Nach dem Scheitern der Revision des Betäubungsmittelgesetzes 2004 in der grossen Kammer hatte die SGK des Nationalrates 2005 beschlossen, die unbestrittenen Elemente der Revision, insbesondere das 4-Säulen-Konzept (Prävention inklusive Jugendschutz, Therapie, Schadensverminderung – beispielsweise durch die medizinisch kontrollierte Heroinabgabe – und Repression) mit einer parlamentarischen Initiative wieder aufzunehmen. Im Mai legte die Kommission ihre Vorschläge für eine Revision des Betäubungsmittelgesetzes vor. Der Bundesrat war damit weitgehend einverstanden
Bereits in der Eintretensdebatte wurde in erster Linie die heroingestützte Behandlung Schwerstsüchtiger ins Zentrum gerückt. Um die Behandlung des brisanten Geschäfts zu verzögern, reichte Ruey (lp, VD) einen Rückweisungsantrag an die Kommission ein. Er erklärte, die Heroinabgabe müsse vertieft untersucht werden, bevor man den auf Ende 2009 befristeten Bundesbeschluss in ordentliches Recht überführe. Support erhielt er von Bortoluzzi (svp, ZH), der die entsprechenden Untersuchungen des BAG als zu wenig neutral einstufte. Bundesrat Couchepin widersprach und wies auf zahlreiche Studien hin, welche die Wirksamkeit der Heroinabgabe belegen (weniger Drogentote, gesündere Konsumenten, geringere Beschaffungskriminalität). Rueys Antrag wurde deutlich mit 61 zu 11 Stimmen abgelehnt. In der Detailberatung meldeten sich die Befürworter einer strengen Abstinenzpolitik erneut wortreich: Die Heroinabgabe habe nichts mit Menschenliebe zu tun (Freysinger, svp, VS), sei sogar menschenverachtend (Waber, edu, BE). Dem hielten die Befürworter gegenüber, sie rette Menschenleben (Gutzwiller, fdp, ZH) und sei mittlerweile auch von der WHO als Therapiemöglichkeit für Schwerstsüchtige anerkannt (Ménetrey-Savary, gp, VD). Die medizinisch indizierte Heroinabgabe passierte schliesslich mit 111 zu 73 Stimmen, die gesamte Revision mit 106 zu 65. Nicht durchsetzen konnte sich der Bundesrat mit seinem Wunsch, Heroin aus der Liste der verbotenen Stoffe in jene der verschreibbaren Betäubungsmittel umzuklassieren. Couchepin plädierte vergeblich, dabei handle es sich um eine reine Frage der Logik. Um nicht noch einmal die gesamte Vorlage zu gefährden, wurde dieser Antrag mit 106 zu 70 Stimmen mit dem Argument verworfen, dies könne auch auf Verordnungsstufe geschehen. Im Fall einer Zustimmung durch den Ständerat drohte die EVP/EDU-Fraktion bereits mit einem Referendum, dem sich wohl auch Teile der SVP anschliessen dürften; damit könnte das Stimmvolk zum zweiten Mal nach 1999 über die heroingestützte Therapie befinden.
Auf Antrag des Bundesrates lehnte der Nationalrat eine Motion Wasserfallen (fdp, BE) (Mo. 04.3376) ab, welche eine deutliche Verschärfung der 4-Säulen-Politik des Bundes sowie ein klar verankertes Verbot des Cannabiskonsums verlangte; das relativ knappe Stimmenverhältnis (90:80) zeigte aber die nach wie vor bestehende Gespaltenheit der grossen Kammer
4-Säulen-Konzept