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Acteurs

  • Heim, Bea (sp/ps, SO) NR/CN
  • Müller, Damian (fdp/plr, LU) SR/CE

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Auf Antrag des Bundesrates oder eines Viertels der Mitglieder des Nationalrats – sowie seit 2000 auch auf Antrag eines Viertels der Mitglieder des Ständerats – werden beide eidgenössischen Räte zu einer ausserordentlichen Session einberufen. Seit 2000 verlangten die Mitglieder des Nationalrats insgesamt beinahe 40 Mal eine ausserordentliche Session, jedoch nur einmal ein Viertel der Ständeratsmitglieder und zwar im Frühling 2020 zur Bewältigung der Covid-19-Krise. Das Einberufungsrecht von fünf Kantonen war bis zu seiner Abschaffung im Jahr 1999 nie benutzt worden. Seit einer Revision des Parlamentsgesetzes (Pa.Iv. 10.440) können ausserordentliche Sessionen, sofern sie zu Vorstössen und nicht zu Erlassentwürfen, Wahlen oder Erklärungen des Bundesrates oder der Räte verlangt werden, nur beantragt werden, wenn in beiden Parlamentskammern gleichlautende Motionen hängig sind. Damit sollte gewährleistet werden, dass sich – wie es die Verfassung verlangt – beide Räte zur ausserordentlichen Session versammeln. In der Vergangenheit war es vereinzelt vorgekommen, dass der Ständerat zur ausserordentlichen Session zusammenfand, jedoch in diesem Rahmen gar keine Beschlüsse zu fassen hatte. Durch diese neue Regelung liegt die Traktandierung der ausserordentlichen Sessionen zumindest teilweise bei der Ratsminderheit, die diese beantragt: Neben den von den Antragsstellenden ausgewiesenen, in beiden Räten hängigen Beratungsgegenständen können die Büros der beiden Räte die ausserordentliche Session um weitere Beratungsgegenstände erweitern.

Im Jahr 2023 fanden in den eidgenössischen Räten insgesamt sechs ausserordentliche Sessionen statt. Damit schliesst das Jahr 2023 zu den Spitzenreitern auf; im Wahljahr 2011 sowie im Vorjahr 2022 gab es ebenso viele ausserordentliche Sessionen. Neben der dreitägigen ausserordentlichen Session zur CS im April 2023 wurden fünf weitere ausserordentliche Sessionen einberufen, die jedoch – was dem Regelfall entspricht – an eine ordentliche Session angehängt werden konnten. Neben einer ausserordentlichen Session zur Gleichstellung am Tag des feministischen Streiks vom 14. Juni sowie einer ausserordentlichen Session zum Thema «Wohnen und Mieten» angehängt an die Herbstsession 2023 führten National- und Ständerat auf Verlangen der SVP im Jahr 2023 drei ausserordentliche Sessionen zum Thema Asyl durch. Dies stellt einen alleinigen Rekord dar; bisher war es erst im Jahr 2015 beim Höchstwert an Asylgesuchen seit 1999 zu mehr als einer ausserordentlichen Session zu diesem Thema im gleichen Jahr gekommen.

Die während den drei ausserordentlichen Sessionen zum Thema Asyl behandelten Vorstösse aus der Feder der SVP waren kaum von Erfolg gekrönt. In der ausserordentlichen Session «Migration» im Anschluss an die Sommersession 2023 waren insgesamt fünf gleichlautende Motionen der SVP-Fraktion oder von deren Mitgliedern in beiden Räten traktandiert. Von diesen fünf Vorstössen wurden drei von beiden Räten abgelehnt (Mo. 22.4397 und Mo. 23.3086; Mo. 23.3074 und Mo. 23.3085; Mo. 23.3200 und Mo. 23.3211). Zwar vermochten die zwei verbleibenden Forderungen der SVP zur Aussetzung des Resettlement-Programms 2024/25 (Mo. 23.3096) und zur Erhöhung der Rückführungen und Ausweisungen (Mo. 23.3082) jeweils eine bürgerliche Mehrheit im Ständerat zu überzeugen, nicht so jedoch im Nationalrat, der die Forderungen ablehnte (Mo. 23.3072; Mo. 23.3073). Darüber hinaus behandelte der Nationalrat im Rahmen dieser ausserordentlichen Session drei weitere Vorstösse von Mitgliedern anderer Parteien, die allesamt angenommen wurden, darunter eine Motion Romano (mitte, TI; Mo. 22.4186) für ein Rückübernahmeabkommen mit Österreich, ein Postulat Marti (sp, BL; Po. 23.3203) zur Evaluation der privaten Unterbringung von Flüchtlingen oder vorläufig Aufgenommenen sowie ein Postulat Bellaiche (glp, ZH; Po. 23.3042) zum Aufzeigen von Chancen und Herausforderungen einer 10-Millionen-Schweiz.

In der im Anschluss an die Herbstsession 2023 stattfindenden ausserordentlichen Session «Zuwanderung und Asyl» lagen dem Ständerat zwei Motionen von Marco Chiesa (svp, TI) vor, während im Nationalrat zwei gleichlautende Vorstösse der SVP-Fraktion respektive von Gregor Rutz (svp, ZH) traktandiert waren. Weder die Forderung mit dem Titel «Keine 10-Millionen-Schweiz!» (Mo. 23.3777 und Mo. 23.3832) – ebenso lautet der Titel einer von der SVP aktuell lancierten Volksinitiative – noch die Forderung nach der Durchführung von Asylverfahren ausserhalb der Schweiz (Mo. 23.3851 und Mo. 23.3950) fanden in den Räten breitere Zustimmung über die Fraktionsgrenzen hinaus. Erfolgreich waren im September 2023 die beiden anderen, in der ausserordentlichen Session des Nationalrats traktandierten Geschäfte: eine Motion der FDP-Fraktion zur Verringerung der irregulären Sekundärmigration (Mo. 23.3533) sowie ein Postulat Pfister (mitte, ZG; Po. 23.3859) zur Auslotung der Chancen, die eine Reform des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems für die Schweiz brächte. Vier weitere Vorstösse von Mitte-Links, insbesondere zur Erhöhung der humanitären Hilfe an die Ukraine – drei davon gleichlautend – waren vom Büro-NR ursprünglich ebenfalls für die ausserordentliche Session im Nationalrat traktandiert gewesen, wurden aufgrund eines erfolgreichen Ordnungsantrags Bregy (mitte, VS) jedoch zunächst an die zuständige Kommission zur Vorberatung zugewiesen (Mo. 23.3422; Mo. 23.3423; Mo. 23.3425; Mo. 23.3255).

Die in der Wintersession 2023 von Mitgliedern der SVP-Fraktion einberufene ausserordentliche Session war gegen eine im Sommer vom SEM beschlossene Praxisänderung gerichtet, gemäss welcher weiblichen afghanischen Asylsuchenden grundsätzlich die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen ist. Im Rahmen dieser ausserordentlichen Session behandelten beide Räte insgesamt je eine Motion, die diese Praxis rückgängig machen wollte: der Nationalrat die Motion Rutz (svp, ZH; Mo. 23.4241) und der Ständerat die gleichlautende Motion Bauer (fdp, NE; Mo. 23.4247), die nach den eidgenössischen Wahlen von Damian Müller (fdp, LU) übernommen worden war. Einen Beschluss fassten die Räte im Rahmen der ausserordentlichen Session indes nicht; zwecks vertiefter Abklärungen und der Erstellung einer grundlegenden Auslegeordnung stimmten die Räte aber je einem Ordnungsantrag auf Zuweisung an die Kommission zu.

Der nach den eidgenössischen Wahlen im Oktober 2023 neu zusammengesetzte Nationalrat beugte sich in der Wintersession über die beiden Motionen von SVP-Mitgliedern, die der Ständerat im Rahmen der ausserordentlichen Session im Juni befürwortet hatte. Während er die Motion zur Aussetzung des Resettlement-Programms 2024/2025 ablehnte, befürwortete er eine abgeänderte Version der Motion Salzmann (svp, BE) mit der Forderung nach einer Rückführungsoffensive (Mo. 23.3082), die nun zurück an den Ständerat geht. Der Nationalrat fasste diesen Beschluss auf Anraten einer breiten Kommissionsmehrheit, nachdem diese unter anderem die Kantone angehört hatte. Bereits definitiv überwiesen werden konnte die Motion Romano (Mo. 22.4186), die ein Rückübernahmeabkommen mit Österreich anstrebt: In der ersten Session der 52. Legislatur bekräftigte der Ständerat die im Rahmen der ausserordentlichen Session im Juni durch den Nationalrat ausgedrückte positive Haltung zum Anliegen. Damit gehört letzterer Vorstoss zu einer der wenigen der äusserst zahlreichen Motionen im Bereich Asyl, die 2023 Zustimmung in beiden Räten fanden – die meisten dieser Motionen scheiterten bereits im Erstrat.

Die SVP verlangt 2023 drei ausserordentliche Sessionen zu Asyl

Die Motion  «Intervention in Brüssel, damit Italien endlich das Dublin-Abkommen einhält» von Damian Müller (fdp, LU) wurde in der Wintersession 2023 vom Nationalrat behandelt. SPK-NR-Sprecher Gerhard Pfister (mitte, ZG) erläuterte, dass die Motion im Interesse der Schweiz sei, da sie darauf abziele, dass Italien seine Verpflichtungen zur Rücknahme von Asylsuchenden einhält. Dafür brauche es gemäss Kommissionsmehrheit eine stärkere Einflussnahme der Schweiz auf europäischer Ebene. Céline Widmer (sp, ZH) vertrat die Minderheit der Kommission, welche auf Ablehnung der Motion plädierte. Sie erachtete die Motion als erfüllt, da die verlangten Zahlen zum Rücknahmestop bereits geliefert worden seien und die Schweizer Regierung auf bilateraler sowie multilateraler Ebene bereits alles Mögliche unternehme, um «gegen diesen unschönen Zustand» vorzugehen. Auch Justizministerin Baume-Schneider empfahl die Motion zur Ablehnung, da sie bereits umgesetzt werde.
In der anschliessenden Abstimmungen wurde die Motion mit 124 zu 60 Stimmen bei 6 Enthaltungen angenommen. Die ablehnenden Stimmen stammten von den geschlossen stimmenden Fraktionen der SP und der Grünen.

Intervention in Brüssel, damit Italien endlich das Dublin-Abkommen einhält (Mo. 23.3031)

In der Wintersession 2023 befasste sich der Ständerat mit der parlamentarischen Initiative Nussbaumer (sp, BL) zur Ergänzung des Parlamentsgesetzes mit parlamentarischen Mitwirkungsmöglichkeiten in Europafragen. Damian Müller (fdp, LU) stellte das Geschäft vor und erläuterte, dass die Mehrheit der vorberatenden APK-SR dem zustimmenden Beschluss des Nationalrates folgen wolle. Eine Minderheit Gmür-Schönenberger (mitte, LU) forderte hingegen Nichteintreten. Die Mitte-Politikerin vertrat die Ansicht, dass der im Vorstoss verlangte Planungsbericht ein Ding der Unmöglichkeit sei, da sich die Verhandlungen zu den verschiedenen EU-Programmen jeweils in unterschiedlichen Stadien befänden. Der geforderte Bericht wäre daher lediglich «eine absolut unvollständige Momentaufnahme». Aussenminister Cassis hingegen betonte, dass der Bundesrat das Interesse des Parlaments anerkenne, über die notwendigen Informationen zu den gesamten Beziehungen Schweiz-EU zu verfügen und sprach sich daher für Eintreten und für die entsprechende Anpassung des Bundesgesetzes über die Bundesversammlung aus. In der Folge sprach sich der Ständerat mit 25 zu 18 Stimmen und 1 Enthaltung für Eintreten aus. In der Gesamtabstimmung nahm er den Entwurf mit demselben Stimmenverhältnis an.
In den Schlussabstimmungen sprach sich der Nationalrat schliesslich mit 131 zu 67 Gegenstimmen der SVP für den Entwurf aus. Der Ständerat nahm das Geschäft mit 31 zu 14 Stimmen an.

Planungsbericht über die Zusammenarbeit mit der EU in den Bereichen ausserhalb des Marktzugangs (Pa. Iv. 20.496)

Die Stärkung der Kreislaufwirtschaft in Umsetzung der entsprechenden parlamentarischen Initiative der UREK-NR stand in der Wintersession 2023 auf der Agenda des Ständerats. Kommissionssprecher Damian Müller (fdp, LU) stellte die entsprechende Überarbeitung des USG vor und berichtete, dass die vorberatende UREK-SR in weiten Teilen dem Nationalrat gefolgt war. Eintreten auf die Vorlage war unbestritten. Dem Rat lagen bei der Detailberatung jedoch einige wenige vom Nationalrat abweichende Mehrheitsanträge sowie einige wenige Minderheitsanträge vor, wobei letztere allesamt erfolglos blieben.Eine erste kleine Differenz zum Nationalrat wurde geschaffen, indem die Mehrheit des Ständerats beschloss, die Möglichkeit des Bundes, Plattformen zur Ressourcenschonung und zur Stärkung der Kreislaufwirtschaft zu betreiben oder zu unterstützen, zu streichen. Damian Müller wies darauf hin, dass bereits an anderer Stelle im Gesetz eine solche Möglichkeit aufgeführt werde. Eine weitere Differenz schuf der Ständerat durch die Einführung eines Messsystems für die Kreislauffähigkeit von Produkten. Hier setzte sich die Mehrheit knapp mit 20 zu 18 Stimmen durch. Mit 21 zu 20 Stimmen fiel eine Entscheidung zur Sammlung von Abfällen noch knapper aus: Hier beschloss der Ständerat im Gegensatz zum Nationalrat, auf eine Entpackungspflicht bei biogenen Produkten zu verzichten. Bei Artikel 30d zur Verwertung von Abfällen entschied sich die kleine Kammer dafür, nebst der stofflichen Verwertung auch die Wiederverwendung von Abfällen im Gesetz aufzuführen, wie es ursprünglich auch der Bundesrat vorgeschlagen hatte. Ausserdem ergänzte die kleine Kammer Artikel 30d noch um einen ausführlichen Absatz zur Verwertung von Phosphor. Die letzte Differenz zur grossen Kammer wurde schliesslich mit einer Anpassung der Formulierung zur Entsorgung von Siedlungsabfällen geschaffen. Kommissionssprecher Müller wies im Übrigen darauf hin, dass die UREK-SR zur Problematik der Retouren im Online-Versandhandel, welche ebenfalls in der vorliegenden Revision des USG behandelt werden, ein Postulat eingereicht habe.
In der Gesamtabstimmung nahm der Ständerat den Entwurf mit 37 zu 2 Stimmen an.

Schweizer Kreislaufwirtschaft stärken (Pa. Iv. 20.433)
Dossier: Interventions parlementaires sur l'économie circulaire depuis le rejet de l'initiative populaire «Economie verte»

Im Juni 2023 verlangte Damian Müller (fdp, LU) in einer Motion die Schaffung einer Regelung zur Finanzierung der Kosten für das Dolmetschen im Gesundheitswesen. So seien sachgerechte medizinische Behandlungen nur bei adäquater Verständigung gewährleistet, weshalb es möglich sein sollte, diese Kosten als Bestandteil der Leistungserbringung abzurechnen. Aktuell fehlten aber entsprechende Regelungen auf nationaler Ebene.
Dieser Darstellung widersprach der Bundesrat, der Übersetzungsdienste nicht als Leistungen erachtete, «die der direkten Diagnose oder Behandlung einer Krankheit und ihrer Folgen dienen». Folglich seien Dolmetschende auch keine Leistungserbringenden, könnten aber in bestimmten Fällen als «Teil der medizinischen Leistung» erachtet werden. Für diese Fälle müssten sich jedoch Versicherungen und Leistungserbringende über die Verrechnung einigen, etwa im Rahmen ihrer Verträge. Folglich bedürfe es keiner Gesetzesänderung, weshalb der Bundesrat die Motion zur Ablehnung empfehle.
In der Herbstsession 2023 nahm der Ständerat den Vorstoss mit 19 zu 14 Stimmen (bei 6 Enthaltungen) an.

Finanzierung der Kosten für das Dolmetschen im Gesundheitswesen (Mo. 23.3673)

Die Revision des CO2-Gesetzes für die Periode 2025–2030 stand in der Herbstsession 2023 auf dem Programm des Ständerates, welcher die umfassende Vorlage als Erstrat beriet.
Kommissionssprecher Damian Müller (fdp, LU) erläuterte dem Rat die Ausgangslage dieser Gesetzesrevision: Die gesetzliche Lücke, die durch die Ablehnung der Totalrevision des CO2-Gesetzes im Juni 2021 an der Urne entstanden war, habe teilweise mit dem Gegenvorschlag zur Gletscherinitiative, welcher seinerseits ein Referendum überstehen musste, geschlossen werden können. Da diese Vorlage jedoch vor allem die Ziele und weniger die Massnahmen für die Erreichung des Netto-Null-Ziels enthielt, liege nun der neue Gesetzesentwurf vor. Anschliessend stellte Müller die Vorlage des Bundesrates sowie die Anträge der Kommission kurz vor und betonte, dass mit diesen Anträgen das Ziel der Halbierung der CO2-Emissionen bis 2030 immer noch erreicht werden könne, es müsse nun jedoch zügig gehandelt werden. Für Lisa Mazzone (gp, GE), die sich als einziges Mitglied des Plenums im Rahmen der Eintretensdebatte äusserte, gingen der Gesetzesentwurf des Bundesrates und auch die Version der Kommissionsmehrheit zu wenig weit. Sie warnte davor, dass die Schweiz mit der CO2-Reduktion ins Hintertreffen geraten werde; ab 2030 müssten in der Folge drastischere Massnahmen ergriffen werden, falls man das Pariser Klimaziel noch erreichen wolle. Mazzone kritisierte die Kommissionsmehrheit auch dafür, dass sie zu viele CO2-Reduktionen im Ausland vornehmen lassen möchte. Dies sei eine verpasste Chance für die Schweizer Wirtschaft und koste die Bundeskasse viel Geld. Umweltminister Albert Rösti wiederum dankte der Kommission, dass sie das Gesetz zügig und «ohne grosses Aufladen» beraten habe. Er wies zudem darauf hin, dass auch der in derselben Session beschlossene Mantelerlass zur Revision des Energiegesetzes und des Stromversorgungsgesetzes einen wichtigen Meilenstein bei der Erreichung des Netto-Null-Ziels darstelle, denn nur wenn die Schweiz über genügend Strom verfüge, könne sie die Dekarbonisierung einleiten. Eintreten wurde anschliessend ohne Gegenantrag beschlossen.

Die wichtigsten Änderungen im Vergleich zum Entwurf des Bundesrates nahm die kleine Kammer in der anschliessenden Detailberatung bei folgenden Punkten vor: Der Bundesrat und eine Minderheit Zanetti (sp, SO) forderten dazu auf, die Ladeinfrastrukturen für Elektrofahrzeuge in Mehrparteien- und Firmengebäuden und auf öffentlichen Parkplätzen mit CHF 30 Mio. zu unterstützen. Die Mehrheit des Ständerates lehnte dies jedoch ab. Gegen eine Änderung sprachen sich die Mehrheit der Kommission sowie des Rates auch bei der LSVA aus: Wie bis anhin sollen Lastwagen, die mit Strom oder Wasserstoff fahren, von der LSVA befreit werden können. Man wollte hier für allfällige Anpassungen die Vernehmlassung des Bundes zu einer umfassenden Revision der LSVA abwarten. Angenommen wurde auch ein Mehrheitsantrag der UREK-SR, der verlangte, dass die EHS-Abgaben aus dem Luftverkehr nicht nur für die Förderung von Nachtzugangeboten, sondern auch für die Produktion von erneuerbaren, nachhaltigen Flugtreibstoffen eingesetzt werden können. Schliesslich darf die Teilzweckbindung der Erträge aus der CO2-Abgabe nicht vorübergehend angehoben werden, wie es der Bundesrat für die weitere Unterstützung des Gebäudeprogramms beantragt hatte – hier folgte die kleine Kammer einem Minderheitsantrag Knecht (svp, AG).

Diskussionen, aber keine Änderung des bundesrätlichen Entwurfs gab es in den folgenden Bereichen: Eine Minderheit Reichmuth (mitte, SZ) beantragte, dass die Emissionsreduktionen zu mindestens 75 Prozent in der Schweiz erfolgen sollen. Der Bundesrat, die Kommissionsmehrheit sowie auch die rechts-bürgerliche Mehrheit des Rates wollten indes, dass die Verminderung lediglich «in erster Linie mit Massnahmen in der Schweiz» geschieht. Abgelehnt wurde auch ein Minderheitsantrag Mazzone, welche mehr Druck auf den Bundesrat auszuüben versuchte, indem sie die Möglichkeit, bei Nichterreichen des Reduktionsziels für die Kompensation der restlichen CO2-Emissionen internationale Zertifikate zu erwerben, streichen wollte. Des Weiteren wollten die Mehrheit der Kommission sowie eine weitere Minderheit Mazzone den durchschnittlichen CO2-Ausstoss für Personenwagen, Lieferwagen und leichten Sattelschleppern, die ab 2030 erstmals in Verkehr gesetzt werden, stärker reduzieren. Hier folgte der Rat jedoch einer Minderheit Schmid (fdp, GR) und blieb damit auf der Linie des Bundesrates. Im Bereich des Flugverkehrs lag erneut ein Minderheitsantrag von Lisa Mazzone vor, welche eine zusätzliche Abgabe auf Flüge von Privatjets verlangte. Bundesrat Rösti bat den Rat um Ablehnung des Antrags, da es dabei gemäss Schätzungen des BAZL nur um rund 1 Prozent der Emissionen im Flugverkehr gehe und der administrative Aufwand für die Abgabeerhebung sehr gross wäre. Die Ratsmehrheit schloss sich dem Umweltminister an und lehnte den Minderheitsantrag ab.

In der darauf folgenden Gesamtabstimmung wurde der Entwurf bei 2 Enthaltungen seitens der Grünen einstimmig angenommen. Als Nächstes wird sich die grosse Kammer mit dem Geschäft befassen.

CO2-Gesetz post 2024 (BRG 22.061)
Dossier: Que faire après le refus par le corps électoral de la Loi CO2 en juin 2021?

In der Herbstsession 2023 setzte sich der Ständerat als Erstrat mit dem bundesrätlichen Entwurf zur Umsetzung der Tabakwerbeverbotsinitiative in Form einer Teilrevision des Tabakproduktegesetzes auseinander. Während Eintreten auf das Geschäft unbestritten war, fielen die Wortmeldungen bezüglich Umsetzung des Volksbegehrens doch sehr unterschiedlich aus. Gemäss dem Sprecher der SGK-SR, Damian Müller (fdp, LU), reichten die Anträge der Landesregierung über die Forderungen der Initiative hinaus. Esther Friedli (svp, SG) verlangte, dass «bei allen Abstimmungen die gleichen Massstäbe» angewandt werden sollten und verwies dabei auf die Zuwanderungsinitiative, die nicht gemäss Wortlaut des Verfassungsartikels umgesetzt worden sei. Hans Stöckli (sp, BE) vom Initiativkomitee und Pirmin Bischof (mitte, SO) wiederum setzten sich für ein striktes Verbot ein.
In der Detailberatung gab zuerst das vom Bundesrat angedachte komplette Tabakwerbeverbot in Presseerzeugnissen – unabhängig von der Leserschaft – zu reden. Einer Minderheit Bischof, welche diesen Punkt unterstützte, gelang es, sich mit 22 zu 17 Stimmen (bei 3 Enthaltungen) gegen die Kommissionsmehrheit durchzusetzen. Diese wollte Werbung erlauben, sofern «das Presseerzeugnis mehrheitlich über Abonnemente an Erwachsene verkauft» werde.
Betreffend das Verkaufsverbot durch mobiles Verkaufspersonal an öffentlich zugänglichen und von Jugendlichen frequentierten Orten war es hingegen eine Kommissionsmehrheit, die eine im Vergleich zur Exekutive restriktivere Regelung forderte. Konkret beabsichtigte sie, es auch dem Verkaufspersonal wie etwa Kioskbetreibenden zu untersagen, bei erwachsenen Kunden Verkaufsförderung durchzuführen. Damit vermochte sie mit 18 zu 22 Stimmen jedoch nicht, eine Minderheit Hegglin (mitte, ZG) zu überstimmen, welcher die bundesrätliche Variante zu diesem Punkt streichen und entsprechend gar keine Regelung will.
Eine Abschwächung des Entwurfs der Landesregierung erfolgte zudem bezüglich Verkaufsförderung von Zigarren und Zigarillos bei Degustationen und Kundenpromotionen. Während die Exekutive vorsah, eine solche Verkaufsförderung nur bei Anlässen zu gestatten, die nicht von Minderjährigen besucht werden können, beantragte eine Kommissionsmehrheit, dies weiterhin zu erlauben, da diese Produkte bei Minderjährigen kaum Beliebtheit geniessen dürften. Hans Stöckli argumentierte vergebens, dass nirgends zwischen Zigaretten, Zigarren und Zigarillos unterschieden werde und es sich bei all diesen Produkten um Tabakprodukte handle, deren Werbung mittels der Initiative verboten werden soll. Mit 23 zu 17 Stimmen sprach sich der Ständerat für den Mehrheitsvorschlag aus.
Geschlagen geben mussten sich der Bundesrat und eine Minderheit Stöckli auch bei der Frage, ob Sponsoring nationaler Anlässe, die für Kinder und Jugendliche zugänglich sind, verboten werden sollen. Statt eines gänzlichen Verbots plädierte die Mehrheit der Kommission erfolgreich für die Einschränkung des Markenauftritts auf Bereiche, die für Minderjährige nicht sichtbar sind – beispielsweise in separaten Zelten (25 zu 14 Stimmen bei 2 Enthaltungen).
Weitere Anpassungen am Entwurf der Landesregierung wurden stillschweigend gutgeheissen. Dazu zählte unter anderem eine genauere Definition der Anforderungen an Alterskontrollen bei Online-Verkäufen und -Werbung.
In der Gesamtabstimmung sprach sich die kleine Kammer mit 37 zu 3 Stimmen (bei 2 Enthaltungen) für den Entwurf aus. Die Gegenstimmen stammten allesamt aus dem Lager der SVP-Fraktion.

Umsetzung der Volksinitiative «Ja zum Schutz der Kinder und Jugendlichen vor Tabakwerbung» (BRG 23.049)
Dossier: Initiative populaire « Oui à la protection des enfants et des jeunes contre la publicité pour le tabac » et mise en œuvre

Während der Herbstsession 2023 behandelte der Ständerat eine Motion Dobler (fdp, SG) zur Einführung von QR-Codes auf Arzneimitteln und Packungsbeilagen. Damian Müller (fdp, LU) erläuterte für die SGK-SR, welche den Vorstoss einstimmig unterstützte, dass durch die Forderung für zahlreiche Personen ein Mehrwert geschaffen werde, ohne dabei andere Personen, die einen physischen Beipackzettel bevorzugen, zu benachteiligen. Dank des QR-Codes könne der Text zum Beispiel vorgelesen werden, was gerade Personen mit Leseschwäche oder einer Sehbehinderung zugutekomme. Auch Gesundheitsminister Berset zeigte sich von der Motion überzeugt. So sei alles, was mögliche Barrieren zu den Arzneimittelinformationen aus dem Weg räume, eine gute Sache. Stillschweigend nahm das Stöckli den Vorstoss in der Folge an.

Die Einführung von QR-Codes auf Arzneimitteln und Packungsbeilagen soll komplementär die Patientensicherheit erhöhen (Mo. 22.4423)
Dossier: La digitalisation dans le secteur pharmaceutique

Im Parlament war die Verlängerung der zinslosen und unentgeltlichen Anlage von Freizügigkeitsgeldern der Auffangeinrichtung gänzlich unbestritten. In der Sommersession 2023 setzte sich zuerst der Ständerat mit der Vorlage auseinander. Kommissionssprecher Damian Müller (fdp, LU) erläuterte, dass die Auffangeinrichtung aktuell aufgrund der gestiegenen Zinsen wohl nicht auf diese zinslose Anlage angewiesen sei, sich dies in den vier Jahren, in denen die Verlängerung gelte, aber wieder ändern könne. Da im regulären Gesetzgebungsprozess keine nahtlose Verlängerung der Regelung möglich sei, beantragte die Kommission einstimmig, die Verlängerung dringlich zu erklären. Einstimmig (mit 40 zu 0 Stimmen) hiess der Ständerat die Verlängerung gut, einige Tage später folgte ihm der Nationalrat ebenfalls stillschweigend und einstimmig (mit 170 zu 0 Stimmen). Genauso einstimmig erfolgte gegen Ende der Session auch die Dringlichkeitserklärung sowie die Annahme in den Schlussabstimmungen in beiden Räten, womit die Verlängerung per 26. September 2023 in Kraft trat.

Anlage von Freizügigkeitsgeldern der Auffangeinrichtung (BRG 23.027)

Als Erstrat befasste sich der Ständerat in der Sommersession 2023 mit der Änderung des Transplantationsgesetzes. Kommissionssprecher Damian Müller (fdp, LU) stellte die drei geplanten Änderungen zur Meldepflicht für Zwischenfälle und unerwünschte Reaktionen, zur Überkreuz-Lebendspende und zu den elektronischen Systemen im Bereich Transplantation vor. Die SGK-SR spreche sich für die vorgesehenen Änderungen aus. Einzig betreffend den Artikel 2b zu den nicht zugelassenen Transplantationsprodukten fordere die Kommission mit 9 zu 0 Stimmen (bei 2 Enthaltungen) eine Ergänzung. Diese sehe vor, dass die Anwendung solcher Produkte nur erfolgen darf, wenn eine positive Nutzen-Risiko-Bewertung zu erwarten ist. Die ständerätliche SGK habe in der Gesamtabstimmung einstimmig dafür gestimmt, den so leicht veränderten Entwurf anzunehmen. Gesundheitsminister Berset erklärte, dass es sich trotz der gemessen an den Artikel recht umfangreichen Revision um keine umfassende Reform handle. Vielmehr werde gestützt auf Erfahrungen in der Umsetzung und auf Anfragen aus der Praxis eine Optimierung vorgenommen. Daher empfehle der Bundesrat dem Stöckli, den Kommissionsempfehlungen zu folgen, inklusive der Präzisierung des Artikels 2b. Dass das Geschäft in der kleinen Kammer unbestritten war, zeigte sich sowohl zu Beginn, als Eintreten ohne Gegenantrag beschlossen wurde, als auch in der Detailberatung, in welcher die Anträge der Kommission stillschweigend angenommen wurden. Stillschweigend sprach sich der Ständerat schliesslich auch in der Gesamtabstimmung für die Annahme des Entwurfs aus. Damit war es am Nationalrat, über das Bundesratsgeschäft zu befinden.

Änderung des Transplantationsgesetzes (BRG 23.023)

FDP-Ständerat Damian Müller (fdp, LU) forderte im Februar 2023 mittels einer Motion eine «Intervention in Brüssel, damit Italien endlich das Dublin-Abkommen einhält». Müller monierte, dass Italien seit Dezember 2022 keine Überstellungen im Rahmen des Dublin-Abkommens mehr annehme, angeblich aus «plötzlich aufgetretenen technischen Gründen, die mit fehlenden Aufnahmekapazitäten» zusammenhängen. Er verlangte vom Bundesrat, dass dieser das Parlament über die genaue Anzahl der dadurch nicht rücküberführten Personen informiere; dass er Staaten des Dublin-Abkommens suche, die das Anliegen der Schweiz unterstützen; dass er formell beim Rat der Justiz- und Innenministerinnen und -ministern der EU interveniere, um eine Diskussion über die Einhaltung des Abkommens durch Italien zu lancieren; und dass er die Europäische Kommission dazu auffordere, Massnahmen zu ergreifen, um Italien zur Einhaltung des Abkommens zu zwingen.
Der Bundesrat gab in seiner Stellungnahme zu verstehen, dass er das Motionsanliegen teile, wandte jedoch ein, dass Italien aufgrund der hohen Flüchtlingszahlen im Mittelmeerraum einen sechsmonatigen Ausnahmezustand erklärt habe. In dieser Zeit wolle die italienische Regierung besondere Massnahmen zur Steuerung der Migration ergreifen und finanzieren. Die Frist für die Überstellung von Dublin-Fällen laufe jedoch sowieso erst nach sechs Monaten aus und könne mittels einer Beschwerde oder im Falle eines Untertauchens der Betroffenen verlängert werden. Dementsprechend können die in der Schweiz betroffenen Asylsuchenden auch nach Ablauf des Ausnahmezustandes überstellt werden. Die Schweiz engagiere sich jedoch auf bilateraler und multilateraler Ebene dafür, die Überführungen möglichst rasch wieder aufzunehmen. Diese Forderung habe man gemeinsam mit anderen Dublin-Staaten bei der Europäischen Kommission deponiert. Zudem hätten Bundesrätin Baume-Schneider und Bundesrat Cassis das Thema auf Ministerstufe in Rom und Brüssel angesprochen, und des Weiteren stehe das SEM in Kontakt mit den zuständigen italienischen Behörden. Aufgrund der bereits laufenden Arbeiten beantragte der Bundesrat die Ablehnung des Vorstosses.

Der Ständerat setzte sich in der Sommersession 2023 mit der Motion auseinander. Damian Müller zeigte sich enttäuscht darüber, dass der Bundesrat unterdessen davon ausgehe, dass sich die Situation erst im Frühjahr 2024 normalisiere. Müller wies darauf hin, dass nicht nur Italien, sondern auch die Schweizer Kantone Mühe hätten, Unterbringungsmöglichkeiten für Asylsuchende zu finden, und forderte rasches Handeln. Auch SVP-Parteipräsident Chiesa (svp, TI) beklagte sich über den Verstoss Italiens gegen das Dublin-Abkommen und bezeichnete die in der Schweiz auf die Überführung wartenden Asylsuchenden als «illegale Migranten». Die SP-Ständeräte Sommaruga (sp, GE) und Stöckli (sp, BE) befanden die Motion indes für nicht erheblich, da ihr Anliegen durch den Bundesrat bereits aufgegriffen worden sei. Bundesrätin Baume-Schneider warb um Verständnis für die gravierende Situation in Italien, wo die Zahl Asylsuchender im Vergleich zum Vorjahr um 300 Prozent angestiegen sei. Die Schweiz müsse Solidarität zeigen, was aber nicht heisse, dass man sich nicht für die Einhaltung der gesetzlichen Grundlagen starkmache. Die Bundesrätin versprach, das Parlament zu informieren, sobald es formelle Antworten von Italien oder der Europäischen Kommission gebe, und beantragte die Ablehnung der Motion. Damian Müller fand jedoch mit seinem Anliegen Gehör bei den Mitgliedern der FDP-, SVP- und einem Grossteil der Mitte-Fraktion, welche die Motion mit 23 zu 14 Stimmen (bei 5 Enthaltungen) annahmen.

Intervention in Brüssel, damit Italien endlich das Dublin-Abkommen einhält (Mo. 23.3031)

Um Kapazitäten für Flüchtlinge in der Schweiz zu erhöhen, verlangte Damian Müller (fdp, LU) in einer Motion die Möglichkeit, Personen aus Eritrea mit einem negativen Asylentscheid aus der Schweiz in einen aufnahmebereiten Drittstaat zurückzuführen. Die momentane Situation sei für abgewiesenen Asylsuchenden aus anderen Ländern ungerecht, da deren Heimatstaaten eine Rückführung der eigenen Staatsangehörigen im Gegensatz zu Eritrea nicht ablehnten, so der Motionär. Da es aufnahmebereite Drittstaaten gebe, gemäss Müller etwa Ruanda, solle der Bundesrat ein Pilotprojekt lancieren, um in der Schweiz abgewiesene eritreische Staatsangehörige als ultima ratio in ein Drittland zurückzuführen. Damit würde auch verhindert, dass diese Personen «soziale[ ] Leistungen missbrauchen», zudem könne so die Ausschaffung eritreischer Straftäter vollzogen werden, schloss der FDP-Ständerat die Begründung seiner Motion.
Der Bundesrat erachtete die beschriebene Situation in seiner Stellungnahme als «nicht zufriedenstellend», empfahl die Motion jedoch zur Ablehnung: Aktuell befänden sich etwas mehr als 300 eritreische Personen mit abgewiesenem Asylentscheid in der Schweiz, wovon die Hälfte Nothilfe beziehe. Ferner seien diese Personen von der Sozialhilfe ausgeschlossen und die Nothilfe decke lediglich die Kosten für den unmittelbaren Erhalt des Lebens, relativierte die Exekutive die Problematik. Bislang sei eine zwangsweise Wegweisung in einen Drittstaat nur zulässig, wenn die wegzuweisende Person zu diesem Staat einen Bezug hat. Auch für ein Pilotprojekt, wie dies der Motionär forderte, fehlten die rechtlichen Grundlagen, so der Bundesrat. Nicht zuletzt gab er zu bedenken, dass die Schweiz die Garantie des Drittstaates einholen müsste, dass dieser menschenrechtliche Standards einhält. Versuche, diese Garantie einzuholen, seien jedoch bislang an der Ablehnung der betreffenden afrikanischen Staaten gescheitert. In diesem Zusammenhang verwies der Bundesrat auch auf den Erlass einer vorsorglichen Massnahme des EGMR gegenüber dem Vereinigten Königreich, um die Abschiebung von Asylsuchenden (ohne Asylentscheid) nach Ruanda zu verhindern.
Im Ständerat sah dies eine knappe Mehrheit jedoch anders. In der Sommersession 2023 nahm die kleine Kammer die Motion mit 20 zu 18 Stimmen bei 5 Enthaltungen an.

Rückführung von abgewiesenen Personen eritreischer Staatsangehörigkeit in einen Drittstaat (Mo. 23.3176)

Ebenso wie im Falle von Eritrea sorgte sich Damian Müller (fdp, LU) auch um Probleme bei der zwangsweisen Rückführung von abgewiesenen Asylsuchenden nach Algerien. Müller forderte den Bundesrat im Februar 2023 mittels einer Motion auf, in Brüssel mit Bezug auf den Schengener Kodex zu intervenieren und Massnahmen gegen Algerien wegen fehlender Kooperation bei der zwangsweisen Rückführung zu verlangen. In seiner Stellungnahme widersprach der Bundesrat dem Motionär und empfahl dem Parlament, die Motion abzulehnen. Nach zwei bilateralen Migrationsdialogen im Jahr 2022 zwischen der Schweiz und Algerien hätten entsprechende, bereits vorher begonnene Verhandlungen abgeschlossen werden können, womit die Rückkehr «auf allen Vollzugsstufen» nun funktioniere. Mittlerweile seien die Rückkehrwerte nicht nur so hoch wie noch nie für Algerien, sondern im Jahr 2022 sogar so hoch wie für fast kein anderes Land – abgesehen von den zahlenmässig noch höheren Ausreisen in die Ukraine.
In der ständerätlichen Ratsdebatte, die in der Sommersession 2023 stattfand, widersprach der Motionär jedoch der zuständigen Bundesrätin: Man müsse die Zahlen nicht nur absolut, sondern auch relativ betrachten. Aufgrund der stark zunehmenden Asylgesuche aus Algerien sei die Zahl der Fälle im Rückführungsunterstützungsprozess gar leicht gestiegen. Zudem erwähne die Regierung in ihrer Stellungnahme nicht, ob auch Rückführungen via Sonderflüge oder über den Seeweg möglich seien – Letzteres fordere eine überwiesene Motion aus seiner Feder (Mo. 20.4477), die noch nicht erfüllt sei. Die zuständige Bundesrätin Elisabeth Baume-Schneider war auch der Ansicht, dass die Asylgesuche aus Algerien zum gegebenen Zeitpunkt «extrêmement nombreuses» seien. Sie verwies jedoch auf die weiterhin positiven Entwicklungen bei den Ausreisen. Die geforderte Intervention könne sich aufgrund der stark verbesserten Situation kontraproduktiv auf die Beziehungen mit Algerien auswirken. Im Anschluss sprach sich jedoch eine klare bürgerliche Ratsmehrheit mit 28 zu 11 Stimmen (3 Enthaltungen) für die Motion aus.

Probleme bei der zwangsweisen Rückführung nach Algerien angehen (Mo. 23.3032)

Ende Mai 2023 beschäftigte sich der Ständerat als Zweitrat mit der Motion Sauter (fdp, ZH) zur Einführung eines E-Rezepts. Im Namen der SGK-SR legte Hans Stöckli (sp, BE) seinen Ratskolleginnen und Ratskollegen die Annahme des Geschäfts nahe. Im Gegensatz zu einer Motion Müller (fdp, LU; Mo. 20.3209), welche die kleine Kammer bereits gutgeheissen hatte, beinhalte das vorliegende Geschäft noch präzisiere Angaben bezüglich der Umsetzung. Gesundheitsminister Berset empfahl hingegen, den Vorstoss abzulehnen, da bereits entsprechende Gesetzesgrundlagen existierten. Sein Votum war im Ständerat allerdings chancenlos. Mit 34 zu 2 Stimmen (bei 1 Enthaltung) stimmte das Stöckli der Motion zu.

Einführung eines E-Rezepts (Mo. 20.3770)
Dossier: Système de santé et numérisation
Dossier: La digitalisation dans le secteur pharmaceutique

Anfang Mai 2023 überraschte der Bundesrat die breite Öffentlichkeit mit der Ernennung der bisherigen Staatssekretärin Livia Leu zur neuen Schweizer Botschafterin in Berlin. Sie werde ihre Aufgaben als Staatssekretärin bis Ende August weiterführen und im Herbst 2023 ihre neue Funktion antreten, so der Bundesrat in seiner Medienmitteilung. Damit stand auch ihr Abgang als Chefunterhändlerin für ein neues Rahmenabkommen mit der EU fest. Leu hatte eine Doppelfunktion als Leiterin des 2021 neu organisierten EDA und als Chefunterhändlerin für die Verhandlungen mit der EU inne. Als solche war Leu anfänglich für die Nachverhandlungen des Institutionellen Abkommens mit der EU verantwortlich und nach deren Scheitern im Mai 2021 für die Erarbeitung der Stossrichtung eines neuen Verhandlungspakets. Seither habe sie auf Basis dieser Grundlage die Sondierungsgespräche im Hinblick auf ein neues Verhandlungsmandat geführt, welche nun so weit fortgeschritten seien, dass bis Ende Juni über die Eckwerte eines solchen Mandats entschieden werden könne, erläuterte der Bundesrat weiter.
Er versicherte in seiner Medienmitteilung zudem, dass die Gespräche mit der EU durch diesen Wechsel nicht beeinträchtigt würden. In einem kurzen Point de Presse gab Botschafterin Leu zu verstehen, dass es ihre persönliche Entscheidung gewesen sei, noch einmal ins Ausland zu gehen und sie nicht zu diesem Schritt gedrängt worden sei. Sie schätzte ihre Mission als teilweise abgeschlossen und den Moment der Bekanntgabe als «gut gewählt» ein, da der Abschluss der exploratorischen Gespräche bevorstehe.

Leus Abgang sorgte in den Medien und bei Parlamentarierinnen und Parlamentariern gleichermassen für Kritik, wie auch für Hoffnung. Sowohl Befürworter wie Gegner einer engeren Anbindung an die EU bedauerten jedoch den Rücktritt Leus. SP-Nationalrat Eric Nussbaumer (sp, BL) nannte die Demission Leus ein «Debakel für das Verhandlungsdossier mit der EU» und «24 heures» verglich die Schweizer EU-Politik mit einem Vaudeville (einem komödienhaften Theater). Tania Moser (glp, ZH) bezeichnete die Entwicklung als «entmutigend», da sich dadurch die Verhandlungen mit der EU eher verlangsamen würden. Pro-Schweiz-Geschäftsführer Werner Gartenmann schätzte Leu als kompetente, solide Verhandlerin, die die Interessen der Schweiz verteidigt habe, wie er gegenüber «Le Temps» verriet. Auch der Zeitpunkt der Bekanntgabe wurde hinterfragt. Nationalrat Laurent Wehrli (fdp, VD) sah zwar ein, dass ein Rücktritt vor Beginn der eigentlichen Verhandlungen vorzuziehen sei, der Rücktritt als solcher sei jedoch ein Verlust, da Leu die Verantwortlichen in Brüssel bestens kenne. Ständerätin Isabelle Chassot (mitte, FR) hätte es begrüsst, dass Leu erst nach Verabschiedung des Verhandlungsmandats öffentlich zurückgetreten wäre, teilte sie «La Liberté» mit. Auch für die EU war die Nachricht von Leus Abschied nicht unbedingt eine positive Überraschung, hatte doch EU-Kommissar Maros Šefčovič noch im März angekündigt, bis Sommer 2024 ein neues Abkommen aushandeln zu wollen. Ein Sprecher der EU-Kommission liess jedoch verlauten, dass dieser Zeitplan trotz der veränderten Umstände weiterverfolgt werde.
Franz Grüter (svp, LU) – Präsident der APK-NR – bezeichneten den Zeitpunkt des Rücktrittes gegenüber dem Tages-Anzeiger hingegen als gut gewählt und Elisabeth Schneider-Schneiter (mitte, BL) sah im personellen Wechsel im Hinblick auf die Verhandlungen mit der EU sogar eine Chance. FDP-Ständerat Damian Müller (fdp, LU) lobte Leu für ihre geleistete Arbeit, und gab sich überzeugt, dass das Europadossier durch ihren Rücktritt keinen Schaden nehmen werde.

In den Printmedien brachen kurz darauf Spekulationen über die mögliche Nachfolge von Leu als Unterhändlerin aus, wobei drei Namen im Fokus standen. «La Liberté» brachte Rita Adam ins Spiel, die als Chefin der Schweizer Mission bei der EU bereits alle Personen in Brüssel kenne. Der Tages-Anzeiger nannte als weiteren Kandidaten Alexandre Fasel, der als Botschafter in London den Brexit mitverfolgt hatte und unterdessen als Sonderberater für Wissenschaftsdiplomatie in Genf amtete, und Monika Schmutz Kirgöz, die Schweizer Botschafterin in Italien, Malta und San Marino.

Staatssekretärin Livia Leu wird Botschafterin in Berlin
Dossier: Développement des relations bilatérales avec l'UE après l'échec de l'accord-cadre

Regelmässig kommt es zu Ostern vor dem Gotthardtunnel zu einem Stau auf der Autobahn A2. 2023 erlangte dieser Stau noch mehr mediale Präsenz als üblich: Als der Stau etwa 15 Kilometer lang war, setzten sich Mitglieder von Renovate Switzerland – in den Medien als Klimakleber bezeichnet – auf die Fahrbahn und klebten sich fest. Die Strasse war gemäss Medien eine halbe Stunde nach Beginn der Aktion bereits wieder geräumt, nachdem die Polizei die Aktivistinnen und Aktivisten weggetragen hatte.
Ziel von Renovate Switzerland sei es gemäss Tages-Anzeiger gewesen, eine möglichst grosse Klima-Widerstandsbewegung aufzubauen und die Regierung dadurch zu mehr Klimaschutz zu bewegen. Die Medien liessen in der Folge auch Politikerinnen und Politiker zu Wort kommen. Benjamin Giezendanner (svp, AG), SVP-Nationalrat und Geschäftsführer eines Transportunternehmens, nannte die Strassenblockade eine «Frechheit», die kontraproduktiv sei und bei den eidgenössischen Wahlen der SVP helfen werde. FDP-Vertreter Damian Müller (fdp, LU) zeigte zwar ein gewisses Verständnis dafür, dass die Aktivistinnen und Aktivisten die Bevölkerung auf den Klimawandel aufmerksam machen wollten, bezeichnete solche Aktionen aber als wenig lösungsorientiert. Michael Töngi (gp, LU) erachtete zivilen Ungehorsam hingegen als angebracht.

Protestaktion der «Klimakleber» vor dem Gotthard-Strassentunnel (2023)

Mit einer im März 2021 eingereichten Motion forderte Isabelle Pasquier-Eichenberger (gp, GE) ein Verbot von SUV und Geländewagen. Ab 2022 sollten solche Fahrzeuge mit einem Leergewicht von mehr als zwei Tonnen nicht mehr importiert werden können, ausser wenn ein spezieller Bedarf nachgewiesen wird. Die Motionärin begründete ihr Anliegen mit ökologischen und verkehrssicherheitstechnischen Überlegungen. Solche Fahrzeuge, welche im Jahr 2019 fast 40 Prozent aller Neuwagen ausmachten, würden gegenüber mittelgrossen Autos rund 25 Prozent mehr Energie verbrauchen, was auch den Anstieg des durchschnittlichen Kraftstoffverbrauchs von Neuwagen seit 2016 erkläre.
Der Bundesrat bezeichnete den Trend zu immer grösseren, schwereren und leistungsstärkeren Fahrzeugen in seiner Stellungnahme im Mai 2021 als «problematisch». Die Regierung sei aber der Ansicht, dass Massnahmen zur Senkung des Treibstoffverbrauchs alle Personenwagenkategorien betreffen sollten. Er verwies dazu auf die im Gegenvorschlag zur Offroader-Initiative eingeführten Bestimmungen für Autoimporteure. Letztere müssen bei ihren importierten Fahrzeugflotten einen Zielwert für durchschnittliche Emissionen einhalten. Mit der Verschärfung dieser Zielwerte im Zuge der geplanten Totalrevision des CO2-Gesetzes sowie mit der Umsetzung der überwiesenen Motion von Damian Müller (fdp, LU; Mo. 20.3210), wonach diese Zielvorgaben auch auf Klein- und Nischenanbieter – welche oftmals SUV anbieten – ausgeweitet wird, erachtete der Bundesrat das Anliegen der Motion als bereits erfüllt und beantragte ihre Ablehnung.
Im März 2023 wurde die Motion abgeschrieben, da sie nicht innert der Frist von zwei Jahren abschliessend im Rat behandelt worden war.

Für ein Verbot von SUV und Geländewagen (Mo.21.3149)

In der Frühjahrssession 2023 nahm sich der Ständerat das Abkommen zwischen der Schweiz und Albanien über soziale Sicherheit vor, welches die SGK-SR einstimmig zur Annahme beantragt hatte. Kommissionssprecher Damian Müller (fdp, LU) erklärte der kleinen Kammer, dass Albanien seit dem Inkrafttreten des Sozialversicherungsabkommens mit Bosnien und Herzegowina im Jahr 2021 der letzte Staat im Westbalkan sei, mit dem die Schweiz kein Abkommen über die soziale Sicherheit abgeschlossen habe. Diese Lücke solle geschlossen werden, nicht zuletzt, weil die Schweizer Behörden eng mit Albanien kollaborierten, beispielsweise bei der wirtschaftlichen Zusammenarbeit und bei Migrationsfragen. Inhaltlich entspreche das Abkommen den bisherigen Sozialversicherungsabkommen, welche die Schweiz mit den übrigen Balkanstaaten abgeschlossen habe, führte Müller aus. Es umfasse Bestimmungen zur Gleichberechtigung der Staatsangehörigen in Bezug auf die Rentenauszahlung im Ausland, die Anrechnung von Versicherungszeiten, sowie die Anstellung von Erwerbstätigen und die gegenseitige Verwaltungshilfe. Müller äusserte sich auch zu den Folgekosten des Abkommens, die auf CHF 2.5 Mio. pro Jahr geschätzt wurden – CHF 500'000 zulasten des Bundes und CHF 2 Mio. zulasten der Versicherungen. Der anwesende Bundesrat Alain Berset ergänzte, dass dieses Abkommen die Rückkehr albanischer Staatsangehöriger in ihr Heimatland erleichtere und damit zur Stabilisierung der wirtschaftlichen und politischen Lage im Westbalkan beitrage. Bundesrat Berset relativierte auch die Kostenfrage, indem er aufzeigte, dass den CHF 2.5 Mio. auch schwer zu beziffernde Einsparungen im Bereich der Ergänzungsleistungen und der Prämienverbilligungen gegenüberstünden. Der Ständerat nahm das Abkommen mit 34 zu 4 Stimmen (bei 0 Enthaltungen) an.
In den Schlussabstimmungen stimmte der Nationalrat mit 144 zu 51 Stimmen (bei 2 Enthaltungen) für die Annahme des Entwurfs, der Ständerat tat es ihm mit 38 zu 3 Stimmen (bei 1 Enthaltung) gleich. Die Nein-Stimmen stammten in beiden Kammern von Mitgliedern der SVP-Fraktion.

Sozialversicherungsabkommen mit Albanien
Dossier: Accords de sécurité sociale avec les États successeurs de la République populaire fédérative de Yougoslavie

Afin de favoriser la production d'électricité renouvelable, le sénateur Damian Müller (plr, LU) encourageait le Conseil fédéral à autoriser un endettement temporaire du Fonds alimenté par le supplément perçu sur le réseau. La motion a été classée dans le cadre de l'examen de la loi fédérale sur l'approvisionnement en électricité sûr reposant sur des énergies renouvelables (21.047).

Mo. 19.3742, Finanzielle Überbrückung für den Wartelistenabbau bei erneuerbaren Energien

In der Frühjahrssession 2023 setzte sich der Ständerat erstmals mit dem indirekten Gegenvorschlag zur Kostenbremse-Initiative auseinander, wobei ihm ein Nichteintretensantrag von Hannes Germann (svp, SH) vorlag. Erich Ettlin (mitte, OW) erklärte für die SGK-SR, dass der Bundesrat zwar das Anliegen der Initiative, das Kostenwachstum zu bremsen, teile, jedoch eine Koppelung des Wachstums an die Lohnentwicklung ablehne. Stattdessen sollten mithilfe des indirekten Gegenvorschlags Zielvorgaben für ein maximales Kostenwachstum in der OKP formuliert werden, die bei Nichteinhalten Diskussionen über korrigierende Massnahmen nach sich ziehen sollten. Die SGK-SR habe den indirekten Gegenvorschlag mit 6 zu 0 Stimmen (bei 5 Enthaltungen) angenommen und auch die Zielvorgaben gutgeheissen, schlage aber in Detailfragen Alternativen zum Nationalrat vor, erläuterte Ettlin. Hannes Germann begründete seinen Nichteintretensantrag damit, dass der Gegenvorschlag überladen sei, zumal er neben den ersten drei Kostendämpfungspaketen (Paket 1a, Paket 1b und Paket 2) quasi das vierte Paket und einen «planwirtschaftlichen Eingriff[..]» darstelle. Zudem käme es bei Annahme dieser Regelungen zu Rationierungen im Gesundheitswesen. Diesen Argumenten widersprach Gesundheitsminister Berset deutlich, es gehe lediglich um Transparenz und um eine Planung der Kosten, wie sie für Unternehmen völlig normal sei. Mit 23 zu 19 Stimmen trat der Ständerat in der Folge auf den Gegenvorschlag ein. Gegen Eintreten stimmten die SVP- und die FDP-Fraktion.
In der zentralen Frage der Vorlage, den Kostenzielen, zeigte sich die Kommissionsmehrheit mit dem nationalrätlichen Vorschlag einverstanden. Der Nationalrat hatte jährliche in vierjährliche Zielvorgaben für die maximale Kostenentwicklung der OKP abgeschwächt, die Schaffung von Kostenblöcken gestrichen und die Kostenziele um Qualitätsziele ergänzt. Vor allem hatte er den Auftrag an Bundesrat und Kantonsregierungen, bei Überschreitung der Kostenziele Massnahmen zu prüfen, gestrichen. Eine Überschreitung der Kostenziele hätte somit keine «direkten Konsequenzen», wie der Kommissionssprecher erläuterte. Eine Minderheit Damian Müller (fdp, LU) lehnte die abgeänderten Zielvorgaben dennoch ab und argumentierte, man solle zuerst die Umsetzung des Kostendämpfungspakets 1b abwarten. Mit 24 zu 16 Stimmen folgte der Ständerat seiner Kommissionsmehrheit und bereinigte diesen Punkt. Für den Minderheitsantrag sprachen sich die Mitglieder der SVP- und FDP-Fraktion aus.
In anderen Aspekten der Vorlage schuf der Ständerat hingegen einige Differenzen zum Erstrat, etwa bei den nationalen Tarifstrukturen. Wie Kommissionssprecher Ettlin erklärte, wollte der Bundesrat hier einerseits die Möglichkeit schaffen, dass die Genehmigungsbehörde, üblicherweise die Kantone, bei «nicht mehr sachgerechten oder wirtschaftlichen Tarifen» eine Anpassung verlangen kann. Kommissionssprecher Ettlin lehnte die Änderungen im Namen der Kommissionsmehrheit ab, da das «System [...] an sich gut [funktioniert]». Der Nationalrat hatte diesen Änderungsvorschlag des Bundesrates gutgeheissen und zusätzlich eine Regelung zur Schaffung unterschiedlich hoher Taxpunktwerte ergänzt, wie sie gemäss Minderheitssprecher Hegglin (mitte, ZG) auch von den Kantonen – wenn auch in anderer Formulierung – gewünscht werde. Mit 22 zu 18 Stimmen folgte der Ständerat seiner Kommissionsminderheit und lehnte die von Bundesrat und Nationalrat vorgeschlagenen Änderungen ab. Zudem strich er eine Befähigung für den Bundesrat im stationären Bereich, nicht mehr sachgemässe Tarifstrukturen anzupassen, wenn sich die Tarifpartner nicht einigen können. Kein Anklang fand im Ständerat schliesslich der nationalrätliche Vorschlag, wonach Tarifverträge innert eines Jahres beurteilt werden müssen und ansonsten automatisch in Kraft treten. Befürchtet wurde, dass eigentlich unterstützte Tarifverträge, bei denen nur noch kleine Anpassungen nötig wären, verworfen werden, wenn ihre Behandlung zu lange dauert – um zu verhindern, dass sie automatisch in Kraft treten.
Mit weiteren kleineren Differenzen reichte die kleine Kammer den Entwurf zurück an den Erstrat.

Eidgenössische Volksinitiative «Für tiefere Prämien – Kostenbremse im Gesundheitswesen» (BRG 21.067)
Dossier: Freiner l'augmentation des primes des assurances-maladie (depuis 2020)
Dossier: Initiatives populaires au sujet de la «caisse-maladie» (depuis 2015)

Während der Frühjahrssession 2023 beugte sich der Ständerat über eine Motion Rösti (svp, BE), welche die Zulassung von Medizinprodukten nach aussereuropäischen Regulierungssystemen zum Inhalt hatte. Als Sprecher der SGK-SR sprach sich Erich Ettlin (mitte, OW) gegen die Motion aus. Dies nicht aus inhaltlichen Gründen, sondern weil eine identische Motion Müller (fdp, LU; Mo. 20.3211) bereits von beiden Räten angenommen worden sei. Gesundheitsminister Berset bestätigte, dass das entsprechende Geschäft schon an den Bundesrat herangetragen worden sei. Auch wenn dieser seine Vorbehalte habe, werde die damit verbundene Gesetzesänderung in die Wege geleitet. Aus dem bereits von Kommissionssprecher Ettlin ausgeführten formalen Grund empfehle der Bundesrat die Ablehnung der Motion Rösti. Stillschweigend folgte die kleine Kammer diesem Antrag.

Zulassung von Medizinprodukten nach aussereuropäischen Regulierungssystemen (Mo. 20.3370)

Der starke Anstieg der Wohnungsmieten in der Schweiz seit der Jahrtausendwende veranlasste Ständerat Damian Müller (fdp, LU), ein Postulat einzureichen, mit dem er den Bundesrat beauftragte, die wesentlichen Gründe für die Preisentwicklung der Mieten zu untersuchen und in einem Bericht darzulegen. Besonderes Augenmerk sollte laut dem Postulanten auf die Auswirkungen der Einführung der Personenfreizügigkeit und dem damit einhergehenden Bevölkerungswachstum, der Einführung des revidierten Raumplanungsgesetzes sowie der Entwicklung des Angebots und der Nachfrage auf dem Mietwohnungsmarkt gelegt werden.

Zusammen mit einem weiteren Postulat Müller betreffend die tiefe Leerwohnungsquote befasste sich der Ständerat in der Frühjahrssession 2023 mit dem Vorstoss. Im Stöckli stiess das Postulat weitgehend auf Zustimmung. Carlo Sommaruga (sp, GE) kritisierte zwar noch, dass die Gründe und die Massnahmen gegen die Wohnungsnot bereits bekannt seien und das Postulat nur dazu diene, dringend nötige Massnahmen aufzuschieben. Doch nach einem positiven Votum von Bundesrat Guy Parmelin für die beiden Postulate Müller nahm die kleine Kammer die beiden Vorstösse dennoch stillschweigend an.

Mietexplosion in der Schweiz. Analyse der massgeblichen Faktoren für die Preisentwicklung der Wohnungsmieten in der Schweiz seit 2002 (Po. 22.4289)

Ständerat Damian Müller (fdp, LU) ersuchte den Bundesrat mittels eines Postulats, die drohende «Wohnungsnot» zu untersuchen. Müller sorgte sich insbesondere um die tiefe Leerwohnungsquote. Die Quote sei zum Zeitpunkt des Einreichens seines Postulats Ende November 2022 mit 1.31 Prozent so tief gewesen wie seit 20 Jahren nicht mehr. Der Bundesrat solle untersuchen, welche Gründe zu dieser tiefen Quote geführt hätten und mit welchen Massnahmen die Situation entschärft werden könne. Als mögliche Ursachen, die die Regierung evaluieren solle, nannte der Postulant die 2014 erfolgte Einführung des revidierten RPG, die Dauer von Baubewilligungsverfahren, die geltenden Bestimmungen im Kontext der Ausnützungsziffer, die Verhinderung von Wohnbauprojekten aufgrund von Einsprachen sowie das natürliche Bevölkerungswachstum und die Migration. Der Bundesrat beantragte die Annahme des Postulats.

In der Frühjahressession 2023 nahm sich der Ständerat das Postulat vor, zusammen mit einem weiteren Postulat Müller betreffend die Preisentwicklung der Wohnungsmieten. Dabei kritisierte Müllers Ratskollege Carlo Sommaruga (sp, GE), dass die Gründe und die Massnahmen gegen die Wohnungsnot bereits bekannt seien und das Postulat nur dazu diene, dringend nötige Massnahmen aufzuschieben. Statt eines weiteren Berichts solle der Bundesrat besser jetzt schon Massnahmen ergreifen; beispielsweise die Vereinfachung von Wohnungstausch, die Einschränkung von Angeboten wie Airbnb oder die Errichtung von modularen Notunterkünften. Er wolle das Postulat nicht bekämpfen, sondern lediglich darauf hinweisen, dass es nötig sei, bereits vor der Veröffentlichung des geforderten Berichts Massnahmen zu ergreifen, so Sommaruga. Bundesrat Guy Parmelin versicherte dem Genfer SP-Nationalrat, dass der Bundesrat bereits an Lösungen arbeite. Ausserdem kündigte er einen runden Tisch zum Thema an und appellierte an alle Interessenvertreterinnen und -vertreter, an diesem teilzunehmen und sich in diesem Rahmen aktiv für mehrheitsfähige Lösungen einzusetzen. Der Ständerat nahm das Postulat schliesslich stillschweigend an.

Wohnungsnotstand in der Schweiz. Analyse der tiefen Leerwohnungsquote und mögliche Ansätze zu deren Entschärfung (Po. 22.4290)

Anders als ihre Schwesterkommission beschloss die SGK-SR einstimmig Eintreten auf den vom Nationalrat angenommenen Erlassentwurf zur Übertragung des Mutterschaftsurlaubs auf hinterbliebene Väter, der mittlerweile erneut auch die Übertragung des Vaterschaftsurlaubs auf hinterbliebene Mütter umfasste. Die im Nationalrat erfolglos vorgebrachten Änderungsvorschläge der Mehrheit der SGK-NR zur Beschränkung der Vorlage auf die Gewährung des Mutterschaftsurlaubs an hinterbliebene Väter waren für die ständerätliche Kommission kein Thema mehr: Damit würde in Anbetracht solch tragischer Ereignisse am falschen Ort gespart, betonte Kommissionssprecher Damian Müller (fdp, LU) im Ratsplenum. In der Frühjahrssession 2023 folgte der Ständerat seiner SGK und stimmte einstimmig dem Beschluss des Nationalrats zu und nahm auch die von der SGK-SR beantragte Änderung des Gesetzesuntertitels zu «Taggelder für den hinterlassenen Elternteil» an. Aufgrund dieser Änderung ging der Entwurf noch einmal an den Nationalrat zur Differenzbereinigung.

Mutterschaftsurlaub für hinterbliebene Väter (Pa.Iv. 15.434)

Im Februar 2023 ereignete sich in der Grenzregion der Türkei und Syrien ein starkes Erdbeben, welches Zehntausende Tote und ca. 125'000 Verletzte forderte. Die offizielle Schweiz sprach mehrere Millionen Franken für Hilfsmassnahmen und engagierte sich mit der Rettungskette, welche auf die Ortung, Rettung und medizinische Erstversorgung von Verschütteten nach Erdbeben im Ausland spezialisiert ist. Auch viele Schweizer Hilfswerke, wie etwa Caritas oder Ärzte ohne Grenzen, setzten sich für die Opfer des Erdbebens ein, meistens indem sie mit lokalen Partnerorganisationen zusammenarbeiteten. Wie die Medien berichteten, sprachen auch kirchliche Kreise und einige Kantonsregierungen finanzielle Mittel. Das Hauptaugenmerk legten die Medien jedoch auf private Aktionen in der Schweiz, oftmals von kurdisch- oder türkischstämmigen Personen organisiert. Diese Personen sammelten Tausende von Kisten mit Kleidern, Decken, Zelten, Nahrungsmitteln, Medikamenten, Hygieneartikeln etc., die sie mit Lastwagen oder gar mit einem gecharterten Flugzeug in die betroffene Region zu bringen versuchten. Auch die in der Türkei geborene Nationalrätin Sibel Arslan (basta, BS) versuchte, den betroffenen Menschen zu helfen. Sie gab zu bedenken, dass vor allem finanzielle Mittel gebraucht würden, damit die Personen vor Ort das Nötigste kaufen können.
Auf der politischen Ebene entschied das SEM in Absprache mit dem EDA, dass Betroffene des Erdbebens von einem beschleunigten Visa-Verfahren profitieren können: Personen, die bei ihren Verwandten in der Schweiz unterkommen konnten, erhielten dafür ein 90 Tage gültiges Visum. Dieser Entscheid wurde von Mitte-Links befürwortet, wie der Blick berichtete. Die Bürgerlichen hingegen goutierten die Priorisierung der vom Erdbeben betroffenen Personen nicht. Damian Müller (fdp, LU) wurde im Blick dahingehend zitiert, dass eine unkontrollierte Migration die innere Sicherheit gefährde. Anfang Mai 2023 wurde dieses beschleunigte Visumsverfahren wieder eingestellt.

Erdbeben in der Grenzregion Türkei/Syrien – Hilfe der Schweiz