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  • Kreis, Georg

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«Die Ungeliebte» – so titelte die deutsche Zeitung «Die Zeit» im Juni 2019 zum 20-jährigen Jubiläum der Schweizer Bundesverfassung vom 18. April 1999. Denn während die Deutschen im selben Jahr 70 Jahre Grundgesetz feierten und in Österreich der Bundespräsident von der «schönen Verfassung» schwärmte, habe sich in der Schweiz kaum jemand für den Geburtstag der Bundesverfassung interessiert. Tatsächlich wurde hierzulande lediglich nachträglich und eher spärlich über das Ereignis berichtet.
Dass das Verhältnis der Schweizer Bevölkerung zu ihrer Bundesverfassung «unterkühlt» sei, wurde von der «Zeit» folgendermassen begründet: Einerseits sei die Verfassung der Schweiz nicht in Stein gemeisselt, sondern als «work in progress» zu verstehen; eine Verfassung also, an welcher das Volk ständig mitbastle. Dies habe sich bereits bei der ersten Bundesverfassung von 1848 gezeigt, welche damals, vom «Geiste der französischen Revolution» und den «amerikanischen Gründervätern» beseelt, als «modernste Verfassung Europas» gegolten habe, 1874 aber bereits einer ersten Totalrevision unterzogen worden sei. Andererseits sei die Revision von 1999 eine Zangengeburt gewesen, welche seit den 1960er-Jahren im Gespräch gewesen und dann in den 1990er-Jahren beinahe am Ständemehr gescheitert sei. Ferner habe sich bereits vor 20 Jahren nur eine Minderheit für die Verfassungsänderung interessiert, was an der damaligen Stimmbeteiligung von 35 Prozent abzulesen sei.
Dieser Argumentation pflichtete wenige Wochen nach Erscheinen des Artikels der «Zeit» auch der renommierte Schweizer Historiker Georg Kreis in der Aargauer Zeitung bei, als er die Revision als eine «Zangengeburt nach einer über 30-jährigen Schwangerschaft» bezeichnete. Laut Kreis habe denn tatsächlich nur eine Zeitung, die «Ostschweiz am Sonntag», in der Schweiz über das Jubiläum berichtet – und zwar verspätet. Den ebenfalls von der «Zeit» beschriebenen Umstand, dass die Schweizer Bundesverfassung «nicht in Stein gemeisselt» sei, verdeutlichte Kreis anhand eines aktuellen Beispiels: Der Frauenstreik etwa sei Indiz dafür, dass gewisse Artikel der Verfassung wie jener von 1981 zur Gleichstellung der Geschlechter eben nur zögerlich umgesetzt würden.
Schliesslich legte Kreis etwas schwarzseherisch nahe, ein weiterer Grund für das Jubiläumsschweigen könnte sein, dass, würde heute darüber abgestimmt, gewisse Anpassungen wie Art. 5 (Beachtung des Völkerrechts) oder Art. 8 (vor dem Gesetz sind alle Menschen gleich) vielleicht nicht mehr dieselbe Unterstützung erhalten würden.

Etwas zeitnaher am Geburtstag, nur drei Tage danach, erschien derweil eine Kolumne im St. Galler-Tagblatt: Dort sinnierte Publizist und SGG-Präsident Lukas Niederberger über das verpasste Ereignis und kam unter anderem zum Schluss, dass man Verfassungsjubiläen wohl ähnlich wie in der Ehe zu feiern habe – erst nach 25 Jahren.

20 Jahre Verfassung verschlafen

Um der insbesondere von der SVP vereinnahmten, ziemlich ideologisch und anti-europäisch geprägten Geschichtsdiskussion im Jubiläumsjahr entgegenzutreten, plante die Vereinigung "Die Schweiz in Europa", unterstützt von der Neuen Helvetischen Gesellschaft, eine Feier zur ersten Verfassung des modernen Bundesstaates 1848. Thomas Cottier, einer der Mitorganisatoren, betonte, man wolle einen Kontrapunkt zu den eher rückwärtsgewandten Schlachtenjubiläen setzen. Die moderne Schweiz habe sich im Diskurs mit ihren Nachbarn entwickelt und nicht in Abschottung. Der vorerst auf dem Bundesplatz geplante Anlass musste jedoch vorab aus finanziellen Gründen redimensioniert werden und fand dann auf dem Von-Roll-Areal der Universität Bern statt. Alt-Bunderätin Ruth Dreifuss und die emeritierten Professoren Georg Kreis und Andreas Auer traten als Rednerinnen und Redner auf, die ein Zeichen für eine weltoffene Schweiz setzten wollten. Rund 300 Personen nahmen an der Feier teil.

Feier zur ersten Verfassung des modernen Bundesstaates 1848

In einem Radio-Interview beschuldigte Georg Kreis, Basler Historiker und Präsident der Eidgenössischen Kommission gegen Rassismus, die SVP, indirekt den Rechtsextremismus zu fördern. Diese Kritik an der SVP wurde auch international geäussert. Bereits zu Jahresbeginn hatte der Europarat einen Bericht seiner Kommission für politische Angelegenheiten zur Bedrohung der Demokratie durch extremistische Parteien und Bewegungen genehmigt. Darin wurden der SVP gemeinsam mit Haider’s Freiheitlicher Partei Österreichs und Le Pen’s Front National in Frankreich die Begünstigung rassistischer und fremdenfeindlicher Ideen und Gewaltakte vorgeworfen. Nationalrat Reimann (AG), Mitglied der Europaratsdelegation der Schweiz, vermutete hinter dieser Angelegenheit einen weiteren Schachzug der SP gegen seine Partei: Präsidiert hatte die Kommission nämlich der ehemalige SP-Nationalrat Victor Ruffy. Dagegen lobte SVP-Nationalrätin und Europaratsdelegationsmitglied Lisbeth Fehr (ZH) die Arbeit ihres Delegationsgefährten Nationalrat Andreas Gross (sp, ZH), der weitaus schwerwiegendere Passagen des Berichtes in der Kommission erfolgreich bekämpft hätte.

SVP wegen Extremismusbericht in Bedrängnis

In der Deutschschweiz, wo in den kleinen Gemeinden und in einigen Kantonen auch in grösseren Orten an der Gemeindeversammlung oder an der Urne über Einbürgerungen entschieden wird, kam es vermehrt zur Ablehnung von Gesuchen von Personen aus dem ehemaligen Jugoslawien und, allerdings seltener, aus der Türkei, bei gleichzeitiger Einbürgerung von Angehörigen anderer Staaten. Der Präsident der eidgenössischen Rassismuskommission, Georg Kreis, sah darin eine unzulässige und im Widerspruch zur neuen Verfassung stehende Diskriminierung. Er schlug deshalb ein Rekursrecht der Abgewiesenen beim Bundesgericht vor. In seiner Antwort auf eine Interpellation de Dardel (sp, GE) mit ähnlicher Stossrichtung antwortete der Bundesrat, dass die bestehende Rechtsordnung den Bundesbehörden keine Interventionskompetenzen einräume, dass aber eine aus Vertretern des Bundes und der Kantone zusammengesetzte Arbeitsgruppe neue Lösungen für die Einbürgerung von in der Schweiz aufgewachsenen Ausländern überprüft. In der Stadt Zürich tat sich die SVP mit einer Kampagne „gegen die Verschleuderung des Zürcher Bürgerrechtes“ hervor. Ihrer Meinung nach ist der starke Anstieg der Einbürgerungen (von 314 im Jahre 1992 auf 1255 im Jahre 1998) auf eine zu lasche Politik der dafür zuständigen, mehrheitlich linken Gemeindeexekutive zurückzuführen. Zuerst reichte die SVP eine Volksinitiative ein, welche die Wohnsitzpflicht in der Stadt von sechs auf zehn Jahre erhöhen will. Einige Monate später lancierte sie auch noch eine Volksinitiative, die verlangt, dass in der Stadt Zürich das Volk an der Urne über jede einzelne Einbürgerung entscheiden muss. Diese wurde im Dezember eingereicht.

Stadt Zürich erklärt Einbürgerungsinitiative der SVP für ungültig

Mit schwerem Geschütz fuhr die vom Basler Geschichtsprofessor Georg Kreis präsidierte Eidg. Kommission gegen Rassismus (EKR) auf, indem sie den Vorwurf erhob, das Drei-Kreise-Modell, an welchem sich die Ausländerpolitik des Bundesrates seit 1991 orientiert, fördere fremdenfeindliche und kulturell-rassistische Vorurteile gegenüber den Angehörigen des dritten Kreises, insbesondere jenen aus dem ehemaligen Jugoslawien, da diese Menschen pauschal als nicht integrierbar und deshalb unerwünscht gewertet würden. Die Kommission rügte damit erstmals entsprechend ihrem Mandat eine behördliche Massnahme öffentlich. Sie empfahl dem Bundesrat, ein Zwei-Kreise-Modell einzuführen, welches Integrationsmassnahmen und Rückkehrhilfen, aber kein Saisonnierstatut mehr vorsieht.

Swisslex: EWR-konforme Ausländerpolitik mit einem «Drei Kreise-Modell»
Dossier: Programme consécutif au rejet de l'Accord EEE (Swisslex)

Mit der Veröffentlichung des Schlussberichts konnte das Nationale Forschungsprogramm (NFP 21) über "Kulturelle Vielfalt und nationale Identität" abgeschlossen werden. Der vom Basler Geschichtsprofessor Georg Kreis unter dem Titel "Die Schweiz unterwegs" publizierte Forschungsbericht geht in 47 thematisch weit gestreuten Untersuchungen der Frage nach Befinden und Selbstverständnis in der Schweiz nach. Der Bericht enthält eine historische Betrachtung des Aufbaus des eidgenössisch-schweizerischen Nationalgefühls, legt jedoch sein Hauptaugenmerk auf die nationale Identitätsfindung in der jüngeren Vergangenheit. Diese wird anhand des Beziehungsgeflechts zwischen zunehmender politischer und wirtschaftlicher Internationalisierung und darauf reagierendem Rückzug auf lokale Strukturen analysiert, unter besonderer Beachtung der Stellung der verschiedenen Sprachgruppen zueinander. Als Möglichkeit, die beschriebenen Herausforderungen in Zukunft zu bewältigen, stellt sich für den Herausgeber, der auch den Titel seines Buches in dieser Hinsicht verstanden wissen will, in erster Linie die Annahme und mitgestaltende Fortentwicklung der gesellschaftlichen Dynamik dar.

Kulturelle Vielfalt und nationale Identität" (NFP 21)