegen Jahresende konkretisierte sich auch die Überweisung einer ersten Tranche von 47 Mio Fr. zugunsten von in den USA wohnenden Opfern.

Holocaust-Fonds

Anfangs Dezember fand in Washington eine internationale Konferenz über Kulturgüter statt, welche in der Zeit des 2. Weltkriegs jüdischen Opfern geraubt und auf den internationalen Kunstmärkten weiterverkauft worden waren (sogenannte Raubkunst). Obwohl auch schweizerische Kunsthändler in diesen Geschäften aktiv gewesen waren, stand vor allem Frankreich im Zentrum der Kritik und von der Schweiz war eher am Rande die Rede. Dabei war die Tonart der Referate im Vergleich zu früheren ähnlichen Veranstaltungen um die Goldgeschäfte sehr moderat. Nicht Forderungen in Milliardenhöhe und Polemiken standen im Mittelpunkt, sondern Wege und Mittel zur Auffindung von Kunstwerken und deren Restituierung. Die vom Bundesamt für Kultur in Auftrag gegebene Studie über Raubkunst in der Schweiz wurde gegen Jahresende präsentiert und bestätigte den bereits bekannten Sachverhalt, dass in der Zeit um den 2. Weltkrieg die Schweiz eine der Drehscheiben des Handels mit Raubkunst gewesen war. Sie vermochte jedoch die im Frühjahr in der Presse angestellten Spekulationen, dass sich heute mehrere Hundert Raubkunstwerke in der Schweiz befinden würden, nicht zu erhärten.

Konferenz über Kulturgüter

Die Diskussion um die Haltung der Schweiz und ihrer Wirtschaft während und unmittelbar nach dem 2. Weltkrieg blieb auch im Berichtsjahr rege und spaltete Volk und Generationen. In der ersten Jahreshälfte sorgten Sanktionsdrohungen aus den USA, verbale Angriffe von Vertretern amerikanisch-jüdischer Organisationen auf die Schweiz und auf Mitglieder des Bundesrates und sehr polemische Darstellungen von Aspekten der schweizerischen Vergangenheit (so etwa die vom Simon Wiesenthal-Zentrum in Los Angeles herausgegebenen „Studien“ zur Behandlung der Flüchtlinge in der Schweiz bzw. zur angeblich dominierenden faschistischen Gesinnung der schweizerischen Bevölkerung) weiter für Aufregung. Das Geschehen beruhigte sich merklich, nachdem im August eine sogenannte Globallösung zwischen den beiden schweizerischen Grossbanken und den Klägern und jüdischen Organisationen abgeschlossen wurde, in welcher sich die Banken zur Zahlung von rund 1,3 Mia US$ verpflichteten. Exponenten schweizerischer jüdischer Organisationen protestierten mehrmals gegen die Diffamierungen der Schweiz und auch gegen die Boykottdrohungen US-amerikanischer Staaten und Kommunen gegen die schweizerische Wirtschaft und mussten dafür Kritik von Vertretern internationaler jüdischer Organisationen einstecken.

Globallösung zwischen den beiden schweizerischen Grossbanken und den Klägern und jüdischen Organisationen

Im Juni veröffentlichten die amerikanischen Behörden einen zweiten, nach dem Unterstaatssekretär Eizenstat benannten Bericht über die Politik der Neutralen während des 2. Weltkriegs. Im Gegensatz zu dem 1997 veröffentlichten ersten Bericht, war nun nicht mehr die Schweiz alleinige Angeklagte. Auch den anderen Staaten (Schweden, Portugal, Spanien, Argentinien und Türkei) wurde eine wichtige Rolle als Handelspartner Deutschlands nachgewiesen. In seinem Vorwort gelangte Eizenstat zu wesentlich differenzierteren Schlüssen als im ersten Bericht. So anerkannte er, dass die Schweiz (zusammen mit Schweden) effektiv von Deutschland militärisch bedroht und deshalb auch zu einem gewissen Mass von Kollaboration gezwungen gewesen sei. Als Goldhandelsplatz sei sie zentral gewesen, in bezug auf die Lieferung von kriegswichtigen Rohstoffen und Produkten wären jedoch die Beiträge der anderen europäischen Neutralen viel gewichtiger gewesen.

Eizenstat Bericht

Die Auseinandersetzung über das Verhalten der schweizerischen Behörden, der Banken und der Industrie vor, während und nach dem Zweiten Weltkrieg blieb weiterhin eines der Hauptthemen der Politik. Der innenpolitische Konflikt wurde, insbesondere in der ersten Jahreshälfte, oft sehr polemisch ausgetragen und orientierte sich weitgehend am üblichen Links/Rechts-Schema. Weniger üblich, und deshalb auch schwerer zu meistern, waren die Herausforderungen auf der internationalen Szene. Die namentlich in den USA durch jüdische Organisationen, aber auch staatliche Behörden vorgebrachten und weltweit durch die Medien prominent verbreiteten Anschuldigungen gegen die Schweiz und das geringe Echo, das die von der Schweiz ergriffenen Massnahmen zur Aufklärung ihrer Geschichte und zur Wiedergutmachung fanden, liessen in weiten Kreisen den Eindruck der Hilflosigkeit entstehen.

Hauptthemen der Politik

Der Konflikt zeitigte zu Jahresbeginn jedoch auch personelle Konsequenzen. Die SonntagsZeitung veröffentlichte einige Passagen aus einem vertraulichen Situationsbericht des schweizerischen Botschafters in den USA, Carlo Jagmetti, und warf ihm in einem Kommentar absolutes Unverständnis für die berechtigte Kritik an der Schweiz vor. In seinem nicht für die Öffentlichkeit bestimmten Bericht hatte Jagmetti die zuständigen Bundesstellen aufgefordert, diese Auseinandersetzung ernst zu nehmen, und davor gewarnt, die Gegenspieler, namentlich die jüdischen Organisationen in den USA, zu unterschätzen. In den in der SonntagsZeitung abgedruckten Passagen rief er die Behörden in martialischer Sprache dazu auf, sich auf einen Krieg vorzubereiten, der sowohl im Landesinneren als auch im Ausland (d.h. vor allem in den USA) geführt werden müsse. Von einem Teil der Medien und von der politischen Linken wurde er aufgrund dieser Auszüge als ungeeignet für die Vertretung der schweizerischen Interessen kritisiert. Diese Vorwürfe und das Zögern des Bundesrates, sich eindeutig hinter ihn zu stellen, veranlassten Jagmetti, sein Rücktrittsschreiben einzureichen.

Delamuraz

En prévision de la célébration du 150e anniversaire de la création de l'Etat fédéral qui aura lieu en 1998, les communes de Vrin et Sumvitg (GR) ont décidé de dédier le haut plateau de la Greina à l'ensemble du peuple suisse. Cette manifestation symbolique à laquelle la conseillère fédérale Ruth Dreifuss a pris part s'est déroulée dans le courant du mois d'août, soit une année et demie après que les deux communes grisonnes se soient vu reconnaître le droit à un dédommagement financier en raison de leur renonciation à la construction d'un barrage sur ce site.

Le haut plateau de la Greina (GR)

In die Debatte schaltete sich auch der nach dem Krieg gegründete und heute noch rund 6500 Mitglieder zählende Verein Schweizer Armeeveteranen ein. In einem Manifest protestierten sie dagegen, dass die Leistungen der damaligen Bevölkerung als irrelevant für die Wahrung der Unabhängigkeit bezeichnet und der älteren Generation eine Kollektivschuld für angebliche Fehler von Behörden und Wirtschaft angelastet werden. Ihre Exponenten räumten ein, dass gegen historische Forschung, wie sie die Bergier-Kommission betreibt, nichts einzuwenden sei. Es gehe aber nicht an, dass junge Journalisten und Historiker bei der Beurteilung einzelner Handlungen von heutigen Moralvorstellungen ausgehen und die damaligen Zeitumstände nicht berücksichtigten.

Armeeveteranen

Als engagiertester Gegner dieser Solidaritätsstiftung profilierte sich der Zürcher Nationalrat Blocher (svp). Bereits eine Woche vor deren Ankündigung hatte er in einer Ansprache vor mehr als 1000 Personen seine Sicht der Dinge vorgetragen. Seiner Meinung nach habe die Schweiz als Staat in der damaligen Zeit keine Fehler begangen. Auch die Behörden hätten ihre Hauptaufgabe, die Wahrung der Unabhängigkeit und das Vermeiden der Verwicklung in Kriegshandlungen, erfüllt. Fehler seien zwar gemacht worden, aber nicht vom Staat und seinen Behörden, und schon gar nicht vom Volk als Ganzem, sondern von einzelnen Personen, von Banken und Unternehmen. Dieser historische Teil seiner Rede wurde auch von ihm kritisch gesinnten Medien als einigermassen akzeptabel gewürdigt. Unter heftigen Beschuss geriet er jedoch wegen Äusserungen, in denen er Parallelen zog zwischen der damaligen Bedrohung und der aktuellen Situation der Schweiz als von der Europäischen Union umschlossenes Land. Anlässlich der Mitte März von einer dringlichen Interpellation ausgelösten Debatte im Nationalrat kritisierte Blocher, dass die Solidaritätsstiftung als Wiedergutmachung für angebliche Fehler, welche die Schweiz während des 2. Weltkriegs begangen habe, konzipiert sei und auf jeden Fall im Ausland so interpretiert werde. Da der Staat und das Volk aber keine derartigen Fehler begangen haben, gebe es auch keinen Grund für Entschuldigungen und staatliche Wiedergutmachungszahlungen.

Schaffung einer Solidaritätsstiftung

Am 5. März gab Bundespräsident Koller im Namen des Bundesrats vor der Vereinigten Bundesversammlung eine Erklärung zu den in den letzten Jahren aufgeworfenen Fragen im Zusammenhang mit der schweizerischen Politik während des Zweiten Weltkriegs ab. Er bekannte sich darin zu einer vorurteilslosen und kritischen Erforschung der damaligen Geschehnisse und Umstände. Dies sei zwar bereits früher geschehen, aber die Ergebnisse dieser Untersuchungen seien nicht immer genügend zur Kenntnis genommen worden. Mit der 1996 erfolgten Einsetzung der internationalen Historikerkommission werde dieser notwendige Prozess nun intensiviert. Koller räumte auch ein, dass das Ziel der Wahrung der Unabhängigkeit des Landes nicht alle damals getroffenen Entscheidungen rechtfertigen könne. Als Schlusspunkt seiner halbstündigen Rede kündigte Koller die Schaffung einer Solidaritätsstiftung an. Diese solle ein Zeichen sein für die "Bekräftigung der humanitären Tradition der Schweiz und der Dankbarkeit für das Verschontwerden von zwei Weltkriegen". Als Zweck dieser Stiftung nannte er die Unterstützung von Opfern "von schwerer Armut, Katastrophen, Genozid, Folter und anderen schweren Menschenrechtsverletzungen". Die Mittel sollen je zur Hälfte im Inland und im Ausland eingesetzt werden. Finanzielle Beiträge an bedürftige Holocaustopfer schloss Koller nicht aus; er verwies aber darauf, dass diese vor allem auf die rasche Hilfe durch den von den Banken ins Leben gerufenen und auch von der Nationalbank mitgetragenen Spezialfonds angewiesen seien.

Schaffung einer Solidaritätsstiftung

Als Finanzierungsinstrument schlug Koller eine teilweise Anpassung der Bewertung der 2600 Tonnen Goldreserven der Nationalbank an die rund viermal höheren Marktpreise vor. Eine Aufwertung auf 60% des Marktpreises würde den Buchwert dieses Goldbestandes von 12 Mia Fr. auf 26 Mia Fr. erhöhen. Gold im Wert der Hälfte dieses Aufwertungsgewinns (7 Mia Fr.), d.h. gut 400 Tonnen, würde dann schrittweise in Wertpapiere umgewandelt und in den Fonds eingelegt, welcher mit dem jährlichen Zinsertrag von rund 350 Mio Fr. humanitäre Aufgaben finanzieren könnte.

Schaffung einer Solidaritätsstiftung

Zu Jahresbeginn gab vor allem die Ende 1996 vom abtretenden Bundespräsidenten Delamuraz in einem Zeitungsinterview gemachte Aussage, die von den jüdischen Organisationen geforderten Globalzahlungen kämen einer Lösegelderpressung gleich, zu reden. Jüdische Organisationen aus den USA drohten mit Boykottmassnahmen, falls sich der Bundesrat nicht innert Monatsfrist von diesen Worten distanziere, die als an Antisemitismus grenzend und diesen fördernd bezeichnet wurden. Der Bundesrat ging auf diese Begehren nicht ein und rief alle beteiligten Stellen zur Fortsetzung des Dialogs auf. Die SP und die Grünen kritisierten Delamuraz ebenfalls, weil seine Aussagen geeignet seien, antisemitische Stimmungen hervorzurufen, und verlangten vom Gesamtbundesrat, sich von Delamuraz' Worten zu distanzieren. Später verabschiedete der SP-Vorstand gar eine Resolution, worin er Delamuraz zum Rücktritt aufforderte; die SP-Fraktion entschied jedoch, sich dieser Forderung nicht anzuschliessen. Bundesrat Delamuraz selbst nahm seine Worte nicht zurück, sondern äusserte zuerst sein Bedauern darüber, dass seine Äusserungen falsch verstanden worden seien; später ergänzte er noch, dass er seine kritisierte Aussage aufgrund von unpräzisen Informationen gemacht habe. Als Reaktion auf die Äusserungen von Delamuraz lancierten Personen aus der politischen Linken und der Kultur ein Manifest, worin sie den Bundesrat unter anderem aufforderten, aktiv gegen jegliche antisemitische Tendenzen zu kämpfen.

Delamuraz

Die in Gang gekommene Debatte diente einerseits zur Aufarbeitung der jüngeren Vergangenheit, wobei Linke und Grüne vornehmlich dazu aufforderten, die Diskussion dazu zu benutzen, lang gehegte historische Mythen hinsichtlich der Rolle der Schweiz im nationalsozialistischen Herrschaftssystem endlich zu überwinden, während die Rechte auf die damalige politische, militärische und wirtschaftliche Bedrohung durch das III. Reich verwies. Andererseits wurde - nicht nur von Sozialdemokraten - gefordert, aus der Vergangenheit Lehren für die Zukunft zu ziehen, sei es bei der Verwaltung von Geldern ausländischer Potentaten, wie der ehemaligen Präsidenten Mobutu oder Marcos, sei es durch eine stärkere Einbindung der Schweiz in europäische oder internationale Organisationen.

umfassende Aufklärung der Rolle des schweizerischen Finanzplatzes

Am 19. September feierten die Schweiz und besonders die Stadt Zürich den 50. Jahrestag des Besuchs des damaligen britischen Premiers, Winston Churchill. Churchill hatte an diesem Tag seine später berühmt gewordene Zürcher Rede gehalten, in der er zu einer engen Kooperation unter den europäischen Staaten aufgerufen hatte. Der Anlass wurde in Zürich mit einer Reihe von Gedenkveranstaltungen und im Beisein zahlreicher politischer Prominenz begangen.

Zürcher Rede

Gerade die britische Presse nahm die Gedenkveranstaltung, an welcher auch der britische Aussenminister Rifkind teilnahm, zum Anlass, die dunkleren Seiten der schweizerischen Geschichte während des Zweiten Weltkriegs aufzuzeigen. In einer oft polemischen antischweizerischen Kampagne wies sie auf die Kooperation der Schweizer Behörden und Unternehmen mit den nationalsozialistischen Herrschern in Deutschland hin. Ins gleiche Horn stiess der Vorsitzende des Bankenausschusses des amerikanischen Senats, Alfonse D'Amato, welcher sich als eifrigster Kritiker der Schweiz profilierte.

Zürcher Rede

Ähnliche Forderungen wurden an einer Tagung in Lausanne auch von den "Rencontres suisses", einer Gruppe von Wissenschaftern und Intellektuellen, gestellt. In ihren Augen muss sich die Förderung des nationalen Zusammenhalts und des Heimatgefühls am Ziel einer gemeinsamen Zukunft orientieren. Einzelne Gemeinden, welche zum Teil schon vor der EWR-Abstimmung sprachübergreifende Gemeinde- oder Städtepartnerschaften eingegangen waren, engagierten sich konkret für die kulturelle Verständigung, indem sie einen Schüleraustausch oder gegenseitige Behördenbesuche organisierten.

Förderung des nationalen Zusammenhalts

Wichtiges Diskussionsthema im Berichtsjahr blieb nach der Ablehnung des EWR-Vertrages die Frage, auf welche Weise zwischen den verschiedenen Bevölkerungsund Sprachgruppen eine Einigung in bezug auf die zukünftige Europapolitik der Schweiz erreicht werden könnte. Der Genfer Staatsrat und alt Nationalrat Guy-Olivier Segond (fdp) wies unter anderem auch auf die Notwendigkeit hin, innerhalb der Deutschschweiz – vor allem zwischen Stadt und Land – Brücken zu schlagen. Eine Tagung zum Thema "Europa als kulturelle Herausforderung" auf dem Schloss Waldegg bei Solothurn zeigte den Teilnehmern und Teilnehmerinnen auf, wie schwierig die Position der mit Schuldgefühlen behafteten Deutschschweizer gegenüber der zum Teil apodiktischen Haltung der Welschen war. Jacques Pilet, Chefredaktor des "Nouveau Quotidien", forderte zur Bewältigung der Krise namentlich eine verbesserte Kommunikation in Form eines Ausbaus des Strassen- und Schienennetzes zwischen den Regionen und der Realisierung des Swiss-Metro-Eisenbahn-Projektes sowie die systematische Förderung der Zweisprachigkeit an den Schulen.

zukünftige Europapolitik der Schweiz

Befürworter eines EWR-Beitrittes betonten in ihrer Kampagne, dass die Schweizer Geschichte auch unbestrittenermassen ein Stück europäische Geschichte und dass somit die schweizerische Identität ein Stück europäische Identität sei. Damit schliesse die Schweizer Identität laut Benedikt von Tscharner, Botschafter bei der EG, einen europäischen Auftrag ein, der uns letztlich die eigene Identität zu erkennen und zu wahren helfe. Die Bestimmung der eigenen kulturellen und nationalen Identität müsse demnach als Selbstdefinitionsprozess gegenüber dem nächsten Umfeld, in diesem Falle Europa, erfolgen.

Schweizer Geschichte auch unbestrittenermassen ein Stück europäische Geschichte

Die in Buchform erschienenen Beiträge des im November 1991 abgehaltenen Symposiums zum Thema "Schweizerische Identität und Europäische Integration ", organisiert von der Akademischen Kommission der Universität Bern, enthielten die Positionen von Persönlichkeiten aus Politik, Wirtschaft und Wissenschaft. Aus historisch-politischer, wirtschaftlicher und kultureller Sicht konnten praktisch alle Beteiligten Anknüpfungspunkte und eine entwicklungsfähige Grundlage von schweizerischen Eigenheiten für eine Annäherung an das enger zusammenrückende Europa feststellen. Das grösste Problem würde laut Professor Weibel die Schaffung eines Vertrauensverhältnisses zwischen Volk und Regierung sein; im Falle eines verstärkten aussenpolitischen Engagements könnte der politische Wille des Bundesrates als Ausdruck eines Handelns von oben nach unten in Form eines Autoritätsakts beim Volk missverstanden werden, wodurch letzteres die Regierung in Volksabstimmungen desavouieren könnte.

Symposiums zum Thema "Schweizerische Identität und Europäische Integration "