Eric Nussbaumer (sp, BL) forderte den Bundesrat in einer im Dezember 2021 eingereichten Motion dazu auf, mit dem EWR-Rat exploratorische Gespräche aufzunehmen, um Eckpunkte für eine mögliche Verhandlungsaufnahme im Hinblick auf einen Beitritt auszuarbeiten. Der Bundesrat solle dabei insbesondere die Knackpunkte im Bereich der Arbeitnehmendenfreizügigkeit und des Niederlassungsrechts vertiefen. Dieser Vorstoss war vor dem Hintergrund des im Mai 2021 erfolgten Abbruchs der Verhandlungen über ein institutionelles Rahmenabkommen mit der EU eingereicht worden.
Der Bundesrat beantragte die Ablehnung der Motion. Im Rahmen der Erfüllung zahlreicher Vorstösse werde derzeit eine Lagebeurteilung zu den Beziehungen mit der EU erarbeitet. In diesem Bericht werde der Bundesrat neben dem bilateralen Weg auch andere Optionen wie etwa den EWR-Beitritt analysieren und prüfen. Anschliessend werde der Bundesrat das weitere Vorgehen festlegen.
Der Nationalrat befasste sich im September 2023, rund zwei Jahre nach der Einreichung, mit dem Vorstoss. In der Zwischenzeit hatte sich in der Europapolitik einiges getan: Anfang Juni 2023 hatte der Bundesrat die erwähnte Lagebeurteilung zu den Beziehungen mit der EU publiziert, welche vier mögliche zukünftige Handlungsoptionen umfasste, von denen der Bundesrat die Fortsetzung des bilateralen Weges präferierte. Ende Juni hatte der Bundesrat sodann die Eckwerte für ein neues Verhandlungsmandat mit der EU verabschiedet. Nichtsdestotrotz hielt Nationalrat Nussbaumer an seiner Forderung fest. Er kritisierte, dass der Bundesrat alles auf die Karte Paketansatz mit der EU setze, ohne die EWR-Option ausreichend geprüft zu haben. Er verlange ja nicht, dass der Bundesrat den EWR-Beitritt anpeile, es gehe ihm lediglich um «ein sondierendes, ein exploratorisches Verhandeln, ein exploratorisches Erkunden dessen, was möglich ist.» Wirtschaftsminister Parmelin führte aus, dass im publizierten Lagebericht die Option eines EWR-Beitritts evaluiert worden sei. Ein solcher würde gemäss Bundesrat jedoch keine für die Schweiz massgeschneiderten Ausnahmen erlauben, etwa im Bereich der staatlichen Beihilfen; damit würde der politische Handlungsraum der Schweiz stark eingeschränkt. Darüber hinaus bestehe derzeit in der Weiterentwicklung der Beziehungen mit der EU eine positive Dynamik. Wenn der Bundesrat in dieser Situation Sondierungsgespräche über einen EWR-Beitritt aufnehmen würde, könnte er damit der EU vor den Kopf stossen.
In der anschliessenden Abstimmung sprach sich der Nationalrat mit 94 zu 92 Stimmen und 4 Enthaltungen knapp für die Annahme der Motion aus. Während sich die Grünen, die SP- sowie die GLP-Fraktionen für Annahme aussprachen, lehnten die ganze SVP-Fraktion sowie Mehrheiten der Mitte- und der FDP.Liberalen-Fraktion die Motion ab.