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Acteurs

  • Metzler, Ruth (cvp/pdc) alt-BR/ex-CF
  • Berset, Alain (sp/ps) BR EDI / CF DFI

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Die WBK-SR forderte in einem Postulat die Weiterführung der strategischen Aufgabe der Armutsprävention. Auf der Basis des 2018 ausgelaufenen Nationalen Programms zur Prävention und Bekämpfung von Armut soll die Aufgabe vom Bund weitergeführt werden. Insbesondere solle geprüft werden, wie das Armutsrisiko bei Jugendlichen und jungen Erwachsenen mit Bildungsmassnahmen verringert werden könne. Der Bundesrat beantragte die Ablehnung des Postulates und argumentierte, dass er seine Arbeiten für die Bekämpfung der Armut im Rahmen der Nationalen Plattform gegen Armut weiterführe. Die Reduktion des Armutsrisikos bei jüngeren Menschen sei dabei ein Schwerpunktthema. Mit den Arbeiten im Rahmen der Nationalen Plattform sei die Forderung des Postulates bereits erfüllt. Der Bundesrat werde im Jahr 2024 über diese Arbeiten berichten, eine Prüfung neuer Aufgabenfelder sei zum jetzigen Zeitpunkt nicht zielführend. Der Ständerat folgte dem Argumentarium von Bundesrat Alain Berset jedoch nicht (vgl. Debatte zur Mo. 19.3953, die zusammen mit dem Postulat behandelt wurde) und nahm das Postulat mit 25 zu 7 Stimmen deutlich an.

Weiterführung der strategischen Aufgabe der Armutsprävention

Am 13. September 2019 gab der Bundesrat seinen indirekten Gegenvorschlag zur Organspende-Initiative in die Vernehmlassung. Anstelle der engen Widerspruchslösung sah er eine erweiterte Widerspruchslösung vor. Konkret sollen wie bei der Initiative die Organe einer verstorbenen Person entnommen werden können, falls sich diese vor ihrem Tod nicht explizit dagegen ausgesprochen hatte. Anders als bei der Initiative sah der Gegenvorschlag allerdings den Einbezug der Angehörigen vor, welchen ein subsidiäres Widerspruchsrecht zukommen soll, falls der Wille des bzw. der Verstorbenen unbekannt ist. So sollen die Angehörigen eine Organentnahme ablehnen können, wenn davon ausgegangen werden muss, dass dies im Sinne der hingeschiedenen Person ist. Die Landesregierung plante eine intensive Informationskampagne, mit welcher die Bevölkerung über die zulässige Organ-, Gewebe- und Zellentnahme bei fehlendem Widerspruch und darüber, dass ein allfälliger Widerspruch in einem dafür geschaffenen Register festgehalten werden muss, unterrichtet werden soll. Von der Widerspruchslösung ausgenommen werden sollen Kinder und Jugendliche unter 16 Jahren, urteilsunfähige Menschen sowie Personen, deren Wohnsitz sich nicht in der Schweiz befindet, weil sie gemäss erläuterndem Bericht nicht über die Widerspruchslösung informiert werden können oder weil sie nicht die Gelegenheit hatten, sich gegen eine Organentnahme auszusprechen. Fehlt bei diesen Personengruppen der Widerspruch, müssten ihre Angehörigen angefragt werden, «ob sie einer Entnahme widersprechen möchten».

Inwiefern ein erweitertes Widerspruchsmodell im Vergleich zum Zustimmungsmodell die Angehörigen entlasten würde, ist umstritten. Gesundheitsminister Berset erklärte, dass zwar bei beiden Modellen die Angehörigen entscheiden müssten, dass dadurch, dass die Organentnahme nicht mehr die Ausnahme, sondern den Normalfall darstelle, «das Gespräch zwischen Pflege und Verwandten beeinfluss[t]» werde. Während Renato Lenherr, Leiter des Organspende-Netzwerks DCA, sich im Tagesanzeiger davon überzeugt zeigte, dass das Widerspruchsmodell den Angehörigen beim Treffen des Entscheids entgegenkomme, weil es sich bei der Organentnahme um den Regelfall handle, war Notfallpsychologin Viviana Abati der Ansicht, dass die Angehörigen durch den Systemwechsel nicht entlastet, sondern zusätzlich belastet würden, weil sie sich gegen eine Organspende «wehren» müssten, wenn sie der Auffassung seien, dass eine solche dem Willen des respektive der Verstorbenen widerspreche.

Einige Tage bevor der Bundesrat seinen Entwurf in die Vernehmlassung gab, hatte die Nationale Ethikkommission im Bereich der Humanmedizin (NEK), welche die Widerspruchslösung für «ethisch bedenklich» hielt, einen Alternativvorschlag präsentiert. Denn auch sie befand die aktuelle Situation für unbefriedigend, da eine Mehrheit der Bevölkerung eine positive Haltung gegenüber einer Organspende einnehme, sich allerdings nur sehr wenige diesbezüglich explizit äusserten. Dies habe zur Folge, dass es an den Angehörigen liege, diese schwierige Entscheidung zu treffen, und zudem nicht genügend Organe vorhanden seien. Mit dem sogenannten Erklärungsmodell sah die NEK vor, dass sich die Menschen regelmässig mit der Frage, ob sie Organe spenden möchten oder nicht, auseinandersetzen und ihren Willen in einem Register eintragen müssen. Wie genau die Regelung ausgestaltet werden soll, darüber bedürfe es noch Diskussionen, so die Kommission in der NZZ. In den Medien war diesbezüglich von einem Spenderegistereintrag bei der Erneuerung der Identitätsausweise oder anlässlich von Konsultationen beim Hausarzt die Rede. Neben der Zustimmung und der Ablehnung der Organspende soll auch die Angabe «keine Erklärung» gemacht werden können. Die NEK versprach sich vom Erklärungsmodell, dass sich die positive Grundhaltung der Schweizer Bevölkerung bezüglich Organspende auch in den Anzahl Spenderegistereinträgen niederschlagen und dass das Vertrauen in die Organspende gefördert würde. Gemäss NZZ hatte sich auch der Bundesrat mit dem Erklärungsmodell auseinandergesetzt, dieses allerdings verworfen, da er unter anderem die wiederholte Abfrage des Spenderwillens «als Eingriff in die persönliche Freiheit» interpretierte.

Organspende-Initiative und indirekter Gegenvorschlag (BRG 20.090)
Dossier: Transplantation d'organes, de tissus et de cellules

Eine von Damian Müller (fdp, LU) eingereichte Motion zur Eliminierung von Hepatitis wurde in der Herbstsession 2019 vom Ständerat behandelt. Müller wollte mit seinem Vorstoss die Erweiterung des Nachfolgeprogramms vom NHPS um virale Hepatitis erreichen, mit welchem neben HIV nun auch Hepatitis A und B bis 2030 eliminiert werden sollen. Dies entspreche dem Ziel der WHO und der zivilgesellschaftlichen Initiative «Schweizer Hepatitis-Strategie». Während die Schweiz bezüglich der Bekämpfung von HIV eine Vorreiterrolle einnehme, sei dies bei Hepatitis nicht der Fall. Die beiden Infektionskrankheiten belasteten das Schweizer Gesundheitswesen gleichermassen, daher sollten sie auch auf die gleiche Ebene gestellt werden, so der Motionär in der Herbstsession 2019. Landesweit seien 80'000 Personen von chronischer Hepatitis betroffen. Viele wüssten allerdings nichts von ihrer Erkrankung und so würden jährlich 200 Leute – gleich viele wie bei Verkehrsunfällen – an einer viralen Hepatitis sterben. Dabei gebe es gegen Hepatitis B eigentlich eine Impfung und Hepatitis C sei gut heilbar. Folglich sei die Schliessung von Versorgungslücken, vor allem in den Bereichen Aufklärung, Testen, Impfen und Behandeln, essentiell.
Gesundheitsminister Alain Berset unterstützte die Vorlage zwar, merkte jedoch an, dass die Fälle von Hepatitis B und C in der Schweiz langsam abnähmen. Grund dafür sei unter anderem die Untersuchung von Schwangeren, die eine Übertragung von Hepatitis B von der Mutter auf das Kind verhindere. Hepatitis C sei in der Vergangenheit vor allem durch verunreinigte Blutkonserven sowie nicht ausreichend sterilisierte Nadeln im medizinischen Bereich wie auch beim Drogenkonsum übertragen worden. Dank der Einführung von Einmalprodukten habe diese Übertragungsart aber reduziert werden können. Wie bereits bei der Interpellation Stöckli (sp, BE) zur «Reduktion der Krankheitslast von nichtübertragbaren Krankheiten» (Ip. 19.3706) sehe der Bundesrat zwar eine möglichst effektive Durchführung der Vorsorge, nicht aber eine Vorsorgeuntersuchung für die gesamte Bevölkerung vor. Im Anschluss an diese Worte nahm der Ständerat die Motion stillschweigend an.

Die Eliminierung von Hepatitis gehört in ein nationales Programm zu sexuell und durch Blut übertragbaren Infektionskrankheiten

Die von ihrer Schwesterkommission eingereichte Motion zur Vergütung von ausserkantonalen stationären Wahlbehandlungen zum maximalen Tarif des Wohnkantons empfahl die SGK-SR ihrem Rat Anfang September 2019 einstimmig (mit 10 zu 0 Stimmen) zur Annahme. Nachdem Kommissionssprecherin Pascale Bruderer (sp, AG) in der Herbstsession 2019 die Situation noch einmal dargelegt und Gesundheitsminister Berset die Unterstützung des Bundesrates zugesichert hatte, wurde das Geschäft von den Ständerätinnen und Ständeräten stillschweigend gutgeheissen.

Transparenz in der Spitalfinanzierung. Ausschreibungspflicht für gemeinwirtschaftliche Leistungen

Auf Anraten der einstimmigen Empfehlung der SGK-SR lehnte der Ständerat die Motion Herzog (svp, TG) «Transparenz in der Spitalfinanzierung. Ausschreibungspflicht für gemeinwirtschaftliche Leistungen» stillschweigend ab. Man verneine die Notwendigkeit von Transparenz und Evaluation der Spitalfinanzierung zwar nicht, jedoch gelte es unter anderem aus föderalistischen Gründen, das Geschäft abzulehnen, erklärte Kommissionssprecherin Pascale Bruderer Wyss (sp, AG). Gesundheitsminister Alain Berset schloss sich diesen Worten an. Die gemeinwirtschaftlichen Leistungen würden nicht unter die Leistungen der OKP fallen und auch nicht zu den Aufgaben gehören, die dem Bund ausserhalb der OKP übertragen worden seien. Daher sei eine Ausschreibungspflicht auf Bundesebene nicht nur politisch unangemessen, sondern auch verfassungswidrig.

Transparenz in der Spitalfinanzierung. Ausschreibungspflicht für gemeinwirtschaftliche Leistungen
Dossier: Qualité et transparence dans l'offre de soins

Une petite semaine après le 14 juin, le PLR Philipp Müller a estimé important de favoriser la conciliation entre vie familiale et professionnelle. Il propose ainsi d'instaurer un congé parental souple et moderne. Le nouveau congé serait de seize semaines plutôt que de quatorze, et sa répartition se ferait librement entre les parents. Si les huit premières semaines devraient rester réservées à la mère, il serait possible pour le père de profiter des huit semaines restantes, en accord avec elle. Les parents pourraient également se répartir ces huit semaines à leur guise. En l'absence d'accord entre les parents, quatorze semaines resteraient garanties à la mère, et l'autre parent se verrait attribuer les deux semaines supplémentaires.
Le débat à la chambre haute a eu lieu au lendemain de l'acceptation par le Conseil national du contre-projet indirect à l'initiative pour un congé de paternité. Trois sénateurs PLR ont tenu à préciser la spécificité de la présente motion par rapport au contre-projet, qui, pour rappel, propose un congé paternité de deux semaines. La motion Müller souhaite instaurer un congé parental, et non un congé paternité en plus du congé maternité, quand bien même en termes de durée, les projets sont similaires. Anne Seydoux Christe est intervenue pour souligner que la moyenne du congé parental dans les pays de l'OCDE s'élève à 54 semaines, ce qui rend la formulation de Müller inacceptable, parce que trop limitative. Josef Dittli, lui, voit le projet Müller comme une première base de discussion, qui permettrait un débat futur sur l'augmentation du nombre de semaines. Le Conseiller fédéral Berset a exposé la position du Conseil fédéral sur la motion. D'abord, comme le projet de congé paternité de deux semaines a dépassé l'étape d'élimination des divergences et est en attente du vote final, il serait incongru de lancer un projet en parallèle. De plus, la convention n°183 de l'Organisation internationale du travail (OIT) prévoit un congé indivisible de quatorze semaines pour la mère. L'avis du Conseil fédéral a été suivi par 23 voix contre 10 et 3 abstentions. L'objet est désormais liquidé.

Instaurer un congé parental souple et moderne

Nach der Zustimmung des Nationalrats zur Motion der SGK-NR für die Ermöglichung von sinnvollen Patientensteuerungsprogrammen im KVG empfahlen die SGK-SR und Bundesrat Berset dem Ständerat die Motion in der Herbstsession 2019 ebenfalls zur Annahme. Wie von der ständerätlichen Kommission vorgeschlagen, wollte der Bundesrat die Motion im Rahmen des zweiten Kostendämpfungspakets an die Hand nehmen. Stillschweigend nahm die grosse Kammer den Vorstoss an.

Sinnvolle Patientensteuerungsprogramme im KVG ermöglichen

Im Mittelpunkt der Revision des KVG bezüglich der Zulassung von Leistungserbringenden in der Herbstsession 2019 durch den Nationalrat stand ein Rückkommensantrag der SGK-NR, der von ihrer ständerätlichen Schwesterkommission gutgeheissen worden war. Sowohl Nationalrat als auch Ständerat hatten in der ersten Behandlungsrunde den bundesrätlichen Vorschlag zur Schaffung von Auflagen für die Leistungserbringenden in Bezug auf die Wirtschaftlichkeit und die Qualität durch die Aufsichtsbehörde gutgeheissen. Damit habe man gemäss Kommissionssprecherin Ruth Humbel (cvp, AG) jedoch Koordinationsprobleme mit der Vorlage «Steigerung von Qualität und Wirtschaftlichkeit» und Zuständigkeitskonflikte zwischen Kantonen und Tarifpartnern geschaffen. Gemäss letzterer Vorlage sei der Bund für die Regulierung der Krankenversicherungen und die Tarifpartner für die Durchführung von Qualitätskontrollen zuständig. Statt den Kantonen mit der Zulassungsvorlage nun ebenfalls noch Kontrollaufgaben und somit eine zusätzliche Aufsichts- und Sanktionierungskompetenz zu geben, sollten sie ausschliesslich für die gesundheitspolitische Zulassung von Ärztinnen und Ärzten sowie für deren Zulassung zur OKP zuständig sein, während die Wirtschaftlichkeits- und Kosteneffizienzprüfung durch die Tarifpartner erfolgen solle. Dagegen wehrte sich eine Minderheit Heim (sp, SO) heftig. Barbara Gysi (sp, NR) betonte für die SP-Fraktion, dass diese Änderung aufgrund eines Rechtsgutachtens und des Lobbyings von Curafutura eingereicht worden sei. «Dieses Rückkommen ist nichts anderes als der Versuch, einen Teil der Macht – die Sanktionsmöglichkeiten, den Einfluss und die Steuerungsmöglichkeiten – bei den Kantonen wieder zu streichen und ihn den Versicherungen zuzuschieben», kritisierte sie. Dies wecke die Gefahr, dass die Versicherungen die Qualität der Gesundheitsversorgung ihrem Kostendenken unterordneten. Wenn die Kantone zudem neu über die Zulassung der Leistungserbringenden entscheiden könnten, gemäss Verfassung für die Gesundheitsversorgung verantwortlich seien und diese zukünftig aufgrund von EFAS auch mitfinanzieren müssten, sollten sie auch die Umsetzung der Qualitätsvorgaben beaufsichtigen können. Zudem habe die Verwaltung den Koordinationsbedarf zwischen den zwei Vorlagen überprüft und in Abklärung mit dem Bundesamt für Justiz kleinere Ergänzungen vorgeschlagen. Auch Bundesrat Berset erachtete diese vorgeschlagenen kleineren Korrekturen als ausreichend, um die entsprechenden Koordinationsprobleme zu beheben. Dennoch sprach sich der Rat – bei 27 nicht teilnehmenden Personen – mit 122 zu 49 Stimmen für die Änderung aus. Die ablehnenden Stimmen stammten von der SP- und Grünen-Fraktion sowie von Roger Golay vom MCG und Marianne Streiff-Feller und Nik Gugger von der EVP.
Auch die weiteren Punkte der Reform wurden hitzig diskutiert. Bei der Frage, ob die Kantone Zulassungsbeschränkungen einführen müssen oder können, sprachen sich ausser der FDP-Fraktion und Angelo Barrile (sp, ZH) und vereinzelten Enthaltungen alle Ratsmitglieder für eine entsprechende Pflicht für die Kantone aus (146 zu 30 Stimmen bei 4 Enthaltungen). Bei der freiwilligen Möglichkeit auf Vertragsfreiheit, die der Nationalrat eingeführt, der Ständerat aber deutlich abgelehnt hatte, folgte die grosse Kammer mit 135 zu 41 Stimmen (bei 6 Enthaltungen) ihrer Kommissionsmehrheit und lenkte gegenüber dem Ständerat ein. Eine Mehrheit der FDP-Liberalen-Fraktion und eine Minderheit der SVP-Fraktion hatte hier auf Festhalten plädiert. Nicht einlenken wollte der Nationalrat hingegen beim Beschwerderecht für die Versicherungen und die Versicherungsverbände bezüglich der Ärztehöchstzahlen; dieses bestätigte er mit 131 zu 52 Stimmen gegen den Widerstand von SP- und Grünen-Fraktion sowie von Roger Golay. Mit 123 zu 53 Stimmen hielt die grosse Kammer schliesslich auch trotz kritischer Stimmen des Gesundheitsministers und von linker Ratsseite an der Verbindung dieser Zulassungsvorlage mit EFAS fest. Die Verbindung diene dazu, dass «Efas die Räte und das Referendum erfolgreich übersteht», erklärte Kommissionssprecherin Humbel.

KVG. Zulassung von Leistungserbringern (BRG 18.047)
Dossier: Limitation du nombre de médecins (depuis 1998)

Anfang September 2019 berichtete der Sonntagsblick darüber, dass verschiedene Ärzte für medizinische Gutachten für die IV über mehrere Jahre Millionenbeträge erhalten hätten. Angeführt wurden Beispiele von einer Ärztin und einem Arzt, denen die IV-Stellen in sechs Jahren CHF 1.86 Mio. respektive CHF 1.82 Mio. für Gutachten ausbezahlt hätten. Ein Gutachter habe in sieben Jahren gar CHF 3.1 Mio. erhalten, war in einem späteren Zeitungsbericht zu lesen.
Problematisch seien diese hohen Zahlungen, weil die Gutachterinnen und Gutachter deshalb nicht mehr unabhängig seien: Die Gefahr bestehe, dass sie im Sinne der IV-Stellen entschieden und deshalb seltener Rentenleistungen als gerechtfertigt einschätzten als andere Ärztinnen und Ärzte. Wer möglichst selten Arbeitsunfähigkeiten feststelle, würde von den IV-Stellen auch zukünftig vermehrt für Gutachten eingeladen, war die Vermutung der Medien. Diese Befürchtung untermauerte der Blick durch Zahlen von kantonalen IV-Stellen, die aufgrund des Öffentlichkeitsprinzips hatten zugänglich gemacht werden müssen: Im Kanton Basel-Landschaft zeige sich zum Beispiel, dass im ersten Halbjahr 2018 zwei Ärzte für ein Viertel der psychiatrischen Gutachten verantwortlich gewesen seien. Diese zwei Ärzte hätten in 26 Prozent der Fälle eine Arbeitsunfähigkeit ab 40 Prozent festgestellt, alle anderen Gutachter seien zusammen auf einen Anteil von 57 Prozent gekommen. In der Folge musste auch das BSV die Liste der zwischen 2012 und 2018 eingesetzten Gutachterinnen und Gutachter veröffentlichen, wobei sich ebenfalls eine einseitige Verteilung zeigte: 10 Prozent der Gutachtenden erhielten in dieser Zeit 73 Prozent des Auftragsvolumens.
Aufgrund der grossen Bedeutung, die den Gutachterinnen und Gutachtern im Rahmen der IV-Verfahren zukomme, sei deren fehlende Unabhängigkeit besonders stossend, argumentierten der Blick und in der Folge auch weitere Medien. So werde hauptsächlich aufgrund der Gutachten entschieden, ob jemand IV erhalte. «Die Gutachter erfüllen beinahe richterliche Funktionen», erklärte etwa Rainer Deecke, Präsident der Selbsthilfeorganisation für Schmerzkranke, touché.ch. Das BSV bezweifelte hingegen die fehlende Unabhängigkeit der Gutachterinnen und Gutachter und betonte, dass «mit einem prozentualen Anteil bestimmter Arbeitsunfähigkeitsgrade [...] sachlich fundiert keine qualitative Beurteilung einer Gutachtertätigkeit vorgenommen werden [könne]». Stattdessen verwies BSV-Sprecher Harald Sohns darauf, dass die Gutachten bis vors Bundesgericht Beweiskraft haben müssten und somit nicht willkürlich erstellt werden könnten.
Dass diese Beweiskraft jedoch nicht immer gegeben ist, zeigte die weitere Berichterstattung zu diesem Thema in den Medien. Diese berichteten in den nächsten Wochen von zahlreichen Personen, denen die IV-Rente unter anderem aufgrund von Rechtsgutachten aberkannt oder nicht zugesprochen wurde, die ihre Forderungen jedoch später vor Bundesgericht zumindest teilweise durchsetzen konnten. Gleichzeitig wurden weitere Probleme bezüglich der IV-Gutachten publik: Betroffene berichteten davon, dass ihre Aussagen in Gutachten verdreht worden seien oder dass sich die Gutachterinnen und Gutachter für ein Gespräch teilweise weniger als 30 Minuten Zeit genommen hätten. Ein Arzt erläuterte, dass er immer wieder praktisch identische Gutachten – sogennante «Copy/Paste-Gutachten» – zu Gesicht bekomme. Teilweise seien auch Ärztinnen und Ärzte aus Deutschland, welche die Situation in der Schweiz nicht kennen würden, hier kaum Rechenschaft ablegen müssten und nur Hochdeutsch verstünden, für Gutachten in die Schweiz geholt worden. Zudem gebe es Ungereimtheiten bei den Mehrdisziplinen-Gutachten, bei denen mindestens drei verschiedene medizinische Fachrichtungen einbezogen werden und die im Unterschied zu Ein- oder Zweidisziplinen-Gutachten zufällig vergeben würden. So arbeiteten beispielsweise verschiedene Ärzte des marktführenden Unternehmens bei verschiedenen Gutachterfirmen, womit die Zufallsvergabe teilweise umgangen worden sei.
Mitte Dezember 2019 berichteten die Medien schliesslich auch darüber, dass das BSV allen kantonalen IV-Stellen ein jährliches «Sparziel» definiere, gemäss dem sie die Zahl von Neurenten, die Gesamtrentenzahl sowie die Kosten pro Versicherten «halten» oder «senken» sollten. Entsprechend «prüfe [die IV] nicht mehr überall offen, auf welche Leistungen ein Versicherter Anspruch habe, sondern wie das Quotenziel erreicht werden [könne]», kritisierte Alex Fischer von der Behindertenselbsthilfe Procap. Das BSV verwies jedoch darauf, dass dies keine Sparvorgaben, sondern Leistungsziele seien und somit einen Teil des Aufsichts- und Steuerungsprozesses der IV darstellten. Alle Versicherten erhielten die ihnen gesetzlich zustehenden Leistungen, betonte das BSV. Die NZZ erklärte, dass diese Praxis auf die fünfte IV-Revision 2008 zurückzuführen sei. Seither müsse das BSV prüfen, ob die Integration in den Arbeitsmarkt funktioniere, wozu es ebendiese Kennzahlen verwende. Diese stellten somit nur einen «Wasserpegelmesser» dar und seien für die IV-Stellen nicht verbindlich, ihre Nichteinhaltung habe auch keine Folgen. Dennoch würden sie den Mitarbeitenden in einigen Kantonen kommuniziert, ergänzten die Medien.

Im Rahmen dieser Berichterstattung formulierten Behindertenverbände und Sozialversicherungsanwälte zahlreiche Forderungen, wie die Politik dieser Problematik begegnen solle. So brauche es schweizweite transparente Daten zu den IV-Gutachten mit Einbezug der Anteile an erklärten Arbeitsunfähigkeiten, eine Aufzeichnung der Gespräche und eine übergeordnete Qualitätskontrolle bei den Gutachten. Zudem sollten die IV-Stellen zukünftig nicht mehr entscheiden dürfen, wer die Gutachten erstelle; diese sollten nach Zufallsprinzip zugeteilt werden, wie es bei komplexen Gutachten mit drei oder mehr Ärzten aufgrund eines Bundesgerichtsurteils 2011 heute schon der Fall sei. Von diesen Massnahmen zeigten sich die Versicherungsmediziner nicht überzeugt. Bereits heute gebe es Instrumente, um gute und schlechte Gutachten zu unterscheiden. Tonbandaufnahmen würden hingegen zu neuen, langwierigen Rechtsauseinandersetzungen führen, bestmögliche Rahmenbedingungen für das Gespräch verhindern und zu einer verhörähnlichen Situation führen.
In der folgenden Wintersession 2019 überschlugen sich die Parlamentarierinnen und Parlamentarier förmlich mit Vorstössen zu diesem Thema. So reichten sie Anfragen oder Interpellationen zur üblichen Qualität der Gutachten ein (Frage Müller-Altermatt, cvp, SO; 19.5700) und stellten konkrete Fragen zu zwei im Zentrum der Berichterstattung stehenden Gutachtern (Ip. Roduit, cvp, VS; 19.4498 und Ip. Bertschy, glp, BE; 19.4481) und einem Unternehmen (Ip. Prelicz-Huber, gp, ZH; 19.4623) oder zu Ärzten, die an mehreren Gutachterstellen arbeiteten (Ip. Studer, evp, AG; 19.4592). Überdies wollten sie wissen, ob es gängige Praxis sei, dass IV-Stellen nur bei Attesten einer Arbeitsunfähigkeit, nicht aber bei Arbeitsfähigkeit Nachfragen stellten (Frage Roduit; 19.5647), ob die Quotenziele des BSV mit dem Rechtsanspruch auf IV in Konflikt stünden (Ip. Graf, gp, BL; 19.4636), ob zukünftig alle IV-Gutachten zufällig vergeben werden könnten (Ip. Lohr, cvp, TG; 19.4469) und was der Bundesrat allgemein tue, um die Situation zu verbessern (Ip. Wasserfallen, sp, BE; 19.4513). Überdies stellten sie Fragen zur von Bundesrat Berset angekündigten externen Untersuchung (Ip. Studer; 19.4593). So hatte der Gesundheitsminister im Rahmen der Fragestunde erklärt, eine detaillierte Analyse der Situation und der notwendigen Massnahmen in Auftrag gegeben zu haben.
Darüber hinaus dürfte die Medienberichterstattung auch in die Beratung der Weiterentwicklung der IV in der Wintersession 2019 eingeflossen sein. Da stritt man sich zu diesem Zeitpunkt noch darum, ob den Gutachten künftig Tonaufzeichnungen, wie vom Ständerat gewünscht, anstelle eines schriftlichen Protokolls durch die Gutachter, wie es der Nationalrat vorgeschlagen hatte, beigelegt werden sollten. Benjamin Roduit, der ebenfalls zwei Interpellationen zum Thema verfasst hatte, verwies im Rat auf verschiedene Fälle, in denen Gutachten unsorgfältig oder unsachgemäss erstellt worden seien. Mit 114 zu 78 Stimmen bestätigte der Nationalrat die Verpflichtung zu Tonaufzeichnungen, welcher der Ständerat bereis zuvor zugestimmt hatte. Zudem stimmte der Nationalrat einstimmig der Schaffung einer Liste aus Gutachterstellen und Sachverständigen, in denen die Anzahl begutachteter Fälle sowie die Ergebnisse des Gutachtens bezüglich des Grads der attestierten Arbeitsunfähigkeit enthalten war, zu. In seiner ersten Beratung hatte er sich auf eine Gutachterliste ohne Grad der Arbeitsunfähigkeit beschränkt. Eine weitere in der Diskussion erwähnte Forderung hatte das Parlament im Rahmen der Weiterentwicklung der IV bereits umgesetzt: So schuf es eine Kommission aus Gutachterstellen, Ärzteschaft, Wissenschaft und Patientenschaft, welche die Zulassung als Gutachterstellen, das Verfahren zur Gutachtenerstellung und die Ergebnisse der medizinischen Gutachten überwachen sollte.

IV-Skandal

Im ganzen Land teilten am Nationalfeiertag 2019 die Bundesrätinnen und Bundesräte der Bevölkerung ihre Gedanken zur Schweiz mit. Dabei wurden unter anderem der Klimawandel, die EU oder die Schweizer Sprachenvielfalt angesprochen.
Der Corriere del Ticino berichtete über Ignazio Cassis, der gleich alle vier Sprachregionen besuchte. In L'Etivaz (VD), Krauchthal (BE) , Zuoz (GR) und Chiasso (TI) sprach der Bundesrat über die äusseren und inneren Grenzen der Schweiz, welche sowohl Herausforderung als auch Chance für das Land seien, da sie die Schweiz und ihre Sprachregionen definierten. Er selbst beabsichtige als Bundesrat, diese zu stärken und zu vereinen.
Auch Guy Parmelin hielt einen «Marathon» mit gleich drei Reden, wie die Tribune de Genève berichtete. In Weissenstein (SO), Rueyres und Étoy (VD) sprach er etwa über die «symbiose entre l'Etat et le citoyen helvétique» und meinte, die Schweiz habe viel mehr Potenzial, als dass sie «reale Probleme» habe.
Simonetta Sommaruga besuchte den Naturpark Gruyère Pays-d'Enhaut (FR), wo sie den Klimawandel ansprach und sich, passend zur Lokation, mit Politikerinnen und Politikern und anderen Parkbesuchern über die Biodiversität, alpine Landwirtschaftszonen oder nachhaltige Forstwirtschaft austauschte.
«Unendlich dankbar» war laut dem Blick Ueli Maurer, der den Tag am Fête des Vignerons in Vevey (VD) feierte. Dankbar sei er für das Land, welches das Resultat harter Arbeit «Dutzender von Generationen» sei. Die heutige Schweiz verstehe er als deren Erbschaft und noch immer gelte es, für «Freiheit und Unabhängigkeit» einzustehen.
Ähnlich wie Cassis unterstrich Alain Berset, dass die Einzigartigkeit der Schweiz in ihrer Kultur- und Sprachenvielfalt liege. In Yverdon-les-Bains (VD) erwähnte er in seiner Ansprache den Klimawandel, den Zugang zur medizinischen Grundversorgung oder die Beziehungen zur EU und habe dabei laut der Zeitung «Le Temps» diesbezüglich die Frage in den Raum gestellt :«[...] en faisons-nous assez»?
Ebenfalls vom Klimawandel und von dessen potenziellen Schäden und Folgen für die Schweiz geprägt war die Rede von Viola Amherd in Münster (VS). Amherd erinnerte – entsprechend ihrem Departement – daran, dass eine «funktionstüchtige Armee», der Zivilschutz sowie der Zivildienst die Bevölkerung jederzeit beschützten und unterstützten, auch im Falle von Naturkatastrophen.
In der Gemeinde Rorschach in ihrem Heimatkanton St. Gallen holte schliesslich Karin Keller-Sutter in ihrer Ansprach zuerst bis ins Jahr 1291 aus und skizzierte die lange Geschichte der Eidgenossenschaft, sprach dann aber auch über aktuelle Themen wie die EU, die Digitalisierung oder steigende Krankenkassenkosten.

Auch auf der Rütliwiese (UR) wurde traditionellerweise gefeiert, allerdings ohne Bundesrat, wie die Luzerner Zeitung berichtete: Dort übernahm die Urner Regierungsrätin und ehemalige Bundesratskandidatin Heidi Z'graggen (UR, cvp) das Zepter. Das Motto der diesjährigen Feier lautete «Milizarbeit als Engagement für die Gesellschaft», entsprechend waren der SGV und der Schweizer Feuerwehrverband zu Gast. Z'graggen ihrerseits sprach neben der Milizarbeit auch über die guten Beziehungen zu Europa und betonte, dass die Schweiz eine verlässliche und geschätzte Partnerin der EU sei. Auch den Föderalismus thematisierte sie: Dieser sei etwas, was sie glücklich mache und sie als «Grundlage für den Erfolg unseres Landes» betrachte.
Als Abschluss der Feier auf dem Rütli schliesslich wurde die Nationalhymne vorgetragen – mitsamt der viel diskutierten neuen Strophe, welche die Verwalterin des Rütlis, die SGG, als offizielle Strophe in die Hymne aufnehmen möchte.

Erster August

La CSEC-CN avait déposé une motion incombant tout propriétaire de chat à faire pucer leur animal, de sorte de pouvoir les identifier électroniquement. Ce texte présente l'avantage de pouvoir stériliser tout chat n'ayant pas d'identification électronique et ainsi de mieux contrôler la prolifération des chats errants. Comme précisé par la rapporteuse francophone de la commission, Isabelle Chevalley (pvl, VD), cette prolifération est problématique d'un point de vue du bien-être animal – les chats errants développant souvent des maladies – mais également d'un point de vue de la protection de la biodiversité. En effet, un chat tue, par exemple, en moyenne 20 oiseaux par années. De plus, l'identification électronique des chats ferait suite à celle des chiens, déjà en place depuis de nombreuses années.
La conseillère nationale thurgovienne Diana Gutjahr (udc, TG) s'oppose à cette motion pour deux raisons principales: d'une part, cela serait, selon elle, transposer la responsabilité individuelle des propriétaires de chats à une responsabilité étatique – les autorités qui seraient chargées de pucer les chats errants – et d'autre part, la mise en œuvre de ces mesures coûterait énormément à la collectivité.
Le Conseil fédéral estime, quant à lui, que leur mise en place serait complexe et que la situation des chats ne peut être comparée à celle des chiens en ce qui concerne l'identification électronique – ces derniers devant posséder une puce pour des raisons de sécurité publique. Alain Berset a toutefois tenu à préciser que les autorités allaient poursuivre leurs efforts d'information sur cette thématique auprès de la population ainsi «qu'examiner des mesures en vue de faciliter la tâche des cantons dans l'exécution du droit»; les cantons et communes étant responsable sur ces questions.
Ces arguments ont convaincu une majorité d'élu.e.s, qui rejettent la motion par 97 voix contre 88.

Pour un meilleur contrôle de la prolifération des chats errants (Mo. 19.3959)

In der Romandie lösten verschiedene «Polit-Affären», wie sie die Aargauer Zeitung bezeichnete, Diskussionen über die Rechte und Pflichten von Regierungsmitgliedern hinsichtlich Spesen und Annahme von Geschenken, aber auch über die Abwählbarkeit von Exekutivmitgliedern aus.
Der einstige Bundesratskandidat und Genfer Sicherheitsdirektor Pierre Maudet (GE, fdp) musste zugeben, dass er sich mit seiner Familie 2015 nach Abu Dhabi hatte einladen lassen, obwohl die Annahme von Geschenken für Genfer Staatsräte verboten ist. Weil gegen ihn ein Strafverfahren wegen Vorteilnahme eingeleitet wurde und später auch noch der Verdacht auf Steuerhinterziehung auftauchte, musste er nicht nur als Regierungspräsident zurücktreten, sondern auch Teile seines Departements aufgeben. Weil Maudet lange über die Affäre gelogen und damit sehr viel Vertrauen verloren hatte, legte ihm die FDP Schweiz gar einen Parteiaustritt nahe. Allerdings «krallt sich Pierre Maudet an sein Amt» kommentierte die Sonntags-Zeitung und schloss einen Rücktritt aus.
Nicht nur die Reisen in den nahen Osten – unter anderen wie Maudet ebenfalls nach Abu Dhabi –, sondern vor allem die Spesen des Genfer Nationalrats und Mitglieds der Genfer Stadtregierung Guillaume Barazzone (cvp), wurden Gegenstand medialer Berichterstattung: Die CHF 40'000 pro Jahr, wovon CHF 17'000 alleine für Mobiltelefonkosten verbucht wurden, veranlassten wütende Genferinnen und Genfer dazu, auf die Strasse zu gehen.
Auch der Waadtländer Finanzdirektor Pascal Broulis (VD, fdp) geriet in den Fokus der Strafbehörden. Er soll auf Reisen eingeladen worden sein, und zwar von niemand geringerem als «einem der reichsten Einwohner seines Kantons», der von einer «umstrittenen Pauschalbesteuerung» profitiere (Blick). Für Fragezeichen sorgte jedoch die tiefe Steuerrechnung von Broulis, die in der Folge publik gemacht wurde. Die vermutete unrechtmässige Optimierung konnte zwar nicht nachgewiesen werden, kosteten den FDP-Politiker aber viel Vertrauen.
Im Gegensatz zu ihren männlichen Kollegen zog Géraldine Savary (sp, VD), der gute Chancen auf einen Bundesratssitz nachgesagt wurden, sollte Alain Berset einst zurücktreten, und die 2020 als erste Frau SP-Ständeratspräsidentin hätte werden sollen, die Konsequenzen aus einer Wahlspendenaffäre und beendete ihre politische Karriere. Sie hatte vom gleichen Unternehmer, der die Reisen vieler Westschweizer Politiker bezahlt hatte und im Kanton Waadt pauschalbesteuert wird, eine Wahlkampfspende von CHF 7'500 angenommen. Die informellen Richtlinien der SP Waadt erlauben jedoch lediglich CHF 5'000. Obwohl ihr Rücktritt auch von zahlreichen Genossinnen und Genossen bedauert wurde und sie nichts Widerrechtliches getan habe, sei sie letztlich «über den Klassenfeind gestolpert» und habe das Pech gehabt, dass die Geschichte in dem Moment publik wurde, «als die halbe welsche Politprominenz wegen ähnlicher Geschenke, undurchsichtiger Steuerarrangements und exorbitanter Spesenbezüge am Pranger» stünden, so der Tages-Anzeiger.

Die «Affären» lösten einige Recherchen und Diskussionen aus. So listete etwa der Sonntags-Blick die Spesenrechnungen aller Kantonsregierungen für das Jahr 2017 auf. Auch wenn die Vergleichbarkeit schwierig sei, da unterschiedliche Zulagen in diesen Abrechnungen geregelt werden und die Regierungen unterschiedlich viele Mitglieder haben, überrasche die Bandbreite, die zwischen CHF 50'000 (Kanton Schaffhausen) und CHF 241'356 (Kanton Bern) variiere. Die Aargauer Zeitung vermutete, dass die «Affäre Maudet» den Forderungen nach mehr Transparenz Flügel verleihen werde. In der Tat hatte das Parlament beschlossen, dass Parlamentsmitglieder, die auf Staatskosten ins Ausland reisen, dies publik machen müssen. Allerdings galt dies nicht für Reisen auf Einladung von Interessengruppen. Die Sonntags-Zeitung brachte mit dem Thema «Ruhegehälter» einen weiteren Aspekt in die Diskussion ein. Sie vermutete, dass Maudet auch deshalb nicht zurücktreten wolle, weil in diesem Fall sein Anspruch auf eine lebenslange Rente verfallen würde. Die Zeitung listete alle Kantone auf, die entweder gar keine Entschädigung (VS, OW), eine befristete Entschädigung im Sinne eines «goldenen Fallschirms» (AG, JU, SG, NW, UR, TG, SO, BL, ZG, SH, GL, ZH, BS, AI, AR, LU) oder eine lebenslange Rente (TI, VD, GE, FR, NE, BE, GR, SZ, inkl. Bund) ausrichteten. Neben dem augenfälligen Unterschied zwischen Deutsch- und Westschweiz überraschte auch die Varianz der kantonalen Gesamtbeträge, die zum Zeitpunkt der Befragung (Juni 2019) an «Polit-Rentner» – so die Sonntags-Zeitung – ausgerichtet werden und die sich von CHF 153'000 (AR) bis CHF 4 Mio. (TI) pro Jahr erstreckten. Laut Sonntags-Zeitung bezahlt der Bund für total 23 Personen (inkl. 4 Bundeskanzler und 2 Witwen) CHF 4.4 Mio. Die Basler Zeitung schliesslich machte sich Gedanken über das Volksrecht auf Abwahl der Regierung. In der Tat könne Maudet nicht zu einem Rücktritt gezwungen werden: «Nur ein einziger Mensch entscheidet, ob ich zurücktrete oder nicht – ich selbst», zitierte die Zeitung. Im Extremfall könne Maudet gar noch im Gefängnis Regierungsrat bleiben. Die Abwahl eines Regierungsrats sei in sechs Kantonen möglich: In den Kantonen Bern, Schaffhausen, Solothurn, Tessin und Thurgau kann mittels kantonaler Volksinitiative eine Abstimmung über die Absetzung der Regierung (in corpore) verlangt werden. Im Kanton Uri können einzelne Amtsträger – also auch Ständerätinnen und -räte oder der Landamman – per Volksinitiative abgesetzt werden. In Neuenburg wurde 2014 mit der so genannten Lex Hainard ein Amtsenthebungsverfahren eingesetzt. Hier hat das Parlament die Möglichkeit, ein Regierungsmitglied abzusetzen.

Affäre Maudet

Mittels Postulat forderte Laurent Wehrli (fdp, VD) vom Bundesrat Auskunft über die im Rahmen des elektronischen Patientendossiers (EPD) bereits ergriffenen Massnahmen wie auch über solche, die noch zu ergreifen sind, um die Einführung des EPD voranzutreiben und dessen Nutzung zu unterstützen. Da das Erstellen des EPD für die Leistungserbringenden im ambulanten Bereich freiwillig ist, müssten Vertrauen in das Instrument und die Motivation zu dessen Nutzung geschaffen sowie dessen Vorteile konkret aufgezeigt werden. Balthasar Glättli (gp, ZH) hatte das Postulat in der Frühjahrssession 2019 bekämpft, da er aufgrund des Titels des Vorstosses eine «flächendeckende Einführung» des EPD und die Verletzung der doppelten Freiwilligkeit befürchtet hatte. Er zog die Bekämpfung Anfang Juni 2019 jedoch zurück, nachdem Wehrli im Nationalrat erklärt hatte, dass das Geschäft keine Konsequenzen für den bestehenden rechtlichen Rahmen habe.
Bundesrat Berset befürwortete das Postulat im Namen des Gesamtbundesrats. Dabei unterstrich er noch einmal die Wichtigkeit der doppelten Freiwilligkeit und erklärte, dass man mit den Kantonen in Kontakt stehe, um die Fragen rund um das EPD zu klären. Stillschweigend und diskussionslos nahm der Nationalrat das Geschäft gute zwei Wochen später an.

Elektronisches Patientendossier. Was gibt es noch zu tun bis zu seiner flächendeckenden Verwendung? (Po. 18.4328)
Dossier: Système de santé et numérisation

Der Geschäftsbericht des Bundesrats 2018 wurde von den Räten in der Sommersession 2019 beraten. Im Geschäftsbericht legt die Regierung Rechenschaft über die Schwerpunkte ihrer Tätigkeiten in einem Berichtsjahr ab. In den Ratsdebatten berichten die Vertreterinnen und Vertreter der Aufsichtskommissionen über die Beratungen, die sie mit den Bundesrätinnen und Bundesräten zum Geschäftsbericht geführt haben. National- und Ständerat nehmen dann in Form eines Bundesbeschlusses Kenntnis von diesem Bericht.
Für die GPK berichteten Anne Seydoux-Christe (cvp, JU) im Ständerat und Doris Fiala (fdp, ZH) im Nationalrat. Die GPK hätten mit der Regierung zwei Querschnittthemen behandelt, deren Auswertungen noch ausstünden: den Umgang der Departemente mit Kritik durch Bürgerinnen und Bürger bei Aufsichtsbeschwerden sowie die Ferien- und Zeitguthaben der Topkader in der Bundesverwaltung. Die Fragen der GPK seien vom Bundesrat zufriedenstellend beantwortet worden und man beantrage deshalb die Genehmigung des Geschäftsberichts.
In der Folge berichteten Subkommissionssprecherinnen und -sprecher gestützt auf den Geschäftsbericht über die einzelnen Departemente. Sowohl im Ständerat als auch im Nationalrat stand dabei die Cyberabwehr im VBS im Zentrum. Er könne mit Genugtuung feststellen, dass sich der Bund der Dringlichkeit dieses Themas bewusst sei, führte Damian Müller (fdp, LU) im Ständerat aus. Insbesondere durch die Cyberattacke auf die RUAG sei das VBS sensibilisiert worden und habe den Aktionsplan Cyberdefence ausgearbeitet, berichtete hierzu Ida Glanzmann (cvp, LU) in der grossen Kammer. Beim EDA stand die Frage «Wie weiter mit dem Brexit?» im Zentrum. Damien Müller führte aus, dass ein geordneter Übergang mit insgesamt fünf unterzeichneten Abkommen möglich sein sollte. Ida Glanzmann berichtete bei der Präsentation des EDA über die Diskussionen um den aufgeschobenen Beitritt der Schweiz zum Kernwaffenverbotsvertrag. Entgegen einer angenommenen Motion Sommaruga (sp, GE; Mo. 17.4241) wolle man im Moment nur einen Beobachterstatus anstreben, um die Neutralität der Schweiz nicht zu gefährden. Beim WBF wurde in beiden Räten über den ETH-Bereich berichtet. Gegenstand waren die medial begleiteten Vorwürfe gegen verschiedene Personen an der ETH Zürich, Mobbing, Korruption sowie Amts- und Machtmissbrauch betrieben zu haben. Die GPK sei nach intensiven Gesprächen mit den Verantwortlichen der ETH zur Überzeugung gelangt, dass es einen Kulturwandel brauche, führte Yvonne Feri (sp, AG) im Nationalrat aus. Die Oberaufsicht über die ETH unterliege Bundesrat Parmelin und der sei sich der Situation bewusst, versicherte Joachim Eder (fdp, ZG) im Ständerat. Ein weiteres WBF-Thema in beiden Räten waren die Kriegsmaterialausfuhren. Man habe ja manchmal das Gefühl, die Schweiz liefere Waffen an Schurkenstaaten, so Joachim Eder in der kleinen Kammer. Dies sei aber mitnichten der Fall. Vielmehr stehe die Schweiz hinsichtlich Transparenz von Waffenexporten international an erster Stelle. Man habe aber Fragen im Zusammenhang mit Medienberichten über Schweizer Handgranaten und Sturmgewehre, die angeblich im Jemen-Krieg aufgetaucht seien, klären können – so Yvonne Feri im Nationalrat. Beim EFD wurden die Rolle der Finma und die Cyberrisiken für den Finanzplatz Schweiz diskutiert. Die Finma nehme ihre Aufsicht gut wahr und das «interdepartementale Kompetenzgerangel» beim Thema Cyberrisiken habe sich erledigt: Die Federführung und die Koordination liegen beim EFD, das VBS ist zuständig für die Cyberdefence und das EJPD für die Cyberkriminalität. Von speziellem Interesse war die Postauto-Affäre, auf die der Bundesrat im Geschäftsbericht auf Geheiss der GPK in einem eigenen Kapitel eingehen musste. Diesem Auftrag sei die Exekutive nachgekommen, berichtete Claude Hêche (sp, JU) im Ständerat. Die Aufarbeitung der Affäre sei jedoch noch nicht abgeschlossen. Darüber hinaus erwähnte Hêche bei der Berichterstattung zum EDI die Gesundheitskosten, deren Wachstum als problematisch betrachtet werde. Gesundheitsminister Alain Berset habe aber alle Fragen der GPK beantworten können. Peter Föhn (svp, SZ) und Valérie Piller Carrard (sp, FR) berichteten schliesslich über die Bundeskanzlei und das EJPD. Bei der Bundeskanzlei standen Fragen zur Entwicklung bei Vote Electronique im Vordergrund. Die GPK würden die Problematik eng begleiten, so die Subkommissionssprecherin bzw. der Subkommissionssprecher. Hauptthema beim EJPD war die Terrorismusbekämpfung. Es gebe nach wie vor ein Sicherheitsrisiko für die Schweiz und die Kantone; mit verschiedenen Projekten und vor allem dem anstehenden neuen Bundesgesetz über polizeiliche Massnahmen zur Bekämpfung von Terrorismus würde hier aber viel unternommen.
In beiden Räten fasste Ueli Maurer in seiner Funkion als Bundespräsident ein paar der erreichten Ziele im Rahmen der drei Leitlinien (Wohlstandsicherung; nationaler Zusammenhalt und internationale Zusammenarbeit; Sicherheit und verlässliche internationale Partnerschaften) zusammen. Er bedankte sich am Schluss für die sehr offene und konstruktive Zusammenarbeit mit den GPK. Der Bundesrat profitiere sehr von den Fragen und Hinweisen einer Kommission, «die sehr oft unterhalb des Radars arbeitet, das aber sehr intensiv und gut macht».

Geschäftsbericht des Bundesrates 2018
Dossier: Rapports de gestion du Conseil fédéral

Endlich gleich lange Spiesse für über 50-Jährige, forderte die BDP-Fraktion im Mai 2017 mit einer Motion. Konkret verlangte der Vorstoss die Einführung eines Einheitssatzes bei den Altersgutschriften zur Beendigung der Benachteiligung der älteren Generation auf dem Arbeitsmarkt. Da die Altersgutschriften gemäss den aktuellen Regelungen mit dem Alter anstiegen und gemeinsam von Arbeitgebenden und Arbeitnehmenden bezahlt werden müssten, werde die Arbeit von Älteren stetig verteuert, fasste die Fraktion die Problematik noch einmal zusammen.
Der Bundesrat empfahl die Motion zur Ablehnung: Bereits im Rahmen der Altersvorsorge 2020 sei eine entsprechende Massnahme geprüft und vom Parlament aufgrund der unverhältnismässigen finanziellen Belastung der jungen Generation verworfen worden.
In der Sommersession 2019 beriet der Nationalrat den Vorstoss. Bundesrat Berset verwies darauf, dass eine solche Umstellung ziemlich kompliziert wäre, und bat den Rat darum, die laufende Pensionskassenrevision abzuwarten. Ohne Gegenstimme nahm die grosse Kammer die Motion jedoch mit 165 Stimmen und 12 Enthaltungen an.

Endlich gleich lange Spiesse für über 50-Jährige (Mo. 17.3325)

Der Nationalrat folgte in seiner Diskussion über das Abkommen über die soziale Sicherheit zwischen der Schweiz und dem Kosovo im Juni 2019 dem Ständerat nicht. Im März 2019 hatte die kleine Kammer als Erstrat das Abkommen dem fakultativen Referendum unterstellen wollen. Zwar soll die Revision des Bundesgesetzes über den allgemeinen Teil des Sozialversicherungsgesetz internationale Verträge zukünftig unter ein fakultatives Referendum stellen, doch SGK-Mitglied Benjamin Roduit (cvp, Wallis) argumentierte, dass man um der Kohärenz Willen in diesem Fall das gleiche Vorgehen anwenden möge wie bei den bisherigen Sozialversicherungsabkommen mit den Nachfolgestaaten Jugoslawiens. Der Nationalrat verzichtete schliesslich darauf, das Abkommen dem Referendum zu unterstellen, unter anderem weil es sich, gemäss Bundesrat Berset, um ein Standardabkommen handelte. Der bundesrätliche Entwurf wurde mit 110 zu 58 Stimmen (bei 3 Enthaltungen) angenommen, womit das Geschäft mit einer Differenz zurück an den Ständerat ging.

Sécurité sociale. Convention avec le Kosovo
Dossier: Conventions de sécurité sociale suisses
Dossier: Accords de sécurité sociale avec les États successeurs de la République populaire fédérative de Yougoslavie

Ende 2017 lancierte die Krankenkasse Helsana eine App mit dem Namen Helsana+, mit der man für verschiedene sportliche, aber auch soziale Aktivitäten wie Joggen, Fitnesstraining oder Vereinsmitgliedschaften Rabatte in der Zusatzversicherung bis CHF 300 sowie in der Grundversicherung bis CHF 75 erhält. Ähnliche Bonusprogramme für die Zusatzversicherungen gäbe es zwar schon länger, neu sei aber das entsprechende Angebot für die Grundversicherung, berichteten die Medien. Dieser Aspekt löste in der Presse breite Diskussionen aus. Mit dieser App eröffne die Helsana die «Jagd nach besten Risiken» erneut, empörte sich etwa Lukas Bäumle vom Seniorenrat. Die Belohnung von jungen, gesunden Personen diskriminiere die körperlich beeinträchtigten oder betagten Personen und führe zu einer neuen Art der Risikoselektion, pflichtete ihm Marianne Streiff-Feller (evp, BE) bei und auch Karl Vogler (csp, OW) und Gesundheitsminister Berset kritisierten, dass die App dem Solidaritätsgedanken der OKP wiederspreche und die Chancengleichheit verletze. Geteilt wurde die Kritik auch von verschiedenen Organisationen aus Konsumenten- und Patientenschutz und Pflege, Behindertenorganisationen sowie Gewerkschaften in einem Positionspapier. Sie verwiesen zudem auf technisch nicht versierte oder auf ihre Privatsphäre bedachte Personen, die ebenfalls diskriminiert würden.
Doch nicht nur wegen möglicher Diskriminierung wurde die App kritisiert, sondern auch wegen dem Datenschutz. Gesundheitsdaten gelten gemäss Datenschutzgesetz als besonders schützenswerte Daten. Die Helsana erhalte nun dank der App viele persönliche Informationen und Gesundheitsdaten, wie die Informationen aus Fitnesstrackern, Fotos der Versicherten oder Angaben über Vereinsmitgliedschaften, berichtete die Presse. Zudem sammle und verkaufe die App gemäss der Stiftung Konsumentenschutz Unmengen von Daten im Hintergrund. Zwar erklärte die Helsana, keine heiklen Daten zu speichern und die Informationen nicht weiterzugeben, jedoch gewährten die AGB der Versicherung gemäss Konsumentenschutz sehr viel weiterreichende Möglichkeiten – unter anderem eine stillschweigende Änderung der Nutzungsart.
Auf Kritik stiess die App auch in der Bevölkerung. So zeigte eine Befragung von 3'055 Personen durch die Forschungsstelle Sotomo, dass eine Mehrheit der Bevölkerung verhaltensabhängige Krankenkassenprämien ablehnt. Entsprechend trafen sowohl eine Prämiensenkung für Achtsame (56%) sowie eine Prämienerhöhung für Unachtsame (60%) bei den Befragten insgesamt auf Ablehnung. Eine Umfrage der Stiftung für Konsumentenschutz verdeutlichte zudem, dass das Bonusprogramm der Helsana auch in der Branche selbst auf Kritik stiess. 6 von 15 grossen Krankenkassen gaben ausdrücklich an, Rabattsysteme in der Grundversicherung abzulehnen.

In der Folge reichten Karl Vogler (Ip. 18.3373), Marianne Streiff-Feller (Ip. 18.3282) und Prisca Birrer-Heimo (sp, LU; Ip. 18.3354) Interpellationen zu diesem Thema im Nationalrat ein. Darin fragten sie den Bundesrat, ob er auch der Meinung sei, dass solche Bonusprogramme dem Solidaritätsgedanken zuwiderlaufen würden, ob solche Programme gemäss KVG zulässig seien und welche gesetzlichen Massnahmen nötig seien, um solche Programme zu verhindern. Der Bundesrat verwies darauf, dass eine Ungleichbehandlung von Versicherten, Prämienrabatte für gesundes Verhalten sowie eine Zweckentfremdung der Prämiengelder in der Grundversicherung bereits jetzt unzulässig seien, weshalb er keine gesetzlichen Massnahmen als nötig erachte. Die Helsana verwende aber für ihr Rabattprogramm nur Gelder aus der Zusatzversicherung, nicht aus der Grundversicherung. Hingegen kritisierte der Bundesrat denselben Punkt, welcher im April 2018 bereits der Eidgenössische Datenschutz- und Öffentlichkeitsbeauftragte (EDÖB), Adrian Lobsiger, angesprochen hatte. Diesem missfiel insbesondere der Zugriff der Zusatzversicherung der Helsana auf Daten der Grundversicherung, welchem die Versicherten für den Erhalt der Boni zustimmen müssten. Dies verstosse gegen das Datenschutzgesetz, da die Datenverarbeitung in den Sozialversicherungen einer gesetzlichen Grundlage unterliegen müssten, betonte er. Die Helsana erachtete die freiwillige Zustimmung der Individuen hingegen als «ausreichende rechtliche Grundlage»; zudem sei man damit nicht dem KVG unterworfen, weil die Prämien aus freien Mitteln der Versicherung, nicht aus den Geldern der OKP bezahlt würden.
Nachdem die Helsana der Aufforderung Lobsigers, das Bonusprogramm auf die Zusatzversicherung zu beschränken, nicht nachgekommen war, gelangte dieser vor das Bundesverwaltungsgericht, das nun entscheiden musste, ob «die Vergütungen das Prinzip des diskriminierungsfreien Zugangs zur Grundversicherung unterlaufe», wie es der Tagesanzeiger formulierte. Nicht Sache des Gerichtsverfahrens waren hingegen die Menge und die Verwendung der durch die App gesammelten Daten. Das Bundesverwaltungsgericht stützte Lobsigers Einschätzung teilweise. Es entschied, dass eine Einwilligung zur Weitergabe der Daten nur über die App nicht ausreiche und die Helsana die unrechtmässig beschafften Daten löschen müsse. Diesen Aspekt habe die Helsana aber bereits nach der Beschwerde des Datenschützers geändert, mittlerweile erfolge die Einwilligung bereits nach den gesetzlichen Vorgaben, berichteten die Medien. Offen liess das Gericht die Frage, ob das Bonusprogramm einer versteckten Prämienverbilligung gleichkomme und damit gegen das KVG verstosse.

Apps Krankenversicherer

In der Ständeratsdebatte im Frühjahr 2019 beantragte die SGK-SR die Ablehnung der Motion Brand (svp, GR) zur Eindämmung des Kostenwachstums in der OKP. Zwar bestünden inhaltlich keine Differenzen, da die Motion aber mit dem ersten Massnahmenpaket zur Kostendämpfung, das sich in der Vernehmlassung befinde, bereits umgesetzt worden sei, solle sie abgelehnt werden, erklärte Alex Kuprecht (svp, SZ) dem Ständerat. Gesundheitsminister Berset widersprach dieser Argumentation nicht und die kleine Kammer lehnte die Motion stillschweigend ab.

KVG. Keine Tarifverträge ohne Kosteneindämmungselement (Mo. 18.3305)

La sénatrice Géraldine Savary (ps, VD) souhaite renforcer la lutte contre la fraude dans le domaine des produits agricoles bénéficiant de désignations protégées. Celle qui est également présidente de l'Association suisse des AOP-IGP estime que les cas de fraude sont trop élevés et que les chimistes cantonaux – chargés d'effectuer les contrôles en question – sont débordés. La mise en place d'agents de vigilance permettrait ainsi, selon la motionnaire, d'établir une confiance durable entre producteurs et productrices, d'un côté, et consommateurs et consommatrices de l'autre côté. Beat Rieder (pdc, VS) dit soutenir cette motion, car, en tant que président des producteurs et productrices valaisannes de viande séchée, il a déjà été confronté à de nombreuses reprises à cette problématique. Il rappelle qu'un rapport du Conseil fédéral délivré en 2016 montrait que 20% des 1'500 produits contrôlés étaient frauduleux, ce qu'il estime être beaucoup trop élevé. Peter Hegglin pdc, ZG), président, lui, de l'organisation de branche du fromage Sbrinz, fait part de son scepticisme, redoutant le doublement des contrôles et donc une perte d'efficacité. Tout en admettant que des fraudes ont lieu pour d'autres produits, il constate que le fromage qu'il représente n'est que peu touché par ce problème. Finalement, le Conseil fédéral, représenté par Alain Berset, estime que des mesures sont à prendre pour résoudre ce problème, mais dans le cadre de la législation actuellement en vigueur. En effet, le conseiller fédéral Berset précise que la transmission d'informations n'est, pour l'heure, pas optimale entre chimistes cantonaux et organes de certification privés. Une amélioration de cet aspect permettrait d'éviter de faire appel à des agents de vigilance privés, non souhaité par le Conseil fédéral.
Les élu.e.s de la chambre haute décident de soutenir la motion Savary par 20 voix contre 12 et 3 abstentions.

Des agents de vigilance pour renforcer la lutte contre les fraudes dans le domaine des désignations protégées des produits agricoles

Rosmarie Quadranti (bdp, ZH) forderte in der Frühjahrssession 2019 mittels Motion die Zulassung und Regelung der Eizellenspende. Mit dem Inkrafttreten des ersten Fortpflanzungsmedizingesetzes 2001 sei die Samenspende erlaubt, die Eizellenspende hingegen verboten worden. Dies diskriminiere die weibliche Keimzelle, so die Motionärin. Ein früherer Anlauf, Eizellspenden zuzulassen – die parlamentarische Initiative Neirynck (cvp, VD; Pa.Iv. 12.487) –, war 2016 am Nationalrat gescheitert. Trotzdem zeigte sich Quadranti davon überzeugt, dass das Anliegen von weiten Teilen der Bevölkerung getragen werde. So sprächen sich gemäss einer Umfrage des GfK über 60 Prozent der Schweizerinnen und Schweizer für die Eizellenspende aus. Auch den jungen Bürgerinnen und Bürgern liege die Thematik am Herzen, wie die Jugendsession 2016 (Pet. 16.2019) aufgezeigt habe. Die Zulassung käme unfruchtbaren Paaren mit Kinderwunsch entgegen, die bisher auf eines der zwanzig europäischen Länder ausweichen mussten, in welchen die Eizellenspende zugelassen ist. Zudem sei das revidierte Fortpflanzungsmedizingesetz, mit dessen Noch-Nicht-Inkrafttreten der Bundesrat in seiner Stellungnahme 2017 seinen Antrag auf Ablehnung begründet hatte, unterdessen in Kraft.
Alain Berset erklärte, er sei sich über die Problematik, die mit dem Gesetz verbunden ist, im Klaren. Dennoch halte er die Zulassung der Eizellenspende nicht für angebracht, weil das von Rosmarie Quadranti angesprochene Gesetz mittlerweile zwar in Kraft sei, aber eben auch einen Bericht über die Auswirkung zur Zulassung der Präimplantationsdiagnostik fordere. Die Ergebnisse dazu dürften erst 2023 vorliegen. Zudem müsse man die Resultate des Berichtes zum Postulat über das Abstammungsrecht (Po. 18.3714) berücksichtigen, den der Bundesrat zurzeit erstelle. Daher erachte es der Bundesrat nicht als ratsam, bereits zuvor eine Gesetzesrevision einzuleiten. Diese Worte fanden bei den Nationalrätinnen und Nationalräten Gehör und folglich wurde die Motion mit 108 zu 62 Stimmen (bei 9 Enthaltungen) abgelehnt.

Zulassung und Regelung der Eizellenspende (Mo. 17.3047)
Dossier: Don d'ovules

Im Zusammenhang mit der parlamentarischen Initiative Nantermod (fdp, VS; Pa.Iv. 18.408) entschied sich die SGK-NR mit 12 zu 8 Stimmen (bei 2 Enthaltungen) im Hinblick auf den Bericht des Bundesrates, die Motion Darbellay (cvp, VS; Mo. 11.3811) zur Abschreibung zu empfehlen. Die Schaffung einer Regelung, gemäss der die Unfallversicherung die Kosten von Rückfällen oder Spätfolgen von Unfällen aus der Jugend übernehmen soll, würde neue Ungerechtigkeiten schaffen, erklärte die Kommission.

In der Frühjahrsession 2019 entschied sich der Nationalrat jedoch auf Antrag einer Minderheit Nantermod mit 93 zu 84 Stimmen (bei 2 Enthaltungen) gegen eine Abschreibung der Motion. Die Mehrheit des Rates liess sich von Thomas Weibel (glp, ZH) und Manfred Bühler (svp, BE), die auf die zentralen vom Bundesrat im Bericht aufgeführten Probleme verwiesen, nicht überzeugen. Deren Argumente hatte Philippe Nantermod zuvor zu entkräften versucht: Unter anderem verwies er darauf, dass das Rückwirkungsverbot auch bei genetischen Krankheiten missachtet werde und dass Eltern nicht die Möglichkeit hätten, Schulkinder gegen spätere Behinderungen zu versichern. Da es zudem nur Einzelfälle treffe, würden sich auch die Prämienfolgen in Grenzen halten. Abschliessend rief er zur Achtung der Entscheidungen des Parlaments in den Jahren 2013 und 2014 auf. Da sich seither die Situation nicht geändert habe, könne der Bundesrat keine Abschreibung der Motion verlangen; er sei verpflichtet, ein Gesetz vorzuschlagen. Letzterem widersprach Bundesrat Berset: Wenn der Bundesrat das Gefühl habe, dass eine Weiterverfolgung eines Vorstosses nicht mehr gerechtfertigt sei, könne er diesen sehr wohl zur Abschreibung empfehlen. Dies sah jedoch nur eine Mehrheit der SVP- und der FDP-Fraktion sowie die gesamten Fraktionen der Grünliberalen und der BDP ähnlich; die übrigen Parlamentarierinnen und Parlamentarier entschieden sich gegen eine Abschreibung der Motion.

Rechtslücke in der Unfallversicherung schliessen (BRG 18.037)

Im Frühjahr 2019 stand im Nationalrat die Beratung zur Genehmigung der Konvention von Faro an. Die Kommissionssprecher Philipp Kutter (cvp, ZH) und Jacques-André Maire (sp, NE) hielten die grosse Kammer in ihren Voten dazu an, der Kommissionsmehrheit zu folgen und der Vorlage zuzustimmen. Die WBK-NR hatte bereits im Januar 2019 mit 13 zu 8 Stimmen bei 4 Enthaltungen das Abkommen zur Annahme empfohlen. Faro sei nicht nur der Name jener portugiesischen Stadt, die namensgebend für die vorliegende Vorlage sei, sondern auch das italienische Wort für Leuchtturm, führte Kutter in seinen Erläuterungen aus. Genau wie ein Leuchtturm den Schiffen den Weg weise, wolle diese Konvention nun einen Weg weisen, wie man die Bedeutung des gemeinsamen Kulturerbes für die Gesellschaft steigern könne. Geprägt von den Erfahrungen, die man in den 1990er-Jahren im Balkankonflikt gemacht habe, solle das Abkommen dazu beitragen, der Instrumentalisierung des Kulturerbes für ideologische, ethnische oder religiöse Zwecke entgegenzuwirken. Diese habe in den letzten Jahren gerade im Zusammenhang mit dem Islamischen Staat (IS) und den Taliban wieder stark zugenommen und eine massive Zerstörung des Kulturerbes in Syrien, dem Irak und Afghanistan zur Folge gehabt. Anders als die UNESCO-Abkommen, die primär auf die Erstellung von Listen und Inventaren sowie entsprechende Massnahmen zu deren Schutz fokussierten, verpflichte die Konvention von Faro in allgemeiner Weise zur Anerkennung und Förderung des Kulturerbes, wie Kutter differenzierte. Maire wies in seiner Erläuterung darauf hin, dass die Kommissionsminderheit der Vorlage aus zwei Gründen ablehnend gegenüberstand: Erstens müsse man hinsichtlich der verhältnismässig geringen Anzahl an Ländern, die das Abkommen bereits ratifiziert hätten, etwas vorsichtig sein und zweitens bestünden Bedenken, dass gewisse Aktivisten das Abkommen dazu nutzen könnten, geltendes Schweizer Recht zu begrenzen – beispielsweise durch einen extremen Schutz des Erbes, um den Bau von Anlagen für erneuerbare Energien zu verhindern. Mit eben dieser Frage nach der möglichen Bekämpfung von Bauprojekten für Windkraft-, Solar- oder Biogasanlagen, die mit dieser Konvention begünstigt werden könnte, konfrontierte Isabelle Chevalley (glp, VD) auch den anwesenden Bundesrat Berset. Dieser wies die Nationalrätin darauf hin, dass man sich zwar grundsätzlich in einer Debatte immer auf alles berufen könne, dies aber in diesem Fall absolut keine Wirkung habe, da es keinen Zusammenhang zwischen der Konvention und der von ihr gestellten Frage gebe. Nachdem der Nationalrat schliesslich Eintreten ohne Gegenantrag beschlossen hatte, nahm er die Vorlage in der Gesamtabstimmung mit 131 zu 46 Stimmen bei einer Enthaltung an.

Wert des Kulturerbes für die Gesellschaft. Genehmigung

Mittels eines Postulats wollte Mathias Reynard (sp, VD) den Bundesrat beauftragen, in einem Bericht verlässliche Zahlen über sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz und in der Öffentlichkeit zusammenzutragen. Internationale Studien belegten, dass ungefähr jede dritte Frau an ihrem Arbeitsplatz sexuell belästigt werde, so der Postulant. Für die Schweiz fehlten aber aktuelle, flächendeckende Daten, weshalb bei der Untersuchung des Ausmasses und der Entwicklung dieser Problematik grosser Handlungsbedarf bestehe. Die Umsetzung vorliegenden Postulats liege zudem im Rahmen der Istanbul-Konvention, welche von den Vertragsstaaten die Untersuchung aller Formen von Gewalt gegen Frauen verlange.
Der Vorstoss wurde in der Wintersession 2018 von Verena Herzog (svp, TG) bekämpft und anschliessend in der Frühjahrssession 2019 erneut aufgegriffen. Herzog wies in ihrer Begründung darauf hin, dass es entgegen den Aussagen des eingereichten Textes sehr wohl aktuelle schweizerische Daten gebe und die entsprechenden Fakten bekannt seien. Hinter diesem Postulat vermute sie aus diesem Grund vielmehr «Alarmismus und Profilierung». Ihre Parteikollegin Céline Amaudruz (svp, GE) wies hingegen darauf hin, dass bestehende Zahlen womöglich verzerrt seien, da nicht alle Opfer sexueller Belästigung Anzeige erstatteten. In Zustimmung mit letzterer Aussage ergänzte Innenminister Alain Berset, dass durch die geforderte Prävalenzstudie Diskrepanzen zwischen der Realität und offiziellen Statistiken aufgedeckt werden könnten. Der Nationalrat folgte der Empfehlung des Bundesrates und nahm das Postulat mit 93 zu 68 Stimmen an. Während das Ja-Lager fraktionsmässig durchmischt war, bestand das Nein-Lager ausschliesslich aus Mitgliedern der Fraktionen der SVP und der FDP.

Sexuelle Belästigung. Wir brauchen endlich verlässliche Zahlen über dieses Problem (Po. 18.4048)
Dossier: Violences contre les femmes* / violence domestique (depuis la ratification de la Convention d'Istanbul)

Mittels Motion forderte Bea Heim (sp, SO) die Schaffung einer Rechtsgrundlage zur Vergütungstransparenz der Listen- und Vetragsspitäler. Nachdem der Vorstoss zweimal bekämpft worden war, wurde er schliesslich in der Frühjahrssession 2019 vom Nationalrat behandelt. Die Motionärin erklärte, dass die Honorare der Ärzteschaft mit einer leitenden Position offengelegt werden sollen, so wie es bis 2012 – damals noch mit unzureichender rechtlicher Grundlage – durch die FMH gemacht worden war. Eine Verbesserung der Transparenz sei deshalb wichtig, weil man damit der Kritik überhöhter Ärztelöhne entgegenwirken könne, unter welcher das Vertrauen in die Ärztinnen und Ärzte sowie ihr Image leide. Gemäss der Akademie Menschenmedizin erhielten etwa ein Viertel der Ärzteschaft einen Bonus, wenn sie zu einer Umsatzsteigerung des Spitals beitrügen, so Heim. Dies führe zu falschen Anreizen, da dadurch unnötige Eingriffe und hohe Kosten für die OKP verursacht würden. Zudem könnten die Kantone ihre Aufsichtspflicht nur gewährleisten, wenn Transparenz herrsche. Thomas Aeschi (svp, ZG) war da anderer Ansicht. Er warf Heim vor, ein sozialdemokratisches Anliegen einer gesamten Branche überstülpen zu wollen. Durch eine Annahme der Motion könnte künftig weiteren Branchen das gleiche Schicksal drohen. Aus einer privatwirtschaftlicher Sicht empfehle er daher, den Vorstoss abzulehnen. Alain Berset hingegen sprach sich im Namen des Gesamtbundesrates für das Geschäft aus. Obwohl die Kantone für die Aufsicht der Spitäler verantwortlich seien, teilte Berset unter anderem die Sorge über die Fehlanreize verursacht durch die Boni. Weiter sprach sich der Bundesrat dafür aus, die Transparenz zu erhöhen und eine Änderung im KVG zu überprüfen. Mit 124 zu 59 Stimmen stimmte die grosse Kammer für die Motion, wobei 52 Gegenstimmen aus dem Lager der SVP-Fraktion stammten.

Transparenz bei Entschädigungen und Honoraren für Ärzte und Ärtinnen in leitender Funktion (Mo. 18.3107)

In der Frühjahrssession 2019 beriet der Nationalrat die Revision des Allgemeinen Teils des Sozialversicherungsrechts (ATSG) und hatte eingangs einen Rückweisungsantrag von Silvia Schenker (sp, BS) zu klären. Da das ATSG generell in allen Sozialversicherungszweigen ausser der beruflichen Vorsorge zur Anwendung komme, hätten die Entscheidungen zu diesem eine Hebelwirkung, betonte sie. Die Vorlage sei aber sehr einseitig auf die Missbrauchsbekämpfung ausgerichtet, führe zu einschneidenden Verschlechterungen für die Betroffenen und beschneide die Rechte der Versicherten in Verfahren. Zudem fehle die Koordination mit den übrigen, bisher beschlossenen Missbrauchsmassnahmen – ein entsprechender Gesamtplan sei nicht vorhanden. Mit 133 zu 51 Stimmen sprach sich der Nationalrat gegen den Willen der SP- und der Grünen-Fraktion für Eintreten aus. In der Folge reichte Silvia Schenker eine Reihe von Minderheitsanträgen ein: Sie verlangte eine Streichung der engeren Frist für die Rückforderungsansprüche der Versicherten, da diese gemäss Behindertenverbänden für die Versicherer bereits jetzt sehr grosszügig sei. Sie wehrte sich gegen die Schaffung einer Kostenpflicht bei den Verfahren, da die Einführung einer solchen bei der IV gezeigt habe, dass die Anzahl Beschwerden dadurch nicht sinke. Stattdessen steige die Arbeit für die Gerichte, weil dadurch mehr Anträge auf unentgeltliche Rechtspflege eingereicht würden. Zudem lehnte sie die Schaffung einer Möglichkeit für eine vorsorgliche Einstellung von Leistungen ab, wenn eine Person die Meldepflicht verletzt, einer Lebens- oder Zivilstandskontrolle nicht fristgerecht nachkommt oder ein begründeter Verdacht auf unrechtmässig bezogene Leistungen besteht. Unter anderem sei unklar, wann ein begründeter Verdacht vorliege – wie auch die Diskussion in der Kommission gezeigt habe. Auf ihr Argument, dass diese Regelung viele Härtefalle schaffe, entgegnete Gesundheitsminister Berset, dass das Interesse der Versicherer, Verfahren und grosse Schadensrisiken zu vermeiden, Vorrang vor dem Interesse der Versicherten habe, nicht in eine vorübergehende Notlage zu geraten. Alle Minderheitsanträge fanden ausschliesslich bei der SP- und der Grünen-Fraktion Anklang und wurden folglich vom Nationalrat abgelehnt.
Angenommen wurde hingegen ein Minderheitsantrag von Thomas Aeschi (svp, ZG), mit dem die Kann-Bestimmung zur Einstellung von Geldzahlungen mit Erwerbscharakter während des Strafvollzugs zu einer Muss-Bestimmung geändert wurde. Umstritten war ansonsten nur noch die Frage, wie genau die Regelung zur Auferlegung der Kosten für Observationen beim Bezug von Versicherungsleistungen aufgrund von unwahren Angaben ausgestaltet werden sollte. Silvia Schenker wollte die Auferlegung der Kosten auf «wissentlich unwahre Angaben» beschränken oder – wenn möglich – den Absatz ganz streichen. Bea Heim (sp, SO) beantragte eine Beschränkung der Klausel auf die Auferlegung «angemessener Mehrkosten» und Thomas Aeschi wollte auch hier die Kann- in eine Muss-Formulierung umwandeln. In der Folge setzte sich jedoch die Version der Kommission durch, wodurch der Rat eine Differenz zum Ständerat schuf, der die Klausel, wie von Bea Heim vorgeschlagen, auf «angemessene Mehrkosten» beschränkt hatte.

Revision des Allgemeinen Teils des Sozialversicherungsrechts (BRG 18.029)
Dossier: Surveillance des assurés