Réinitialiser la recherche

Contenu

  • Population étrangère
  • Intégration

Acteurs

Processus

  • Débat public
34 Résultats
Sauvegarder en format PDF Pour plus d'information concernant l'utilisation de la requête cliquer ici

Ausgangspunkt einer hitzigen medialen Diskussion um die frühkindliche Förderung war ein Artikel von SVP-Bildungspolitikerin Verena Herzog (svp, TG) in der SVP-Zeitung «Klartext», in welcher sie argumentierte, dass «eine verfehlte Zuwanderungspolitik durch staatlich verordnete Krippenerziehung wettgemacht werden» solle. Stein des Anstosses war dann ihre Aussage, in welcher sie Kinder in Krippen mit Verdingkindern verglich, die zwecks besserer Erziehung weggegeben wurden. Der Staat solle sich hierbei in grösserer Zurückhaltung üben – damals wie heute, so Herzog.
Vertreter und Vertreterinnen von Betreuungsorganisationen sowie vom Verein Fremdplatziert kritisierten den Vergleich vehement.
Die Aussage Herzogs liess sich in den Kontext der Debatten in Bundesbern über die frühkindliche Förderung einordnen. So wurde entschieden, dass neue Kita-Plätze weiterhin subventioniert werden und dass steuerpolitisch jene Eltern finanziell entlastet werden, die ihren Nachwuchs fremdbetreuen lassen (BRG 18.050). Herzog störte sich auch an den Bestrebungen, die Frühförderung der null- bis vierjährigen Kinder auszubauen. In der zuständigen Bildungskommission hätte ihr niemand beantworten können, was mit jenen Eltern passiere, die ihre Kinder nicht in die Frühförderung schicken wollten. Der Kindergartenbesuch sei auch freiwillig gewesen und dann obligatorisch geworden. Dasselbe wäre für die Frühförderung fatal, so Herzog.
Praktisch zur selben Zeit berichteten die deutschsprachigen Medien bezeichnenderweise über die Bemühungen einiger Kantone und Städte, die sprachliche Frühförderung von Kindern nichtdeutscher Muttersprache zu stärken. Viele Kinder sprächen zu Hause kein oder kaum Deutsch und seien daher komplett überfordert, wenn sie in die erste Klasse einträten. In einem Interview äusserte sich auch Dagmar Rösler, Präsidentin des Dachverbandes der Schweizer Lehrerinnen und Lehrer. Sie forderte ein schweizweites Obligatorium für eine Frühförderung analog dem Basler Modell. In diesem Modell «Frühe Deutschförderung» werden eineinhalb Jahre vor dem Kindergarteneintritt die Deutschkenntnisse fremdsprachiger Kinder ermittelt. Wenn diese nicht genügen, müssen die Kinder an mindestens zwei halben Tagen pro Woche eine Spielgruppe oder ein Tagesheim besuchen. In der Folge forderte Christoph Eymann (lpd, BS), Nationalrat und Präsident der SKOS, in einer zu Beginn von Nationalrätin Herzog bekämpften und schliesslich überwiesenen Motion, dass der Bundesrat prüfe und Bericht erstatte, wie die frühe Sprachförderung vor Eintritt in den Kindergarten mithilfe des Bundes im ganzen Land umgesetzt werden könne.
Ins gleiche Horn blies im Übrigen auch ein Bericht des Schweizerischen Wissenschaftsrates, der dringenden Handlungsbedarf bei der frühkindlichen Förderung sah. Gemäss den Medien sei ein schweizweites Obligatorium der sprachlichen Frühförderung jedoch derzeit nicht realistisch, weil die Frühförderung in der Kompetenz der Kantone liege.

Frühkindliche Förderung

Frischen Wind in die gesellschaftliche Debatte ums nationale Verhüllungsverbot brachte die grossmehrheitliche Zustimmung des St. Galler Stimmvolks zu einem Verhüllungsverbot auf kantonaler Ebene im September 2018. Damit war St. Gallen nach dem Tessin der zweite Kanton, in dem die Gesichtsverhüllung in der Öffentlichkeit verboten wurde. Der Präsident des Initiativkomitees der nationalen Volksinitiative «Ja zum Verhüllungsverbot», der Solothurner SVP-Nationalrat Walter Wobmann, deutete die St. Galler Entscheidung als ein positives Zeichen für die bevorstehende Abstimmung über das schweizweite Verhüllungsverbot. Bundespräsident Berset gab demgegenüber in der Presse zu Protokoll, man nehme das Resultat auf Kantonsebene zur Kenntnis, aber auf nationaler Ebene sei die Debatte eine andere – dies wohl, weil die St. Galler Bestimmung die Gesichtsverhüllung nur dann verbietet, wenn von ihr eine Gefährdung für die öffentliche Sicherheit ausgeht.
Im Zuge der gleichzeitig laufenden Vernehmlassung zum Bundesgesetz über das Gesichtsverhüllungsverbot, das vom Bundesrat als indirekter Gegenvorschlag zur Volksinitiative aus der Taufe gehoben worden war, taten im Herbst 2018 zahlreiche Akteure ihre Ansichten zur Burkafrage in den Medien kund. Unter den Parteien lehnten neben der SVP – ihres Erachtens nehme der bundesrätliche Gegenvorschlag das Anliegen der Initiative nicht ernst – auch die Grünen den indirekten Gegenvorschlag ab. Sie betrachteten den Gegenvorschlag als unverhältnismässig und unnütz, da Nötigung ohnehin bereits verboten sei und der Gegenvorschlag genauso wenig zu den Rechten und zur Gleichberechtigung muslimischer Frauen beitrage wie die Initiative; letztlich schürten beide Vorurteile gegen die muslimische Bevölkerung. Auf der anderen Seite begrüsste die GLP den Vorschlag des Bundesrates vorbehaltlos. Die CVP und die FDP unterstützten beide die Stossrichtung des Bundesrates, brachten aber entgegengesetzte Vorbehalte zum Ausdruck. Während sich die CVP eine weitergehende Regelung im Sinne eines auf Gesetzesebene verankerten, allgemeinen Verhüllungsverbots wünschte, lehnte die FDP ein solches auf nationaler Ebene kategorisch ab – dies liege in der Kompetenz der Kantone – und zweifelte generell am Gesetzgebungsbedarf in dieser Frage, da es sich bei der Burka in der Schweiz um eine marginale Erscheinung handle. Für gut befand die FDP jedoch die klaren Regeln zum Behördenkontakt. Dieser Teil des bundesrätlichen Vorschlags war – neben der Feststellung, es sei richtig, der Initiative überhaupt mit einem indirekten Gegenvorschlag entgegenzutreten – auch der einzige Punkt, den die SP mehr oder weniger einhellig unterstützte. In allem, was darüber hinausging, zeigten sich die Sozialdemokraten gespalten. Der Waadtländer Nationalrat Pierre-Yves Maillard, der sich schon zuvor als Burka-Gegner zu erkennen gegeben hatte, fand in seiner Partei rund 40 Mitstreiterinnen und Mitstreiter, die ein Verbot der Burka in der Schweiz befürworteten, wenn auch nicht in der Bundesverfassung, sondern auf Gesetzesstufe. Sein Lausanner Parteikollege Benoît Gaillard bezeichnete die Burka als eine religiöse Praxis, die der Gleichstellung von Mann und Frau, den Menschenrechten und den Fundamenten der Demokratie zuwiderlaufe. Man dürfe nicht ein Jahrhundert des Kampfes für die Gleichstellung der Geschlechter der Toleranz gegenüber einer religiösen Minderheit opfern, denn der Gesichtsschleier beraube die Frauen ihrer öffentlichen Existenz, was nicht mit der Schweizer Bürgerschaft vereinbar sei. Der bundesrätliche Gegenvorschlag tauge demnach gemäss Maillard nicht, um den Erfolg der Initiative zu verhindern. Ebenfalls für ein Burkaverbot auf Gesetzesstufe sprach sich die Waadtländer Ständerätin Géraldine Savary aus; sie sah den Vorschlag des Bundesrates als geeigneten Ausgangspunkt für die entsprechende parlamentarische Debatte. Mit einer rein parlamentarischen Lösung, hoffte sie, könnte die Abstimmung über die Volksinitiative verhindert und der Abstimmungskampf vermieden werden, der die muslimische Bevölkerung stigmatisieren und die Frauen «als Geiseln nehmen» werde, wie sie der «Tribune de Genève» erklärte. Eine andere Ansicht vertrat hingegen beispielsweise der Genfer Nationalrat Carlo Sommaruga, der den Gegenvorschlag genügend überzeugend fand, um den zögernden Teil der Wählerschaft zu gewinnen. Er erlaube die Bestrafung von Nötigung und lasse gleichzeitig den Frauen, die sich aus freien Stücken verschleiern wollten, die Wahl; allen unsere Vorstellung von Gleichheit aufzuzwingen wäre hingegen Ausdruck eines «kolonialen Feminismus», wie Sommaruga von «Le Temps» zitiert wurde.
Von den insgesamt 69 eingegangenen Stellungnahmen qualifizierte der Ergebnisbericht zur Vernehmlassung rund zwei Drittel, mehrheitlich mit Vorbehalten, als befürwortend und ein Drittel als ablehnend. Neben der SVP, den Grünen, der EVP, der EDU, dem Egerkinger Komitee, der EKR, dem SGB und vier weiteren Organisationen lehnten sowohl die KKJPD als auch sieben Kantone den bundesrätlichen Gegenvorschlag ab. Ihrer Ansicht nach sollten die Kantone selbst über die Frage des Verhüllungsverbots entscheiden können beziehungsweise bringe der Vorschlag des Bundesrates keinen Mehrwert gegenüber dem geltenden Recht. Demgegenüber unterstützten die übrigen Parteien der Bundesversammlung, 18 Kantone, verschiedene Frauen- und Menschenrechtsorganisationen sowie u.a. die EKF, die SKG, der schweizerische Tourismusverband und Hotelleriesuisse den Gegenvorschlag, wobei einige von ihnen erklärten, dass dieser sogar noch weiter gehen dürfte. Positiv hervorgehoben wurde von verschiedenen Teilnehmenden, dass der Gegenvorschlag die Autonomie der Kantone wahre und so auch Rücksicht auf die Tourismusdestinationen nehme, dass er Probleme gezielt dort löse, wo sie aufträten, und dass er klare und einfach anwendbare Regeln enthalte. Der Bezug zur Initiative wurde unterschiedlich beurteilt. Während einige die Ansicht vertraten, der Gegenvorschlag nehme das Anliegen der Initiative auf und beseitige deren unangemessene Punkte, sahen andere keine Vergleichbarkeit mit der Initiative. Passend zum Tenor der Vernehmlassungsergebnisse resümierte der Tages-Anzeiger, der Vorschlag des Bundesrates sei «umstritten, aber nicht chancenlos».

Volksinitiative «Ja zum Verhüllungsverbot» und indirekter Gegenvorschlag (19.023)
Dossier: Interdiction nationale de la burqa

Weil die Fussballer Xherdan Shaqiri und Granit Xhaka ihre Tore während dem Spiel Schweiz-Serbien in Kaliningrad (RUS) mit der Doppeladler-Geste bejubelten, kam es im Juni im Rahmen der Fussball-Weltmeisterschaft der Männer zu einem Eklat.
Nicht wenige Spieler der Schweizer Nationalmannschaft verfügen über kosovarische oder albanische Wurzeln und Spieler und Fans beider Seiten der Partie haben den Kosovokrieg Ende der 1990er-Jahre direkt oder indirekt miterlebt. Noch heute existieren Spannungen zwischen den ehemaligen Kriegsparteien, so anerkennt Serbien beispielsweise den Kosovo nicht als unabhängigen Staat. Die Stimmung im Stadion war also im Hinblick auf vergangene Konflikte aufgeheizt – serbische Fans pfiffen die Schweizer Spieler aus, Shaqiri und Xhaka machten den Doppeladler.
Bei der Doppeladler-Geste wird, indem man die Hände über die Daumen kreuzt und mit den Fingern flattert, das Wappentier Albaniens – ein Adler – imitiert. Obwohl der Adler das Wappentier vieler Nationen ist, auch dasjenige Serbiens, sei die albanische Doppeladler-Flagge auf rotem Grund als «Flagge aller ethnischen Albaner» zu deuten, wie die Aargauer Zeitung erklärte. Weltweit würden daher albanische Spieler von ihren Fans gefeiert, wenn sie «den Adler machen». In den albanisch besiedelten Teilen Jugoslawiens hingegen sei früher öfters die Polizei eingeschritten, wenn die Doppeladler-Flagge öffentlich gezeigt wurde.
Die Geste im Spiel habe laut Xhaka folglich auch den albanischen und nicht den serbischen Fans gegolten, dennoch stufte die Fifa die Handlung als Provokation gegenüber dem serbischen Publikum ein. Es folgten Bussen in Höhe von CHF 10'000 für die beiden Spieler und eine weitere Busse von CHF 5'000 für Teamcaptain Lichtsteiner, der den Doppeladler aus Solidarität mit seinen Teamkollegen ebenfalls zeigte. Die Schweiz gewann die Partie 2:1.

Damit war aber die Diskussion nicht abgepfiffen: Die Frage, ob ein Schweizer Nationalspieler eine ausländische Jubelgeste machen dürfe, beschäftigte die Schweiz noch über einen Monat und war während Wochen ein dominierendes Thema in der Tagespresse. Der Direktor des SFV, Alex Miescher, fragte im Juli in einem Interview mit dem Tages-Anzeiger gar, ob Doppelbürger überhaupt für eine Nationalmannschaft geeignet seien. Xhaka selbst bezeichnete diese Aussage gemäss Tages-Anzeiger als «Unsinn» und «Steinzeitkommentar», laut Jacqueline Fehr (sp, ZH) sei sie «eine Ohrfeige für alle Doppelbürger», wie der Blick titelte. Dieser veröffentlichte daraufhin in der Sonntagsausgabe auf über elf Seiten unterschiedliche Stellungnahmen zur Doppeladler- und Doppelbürger-Diskussion.
Für die Aussage Mieschers entschuldigte sich der Präsident des SFV, Peter Gilliéron, später, Jürg Stahl (svp, ZH), Präsident des Dachverbandes von Swiss Olympics, unterstützte hingegen die Aussage Mieschers gegenüber dem Blick: Schweizer Sportlerinnen und Sportler, welche die Schweiz an olympischen Spielen und Weltmeisterschaften vertreten, sollen «durch und durch und nur unsere Nation vertreten», was im Falle von Doppelbürgern aber oft schwierig sei. Mit einer Abschaffung von Doppelbürgerschaften könne man hier Abhilfe schaffen, so Stahl weiter.
Auch die Weltwoche griff die Thematik auf: Dort zitierte Roger Köppel (svp, ZH) den Schriftsteller Gottfried Keller, indem er definierte, was Schweizer Staatsangehörige ausmache: Es sei das Bürgerrecht und die Identifikation mit dem Land und seiner Staatsform. Dass nun die Doppeladler-Geste für Irritierung darüber sorge, ob die Spieler der Schweizer Nati denn überhaupt für die Schweiz oder für Albanien spielten, sei nur naheliegend, meinte Köppel weiter, denn der Doppeladler sei eben nicht ein Schweizer Symbol.

Schliesslich gab es aber auch humorvolle Beiträge zur Diskussion: Vielleicht sei der Doppeladler ja nur Werbung für die Vogelwarte Sempach gewesen, witzelte man im Tages-Anzeiger. Insgesamt erregte der Zwischenfall aber derart viel Aufmerksamkeit, dass die ZHAW den Begriff «Doppeladler» im Dezember zum Wort des Jahres 2018 kürte.

Doppeladler-Affäre
Dossier: Identité nationale: discussions autour de l'équipe nationale de football

Zur Umsetzung der parlamentarischen Initiative Marra (sp, VD) hatten die eidgenössischen Räte im Herbst 2016 einerseits eine Änderung des Bürgerrechtsgesetzes verabschiedet und andererseits einen Bundesbeschluss erlassen, der die erleichterte Einbürgerung von Ausländerinnen und Ausländern der dritten Generation in der Bundesverfassung verankert. Im Hinblick auf das auf den 12. Februar 2017 angesetzte obligatorische Referendum über die Verfassungsänderung gewann das Thema im zu Ende gehenden Jahr 2016 auch in der öffentlichen Debatte langsam an Präsenz. Mit Ausnahme der „Weltwoche“, die schon Anfang November das erste Mal zum verbalen Zweihänder griff und die Linke bezichtigte, „sich von den vielen Eingebürgerten viele linke Stimmen“ zu erhoffen, sowie die „Umwälzung der politischen Entscheide, ja des ganzen politischen Erfolgsmodells der Schweiz“ befürchtete, liess das Nein-Lager lange Zeit nichts von sich verlauten. Die erste SVP-Exponentin, die sich in dieser Sache zu Wort meldete, war Nationalrätin Yvette Estermann (svp, LU); als gebürtige Slowakin, die sich nach ihrer Heirat selbst erleichtert hatte einbürgern lassen, sprach sie sich im „Blick“ allerdings für die erleichterte Einbürgerung der dritten Generation aus. So war es denn auch das Befürworter-Komitee – eine breite Allianz aus Vertreterinnen und Vertretern aller grossen Parteien ausser der SVP –, das unterstützt von den Alt-Bundesrätinnen Ruth Dreifuss (sp, GE) und Eveline Widmer-Schlumpf (bdp, GR) sowie Alt-Bundesrat Pascal Couchepin (fdp, VS) am 22. November 2016 medienwirksam den Abstimmungskampf eröffnete. Kurz darauf wurde aber bekannt, dass dem Pro-Komitee die finanziellen Mittel fehlten, um eine sichtbare Inseratekampagne zu führen, da sich die Wirtschaftsverbände in dieser Frage nicht engagierten. Neben der grossen Kontroverse um die Unternehmenssteuerreform III fristete die Debatte um die erleichterte Einbürgerung somit ein Mauerblümchendasein.

Das laue Lüftchen gegen die Vorlage – hauptsächlich Argumente bezüglich föderalistischer Bedenken oder mangelnden Handlungsbedarfs – wich Anfang 2017 jedoch schlagartig einem Wirbelsturm, der sich – für eine von SVP-Exponenten geführte Kampagne nicht ganz untypisch – einmal mehr um ein Burka-Plakat drehte. „Die kennen wir doch!“, übertitelte der „Blick“ einen Artikel, in dem er aufzeigte, dass das gleiche Sujet bereits bei den Kampagnen für das Minarettverbot und die Masseneinwanderungsinitiative sowie bei der Unterschriftensammlung für das nationale Verhüllungsverbot zum Einsatz gekommen war. Damit war die öffentliche Debatte definitiv lanciert, wenn auch vielmehr jene über die Angemessenheit der Plakate als jene über das inhaltliche Für und Wider der erleichterten Einbürgerung. Mit dem Motiv hätten die Gegner das Thema völlig verfehlt, da es sich bei den betreffenden Ausländerinnen und Ausländern der dritten Generation hauptsächlich um italienische, spanische, portugiesische und türkische Staatsangehörige handle, empörte sich die Unterstützerseite. Während Bundesrätin Simonetta Sommaruga der Gegenseite fehlende Argumente unterstellte, verkündete Initiantin Ada Marra im Radio gar, dem- oder derjenigen 2000 Franken zu bezahlen, der oder die ihr eine Burka tragende Ausländerin der dritten Generation zeige. Im Internet sorgten die Plakate mit dem „Burka-Schreckgespenst aus der Mottenkiste“ (BZ) derweil auch für Belustigung, indem das Sujet in völlig andere Kontexte gesetzt, ad absurdum geführt und durch den Kakao gezogen wurde. Selbst aus den Reihen der SVP ertönten kritische Stimmen zum umstrittenen Plakat. Während SVP-Nationalrat Maximilian Reimann (svp, AG) das Sujet als „nicht optimal“ bezeichnete, war es für Alex Kuprecht (svp, SZ) als Befürworter der Vorlage schlicht „einige Niveaus zu tief“. Die Mitglieder des Pro-Komitees legten daraufhin etwas Geld für eine eigene, kleine Plakatkampagne an einigen grossen Bahnhöfen der Deutschschweiz zusammen. Nachdem die grosse Welle der Empörung abgeebbt war, plätscherte der Abstimmungskampf wieder gemächlich vor sich hin.

Mit näher rückendem Abstimmungstermin richtete sich die Aufmerksamkeit nochmals auf einen ganz anderen Aspekt der Abstimmung: das Ständemehr. Was das Volksmehr betrifft, zeigten die letzten Umfragen eine eher klare Tendenz zu einem Ja, doch das Ständemehr war bereits früheren Bestrebungen zur erleichterten Einbürgerung zum Verhängnis geworden (insb. bei der Volksabstimmung vom 12. Juni 1994). Experten gingen davon aus, dass die Westschweizer Kantone und Zürich der Vorlage bei einem Volksmehr mit grosser Wahrscheinlichkeit zustimmen würden, während die meisten Zentral- und Ostschweizer Kantone – traditionell skeptisch in Ausländerfragen – eher zur Ablehnung der Vorlage neigen sollten. Den entscheidenden Ausschlag erwarteten sie von den als „Swing States“ bezeichneten Kantonen Basel-Landschaft, Graubünden, Luzern, Solothurn, Wallis und Zug. Dies sind zugleich jene Kantone, die die Einbürgerung der dritten Ausländergeneration im Jahr 2004 mit weniger als 60% Nein-Stimmen abgelehnt hatten. Angesichts der aktuellen, weniger radikalen Reform, die im Gegensatz zu jener von 2004 insbesondere keinen Automatismus vorsieht, ist es durchaus denkbar, dass einige der „Swing States“ nun ins andere Lager wechseln.

La Suisse doit reconnaître ses enfants (Iv.Pa. 08.432) / Erleichterte Einbürgerung der dritten Generation

Dans le canton de Bâle-Campagne, les autorités ont décidé d’annuler la dispense de serrer la main à un/-e enseignant/-e dont bénéficiaient deux étudiants de religion musulmane. Cette décision découle du débat qui a pris sa source au sein de l’école de Therwil (BL), avant de secouer la Suisse toute entière. Pour être précis, dans le courant du mois d’avril, plusieurs médias ont révélé que deux frères syriens refusaient de serrer la main à leurs enseignants pour des motifs religieux. Cette situation a crée une polémique nationale qui a forcé le Département cantonal de l’éducation a réagir. Ainsi, l’expertise juridique mandatée par le Canton a rendu sa décision. Elle estime que l’intérêt public, lié notamment à l’égalité homme-femme mais aussi à l’intégration des personnes étrangères primait sur la liberté de croyance.

serrer la main de leur enseignante

La décision de l’école secondaire de Therwil, dans le canton de Bâle-Ville, de dispenser deux élèves de serrer la main de leur enseignante pour des motifs religieux a crée une vague de réactions qui a balayé toute la Suisse. Le Conseil fédéral, par l’intermédiaire de la ministre de la justice Simonetta Sommaruga, a déclaré que « la poignée de main faisait partie de notre culture ». Il estime ainsi que l’argument de la liberté de croyance n’est pas suffisant. Du côté de la Conférence des directeurs cantonaux de l’instruction publique (CDIP), Christoph Eymann considère qu’une telle exception ne rend pas service à la communauté musulmane. Après les débats sur le port du voile ou l’exemption des cours de natation, la question du serrage de main mêle, à nouveau, les questions d’intégration et la politique d’éducation.

serrer la main de leur enseignante

Im Wahljahr stiessen die 1.-August-Ansprachen von Bundesräten und Parteipräsidenten auf grössere mediale Resonanz. Dabei schlugen die Vertreter der Parteien lautere Töne an und richteten ihre Festreden thematisch anders aus als die Regierungsmitglieder. So warnte etwa SVP-Parteipräsident Toni Brunner vor der Zuwanderung, die noch immer nicht gestoppt worden sei. SP-Präsident Christian Levrat warf der SVP Polemik und Niveaulosigkeit vor und rief dazu auf, Menschen in Not aufzunehmen. Christophe Darbellay - Präsident der CVP - warnte vor "Brandstiftern", die Panik schürten, obwohl die Integration von Einwanderinnen und Einwandern trotz einigen Problemen gut funktioniere. Auch BDP-Präsident Martin Landolt sprach sich für eine Aufnahme von Zuflucht suchenden Menschen aus. Das seien nicht einfach Wirtschaftsflüchtlinge, sondern Menschen, die per Geburt weniger privilegiert seien als Schweizerinnen und Schweizer.
Die Bundesrätinnen und Bundesräte betonten derweil eher die Europapolitik. In ihrer Radioansprache und ihrer Festrede auf dem Rütli betonte Bundespräsidentin Simonetta Sommaruga, dass die anstehenden Weichenstellungen mit Europa nur mit einer lösungsorientierten politischen Kultur bewältigt werden könnten. Auch Eveline Widmer-Schlumpf betonte bei ihrer Festrede in Titterten (BL), dass schrille Töne in der Politik nicht zu Lösungen führten. Leider werde die Kultur des Ausgleichs von einigen immer stärker aufs Spiel gesetzt. Die wirtschaftliche Bedeutung der Zusammenarbeit mit der EU wurde von Doris Leuthard in Ottenbach (ZH) und Zurzach (AG) betont. Als einzige Magistratin sprach sie auch die Flüchtlingspolitik an: Die Schweiz könne im Bewusstsein ihrer humanitären Tradition mehr tun als andere Länder. Die Wirtschaft war Thema von Johann Schneider-Ammanns Rede. Auch der Wirtschaftsminister, der ebenfalls im Kanton Basel-Landschaft, in Allschwil und in Windisch (AG), auftrat, betonte dabei die Bedeutung der Zusammenarbeit mit Europa. Einer Stärkung des inneren Zusammenhaltes redeten Didier Burkhalter (in Zürich und in Sumiswald, BE) und Alain Berset (in Lindau, ZH) das Wort - Berset war der einzige Regierungsvertreter, der zudem auch noch eine Ansprache in der Romandie hielt (in Sierre, VS): Die Masseneinwanderungsinitiative scheine die Schweiz gespalten zu haben; trotz wachsender kultureller Vielfalt müsse die Gesellschaft aber zusammengehalten werden. Einzig Ueli Maurer warnte in Grosswangen (LU) und Nottwil (LU) vor einem engeren Anschluss an die EU und lobte auch bezugnehmend auf die Geschichte der Eidgenossenschaft den bewährten Weg der Unabhängigkeit.

1.-August-Ansprachen

Bei den seit 1976 jährlich von der Credit Suisse ermittelten Sorgen der Bevölkerung der Schweiz im so genannten Sorgenbarometer zeigte sich auch 2014 die Arbeitslosigkeit als das Thema, das die meisten Bauchschmerzen verursacht. Seit 2003 wird die Arbeitslosigkeit als Hauptsorge betrachtet. 2014 bezeichneten 51% der rund 1000 von gfs.bern befragten Personen die Erwerbslosigkeit als grösste Besorgnis, was einem Plus von sieben Prozentpunkten im Vergleich zu 2013 gleichkommt. 40% der Befragten sorgen sich um Ausländerfragen (+ 3 Prozentpunkte) und 37% der Befragten (+ 8 Prozentpunkte) bereitet die AHV bzw. die Sicherung der Renten Unbehagen. Die Befragten konnten aus einer Liste aus 34 Sorgen fünf Nennungen abgeben. Sorgen um das Asylwesen und Flüchtlingsfragen (26%, - 2 Prozentpunkte) und das Gesundheitswesen (23%, + 2 Prozentpunkte) fanden sich wie schon vor einem Jahr ebenfalls unter den fünf Hauptsorgen der Schweizerinnen und Schweizer.

Sorgenbarometer

Am Tag nach der Annahme der Burka-Initiative im Tessin liess das Egerkinger Komitee, welches einst erfolgreich die Minarett-Initiative lanciert hatte, verlauten, dass eine ähnlich formulierte, nationale Volksinitiative zur Unterschriftensammlung bereitstünde. Möglich also, dass das Anliegen nach dem Scheitern im Parlament den Weg über die Volksrechte nehmen wird.

Volksinitiative «Ja zum Verhüllungsverbot» und indirekter Gegenvorschlag (19.023)
Dossier: Interdiction nationale de la burqa

Unverändert grösste Sorge blieb auch 2012 die Arbeitslosigkeit, wie das jährlich von der GfS im Auftrag der Crédit Suisse durchgeführte Sorgenbarometer zeigte. Aus einer Vorgabe von 34 Themen wählten rund 1000 Befragte die drängendsten Probleme aus. Für fast die Hälfte der Befragten (49%; 2011: 52%) gehört die Angst vor einem Jobverlust zu den grössten Sorgen. Unverändert auf Rang zwei folgt das Thema „Ausländer“ (37%; 2011: 36%). Um die AHV und die Altersvorsorge sorgt sich rund ein Drittel der Befragten (36%; 2011: 27%). Stark zugenommen hat zudem die Sorge um das Asylwesen (32%; 2011: 21%), welche somit die Besorgnis um das Gesundheitswesen (unverändert 30%) überholte.

Sorgenbarometer

En août, l’annonce par l’OFS du passage de la barre des huit millions d’habitants en Suisse a remis au centre du débat la politique envers les étrangers. Les médias ont rappelé les solutions proposées par les partis politiques pour limiter la croissance. Parmi les solutions discutées, on retrouve l’initiative contre l’immigration de masse de l’UDC, les tours de vis dans le domaine des naturalisations pour le PDC, les restrictions du droit au regroupement familial pour le PLR ou encore la limitation de l’immigration pour les initiants d’Ecopop.

limiter la croissance

Die internationale Wirtschaftskrise schlug sich auf das Sorgenbarometer nieder, eine jährlich von der GfS-Bern im Auftrag der Crédit Suisse durchgeführte Befragung von rund 1000 Personen zu den Sorgen der Bevölkerung. Zwar war die Sorge um Arbeitslosigkeit wie bereits im Vorjahr auf Rang 1 (52% der Befragten nannten die Arbeitslosigkeit als grösste Sorge), die Sorge um die Wirtschaftsentwicklung (35%; Rang 3; Vorjahr Rang 14) und um die Finanzmärkte (30%; Rang 4; Vorjahr Rang 13) rückten aber scheinbar stark ins Bewusstsein. Nach wie vor grosse Sorgen machen sich die Befragten auch zum Thema Ausländer (36%; Rang 2; Vorjahr Rang 5). Nach hinten rutschten die Sorgen um AHV und Altersvorsorge (27%; Rang 6; Vorjahr Rang 2).

Sorgenbarometer

Eine aktive Einbürgerungspolitik wurde von Swiss-Re-Präsident Walter Kienholz gefordert. Während die Wirtschaft seine Vorschläge positiv aufnahm, forderten Vertreter von SVP, FDP und CVP eine Verschärfung der Regeln. So arbeitet etwa SVP-Nationalrat Walter Wobmann an einer Volksinitiative, die eine Einbürgerung auf Probe vorsieht, d.h. Eingebürgerten soll das Bürgerrecht wieder entzogen werden, wenn sie in der Probezeit straffällig werden. Für den Bundesrat wäre eine solche Regelung völkerrechtswidrig. Zudem gilt bereits seit dem 1.3.2011 eine schärfere Bestimmung, wonach aufgrund falscher Angaben bei der Einbürgerung neu nach acht statt fünf Jahren das Bürgerrecht wieder entzogen werden kann.

aktive Einbürgerungspolitik Einbürgerung auf Probe

Im Jahr 2010 fanden 14 Grossdemonstrationen mit 1000 und mehr Beteiligten statt. An zwei Kundgebungen nahmen mehr als 5000 Personen teil. Im März demonstrierten rund 6000 Personen auf dem Bundesplatz für die Gleichstellung der Geschlechter und im April unterstützten rund 5000 Personen die Solidaritätskundgebung für Tibet in Zürich. In Bern fanden acht Grossdemonstrationen statt, in Genf und Zürich je zwei, in Freiburg und in Gösgen je eine. Im Gegensatz zum Vorjahr, als bei 25 Grossdemonstrationen mehrheitlich aussenpolitische Fragen bewegt hatten, standen 2010 vermehrt spezifische Interessen einzelner Gruppen im Vordergrund: neben Gleichstellungsfragen waren etwa Proteste von Wirten gegen die Mehrwertsteuer, von Lehrern für bessere Arbeitsbedingungen, von Postangestellten gegen Poststellenabbau und Rationalisierung, von Jugendlichen für Genfer Konzertlokale oder von Velofahrern gegen den Autoverkehr Gründe für die Protestaktionen. Darüber hinaus bewegten Solidaritätskundgebungen für verfolgte Christen und für Ausländer, darunter die Protestdemonstration gegen die Annahme der Ausschaffungsinitiative. In Gösgen demonstrierten rund 4000 Personen gegen das AKW und in Bern nahmen etwa 1000 Linksautonome am antifaschistischen Abendspaziergang teil.

Grossdemonstrationen in der Schweiz im Jahr 2010
Dossier: Grandes manifestations en Suisse

Die von der GfS-Bern im Auftrag der Crédit Suisse jährlich durchgeführte repräsentative Befragung über die wichtigsten Sorgen der Bewohnerinnen und Bewohner der Schweiz ergab für 2008 keine markanten Veränderungen gegenüber dem Vorjahr. Die Resultate waren noch stark geprägt von der Hochkonjunkturstimmung und den damit verbundenen massiven Preissteigerungen bei Nahrungsmitteln und Erdölprodukten. Die Angst vor Inflation nahm um 12 Prozentpunkte zu und kam auf Rang 4. An der Spitze der Sorgenliste standen aber nach wie vor die von 53% der Befragten genannte Arbeitslosigkeit (-4% gegenüber 2007), das Gesundheitswesen (40%; -2%) und die Altersvorsorge (39%; -6%). Die Ausländerproblematik, welche im Wahljahr 2007 für viele an Bedeutung gewonnen hatte, erschien nun wieder weniger wichtig (24%; -11%).

Sorgenbarometer

Die von der GfS-Bern im Auftrag der Crédit Suisse jährlich durchgeführte repräsentative Befragung über die wichtigsten Sorgen der Bewohnerinnen und Bewohner der Schweiz ergab die selben Spitzenreiter wie im Vorjahr. Trotz anhaltend guter Wirtschaftslage und zunehmender Beschäftigung figurierte die Arbeitslosigkeit (57%; -9% gegenüber dem Vorjahr) immer noch an der Spitze der Rangliste, gefolgt von der Sorge um die Altersvorsorge (45%; -6%) resp. die Gesundheit (38%; -17%). Alle drei Bereiche wurden allerdings markant weniger häufig genannt als im Jahr 2006. Massiv zugelegt haben demgegenüber die nächstwichtigen Themen Ausländerproblematik (35%; +8%) und die Angst, die persönliche Sicherheit sei nicht mehr gewährleistet (30%; +17%). Dass die Umfrage im August durchgeführt wurde, also zu der Zeit als die Inserat- und Plakatkampagne der SVP mit genau diesen beiden Themen überall präsent war, mag an diesem Resultat nicht ganz unschuldig sein. Ähnliches gilt wohl auch für die grösser gewordene Angst vor der Zerstörung der Umwelt, welche 2006 nur von 7% der Befragten als eines der fünf wichtigsten Themen genannt wurde, im Wahljahr 2007 aber von 25%.

Sorgenbarometer

Die Unterstützungskomitees für die auf 70 000 bis 300 000 geschätzten Sans-Papiers (Personen, die oft schon seit Jahren ohne gültige Aufenthaltspapiere in der Schweiz leben und arbeiten) hielten an ihrer Forderung nach einer kollektiven Aufenthaltsregelung fest, signalisierten aber Bereitschaft, diese nicht allen Betroffenen automatisch zu gewähren, sondern an bestimmte Kriterien zu knüpfen. Da die individuelle Härtefallprüfung keine echte Perspektive sei und weder von den Papierlosen noch von den Kantonen wirklich genutzt werde, sollte der Aufenthalt all jener Personen kollektiv regularisiert werden, die seit längerer Zeit in der Schweiz leben, in einem sozialen Netz integriert sind und sich keiner schwer wiegenden Straftat schuldig gemacht haben. Für eine schnelle und möglichst unbürokratische Legalisierung sprach sich auch die Gewerkschaft GBI aus. Nach ihren Vorstellungen sollten alle Sans-Papiers, die seit mindestens einem Jahr in der Schweiz leben und einen Arbeitsnachweis sowie eine Wohnadresse vorweisen können, vorerst einmal eine Jahresbewilligung erhalten. Bis Ende Oktober wurden den Bundesbehörden von den Kantonen 212 Dossiers, 590 Personen betreffend, eingereicht; 346 Personen erhielten eine provisorische Aufenthaltsbewilligung. Mitte Dezember trafen sich in Bern Vertreter von Kantons- und Bundesbehörden mit den Unterstützungskomitees der Papierlosen und den Gewerkschaften zu einem runden Tisch, an dem keine Lösung des Problems gefunden werden konnte, wo aber zumindest Einverständnis herrschte, den Dialog weiter zu führen.

Sans-Papiers 346 Personen provisorische Aufenthaltsbewilligung

Politbeobachter waren sich einig, dass die Asyl- und Ausländerpolitik ein Hauptthema im Wahlkampf 2003 sein wird. Das (und die gleichzeitig anstehende Revision von Ausländer- und Asylrecht) veranlasste alle Bundesratsparteien, sich mit Positionspapieren zu Wort zu melden, wobei zum Teil vom bisherigen ideellen Gedankengut der Partei abgewichen wurde, um Forderungen nach einer restriktiveren Ausländer- und Asylpolitik nicht kampflos der SVP zu überlassen. Als erste der Bundesratsparteien legte die Geschäftsleitung der SP ihr neues Konzept für die künftige Migrationspolitik der Schweiz vor. Das unter der Federführung von Nationalrätin Aeppli (ZH) entstandene Papier sorgte in der Partei zum Teil für hitzige Diskussionen, wurde darin doch eine Abkehr von der bisherigen SP-Haltung postuliert, wonach alle Ausländerinnen und Ausländer in der Schweiz zugelassen werden sollen, die hier Arbeit finden. Aeppli begründete die Neuausrichtung mit der Angst vieler Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer vor ausländischer Konkurrenz. Jenen Parteimitgliedern, die Zulassungsbegrenzungen als Tabubruch empfinden, entgegnete sie, wichtiger als neue Arbeitskräfte ins Land zu holen, sei es, die Chancen der hier lebenden zu verbessern. Eine Diskriminierung bei der Zulassung müsse mittelfristig in Kauf genommen werden, dafür sei aber die Gleichbehandlung aller Zugelassenen zu garantieren, etwa was den Familiennachzug betrifft, die Berufsbildung oder die Arbeitsbedingungen. Das Papier wurde von der Delegiertenversammlung gegen die Opposition der beiden Nationalrätinnen Vermot (BE) und Garbani (NE) angenommen.

ein Hauptthema im Wahlkampf 2003 SP

Wie bereits im Vorjahr angekündigt, gründeten Vertreter der wichtigsten Ausländerkolonien im März ein Forum für die Integration von Migranten und Migrantinnen. Es will einerseits Diskussionsplattform sein, andererseits zu einem gewichtigen Gesprächspartner der Bundesbehörden und anderer Institutionen werden. Die EKA übernahm den Betriebskredit des Forums für die ersten sechs Monate (rund 300 000 Fr.), will später aber höchstens einen Drittel beisteuern.

Forum für die Integration von Migranten und Migrantinnen

Ein besonderes Problem stellt sich bezüglich der ersten grossen Einwanderungswelle der 50er und 60er Jahre; als junge, kräftige, aber meist unqualifizierte Männer und Frauen übernahmen diese – vorwiegend aus Italien stammenden – Immigranten damals die körperlich harten und schlecht bezahlten Arbeiten, welche die Schweizer mieden. Heute sind diese Personen im Pensionsalter, haben häufig gesundheitliche Probleme und beziehen deutlich tiefere Renten als die Schweizer, da sie nicht nur geringere Einkommen hatten, sondern häufig auch Beitragslücken aufweisen. Ursprünglich hatte man damit gerechnet, dass diese Menschen im Alter in ihre Heimat zurückkehren würden. Nun zeigte sich, dass gewisse Eigenheiten des schweizerischen Sozialversicherungssystems diese Rückkehr mehr behindern denn ermutigen. Der Anspruch auf Ergänzungsleistungen (EL) beispielsweise erlischt mit der Ausreise und kann bei einer späteren neuerlichen Einreise nicht wieder aktiviert werden. Der Direktor des Bundesamtes für Sozialversicherung (BSV), Otto Piller, regte deshalb an, dass eine einmalige zehnjährige Wohnsitzdauer generell für den Bezug von EL ausreichen sollte. Eine weitere Schwierigkeit besteht in der obligatorischen Krankengrundversicherung. Bei einer definitiven Ausreise fällt deren Schutz dahin; der Beitritt zu einer ausländischen Kasse ist aber nicht in jedem Fall ohne weiteres möglich. Hier wird das bilaterale Abkommen mit der EU über den freien Personenverkehr eine Erleichterung bringen, da es allen Betroffenen ermöglichen wird, auch im Ausland bei einer schweizerischen Kasse versichert zu bleiben. In seinem Wunsch nach mehr Solidarität mit diesen Menschen erinnerte der BSV-Direktor daran, dass die Lage der AHV ohne die ausländischen Versicherten um einiges schwieriger wäre, als sie ohnehin ist. Heute sind die ausländischen Arbeitskräfte Netto-Zahler: sie kommen für einen Viertel der Beiträge auf, beziehen aber aufgrund ihrer Altersstruktur nur 13% der Leistungen. Erst in rund 20 Jahren werden sich Beitragszahlung und Leistungsbezug annähern [26].

ersten grossen Einwanderungswelle der 50er und 60er Jahre Pensionsalter Eigenheiten des schweizerischen Sozialversicherungssystems Ergänzungsleistungen Krankengrundversicherung

Die Eidgenössische Kommission gegen Rassismus (EKR) sprach sich ebenfalls ganz vehement gegen eine längerdauernde schulische Trennung von einheimischen und ausländischen Kindern aus, da diese diskriminierend sei, die Ghettobildung fördere und zu einer Apartheid-Gesellschaft führe. Getrennter Schulunterricht würde die Integration der ausländischen Kinder erschweren und damit längerfristig auch das friedliche Zusammenleben von Schweizern und Ausländern gefährden. Die EKR betonte, sie nehme die Besorgnis vieler Eltern ernst, die Bildungschancen ihrer Kinder würden in Schulklassen mit hohem Ausländeranteil beeinträchtigt. Doch gehe es nicht an, deswegen eine willkürlich definierte Gruppe von Schulkindern zu benachteiligen; anzustreben seien vielmehr Verbesserungen
für alle. Dazu kann nach EKR auch ein pädagogisch begründeter und befristet getrennter Unterricht gehören, so etwa die Integrationsklassen, in denen ausländische Kinder intensiven Unterricht in der Landessprache erhalten, um dann nach spätestens einem Jahr in die Regelklasse zu wechseln.

Eidgenössische Kommission gegen Rassismus Apartheid-Gesellschaft Verbesserungen für alle

Die Erziehungsdirektorenkonferenz der Ostschweizer Kantone, auf deren Gebiet die Forderung nach getrennten Klassen besonders häufig gestellt wird, will ebenfalls keine Separierung von deutsch- und fremdsprachigen Schulkindern. Durch eine dauerhafte Trennung würden die Integrationsprobleme auf die Zeit nach der Volksschule verschoben. Hingegen sei die vorübergehende Differenzierung im Deutschunterricht ein effektiv gangbarer Weg zur Vorbereitung der schulischen Integration. Sie hielt sich dabei an die bereits mehrfach von der gesamtschweizerischen Erziehungsdirektorenkonferenz (EDK) vorgebrachte Empfehlung, wonach alle in der Schweiz lebenden fremdsprachigen Kinder in die Regelschule einzugliedern und jegliche Diskriminierungen zu vermeiden seien. Die Integration müsse aber immer auch das Recht des Kindes respektieren, gleichzeitig die Sprache und Kultur des Heimatlandes zu pflegen. Aus diesem Grund gibt es seit mehreren Jahren in verschiedenen Kantonen Lehrkräfte für heimatliche Sprache und Kultur (sogenannte „HSK-Lehrer“). Dahinter steht der Gedanke, dass durch das Bewusstwerden der eigenen Wurzeln die Identitätsfindung unterstützt und damit die Integration erst möglich wird. Diese Schulung versteht sich je nachdem auch als Beitrag zur Rückkehrhilfe. So wurden in mehreren Kantonen und Gemeinden der Schweiz vorläufig aufgenommene kosovarische Kinder in separaten Schulklassen auf Albanisch unterrichtet, gleichzeitig aber auch mit den Grundzügen der im Umfeld gesprochenen Landesprache vertraut gemacht. Damit soll vermieden werden, dass sie bei ihrer Rückkehr in die Heimat noch durch zusätzliche schulische Defizite belastet werden; bei einem dauerndem Aufenthalt in der Schweiz würde diese differenzierte Schulung den Übergang in eine Regelklasse erleichtern.

Erziehungsdirektorenkonferenz Integrationsprobleme auf die Zeit nach der Volksschule verschoben die Sprache und Kultur des Heimatlandes Beitrag zur Rückkehrhilfe

Beim 4. Interkulturellen Forum der Schweizerischen Akademie für Entwicklung (SAD) hatten die ausländischen Jugendlichen der zweiten Generation die Gelegenheit, ihre Probleme zu diskutieren und Forderungen auszusprechen. Dabei zeigte sich, dass es schwierig ist, für eine so heterogene Gruppe allgemeingültige Rezepte zu formulieren. Generell konnte bei den Jugendlichen ein Identitätsproblem ausgemacht werden, das sich auf zweierlei Arten artikuliert: Einerseits besteht der Druck, sich den Verhältnissen des Gastlandes anzupassen, andererseits das Bedürfnis, die Kultur des Heimatlandes beizubehalten.

Identitätsproblem

Nachdem Bundesrat Koller am Abstimmungsabend vom 25. Juni angesichts der Ablehnung der Lockerung der "Lex Friedrich" bekannt hatte, die Schweiz habe offensichtlich ein Ausländerproblem, trafen sich im Sommer Vertreter und Vertreterinnen der Bundes- und Kantonalbehörden, der Parteien und Hilfswerke in Bern zu einer Migrationskonferenz, um neue Wege in der Ausländer- und Asylpolitik aufzuzeigen. An dieser Tagung sprach sich Koller dafür aus, dass die Ausländerpolitik fürs Volk verständlicher formuliert werden müsse und auch längerfristigen Entwicklungen Rechnung zu tragen habe. Nur so könne verhindert werden, dass die Einwanderungspolitik zur "Schicksalsfrage" wird, welche die Schweiz über Jahre hinaus in der Innen- und Aussenpolitik blockieren könnte. Koller räumte ein, dass die bisherige Ausländerpolitik zu stark auf die Bedürfnisse der Wirtschaft ausgerichtet gewesen sei und gesellschaftspolitische Nebenwirkungen nicht genügend beachtet habe. Doch auch die künftige Migrationspolitik wird nach den Vorstellungen des Justizministers die Ansprüche von Industrie und Gewerbe zu berücksichtigen haben; zu ihren Grundpfeilern gehöre aber in gleichem Masse die Wahrung der inneren und äusseren Sicherheit, die Einhaltung der humanitären Verpflichtungen und das Gebot der internationalen Solidarität. Besondere Bedeutung mass Koller der Zusammenarbeit über die Landesgrenzen hinweg zu, da die Schweiz immer weniger in der Lage sein werde, die Migrationsprobleme im Alleingang zu lösen.

Migrationskonferenz

Die grössten politischen Demonstrationen führten im Berichtsjahr die Landwirte durch: am 9. Januar protestierten an drei Orten insgesamt 31'000 Bauern (15'000 in Bern, 10'000 in Weinfelden/TG und 6'000 in Luzern) gegen die GATT-Verhandlungen. Gut besucht waren auch die am 10. Dezember vor allem von Frauen durchgeführten Protestaktionen gegen die sexuelle Gewalt im Krieg in Bosnien. Die kriegerischen Auseinandersetzungen im ehemaligen Jugoslawien waren denn auch das häufigste Thema bei den insgesamt 40 (1991: 30) von uns verzeichneten Kundgebungen mit 1'000 und mehr Beteiligten: zehn Grosskundgebungen fanden zu diesem Anlass statt (inkl. eine Demonstration von Griechen gegen die Anerkennung der neuen Republik Mazedonien und eine von Serben gegen die Berichterstattung in den deutschsprachigen Medien). Am zweithäufigsten waren Grossdemonstrationen gegen die Fremdenfeindlichkeit bzw. gegen eine Verschlechterungen der Arbeitsverhältnisse (je sieben). Letztere fanden vorwiegend in der französischsprachigen Schweiz statt, während sich die Kundgebungen gegen Fremdenfeindlichkeit und gegen den Krieg in Bosnien auf die Deutschschweiz konzentrierten. Mehr als die Hälfte der Grossdemonstrationen wurden in den Städten Zürich und Bern durchgeführt (elf resp. zehn), wovon in Zürich deren sechs von in der Schweiz ansässigen Ausländern organisiert wurden. Bei diesen Grossanlässen kam es lediglich an der Bauerndemonstration in Bern zu Aùsschreitungen und Auseinandersetzungen mit der Polizei. Viel häufiger waren derartige Vorkommnissen jedoch bei den kleineren Demonstrationen im Zusammenhang mit der Räumung von besetzten Häusern (v.a. in Zürich und Genf) und mit Blockierungen des motorisierten Privatverkehrs (v.a. in Zürich).

In der folgenden Zusammenstellung sind die Kundgebungen der Gewerkschaften zum 1. Mai, welche in den Grossstädten jeweils einige Tausend Beteiligte aufweisen, und die traditionellen – allerdings nur noch schwach besuchten – Ostermärsche der Pazifisten im schweizerisch/deutschen Grenzgebiet nicht erfasst. Demonstrationen mit 1000 und mehr Teilnehmenden, unterteilt nach Ort, Datum (Zeitung), Anzahl Teilnehmende und Thema:

Basel: 23.10. (5'000 / Gewerkschafter), 11.12. (2'000 / Frauen gegen Krieg in Bosnien);
Bern: 10.1. (15'000 / Bauern gegen Gatt), 24.2. (1'000 / gegen Fremdenfeindlichkeit), 23.3. (6'000 / gegen Fremdenfeindlichkeit), 30.3. (1'500 / für liberale Drogenpolitik), 6.7. (6'000 / ausländische Bauarbeiter; Pensionskassen im EWR), 21.9. (2'000 / AKW Mühleberg), 27.9. (3'000 / Krieg in Bosnien), 27.11. (1'000 / Krieg in Bosnien), 11.12. (5'000 / Frauen gegen Krieg in Bosnien), 21.12. (6'000 / Jugend für europäische Integration);
Erstfeld/UR: 30.11. (2'000 / Eisenbahner);
Genf: 3.2. (2'000 / Kosovo-Albaner); 20.2. (3'000 / Staatsangestellte), 12.3. (5'000 / Staatsangestellte), 23.10. (1'500 / Mittelschüler), 6.11. (2'000 / Bauunternehmer), 9.12. (8'000 / Gewerkschafter), 18.12. (1'000 / Staatsangestellte);
La Chaux-de-Fonds: 27.4. (1'000 / gegen Fremdenfeindlichkeit), 19.12. (1'500 / für europäische Integration);
Lausanne: 18.1. (3'000 / gegen Fremdenfeindlichkeit), 9.10. (1'000 / Staatsangestellte);
Luzern: 10.1. (6'000 / Bauern gegen Gatt), LNN, 11.12. (1'500 / Frauen gegen Krieg in Bosnien);
Schaffhausen: 28.12. (3'000 / gegen Fremdenfeindlichkeit);
St. Gallen: 23.3. (1'200 / gegen Fremdenfeindlichkeit);
Weinfelden/TG: 10.1. (10'000 / Bauern gegen Gatt);
Zürich: 23.3. (1'500 / gegen Fremdenfeindlichkeit), 10.2. (2'000 / Serben gegen Medien), 2.3. (1'500 / Schliessung Kanzlei-Zentrum), 23.3. (1'000 / Schliessung Kanzlei-Zentrum), 30.3. (2'000 / Kurden gegen Türkei), 11.5. (1'000 / Griechen gegen Mazedonien), 25.5. (2'000 / Kroaten und Bosnier), 12.10. (1'000 / Kurden gegen Türkei), 23.10 (3'000 / Gewerkschafter), 26.10. (1'000 / Kurden gegen Türkei), 11.12. (5'000 / Frauen gegen Krieg in Bosnien).

Nachtrag zu 1991: Zürich: NZZ, 3.1.92 (3'000 / Schliessung Kanzlei-Zentrum).

Statistik Grossdemonstrationen 1992
Dossier: Grandes manifestations en Suisse