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Acteurs

  • Gysin, Greta (gp/verts, TI) NR/CN
  • Graf-Litscher, Edith (sp/ps, TG) NR/CN

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Mittels einer im Dezember 2020 eingereichten Motion forderte Greta Gysin (gp, TI) die Schaffung regionaler Stellen für eine erste Hilfe für Opfer von Missbrauch, Mobbing oder Diskriminierung am Arbeitsplatz. Obwohl sich die Opfer entsprechender Vergehen auf verschiedene Gesetze berufen könnten, kämen sie häufig nicht zu ihrem Recht, weil sie zum Beispiel Angst vor negativen Konsequenzen oder vor Jobverlust hätten. In seiner Stellungnahme vom Februar 2021 beantragte der Bundesrat, die Motion abzulehnen. Er erachtete die bestehenden rechtlichen Bestimmungen sowie die Fürsorgepflicht der Arbeitgebenden als ausreichend. Das Arbeitsinspektorat könne zudem Arbeitgebende, die ihre Fürsorgepflicht nicht wahrnähmen, zum Gesundheitsschutz am Arbeitsplatz verpflichten. Im Dezember 2022 wurde die Motion abgeschrieben, da sie nicht innerhalb der zweijährigen Frist behandelt worden war.

Regionale Stellen für eine erste Hilfe für Opfer von Missbrauch und Diskriminierung am Arbeitsplatz (Mo. 20.4429)

Dem Bestreben von Nationalrätin Greta Gysin (gp, TI), die französische und italienische Terminologie von Artikel 113 StGB (Totschlag) anzupassen, setzte der Ständerat in der Wintersession 2022 ein Ende. Ziffer 1 der entsprechenden Motion verlangte, auf den Ausdruck «leidenschaftlich» – in der französischen Fassung wird der Totschlag als «meurtre passionnel» und in der italienischen Fassung als «omicidio passionale» bezeichnet – im Randtitel zum Straftatbestand zu verzichten. Die Bezeichnung sei veraltet und wecke bei juristischen Laien falsche Assoziationen, argumentierte Ständerätin Lisa Mazzone (gp, GE), die mit ihrer Minderheit beantragte, dieses Anliegen anzunehmen. Die vorberatende RK-SR habe zwei Linguisten angehört, die bestätigt hätten, dass der Ausdruck «passion» im heutigen Sprachgebrauch nicht mehr als heftige Gefühlsregung im Allgemeinen, sondern spezifisch als (Liebes-)Leidenschaft – und der «crime passionnel» demnach als Eifersuchtsverbrechen – verstanden werde. Das sei problematisch, weil entsprechende Schlagzeilen dann in der Gesellschaft den falschen Eindruck erweckten, dass ein Verbrechen aus Eifersucht zu einer Strafminderung führe. Die Kommissionsmehrheit stellte sich dagegen auf den Standpunkt, dass der Vorstoss abzulehnen sei, weil es sich um «ein gut etabliertes juristisch-technisches Vokabular» handle, das in der Rechtsanwendung zu keinerlei Problemen führe, wie sie im Bericht schrieb. Mit 25 zu 14 Stimmen bei einer Enthaltung lehnte die Kantonskammer folglich Ziffer 1 ab, wobei sich im Abstimmungsresultat eher ein Links-rechts- als ein Röstigraben abzeichnete. Ziffer 2 der Motion mit der Variante, Artikel 113 StGB ganz abzuschaffen, fand indessen auch bei der Kommissionsminderheit keine Unterstützung und wurde im Rat stillschweigend abgelehnt.

Totschlag. Anpassung des Schweizerischen Strafgesetzbuchs (Mo. 20.3500)

Sollen Abstimmungsresultate aus Kommissionssitzungen veröffentlicht werden? Ja, findet Andreas Glarner (svp, AG) und forderte mittels parlamentarischer Initiative Transparenz über das Abstimmungsverhalten in Kommissionsberatungen. Bürgerinnen und Bürger hätten das Recht darauf zu wissen, ob die von ihnen gewählten Abgeordneten auch in den Kommissionen «die im Wahlkampf und auf Podien versprochenen Positionen» vertreten, so die Begründung des Initianten. Nein, fand hingegen die Mehrheit der SPK-NR, die mit 18 zu 6 Stimmen empfahl, der Initiative keine Folge zu geben. Kommissionsmitglieder müssten frei und ohne Handlungsdruck auch mal ihre Meinung ändern können, damit Kompromisse möglich werden, so die Argumentation im Kommissionsbericht. Zudem sei bereits heute eine gewisse Transparenz gegeben, weil im Falle von Minderheitsanträgen die Namen der entsprechenden Antragstellenden in Kommissionsberichten und auf den Fahnen veröffentlicht würden.
Zwei der sechs Mitglieder der SVP-Fraktion, die die Kommissionsminderheit bildeten, meldeten sich bei der Ratsdebatte zur Initiative in der Wintersession 2022 zu Wort: Zuerst führte der Initiant selber aus, dass es ihm nicht um eine Offenlegung der Kommissionsprotokolle gehe, sondern lediglich um die Publikation der Abstimmungsresultate. Gregor Rutz (svp, ZH) sekundierte mit dem Argument, dass man auch mit der geforderten Transparenz seine Meinung ändern dürfe, um notwendige Kompromisse zu schmieden. In diesem Falle könne man dies den eigenen Wählerinnen und Wählern dann auch erklären. Für die Kommissionsmehrheit sprachen Greta Gysin (gp, TI) und Gerhard Pfister (mitte, ZG). Neben der Notwendigkeit von Vertraulichkeit für Deliberation hinterfragte Pfister auch den Mehrwert einer Publikation von Abstimmungsresultaten, wenn die ihnen zugrundeliegenden Debatten und Argumente nicht ebenfalls veröffentlicht würden. In der Abstimmung folgte einzig die geschlossen stimmende SVP-Fraktion der Minderheit und der Initiative wurde mit 139 zu 51 Stimmen keine Folge gegeben.

Transparenz über das Abstimmungsverhalten in Kommissionsberatungen (Pa.Iv. 21.444)

2. November 2022: Der Rücktritt von Simonetta Sommaruga

Am 25. Oktober, also kurz nachdem die fünf Kandidierenden der SVP offizialisiert waren, gab Simonetta Sommaruga via den Departementssprechenden bekannt, dass sie ihre Regierungstätigkeit temporär unterbrechen müsse, da ihr Ehemann Lukas Hartmann hospitalisiert worden sei. Dies war dann auch die Ursache für die wenige Tage später sehr überraschend erfolgende Rücktrittsankündigung der amtierenden Energie- und Verkehrsministerin: Am 2. November gab Simonetta Sommaruga ihren auch für sie persönlich abrupten Rücktritt auf Ende Jahr bekannt, weil der Hirnschlag ihres Mannes für sie ein schwerer Schock gewesen sei und gezeigt habe, dass sie die Schwerpunkte in ihrem Leben anders setzen wolle. Den Tränen nahe beteuerte die Bernerin, dass sie gerne Bundesrätin gewesen sei und eigentlich geplant habe, dies auch noch eine Weile zu bleiben. So ein Schicksalsschlag stimme aber nachdenklich und verschiebe die Prioritäten. Die 2010 in den Bundesrat gewählte Simonetta Sommaruga war zuerst Justizministerin bevor sie 2019 das UVEK übernommen hatte.

In den Medien wurde die SP-Magistratin als populäre Bundesrätin gewürdigt, die allerdings häufig Abstimmungsniederlagen in Kauf habe nehmen müssen (Le Temps) – die Schlimmste darunter sei wohl das Ja zur Masseneinwanderungsinitiative der SVP gewesen. Im Zentrum ihrer Arbeit hätten stets die Menschen gestanden, urteilte der Blick. Die NZZ bezeichnete sie als «clever» und «beharrlich» mit einem «Hang zur Perfektion», der ihre Auftritte auch «angestrengt und belehrend» habe wirken lassen. Sie habe aber für eine SP-Bundesrätin auch dank «stoischer Beharrlichkeit» letztlich überraschend viele Vorlagen durch das Parlament gebracht. Die Aargauer Zeitung würdigte Simonetta Sommaruga als «Mensch gewordenes Verantwortungsgefühl», als «Bundesrätin, die niemals die Kontrolle verlieren will». Alle ausser der SVP hätten sie geliebt, titelte La Liberté. Die WoZ erinnerte angesichts der Betroffenheit, die Simonetta Sommaruga bei ihrer Rücktrittsmedienkonferenz ausgelöst hatte, daran, dass die Magistratin seit ihrer Wahl in den Bundesrat immer wieder von Teilen der Medien und der SVP angegriffen worden sei: «An der Bernerin offenbarte sich die Verunsicherung rechter Männer vor linken, machtbewussten Frauen», so die WoZ. In der Tat warf etwa Roger Köppel (svp, ZH) der Magistratin nach ihrem auch für den Bundesrat und ihre Partei überraschenden Rücktritt in der Weltwoche Parteikalkül und «Flucht» vor, weil sie schon lange «ermattet und ermüdet» sei. Dies stiess in vielen Medien freilich auf Kritik, da der Entscheid private Gründe habe und Respekt verdiene, so etwa der Tages-Anzeiger. Allerdings kommentierte die NZZ, dass der Rücktritt zwar verständlich sei, in Anbetracht der schwierigen Lage hinsichtlich Energieversorgung aber zur Unzeit komme. Ihre Nachfolgerin oder ihr Nachfolger müsse nun innert kürzester Zeit «eine der schwersten Krisen für die Schweiz seit Jahrzehnten» meistern.

Auch bei der SP begann das von den Medien in Schwung gehaltene Kandidierendenkarussell noch am Tag der Demission von Simonetta Sommaruga zu drehen. Daran beteiligte sich freilich auch aktiv die Parteispitze, die unmittelbar ankündigte, dass die SP ein reines Frauenticket präsentieren werde, wobei egal sei, aus welcher Sprachregion die Kandidatinnen stammten. Da die SP mit Alain Berset bereits einen Mann in der Bundesregierung habe und den Grundsatz der Geschlechterparität pflegen wolle, sei ein reines Frauenticket angezeigt, so die Begründung des SP-Co-Präsidiums aus Mattea Meyer (sp, ZH) und Cédric Wermuth (sp, AG). In den Medien wurden entsprechend schnell Favoritinnen ernannt: Sehr häufig fielen dabei die Namen der Ständerätin Eva Herzog (sp, BL), der Nationalrätinnen Flavia Wasserfallen (sp, BE) und Nadine Masshardt (sp, BE) sowie der Regierungsrätinnen Jacqueline Fehr (ZH, sp) oder Evi Allemann (BE, sp). Obwohl sich vor allem die Westschweizer Medien nur geringe Chancen für eine Kandidatur aus der Westschweiz ausrechneten (beispielsweise Le Temps), da in diesem Fall vier nicht deutschsprachige Personen im Bundesrat sitzen würden – zwei davon für die SP –, fielen auch die Namen der Regierungsrätinnen Rebecca Ruiz (VD, sp) und Nuria Gorrite (VD, sp) sowie der Ständerätinnen Marina Carobbio (sp, TI) und Elisabeth Baume-Schneider (sp, JU). Co-Präsidentin Mattea Meyer (sp, ZH) gab hingegen sofort bekannt, nicht zur Verfügung zu stehen.

Die in den Medien als vorschnell kritisierte Ankündigung der Parteispitze, ein reines Frauenticket präsentieren zu wollen, gab Raum für weitere Spekulationen. Ständerat Daniel Jositsch (sp, ZH) etwa wurden laut Medien schon lange Bundesratsambitionen nachgesagt. Diese würden freilich stark geschmälert, wenn eine Deutschschweizer SP-Frau Simonetta Sommaruga beerben würde, weil für eine allfällige spätere Nachfolge von Alain Berset dann wohl Westschweizer Männer im Vordergrund stehen würden. Auch Regierungsrat Beat Jans (BS, sp) und die Nationalräte Matthias Aebischer (sp, BE) oder Jon Pult (sp, GR) dürften ob der Ankündigung «frustriert» sein, mutmasste La Liberté. Für den Westschweizer Nationalrat Pierre-Yves Maillard (sp, VD) sei der Fokus auf eine (Deutschschweizer) Frau hingegen eine gute Nachricht, mutmasste der Tages-Anzeiger wiederum im Hinblick auf eine Nachfolge von Alain Berset. Zu den eigentlichen Verliererinnen der SP-Strategie gehörten neben den Deutschschweizer Männern aber auch die Westschweizer Frauen, die sich eine Kandidatur eher zweimal überlegen dürften, analysierte 24Heures. Einerseits seien die Chancen gering, dass das Parlament eine vierte romanischsprachige Person in den Bundesrat wähle, und andererseits werde wohl bei einem Rücktritt von Alain Berset dann lediglich ein Männerticket aufgestellt.

Der SP blieben für die Kandidierendensuche nur wenige Tage. Sie setzte sich als Meldeschluss den 21. November, damit die Fraktion am 26. November ein Zweierticket nominieren konnte. Der Rücktritt Simonetta Sommarugas habe die Partei auf dem falschen Fuss erwischt, beurteilte der Blick die kurze Zeitspanne. Bevor sich die ersten Kandidierenden meldeten, kam es wie zuvor schon bei der SVP auch bei der SP zu einer Reihe von medial mehr oder weniger stark begleiteten Absagen. Ausser Mattea Meyer verzichteten neben den genannten Favoritinnen Jacqueline Fehr, Nadine Masshart, Rebecca Ruiz, Nuria Gorrite und Marina Carobbio auch die Nationalrätinnen Priska Seiler Graf (sp, ZH), Barbara Gysi (sp, SG), Edith Graf-Litscher (sp, TG), Yvonne Feri (sp, AG) und die Zürcher Stadtpräsidentin Corine Mauch (ZH, sp) mit offiziellen Presseauftritten auf eine Kandidatur. Nach kurzer Bedenkzeit und grosser medialer Aufmerksamkeit verzichtete auch die ehemalige Aargauer Ständerätin Pascale Bruderer (AG, sp) auf eine Kandidatur. Sie war gar mittels Petition von mehreren Personen zu einer Kandidatur aufgefordert worden. Das habe sie sehr berührt, eine Rückkehr in die Politik sei aber für sie kein Thema. Auch die Absage von Flavia Wasserfallen war den Medien mehr als eine Kurzmeldung wert. Wie Esther Friedli (svp, SG) bei der SVP wollte sich die Bernerin auf die Ständeratswahlen 2023 konzentrieren und den Sitz des auf Ende Legislatur zurücktretenden Hans Stöckli (sp, BE) verteidigen.

Im Gegensatz zu Jon Pult, der den Entscheid der SP-Spitze für ein reines Frauenticket befürwortete und sich entsprechend nicht zur Verfügung stellte, wollte sich Daniel Jositsch nicht aus dem Rennen nehmen. Er erhielt dabei Zuspruch von bürgerlichen Parlamentarierinnen und Parlamentariern, die das Vorgehen der SP-Parteileitung in den Medien als «diktatorisch» (Alfred Heer, svp, ZH) bezeichneten oder kritisierten, dass es «mit Gleichberechtigung nicht mehr viel zu tun habe» (Josef Dittli, fdp, UR). Jositsch liess verlauten, dass er sich eine Kandidatur überlege, wenn die Fraktion auch Männer zulasse. Dafür werde er sich parteiintern einsetzen, weil er ein reines Frauenticket als «diskriminierend» erachte. Es handle sich um eine Einschränkung der Wahlfreiheit, die dem Passus in den Statuten der SVP nahekomme, der jedes Mitglied automatisch ausschliesse, wenn es eine Wahl annehme, ohne von der Partei nominiert worden zu sein. Seine damit offiziell angekündigte Kandidatur brachte dem Zürcher Ständerat zahlreiche negative Kommentare ein. Der am rechten Rand der SP politisierende Daniel Jositsch fordere seine eigene Partei heraus und schaffe sich damit zahlreiche Feinde, befand LeTemps. Die «Granate Jositsch explodierte im Gesicht der SP», titelte 24Heures: «Il est vieux, blanc, mâle et riche», also alles, was die neue Garde der SP im Moment «verabscheue», so die Westschweizer Zeitung. Der Tages-Anzeiger warf Jositsch vor, mit dem «unsäglichen Theater» Frauen zu brüskieren, solange diese in den verschiedenen politischen Gremien nach wie vor nicht angemessen vertreten seien. Er sei auf einem «Egotrip», überschätze sich völlig und zeige damit nachgerade auf, dass er eben nicht geeignet sei für ein Bundesratsamt, zitierte der Blick verschiedene SP-Stimmen. Er habe Goodwill verspielt und müsse für den «Hochseilakt ohne Netz» wohl noch büssen. Die WoZ kritisierte, dass nach «173 Jahren Patriarchat [...] ein Mann auch heute noch nicht glauben [will], dass der eigene Karriereverzicht ein Akt der Gleichstellung sein kann». Auch die Weltwoche schrieb von «Selbstdemontage». Allerdings erhielt Jositsch auch Unterstützung aus der eigenen Fraktion. Sich auf ein reines Frauenticket zu konzentrieren sei «demokratisch und strategisch ungeschickt», meldete sich etwa Nationalrätin Franziska Roth (sp, SO) im Blick zu Wort. Es brauche Wettbewerb zwischen Frauen und Männern und keine Reduktion der Kandidierenden auf ihr Geschlecht. Roberto Zanetti (sp, SO) kritisierte vor allem die Parteileitung: «Ich mag es nicht, wenn man mir vorschreibt, wie ich mir meine Gedanken machen soll», so der Ständerat, der in der Folge ein Dreierticket vorschlug. Die Frage werde fraktionsintern wohl noch zu reden geben, vermutete der Blick. Die Fraktion selber versuchte etwas den Wind aus den Segeln zu nehmen, indem sie verkündete, den Vorschlag der Parteispitze für ein reines Frauenticket bzw. den Antrag von Jositsch auf ein gemischtes Ticket an ihrer Fraktionssitzung am 18. November zu diskutieren. Es sei der Verdienst von Jositsch, dass das Thema offen diskutiert werde, urteilte die NZZ. Er verdiene auch deshalb einen «fairen Prozess».

Nach der Kandidatur von Jositsch verging einige Zeit, bis die ersten Kandidatinnen ihre Bewerbung einreichten. Die erste Frau, die sich schliesslich am 10. November mit einer Kandidatur meldete, war Evi Allemann. Damit habe es die SP «geschafft, eine junge Mutter ins Rennen zu schicken [... und] mit einer Art Sanna Marin [...] für frischen Wind [zu] sorgen» (die finnische Ministerpräsidentin Sanna Marin war jüngste Ministerpräsidentin weltweit und bei ihrem Amtsantritt Mutter einer einjährigen Tochter). Die ehemalige Nationalrätin und seit 2018 Berner Regierungsrätin – und Mutter zweier Kinder im Alter von elf und sieben Jahren, wie sogleich in allen Medien berichtet wurde – habe allerdings national kaum Schlagzeilen gemacht, zudem könnte es ein Nachteil sein, dass sie seit fünf Jahren nicht mehr im nationalen Parlament sitze, mutmasste der Blick. Allemann sei nicht die Wunschkandidatin der SP gewesen, wusste 24Heures. Sie habe nicht das Charisma von Flavia Wasserfallen, die in Bundesbern wesentlich häufiger als Favoritin genannt worden sei. Die Kandidatur von Evi Allemann, die eine Bilderbuchkarriere ohne Kanten aufweise und bereits mit 20 Jahren in den Berner Grossen Rat gewählt worden war – 1998 war sie die jüngste Kantonsparlamentarierin der Schweiz – und 2003 den Sprung in den Nationalrat geschafft hatte, habe aber ein grosses «ouf de soulagement» bei der Parteileitung ausgelöst, so 24Heures weiter. Evi Allemann sei auch in bürgerlichen Kreisen beliebt und zeichne sich durch Pragmatismus aus. Sie habe zudem auf Anhieb jedes politische Mandat erhalten, das sie angestrebt habe, so der Tages-Anzeiger. Dass sie nicht mehr in Bundesbern sei, sei für die ehemalige VCS-Präsidentin allerdings ein Handicap, urteilte auch die NZZ.

Als klare Favoritin wurde in den Medien freilich Eva Herzog gehandelt, die tags darauf ihre Kandidatur bekannt gab. «Eva Herzog est la Albert Rösti du Parti socialiste» – sie sei die mit Abstand am häufigsten genannte Favoritin –, berichtete etwa Le Temps über die Kandidatur der Basler Ständerätin. Sie könne einige Trümpfe aufweisen, wie etwa ihre 19-jährige Erfahrung als Finanzvorsteherin des Kantons Basel-Stadt und ihre Ständeratskarriere seit 2019. Ihre gescheiterte Bundesratskandidatur im Jahr 2010, als sie von der Fraktion für die Nachfolge von Moritz Leuenberger nicht aufs Ticket gesetzt worden war, sei zudem ebenfalls kein Nachteil. Schliesslich sei der Kanton Basel-Stadt seit 1973 nicht mehr im Bundesrat vertreten gewesen. Dies sei auch ein Vorteil gegenüber der Bernerin Evi Allemann, waren sich die meisten Medien einig. Auch der Blick machte Eva Herzog zusammen mit Albert Rösti sogleich zum «Favoriten-Duo» und betonte «die Lust aufs Amt und den Gestaltungswillen», den die Baslerin versprühe. Als Nachteil bezeichnete 24Heures das fehlende Charisma von Eva Herzog. Sie sei «un peu cassante», wirke häufig ein wenig spröde.

Einen weiteren Tag später warf die vierte Kandidatin der SP ihren Hut in den Ring. «Elisabeth Wer?», titelte die WoZ in Anspielung auf die zumindest in der Deutschschweiz geringe Bekanntheit von Elisabeth Baume-Schneider, die ähnlich wie Eva Herzog seit 2019 im Ständerat sitzt und vorher während 13 Jahren im Kanton Jura als Regierungsrätin das Bildungsdepartement geleitet hatte. Ebendiese Unbekanntheit sei das grosse Manko der Kandidatin aus der Romandie, waren sich zahlreiche (Deutschschweizer) Medien einig. Auch wenn von der SP-Parteileitung explizit auch Frauen aus der lateinischen Schweiz zu einer Kandidatur aufgefordert worden seien, werde die Vereinigte Bundesversammlung kaum eine Mehrheit von nicht-deutschsprachigen Personen im Bundesrat goutieren, prognostizierte Le Temps – auch wenn Elisabeth Baume-Schneider bilingue ist, ihr Vater ist Deutschschweizer. Dass die Jurassierin «rien à perdre» habe, könne ihr aber auch zum Vorteil gereichen. Die Chancen seien «mince, mais pas nulles», hoffte Le Quotidien Jurassien. Es könnte sich gar für die Zukunft lohnen, den bisher noch nie im Bundesrat repräsentierten peripheren Kanton Jura bekannter zu machen, befand Le Temps mit Blick auf eine mögliche Wahl bei einem Rücktritt von Alain Berset. Für den Kanton sei dies «une belle publicité», so Le Temps. Zudem habe die ehemalige Regierungsrätin im Jura viel Rückhalt, so die Westschweizer Zeitung weiter. In der Tat gab der jurassische Regierungsrat ihre Kandidatur gar in einem Communiqué bekannt und stellte sich mit der Ankündigung, sie könne den Röstigraben verkleinern, öffentlich hinter seine ehemalige Kollegin. In den Medien wurde zudem Elisabeth Baume-Schneiders Nähe zur Landwirtschaft betont. Thema war freilich auch ihr Alter, das als «Handicap» gewertet wurde, weil sich die SP eine jüngere Frau wünsche, so der Blick. Die 58-jährige Ständerätin aus dem Kanton Jura gab zudem in Interviews zu Protokoll, dass sie sich mit 65 Jahren pensionieren lassen wolle. Sie betrachte sich deshalb als «conseillère fédérale de transition», so ihre Aussage in 24Heures. Eva Herzog bleibe aber auch deshalb Favoritin, weil die Jurassierin eher am linken Rand der SP politisiere und das Parlament deshalb weniger gut von sich überzeugen könne als die eher am rechten Rand der SP einzuschätzende Eva Herzog, so der Blick weiter. 24Heures befand zudem, dass Elisabeth Baume-Schneider das grünste Profil der SP-Kandidierenden habe, was ihr allenfalls Stimmen von den Grünen einbringen könnte. Kaum zur Sprache kam hingegen, dass die Jurassierin in ihren Jugendjahren bei der Revolutionären Marxistischen Liga politisiert hatte, galt sie doch auch in bürgerlichen Kreisen als «sehr konziliant». In Interviews gaben Ständerätinnen und Ständeräte aus allen Lagern etwa der Aargauer Zeitung zu Protokoll, sie sei «lösungsorientiert, ohne den grossen Auftritt zu suchen», «verlässlich und kollegial», «seriös, aber nicht verbissen» und sie strahle eine «positive Leichtigkeit» aus. Hingegen wurde das Thema Mutterschaft auch bei der Kandidatin aus dem Kanton Jura diskutiert: Der Blick wusste zu berichten, dass Elisabeth Baume-Schneider zwar nicht mehr das Profil der jungen Mutter habe, wie dies von der SP gewünscht werde, sie habe aber bereits im Jahr 2000 landesweit für Schlagzeilen gesorgt, weil sie damals als Parlamentspräsidentin ihr Baby an eine Sitzung im Jurassischen Parlament mitgenommen habe. Die Frage, ob ein Exekutivamt mit Kindern möglich sei, sei für Elisabeth Baume-Schneider deshalb ein «Déjà-vu». Die Sanna Marin, die die SP heute im Bundesrat haben wolle, sei die zweifache Mutter Elisabeth Baume-Schneider schon vor 20 Jahren gewesen, bemühte die Aargauer Zeitung den Vergleich mit der finnischen Präsidentin ein weiteres Mal.

Bevor die SP über die Nominierung entschied, stand die mit einiger Spannung erwartete Lösung der «Frage Jositsch» an. In den Medien hatte der Wind in der Zwischenzeit etwas gedreht und die SP wurde für ihr mangelndes strategisches Geschick kritisiert. Dass sofort kommuniziert worden sei, nur auf Frauen zu setzen, habe die Partei unnötigen Spannungen ausgesetzt, war in zahlreichen Medien zu lesen. In der Zwischenzeit hatte sich zudem die «Reformplattform», ein loser Zusammenschluss moderat-zentristischer Kräfte der SP, hinter Jositsch gestellt. Im Hinblick auf die eidgenössichen Wahlen 2023 habe die SP aber wohl keine andere Wahl, als mit einer Frau und einem Mann im Bundesrat vertreten zu sein, was nur ein reines Frauenticket garantiere, ergänzte der Tages-Anzeiger. Als Gleichstellungspartei sei sie sonst nicht glaubwürdig. Alles andere wäre denn auch «politisches Harakiri», urteilte auch die Republik. Denn würde Jositsch auf dem Ticket stehen, würde er «mit hoher Wahrscheinlichkeit» gewählt, was dem mächtigen «Momentum von feministischer Politik» völlig zuwiderlaufen und Proteste auslösen würde. Auch der 80-köpfige Parteirat, eine Art Parlament innerhalb der Partei, stärkte der Parteileitung den Rücken und sprach sich einstimmig für ein reines Frauenticket aus. Die diese Frage letztlich entscheidende Fraktion selber tagte dann am 18. November und sprach sich laut ihrem Chef Roger Nordmann (sp, VD) klar mit 37 zu 6 Stimmen (2 Enthaltungen) dafür aus, nur Frauen zu nominieren. Daniel Jositsch habe sich eloquent verteidigt, respektiere aber das Urteil, so Nordmann weiter. Der Vorschlag für ein Dreierticket sei mit 26 zu 19 Stimmen abgelehnt worden. In einem kurzen Statement gab Daniel Jositsch im Anschluss an die Fraktionssitzung den Medien zu Protokoll, er verstehe den Entscheid, es gebe keine innerparteilichen Konflikte und er ziehe seine Kandidatur angesichts der exzellenten Kandidatinnen zurück. Die Diskussionen seien freilich nicht so glatt verlaufen, wie dies für die Presse dargestellt worden sei, wusste der Tages-Anzeiger zu berichten. Vor allem die Parteispitze habe sich von einigen Fraktionsmitgliedern harsche Kritik anhören müssen: Dass Mattea Meyer und Cédric Wermuth unmittelbar nach dem Rücktritt von Simonetta Sommaruga eigenmächtig ein Frauenticket angekündigt hätten, zeuge von schlechtem Kommunikationsstil und mangelndem Vertrauen in die Fraktion, so die interne Kritik laut Tages-Anzeiger.

Spannend blieb in der Folge also die Frage, welche beiden Kandidatinnen von der Fraktion aufs Ticket gehievt werden. Im Vorfeld der entsprechenden Fraktionsentscheidung vom 26. November hatte die SP vier von ihr so benannte «öffentliche Hearings» in Luzern, Lausanne, Zürich und Liestal geplant, in denen die drei Kandidatinnen Red und Antwort stehen – und «mit dem personellen Spektakel etwas Werbung» für die Partei machen sollten, wie die NZZ vermutete. Alle vier Hearings verliefen ohne Überraschungen. Es gebe kaum Unterschiede in den Positionen der drei Kandidatinnen war die ziemlich einhellige Meinung der Medien, was das Rennen um die Plätze auf dem Ticket freilich nur spannender mache.

Die Entscheidung der SP-Fraktion, Eva Herzog und Elisabeth Baume-Schneider auf das Ticket zu setzen, sorgte dann doch bei vielen Beobachterinnen und Beobachtern für überraschte Gesichter und einige Kritik. Der Entscheid habe etwas Zufälliges, urteilten einige Medien gestützt auf den Wahlprozess in der Fraktion, über den medial berichtet wurde. In den ersten beiden Wahlgängen waren die Unterschiede jeweils knapp, einmal verfügte Elisabeth Baume-Schneider und einmal Evi Allemann über die meisten Stimmen. Erst im dritten Wahlgang, in dem keine Zweitstimmen mehr zugelassen waren, war das Ergebnis schliesslich klar genug: 24 Stimmen für Eva Herzog, 23 für Elisabeth Baume-Schneider und lediglich noch 14 für Evi Allemann, die also für viele Fraktionsmitglieder anscheinend jeweils zweite Wahl gewesen war. Ausgerechnet die in den letzten Wochen so breit diskutierte «junge Mutter» hatte es damit nicht auf das Ticket geschafft. Dies stiess bei zahlreichen Beobachterinnen und Beobachtern auf Kritik. Die Sonntagszeitung wusste zu berichten, dass es in der Fraktion zwei Lager gegeben habe: Das eine habe auf die moderatere Eva Herzog gesetzt, während das andere vorwiegend aus Romand.e.s bestanden habe, unterstützt von Fraktionsmitgliedern, die bei der nächsten Vakanz die Wahlchancen Deutschschweizer Männer erhöhen wollten. Dieses Lager habe die eher links politisierende Westschweizer Kandidatin Elisabeth Baume-Schneider präferiert. Dies wiederum weckte Unbill bei der FDP, die sich im Vorfeld dezidiert gegen eine lateinische Mehrheit im Bundesrat ausgesprochen und bei der SP entsprechende Forderungen angemeldet hatte. Auch die SVP kritisierte die Auswahl, weil die Gefahr bestehe, dass am Schluss nur noch Kantone im Bundesrat vertreten seien, die im Finanzausgleich zu den Nehmerkantonen gehörten. Der Sonntagsblick hatte im Vorfeld der Fraktionssitzung eine Bevölkerungsbefragung durchführen lassen, bei der sich zeigte, dass die Mehrheit der Befragten ebenfalls die beiden Ständerätinnen auf das Ticket gesetzt hätte. Laut der Montagspresse änderte diese Vorauswahl allerdings wenig an der Ausgangslage: Wie bei der SVP Albert Rösti bleibe auch bei der SP Eva Herzog klare Favoritin. Die Aargauer Zeitung bezeichnete die Nomination von Elisabeth Baume-Schneider als «taktisch». Sie sei für Herzog die ungefährlichere Partnerin auf dem Ticket. Elisabeth Baume-Schneider selber war sich ihrer Outsider-Rolle bewusst, aber man könne ja nie wissen, gab sie dem Quotidien Jurassien zu Protokoll.

Bundesratsersatzwahlen 2022 – Nachfolge von Ueli Maurer und Simonetta Sommaruga
Dossier: Élection du Conseil fédéral depuis 2008

In der Herbstsession 2022 stand die Behandlung der Revision des Bundesgesetzes über das Öffentlichkeitsprinzip in der Verwaltung in beiden Kammern auf der Traktandenliste. Beide Räte waren sich schon zuvor grundsätzlich einig, dass der Zugang zu amtlichen Dokumenten gebührenfrei möglich sein muss. Allerdings – dies hatte bereits die parlamentarische Initiative von Edith Graf-Litscher (sp, TG), auf die die Vorlage zurückging, so vorgesehen – sollten in hohe Kosten verursachenden Ausnahmefällen den Gesuchsstellenden Rechnungen ausgestellt werden dürfen. Nicht einig waren sich National- und Ständerat darüber, ob für diese Ausnahmefälle eine Kostenobergrenze festgelegt werden soll. Der Nationalrat hatte diese auf CHF 2'000 fixieren wollen. Der Ständerat hielt allerdings – unterstützt vom Bundesrat – diskussionslos und einstimmig daran fest, keine solche Obergrenze festzulegen. Sie seien zwar sehr selten, es gebe aber durchaus Gesuche, die Kosten von weit mehr als CHF 2'000 verursachten, argumentierte der Sprecher der SPK-SR, Mathias Zopfi (gp, GL). Die Kommission sei zudem der Meinung, dass der Erlass von Gebühren Sache des Bundesrats sei.
Tags darauf schwenkte der Nationalrat auf diesen Beschluss des Ständerats ein. Die Kommission sei zwar «inhaltlich» nicht einverstanden, sie wolle aber auf «eine aussichtslose Differenzbereinigungsrunde» verzichten. Mit einer Gebührenobergrenze hätte die Unterwanderung des grundsätzlich gebührenfreien Zugangs zu amtlichen Dokumenten verhindert werden können; trotzdem sei auch die ständerätliche Lösung noch ein «Schritt zur Stärkung des Öffentlichkeitsprinzips», argumentierte die Sprecherin der SPK-NR, Céline Widmer (sp, ZH) in der grossen Kammer. Diese folgte anschliessend stillschweigend dem Kommissionsantrag.
In den Schlussabstimmungen hiess der Nationalrat die Vorlage mit 193 zu 0 Stimmen gut und der Ständerat stimmte ihr mit 44 zu 1 Stimme zu.

Öffentlichkeitsprinzip (Pa.Iv. 16.432)
Dossier: Transparence de l'administration fédérale

In Form eines Postulats forderte Greta Gysin (gp, TI) den Bundesrat dazu auf, in einem Bericht aufzuzeigen, ob die sprachlichen Minderheiten in den Führungspositionen der Swisscom, SBB und Post untervertreten sind. Darauf aufbauend sollte der Bundesrat Weisungen für die Einhaltung der sprachlichen Vertretung aller vier Landessprachen bei den höchsten Kadern und der Konzernleitung in den bundesnahen Betrieben erlassen.
In der Herbstsession 2022 befasste sich der Nationalrat mit dem Anliegen. Die Tessinerin warb für ihren Vorstoss damit, dass die angemessene Vertretung aller vier Landessprachen gerade in diesen öffentlich-rechtlichen Betrieben von grosser Bedeutung sei, da sie alle sprachregionalen Interessen berücksichtigen müssten. Der Bundesrat habe zwar Verständnis für das Anliegen und nehme die Vertretung der Landessprachen in Führungspositionen ernst. Diese Forderungen gingen aber zu weit, begründete Ueli Maurer im Nationalrat den Antrag der Regierung, das Postulat abzulehnen. Mit 107 zu 77 Stimmen (bei 6 Enthaltungen) sprach sich der Nationalrat gegen den Vorstoss aus; die befürwortenden Stimmen stammten von den geschlossen stimmenden Fraktionen der SP und der Grünen sowie von einzelnen Mitgliedern der SVP-, der FDP.Liberalen- und der Mitte-Fraktionen.

Bundesnahe Betriebe. Für eine angemessene Vertretung der vier Landessprachen in der Konzernleitung und bei den höheren Kadern (Po. 20.4384)

Im August 2022 legte das Büro-SR seinen Bericht zur in einem Postulat von Maya Graf (gp, BL; Po. 21.3079) geforderten offiziellen Gedenkfeier für die Covid-19-Opfer und ihre Angehörigen durch das Schweizer Parlament vor. Da das gleichlautende, im Nationalrat eingereichte Postulat von Greta Gysin (gp, TI; Po. 21.3069) zurückgezogen worden war, sei eine gemeinsame Feier beider Räte nicht möglich, erklärte das Büro. Der Bundesrat plane seinerseits keine weiteren Gedenkveranstaltungen zusätzlich zur landesweiten Schweigeminute vom 5. März 2021. Anfänglich habe das Büro die Aufhebung der besonderen Lage abgewartet, nun halte es aber einen Gedenkanlass für die Pandemieopfer «aufgrund der veränderten weltpolitischen Situation» – die Rede war vom Krieg in der Ukraine – nicht mehr für situationsgerecht. Folglich empfahl es die Abschreibung des Postulats.

Abschreibung des Postulats für eine offizielle Gedenkfeier für die Covid-19-Opfer und ihre Angehörigen (BRG 21.057)

Die Nationalratsmitglieder Sidney Kamerzin (mitte, VS), Corina Gredig (glp, ZH), Gerhard Andrey (gp, FR), Lilian Studer (evp, AG), Lars Guggisberg (svp, BE), Susanne Vincenz-Stauffacher (fdp, SG) und Edith Graf-Litscher (sp, TG) reichten im Juni 2020 allesamt gleichlautende Postulate ein, mit denen sie den Bundesrat beauftragen wollten, marktwirtschaftliche Lösungen zur Förderung von regionalem Coworking zu prüfen. Da nicht alle Personen im Homeoffice arbeiten könnten und da bei Homeoffice der soziale Austausch fehle und die Trennung zwischen Beruf und Familie schwierig sei, könne regionales Coworking eine Lösung für immer mehr Arbeitnehmenden darstellen, argumentierten sie. Neben einer möglichen Starthilfe durch den Bund für den Aufbau eines nationalen Netzes soll der Bericht aufzeigen, wie die Bundesverwaltung in einer Vorbildfunktion Büroflächen sparen und diese Fläche stattdessen als regionale Coworking Spaces zur Verfügung stellen könnte. Zudem soll beleuchtet werden, wie etwa die SBB in Regionalbahnhöfen – oder auch andere bundesnahe Betriebe – Coworking-Formate umsetzen könnten.
In seiner Stellungnahme vom August 2020 beantragte der Bundesrat, die Postulate abzulehnen. Der Bund überlasse es den Arbeitnehmenden und Arbeitgebenden, ob sie im Coworking arbeiten oder Coworking als flexible Arbeitsform anbieten möchten. Zudem seien Coworking-Möglichkeiten in einigen ländlichen Gebieten und Bergregionen bereits vorhanden. Zudem verfüge der Bund über keinen direkten Einfluss auf die Nutzung leer stehender Büroräume der bundesnahen Betriebe oder auf ihr operatives Geschäft.
Im Juni 2022 wurden die Postulate abgeschrieben, da sie nicht innert zwei Jahren vom Nationalrat behandelt worden waren.

Postulate zur «Förderung von regionalem Coworking» (Po. 20.3622, Po. 20.3638, Po. 20.3639, Po. 20.3640, Po. 20.3641, Po. 20.3642, Po. 20.3643)

In der Sommersession beschloss der Nationalrat, der Mehrheit seiner SPK-NR zu folgen und an der ursprünglichen Version seiner Revision des Bundesgesetzes über das Öffentlichkeitsprinzip in der Verwaltung festzuhalten. Der Ständerat hatte in der Detailberatung zur Vorlage, die auf eine parlamentarische Initiative von Edith Graf-Litscher (sp, TG) zurückging, eine Differenz geschaffen: In der Regel soll die Einsicht in Dokumente der Bundesverwaltung zwar kostenlos sein, für Gesuche, denen die verantwortliche Verwaltungsstelle nur mit hohem Aufwand nachkommen kann, sollen allerdings Gebühren verlangt werden können. Der Nationalrat hatte dafür eine Obergrenze von CHF 2'000 vorgesehen, der Ständerat wollte hingegen keine Kostenobergrenze beziffern. Eine Minderheit der SPK-NR hatte vergeblich dafür plädiert, die ständerätliche Lösung zu übernehmen. Die Argumente von Minderheitensprecher Damien Cottier (fdp, NE) sowie von Bundesrätin Karin Keller-Sutter, es könne auch Gesuche geben, die Gebühren von mehr als CHF 2'000 rechtfertigten, stiessen lediglich bei der geschlossen stimmenden FDP.Liberalen- und der Mehrheit der Mitte-Fraktion auf Gehör. Mit 130 zu 53 Stimmen (2 Enthaltungen) sprach sich der Nationalrat für Festhalten aus.

Öffentlichkeitsprinzip (Pa.Iv. 16.432)
Dossier: Transparence de l'administration fédérale

Im Dezember 2021 reichte Edith Graf-Litscher (sp, TG) ein Postulat zur Prüfung von Massnahmen für einen besseren Schutz gegen Ransomware-Angriffe ein. Laut der Postulantin stellten Cyberangriffe über Verschlüsselungstrojaner, sogenannte Ransomware, eine grosse Gefahr für die Wirtschaft und die Verwaltung dar. Besondere Beachtung sollten im Rahmen der auszuarbeitenden Massnahmen die Sicherheitsrichtlinien von Unternehmen mit öffentlichem Auftrag, eine mögliche Meldepflicht für Lösegeldzahlungen bei Cyberangriffen und die engere Zusammenarbeit der betroffenen Unternehmen mit den zuständigen Behörden erhalten. Während der Bundesrat das Postulat zur Annahme beantragte, wurde es von Erich Hess (svp, BE) bekämpft. In der Sommersession 2022 stimmte der Nationalrat dem Postulat mit 87 Ja- zu 86 Nein-Stimmen bei 6 Enthaltungen knapp zu, nachdem sich Judith Graf-Litscher und Bundesrat Maurer für dessen Annahme ausgesprochen hatten. Erich Hess hatte auf ein Votum verzichtet. Gegen das Postulat sprachen sich insbesondere die SVP-, FDP- und Mitte-Fraktion aus.

Massnahmen für einen besseren Schutz gegen Ransomware-Angriffe (Po. 21.4512)
Dossier: Cyber Defence

Man würde «zur Transparenz in der Demokratie beitragen», wenn auf dem Abstimmungszettel ein Hinweis auf bestehende indirekte Gegenvorschläge angebracht würde, begründete Marcel Dobler (fdp, SG) seine im März 2022 eingereichte Motion. Die Stimmbürgerinnen und Stimmbürger müssten bei der Abstimmung über eine Volksinitiative wissen, ob das Parlament einen alternativen Gesetzesvorschlag geschaffen habe. Dies sei aber auf dem Stimmzettel, der ja lediglich die Abstimmungsfrage enthalte, nicht ersichtlich, weil über einen indirekten Gegenvorschlag – im Gegensatz zum direkten Gegenentwurf – nicht gleichzeitig mit der Initiative abgestimmt werde.
Der Bundesrat begründete seine Empfehlung auf Ablehnung der Motion damit, dass die Informationen zu einem indirekten Gegenvorschlag in den Abstimmungsunterlagen festgehalten werden. Der Stimmzettel bzw. die darauf formulierte Abstimmungsfrage dürfe hingegen auch keinen Informationsauftrag erfüllen. Es bestehe sonst sogar die Gefahr, dass die freie Willensbildung der Stimmberechtigten eingeschränkt würde.
In der Ratsdebatte in der Sommersession 2022 verwies Dobler auf die Pflegeinitiative. Er vermutete, dass zahlreiche Stimmberechtigte nicht gewusst hätten, dass im Fall einer Ablehnung der Initiative der indirekte Gegenvorschlag des Parlaments in Kraft getreten wäre. Ein Vermerk auf diesen Gegenvorschlag auf dem Stimmzettel hätte also wohl eine Verbesserung der Abstimmungsinformation dargestellt. Der Umstand, dass nicht weniger als 83 Parlamentsmitglieder seine Motion mitunterzeichnet hätten, sei zudem Beleg, dass sein Vorstoss weder links noch rechts anzusiedeln sei, sondern lediglich die Information verbessern wolle. Bundeskanzler Walter Thurnherr betonte die zunehmende Bedeutung des indirekten Gegenvorschlags. Rund der Hälfte aller Initiativen habe das Parlament in den letzten Jahren ein alternatives Gesetz entgegengestellt, aber nicht immer würden die Initiantinnen und Initianten ihr Volksbegehren in der Folge zurückziehen. In diesem Fall sei für die Meinungsbildung in der Tat wichtig, dass über einen indirekten Gegenvorschlag informiert werde. Dies sei aber nicht nur bei den behördlichen Informationen, sondern in der Regel in den meisten übrigen Informationsquellen tatsächlich auch der Fall. Der Bundeskanzler betonte zudem explizit das Argument des Bundesrats, dass eine Information auf dem Stimmzettel als Stellungnahme gewertet werden könnte, was die Willensbildung in unzulässiger Weise beeinträchtigen würde. Nur gerade Greta Gysin (gp, TI) liess sich von diesem exekutiven Argument überzeugen. Die restlichen Parlamentsmitglieder aus allen Lagern stimmten für die Motion (182) oder enthielten sich der Stimme (5).

Hinweis auf bestehende indirekte Gegenvorschläge auf dem Abstimmungszettel (Mo. 22.3132)
Dossier: Les bulletins de vote comme porteur d'information ?

Mitte 2020 reichte Edith Graf-Litscher (sp, TG) eine Motion mit dem Titel «Salutogenetische Aspekte bei der Prävention, Behandlung und Nachsorge von Epidemien und Pandemien fördern und die Komplementärmedizin einbeziehen» ein. Die Motionärin argumentierte, dass es der Berufung mindestens einer Fachperson der Komplementärmedizin in die Clinical Care Task Force und die Eidgenössische Kommission für Pandemievorbereitung und -bewältigung (Ziffer 1) sowie der Integration komplementärmedizinischer Aspekte in den bestehenden Pandemieplan (Ziffer 2) bedürfe. Zudem verlangte die Motionärin einen spezifischen Forschungsauftrag für gesundheitsfördernde Ansätze in der Komplementärmedizin und das Zurverfügungstellen entsprechender finanzieller Mittel (Ziffer 3). Die vierte Ziffer des Vorstosses bestand in der Forderung, Konzepte der integrativen Medizin in die Umsetzung des NFP «Covid-19» einfliessen zu lassen.
Die Motion kam in der Sommersession 2022 in den Nationalrat. Dort erklärte Gesundheitsminister Alain Berset, dass der Bundesrat die Ablehnung des Vorstosses empfehle. Er begründete diese Haltung etwa damit, dass der Pandemieplan flexibel sei, was es der Vertreterschaft der Komplementärmedizin ermögliche, Ergänzungen vorzuschlagen. Weiter obliege die Auswahl der Projekte des NFP nicht der Landesregierung. Thomas Aeschi (svp, ZG) verlangte eine separate Abstimmung über die verschiedenen Ziffern des Geschäfts. Während die ersten beiden Ziffern mit 111 zu 79 Stimmen respektive mit 102 zu 77 Stimmen (bei 8 Enthaltungen) angenommen wurden, lehnte die grosse Kammer die Ziffern 3 und 4 mit 122 zu 65 Stimmen (bei 3 Enthaltungen) respektive mit 122 zu 59 Stimmen (bei 9 Enthaltungen) ab. Grund für die unterschiedlichen Abstimmungsresultate war, dass sich die SVP bei den ersten beiden Punkten auf die Seite der linken Fraktionen schlug, welche alle Ziffern befürworteten, bei Punkt 3 und 4 jedoch zusammen mit den Fraktionen der GLP, FDP, und derjenigen der Mitte gegen den Vorstoss stimmte.

Salutogenetische Aspekte bei der Prävention, Behandlung und Nachsorge von Epidemien und Pandemien fördern und die Komplementärmedizin einbeziehen (Mo. 20.3664)

L'avènement des réseaux sociaux s'accompagne d'une recrudescence de divers incidents: harcèlement sexuel, discours haineux, informations fallacieuses, discours terroriste et extrémiste, ainsi que pornographie. La majorité des faits est repérée rapidement par les plateformes, qui peuvent supprimer les contenus problématiques. Cependant, ces publications n'entraînent, dans la plupart des cas, pas de conséquences juridiques pour les personnes qui s'en font les auteures. Partant de ce constat, la députée verte Greta Gysin (verts, TI) a déposé un postulat pour que les principaux réseaux sociaux (Facebook, Instagram, Twitter, Youtube) soient contraints de communiquer des chiffres sur le nombre d'incidents contrevenant aux conditions d'utilisation et potentiellement punissables. La tessinoise s'inquiète notamment que les femmes et les jeunes soient particulièrement touché.e.s par la violence digitale. En outre, elle évoque la statistique policière de la criminalité 2021, qui fait mention de plus de 30'000 infractions avec une composante digitale pour l'année 2021 (+24% par rapport à l'année précédente) pour démontrer l'ampleur du phénomène.
Dans sa réponse, la conseillère fédérale Simonetta Sommaruga mentionne le rapport de l'OFCOM sur les opportunités et dangers des plateformes de réseaux sociaux de novembre 2021, dont le Conseil fédéral a pris connaissance. Suite à cela, le DETEC a été chargé de se prononcer sur les options de réglementation d'ici fin 2022. La réponse du DETEC prendra également en compte les demandes du postulat Gysin. De plus, un rapport est en train d'être rédigé pour identifier des éventuels vides juridiques en rapport avec les propos haineux, suite à un postulat de la Commission de la politique de sécurité du Conseil des Etats (CPS-CE), accepté en juin 2021. Avec ce rapport, les plateformes seront poussées à documenter les incidents allant à l'encontre de leurs conditions d'utilisation. Le thème de la réglementation des réseaux sociaux figure donc à l'agenda politique dans le cadre de plusieurs objets. C'est également le cas à l'international, puisque l'Union européenne (UE) élabore en ce moment le Digital Services Act (Train de mesures sur les services numériques), dont l'objectif est de garantir les droits fondamentaux des utilisateurs et utilisatrices dans un espace numérique sûr, tout en assurant une concurrence équitable entre les fournisseurs. La Suisse observe ces évolutions avec attention et va également envisager des réglementations dans cette direction, assure la conseillère fédérale Sommaruga.
Suivant la proposition du Conseil fédéral, le postulat est accepté par 106 voix contre 77 et 2 abstentions. La fraction UDC ainsi que la grande majorité des PLR se sont opposées à l'objet.

Transparence sur les cas de discours haineux dans les médias sociaux (Po. 21.4531)
Dossier: réglementation des réseaux sociaux et plateformes de communication

Das EDA teilte Mitte März 2022 mit, dass aufgrund des Kriegs in der Ukraine rund 12 Mio. Menschen auf humanitäre Nothilfe angewiesen seien. 3 Mio. Menschen seien in Nachbarländer geflüchtet, mehr als die Hälfte davon nach Polen. Der Corriere del Ticino berichtete zudem von rund 340'000 Flüchtenden, die bis zu diesem Zeitpunkt nach Moldawien gelangt seien. Um die Schweizer Hilfe zur Bewältigung der Flüchtlingsströme in der Ukraine und den Nachbarländern zu besprechen, reiste Bundespräsident Cassis am 21. und 22. März nach Polen und Moldawien. Einige Tage zuvor hatte der Bundesrat bereits die Entsendung eines Expertenteams des SKH nach Polen und Moldawien beschlossen.
Begleitet wurde Cassis dabei von einer grösseren Delegation, der APK-NR-Präsident Franz Grüter (svp, LU), SiK-NR-Mitglied Edith Graf-Litscher (sp, TG), Botschafter Manuel Bessler – der auch als Delegierter für humanitäre Hilfe und Chef des SKH amtete – und der Schweizer Botschafter für die Ukraine und Moldawien, Claude Wild, angehörten. Mit dem polnischen Ministerpräsidenten Mateusz Morawiecki tauschte sich Bundesrat Cassis in Warschau über die humanitäre Notlage in der Ukraine, die Fluchtbewegungen, die Lage in Polen und die humanitäre Hilfe der Schweiz aus. Am Rande der Unterhaltung wurden auch die bilateralen Beziehungen zwischen der Schweiz und Polen angesprochen. Cassis betonte, dass sich die Schweiz als Teil einer gemeinsamen Wertegemeinschaft mit der EU verstehe. Im Anschluss besuchte die Schweizer Delegation Einrichtungen für Flüchtende an der polnisch-ukrainischen Grenze. Tags darauf traf sich der Bundespräsident in Chișinău mit der moldawischen Präsidentin Maia Sandu. Im Zentrum der Gespräche stand die Frage, wie das Land die aktuelle Krise bewältigt und in welcher Art und Weise die Schweiz für Unterstützung sorgen könnte. Cassis versprach, nebst den bereits für die Region gesprochenen CHF 80 Mio. weitere CHF 2 Mio. an finanzieller Soforthilfe für Moldawien zur Verfügung zu stellen.

Auslandreise von Bundespräsident Cassis nach Polen und Moldova
Dossier: Réaction de la Suisse aux agressions russes en Ukraine (dès 2014)

Anfang 2022 hatte die WAK-NR das Grenzgängerabkommen und das Protokoll zur Änderung des Doppelbesteuerungsabkommens zwischen der Schweiz und Italien fast einstimmig zur Annahme beantragt, gleichzeitig aber auch beim SIF eine Roadmap zur Streichung der Schweiz von der Schwarzen Liste Italiens von 1999 und zur Gewährung des Zugangs der Schweizer Banken zum italienischen Markt in Auftrag gegeben.
Im Nationalrat entspann sich in der darauffolgenden Frühjahrssession eine lange Debatte unter den Tessiner Ratsmitgliedern verschiedener Parteien, die sich an der nicht vollständigen Umsetzung der Roadmap von 2015 und einem Sistierungsantrag der SVP entzündet hatte. Kommissionssprecher Beat Walti (fdp, ZH) erklärte, dass sich die Kommission einig gewesen sei, dass die neue Grenzgängerregelung eine Verbesserung bedeute. Es sei jedoch zu mehreren Sistierungsanträgen gekommen, weil andere Themen, die in der Roadmap erwähnt wurden, nach wie vor ungeklärt seien. Dieses Anliegen habe die Kommissionsmehrheit aber abgelehnt, weil man nicht mit dem Verzicht auf einen eigenen Vorteil Druck ausüben könne. Dennoch lag auch im Nationalrat ein Sistierungsantrag Marchesi (svp, TI) mit identischer Forderung vor, den Kommissionssprecher Walti konsequenterweise zur Ablehnung empfahl. Greta Gysin (gp, TI) sprach sich im Namen der grünen Fraktion für die Annahme des Abkommens aus und wunderte sich über den Widerstand der Tessiner SVP-Vertreter, die 2015 auf die Unterzeichnung des damaligen Abkommensentwurfs gedrängt hatten, obwohl dieser für die Schweiz weniger vorteilhaft gewesen wäre. Auch SP-Nationalrat Storni (sp, TI) begrüsste im Namen seiner Partei das Abkommen, welches zwar nicht die durch die Grenzgängerinnen und Grenzgänger ausgelösten Probleme des Tessiner Arbeitsmarkts lösen werde, aber zumindest den Vorteil der niedrigeren Steuerbelastung in Italien abschwäche. Die SP lehne den Sistierungsantrag ab, fordere den Bundesrat aber zugleich auf, den Druck zu erhöhen, um den Marktzugang zu verbessern und die Streichung von der Schwarzen Liste zu erreichen. Marco Romano (mitte, TI) kritisierte den Bundesrat scharf für den Ausgang der Verhandlungen, bei denen Italien alles bekommen habe, was es wollte, insbesondere die zehnjährige Übergangsfrist bis zur Anwendung des neuen Abkommens. Sollte Italien das Abkommen nicht bis Ende Jahr abschliessen, verlangte Romano, dass das bestehende Abkommen gekündigt wird und das neue Abkommen ohne Übergangsfrist in Kraft tritt. Der anwesende Bundesrat Maurer verteidigte die Übergangsfrist als Kompromiss, da Italien deutlich mehr gefordert habe. Er teilte dem Nationalrat mit, dass der Bundesrat den Abschluss des parlamentarischen Prozesses in Italien im März 2022 erwarte. Es gäbe keine Opposition oder andere Anzeichen für eine Verzögerung der Behandlung. Auch zu den beiden offenen Punkten der Roadmap bezog er Stellung. Die schwarze Liste bezeichnete Maurer als «Stück Papier» ohne Wirkung, wobei Italien positive Signale hinsichtlich einer Streichung aussende. Der Marktzugang für Schweizer Banken in Italien sei hingegen «der grosse Brocken», der noch übrig bleibe. Die Schweiz habe, mit Ausnahme von Deutschland, in keinem EU-Land einen solchen Marktzugang. Italien werde die Lösung dieses Problems aber wahrscheinlich nicht selbstständig, sondern im Rahmen der EU vornehmen. Angesichts der gegenwärtigen bilateralen Beziehungen zur EU sehe er diesbezüglich «kein Licht am Ende des Tunnels». Der Bundesrat lehne aus diesen Gründen die Sistierung des Abkommens ab, auch weil man den Kontakt mit Italien verlieren würde. Maurer mutmasste, dass Italien gar froh über einen Abbruch wäre, weil man der Schweiz im Abkommen weit entgegengekommen sei.
Der Nationalrat lehnte den Sistierungsantrag mit 136 zu 55 Stimmen klar ab. Nur die SVP-Fraktion sowie die beiden Tessiner Mitte-Nationalräte Regazzi (mitte, TI) und Romano stimmten dafür. Den Entwurf nahm die grosse Kammer in der Folge mit 186 zu 4 Stimmen (bei 2 Enthaltungen) an.
In den Schlussabstimmungen nahm der Nationalrat das Geschäft mit 183 zu 5 Stimmen (bei 3 Enthaltungen) an, der Ständerat tat dies einstimmig.

Abkommen mit Italien über die Besteuerung der Grenzgängerinnen und Grenzgänger
Dossier: Conventions contre les doubles impositions

Für Spitzensportlerinnen und Spitzensportler mit physischen oder psychischen Schwierigkeiten am Ende ihrer Karriere wollte die Tessiner Nationalrätin Greta Gysin (gp, TI) gestützt auf das SpoFöG vom Bundesrat ein Unterstützungssystem ausarbeiten lassen. Dieses soll auch präventiv wirken, so dass es den Athletinnen und Athleten bereits während ihrer Karriere möglich ist, sich für das Leben nach ihrer sportlichen Laufbahn zu wappnen. Der Nationalrat befasste sich in der Frühjahrssession 2022 mit dem Geschäft. Anlässlich dieser Session stellte Gysin ihr Anliegen noch einmal vor. Sportministerin Viola Amherd führte anschliessend aus, dass der Bundesrat die Motion zur Ablehnung empfehle, da die Sportlerinnen und Sportler gegenwärtig schon verschiedene Möglichkeiten hätten, bei körperlichen oder psychischen Problemen Unterstützung zu erhalten. Unter anderem verwies die Bundesrätin auf die Arbeit von Swiss Olympic und den verschiedenen Sportverbänden. Der Nationalrat lehnte das Geschäft in der Folge mit 105 zu 83 Stimmen (bei 3 Enthaltungen) ab, wobei sich die bürgerlichen Fraktionen grossmehrheitlich gegen, diejenigen der SP, Grünen und GLP indes geschlossen dafür aussprachen.

Unterstützung für Spitzensportlerinnen und -sportler am Ende ihrer Karriere (Mo. 21.3216)

Weil der Ständerat in der Wintersession 2021 entgegen dem Antrag seiner SPK-SR letztlich doch auf das Geschäft eingetreten war, gelangte die auf eine parlamentarische Initiative von Edith Graf-Litscher (sp, TG) zurückgehende Revision des Bundesgesetzes über das Öffentlichkeitsprinzip in der Verwaltung in der Frühjahrssession 2022 in die ständerätliche Detailberatung. Der von der SPK-SR gemachte Vorschlag wurde mit 38 zu 2 Stimmen gutgeheissen: Für Einsichtsgesuche in amtliche Dokumente sollen künftig keine Gebühren mehr verlangt werden. Ausgenommen werden sollen allerdings Gesuche mit erheblichem Rechercheaufwand für die Verwaltung. Hier schuf der Ständerat eine Differenz zum Nationalrat. Im Gegensatz zur grossen Kammer hatte die SPK-SR nämlich vorgeschlagen, keine maximale Obergrenze für solche Ausnahmegebühren festzulegen. Der Nationalrat hatte sich zuvor auf einen solchen Maximalbetrag von CHF 2'000 geeinigt. Sie seien zwar selten, es gebe aber durchaus Gesuche, die erheblichen Aufwand verursachten, die auch entsprechend verrechnet werden können müssten, so Kommissionssprecher Mathias Zopfi (gp, GL). Er erwähnte ein Beispiel, bei dem verwaltungsintern ganze 80 Stunden geleistet werden mussten, was mit CHF 8'000 verrechnet worden sei. Im Gesetz werde ja zudem geregelt – hier schwenkte der Ständerat entgegen der Empfehlung des Bundesrates auf die Linie des Nationalrats ein –, dass Gesuchstellende vorgängig informiert werden müssen, ob und in welcher Höhe der Verwaltungsaufwand Gebühren verursachen werde. Nachdem Bundesrätin Karin Keller-Sutter bekräftigt hatte, dass der Bundesrat mit beiden Änderungen gut leben könne, schritt der Ständerat zur Abstimmung und schickte die veränderte Vorlage zurück an den Nationalrat.

Öffentlichkeitsprinzip (Pa.Iv. 16.432)
Dossier: Transparence de l'administration fédérale

Anfang März 2022 legte der Bundesrat seine Botschaft zum Bundesgesetz über den Einsatz elektronischer Mittel zur Erfüllung von Behördenaufgaben (EMBAG) vor. Das neue Gesetz soll Grundlage sein für eine moderne Digitalisierung in der Bundesverwaltung sowie für digitale Interaktionen zwischen Behörden verschiedener Stufen und Dritten. Angestrebt werden sollen elektronisch abrufbare Behördenleistungen und eine Verbesserung von Verwaltungsprozessen mit Hilfe von neuen Technologien nach dem Prinzip «digital first», also prioritär via digitale Kanäle. Ziel soll zudem eine möglichst stringente Koordination zwischen Bund und Kantonen sein. Das EMBAG soll zudem E-Government-Elemente regeln, so etwa die Nutzung von Open Source Software und Open Government Data. In die Vorlage flossen unter anderem zwei parlamentarische Vorstösse ein: Ein Postulat Glättli (gp, ZH; Po. 14.4275), das die Freigabe von Open Source Software angeregt hatte, sowie eine Motion Graf-Litscher (sp, TG; Mo. 19.3160), die eine Regelung für die Publikation und Nutzung nichtpersonenbezogener Daten und Dienste der Bundesverwaltung gefordert hatte.

Bundesgesetz über den Einsatz elektronischer Mittel zur Erfüllung von Behördenaufgaben (BRG 22.022)
Dossier: Loi fédérale sur l’utilisation des moyens électroniques pour l’exécution des tâches des autorités (LMETA)

Mit 112 zu 79 Stimmen bei einer Enthaltung nahm der Nationalrat in der Frühjahrssession 2022 eine Motion Gysin (gp, TI) an, die eine Anpassung der französischen und italienischen Terminologie von Artikel 113 StGB (Totschlag) forderte. Die Motionärin schlug vor, entweder auf den ihrer Meinung nach irreführenden Ausdruck «leidenschaftlich» («passionnel» bzw. «passionale») zu verzichten oder den betreffenden Artikel gänzlich aufzuheben. Die aktuelle Formulierung erwecke missverständlicherweise den Eindruck, die «Tötung aus Leidenschaft», wie der Totschlag aus dem Französischen und Italienischen übersetzt werden könnte, habe etwas mit Ehrenmord oder Beziehungsdelikten zu tun. Gysin gab zu bedenken, die medienwirksame Verwendung des Begriffs könne dazu führen, dass dem Opfer von der Gesellschaft eine Mitschuld zugeschoben und die Täterin oder der Täter von der Verantwortung für die Tat freigesprochen werde. Im Grunde genommen sei der Straftatbestand des Totschlags als Sonderfall der vorsätzlichen Tötung redundant und könnte auch gänzlich gestrichen werden, so die Tessinerin in ihrer Begründung weiter. Der Bundesrat argumentierte dagegen, durch eine Änderung im StGB könne die missbräuchliche Verwendung der Ausdrücke «meurtre passionnel» bzw. «omicidio passionale» in der Umgangssprache nicht verhindert werden. Überdies beschränke die geltende Mindeststrafe von einem Jahr Freiheitsstrafe für Totschlag den Ermessensspielraum des Gerichts, innerhalb dessen es die mildernden Umstände – heftige Gemütsbewegung oder grosse seelische Belastung –, die den Totschlag definieren, berücksichtigen kann. Würde der Artikel gestrichen, fiele die Mindeststrafe für Totschlag dahin. Bundesrätin Karin Keller-Sutter wies im Ratsplenum darauf hin, dass das Thema von der RK-NR im Zuge der Harmonisierung der Strafrahmen geprüft und ein entsprechender Antrag aufgrund der Auswirkungen, die die Änderung nach sich ziehen würde, abgelehnt worden sei. Ausser der geschlossen stimmenden SVP-Fraktion, der grossen Mehrheit der FDP-Fraktion und einer Enthaltung sprachen sich die Mitglieder der Volkskammer dennoch für den Vorstoss aus.

Totschlag. Anpassung des Schweizerischen Strafgesetzbuchs (Mo. 20.3500)

Im Dezember 2019 reichte Greta Gysin (gp, TI) eine Motion ein, mit der sie den Bundesrat beauftragen wollte, das geltende Recht so zu ändern, dass die kantonalen Behörden Mindestlöhne höher als die bedarfsdeckenden Sozialleistungen festlegen können. Seit dem Bundesgerichtsentscheid vom April 2010 seien die Kantone in der Höhe der Mindestlöhne entsprechend eingeschränkt. Damit könne aber der Druck auf die Löhne und der vermehrte Einsatz von Grenzgängerinnen und Grenzgängern, die für tiefere Löhne arbeiten, nicht bekämpft werden. Um diesem Lohndruck entgegenzuwirken, seien höhere Mindestlöhne notwendig. In seiner Stellungnahme vom Februar 2020 beantragte der Bundesrat die Ablehnung der Motion. Wie schon bei der Motion van Singer (gp, VD; Mo. 13.3614) und beim Postulat Quadri (lega, TI; Po. 15.3909) war der Bundesrat der Meinung, dass vom Staat festgelegte Mindestlöhne «einen bedeutsamen Eingriff in [die] Vertragsfreiheit und in die Wirtschaftsfreiheit» darstellten. Das Instrument der flankierenden Massnahmen sei zudem angemessen, um das Problem des Lohndumpings zu bekämpfen. Diese sähen auch die Möglichkeit vor, Normalarbeitsverträge mit zwingenden Mindestlöhnen für Branchen ohne Gesamtarbeitsverträge und wiederholten missbräuchlichen Unterbietungen der orts-, berufs- oder branchenüblichen Löhne zu erlassen. Im Dezember 2021 wurde die Motion abgeschrieben, da sie nicht innerhalb der zweijährigen Frist behandelt worden war.

Motion "Bekämpfung von Lohndumping"

Mittels parlamentarischer Initiative forderte SVP-Nationalrat Lukas Reimann (SG), dass bei Einbürgerungen künftig keine Doppelbürgerschaften mehr möglich sind. Wer sich in der Schweiz einbürgern lassen wolle, müsse «den Entscheid treffen, in welchem Land er seinen Lebensmittelpunkt haben will, und bereit sein, die ausländische Staatsbürgerschaft aufzugeben», begründete der Initiant sein Anliegen. Die Doppelbürgerschaft bringe laut Reimann Probleme mit sich, so etwa die Ungleichbehandlung von Personen mit einfacher und mehrfacher Staatsbürgerschaft, Loyalitätskonflikte und Schwierigkeiten beim Schutz von Doppelbürgern im Ausland. Durch den expliziten Entscheid für die Schweizer Staatsbürgerschaft würde hingegen die Bereitschaft zur Integration zum Ausdruck gebracht und dadurch die erfolgreiche Integration gefördert. Im Namen der RK-NR widersprach Greta Gysin (gp, TI) diesen Argumenten in der Wintersession 2021: Die Probleme, welche durch die parlamentarische Initiative gelöst werden sollten, seien kein Resultat der Doppelbürgerschaft, sondern gingen vielmehr auf den Grad der Integration betroffener Personen zurück. Zudem sei nicht klar, ob das Verbot von Doppelbürgerschaften grossflächig zur Anwendung kommen oder nur für Personen im Einbürgerungsprozess gelten solle. Kurt Fluri (fdp, SO) ergänzte für die Kommission, dass Doppelbürgerinnen und Doppelbürgern weder pauschalisierend unterstellt werden solle, gegenüber der Schweiz nicht loyal zu sein, noch der Eindruck erweckt werden dürfe, dass eingebürgerte Schweizerinnen und Schweizer einer anderen Klasse angehörten. Aus diesen Gründen beantragte die Kommissionsmehrheit, der Initiative keine Folge zu geben. Ein SVP-Minderheitsantrag auf Folgegeben fand ausschliesslich in der SVP-Fraktion Unterstützung. Mit 136 zu 49 Stimmen sprach sich der Nationalrat gegen Folgegeben aus.

Optionsmodell statt automatisches Doppelbürgerrecht (Pa.Iv. 20.501)

Im September 2020 reichte die Fraktion der Grünen eine parlamentarische Initiative ein, mit welcher ein durch ein Losverfahren bestimmter Klimarat geschaffen werden soll. Dieser Klimarat würde aus 200 rein zufällig ausgelosten Personen bestehen, womit die Geschlechter, Altersgruppen, Sprachregionen und weitere Kriterien adäquat abgebildet werden sollten. Um in der aktuellen globalen Klimakrise für mehr Klimaschutz und -gerechtigkeit zu sorgen, soll der Rat politische Rechte ausüben können. So soll er beispielsweise Motionen zu Handen des Parlaments einreichen und mit einer Zweidrittelmehrheit Volksinitiativen vorschlagen können, welche analog einer zustande gekommenen Volksinitiative zur Abstimmung gelangen würden.
Die SPK-NR prüfte die Initiative im Oktober 2021 und gab ihr keine Folge. Es bestünden keine guten Gründe, ein solches Gremium zu schaffen, argumentierte die Kommissionsmehrheit. Zum einen würde dieser Rat das Parlament schwächen. Zum anderen wäre er demokratisch nur ungenügend legitimiert. Insbesondere deshalb wäre es sehr problematisch, wenn «dieser befugt sein soll, Volk und Ständen Verfassungsänderungen zu unterbreiten, wie dies auch 100'000 Bürgerinnen und Bürger tun können». Ausserdem bestünden für die Bevölkerung bereits genügend direktdemokratische Instrumente, um im politischen Prozess mitzuwirken.
Die grosse Kammer behandelte das Geschäft in der Wintersession 2021. Nachdem die beiden Mitglieder der Grünen Partei, Balthasar Glättli (gp, ZH) und Greta Gysin (gp, TI), sowie die beiden Kommissionssprechenden, Damien Cottier (fdp, NE) und Marianne Binder-Keller (mitte, AG), ihre schon aus dem Kommissionsbericht bekannten Argumente noch einmal vorgelegt hatten, schritt die grosse Kammer zur Abstimmung. Der Nationalrat folgte seiner Kommission und gab der Initiative mit 136 zu 33 Stimmen bei 19 Enthaltungen keine Folge. Das Anliegen vermochte nebst den Grünen nur vereinzelte Mitglieder der SP-Fraktion zu überzeugen.

Als Antwort auf die Klimakrise die Demokratie erweitern: Einen durchs Los bestimmten Klimarat schaffen (Pa. Iv. 20.467)

Weil der Nationalrat auf Eintreten auf die Umsetzung der parlamentarischen Initiative von Edith Graf-Litscher (sp, TG) zur Änderung des Öffentlichkeitsgesetzes beharrt hatte, musste der Ständerat ein zweites Mal darüber debattieren, ob er das Geschäft detailliert behandeln will oder nicht. Das «Wohl des Landes» stehe und falle nicht mit dieser Vorlage, beschrieb Andrea Caroni (fdp, AR) die Initiative, bei der es eigentlich lediglich darum ging, ob die Einsicht amtlicher Dokumente gänzlich gebührenfrei werden soll oder ob an der aktuellen Regel festgehalten werden soll, die Gebühren als Regelfall vorsieht. Da die Gebühren in der Praxis in 97 Prozent aller Fälle erlassen würden, könnte man dies eigentlich auch ins Gesetz übernehmen, argumentierte eine starke Minderheit der SPK-SR, die Eintreten und damit Zustimmung zum Beschluss des Nationalrats empfahl. Es gehe darum, das Verursacherprinzip hochzuhalten, begründete hingegen Heidi Z'graggen (mitte, UR) als Kommissionssprecherin die Empfehlung der Kommissionsmehrheit für Festhalten am ursprünglichen Entscheid und somit für Nichteintreten. Wenn bei einer Einsicht hohe Kosten entstünden, dann sollen diese nicht die Allgemeinheit, sondern die Gesuchsstellenden bezahlen müssen. Es müsste gar ein Anstieg von Gesuchen befürchtet werden, wenn diese gänzlich kostenfrei würden. Man könne in der Detailberatung ja immer noch Details regeln – etwa eine Obergrenze von CHF 2'000 bei aufwändigen Gesuchen (Lisa Mazzone, gp, GE) oder die Information, dass Gebühren anfallen könnten (Andrea Caroni, fdp, AR) – entgegneten die Sprechenden für die Minderheit. Justizministerin Karin Keller-Sutter, die noch einmal die positive Haltung des Bundesrates zu einem gebührenfreien Öffentlichkeitsprinzip deutlich machte, verwies schliesslich auch auf die Vernehmlassung, die gezeigt habe, dass eine Mehrheit der Kantone die Vorlage befürwortete. Die kleine Kammer liess sich in der Folge umstimmen. Mit 25 zu 18 Stimmen folgte sie dem Minderheitsantrag und beschloss Eintreten. Damit geht die Vorlage zur Detailberatung an die Kommissionen zurück.

Öffentlichkeitsprinzip (Pa.Iv. 16.432)
Dossier: Transparence de l'administration fédérale

Das Abkommen über die grenzüberschreitende Zusammenarbeit, das Eurodac-Protokoll, das Abkommen mit den USA über die Verhinderung und Bekämpfung schwerer Straftaten und der Verpflichtungskredit für die Umsetzung des Programms Prüm Plus gelangten in der Herbstsession 2021 mit der einstimmigen Unterstützung der SIK-NR in den Nationalrat. Kommissionssprecherin Graf-Litscher (sp, TG) sah in der vereinfachten polizeilichen Zusammenarbeit im Rahmen des Prümer Abkommens grosse Vorteile, weil dadurch bei Abfragen von DNA-Profilen und Fingerabdruckdaten ein automatisierter Abgleich mit anderen nationalen europäischen Datenbanken gleichzeitig möglich werde. Sie warnte zudem vor negativen Auswirkungen einer Nichtteilnahme der Schweiz und wies darauf hin, dass Kriminalität ein grenzübergreifendes Problem sei, welches eine internationale Zusammenarbeit notwendig mache. Ihr Kommissionskollege Pointet (glp, VD) erklärte, dass das Abkommen mit den USA die gleiche Thematik behandle und daher mit den gleichen Vorteilen einhergehe. Da alle Fraktionen die Verbesserung der internationalen Polizeizusammenarbeit begrüssten, stand den Vorlagen wie schon im Ständerat nichts im Weg. Alle drei Bundesbeschlüsse wurden von der grossen Kammer einstimmig angenommen.
In den Schlussabstimmungen wenige Tage später bestätigten die Räte die deutlichen Ergebnisse aus den Ratsdebatten. Das Abkommen mit den Vereinigten Staaten wurde vom Nationalrat mit 194 zu 1 Stimme (bei 1 Enthaltung) und vom Ständerat einstimmig angenommen. Das Abkommen zur Prümer Zusammenarbeit nahm der Nationalrat mit 191 zu 1 Stimme (bei 3 Enthaltungen) an, im Ständerat war das Ergebnis wiederum einstimmig. Zum Verpflichtungskredit war keine Schlussabstimmung nötig.

Genehmigung des Abkommens über die grenzüberschreitende Zusammenarbeit, des Euroda-Protokolls, des Abkommens über die Verhinderung und Bekämpfung schwerer Straftaten sowie zu deren Umsetzung und über einen Verpflichtungskredit für die Umsetzung des Programms Prüm Plus

20 ans après l'attentat du parlement zougois du 27 septembre 2001, plusieurs articles de presse sont revenus sur cet événement. Un forcené, connu de la justice pour avoir commis différents délits, avait abattu onze députés et trois conseillers d'État après avoir fait irruption dans la salle du Grand Conseil du canton de Zoug, où se tenaient les débats parlementaires habituels. Les commémorations de ce drame ont trouvé un écho particulier dans le contexte actuel, marqué par des tensions grandissantes en lien avec la pandémie.
À la suite de l'attentat, des mesures de sécurité autour des bâtiments publics du pays ont été mises en place, a relevé le journal Le Temps, alors qu'auparavant, on y entrait «comme dans des moulins». Cependant, la Suisse est restée une exception quant à la proximité de la sphère politique avec la population. À de nombreuses reprises, la presse a pu se délecter de situations pittoresques, à l'image de la conseillère fédérale Doris Leuthard qui effectuait un trajet en train assise dans l'escalier, n'ayant pas pu trouver de place dans un compartiment. Cette proximité a néanmoins été mise à mal par les tensions apparues dans le cadre de la pandémie. Le conseiller fédéral en charge du département de l'intérieur, Alain Berset, en première ligne face à la crise, est désormais accompagné en permanence d'agents de la police fédérale, alors que des socles permettant de mettre en place des barricades en métal ont été installés devant le palais fédéral. Ces mesures ont notamment été prises en raison des manifestations non-autorisées qui ont eu lieu à plusieurs reprises à Berne. La police bernoise a dû être engagée pour modérer une foule parfois agressive, qui s'opposait aux mesures sanitaires édictées par la Confédération. Relatant ces incidents, la NZZ a relevé le rôle que jouent les réseaux sociaux dans ce phénomène de radicalisation d'une frange des opposantes et opposants aux mesures sanitaires.
Dans le sillage de ces événements, les fronts ont semblé bouger sur le sujet de la réglementation des réseaux sociaux. Jusqu'alors, le Conseil fédéral ne voulait pas d'une loi spécifique sur les propos haineux tenus sur ces canaux de communication. Cependant, la situation pourrait évoluer prochainement. La verte Greta Gysin (TI) a déposé en décembre 2021 un postulat demandant au gouvernement d'étudier la possibilité de demander des chiffres aux plateformes telles que Facebook, Instagram, Twitter et Youtube au sujet des incidents impliquant des discours haineux, du harcèlement sexuel ainsi que des Fake News. En outre, le socialiste Jon Pult (GR) a déposé une initiative parlementaire pour que les plateformes soient tenues responsables des contenus illégaux diffusés par leur intermédiaire. Son intervention prévoit également que la diffusion de Fake News soit combattue avec de nouveaux outils. Dans le même temps, l'Aargauer Zeitung relatait que l'OFCOM prend part au financement de projets de recherche sur la désinformation et les discours de haine.
D'autres éléments ont mis en avant le rôle des réseaux sociaux dans la dégradation du climat politique. Fedpol a en effet indiqué que la majorité des menaces adressées aux politiciennes et politiciens le sont par l'intermédiaire d'Internet. Alors qu'une augmentation du nombre de messages «litigieux» avait déjà été constatée en 2020, les chiffres de la police fédérale pour la première partie de l'année semblent indiquer que 2021 ne dérogera pas à la tendance.
Dans ce contexte, Guy Parmelin a endossé son rôle de président pour rappeler que «si les arguments parfois vifs font partie du jeu politique, il y a des limites, il y a le respect de l'adversaire». Il a appelé à éviter toute agressivité afin de lutter contre la montée des tensions et de l'incompréhension. Selon lui, l'ennemi à combattre est bel et bien le virus, et non pas les concitoyennes et concitoyens qui pensent différemment. Il s'exposait ainsi à des critiques de la part de la presse: Le Temps ne se privait pas de rappeler que «la défiance à l'égard de la politique sanitaire fédérale est principalement alimentée au sein de son parti», l'UDC, qui déclarait dix jours après la déclaration de son conseiller fédéral la guerre à la «dictature sanitaire» à l'occasion de l'assemblée générale du parti. Et dans le même temps, le président du parti Marco Chiesa répétait ses propos du 1er août, où il prenait la défense des milieux ruraux, exploités selon lui par les «parasites des villes».

Menaces à l'encontre des politiciens
Dossier: réglementation des réseaux sociaux et plateformes de communication