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  • Keller, Peter (svp/udc, NW) NR/CN
  • Matter, Thomas (svp/udc, ZH) NR/CN

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Die grosse Kammer beugte sich in der Wintersession 2020 über das Horizon-Paket 2021–2027. Mehrere Rednerinnen und Redner betonten dabei die Wichtigkeit der Erneuerung dieses Forschungsabkommens mit der EU. Nur so könne die Schweiz bei der Forschung auf Niveau «Champions League» mitspielen, argumentierte Christian Wasserfallen (fdp, BE). Die Finanzierungsbotschaft wurde aber nicht von allen Parteien vollständig unterstützt. Während eine Minderheit um Diana Gutjahr (svp, TG) die Vorlage an den Bundesrat zurückweisen wollte, um ein alternatives, nationales Programm ausarbeiten zu lassen, wollte eine weitere Minderheit Keller (svp, NW) die vom Bundesrat budgetierte Reserve von CHF 614 Mio. auf CHF 466 Mio. reduzieren. Beide Anträge wurden abgelehnt. Ebenfalls keine Mehrheit fanden zwei Anträge von links-grüner Seite, welche die Verpflichtungen für das Euroatom-Programm auf Ende 2025 befristen wollten. Zu reden gaben des Weiteren insbesondere folgende zwei Punkte: Im Horizon-Programm 2021–2027 wird der Finanzierungsmechanismus geändert. Neu zahlt jeder Staat so viel ins Programm ein, wie wieder an die Forscherinnen und Forscher ausbezahlt wird (pay as you go Prinzip). Es ist also nicht mehr möglich, mehr Mittel zu beziehen als einzubezahlen. Diese Neuerung sei gemäss Claudia Friedl (sp, SG) in der Kommission bedauert worden, könne aber nicht rückgängig gemacht werden. Zudem habe die EU generell mehr Geld für das Programm budgetiert als in der vergangenen Periode, weshalb auch die Schweiz einen höheren Betrag aufwenden müsse. Der zweite Punkt betraf die generellen Beziehungen der Schweiz zur EU. Christian Wasserfallen und auch Forschungsminister Parmelin betonten im Rat, dass die Assoziierung an das Horizon-Paket nichts mit dem Rahmenabkommen zu tun habe. Für Angelika Kalt, Direktorin des SNF, war die Sache allerdings nicht so klar. Gemäss Kalt wäre es möglich, dass die EU die Verabschiedung des Rahmenabkommens voraussetzt, damit die Schweiz an Horizon teilnehmen könne.
In der Schlussabstimmung sprach sich der Nationalrat deutlich für die Zustimmung zum Horizon-Paket respektive zum Start der Verhandlungen des Bundesrates mit der EU aus. 138 Personen stimmten dafür, 49 Mitglieder der SVP stimmten dagegen, eine Person enthielt sich der Stimme (ebenfalls SVP).

Horizon-Paket 2021–2027
Dossier: Erasmus et Horizon

In der Wintersession 2020 befasste sich der Nationalrat als Erstrat mit der Botschaft zur Erneuerung des Rahmenkredits für Eventualverpflichtungen in der Wohnraumförderung (2021–2027). Von Seiten der SVP lag ein Minderheitenantrag auf Nichteintreten vor. Es drohe eine Immobilienblase und zusätzliche Bürgschaften würden die Bautätigkeit nur noch stärker anheizen, lautete eine Begründung. Ferner verwies Minderheitensprecher Aeschi (svp, ZG) auf das Debakel um die Hochseeflotte, wo jüngst negative Erfahrungen mit Bürgschaftskrediten gemacht worden waren. Nachdem die Unterstützenden der Kommissionsmehrheit der beiden behandelnden Kommissionen FK-NR und WAK-NR unter anderem mehrfach betont hatten, dass seit Inkrafttreten des Gesetzes im Jahr 2003 noch keine einzige Bürgschaft hatte eingelöst werden müssen, stimmten alle anderen Fraktionen geschlossen für Eintreten. In der Detailberatung verlangten Minderheitenanträge Änderungen des Kreditbetrags: Die Minderheit Friedl (sp, SG) der FK-NR sowie die Minderheit Badran (sp, ZH) der WAK-NR verlangten eine Aufstockung von CHF 1.7 Mrd. auf CHF 1.9 Mrd. und die Minderheit Keller (svp, NW) der FK-NR und Friedli (svp, SG) der WAK-NR eine Senkung auf CHF 1.4 Mrd. Weiter wollte je eine Minderheit der FK-NR (Dandrès, sp, GE) und der WAK-NR (Badran, sp, ZH) verhindern, dass das Bürgschaftsvolumen per 2028 stabilisiert wird. Die bundesrätliche Botschaft sah in diesem Punkt vor, den nächsten Rahmenkredit «so zu bemessen, dass das Bürgschaftsvolumen nicht schneller wächst als die Zahl der Haushalte» (Art. 2). Keinem der Anträge gelang es, eine Ratsmehrheit auf sich zu vereinen. Somit nahm die grosse Kammer den bundesrätlichen Entwurf in der Gesamtabstimmung mit 138 zu 52 Stimmen (1 Enthaltung) unverändert an.

Rahmenkredit für Eventualverpflichtung in der Wohnraumförderung (2021–2027) (BRG 20.074)
Dossier: Crédit-cadre destiné à des engagements conditionnels pour l'encouragement de l'offre de logements

En décembre 2020, le Conseil national a refusé de donner suite à une initiative parlementaire du député Thomas Matter, qui visait à exclure les réfugiés dits écologiques ou climatiques de la notion de réfugié figurant dans la loi sur l'asile. Le texte proposait d'ajouter la mention suivante à l'Art. 3 de la LAsi: «Ne sont pas des réfugiés les personnes qui sont exposées à de sérieux préjudices ou craignent à juste titre de l'être en raison de changements affectant leurs ressources naturelles ou le climat.». Il devait en être de même pour l'attribution du statut d'admission provisoire. La crainte de l'UDC, qui a d'ailleurs formé la minorité de commission souhaitant entrer en matière, était que les milieux de gauche et écologiste se servent des débats actuels sur le climat pour «élargir de façon irresponsable la notion de réfugié». La majorité de la CIP-CN a en revanche estimé que la définition de la notion de réfugié doit rester positive et ne pas reposer sur un catalogue de critères négatifs. Elle a en outre ajouté que chaque personne en procédure d'asile a le droit à un examen de sa situation, afin de déterminer si sa vie et son intégrité corporelle sont menacées dans son pays d'origine.
Un avis que l'ensemble du Conseil national a suivi, rejetant l'initiative par 132 voix contre 51 et une abstention.

Exclure les réfugiés dits écologiques ou climatiques de la notion de réfugié figurant dans la loi sur l'asile (Iv.pa. 19.434)

Wie so vieles im Jahr 2020 stand auch der in der Wintersession 2020 zusammen mit der Staatsrechnung 2019 und dem ordentlichen zweiten Nachtrag zum Voranschlag 2020 behandelte Voranschlag 2021 mit integriertem Aufgaben- und Finanzplan 2022-2024 im Zeichen der Corona-Pandemie. Zum ersten Mal hatten sich National- und Ständerat vorgängig auf ein Notbudget geeinigt für den Fall, dass die Session Corona-bedingt abgebrochen werden müsste und der Voranschlag deshalb nicht zu Ende beraten werden könnte. Zudem hatte das Parlament neben unzähligen traditionellen erneut auch über zahlreiche im ursprünglichen Voranschlag oder in einer der drei vom Bundesrat eingereichten Nachmeldungen aufgeführten Corona-bedingten Budgetposten zu beraten, wobei es gleichzeitig entscheiden musste, welche davon als ausserordentliche Ausgaben verbucht und damit von der Schuldenbremse ausgenommen werden sollen. Die Kommissionssprecher Nicolet (svp, VD) und Fischer (glp, LU) erläuterten, dass das ursprüngliche Budget des Bundesrates ein Defizit von CHF 1.1 Mrd. aufgewiesen habe, dass dieses durch die Nachmeldungen aber auf über CHF 2 Mrd. CHF angestiegen sei; auf über CHF 4 Mrd. gar, wenn man die ausserordentlichen Ausgaben miteinbeziehe. Keine unwesentliche Rolle spielten dabei die Corona-bedingten Mehrausgaben, welche sich auf CHF 5.4 Mrd. beliefen (CHF 2.5 Mrd. davon sollten als ordentlicher, CHF 2.9 Mrd. als ausserordentlicher Zahlungsbedarf verbucht werden).
In der Folge beriet die grosse Kammer zwar einmal mehr zahlreiche Minderheitsanträge, nahm jedoch nur 7 Minderheits- oder Einzelanträge an und änderte die bundesrätliche Version nur in 14 Bereichen ab. Dadurch erhöhte der Nationalrat die Ausgaben gegenüber dem bundesrätlichen Entwurf um CHF 726 Mio. und gegenüber der FK-NR um CHF 15 Mio. und nahm den Entwurf zum Schluss mit 190 zu 2 Stimmen deutlich an.

Vor der Detailberatung betonten die Kommissionssprecher, dass die FK-NR dem Bundesrat weitgehend gefolgt sei, gerade bei den Covid-19-Massnahmen und bei den Direktzahlungen in der Landwirtschaft aber einige Änderungen angebracht habe. Insgesamt schöpfe die Kommission den Schuldenbremse-bedingten Spielraum mit einem Defizit von CHF 2 Mrd. nicht vollständig aus – möglich wäre ein Defizit von CHF 3.2 Mrd. Der dadurch verbleibende strukturelle Überschuss von CHF 1.2 Mrd. sollte, wie vom Bundesrat vorgeschlagen, dem Amortisationskonto der Schuldenbremse gutgeschrieben und entsprechend für den Abbau der als ausserordentliche Ausgaben verbuchten Corona-Defizite verwendet werden, wie es der Bundesrat auch für den budgetierten Überschuss in der Staatsrechnung 2019 beantragt hatte.
Ergänzend wies Finanzminister Maurer darauf hin, dass das Budget mit sehr vielen Unsicherheiten belastet sei. Je nach Dauer und Anzahl der Corona-Wellen und der Erholungszeit gewisser Bereiche könne sich der Voranschlag durch kommende Nachträge durchaus noch verschlechtern. Man habe hier aber ein Budget ohne Sparmassnahmen erstellt, um der Wirtschaft zu helfen, wieder auf die Beine zu kommen, betonte er.

Der Nationalrat behandelte die einzelnen Budgetposten in sieben Blöcken, beginnend mit den Covid-19-Unterstützungshilfen. Stillschweigend folgte er dem Bundesrat dabei bei den meisten seiner Nachmeldungen, zum Beispiel bezüglich der Leistungen des Erwerbsersatzes, welche der Bundesrat von anfänglich CHF 490 Mio. auf CHF 2.2. Mrd. aufgestockt hatte, nachdem das Parlament im Rahmen des Covid-19-Gesetzes auch indirekt betroffenen Selbständigen Zugang zur EO gewährt hatte; bezüglich der Unterstützung für den Kulturbereich, wie sie in der Herbstsession 2020 in der Kulturbotschaft beschlossen worden war; bezüglich der Arzneimittelbeschaffung; der Lagerhaltung von Ethanol; der Härtefallentschädigung für Vermietende; des öffentlichen Verkehrs oder der Stabilisierung von Skyguide. Minderheitsanträge lagen unter anderem bezüglich der kantonalen Härtefallmassnahmen für Unternehmen vor. Hier hatte der Bundesrat den anfänglichen Verpflichtungskredit von CHF 200 Mio. auf CHF 680 Mio. aufgestockt, eine Minderheit Widmer (sp, ZH) verlangte hingegen eine weitere Erhöhung auf CHF 1 Mrd. Bundesrat Maurer bat den Rat jedoch darum, bei den mit den Kantonen ausgehandelten CHF 680 Mio. zu bleiben, da eine Erhöhung gegen Treu und Glauben verstossen würde – die Kantone müssten entsprechend ebenfalls höhere Beträge sprechen. Zudem wollte dieselbe Minderheit Widmer den Verpflichtungskredit durch einen Zahlungskredit ersetzen, so dass diese Mittel den Kantonen rasch zur Verfügung stehen könnten; die Kommission schlug stattdessen eine Ergänzung des Verpflichtungskredits durch einen entsprechenden Zahlungskredit vor. Finanzminister Maurer kritisierte die Umwandlung, da sie dem Finanzhaushaltsgesetz widerspreche und sich der Bund ja erst beteiligen müsse, wenn die Kantone durch ihre Darlehen Verluste erlitten. Entsprechend müssten die nicht ausgeschöpften Kredite jeweils übertragen werden. Mit 110 zu 78 Stimmen sprach sich der Nationalrat gegen die Minderheit Widmer aus, die immerhin bei den geschlossen stimmenden SP-, Grünen- und GLP-Fraktionen Anklang fand, nahm jedoch den neuen Zahlungskredit stillschweigend an.

Im zweiten Block – Beziehungen zum Ausland und Migration – lagen zwei Gruppen von Minderheitsanträgen vor. So beantragten auf der einen Seite Minderheiten aus der SVP-Fraktion (Grin (svp, VD) und Keller (svp, NW)), Beträge bei der Entwicklungszusammenarbeit, bei multilateralen Organisationen oder bei den Darlehen und Beteiligungen in Entwicklungsländern zu senken und sie damit auf dem Stand des Vorjahres zu belassen. Nicht nur in den Entwicklungsländern, auch in der Schweiz müsse man der schwierigen Rechnungssituation 2021 Rechnung tragen, argumentierte etwa Grin. Auf der anderen Seite versuchten Minderheiten aus der SP- und der Grünen-Fraktion (Friedl (sp, SG) und Wettstein (gp, SO)), unter anderem die Kredite der Entwicklungszusammenarbeit, für humanitäre Aktionen, zur zivilen Konfliktbearbeitung sowie für Integrationsmassnahmen für Ausländerinnen und Ausländer zu erhöhen, um sicherzustellen, dass die APD-Quote, welche auf 0.5 Prozent des BNE festgelegt worden war, auch wirklich erreicht werde. Roland Fischer (glp, LU) verwies für die Kommission darauf, dass die Kredite im Budget den Parlamentsbeschlüssen zu den Zahlungsrahmen für internationale Zusammenarbeit entsprechen und die Kommission entsprechend Erhöhungen oder Kürzungen ablehne. Folglich sprach sich der Nationalrat gegen sämtliche Minderheitsanträge aus, diese fanden denn auch kaum über die jeweiligen Fraktionen hinaus Unterstützung.

Dasselbe Bild zeigt sich im dritten Block, in dem es um die soziale Wohlfahrt ging. Minderheiten Guggisberg (svp, BE) und Nicolet (svp, VD) beantragten tiefere Kredite respektive den Verzicht auf eine Aufstockung der Kredite für Massnahmen zur Gleichstellung von Frauen und Männern, für familienergänzende Kinderbetreuung sowie für den Kinderschutz und die Kinderrechte. Die entsprechenden Aufgaben lägen vor allem in der Kompetenz der Gemeinden und Kantone, weshalb auf eine Aufstockung beim Bund verzichtet werden solle. Eine Minderheit Dandrès (sp, GE) wollte das Budget des Eidgenössischen Büros für die Gleichstellung von Menschen mit Behinderungen aufstocken, weil gerade Menschen mit Behinderungen von der Corona-Pandemie besonders stark getroffen worden seien. Zudem sollte auch der Betrag des Bundesamtes für Verkehr zur Behindertengleichstellung für Investitionen in die Barrierefreiheit aufgestockt werden. Letzterer Betrag sei jedoch nicht gekürzt worden, wie einige Sprechende vermuteten, sondern werde neu über den Bahninfrastrukturfonds finanziert, erklärte Finanzminister Maurer. Auch in diesem Block wurden sämtliche Minderheitsanträge deutlich abgelehnt.

Im vierten Block, in dem es um Kultur, Bildung, Forschung und Sport ging, waren die Bildungsanträge wie in früheren Jahren vergleichsweise erfolgreich. Der Nationalrat stimmte Einzelanträgen von Christian Wasserfallen (fdp, BE) sowie Matthias Aebischer (sp, BE) und einem Minderheitsantrag Schneider Schüttel (sp, FR) zu. Wasserfallen und Aebischer wollten verschiedene Kredite des SBFI und des ETH-Bereichs aufstocken (unter anderem den Finanzierungsbeitrag an den ETH-Bereich und an die Forschungseinrichtungen von nationaler Bedeutung) und damit die Entscheidungen des Nationalrats aus der BFI-Botschaft, die sich gerade im Differenzbereinigungsverfahren befand, aufnehmen. Alle vier Einzelanträge fanden im Rat eine Mehrheit, obwohl sie von der SVP- sowie von mehr oder weniger grossen Teilen der FDP.Liberalen- und der Mitte-Fraktion abgelehnt wurden. Die Minderheit Schneider Schüttel wollte den Betrag bei der internationalen Bildungs-Mobilität verdoppeln und auch in den Finanzplanjahren sehr stark aufstocken, um so ab 2021 die Schweizer Vollassoziierung an Erasmus plus zu finanzieren. Kommissionssprecher Fischer (glp, LU) wies jedoch darauf hin, dass die Bedingungen für die Teilnahme von Drittstaaten noch nicht bekannt seien und man das Geld entsprechend erst dann beantragen wolle, wenn man die genauen Kosten kenne. Der Nationalrat folgte der Kommission diesbezüglich zwar im Voranschlagsjahr, nahm aber die Erhöhungen für die Finanzplanjahre mit 93 zu 86 Stimmen (bei 4 Enthaltungen) an. Erfolglos blieben in diesem Block Kürzungsanträge bei Pro Helvetia, bei verschiedenen Kultureinrichtungen (Minderheiten Guggisberg), deren Kredit die FK-NR aufgrund der Kulturbotschaft aufgestockt hatte, sowie beim Schiesswesen (Minderheit Wettstein).

Landwirtschaft und Tourismus standen im fünften Block im Zentrum und einmal mehr wurde die 2017 angenommene Motion Dittli (fdp, UR; Mo. 16.3705) zum Streitpunkt. Der Bundesrat hatte die Direktzahlungen gegenüber dem Jahr 2020 aufgrund der negativen Teuerung reduziert – gemäss der Motion Dittli soll jeweils die tatsächlich stattgefundene Teuerung verrechnet werden. Die Kommission schlug nun aber vor, zum früheren Betrag zurückzukehren. Der Finanzminister zeigte sich genervt über diesen Entscheid: Die Parlamentarierinnen und Parlamentarier müssten sich überlegen, «ob Sie uns überhaupt solche Aufträge erteilen wollen, wenn Sie sich letztlich nicht daran halten. Das auszurechnen, gibt nämlich einiges zu tun». Mit dieser Darstellung zeigten sich aber verschiedene Sprechende nicht einverstanden. So argumentierten Heinz Siegenthaler (bdp, BE) und Markus Ritter (cvp, SG), dass der Bundesrat in der Botschaft zur Agrarpolitik 2018-2021 die Teuerung nicht ausgleichen wollte und zusätzlich eine nominelle Kürzung vorgenommen habe. Das Parlament habe in der Folge auf die Teuerung verzichtet, aber die Kürzung rückgängig gemacht. Nun dürfe aber keine Teuerung korrigiert werden, die man gar nie gewährt habe. Auch eine linke Minderheit Schneider Schüttel (sp, FR) zeigte sich bereit, die Direktzahlungen zu erhöhen, solange dies zielgerichtet erfolge, und schlug vor, als Reaktion auf das abgelehnte Jagdgesetz eine Krediterhöhung um CHF 1.6 Mio. in den Planungsgrössen den Sömmerungsbeiträgen an die nachhaltige Schafalpung zuzuweisen. Eine zweite Minderheit Schneider Schüttel beantragte, bezüglich der Direktzahlungen dem Bundesrat zu folgen. Der Rat entschied sich in der Folge sowohl für eine Erhöhung um CHF 1.8 Mio. für die Sömmerungsbeiträge als auch für die von der Kommissionsmehrheit vorgeschlagene Erhöhung um fast CHF 17 Mio. und lehnte entsprechend den Antrag der Minderheit II ab. Weitere Minderheitsanträge zur Pflanzen- und Tierzucht und zur Förderung von Innovationen und Zusammenarbeit im Tourismus (Minderheiten Wettstein) fanden keine Mehrheit, jedoch folgte der Nationalrat stillschweigend dem Antrag seiner Kommission, das Globalbudget von Agroscope für deren Restrukturierung um CHF 4.1 Mio. aufzustocken.

Im sechsten Block behandelte der Rat die Themen Verkehr und Umwelt und änderte hier stillschweigend die Sollwerte für die Auslastung des öffentlichen Verkehrs und des Schienengüterverkehrs. Diese sollen überdies auch in den Finanzplanjahren um jährlich 0.1 Prozent steigen. Erfolgreich war auch eine Minderheit Gschwind (cvp, JU), die beantragte, den Kredit für Schäden durch Wildtiere, Jagd und Fischerei nicht zu erhöhen, da hier bereits genügend Mittel vorhanden seien (106 zu 86 Stimmen). Erfolglos blieben Minderheitsanträge auf höhere Kredite für den Technologietransfer und den Langsamverkehr (Minderheit Brélaz: gp, VD) und auf einen tieferen Kredit für Natur und Landschaft (Minderheit Nicolet). Bei der Förderung von Umwelttechnologien wollte die Kommissionsmehrheit den vom Bundesrat vorgeschlagenen Betrag um CHF 3 Mio. erhöhen und den Anfangsbetrag damit fast verdoppeln, was eine Minderheit Gmür bekämpfte. Die Förderung könne auch durch die Privatwirtschaft geschehen, nicht immer durch den Staat – sofern die Projekte gut seien. Die grosse Kammer folgte jedoch ihrer Kommissionsmehrheit.

Im siebten und letzten Block standen Eigenaufwand und Verwaltungsprozesse im Zentrum, wobei der Rat überall seiner Kommission folgte. Er lehnte sämtliche Anträge auf Kürzung, zum Beispiel bei den Parlamentsdiensten, bei denen eine Minderheit Strupler (svp, TG) auf zusätzliches bewaffnetes Sicherheitspersonal im Parlamentsgebäude verzichten wollte, oder bei der Aufstockung des Globalbudgets des BAFU (Minderheit Dandrès), ab. Umstrittener war die Frage, ob das Globalbudget des NDB erhöht und stattdessen der Kredit für Rüstungsaufwand und -investitionen des VBS reduziert werden soll. Eine Minderheit Widmer (sp, ZH) lehnte diesen Austausch ab, der Rat stimmte dem Kommissionsantrag jedoch deutlich zu. Abgelehnt wurde schliesslich auch der Antrag einer Minderheit Schwander (svp, SZ), wonach die gesamten Personalausgaben in den Finanzplanjahren sukzessive auf CHF 6 Mrd. reduziert und dort plafoniert werden sollten. Schliesslich schlug die Kommission vor, für die Zentrale Ausgleichsstelle (ZAS), die für die Durchführung der Sozialversicherungen der 1. Säule zuständig ist, vier neue Planungsgrössen bezüglich einer effizienten Bearbeitung der Versichertendossiers einzuführen, um so deren Effizienz zu steigern. Obwohl Finanzminister Maurer um die Annahme der Minderheiten Fischer und Gysi (sp, SG) für einen Verzicht auf die neuen Sollwerte bat, weil die ZAS inmitten eines Umbaus ihrer Informatik sei, wodurch die Effizienz der Institution ab 2024 gesteigert werden könne, sprach sich der Nationalrat für die Änderung aus.

Insgesamt erhöhte der Nationalrat damit die Ausgaben gegenüber dem bundesrätlichen Entwurf um CHF 726 Mio. und gegenüber der FK-NR um CHF 15 Mio. Offen war schliesslich noch die Frage, welche Kredite als ausserordentliche Ausgaben verbucht werden sollen. Der Bundesrat hatte vorgeschlagen, die Covid-Kosten für die Erwerbsausfallentschädigungen für Selbständigerwerbende (CHF 2.2 Mrd.) und CHF 680 Mio. für die Härtefallhilfe der Kantone als ausserordentlichen Kredite zu behandeln, während die übrigen Corona-bedingten Ausgaben über CHF 2.5 Mrd. dem ordentlichen Zahlungsbedarf zugerechnet werden sollten. Die Kommission beantragte dem Bundesrat zu folgen, während eine Minderheit Fischer (glp, LU) die gesamten Corona-bedingten Mehrkosten von CHF 5.4 Mrd. als ausserordentliche Ausgaben dem Amortisationskonto belasten wollte. Eine einheitliche Verbuchung würde eine höhere Transparenz ermöglichen, erklärte Fischer, zumal es keine objektiven und rechtlichen Kriterien für eine Einteilung in ordentliche und ausserordentliche Ausgaben gebe. Zusätzlich würde dadurch der Schuldenbremse-bedingte Spielraum vergrössert, indem der strukturelle Überschuss von CHF 1.2 Mrd. auf CHF 3.7 Mrd. erhöht würde. Unverändert bliebe dabei das Finanzierungsdefizit in der Höhe von CHF 4.917 Mrd. Auch Finanzminister Maurer bestätigte, dass die Verbuchung keine exakte Wissenschaft sei und entsprechend beide Lösungen möglich wären. Der Bundesrat habe diejenigen Ausgaben, die man «im Voraus» kenne, im ordentlichen Budget untergebracht und einzig die bei der Budgetierung unbekannten Kredite für die EO und die Härtefallhilfen ausserordentlich verbucht. Die Transparenz werde zukünftig durch einen noch zu erstellenden Zusatzbericht hergestellt, welcher die gesamten aufgeschlüsselten Kosten der Covid-19-Krise für den Bund aufzeigen werde. Mit 112 zu 73 Stimmen folgte der Rat gegen den Willen der SP, der Grünen und der GLP der Kommissionsmehrheit. In der darauffolgenden Gesamtabstimmung sprach sich der Nationalrat mit 190 zu 2 Stimmen für seinen Budgetentwurf aus. Die ablehnenden Stimmen stammten von Erich Hess (svp, BE) und Christian Imark (svp, SO). Auch die Bundesbeschlüsse zu den Planungsgrössen, Finanzplanjahren, zum Bahninfrastrukturfonds und dem Nationalstrassen- und Agglomerationsverkehrsfonds wurden jeweils sehr deutlich angenommen.

Voranschlag 2021 mit integriertem Aufgaben- und Finanzplan 2022-2024 (BRG 20.041)
Dossier: Aperçu des finances fédérales 2021: Budget et comptes d'Etat
Dossier: Mesures potentielles visant à réduire le déficit lié au Covid-19

La majorité de la Commission de l'économie et des redevances du Conseil national (CER-CN) a déposé un postulat qui charge le Conseil fédéral d'établir un rapport sur le rôle de la Banque nationale suisse (BNS) pour atteindre les objectifs de développement durable de la Confédération. Une minorité Matter (udc, ZH), emmenée essentiellement par des député.e.s UDC et PLR, s'est opposée au postulat. L'objectif du postulat est de déterminer comment la BNS peut contribuer à la coordination des mesures climatiques dans la finance, et quels sont les effets des risques climatiques et environnementaux sur la stabilité financière.
Le Conseil fédéral s'est montré favorable au postulat. Il a indiqué qu'un tel rapport compléterait les récents développements législatifs en finance durable.
En chambre, l'objet a été adopté par 100 voix contre 83 et 1 abstention. L'UDC et le PLR n'ont réussi à convaincre que 3 député.e.s du groupe du Centre. Les voix du camp rose-vert, rejointes par les Vert'libéraux et la majorité du groupe du Centre, ont fait pencher la balance.

Objectifs de développement durable pour la Banque nationale suisse (Po. 20.3012)
Dossier: Finance durable

In der Herbstsession 2020 wurde das revidierte CO2-Gesetz von den Räten verabschiedet. Es brachte diverse klimapolitische Verschärfungen mit sich, wie beispielsweise ein Emissionsreduktionsziel von minus 50 Prozent bis 2030 im Vergleich zu 1990, die Ergänzung der CO2-Abgabe um eine Flugticketabgabe, die Schaffung eines Klimafonds oder verschärfte CO2-Zielwerte für Personenwagen und Lastwagen ab dem Jahr 2025. Die Reaktionen auf das neue CO2-Gesetz fielen naturgemäss sehr unterschiedlich aus. Es sei das erreicht worden, was politisch, wirtschaftlich und gesellschaftlich möglich sei, resümierte Nationalrat Stefan Müller-Altermatt (cvp, SO). Für Vertreterinnen und Vertreter der Grünen und der Grünliberalen ging das Gesetz nicht weit genug, es sei aber ein veritabler Fortschritt im Vergleich zum Status quo, zudem müsse das Gesetz vor dem Stimmvolk bestehen können. Dieser Einschätzung stimmte auch Greenpeace zu. Gemäss Thomas Matter (svp, ZH) hingegen werde das neue CO2-Gesetz das Klima nicht beeinflussen, jedoch den Mittelstand und die Wirtschaft stark belasten. Die Weltwoche sah dies ähnlich und kritisierte das neue Gesetz scharf. Es sei unter anderem unsozial, unbezahlbar und unnütz – unsozial, weil sich nur noch reiche Personen den hohen Benzinpreis oder eine Flugreise leisten könnten; unbezahlbar, weil es den Mittelstand CHF 40 Mrd. bis CHF 50 Mrd. kosten werde; und unnütz, weil die Schweiz ohnehin nur einen Bruchteil der weltweiten Emissionen verursache.
Mehr zu reden gab jedoch die Ankündigung der SVP und einiger Wirtschaftsverbände (beispielsweise ACS, ASTAG und Swissoil) auf der einen Seite sowie vieler Westschweizer Sektionen der Bewegung «Klimastreik» auf der anderen Seite, das Referendum gegen das CO2-Gesetz ergreifen zu wollen. Während der SVP das CO2-Gesetz zu weit ging, erachtete es die Klimastreikbewegung insgesamt als zu wenig ambitioniert. Die Bewegung überliess es jedoch den einzelnen regionalen Sektionen, wie sie zur Ergreifung des Referendums stehen. Diese sogenannte unheilige Allianz wurde in der Klimastreikbewegung selber unterschiedlich aufgenommen. Während Mediensprecherin Lena Bühler nichts von einer Zerreissprobe wissen wollte, hielt Maya Tharian von der jungen GLP den Entscheid der Westschweizer Sektionen für einen fatalen Fehler. Auch die externen Reaktionen fielen kritisch aus. Die WOZ argumentierte, man solle doch besser das nun vorliegende Gesetz umsetzen, als für ein neues Gesetz kämpfen, das eventuell erst dann in Kraft trete, wenn es schon zu spät sei. Auch der Klimawissenschaftler Reto Knutti von der ETH Zürich bedauerte den Entscheid der Westschweizer Klimastreik-Sektionen. Er vertrat die Ansicht, dass die Klimaaktivistinnen und -aktivisten als Alliierte der SVP nur verlieren könnten.

Révision totale de la loi sur le CO2 pour la période postérieure à 2020 (MCF 17.071)
Dossier: Les protocoles de Kyoto
Dossier: Révision totale de la loi sur le CO2
Dossier: Taxe sur les billets d'avion
Dossier: le changement climatique en suisse

Die in der Regel als relativ unbestritten geltenden Gesamterneuerungswahlen des Bundesgerichts wurden 2020 zur Vorlage für eine fast epische Diskussion um die Gewaltenteilung. Den Wahlen für die Amtsperiode 2021-2026 war nämlich die medial virulent diskutierte Ankündigung der SVP vorausgegangen, Yves Donzallaz, einen der SVP angehörenden Bundesrichter, nicht wiederzuwählen.
Ursprung der Weigerung der SVP war unter anderem ein Entscheid des Bundesgerichtes im Sommer 2019, einem Amtshilfegesuch Frankreichs zuzustimmen, das die Auslieferung von Bankkundendaten verlangte. In diesem Urteil hatte besagter Donzallaz laut Blick «das Zünglein an der Waage» gespielt, zum Unverständnis seiner Partei. In der Folge stellten SVP-Politiker in den Medien offen die Frage, «ob wir Bundesrichter unserer Partei wiederwählen wollen, wenn sie in keiner Weise unser Gedankengut vertreten» – so etwa Fraktionschef Thomas Aeschi (svp, ZG) in der Sonntagszeitung. Pirmin Schwander (svp, SZ) forderte in der gleichen Zeitung gar ein Amtsenthebungsverfahren gegen den eigenen Bundesrichter. Thomas Matter (svp, ZH) wiederum kündigte in der Liberté an, dass er den Namen dieses Richters bei dessen Wiederwahl sicher nicht vergessen werde. Donzallaz war laut der Basler Zeitung bereits 2015 von der Weltwoche als «Abweichler» bezeichnet worden, weil er mitentschieden hatte, dass das Freizügigkeitsabkommen mit der EU Vorrang vor der Masseneinwanderungsinitiative der SVP habe.
Gegen die Reaktion der SVP wurde in den Medien rasch Kritik laut. Sie wurde von vielen Kommentatorinnen und Kommentatoren als Angriff auf die Unabhängigkeit der Judikative oder als Respektlosigkeit gegenüber der Gewaltenteilung verurteilt. Diskutiert wurde in der Folge auch, ob Parteipolitik überhaupt einen Einfluss auf die Rechtsprechung haben dürfe – eine Frage, die auch mit der Justizinitiative einer Antwort harrt, die im Tages-Anzeiger als «grösste Profiteurin der Querelen» bezeichnet wurde. Auch die Weltwoche kritisierte einen Angriff auf die Gewaltenteilung, allerdings aus alternativer Perspektive: Die Judikative setze sich beim Urteil über die Herausgabe der Bankkundendaten im Verbund mit der Exekutive über die Legislative und den Souverän hinweg. Zu reden gab schliesslich auch der unmittelbar nach der SVP-Kritik gefällte Entscheid des SVP-Fraktionschefs Thomas Aeschi, in der Gerichtskommission Einsitz zu nehmen. Die SVP mache «die Richterwahlen zur Chefsache», urteilte die Aargauer Zeitung.

Kurz nach der Entscheidung des Bundesgerichtes im Herbst 2019 ebbte die entsprechende Diksussion zwar wieder ab, allerdings nur um rund ein Jahr später bei der Vorbereitung der Wiederwahl der Richterinnen und Richter des Bundesgerichts wieder sehr laut zu werden. Der Sonntagsblick berichtete rund drei Wochen vor der für die Herbstsession 2020 angesetzten Wahl von mehreren Quellen, die bestätigten, dass die SVP in der vorberatenden GK beantragt habe, Yves Donzallaz nicht mehr als Vertreter der SVP zu behandeln und ihn nicht mehr zur Wiederwahl zu empfehlen. Die Kommissionsmehrheit habe jedoch nicht auf die Forderungen eingehen wollen. In der NZZ gab Donzallaz zu Protokoll, dass die SVP seit Jahren versuche, die Justiz zu instrumentalisieren. Den Versuchen, das Recht einer politischen Ideologie zu unterwerfen, müsse aber entschieden entgegengetreten werden. Er sei nicht verpflichtet, gegenüber einer Partei Entscheidungen zu rechtfertigen. Zwar sei es legitim, die Rechtsprechung zu kritisieren, nicht aber Richterinnen und Richter persönlich anzugreifen. Donzallaz berichtete auch, dass er von keinen Druckversuchen durch andere Parteien wisse. «Ganz ehrlich glaube ich, es handelt sich dabei um ein spezifisches Problem der SVP», betonte er. In der Aargauer Zeitung bestätigte ein ehemaliger SVP-Bundesrichter, der jedoch nicht namentlich genannt werden wollte, dass Druckversuche der Volkspartei schon in den 1990er Jahren vorgekommen seien. Man habe sich aber stets auf den Standpunkt gestellt, dass man nicht auf das Parteibuch vereidigt worden sei.

Einige Wellen warf auch, dass Donzallaz von seiner eigenen Partei vor dem Wahlgeschäft zu einem Hearing eingeladen wurde. Der Bundesrichter selber sprach von einer «Gewissensprüfung». Er habe während der Diskussion vor der Fraktion ausgeschlossen, dass er beim Urteilen ein Parteiprogramm anwenden könne, da er nur Verfassung und Gesetz verpflichtet sei. Für die SVP-Fraktion argumentierte hingegen Gregor Rutz (svp, ZH), dass jede Richterin und jeder Richter eine politische Grundhaltung habe, die das eigene Urteil beeinflussen würde. Der Parteienproporz sei dazu da, dies zu berücksichtigen und auszugleichen. Wenn nun aber ein Richter die Grundhaltung «seiner Partei» nicht mehr teile, dann müsse Letztere korrigierend eingreifen. Laut Tages-Anzeiger machte die SVP ihrem Richter das Angebot, aus der Partei auszutreten. Als Parteiloser würde er auch von der SVP wiedergewählt, sei ihm beschieden worden.

Die politische Kritik am Verhalten der SVP wurde in der Folge lauter. Dass die Volkspartei die Institutionen nicht mehr respektiere, müsse Konsequenzen haben, forderte CVP-Präsident Gerhard Pfister (cvp, ZG) im Tages-Anzeiger. SP-Präsident Christian Levrat (sp, FR) forderte ein Nachdenken über ein neues Wahlsystem, wenn sich die SVP aus dem Konsens über einen freiwilligen Parteienproporz und die Unabhängigkeit der eigenen Richterinnen und Richter verabschiede. Diskutiert wurde etwa eine Wahl auf Lebenszeit, um Unabhängigkeit nach einer gewissen pluralistisch garantierten Wahl zu garantieren. Kritisiert wurden auch die Mandatssteuern, mit denen Richter zu stark an die eigene Partei gebunden würden. Zudem müsste auch eine Anzahl parteiloser Richter gewählt werden, vorgeschlagen etwa von einer unabhängigen Fachkommission. Freilich gab CVP-Bundesrichterin Julia Hänni im Blick zu bedenken, dass die Unabhängigkeit der Judikative in jedem System vor allem auch vom Respekt der Politik vor dieser Unabhängigkeit abhänge.

Am 9. September 2020 entschied die GK, alle wieder antretenden Bundesrichterinnen und Bundesrichter zur Wiederwahl zu empfehlen. Tags darauf gaben die Parteispitzen der CVP, FDP und SP bekannt, den eigentlich für die anstehende Herbstsession geplanten «Konkordanzgipfel», bei dem das Verfahren für die Besetzung des Bundesrats beziehungsweise die Suche nach einer neuen Zauberformel hätten diskutiert werden sollen, nicht durchführen zu wollen. Man könne mit einer Partei, welche die Institutionen geringschätze, nicht über Konkordanz diskutieren – so die Begründung. Die NZZ schlussfolgerte daraus, dass die SVP nicht nur die Unabhängigkeit der Justiz gefährde, sondern auch ihre eigene Position – auf dem Spiel stünden gar die eigenen Bundesratssitze. SVP-Fraktionschef Thomas Aeschi wehrte sich gegen den Vorwurf, die Partei halte nichts von der Gewaltentrennung. Bei den Gesprächen mit Donzallaz habe sich gezeigt, dass dieser die Werte der SVP nicht mehr vertrete. Die Partei könne deshalb die Verantwortung für dessen Wahl nicht mittragen. Seine Weigerung, aus der Partei auszutreten, zeuge zudem von «Charakterschwäche». Über Konkordanz werde man so oder so wieder reden; die Absage des Gipfels sei wohl eher dem Umstand geschuldet, dass man dafür keinen geeigneten Termin gefunden habe.

Noch mehr Öl ins Feuer goss dann die SP mit der Forderung, die Richterwahlen zu verschieben. Fraktionschef Roger Nordmann (sp, VD) wollte einen entsprechenden Ordnungsantrag einreichen. Es sei vor der Wahl abzuklären, wie unabhängig die Richterinnen und Richter der SVP seien. Sollte dieser Antrag nicht durchkommen, drohte Christian Levrat im Sonntagsblick, würde er gegen die Wiederwahl aller SVP-Richterinnen und -Richter stimmen. Auch dies provozierte Kritik: So äusserte sich etwa der Grüne Ständerat Matthias Zopfi (gp, GL) im Tages-Anzeiger, dass die anderen Parteien die Richterwahlen nicht noch mehr «verpolitisieren» sollten. Für GLP-Präsident Jürg Grossen (glp, BE) wäre eine kollektive Nichtwahl eine weitere Schwächung der Institution. Man habe ja kein Problem mit dem Gericht, sondern mit der SVP.

Wie so vieles in der Schweizer Politik wurde dann auch die Wahl der Bundesrichterinnen und Bundesrichter parlamentarisch wesentlich weniger heiss gegessen als es im Vorfeld medial aufgekocht wurde. Freilich wurden am 23. September 2020 in der Vereinigten Bundesversammlung im Rahmen des Ordnungsantrags der SP-Fraktion nochmals die parteipolitischen Klingen gekreuzt. Daniel Jositsch (sp, ZH) führte für seine Partei aus, dass die SVP «den politischen Kampf aus dem Parlament hinaus ins Bundesgericht tragen» wolle. Die Abwahlempfehlung eines eigenen Bundesrichters werfe die Frage auf, ob andere SVP-Richterinnen und -Richter noch unabhängig urteilen würden, wenn sie eine Abwahl befürchten müssten. Die Frage nach der Unabhängigkeit der SVP-Richterinnen und -Richter müsse die GK ab sofort vor jeder Wiederwahl prüfen, weshalb die Wahlen auf die Wintersession verschoben werden sollten. Andrea Caroni (fdp, AR) fasste als Sprecher der GK das Prozedere zusammen: Weil bei keiner der 37 wieder kandidierenden Personen Hinweise auf Amtspflichtverletzung gefunden worden seien, würden auch alle zur Wiederwahl empfohlen – diese Überprüfung sei nota bene die einzige Aufgabe der GK. Alle Fraktionen hätten den Entscheid, alle Richterinnen und Richter zur Wiederwahl zu empfehlen, unterstützt – mit Ausnahme der SVP, die die Wiederwahl von Bundesrichter Yves Donzallaz nicht unterstütze. Man habe in der GK auch über eine Verschiebung der Wahl und eine Art Gewissensprüfung diskutiert, dies aber verworfen, eben gerade weil die Unabhängigkeit der Judikative geschützt werden müsse. Mit einer Verschiebung würden alle 37 Kandidierenden dem Generalverdacht ausgesetzt, «Parteisoldaten» zu sein. Andererseits sei kaum zu erwarten, dass sich aufgrund einer Gewissensprüfung jemand als «fremdgesteuerten Parteisoldat» bezeichnen werde.
In der Folge legte Thomas Aeschi für die SVP auch im Parlament noch einmal dar, weshalb sie ihren Bundesrichter nicht zur Wiederwahl empfehlen könne. «Nicht die SVP politisiert die Justiz; die Justiz hat begonnen zu politisieren», führte der Fraktionschef aus. Da dürfe es nicht verwundern, dass die Zusammensetzung des Bundesgerichtes zum Thema werde. Man befürchte insbesondere, dass EU-Recht über Schweizer Recht gestellt werde, wogegen sich die SVP vehement wehre. Wenn nun aber ein eigener Richter die Werthaltungen seiner Partei nicht mehr teile, dann könne die SVP die Verantwortung für ihn nicht mehr tragen. «Wenn Sie, die anderen Fraktionen, Yves Donzallaz wiederwählen, sind Sie verantwortlich für sein künftiges richterliches Wirken: Dann ist er Ihr Richter, dann ist es Ihre Verantwortung», so Aeschi zum Schluss.

In der Folge wurde der Ordnungsantrag der SP-Fraktion mit 42 zu 190 Stimmen (6 Enthaltungen) abgelehnt – Zustimmung fand er ausschliesslich bei den Mitgliedern der SP-Fraktion. Anschliessend wurden alle 37 Kandidierenden wiedergewählt. Da auf den Wahlzetteln alle 37 Namen standen und lediglich gestrichen werden konnten, interessierten natürlich die individuellen Resultate. Am wenigsten von den 239 möglichen Stimmen erhielt wie erwartet Yves Donzallaz. Seine 177 Stimmen lagen aber klar über den nötigen 120 (absolutes Mehr). Die restlichen Kandidierenden erhielten zwischen 197 (Andreas Zünd, SP) und 236 Stimmen (Luca Marazzi, FDP; Thomas Stadelmann, CVP).
Auch die zur Wiederwahl stehenden 12 nebenamtlichen Bundesrichterinnen und -richter schafften die erneute Wahl problemlos (mit zwischen 220 und 236 von 240 möglichen Stimmen). Für den zurücktretenden Ulrich Meyer (SP) wurde Christoph Hurni (GLP) zum ordentlichen Richter gewählt (mit 232 von 241 Stimmen; 9 Wahlzettel blieben leer). Und schliesslich barg auch die Ergänzungswahl von sechs nebenamtlichen Richterinnen und Richtern keine Überraschungen mehr. Auch hier erhielten alle mehr als 200 von 239 möglichen Stimmen.

Freilich – so schloss die NZZ bereits am Tag vor der Wahl – stand das Schweizer Justizsystem bei diesen Wiederwahlen auf dem Prüfstand, auch wenn der Wahltag selbst ohne Überraschung endete. Eine Justizreform sei unumgänglich, folgerte auch der Tages-Anzeiger. Der Angriff der SVP sei zwar gescheitert und ein «Psychodrama» sei verhindert worden – so auch Le Temps, Tribune de Genève und Liberté –, die Justiz stehe nun aber unter Spannung. Dafür, dass die Diskussionen um die Wahl von Richterinnen und Richtern nicht versandet, wird auf jeden Fall die Justiz-Initiative sorgen.

Bundesgericht. Gesamterneuerungswahlen für die Amtsperiode 2021-2026
Dossier: Indépendance du pouvoir judiciaire

Am frühen Montagmorgen des 21. Septembers 2020, also zu Beginn der dritten Woche der Herbstsession der eidgenössischen Räte, besetzten einige Hundert Klimaaktivistinnen und Klimaaktivisten den Bundesplatz vor dem Bundeshaus in Bern. Die Medien waren sich rasch einig, dass dies ein geschickter, medienwirksamer Schachzug war, um die Aufmerksamkeit auf sich zu lenken. Die Forderungen der Gruppierung, die sich «Rise up for Change» nennt, waren sehr vielfältig und bestanden gemäss einzelnen Medienberichten etwa aus der ökologischen Ausrichtung der Landwirtschaft oder der Verpflichtung des Finanzsektors, seine Geldflüsse offenzulegen. Auch sollen die Banken aufhören, in die fossile Industrie zu investieren. Zudem sei die Bevölkerung bei der Umsetzung der Klimaziele besser einzubeziehen. Da Kundgebungen auf dem Bundesplatz während den Sessionen des Parlaments seit 1925 verboten sind, war die Besetzung des Bundesplatzes illegal. Die Stadtberner Regierung stellte den Aktivistinnen und Aktivisten am Montagabend ein Ultimatum, den Bundesplatz bis am Dienstagmittag zu verlassen. Wie die Medien berichteten, gab es bereits vor diesem Ultimatum von Seiten des Ratsbüros von National- und Ständerat und von Politikerinnen und Politikern von rechts bis in die politische Mitte die Forderung an die Stadt Bern, den Bundesplatz schnellstmöglich zu räumen. Christian Imark (svp, SO) forderte den Bundesrat per Motion gar dazu auf, die Stadt Bern zu enteignen und somit auf dem Bundesplatz zukünftig selber für die Durchsetzung von Recht und Ordnung zu sorgen. Viele Politiker und Politikerinnen von rechts-bürgerlicher Seite, beispielsweise Peter Keller (svp, NW) oder Hans-Peter Portmann (fdp, ZH), warfen der Berner Stadtregierung vor, zu wenig hart durchzugreifen. Auch für die Medien war die Haltung der Berner Stadtregierung Anlass für ausführliche Berichterstattung. Sie spekulierten teilweise, dass sich die rot-grüne Berner Exekutive im Dilemma zwischen Durchsetzung der Rechtstaatlichkeit einerseits und Sympathie für die Protestierenden andererseits befinde und vor den Wahlen im November 2020 keine Fehler machen wolle. Linke Politikerinnen und Politiker äusserten mehr Verständnis für die Aktion und für die Haltung der Stadtregierung. Aline Trede (gp, BE) und Balthasar Glättli (gp, ZH) forderten in den Medien denn auch, das Verbot von Kundgebungen während der Session aufzuheben. Nachdem die Klimaaktivistinnen und -aktivisten auch ein zweites Ultimatum der Stadt Bern hatten verstreichen lassen, wurde das Camp rund 48 Stunden nach Beginn der Aktion von der Berner Polizei und Feuerwehr geräumt. Ob und was die Aktion für die Klimapolitik gebracht hatte, wurde von den Zeitungen unterschiedlich eingeschätzt. Die Weltwoche schrieb von «Erosion des Rechtsstaates» und «rechtsstaatlicher Verlotterung» und die NZZ war der Ansicht, dass die Platzbesetzung dem Anliegen des Klimaschutzes eher schade. Dem stimmte ein Kommentar im Blick zu, wonach die Aktivistinnen und Aktivisten mit dieser Aktion viele Leute verschreckt und keine neuen Sympathisanten dazu gewonnen hätten. Die linke Wochenzeitung fand den zivilen Ungehorsam angesichts der weltweiten Klimaerwärmung hingegen gerechtfertigt. Weiter wurde von den Medien vermutet, dass die Räumung den Klimaaktivisten helfe, weil nichts so langweilig gewesen wäre, wie ein Protest, der nicht geräumt werde, dann langsam an Besetzerinnen und Besetzern verliere und so schliesslich im Sande verlaufe. Auch habe die Klimabewegung durch das Protestcamp wieder an Schwung gewonnen, nachdem die Klimapolitik über Monate hinweg von der Corona-Pandemie überschattet worden sei.

Besetzung des Bundesplatzes durch Klimajugend
Dossier: le changement climatique en suisse

Im Sommer 2020 drängten zahlreiche Politikerinnen und Politiker aus verschiedenen Parteien auf eine Nachfolgelösung für das EU-Austauschprogramm Erasmus+ ab 2021. Momentan beteiligt sich die Schweiz im Rahmen des «Swiss-European Mobility Programme» als Drittland an den Aktivitäten des Bildungsprogramms Erasmus+, nachdem die Vollassoziierung aufgrund der Abstimmung zur Masseneinwanderungsinitiative in 2014 vonseiten der EU ausser Kraft gesetzt worden war. Die Parlamentarierinnen und Parlamentarier äusserten sich sowohl im Rahmen von parlamentarischen Debatten – bei der BFI-Botschaft 2021-2024, bei der Totalrevision des Gesetzes über die internationale Zusammenarbeit und Mobilität in der Bildung oder im Rahmen eines spezifischen Vorstosses zur Nachfolgelösung von Erasmus+ – sowie durch Äusserungen in den Medien. Im Zentrum der Kritik stand allen voran Bildungsminister Parmelin. Dieser agiere zögerlich und scheue wohl die Kosten einer Vollassoziierung, wie Christoph Eymann (ldp, BS) mutmasste. Eric Nussbaumer (sp, BL) stufte das Verhalten des Gesamtbundesrates als intransparent ein. Auch von Seiten der Studierenden und jungen Erwachsenen wurde Kritik laut; im Mai 2020 hatte die SAJV eine Petition lanciert, welche die Vollassoziierung an die Nachfolgelösung von Erasmus+ forderte; diese wurde auch vom VSS sowie von links-grünen Parteien unterstützt. Seitens der Universität Basel wurde an der derzeitigen Vereinbarung kritisiert, dass einige ausländische Universitäten die Zusammenarbeit nicht weiterführen würden, solange die Schweiz nicht an der Nachfolgelösung von Erasmus+ teilnehme. Zudem gebe es keine Rechtssicherheit, «weil die Partneruniversitäten nicht verpflichtet seien, die Verträge mit den Schweizer Unis weiterzuführen». Es gab aber auch Stimmen, die dem EU-Austauschprogramm eher kritisch gegenüberstanden. So stufte Peter Keller (svp, NW) die jetzige Lösung als sinnvoll ein, zumal eine Vollassoziierung an die Nachfolgelösung von Erasmus+ wahrscheinlich ziemlich teuer sein werde. Die Weltwoche war der Ansicht, dass der Austausch auf jeden Fall weitergeführt werde, entweder im Rahmen der bestehenden Lösung oder mit der Schweiz als Vollmitglied. Und falls es doch wider Erwarten nicht zu einer Einigung käme, sei dies auch nicht so dramatisch, zumal solche Auslandsaufenthalte ohnehin überbewertet würden, schrieb die Zeitung weiter.

Drängen auf Nachfolgelösung für Erasmus+

Das Gosteli Archiv in Ittigen bei Bern beherbergt die Sammlung zur Geschichte der schweizerischen Frauenbewegung. Seit einigen Jahren kämpfte die Stiftung, der das Archiv gehört, mit finanziellen Schwierigkeiten. Aufgrund dieser Schwierigkeiten hatten fünf Parlamentarierinnen je ein gleichlautendes Postulat eingereicht, in welchem sie den Bundesrat aufgefordert hatten, in einem Bericht den Fortbestand des Archivs zusammen mit dem Kanton Bern und allenfalls weiteren Institutionen zu klären und aufzuzeigen, mit welchen gesetzlichen Grundlagen eine subsidiäre Finanzierung durch den Bund erfolgen könnte. In seinem Postulatsbericht stellte der Bundesrat drei Lösungen vor. So könnte die Stiftung einerseits im Rahmen des FIFG beim SBFI eine subsidiäre Finanzierung beantragen. Alternativ wären die teilweise oder die komplette Integration des Archivs in den Bestand des BAR denkbar.
Die WBK-NR beschloss im Anschluss an diesen Bericht, eine Motion einzureichen und den Bundesrat zu beauftragen, in der BFI-Botschaft 2021-2024 den Betrag von CHF 4 Mio. für die Gosteli-Stiftung aufzunehmen. Um die Gosteli-Stiftung zu sichern und in eine für Bildung und Wissenschaft nachhaltig nutzbare Institution zu überführen, seien gemäss Schätzung des Stiftungsrats finanzielle Mittel von jährlich total CHF 2 Mio. notwendig. Die restliche Finanzierung würde über den Kanton Bern und Drittmittel sichergestellt, so die WBK-NR.
Der Bundesrat erläuterte in seiner Stellungnahme, dass die Stiftung unterdessen beim SBFI ein Gesuch eingereicht habe, nun sei der Schweizerische Wissenschaftsrat daran, zuhanden des SBFI alle für die Finanzierungsperiode 2021-2024 erhaltenen Gesuche zu prüfen. Diese Prüfung müsse nun abgewartet werden. Der Bundesrat beantragte entsprechend die Ablehnung der Motion.
Der Nationalrat beugte sich im Sommer 2020 über das Geschäft. Matthias Aebischer (sp, BE) erläuterte, dass die grundsätzliche Unterstützung der Gosteli-Stiftung in der WBK-NR unbestritten war. Beim richtigen Vorgehen sei man sich dagegen uneinig gewesen. Eine Mehrheit wolle den Entscheid des Wissenschaftsrates nicht abwarten und wolle den Bundesrat jetzt beauftragen, die Weiterentwicklung des Gosteli-Archivs auf der Grundlage des FIFG sicherzustellen. Eine Minderheit sei der Meinung, man müsse zuerst den Expertenentscheid des Wissenschaftsrates abwarten. Peter Keller (svp, NW) ergänzte für diese Minderheit, dass Ende 2020 eine Antwort des Wissenschaftsrates vorliege. Es gebe keinen Grund, «diesem Prozess vorzugreifen oder hier auf Parlamentsebene hineinzupfuschen». Es könne nicht angehen, dass geschicktes Lobbyieren darüber entscheide, ob eine Organisation auf Bundesgelder zählen könne oder nicht. Am Ende der Debatte nahm der Nationalrat das Geschäft deutlich mit 100 zu 50 Stimmen bei 2 Enthaltungen an.

Erhalt des Gosteli-Archivs (Mo. 20.3006)
Dossier: Archives Gosteli

Im September 2019 reichte Maximilian Reimann (svp, AG) eine parlamentarische Initiative ein, mit der er Erträge aus Negativzinsen der Schweizerischen Nationalbank der Altersvorsorge zugutekommen lassen wollte, statt diese wie bis anhin dem Reingewinn der SNB zuzuschlagen. Ob die gesamten Erträge in die AHV geleitet oder Teile davon auch für die zweite oder dritte Säule verwendet werden sollten, liess er ausdrücklich offen. Zwar bezeichnete Reimann die Erhebung der Negativzinsen als «sinnvolle und zweckmässige währungspolitische Massnahme», kritisierte aber deren Folgen für die Altersvorsorgeeinrichtungen. Nachdem Reimann, der aufgrund der parteiinternen Alters- und Amtszeitregelung nicht mehr auf der SVP-Liste angetreten war, bei den eidgenössischen Wahlen 2019 seinen Nationalratssitz verloren hatte, übernahm Thomas Matter (svp, ZH) die Initiative.
Im Mai 2020 entschied sich die WAK-NR aufgrund der finanziellen Folgen der Corona-Krise für die AHV mit 14 zu 10 Stimmen, eine eigene, weitgehend mit der Initiative Reimann übereinstimmende parlamentarische Initiative (Pa.Iv. 20.432) einzureichen. Der zentrale Unterschied bestand darin, dass sich die Kommissionsinitiative ausdrücklich auf die Finanzierung der AHV konzentrierte und die berufliche und private Vorsorge von der Regelung ausnahm. In der Folge zog Matter die Initiative Reimann zurück.

Erträge aus Negativzinsen der SNB sollen der Altersvorsorge zugutekommen (Pa.Iv. 19.481)
Dossier: Que faire des bénéfices de la Banque nationale suisse ?

Nachdem die Sistierung des Doppelbesteuerungsabkommens mit Saudi-Arabien Ende 2019 aufgehoben worden war, hatte die WAK-NR das inhaltlich unbestrittene Abkommen dem Nationalrat zur Annahme empfohlen.
Kommissionssprecher Lüscher (fdp, GE) betonte die wichtige diplomatische Rolle der Schweiz in der Vermittlung zwischen Saudi-Arabien, Iran und den USA und plädierte für die Stärkung dieser Bindung. Auch wenn der Mord an Kashoggi «abstossend» sei, so könne die Schweiz derartige Staaten nur durch die Fortsetzung bilateraler Beziehungen für Themen wie Menschenrechte sensibilisieren, nicht durch das «Abbrechen von Brücken». Nach dem Abschluss eines Freihandelsabkommens und der Einführung des AIA zwischen den beiden Ländern, sei es zudem naheliegend gewesen, ein DBA auszuhandeln. Eine Minderheit Pardini (sp, BE) beantragte das Eintreten und die sofortige Rückweisung an den Bundesrat mit dem Auftrag, eine Strategie für den Umgang mit Saudi-Arabien vorzulegen. Jacqueline Badran (sp, ZH) stellte gar die Neutralität der Schweiz in Frage, wenn diese mit Ländern, welche «systematisch Menschenrechte mit Füssen treten», wirtschaftliche Kooperationen eingehe. Auch Céline Amaudruz (svp, GE) sprach sich im Namen ihrer Fraktion gegen das Abkommen aus, da die Schweiz in der Regel mehr Informationen ans Ausland liefere als umgekehrt und der Informationsaustausch eine Verletzung der finanziellen Privatsphäre der betroffenen Institutionen darstelle.
Die meisten Ratsmitglieder gaben sich jedoch mit dem bundesrätlichen Bericht zur Beziehung mit Saudi-Arabien zufrieden und legten dem Abkommen keine Steine in den Weg. Mit 120 zu 66 Stimmen (bei 0 Enthaltungen) beschloss der Nationalrat, auf die Vorlage einzutreten, und verzichtete auf die geforderte Rückweisung. Nicht ganz so eindeutig präsentierte sich die Situation bei der Schlussabstimmung, bei der das DBA mit einer deutlichen Mehrheit von 119 zu 71 Stimmen (bei 2 Enthaltungen) abgelehnt wurde. Grund für das überraschende Resultat sei ein Fauxpas der SVP-Fraktion gewesen, bei der eine Mehrheit «den falschen Knopf gedrückt» habe, wie Thomas Matter (svp, ZH) in seinem Ordnungsantrag zur Abstimmungswiederholung erklärte. Dieser Sinneswandel stand im Widerspruch zur Stellungnahme von Nationalrätin Amaudruz während der Debatte. Dem Ordnungsantrag wurde stattgegeben, was die SVP nutzte, um dem Abkommen bei 111 zu 78 Stimmen (bei 5 Enthaltungen) zur Annahme zu verhelfen.

Doppelbesteuerungsabkommen mit Saudi-Arabien
Dossier: Conventions contre les doubles impositions

Selon Leo Müller (pdc, LU), la conversion vers une économie durable passe principalement vers des investissements durables qui se profilent comme l'un des principaux leviers de cette transformation. Alors que la Suisse se positionne déjà sur le marché prometteur de la finance durable, le parlementaire lucernois a déposé une motion pour faciliter les investissements durables. Il a notamment demandé au Conseil fédéral de simplifier l'information et de renforcer la transparence en améliorant la base de données disponible en terme de finance durable.
Le Conseil fédéral, qui a précisé qu'un rapport sur la finance durable était en cours d'élaboration, s'est montré favorable à la motion. Bien que combattue par Thomas Matter (udc, ZH), la motion a été adoptée à la chambre du peuple par 134 voix contre 52. Seul l'UDC et 1 voix PLR se sont opposées à la motion.

Fixer des flux financiers durables (Mo. 19.4313)
Dossier: Finance durable

En considérant le rôle prépondérant de la finance dans le développement durable, Adèle Thorens Goumaz (verts, VD) a déposé un postulat qui charge le Conseil fédéral d'évaluer la compétitivité de la place financière helvétique en terme de durabilité. Le postulat a été repris par Bastien Girod (verts, ZH). Bien que combattu par Thomas Matter (udc, ZH), il a été adopté par la chambre du peuple par 132 voix contre 49 et 3 abstentions. Seule l'UDC s'est opposée au postulat. Le Parlement a donc suivi le Conseil fédéral qui préconisait l'adoption du postulat. En effet, il s'inscrit dans la dynamique induite par la création d'un groupe de travail, chapeauté par le Secrétariat d'Etat aux questions financières internationales (SFI), sur la finance durable.

Comment maintenir la compétitivité de la secteur financier? (Po. 19.3127)
Dossier: Finance durable

Die Interessenbindungen der Parlamentsmitglieder gaben stets Anlass zu Diskussionen. Seit der Änderung des Parlamentsgesetzes 2002 müssen Parlamentsmitglieder bei Amtsantritt alle ihre beruflichen Tätigkeiten, die Tätigkeiten in Führungs- und Aufsichtsgremien und Beiräten oder ihre Beratungs- und Expertentätigkeiten offenlegen. Das Register dieser Interessenbindungen wird von den Parlamentsdiensten geführt, nachgetragen und veröffentlicht. Zwar werden also die Mandate ausgewiesen, darüber welche Mandate in welchem Umfang bezahlt werden, herrscht aber wenig bis keine Transparenz und verschiedene Anläufe, dies zu ändern, waren in der Vergangenheit jeweils gescheitert.

Allerdings schien der gesellschaftliche Druck diesbezüglich 2019 zu wachsen. Im «Ämtlisammeln» seien die Bundespolitiker emsig wie Bienen, kritisierte etwa der «Blick» die über 2'000 Interessenbindungen der 246 Parlamentsmitglieder. Darunter befänden sich auch zahlreiche «gut bezahlte Pöstchen». SP-Nationalrätin Mattea Meyer (sp, ZH) wolle dies mit einer parlamentarischen Initiative ändern. Um finanzielle und politische Interessen durch lukrative Mandate nicht zu vermischen – der «Blick» zitierte die Nationalrätin mit den Worten «das geht in manchen Fällen Richtung Käuflichkeit und Korruption» – fordere Meyer einen «Lohndeckel für Ämtlisammler», lobte die Zeitung. Einnahmen aus solchen Mandaten dürften laut der Forderung nicht höher sein als die Entschädigung für die Parlamentsarbeit.

Das Thema Transparenz war freilich nicht nur ein linkes, sondern auch ein rechtes Anliegen. Auch Peter Keller (svp, NW) kommentierte in der «Weltwoche», dass Zusatzbezüge offengelegt werden müssten. Das Parlament sei verseucht, weil sich ein «Söldnerwesen» ausbreite: «Gewählte Volksvertreter sind in Wahrheit als bezahlte Lobbyisten, Pöstli-Jäger und Verbandsfunktionäre unterwegs», so der Nationalrat. Auslöser für den Beitrag von Keller war eine Untersuchung der «Weltwoche», die der Frage nach der Käuflichkeit von Politikerinnen und Politikern nachging. Parlamentsmitglieder würden bis zu 30 Mandate anhäufen und sich dafür stattlich bezahlen lassen. «Topverdiener» würden wohl gegen eine Million Franken verdienen, rechnete das Wochenblatt vor. Ähnliche Zahlen präsentierte Cédric Wermuth (sp, AG) in seinem von ihm veranlassten «Lobby-Report», in dem zwei Journalisten auflisteten, wie viel Geld die Finanz- und Versicherungsbranche an Politikerinnen und Politiker bezahlten. Die Vergütung dieser rund 200 untersuchten Mandate – knapp zehn Prozent aller Mandate im Parlament – schätzten sie auf rund CHF 6.5 Mio. – eine Zahl, die in den Medien einiges Echo fand. Beide Untersuchungen zeigten freilich vor allem, wie schwierig es ist, verlässliche Zahlen zu erhalten, die ohne Transparenz lediglich Schätzungen sein können.

Diskutiert wurde zudem die Idee einer Volksinitiative, mit der die Transparenz von Nebeneinkünften gefordert wurde. Ein ähnliches Begehren war bereits 2011 lanciert worden, letztlich aber an der Unterschriftenhürde gescheitert. Einer der damals federführenden Initianten, Lukas Reimann (svp, SG), gab dem «Sonntags-Blick» zu Protokoll, dass es in den letzten Jahren noch «viel schlimmer» geworden sei. Es sei offensichtlich, dass «etliche» Parlamentsmitglieder «im Interesse ihrer Geldgeber stimmten». Damals wie heute mit im Komitee sass auch Aline Trede (gp, BE). Es gebe zahlreiche Parlamentarierinnen und Parlamentarier, die «ein Nebenamt bei einer Krankenkasse haben und munter das Gesundheitswesen prägen», so die Nationalrätin ebenfalls im Sonntags-Blick. Wer sich nicht an die Offenlegungspflicht halte oder betrüge, solle aus den Kommissionen verbannt werden, so die Forderung der Initiative, für die allerdings bis Ende 2019 die Unterschriftensammlung nicht gestartet worden war.

Kurz vor den eidgenössischen Wahlen lancierte auch Regula Rytz (gp, BE) einen in den Medien aufgenommenen Vorstoss in Form einer parlamentarischen Initiative, der sich den Europarat zum Vorbild nahm. Dort müssen alle Einnahmen über € 200 mit Herkunft angegeben werden. Dieser Regelung unterwarfen sich aktuell zehn der zwölf Bundesparlamentarierinnen und -parlamentarier, die im Parlament des Europarates sitzen. Alfred Heer (svp, ZH), einer dieser zehn, glaubte allerdings nicht an den Nutzen dieser Transparenz. Die Angaben würden nicht überprüft und es könnten beliebige Erträge angegeben werden. Thomas Müller (svp, SG), neben Hannes Germann (svp, SH) einer der beiden Parlamentarier, die sich als Mitglied der Delegation den Regeln nicht unterwerfen wollten, befand in der Aargauer Zeitung, dass auch Politiker «Anspruch auf Privatsphäre» hätten. Was er verdiene, gehe niemanden etwas an. Hannes Germann warnte, dass die angestrebte Regelung in der Schweiz viele Leute abschrecken könnte, ein Parlamentsmandat zu übernehmen, weil sie in einem Milizsystem ja auf Einkünfte neben den Parlamentarierentschädigungen angewiesen seien.

Transparenz bei der Bezahlung von Mandaten von Parlamentsmitgliedern
Dossier: Lobbyisme au palais fédéral

Nur einen Tag später ging die Debatte um den Voranschlag 2020 im Nationalrat weiter. Auch dieses Jahr drehte sich die Eintretensdebatte vor allem um die Frage, wie gut die wirtschaftliche Lage des Bundes wirklich sei und wie grosszügig das Parlament folglich mit dessen finanziellen Ressourcen umgehen könne. Eintreten war nicht umstritten, ganz im Gegensatz zur Detailberatung: Neben den Mehrheitsanträgen standen zahlreiche Minderheitsanträge der SP- und der SVP-Fraktion auf dem Programm. Doch obwohl der Nationalrat den Voranschlag während über 9 Stunden diskutierte, schuf er – verglichen mit der Anzahl Minderheitsanträge – nur wenige Differenzen zum Ständerat.
Die meisten dieser Differenzen waren im Nationalrat unumstritten, etwa die Erhöhung des Globalbudgets der Berufungskammer des Bundesstrafgerichts um CHF 709’300 CHF. In verschiedenen Fällen verband die Kommission zudem Aufstockungen mit der Definition neuer Grenz- und Sollwerte oder der Neudefinitionen der Rahmenbedingungen der Kreditverwendung, Instrumenten des Neuen Führungsmodells des Bundes für die Bundesverwaltung. Mit diesen können Bedingungen zur Verwendung der Gelder mit Budgetpositionen verbunden werden. Die Aufstockung des Globalbudgets der Landwirtschaft um CHF 500'300 begründete der Nationalrat mit der drohenden Unterfinanzierung des Aufbaus des Kompetenzzentrums Boden und definierte dessen Finanzierung als Rahmenbedingung für den Kredit. Auch die Forschungsbeiträge für die Landwirtschaft erhöhte er zugunsten des Forschungsinstituts für biologischen Landbau um CHF 2.5 Mio. im Voranschlagsjahr sowie in den Finanzplanjahren. Gegen die Aufstockung der Direktzahlungen für die Landwirtschaft stellte sich eine Minderheit Schneider Schüttel (sp, FR), die diesbezüglich dem Ständerat folgen wollte, jedoch mit 63 zu 127 Stimmen (bei 2 Enthaltungen) unterlag. Abgelehnt hatten die Änderung die einstimmig stimmenden SP- und GLP-Fraktionen sowie Minderheiten der FDP- und der Grünen-Fraktion. Auf Antrag Mattea Meyer (sp, ZH) stockte der Nationalrat mit 112 zu 81 Stimmen (bei 1 Enthaltung) auch das Globalbudget des Fedpol im Voranschlagsjahr sowie in den Finanzplanjahren um CHF 600'000 auf. Damit sollte eine Reduktion aus den Finanzplanjahren 2017 bis 2019 korrigiert werden, um damit eine Stellenaufstockung um vier Stellen zur Erfüllung der Zentralstellenaufgaben des Fedpol im Bereich Internetkriminalität, insbesondere der Pädokriminalität, zu ermöglichen. Die SVP- und die FDP-Fraktionen hatten sich dagegen gewehrt, weil diese Stellen intern über das Globalbudget finanziert werden sollten, wie Albert Vitali (fdp, LU) betonte.
Sparsamer als der Ständerat zeigte sich die grosse Kammer bezüglich der finanziellen Unterstützung von Selbsthilfeprojekten beim Bundesamt für Justiz: Hier sperrte sie sich stillschweigend gegen die vom Ständerat beschlossene Ausgabenerhöhung auf CHF 2 Mio. Ohne Minderheit akzeptiert wurden auch die Anträge zum SEM: Die Betriebsausgaben zu den Bundesasylzentren senkte der Rat nach Absprache der Kommission mit dem SEM um CHF 27 Mio. und die Beiträge für die Sozialhilfe Asylsuchender und vorläufig Aufgenommener reduzierte er aufgrund aktualisierter Zahlen um 12.8 Mio. Dies obwohl Finanzminister Maurer darauf hingewiesen hatte, dass man damit an den Leistungen des Bundes «überhaupt nichts» ändere, denn diese seien gesetzlich vorgegeben. Ein solcher Beschluss führe später aber allenfalls zu Nachtragskrediten, wenn sich die Flüchtlingssituation ändern sollte.
Umstritten waren auch im Nationalrat vor allem die Bildungsausgaben. Diesbezüglich lagen neben dem Mehrheitsantrag drei Minderheitsanträge vor. Die Mehrheit wollte in den meisten Bildungsfragen dem Bundesrat folgen und die Bildungsausgaben nicht um die ehemaligen Teuerungsbeiträge erhöhen. Einzig bezüglich der Berufsbildung befürwortete sie eine zusätzliche Erhöhung. Eine Minderheit I Schneider Schüttel forderte, dem Ständerat folgend, die im Rahmen der BFI-Botschaft 2017-2020 beschlossenen Beträge, eine Minderheit II Bourgeois (fdp, FR) bevorzugte hingegen mehrheitlich einen Mittelweg zwischen Ständerat und Bundesrat. Dieser basierte auf den Aufstockungen des Budgets im Bildungsbereich, welche das Parlament bereits 2019 vorgenommen hatte, abzüglich der Teuerungskorrektur nach Dittli (fdp, UR; Mo. 16.3705) um -0.1 Prozent. Mit 132 zu 60 Stimmen (bei 1 Enthaltung) und 139 zu 52 Stimmen (bei 2 Enthaltungen) setzte sich die Minderheit II gegen die Minderheit I und die Mehrheit durch. Zudem sprach sich der Nationalrat beim Bildungsbudget zusätzlich für eine Minderheit III Schneider Schüttel aus, welche bei den Institutionen der Forschungsförderung eine zusätzliche Erhöhung um CHF 1.1 Mio. forderte, die zugunsten der Akademien der Wissenschaften Schweiz eingesetzt werden sollte.
Schliesslich nahm der Nationalrat verglichen mit dem Ständerat einige Änderungen bei den Sollwerten vor, insbesondere im Gesundheitsbereich. Der Messwert für den Anteil Rauchender in der Bevölkerung, gemäss dem nicht mehr als 25 Prozent der Bevölkerung rauchen sollen, wurde gestrichen, da dessen Messung gemäss Kommission keine Aufgabe des Staates sei. Dies obwohl Finanzminister Maurer vor der Streichung gewarnt und diese als falsches Signal bezeichnet hatte. Gesteigert werden sollte hingegen der Anteil Arztpraxen mit elektronischer Krankengeschichte der Patientinnen und Patienten. Heute liegt dieser bei 76 Prozent, im Jahr 2020 soll er bei 80 Prozent zu liegen kommen und für die Finanzplanjahre weiter gesteigert werden. Bei der Militärversicherung soll der Anteil der Verwaltungskosten an den Gesamtkosten von 10.7 Prozent auf 10 Prozent gesenkt werden. Diese Änderungen waren nicht umstritten, genauso wenig wie die Reduktion des Grenzwertes zum Auftreten von gentechnisch verändertem Raps entlang von Bahngeleisen (von 0.5 Prozent auf 0.25 Prozent aller untersuchten Proben). Schliesslich erhöhte der Nationalrat auch die Messgrösse bei den Besucherinnen und Besuchern der bundeseigenen Museen von 60'000 auf 65'000 Personen – obwohl dies gemäss Bundesrat Maurer «nicht mehr Leute in die Museen» locken werde.
Die übrigen Änderungen, meistens beantragt von Mitgliedern der SP- oder der SVP-Fraktion, lehnte die Ratsmehrheit jeweils deutlich ab. Verschiedene linke Minderheiten setzten sich für Budgeterhöhungen im Bereich des Umweltschutzes ein. So versuchte eine Minderheit Schneider Schüttel unter anderem die Überprüfung von Wirkstoffen zur Senkung des Risikos von Pflanzenschutzmitteln für aquatische Organismen für das Jahr 2020 von 20 auf 30 Wirkstoffe zu erhöhen sowie die dazu nötigen acht zusätzlichen Stellen bei vier verschiedenen Bundesämtern zu schaffen. Mit 105 zu 84 Stimmen (bei 1 Enthaltung) lehnte der Rat den Antrag gegen den Willen der SP-, GPS- und GLP-Fraktionen sowie der Mitglieder der EVP ab. Da sich der Überprüfungsrhythmus an jenen der EU anlehne, sei eine Aufstockung hier nicht angebracht, erklärte Alois Gmür (cvp, SZ) für die Kommission. Eine weitere Minderheit Schneider Schüttel wollte CHF 20 Mio. mehr für die Revitalisierung von Gewässern einsetzen, weil die Nachfrage nach Bundesmittel in diesem Bereich stark angestiegen sei und im kommenden Jahr zahlreiche Projekte realisiert werden sollten. Mit 96 zu 95 Stimmen (bei 3 Enthaltungen) lehnte der Rat jedoch auch diesen Antrag ab, wobei Kommissionssprecher Gmür darauf hinwies, dass bei tatsächlichem Fehlen von Mitteln Nachtragskredite eingereicht werden könnten. Zudem setzte sich eine Minderheit Masshardt (sp, BE) für eine Verdoppelung des Betrags für den Technologietransfer beim Bundesamt für Energie von CHF 20 Mio. auf CHF 40 Mio. ein. Dieses Geld diene dazu, dass neue, noch nicht marktreife Technologien erprobt werden könnten. Eine Erhöhung sei nicht nötig, weil die Privatwirtschaft solche Ideen kostensparend entwickeln könne, argumentierte Sandra Sollberger (svp, BL) und begründete damit auch ihre Minderheit II Sollberger, die den Betrag auf CHF 10 Mio. reduzieren wollte. Mit 142 zu 52 Stimmen respektive 107 zu 86 Stimmen (bei 1 Enthaltung) setzte sich der Mehrheitsantrag gegen die Anträge der Minderheit II respektive der Minderheit I durch.
Doch nicht nur im Umweltbereich, auch zu anderen Themen reichte die SP-Fraktion erfolglos Vorstösse ein. So wollten linke Minderheiten etwa das Globalbudget des Eidgenössischen Büros für die Gleichstellung von Frau und Mann aufstocken, die Kulturabgeltung an die Stadt Bern in den Finanzplanjahren fortsetzen, dem BIT eine grössere Konstanz in der Personalentwicklung als neues Ziel vorschreiben sowie eine Aufstockung beim Eidgenössischen Personalamt vornehmen, das in der Folge Lehrstellen und Hochschulpraktika zur Integration von Menschen, die aus dem Arbeitsmarkt ausgeschlossen sind, anbieten soll.
Die SVP hingegen versuchte vor allem, dem Stellenzuwachs beim Bund – im Voranschlag 2020 beträgt dieser gemäss Franz Grüter (svp, LU) 267 zusätzliche Stellen – Einhalt zu gebieten. Dazu wollte Grüter allgemein die Ausgaben für den Personalaufwand im Voranschlag 2020 sowie in den Finanzplanjahren bei CHF 6 Mrd. plafonieren – zum ersten Mal überhaupt überstiegen die geplanten Ausgaben für das Personal die Grenze von CHF 6 Mrd. Mit 134 zu 51 Stimmen lehnte der Rat den Minderheitsantrag Grüter gegen den Willen der geschlossen stimmenden SVP ab. Zudem wollte eine weitere Minderheit Grüter den Betrag für die Lohnmassnahmen halbieren; 0.5 Prozent der Lohnsumme reichten für Lohnverhandlungen, erklärte der Minderheitensprecher. Mit 140 zu 52 Stimmen lehnte der Rat auch diesen Antrag ab. Auch die weiteren Minderheitsanträge, die vorsahen, die Ausgaben des Büros für Konsumentenfragen auf dem Stand der Rechnung von 2018 zu plafonieren, auf die Budgeterhöhung der Parlamentsdienste zur Schaffung von drei neuen Vollzeitstellen sowie auf Erhöhungen in den Personalbereichen des EDA, des BAG und des BFS zu verzichten, lehnte der Nationalrat ab.
Zu reden gaben schliesslich auch die Bereiche Entwicklungszusammenarbeit und Sicherheit. Während eine Minderheit I Keller (svp, NW) die Ausgaben für multilaterale Entwicklungszusammenarbeit deutlich kürzen wollte, schlug eine Minderheit II Gysi (sp, SG) in diesem Bereich eine Erhöhung des Budgets vor, um erneut auf die in der Botschaft 2017-2020 vereinbarten Ausgaben zu kommen und um im Jahr 2023 eine APD-Quote von 0.5 Prozent des Bruttonationaleinkommens zu erreichen. Finanzminister Maurer wehrte sich gegen eine weitere Kürzung in diesem Bereich – die Schweiz habe hier in den letzten Jahren die grössten Kürzungen vorgenommen, obwohl sie weiterhin ihren Verpflichtungen nachkommen müsse, erklärte er. Kommissionssprecher Gmür betonte hingegen, dass es sich bei der APD-Quote weder um ein finanzpolitisches Steuerungsinstrument, noch um einen Zielwert handle, sondern um einen Richtwert. Mit 140 zu 51 Stimmen und 106 zu 84 Stimmen (1 Enthaltung) sprach sich die grosse Kammer für den Mittelweg, den Mehrheitsantrag, aus und beliess die entsprechenden Ausgaben auf ihrer ursprünglichen Höhe.
Mit 135 zu 54 Stimmen nahm der Nationalrat schliesslich den Bundesbeschluss Ia über den Voranschlag für das Jahr 2020, der verglichen mit dem bundesrätlichen Budgetvorschlag Mehrausgaben von CHF 245 Mio. mit sich bringe, wie die beiden Kommissionssprecher Gmür und Nicolet (svp, VD) erklärten, in der Gesamtabstimmung an. Abgelehnt wurde er einstimmig von der SVP und von Stefania Prezioso Batou (gps, GE). Kaum bis gar nicht umstritten waren der Bundesbeschluss Ib über die Planungsgrössen im Voranschlag für das Jahr 2020, der Bundesbeschluss II über den Finanzplan für die Jahre 2021-2023, der Bundesbeschluss III über die Entnahmen aus dem Bahninfrastrukturfonds für das Jahr 2020 sowie der Bundesbeschluss IV über die Entnahmen aus dem Nationalstrassen- und Agglomerationsverkehrsfonds für das Jahr 2020.

Voranschlag 2020 mit integriertem Aufgaben- und Finanzplan 2021-2023 (BRG 19.041)
Dossier: Aperçu des finances fédérales 2020: Budget et comptes d'Etat

Bei den Nationalratswahlen 2019 im Kanton Nidwalden strebte der Bisherige Peter Keller (SVP) die Wiederwahl an. Er wurde von seiner Partei problemlos für eine dritte Amtszeit nominiert. Weder die FDP noch die CVP schienen besonders motiviert, den Sitz von Keller anzugreifen. Der ehemalige Regierungsrat Alois Bissig (CVP) wollte der SVP den Sitz aber nicht einfach so überlassen und strebte eine offizielle Nomination durch seine Partei an. Doch er scheiterte bereits an der Nomination durch seine Ortspartei CVP Ennetbürgen, welche sich unter anderem aus Kostengründen gegen die Kandidatur aussprach. Damit kam er für die Kantonalpartei als Kandidat nicht mehr in Frage – ein herber Rückschlag für Bissig, der sich trotz fehlender Unterstützung seiner Partei entschied, als «Wilder» zu kandidieren. Hierfür formte er ein überparteiliches Unterstützungskomitee, bestehend aus vereinzelten Politikern der Grünen, der CVP und der FDP. Da die kantonale CVP daraufhin definitiv auf eine Kandidatur verzichtete, blieben Keller und Bissig die einzigen Kandidaten.

Der Wahlsonntag verlief wie von den meisten erwartet. Peter Keller holte 9655 Stimmen und wurde mit deutlichen Vorsprung wiedergewählt. Alois Bissig erhielt 5383 Stimmen, was immerhin zum Prädikat «Achtungserfolg» reichte. Die Stimmbeteiligung fiel um 7.9 Prozentpunkte und betrug damit noch 50.4 Prozent.

Nationalratswahlen 2019 – Nidwalden
Dossier: Elections fédérales 2019 - aperçu

In der Herbstsession 2019 beriet der Nationalrat die parlamentarische Initiative Matter (svp, ZH) für eine AHV-Finanzierung durch die SNB. Nachdem beide Seiten ihre Argumente noch einmal ausführlich dargelegt hatten, schritt der Rat zur Abstimmung und entschied sich – überaus knapp – gegen die Vorlage: Mit 71 zu 70 Stimmen verwarf der Nationalrat die Initiative. Die fast geschlossen stimmende SVP-Fraktion sowie eine Mehrheit der stimmenden SP-Fraktion – der grösste Teil der SP-Fraktion sowie die ganze Grünen-Fraktion enthielten sich in dieser Frage der Stimme – reichten nicht aus, um die übrigen bürgerlichen Parteien zu überstimmen.

AHV-Finanzierung durch die Schweizerische Nationalbank (Pa.Iv. 18.465)
Dossier: Que faire des bénéfices de la Banque nationale suisse ?

Les récentes évolutions en matière de développement durable, avec notamment les Accords de Paris, ont placé au coeur du débat la finance durable. Ainsi, plusieurs pays, comme l'Allemagne, la France ou le Royaume-Uni, et des organisations internationales, comme l'ONU ou l'OCDE, ont inscrit la finance durable dans leurs agendas. Dans cette optique, Adèle Thorens Goumaz (verts, VD) demande un rapport du Conseil fédéral sur les évolutions des conditions-cadres des marchés financiers afin de maintenir la compétitivité et d'intégrer les évolutions internationales en matière de durabilité.
Le Conseil fédéral a proposé d'accepter le postulat. Il estime qu'il s'inscrit dans sa politique en matière de marchés financiers. Le débat en chambre a été reporté car le postulat est combattu par Thomas Matter (udc, ZH).

Comment maintenir la compétitivité de la secteur financier? (Po. 19.3127)
Dossier: Finance durable

Thomas Matter (svp, ZH) wollte der AHV mit einer parlamentarischen Initiative eine einmalige Finanzspritze durch die Schweizerische Nationalbank zukommen lassen. Demnach sollte die SNB die Hälfte des Eigenkapitalzuwachses seit Ende 2007 an die AHV überweisen, sobald sich das internationale Finanzsystem und die Bilanzsumme der SNB normalisiert haben. Dadurch sollten die Eigentümerinnen und Eigentümer der Nationalbank, also die Bürgerinnen und Bürger der Schweiz, einen Teil des Volksvermögens zurückerstattet bekommen, nachdem sie zuvor unter den Negativzinsen der SNB gelitten hätten, erklärte Matter. Zwischen Ende 2007 und Mitte 2018 war das Eigenkapital der Nationalbank von CHF 66 Mrd. auf CHF 140 Mrd. angestiegen.
Im Mai 2019 beriet die WAK-NR die Initiative Matters und beantragte knapp mit 10 zu 9 Stimmen bei 5 Enthaltungen, ihr keine Folge zu geben. Selbst eine einmalige Änderung der Gewinnausschüttung bedürfe einer Verfassungsänderung sowie eines Verzichts der Kantone, erklärte die Kommission. Zudem solle ein allfälliger Abbau des Eigenkapitals besser schrittweise über längere Zeit erfolgen anstatt einmalig. Eine Minderheit Aeschi (svp, ZG) beantragte hingegen, der Initiative Folge zu geben. Dadurch komme der Eigenkapitalzuwachs der Schweizer Bevölkerung zugute und man gewinne Zeit für eine Reform der AHV, erklärte Aeschi.

AHV-Finanzierung durch die Schweizerische Nationalbank (Pa.Iv. 18.465)
Dossier: Que faire des bénéfices de la Banque nationale suisse ?

Im März 2019 beriet die FK-NR das Bundesgesetz über den Finanz- und Lastenausgleich (FiLaG) und entschied mit 13 zu 10 Stimmen (bei 2 Enthaltungen), die bis zu CHF 280 Mio. pro Jahr, welche gemäss bundesrätlicher Botschaft für den soziodemografischen Lastenausgleich hätten eingesetzt werden sollen, gleichmässig auf den soziodemografischen und den geografisch-topografischen Lastenausgleich zu verteilen. Gemäss Medienberichten hatte Thomas Egger (csp, VS), Direktor der Schweizerischen Arbeitsgemeinschaft für das Berggebiet, dreizehn Anträge zur Besserstellung der Bergkantone eingereicht, von denen aber nur dieser eine angenommen wurde. Dieser Mehrheitsantrag der Kommission warf in den Medien einigen Wellen: Es wurde befürchtet, dass dadurch das «fragile Bauwerk», wie der St. Galler Regierungsrat und Präsident der KdK Benedikt Würth (SG, cvp) den Kompromiss zum Finanzausgleich bezeichnete, gefährdet würde.
Dazu kam es Anfang Mai 2019 in der Sondersession jedoch nicht. Mit 158 zu 26 Stimmen (bei 8 Enthaltungen) sprach sich der Nationalrat deutlich für einen Minderheitsantrag von Mattea Meyer (sp, ZH) aus und stimmte dem vom Ständerat angenommenen bundesrätlichen Vorschlag zu. Zustimmung fand die Version der Kommissionsmehrheit lediglich bei Vertreterinnen und Vertretern der Bergkantone (insbesondere der Kantone Wallis und Bern) aus den Fraktionen der SVP, SP und CVP/EVP.
Zwei Differenzen zum Ständerat schuf der Nationalrat jedoch: Er fügte dem Gesetz eine Koordinationsbestimmung zur STAF und eine Ziffer zur Berücksichtigung der Ergänzungsbeiträge bei der Berechnung der Mindestausstattung hinzu. Weitere Minderheitsanträge, zum Beispiel zur Senkung des maximalen Ressourcenpotenzials pro Kopf auf 85 Prozent (Minderheit Keller; svp, NW), zur Erweiterung der Kennzeichen für eine hohe soziodemografische Belastung (Minderheit Bendahan; sp, VD), zu einem Einbezug der Berichterstattung zum Finanzausgleich in die Staatsrechnung (Minderheit Kiener Nellen; sp, BE) oder zu einer möglichen Weiterführung der temporären Abfederungsmassnahmen über das Jahr 2025 hinaus (Minderheit Bourgeois; fdp, FR) waren hingegen allesamt erfolglos.

Änderung des Bundesgesetzes über den Finanz- und Lastenausgleich (BRG 18.075)
Dossier: Révision de la péréquation financière et la compensation des charges (depuis 2015)

Der Nationalrat folgte stillschweigend dem Antrag seiner SPK-NR, die Motion Keller (svp, NW) mit der vom Ständerat angebrachten Änderung anzunehmen. Somit muss der Bundesrat neue Ablieferungsregeln ausarbeiten, mit denen die Abgabe von Entschädigungen definiert wird, die im Zusammenhang mit dem Arbeitsverhältnis beim Bund stehen. Die Ablieferungspflicht soll dabei nicht wie von der Motion ursprünglich vorgesehen vollumfänglich, sondern lediglich angemessen sein.

Abgabe von Entschädigungen

Der Nationalrat behandelte den Voranschlag 2019 in der Wintersession 2018 als Erstrat. Die Mehrheit der FK-NR hatte entschieden, die Ausgaben im Voranschlag gegenüber dem bundesrätlichen Vorschlag um 60 Mio. zu reduzieren. Den grössten Teil dieser Differenz wollte die Kommission durch Kürzungen in der Höhe von CHF 45 Mio. bei der Sozialhilfe für Asylsuchende, vorläufig Aufgenommene und Flüchtlinge erzielen; diese Einsparungen könnten erreicht werden, wenn die aktuelle, sinkende Zahl an Asylgesuchen berücksichtigt werde, erklärte die Kommission. Zusätzliche Finanzierung sah die Kommission für das Grenzwachtkorps vor, das mit CHF 2.8 Mio. 44 neue Stellen finanzieren sollte; dieser Betrag sollte jedoch departementsübergreifend beim Personal kompensiert werden.
Daneben lagen 54 Minderheitsanträge vor, von denen die meisten von der SVP- und der SP-Fraktion stammten und nur vereinzelte erfolgreich waren. Die Stossrichtung dieser Anträge widerspiegelt sich deutlich in den Voten der Fraktionssprechenden in der allgemeinen Debatte: Während Franz Grüter (svp, LU) für die SVP «zur Vorsicht im Umgang mit den Staatsfinanzen» mahnte und wie zahlreiche weitere Votantinnen und Votanten der bürgerlichen Parteien den begrenzten finanziellen Handlungsspielraum des Bundes hervorhob, erachtete Samuel Bendahan (sp, VD) als Vertreter der SP-Fraktion die aktuelle Situation als Chance für Investitionen in die Zukunft.
Der Nationalrat behandelte den Voranschlag 2019 in sechs Blöcken. Die SVP bemühte sich mit ihren Minderheitsanträgen zum Beispiel um Kürzungen oder zumindest um einen Verzicht auf Erhöhungen bei den Personalkosten, bei Beratung und Auftragsforschung über alle Departemente hinweg, beim Bundesamt für Energie, beim Generalsekretariat des VBS, beim Bundesamt für Kultur oder beim BFS. Nach dem starken Anstieg in den letzten Jahren brauche es zudem eine «massvolle Dämpfung» durch eine Plafonierung der Ausgaben für die internationale Zusammenarbeit, beim EDA und bei der Entwicklungshilfe, erklärte Peter Keller (svp, NW). Zudem wurde eine vollständige Streichung des Aufwands des Eidgenössischen Büros für die Gleichstellung von Frau und Mann gefordert. Alle aufgezählten Anträge wurden abgelehnt.
Die Mitglieder der SP-Fraktion beantragten in ihren Minderheitsanträgen, auf die Querschnittskürzungen beim Sach- und Betriebsaufwand, welche die Mehrheit der FK-NR vorgeschlagen hatte, zu verzichten. Weitere Anträge auf zusätzliche Finanzierung oder auf einen Verzicht auf Reduktion wurden unter anderem im Bereich der Entwicklungszusammenarbeit, beim Funktionsaufwand des Gleichstellungsbüros, beim BSV-Globalbudget oder beim Verteidigungsbudget gestellt. Philipp Hadorn (sp, SO) beantragte, die Zahlen für die Sozialhilfe für Asylsuchende und vorläufig Aufgenommene auf die neue Formel des SEM zu stützten, anstatt die aktuellen Zahlen des laufenden Jahres zu verwenden. Bereits in der Debatte zum Voranschlag 2017 hatte die FK-NR darauf verzichtet, die neu entwickelten Kennzahlen zu verwenden. Schliesslich beantragte eine Minderheit Meyer (sp, ZH), die zusätzlichen Stellen für das Grenzwachtkorps ohne Kürzungen bei anderen Departementen zu verwirklichen. Auch diese Anträge scheiterten allesamt. Erfolgreich waren die Anträge der SP hingegen bezüglich Bildung und Forschung. Hier reichte die SP-Fraktion acht Anträge ein, mit denen das Budget in Übereinstimmung mit dem Mitbericht der WBK-NR wieder dem Niveau der BFI-Botschaft 2017-2020 angepasst werden sollte. Umstritten war dabei vor allem die Frage, ob diese neuen Beträge in Übereinstimmung mit der Motion Dittli (fdp, UR; Mo. 16.3705) teuerungsbereinigt seien, wie Ursula Schneider Schüttel (sp, FR) argumentierte, oder ob dadurch die Teuerungsbereinigung, die departementsübergreifend vorgenommen worden war, im Bildungsbereich wieder rückgängig gemacht werde, wie Finanzminister Maurer beteuerte. Bis auf einen wurden alle Anträge betreffend das WBF angenommen.
Anträge erfolgten auch durch Mitglieder der übrigen Fraktionen, auch sie waren jedoch grösstenteils erfolglos. Angenommen wurde jedoch ein Minderheitsantrag Bigler (fdp, ZH), der den Funktionsaufwand der Eidgenössischen Finanzkontrolle (EFK) verglichen mit dem bundesrätlichen Vorschlag um CHF 1.97 Mio. kürzen wollte. Der Bundesrat hatte den Funktionsaufwand um 10 Prozent aufgestockt, damit die EFK ihren Personalbestand um 10 Vollzeitstellen ausbauen kann. Die EFK ist laut Finanzkontrollgesetz das oberste Aufsichtsorgan des Bundes und überwacht unter anderem die finanzielle Führung der Bundesverwaltung. Sie sei mit den Untersuchungen und Prüfungen unter anderem bezüglich der Bürgschaften für Hochseeschiffe, der Ruag und dem Mandat der Finanzdelegation zur Governance der Arbeitslosenversicherung überlastet, hatte die EFK erklärt. Der Antragssteller warf diesbezüglich jedoch die Frage auf, ob man wirklich eine «eigentliche Überwachungsbehörde» wolle. Mit dem bisherigen Personalbestand sei ein «priorisiertes Controlling» durchaus möglich, zumal es der EFK – mit Verweis auf die Abstimmung zur Unternehmenssteuerreform III und zur Debatte zu den Waffenexporten – bereits jetzt möglich sei, «kaum gesetzeskonforme Stellungnahmen zu politischen Geschäften abzugeben». Albert Vitali (fdp, LU) betonte als Vizepräsident der Finanzdelegation (FinDel) die einstimmige Unterstützung Letzterer für den Antrag der Eidgenössischen Finanzkontrolle auf mehr Ressourcen für ihre Kontrolltätigkeit. Diskussionen zum Rollenverständnis und zur Kommunikation der EFK seien nicht im Rahmen der Budgetdebatte vorzunehmen; die FinDel werde dies mit der EFK in Kürze diskutieren. Mit 111 zu 77 Stimmen setzten sich die SVP-Fraktion, Mehrheiten der FDP- und der CVP-Fraktion sowie ein Mitglied der BDP-Fraktion durch und verwarfen die Erhöhung.
Erfolgreich war auch ein Antrag Gschwind (cvp, JU) für eine Erhöhung des Bundesbeitrags für das Alpine Museum Schweiz 2019 sowie in den Finanzplanjahren. In der Antwort auf die Interpellation Engler (cvp, GR; Ip. 18.3543) habe der Bundesrat die Bedeutung des Museums anerkannt, argumentierte Gschwind. Nun solle die Vernetzungsarbeit nicht nur mit CHF 250'000, sondern zusätzlich mit CHF 530'000 unterstützt werden.

«Mit dem Budget werden die Finanzen gesteuert», betonte Heinz Siegenthaler (bdp, BE) im Rahmen der Budgetdebatte. Dass dies nicht ausschliesslich der Fall ist, liegt am neuen Führungsmodell für die Bundesverwaltung (NFB), das die Steuerung der Verwaltungseinheiten durch eine Kombination aus Globalbudgets und Leistungsinformationen im Rahmen des Voranschlags und des Finanzplans erlaubt. So erfreuten sich die Sollwerte, die im Rahmen der Planungsgrössen im Voranschlag festgelegt werden können, in betreffendem Jahr grosser Beliebtheit. Die Mehrheit der Finanzkommission schlug vor, als neues Ziel für die Bundeskanzlei eine Überprüfung der ausserparlamentarischen Kommissionen festzulegen. Die Bundeskanzlei solle diese Kommissionen anhand der Kriterien «ausgewiesene Notwendigkeit» und «effektiv nachgewiesene Subsidiarität» beurteilen und ihre Anzahl im nächsten Jahr um mindestens 10 Prozent reduzieren. Allgemein kritisierte Heinz Siegenthaler dieses Vorgehen deutlich: Verwaltungsakte seien nicht Aufgabe der Finanzpolitik, erklärte er. In diesem Falle komme hinzu, dass die Bundeskanzlei – wie auch Finanzminister Maurer betonte – diesbezüglich gar keine Entscheidungskompetenz habe und dieses Ziel daher gar nicht erreichen könne. Dennoch folgte der Nationalrat dem Mehrheitsantrag und stimmte der Sollgrösse mit 106 zu 88 Stimmen gegen den Widerstand von SP, Grünen, BDP und der Mehrheit der CVP zu.
Ebenso umstritten war die Frage, ob die durchgeführten Personalbeurteilungen in der Bundesverwaltung zukünftig als Sollwert einer Normalverteilung folgen müssen, wie es die FK-NR forderte. Thomas Weibel (glp, ZH) erklärte das Anliegen zwar für unterstützungswürdig, kritisierte aber die «Hauruck-Übung» der Kommission. Barbara Gysi (sp, SG) kritisierte die «komische Forderung», gemäss der man gleich viele schlechte wie gute Mitarbeitende haben müsse. Auch hier waren die Proteste jedoch nicht von Erfolg gekrönt, mit 118 zu 76 Stimmen stimmte der Nationalrat dem Mehrheitsantrag der Kommission zu.
Schliesslich schlug die Finanzkommission mit 16 zu 8 Stimmen (bei 1 Enthaltung) vor, es dem SEM als Ziel aufzuerlegen, bis zum 31. Dezember 2020 ein Rückübernahmeabkommen mit Eritrea abzuschliessen. Während Kommissionssprecher Thomas Müller (svp, SG) die Meinung vertrat, man müsse – wie im Fussball – mit einer «klaren Zielsetzung in den Match gehen», um zu gewinnen, hielt Alois Gmür (cvp, SZ) im Namen der Minderheit fest, dass dieses Ziel «völlig aus der Luft gegriffen» sei. Eritrea habe noch mit keinem Land ein solches Abkommen abgeschlossen. Zudem sei nicht klar, welche Konsequenzen ein Nichterreichen des Ziels habe. Mit 99 zu 92 Stimmen setzten sich die geschlossen stimmenden SVP- und FDP-Fraktionen mit Unterstützung je eines Mitglieds der CVP und der BDP auch hier durch.
Doch nicht nur die bürgerliche Mehrheit der FK-NR, auch Mitglieder der SP-Fraktion beabsichtigten die Nutzung des Instruments der Sollwerte: Eine Minderheit Kiener Nellen (sp, BE) wollte die eidgenössische Steuerverwaltung über die Planungsgrössen in zwei Anträgen dazu verpflichten, sowohl für die Verrechnungssteuer als auch für die Mehrwertsteuer mehr Steuerinspektionen vor Ort vorzunehmen. Beide Anträge fanden jedoch nur bei den Mitgliedern der SP, der Grünen und der EVP Unterstützung.

Nach dreitägiger Debatte verabschiedete die grosse Kammer den Voranschlag 2019 mit 126 zu 60 Stimmen (bei 7 Enthaltungen). Wie bereits im Jahr zuvor lehnte die Mehrheit der SVP-Fraktion das Budget ab. Der Voranschlag beinhaltete in dieser Version einen Überschuss von CHF 1.209 Mrd. und einen strukturellen Überschuss von 915 Mio., wies also um CHF 54 Mio. höhere Ausgaben auf als die Version des Bundesrates und um CHF 121 Mio. höhere als die Version der FK-NR.

Voranschlag 2019 mit integriertem Aufgaben- und Finanzplan 2020-2022 (BRG 18.041)
Dossier: Création d’une cour d’appel au Tribunal pénal fédéral
Dossier: Aperçu des finances fédérales 2019: Budget et comptes d'Etat

Die Kampagne rund um die Selbstbestimmungsinitiative lief eigentlich schon seit der Lancierung des Begehrens Anfang 2015. Diverse Parteien und verschiedene Organisationen hatten sehr früh ihren Widerstand angekündigt. Schon im März 2015 hatte der Tages-Anzeiger getitelt «Alle gegen die Volkspartei»: Wirtschaftsverbände hatten Sorgen um Handelsverträge geäussert, Staatsrechtlerinnen und Staatsrechtler hatten einen Angriff auf die Menschenrechte befürchtet, Rechtshistorikerinnen und Rechtshistoriker hatten die Idee der «fremden Richter» bemüht, verschiedentlich war eine Instrumentalisierung des Initiativrechts moniert worden und vor den eidgenössischen Wahlen im Herbst 2015 hatte die Frage zur Beziehung von Völkerrecht und Landesrecht «unter Politikern für Polemiken und rote Köpfe» gesorgt (NZZ) – und das alles noch bevor die Initiative überhaupt zustande gekommen war. Die SVP wollte nach eigenem Ermessen Klarheit und Sicherheit hinsichtlich des Verhältnisses zwischen Völkerrecht und Landesrecht herstellen, was freilich von den Gegnerinnen und Gegnern als «falsches Versprechen» (NZZ) oder «initiative simpliste» (Le Temps) bezeichnet und bestritten wurde. Rückenwind brachte die Initiative wohl auch ihrem Erfinder Hans-Ueli Vogt (svp, ZH), der während seines Ständeratswahlkampfes im Kanton Zürich für das Begehren geworben hatte.

Die Medienberichterstattung über die Selbstbestimmungsinitiative riss natürlich auch während ihrer parlamentarischen Behandlung 2017 und 2018 nicht ab. Diskutiert wurde dabei unter anderem auch schon früh über den Abstimmungstermin. Ob die SVP im Wahljahr 2019 von der Initiative profitieren könne oder nicht, hänge vor allem vom Arbeitstempo des Parlaments und davon ab, ob ein Gegenvorschlag ausgearbeitet würde oder nicht, berichtete die Presse. In den Medien wurden derweil auch verschiedentlich Fälle beschrieben, bei denen Gerichte internationalen Verträgen den Vorrang vor Verfassungsbeschlüssen gegeben hatten. Insbesondere die Ausnahmen, die in Einzelfällen bei der Anwendung des Ausführungsgesetzes zur Ausschaffungsinitiative gemacht wurden, waren ja auch Stein des Anstosses für die Selbstbestimmungsinitiative gewesen. Ob die Schweiz nun «Musterschülerin» sei (Tages-Anzeiger), die in vorauseilendem Gehorsam handle, oder sich als Vertragspartnerin an internationale Abkommen halten müsse, wie in der Presse ebenfalls argumentiert wurde, – die Diskussionen hielten die Selbstbestimmungsinitiative im Gespräch.

Bereits vor Abschluss der parlamentarischen Verhandlungen lancierten die Gegnerinnen und Gegner der Initiative Ende Mai 2018 mittels einer Medienkonferenz offiziell den Abstimmungskampf – obwohl dann noch nicht entschieden war, wann das Anliegen an die Urne kommen sollte. Unter dem Namen «Schutzfaktor M» – M stand bei der bereits 2013 ins Leben gerufenen Organisation für Menschenrechte – und der Bezeichnung «Allianz der Zivilgesellschaft» hatten sich laut Basler Zeitung über hundert Organisationen – darunter etwa der katholische Frauenbund, Pink Cross, Behinderten- und Jugendverbände oder Helvetas – und Tausende Einzelpersonen zusammengeschlossen. Vor der Presse bezeichneten verschiedene Vertreterinnen und Vertreter dieser Organisationen das SVP-Anliegen als «Selbstbeschneidungs-Initiative» oder «Anti-Menschenrechts-Initiative». Die ungewohnt frühe Organisation der Gegnerschaft sei mit der Bedeutung der Initiative zu erklären, aber auch damit, dass der «Abstimmungskampf kein Spaziergang» werde, so der Tages-Anzeiger. Darauf weise auch eine im März 2018 durchgeführte Umfrage hin, die zeige, dass 43 Prozent der Befragten die Initiative sicher oder eher annehmen würden und 48 Prozent dagegen oder eher dagegen seien.

Anfang Juli entschied der Bundesrat dann, die Abstimmung auf den frühest möglichen Zeitpunkt, den 25. November 2018, festzulegen. Anfang Oktober startete die SVP mit ihrem Abstimmungskampf, der zumindest hinsichtlich der verwendeten Bilder und verglichen mit früheren Kampagnen zur Minarett-, Ausschaffungs- oder Masseneinwanderungsinitiative etwa vom Sonntags-Blick als «völlig harmlos» bezeichnet wurden. Auf einem in orange gehaltenen Hintergrund hielten Personen ein Schild mit einem Ja «zur direkten Demokratie» und «zur Selbstbestimmung» in die Kamera. Das Logo der Partei war nicht sichtbar. Man habe die Botschaft bewusst simpel halten wollen. Eine aggressive Kampagne sei nicht nötig, weil die Botschaft klar sei, zudem wolle man einen sachlichen Abstimmungskampf führen, gab Kampagnenchef Thomas Matter (svp, ZH) zu Protokoll.

Die Gegnerschaft fuhr für ihre Kampagne schwereres Geschütz auf: So liess Economiesuisse 18 Frachtcontainer auf den Bundesplatz stellen mit dem Hinweis, dass darin 387 Tonnen Exportgüter Platz hätten, was der Menge entspreche, die von der Schweiz aus alle 10 Minuten in die Welt verkauft werde. Diese Ausfuhren seien aber bei einem Ja zur Selbstbestimmungsinitiative gefährdet. Nur dank zahlreicher internationaler Abkommen, die bei einem Ja alle auf der Kippe stünden, gehöre die Schweiz zu den 20 grössten Volkswirtschaften weltweit. Das «Gesicht der Operation Libero» (Blick), Flavia Kleiner, sprach von der «krassesten Initiative, über die wir je abgestimmt haben», mit ihr werde der Rechtsstaat fundamental angegriffen. Eine in den Medien häufig zu vernehmende Stimme gehörte Helen Keller, der Vertreterin der Schweiz am Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR). Auch für sie entsprach die Initiative einem Angriff auf den Rechtsstaat und die Menschenrechte. Sie argumentierte, dass das Volksbegehren nicht hätte für gültig erklärt werden dürfen und fürchtete sich bei einer Annahme vor einer «Katastrophe», wie die Weltwoche ausführte. Plakate der Gegnerinnen und Gegner zeigten eine Kreissäge, die verschiedene Begriffe (z.B. Frauenrechte, Kinderrechte, Behindertenrechte) durchtrennte, verbunden mit dem Slogan «Nein zur Selbstbeschneidungsinitiative der SVP». In der Weltwoche wurden die Plakate als «krasser Ausdruck» von «Volksverachtung» bezeichnet, mit der die «antidemokratische Gesinnung der Selbstbestimmungsgegner» sichtbar werde. Volksentscheide würden mit «Kettensägenmassaker[n]» gleichgesetzt.
Auch auf Social Media hatten die Gegnerinnen und Gegner der Initiative «die Nase vorn» (Weltwoche). Mit einem Film zeigten sie als antike Soldaten verkleidete Mitglieder der SVP (Roger Köppel [ZH], Andreas Glarner [AG] und Magdalena Martullo-Blocher [GR]), die in einem Trojanischen Pferd versteckt das Bundesgericht entmachten wollten. Ein grosses Holzpferd wurde dann auch kurz vor dem Abstimmungstermin auf dem Berner Bahnhofsplatz präsentiert.

Die SVP – allen voran Christoph Blocher – verteidigte die Initiative mit dem Argument, dass die direkte Demokratie schleichend ausgehebelt werde. Bei der Abstimmung stünden nichts weniger als die Volksrechte auf dem Spiel. «Damit die Leute noch etwas zu sagen haben», müssten sie Ja stimmen, so der vom Blick als «SVP-Übervater» bezeichnete Blocher. Der alt-Bundesrat betrachtete die Selbstbestimmungsinitiative zudem als Vehikel, mit dem der EU-Rahmenvertrag verhindert werden könne. Sehr häufig trat auch Hans-Ueli Vogt vor die Medien, um «seine» Initiative zu verteidigen. Auch der «Architekt» des Begehrens, so die Aargauer Zeitung, argumentierte mit der Verteidigung der direkten Demokratie. Das Parlament setze angenommene Initiativen mit Verweis auf internationale Verpflichtungen nicht so um, wie dies von der Stimmbevölkerung verlangt werde. Mit der Initiative werde der Stellenwert der direkten Demokratie hingegen wieder gestärkt.

Für Wirbel sorgte ein Flyer, der von der SVP Mitte August 2018 an alle Schweizer Haushalte verteilt wurde. Darin trat alt-Bundesrätin Micheline Calmy-Rey als Kronzeugin für die Selbstbestimmungsinitiative auf: «Das Schweizer Recht schützt besser als das europäische. Ich bin entschieden dagegen, dass europäisches Recht sämtliche Beziehungen zwischen der Schweiz und der EU regeln soll», wurde die ehemalige Magistratin zitiert. Diese Aussage hatte Calmy-Rey im Rahmen einer Diskussion um das EU-Rahmenabkommen gemacht. Von der SVP sei sie aber nicht angefragt worden, sie sei schockiert über dieses Vorgehen. SP-Parteipräsident Christian Levrat (sp, FR) sprach in diesem Zusammenhang von «Lügenpropaganda». Auch die «Buh-Rufe» und die «Schimpftiraden» (Aargauer Zeitung), die Bundesrätin Simonetta Sommaruga bei einem Podium in Suhr (AG) über sich ergehen lassen musste, zeugten von der immer aufgeheizteren Stimmung. Nicht nur die von der SVP immer wieder heftig attackierte Justizministerin, sondern auch die Bundesratsmitglieder Doris Leuthard, Alain Berset, Ignazio Cassis und Johann Schneider-Ammann engagierten sich mit verschiedenen Auftritten für die ablehnende Haltung des Bundesrates. Man habe Lehren aus dem Ja zur Masseneinwanderungsinitiative gezogen, bestätigte Simonetta Sommaruga der Aargauer Zeitung, und trete darum als Regierung stärker in Erscheinung.

Ende August zeigte eine Umfrage, dass zu diesem Zeitpunkt 53 Prozent der Befragten Nein zur Initiative gesagt hätten und 45 Prozent Ja. Als aussergewöhnlich wurde von den Befragenden der Umstand gewertet, dass das Ja-Lager über die Zeit nicht kleiner geworden sei; ein Muster, das sonst bei Initiativen im Verlauf einer Kampagne zu beobachten sei. Thomas Matter sprach bei seinem Kommentar zu diesen Zahlen in der Aargauer Zeitung von einem Kampf «David gegen Goliath». Er schätzte den finanziellen Aufwand der Gegnerschaft auf einen «zweistelligen Millionenbetrag». Die Gegnerinnen und Gegner führten eine «Märchenstundenkampagne mit unlimitierten Budgets», urteilte Matter. Die SVP selber habe weniger als CHF 3 Mio. ausgegeben. Eine Analyse von Media Focus ging hingegen aufgrund der gekauften Werbeflächen (Plakate, Inserate, Werbung auf Youtube) davon aus, dass das Befürworterlager mehr ausgegeben hatte als das Gegnerlager. Auch die APS-Inserateanalyse, mit der die Anzahl der in Printmedien geschalteten Inserate betrachtet wird, stellte ein grösseres Engagement der Befürwortenden- als der Gegnerseite fest. Zudem schalteten die Befürworterinnen und Befürworter deutlich mehr Inserate als noch bei der Masseneinwanderungs- oder der Durchsetzungsinitiative. Wer wie viel für den Abstimmungskampf ausgab, blieb zwar ein Geheimnis, die Kosten waren aber sicherlich überdurchschnittlich hoch.
Die Gegnerinnen und Gegner warnten aufgrund der Umfrageresultate davor, zu meinen, dass das Rennen bereits gelaufen sei. Demoskopen würden sich oft irren, so etwa der Blick. Als für das Nein-Lager nicht förderlich, wurde zudem die Absicht des Bundesrates bezeichnet, ausgerechnet kurz vor der Abstimmung eine Unterzeichnung des umstrittenen UNO-Migrationspaktes zu prüfen. Die Umfragen hatten zudem gezeigt, dass rund ein Drittel der FDP-Sympathisierenden die Initiative unterstützen würde. Auch die Ja-Parole der Jungfreisinnigen des Kantons Zürich zeige, dass durch den Freisinn ein Riss verlaufe, urteilte der Sonntags-Blick. Diesem wollte Parteipräsidentin Petra Gössi (fdp, SZ) auf Anfrage mit Aufklärung und Mobilisierung der eigenen Basis begegnen – so das Sonntagsblatt weiter.

Den «Rückenwind», den die Befürworterinnen und Befürworter durch die Debatte um den Migrationspakt noch einmal erhalten hatten, wie der Blick urteilte, versuchten sie kurz vor der Abstimmung dann noch mit «Brachial-Werbung» (Blick) zu verstärken. Auf der Titelseite der Pendlerzeitung «20 Minuten» warb das «Egerkinger Komitee» um Walter Wobmann (svp, AG) und Andreas Glarner (svp, AG) damit, dass mit der Annahme der Selbstbestimmungsinitiative der UNO-Migrationspakt verhindert werden könnte, dass hingegen bei einer Ablehnung die Minarett-Initiative wieder für ungültig erklärt werden würde. Eine Karikatur zeigte zudem Justizministerin Simonetta Sommaruga, die mit der Aussage «Hereinspaziert» an der Grenze Flüchtlinge in die Schweiz bittet.
Die heftige und ungewöhnliche lange Kampagne liess für den Abstimmungssonntag eine hohe Beteiligung erwarten.

Volksinitiative «Schweizer Recht statt fremde Richter (Selbstbestimmungsinitiative)» (BRG 17.046)

Viele Gewerbe- und Unternehmerverbände, darunter auch Economiesuisse, lehnten die Selbstbestimmungsinitiative ab. Economiesuisse argumentierte etwa, dass rund 600 Wirtschaftsabkommen der Schweiz – darunter beispielsweise bilaterale Verträge mit der EU oder Freihandelsabkommen – bei einer Annahme der Initiative gefährdet seien. Gestört fühlte man sich ob diesem Argumentarium in der Weltwoche: Glaube man den Aussagen des Verbandes, so steuere die Schweiz bei einer Annahme der Initiative auf eine «wirtschaftliche Apokalypse» zu. Auch die SVP kritisierte den Wirtschaftsverband scharf: Thomas Matter (svp, ZH) warf der Economiesuisse gar vor, sie wolle die direkte Demokratie abschaffen, wie das St. Galler Tagblatt berichtete. Heinz Karrer, Präsident der Organisation, tat daraufhin die Kritik Matters als Polemik ab. Die einzige Gefahr für «unser funktionierendes System», so Karrer ebenfalls im St. Galler Tagblatt, sei die Initiative selbst.
Dass die Argumente von Economiesuisse «Quatsch» seien, fand aber auch FDP-Nationalrat Thierry Burkhart (fdp, AG), wie der Sonntags-Blick berichtete. Economiesuisse verwende stets die gleichen Argumente, wonach die Schweiz auf eine wirtschaftliche Katastrophe zusteuere, würde nicht entsprechend abgestimmt. Diese Rhetorik sei nicht glaubwürdig und verfehle die Wirkung. Dennoch, so Burkhart weiter, sei es wichtig, dass die Initiative auch von der Wirtschaft bekämpft werde.
Kaum Unterstützung erhielt die Initiative ferner vom SGV, dessen Delegierte die Nein-Parole beschlossen. Der Gewerbeverband des Kantons St. Gallen wich freilich ab und gab die Ja-Parole heraus.

Economiesuisse/SGV zur Selbstbestimmungsinitiative