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Acteurs

  • Metzler, Ruth (cvp/pdc) alt-BR/ex-CF
  • Bäumle, Martin (glp/pvl, ZH) NR/CN
  • Semadeni, Silva (sp/ps, GR) NR/CN

Processus

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Jahresrückblick 2019: Gesundheit, Sozialhilfe und Sport

2019 befasste sich das Parlament mit zahlreichen Geschäften zu Schweizer Gesundheitspolitik, Sport und Sozialhilfe. Besonders relevant waren bezüglich gesundheitspolitischer Themen die Diskussionen um das elektronische Patientendossier (EPD). Dieses soll 2020 in allen Regionen der Schweiz verfügbar sein, weshalb 2019 dazu einige Vorstösse behandelt wurden. So wurde ein Postulat Wehrli (fdp, VD; Po. 18.4328), welches Auskunft über die bereits ergriffenen und die noch zu ergreifenden Massnahmen verlangte, um die Umsetzung des EPD und dessen Nutzung zu fördern, vom Nationalrat angenommen. Ebenfalls Ja sagte die grosse Kammer zu einer Motion der SGK-NR (Mo. 19.3955). Diese hatte den Anschluss sämtlicher am Behandlungsprozess beteiligter Gesundheitsfachpersonen an das EPD zum Ziel und wird nun in einem nächsten Schritt im Stöckli behandelt. Mit dem im Juni 2019 verabschiedeten Bundesratsgeschäft zur «Stärkung von Qualität und Wirtschaftlichkeit im KVG» (BRG 15.083) sollen zudem die Qualität der erbrachten Leistungen im Gesundheitsbereich verbessert, die Patientensicherheit nachhaltig erhöht und die Steigerung der Kosten in der OKP abgeschwächt werden.

In Sachen Spitäler standen 2019 die Kosten im Gesundheitswesen im Mittelpunkt. Unter anderem intendierte Verena Herzog (svp, TG) mittels Motion, gemeinwirtschaftliche Leistungen dem öffentlichen Beschaffungsrecht zu unterstellen (Mo. 16.3842). Denn durch eine Ausschreibungspflicht für gemeinwirtschaftliche Leistungen und der damit verbundenen Transparenz könne man nicht nur Kosten reduzieren, sondern auch an Effizienz gewinnen, erklärte die Motionärin. 2018 hatte der Nationalrat dieser Vorlage zugestimmt, der Ständerat gab ihr in der Herbstsession 2019 allerdings einen Korb. Mit einem Selbstkostenanteil, der beim Aufsuchen der Spitalnotfallstation (und beim ambulanten Praxisbesuch) entrichtet werden soll, wollten sowohl Thomas Weibel (glp, ZH; Pa.Iv. 17.480) als auch Thomas Burgherr (svp, AG; Pa.Iv. 17.452) der Kostenentwicklung entgegenwirken, die Eigenverantwortung der Patientenschaft stärken und den Spitalnotfall entlasten. Die grosse Kammer gab in der Wintersession 2019 der parlamentarischen Initiative Weibel, nicht aber der Initiative Burgherr Folge. Des Weiteren nahm das Stöckli als Zweitrat eine Motion der SGK-NR bezüglich Referenztarifen für ausserkantonale Behandlungen an (Mo. 18.3388). Damit wollte die Kommission sicherstellen, dass die Kantone für Behandlungen ihrer Einwohnerinnen und Einwohner ausserhalb des Wohnkantons nicht weniger bezahlen würden als innerhalb. Bezüglich Ärzteschaft reichte Bea Heim (sp, SO; Mo. 18.3107) eine Motion zur Offenlegung der Honorare von Ärztinnen und Ärzten in einer leitenden Position ein. Transparenz sei notwendig, um falsche Anreize, unnötige Eingriffe und hohe Kosten für die OKP zu verhindern, so Heim. Die Motion wurde im März 2019 von der grossen Kammer gutgeheissen und an die kleine Kammer überwiesen.

Rund um das Pflegepersonal waren die Pflegeinitiative und der indirekte Gegenvorschlag ein wichtiges Thema. Gefordert wurden unter anderem die Sicherstellung von genügend diplomierten Pflegefachleuten und eine Kompetenzerweiterung im Bereich der direkten Abrechnung von Pflegeleistungen zu Lasten der OKP. In der Wintersession empfahl der Nationalrat in Übereinstimmung mit dem Bundesrat die Ablehnung der Initiative und gab dem von der SGK-NR ausgearbeiteten indirekten Gegenvorschlag mit einigen kleinen Änderungen Folge. Anders als seine Kommission wollte er beispielsweise nicht, dass eine Vereinbarung zwischen Pflegefachpersonen und Krankenkasse für die Abrechnung der Pflegenden über die OKP generell nötig ist.

Im Frühling 2019 verabschiedete das Parlament eine Änderung des Heilmittelgesetzes (BRG 18.081), die aufgrund zweier neuen EU-Verordnungen zur Erhöhung von Sicherheit und Qualität von Medizinprodukten nötig geworden war, damit die Schweizer Patientenschaft weiterhin von allen europäischen Produkten profitieren kann und die Hersteller keinen Wettbewerbsnachteil erfahren. Qualität und Behandlungssicherheit waren ebenfalls Gegenstand eines Postulates Stahl (svp, ZH; Po. 19.3382), das den Bundesrat dazu aufforderte, die Bedingungen zur Ermöglichung eines Versandhandels nichtverschreibungspflichtiger Arzneimittel zu überprüfen. Weiter stimmte der Nationalrat in der Sommersession einer Motion Humbel (cvp, AG; Mo. 19.3005) zur Kostenvermeidung bei der Umteilung von den Medikamenten der Kategorie C in die Kategorie B zu und überwies sie an den Ständerat. Antibiotika und ihre Resistenz wurden 2019 mittels zweier Vorstösse thematisiert. Zum einen sprach sich der Nationalrat als Erstrat für eine Motion Graf (gp, BL; Mo. 19.3861) aus, die den Bundesrat damit beauftragte, seine One-Health-Strategie mit der Erforschung von Antibiotikaresistenzen zu ergänzen, um so eine Vorgehensweise zur Bekämpfung ihrer Ursachen ausarbeiten zu können. Zum anderen reichte Claude Béglé (cvp, VD, Po. 19.3860) ein Postulat zur «Förderung der Erforschung und der Entwicklung neuer antimikrobieller Mittel» ein, welches allerdings im Rat nicht auf Anklang stiess. Im Herbst 2019 beschäftigte sich das Stöckli mit einer Motion Müller (fdp, LU; Mo. 19.3743), mit der die Eliminierung von Hepatitis in ein nationales Programm zu sexuell und durch Blut übertragbaren Infektionskrankheiten integriert werden soll.

Auch über Tabakwaren wurde 2019 angeregt diskutiert. So befasste sich der Ständerat erneut mit dem Bundesgesetz über Tabakprodukte, nachdem 2016 ein erster Entwurf an den Bundesrat zurückgewiesen worden war. Das Gesetz soll in erster Linie dazu dienen, Teenager, aber auch die Gesamtbevölkerung vor den negativen Auswirkungen des Tabakkonsums zu schützen. In den Medien war hingegen insbesondere das Thema «E-Zigaretten» zentral. Dieses fand auch seinen Weg ins Parlament; im Ständerat wurde über eine tiefere Besteuerung von elektronischen Zigaretten diskutiert (Mo. 19.3958 der SGK-SR). Vor dem Hintergrund der 2017 eingereichten Motionsserie zu wissenschaftlichen Pilotversuchen mit Cannabis trat der Nationalrat im Dezember 2019 auf die vom Bundesrat vorgeschlagene Änderung des Betäubungsmittelgesetzes ein (BRG 19.021). Neben E-Zigaretten berichteten die Medien auch ausführlich über die umstrittene Auswahl des Tabakkonzerns Philip Morris als Hauptsponsor des Schweizer Pavillons an der Weltausstellung 2020 in Dubai. Nachdem der Schweiz für diesen Entscheid viel Unverständnis entgegengebracht worden war und sich gar die WHO zu Wort gemeldet hatte, erklärte Aussenminister Ignazio Cassis Ende Juli, dass man die Partnerschaft nicht weiterführen werde.

Trotz grosser Aufmerksamkeit in den Medien – dieses Thema ist mitverantwotlich für den Peak des Gesundheitsthemas im Juli 2019 – kaum Eingang ins Parlament fand dieses Jahr die Frage der Sterbehilfe. Aufgegriffen wurde von den Zeitungen vor allem der Gerichtsprozess rund um Erika Preisig und den assistierten Suizid bei psychisch kranken Personen.

Die mediale Berichterstattung zu sportlichen Themen war im Juni 2019 besonders intensiv. Dies ist darauf zurückzuführen, dass in diesem Monat nicht nur das Eidgenössische Turnfest in Aarau stattfand, sondern auch ein Formel-E-Rennen in Bern ausgetragen wurde, das bei der Bevölkerung auf Widerstand stiess und anlässlich dem eine Velo-Demonstration durchgeführt wurde. Zudem wurde die durch die Fussball-Weltmeisterschaft der Frauen ausgelöste Diskussion um die Gleichstellung der Geschlechter in dieser Sportart ebenfalls von den Schweizer Medien aufgenommen.
Im Parlament wurden bezüglich Sport zwei Vorlagen zu Sportzentren respektive zu der Finanzierung ihres Betriebs diskutiert. So nahmen beide Räte eine Motion Engler (cvp, GR, Mo. 18.4150) an, welche beabsichtigte, dem Bund eine Mitfinanzierungsrolle beim Trainings- und Wettkampfbetrieb auf Sportanlagen nationaler Bedeutung zukommen zu lassen. Im Dezember 2019 sagte die kleine Kammer Ja zu einem weiteren Postulat Engler (Po. 19.4044), das einen Bericht zur Realisierung von drei bis vier Wintersportzentren anstelle eines nationalen Schneesportzentrums forderte. Silva Semadeni (sp, GR), die in Vergangenheit eine referendumsfähige Gesetzesgrundlage zur Bundesmilliarde für Sion 2026 schaffen wollte, reichte 2018 eine parlamentarische Initiative ein, um die Unterstützung Olympischer Spiele im Allgemeinen einem fakultativen Referendum zu unterstellen (Pa.Iv. 18.445). In einem ersten Schritt gab die WBK-NR diesem Geschäft im Juni 2019 Folge. Im Gebiet der Dopingpolitik überwies der Nationalrat eine Motion Bourgeois (fdp, FR; Mo. 19.3667) an den Ständerat, die die Prüfung der Errichtung einer Koordinationsstelle für Dopingfragen beim Fedpol zum Gegenstand hatte.

Im Bereich Sozialhilfe interessierten sich die Medien insbesondere für die Höhe der Sozialhilfebeiträge, über die in verschiedenen Kantonen diskutiert wurde. Als erster Kanton stimmte Bern im Mai in einer Volksabstimmung über entsprechende Kürzungen ab. Hätte sich das Stimmvolk für die Revision des Sozialhilfegesetzes ausgesprochen, so hätte der neue Grundbetrag die Empfehlung der Schweizerischen Konferenz für Sozialhilfe (Skos) deutlich unterschritten. Von Bedeutung war dieser Entscheid auch für die anderen Kantone, da man sich vor einem «Domino-Effekt» und «Sozialhilfe-Tourismus» fürchtete. Gemäss Einschätzungen des Tagesanzeigers von Anfang Oktober verlor die Forderung nach dem Nein in Bern in anderen Kantonen und Städten an Unterstützung.

Jahresrückblick 2019: Gesundheit, Sozialhilfe und Sport
Dossier: Rétrospective annuelle 2019

Die Digitalisierung bringt es mit sich, dass auch der Parlamentsbetrieb mit verschiedenen Ratings und Rankings vermessen werden kann, welche die Arbeit, den Einfluss oder die ideologische Positionierung der Parlamentsmitglieder zu bestimmen versuchen. Der Versuch, anschauliche Ranglisten zu erstellen und so auch durch Personalisierung die Komplexität von Politik zu reduzieren, dient vor allem den Medien, die sich auch 2019 den verschiedenen Analysen widmeten.

Den Beginn machte Anfang Juli eine neue Plattform namens «politik.ch» mit einer Auswertung der Präsenz während der ganzen bisherigen 50. Legislatur. «Präsenz» wurde dabei mit der Teilnahme an den total 4'076 Abstimmungen, die im Nationalrat bis zur vorletzten Session durchgeführt wurden, gemessen. Zum «Absenzenkönig von Bern» – so die Aargauer Zeitung, die über die Studie berichtete – wurde Roger Köppel (svp, ZH) gekürt. Er habe 22.4 Prozent aller Abstimmungen «geschwänzt», gefolgt von Martin Bäumle (glp, ZH; 21.9%) und Hans Grunder (bdp, BE; 21.7%). Frauen stimmten tendenziell disziplinierter ab, schloss die Zeitung, weil sich am anderen Ende der Skala Andrea Geissbühler (svp, BE), Barbara Keller-Inhelder (svp, SG) und Sandra Sollberger (svp, BL) fanden, die alle weniger als sechs der über 4'000 Abstimmungen verpasst hatten. Die Aargauer Zeitung liess die Protagonisten zu Wort kommen. Bei wichtigen Abstimmungen sei er vor Ort, nicht aber, wenn «das ausufernde Berufsparlament mit sich selbst beschäftigt» sei, verteidigte sich Roger Köppel. «Das Volk» habe sie ins Parlament gewählt und erwarte, dass sie an den Abstimmungen teilnehme, befand hingegen Andrea Geissbühler. Im Schnitt hatten die Nationalrätinnen und Nationalräte drei Prozent der Abstimmungen verpasst. Im Tages-Anzeiger wurde daran erinnert, dass «immer brav auf dem ehrwürdigen Nationalratssessel zu sitzen» nicht mit politischem Einfluss gleichzusetzen sei. Die wichtigsten Entscheidungen fielen nicht im Ratssaal, sondern «in den Kommissionen, in den Hinterzimmern des Bundeshauses und den Salons des Bellevue-Hotels».

Einen Versuch, diese Art von Einfluss zu messen, unternahm die Sonntagszeitung mit ihrem alle zwei Jahre publizierten «Parlamentarier-Rating». Hier erhält Punkte, wer viele Reden hält, in wichtigen Kommissionen sitzt und erfolgreich Vorstösse einreicht; wer innerhalb der eigenen Partei wichtige Funktionen innehat, einer starken Fraktion angehört, hohe Medienpräsenz hat und ausserhalb des Parlaments gut vernetzt ist. Wie schon zwei Jahre zuvor wies die Zeitung SP-Parteipräsident Christian Levrat (sp, FR) als «mächtigsten» Parlamentarier aus, gefolgt von Pirmin Bischof (cvp, SO) und Thomas Aeschi (svp, ZG). Levrat sei «immer dabei, wenn es in der Schweizer Politik etwas anzuschieben oder zu blockieren» gelte. Allerdings falle die SP-interne grosse Lücke hinter Levrat auf. In den Top Ten gebe es kein weiteres SP-Mitglied, was darauf hindeute, dass die parteiinterne Erneuerung wohl noch nicht geschafft sei. Ausgerechnet bei den Frauen schneide die SP schlecht ab. Unter den 15 höchst bewerteten Frauen – diese Liste wurde von Tiana Angelina Moser (glp, ZH; total Rang 6) und Lisa Mazzone (gp, GE; Rang 13) angeführt – fänden sich lediglich zwei Genossinen: Maria Carobbio Guscetti (sp, TI; Rang 23) und Barbara Gysi (sp, SG; Rang 34). Für das Rating berücksichtigt wurden nur jene Parlamentsmitglieder, die seit Beginn der Legislatur in den Räten gesessen hatten und bei den eidgenössischen Wahlen 2019 wieder antreten wollten. Entsprechend war der 173. Rang auch der letzte. Dort befand sich Bruno Walliser (svp, ZH). Indem die Sonntagszeitung die Rangierung hinsichtlich Medienpräsenz mit der Gesamtrangierung verglich, machte sie auch «die grössten Blender» aus. Die drei Zürcher Abgeordneten Claudio Zanetti (svp), Roger Köppel (svp) und Regine Sauter (fdp) seien zwar «Lieblinge der Medien», spielten im Parlament aber «eine bescheidene Rolle».

Auf der Basis der Abstimmungen im Nationalrat berechnete die Sonntagszeitung in einer weiteren Analyse, wie häufig alle Volksvertreterinnen und -vertreter bei Gesamtabstimmungen in der 50. Legislatur zur Mehrheit gehört hatten. Wenig überraschend fanden sich auf den vorderen Rängen – die Sonntagszeitung nannte sie «die Erfolgreichsten» – Mitglieder der CVP- und der BDP-Fraktion, die jeweils mit links oder rechts oder innerhalb einer grossen Koalition Mehrheiten schaffen. Angeführt wurde die Liste von Elisabeth Schneider-Schneiter (cvp, BL), die bei 98.5 Prozent aller Gesamtabstimmungen gleich wie die Mehrheit gestimmt hatte, was ihr in der Weltwoche den Titel «[d]ie mit dem Strom schwimmt» einbrachte. Auf Platz zwei und drei folgten Viola Amherd (cvp, VS; 98.3%) und Géraldine Marchand-Balet (cvp, VS; 98.2%). Bei den 68 «Erfolglosesten» handelte es sich durchgängig um SVP-Fraktionsmitglieder, angeführt von Erich Hess (svp, BE; 46.8%), Toni Brunner (svp, SG; 48.8)%) und Pirmin Schwander (svp, SZ; 49.8%).

Mitte Oktober warteten dann schliesslich die NZZ und Le Temps mit ihrem alljährlich erscheinenden «Parlamentarier-Rating» auf. Erneut wiesen die auf der Basis des Abstimmungsverhaltens vorgenommenen Positionierungen der Parlamentsmitglieder auf einer Skala von -10 (ganz links) bis +10 (ganz rechts) auf eine zunehmende Homogenisierung innerhalb der Parteien hin. Insbesondere an den Polen habe die Fraktionsdisziplin ein noch nie gekanntes Ausmass erreicht, so die NZZ. So hätten sich die Mitglieder der SP-Fraktion vor den Wahlen 2015 auf einer Skalen-Spannweite von 3.4 Punkten verteilt, im aktuellen Rating betrage dieser Wert lediglich noch 1.2 Punkte. Die Extrempositionen in der SP besetzten im aktuellen Rating Silvia Schenker (sp, BS; -10.0) und Adrian Wüthrich (sp, BE; -8.8). Eine im Vergleich zu 2015 wesentlich grössere Fraktionsdisziplin wiesen bei dieser Berechnung auch die Grünen auf. Lagen das am meisten linke und am meisten rechte grüne Fraktionsmitglied 2015 noch um 2.7 Skalenpunkte auseinander, trennten Maya Graf (gp, BL; -9.2) und die drei ganz am linken Rand politisierenden Michael Töngi (gp, LU; -10.0), Irène Kälin (gp, AG; -10.0) und Regula Rytz (gp, BE; -10.0) im Jahr 2019 lediglich noch 0.8 Skalenpunkte. Damit waren die Grünen im Durchschnitt erstmals seit 2011 wieder weiter links positioniert als die SP: «Les Verts n'ont jamais été aussi à gauche», war dies Le Temps gar die Überschrift der Analyse wert. Am anderen Ende der Skala, bei der SVP, verringerte sich der Wert der Spannweite von 3.7 auf 1.2 Punkte – ohne Berücksichtigung von Roberta Pantani (lega, TI), die zwar der SVP-Fraktion angehört, aber die Lega vertritt und mit einem Wert von 8.2 die am weitesten «linke» Position in der SVP-Fraktion im Nationalrat vertrat. Gleich drei SVP-Nationalräte politisierten ganz rechts aussen und wiesen einen Skalenwert von 10.0 aus: Toni Brunner, Luzi Stamm (svp, AG) und Adrian Amstutz (svp, BE). Jean-Pierre Grin (svp, VD) fand sich bei Position 8.8 und war damit das am weitesten links positionierte Mitglied der SVP im Nationalrat. Selbst bei der CVP war eine Disziplinierung festzustellen: Es zeigte sich im Vergleich zu 2015 ein Rückgang der Spannweite von 3.6 auf 2.6 Punkte, wobei die Fraktion im Vergleich zum Vorjahr zahlreiche Mitglieder leicht rechts von der Mitte aufwies und sich von -1.0 (Dominique de Buman; cvp, FR) bis 1.6 (Philipp-Matthias Bregy; cvp, VS) erstreckte. Die der CVP-Fraktion angehörenden EVP-Mitglieder waren wesentlich weiter links als ihre Fraktion: Niklaus Gugger (ZH) wurde auf der Skala bei -4.2 und Marianne Streiff-Feller (BE) bei -4.3 eingestuft. Die restlichen drei Fraktionen hingegen waren im Vergleich zu 2015 heterogener geworden. Bei der FDP war die Zunahme von 2.5 auf 2.6 Skalenpunkte freilich minim. Die Fraktionsgrenzen wurden bei den Freisinnigen von Walter Müller (fdp, SG; 4.5) und Christa Markwalder (fdp, BE; 1.9) eingenommen. Grössere Sprünge machten die BDP und die GLP. Während sich bei der BDP die Spannweite im Vergleich zu 2015 von 1.2 auf 2.0 fast verdoppelte – wie schon 2015 deckte Rosmarie Quadranti (bdp, ZH; -1.7) die linke Flanke ab, während sich Hans Grunder (bdp, BE; 0.3) am rechten Rand der BDP positionierte – wuchs die Heterogenität innerhalb der traditionell eigentlich sehr homogenen GLP von 0.5 auf 2.7 Skalenpunkte an. Hauptgrund dafür war Daniel Frei (glp, ZH), der von der SP in die GLP gewechselt hatte und mit seiner Position von -5.7 zwar weit weg vom rechten Rand der SP (-8.8), aber auch weit weg vom linken Rand der bisherigen GLP-Mitglieder war. Dieser wurde von Kathrin Bertschy (glp, BE; -3.5) eingenommen, die in der Tat lediglich 0.5 Skalenpunkte von Martin Bäumle (-3.0), also dem rechten GLP-Rand, positioniert war. Die politische Landschaft verarme, schloss die NZZ aus diesen Zahlen. Vor allem zwischen den Mitte- und den Polparteien klaffe eine Lücke. Dort hätten früher moderate SVP- und SP-Vertreter als Brückenbauer gewirkt. Schuld für die zunehmende Fraktionsdisziplin seien aber nicht nur die Parteizentralen, sondern auch die wachsende Zahl an zu behandelnden Geschäften, bei denen Parlamentsmitglieder keine fundierte eigene Meinung mehr bilden könnten und deshalb gemäss der Empfehlung der Parteileitung stimmten.
Die zahlreichen auf die neue Legislatur 2019 bis 2023 hin angekündigten Rücktritte im Ständerat veranlasste die Verfasser des Ratings zur Spekulation eines Rechtsrutschs der kleinen Kammer nach den Wahlen 2019. Die politische Mitte des Ständerats befinde sich bei Pirmin Bischof, also bei -2.8. Da elf zurücktretende Kantonsvertreterinnen und -vertreter links und lediglich sieben rechts von Bischof seien und alle zurücktretenden im Schnitt deutlich linker (-5.3) positioniert seien als die wieder antretenden (-2.3), stellten die Ständeratswahlen vor allem für Mitte-Links eine Herausforderung dar, so die NZZ. Eindrücklich liess sich dies anhand von Raphaël Comte (fdp, NE) nachzeichnen. Der Neuenburger Freisinnige positionierte sich mit -5.7 näher bei Daniel Jositsch (sp, ZH), der mit -6.8 den rechten Rand der SP in der kleinen Kammer besetzte, als bei seinem am weitesten rechts positionierten Fraktionskollegen Philipp Müller (fdp, AG; 4.5) und dem Schnitt der FDP (2.3). Da Comte nicht mehr antrete, sei wohl auch in der FDP mit einem Rechtsrutsch in der kleinen Kammer zu rechnen.

Nationalratsrating

Lange Zeit waren die Gesamterneuerungswahlen des Bundesrats fast eine Pflichtübung. Das hatte vor allem damit zu tun, dass die eidgenössischen Wahlen lange Jahre kaum politische Verschiebungen nach sich zogen. Zwar war die alte Zauberformel (2 CVP, 2 FDP, 2 SP, 1 SVP) mit dem Wahlerfolg der SVP stark hinterfragt und schliesslich nach einigen Jahren der Transition mit mehr oder weniger gehässigen und aufreibenden Regierungswahlen, der Nichtwiederwahl von Ruth Metzler (2003) sowie Christoph Blocher (2007) und einem Intermezzo der BDP in der Regierung gesprengt worden. Nach den eidgenössischen Wahlen 2015, dem Rücktritt von Eveline Widmer-Schlumpf aus der nationalen Exekutive und dem Einzug eines zweiten SVP-Regierungsmitglieds schien dann aber eine neue Formel gefunden: 2 FDP, 2 SP, 2 SVP, 1 CVP.

Schon im Vorfeld der eidgenössischen Wahlen 2019 war freilich spekuliert worden, dass die Grüne Partei die CVP hinsichtlich des Wähleranteils überflügeln könnte und damit einen Anspruch auf einen Sitz in der nationalen Regierung hätte – umso mehr, wenn sich die Grünen mit der GLP quasi zu einem gemeinsamen Sitz für die «Öko-Parteien» zusammenraufen könnten, wie die Aargauer Zeitung spekulierte. Falls sich die CVP halten könnte, wäre auch der Angriff auf einen der beiden FDP-Sitze denkbar, so die Hypothese zahlreicher Medien. Die angegriffenen Parteien wehrten sich mit dem Argument, dass eine Partei ihren Wahlerfolg zuerst bestätigen müsse, bevor sie einen Anspruch auf eine Regierungsbeteiligung erhalten könne. Dies sei auch bei der SVP der Fall gewesen – so etwa FDP-Parteipräsidentin Petra Gössi (fdp, SZ) bereits Mitte August 2019 in der Zeitung Blick. Zudem dürfe nicht nur der Wähleranteil bei den Nationalratswahlen in die Berechnung einfliessen, sondern man müsse auch die Vertretung im Ständerat berücksichtigen. Martin Bäumle (glp, ZH), Ex-Präsident der GLP, gab zudem zu verstehen, dass ein Öko-Lager aus GP und GLP kaum denkbar sei; zu unterschiedlich sei man in diversen Sachfragen. Ebenfalls früh wurde in den Medien über einen möglichen Rücktritt von Ueli Maurer spekuliert, was aus der vermeintlichen Pflichtübung eine spannende Wahl gemacht hätte. Maurer gab dann allerdings Anfang November bekannt, noch eine weitere Legislatur anzuhängen.

Die aussergewöhnlichen Erfolge der Grünen Partei bei den eidgenössischen Wahlen 2019 gaben dann den Diskussionen über die parteipolitische Zusammensetzung des Bundesrats sehr rasch wieder ganz viel Nahrung und schafften Raum für allerlei Reformvorschläge zur Bestimmung der Landesregierung. In der Tat hatten die Grünen mit 13 Prozent Wähleranteil die CVP (11.4%) deutlich überflügelt und als viertstärkste Partei abgelöst. Die GLP kam neu auf 7.8 Prozent. Die NZZ rechnete vor, dass die aktuelle Regierung so wenig Wählerinnen und Wähler vertrete wie zuletzt vor 60 Jahren. Die Grünen und die Grünliberalen hätten rein rechnerisch ein Anrecht auf je einen Bundesratssitz.
Neben den medial zahlreich vorgetragenen Berechnungen wurde allerdings auch inhaltlich und historisch argumentiert. Der Einbezug in die Regierung sei immer auch an den Umstand geknüpft gewesen, dass eine Oppositionspartei auch in verschiedenen Sachthemen glaubhaft ihre Referendumsmacht ausspielen könne, wurde etwa argumentiert. Zwar sei das Klimathema wichtig und würde wohl auch nachhaltig bleiben, die Grünen und die GLP müssten aber – wie auch die SVP mit ihren gewonnenen Volksbegehren – mit Abstimmungserfolgen ihren Anspruch noch untermauern, so ein Kommentar in der NZZ. Die Grünen würden trotz Wahlgewinnen keinen Regierungssitz erhalten, weil «niemand Angst vor ihnen hat», wie die Aargauer Zeitung diesen Umstand verdeutlichte. Argumentiert wurde zudem, dass eine «Abwahl» – eigentlich handelt es sich um eine Nichtwiederwahl – nicht dem politischen System der Schweiz entspreche. Es brauche mehrere Wahlen, bei denen sich eine Partei konsolidieren müsse, um die Stabilität in der Regierung auch über längere Zeit zu gewährleisten, kommentierte dazu der Blick.

Der Tages-Anzeiger führte gar eine Umfrage durch, die aufzeigte, dass eine Mehrheit der Befragten die Zeit für einen grünen Bundesrat noch nicht für gekommen hielt. Wer ein grünes Bundesratsmitglied jedoch befürwortete (rund 40% der Befragten), wünschte sich, dass dies auf Kosten eines Sitzes der SVP (50%) oder der FDP (21%), aber eher nicht auf Kosten der CVP (10%) oder der SP (6%) gehen solle.
Für die WoZ war allerdings klar: «Cassis muss weg!» In der Tat forderte auch Regula Rytz (gp, BE) via Medien, dass die FDP freiwillig auf einen Sitz verzichte, da sie als lediglich drittgrösste Partei keinen Anspruch auf zwei Sitze habe. In der Folge schienen sich die Medien dann in der Tat vor allem auf den zweiten Sitz der FDP einzuschiessen. Freilich wurden auch andere Modelle diskutiert – so etwa ein von Christoph Blocher in der Sonntagszeitung skizziertes Modell mit der SVP, die zwei Sitze behalten würde, und allen anderen grösseren Parteien (SP, FDP, CVP, GP, GLP) mit je einem Sitz –, «sämtliche Planspiele» drehten sich aber «um einen Namen: Aussenminister Ignazio Cassis», fasste die Aargauer Zeitung die allgemeine Stimmung zusammen. Er sei «der perfekte Feind», «visionslos und führungsschwach». Der Aussenminister befinde sich im «Trommelfeuer» befand die Weltwoche. Häufig wurde seine Haltung im Europadossier kritisiert und entweder ein Rücktritt oder wenigstens ein Departementswechsel gefordert. Mit Ersterem müsste allerdings die Minderheitenfrage neu gestellt werden, war doch die Vertretung des Tessins mit ein Hauptgrund für die Wahl Cassis im Jahr 2017. Der amtierende Aussenminister selber gab im Sonntags-Blick zu Protokoll, dass er sich als Tessiner häufig benachteiligt fühle und spielte so geschickt die Minderheitenkarte, wie verschiedene Medien tags darauf kommentierten. Die Sonntags-Zeitung wusste dann noch ein anderes Szenario zu präsentieren: Einige SVP-Parlamentarier – das Sonntagsblatt zitierte Andreas Glarner (svp, AG) und Mike Egger (svp, SG) – griffen Simonetta Sommaruga an und forderten, dass die SP zugunsten der Grünen auf einen Sitz verzichten müsse. Die CVP sei in «Versuchung», wagte sich dann auch die NZZ in die Debatte einzuschalten. Würde sie Hand bieten für einen grünen Sitz auf Kosten der FDP, dann könnte sie im Bundesrat «das Zünglein an der Waage» spielen und Mehrheiten nach links oder nach rechts schaffen. Die NZZ rechnete freilich auch vor, dass grün-links mit zusammen rund 30 Prozent Wähleranteil mit drei von sieben Regierungssitzen klar übervertreten wäre, denn die GLP dürfe man nicht zu den Grünen zählen. Dies hatten vor allem die Grünen selbst implizit immer wieder gemacht, indem sie vorrechneten, dass die GLP und die GP zusammen auf 21 Prozent Wähleranteile kämen.

Neben Kommentaren und Planspielen warteten die Medien auch mit möglichen grünen Bundesratsanwärterinnen und -anwärtern auf. Häufig gehandelte Namen waren die scheidende Parteipräsidentin Regula Rytz, die Waatländer Staatsrätin Béatrice Métraux (VD, gp), die Neo-Ständerätin Maya Graf (gp, BL), der Berner alt-Regierungsrat Bernhard Pulver (BE, gp), der amtierende Fraktionschef der Grünen, Balthasar Glättli (gp, ZH) oder der Zürcher Nationalrat Bastien Girod (gp, ZH). Ins Gespräch brachte sich zudem der Genfer Staatsrat Antonio Hodgers (GE, gp).

Die Grünen selber gaben sich lange Zeit bedeckt und waren sich wohl auch bewusst, dass eine Kampfkandidatur nur geringe Chancen hätte. Sie entschieden sich zwar an ihrer Delegiertenversammlung Anfang November in Bern für eine forschere Gangart und forderten einen grünen Bundesratssitz – Regula Rytz sprach davon, dass vorzeitige Rücktritte aus dem Bundesrat ein Ärgernis seien, weil sie Anpassungen nach Wahlverschiebungen erschweren würden. Mit der Forderung war einstweilen aber noch kein Name verknüpft, was der Partei prompt als «Lavieren» ausgelegt wurde (Blick). «Der grüne Favorit», wie der Tages-Anzeiger Bernhard Pulver betitelte, sagte Mitte November, dass er nicht zur Verfügung stehe. Auch der Berner Stadtpräsident Alec von Graffenried (BE, gp) und die Aargauer alt-Regierungsrätin Susanne Hochuli (AG, gp), die ebenfalls als Kandidierende gehandelt worden waren, sagten via Medien, dass sie nicht zur Verfügung stünden.
Die «Kronfavoritin» (Tages-Anzeiger) Regula Rytz ihrerseits stand im zweiten Umgang der Ständeratswahlen im Kanton Bern. Ihr wurden intakte Chancen eingeräumt und wohl auch um diese nicht zu gefährden, versicherte sie, dass sie auf eine Bundesratskandidatur verzichten würde, sollte sie für den Kanton Bern in die kleine Kammer gewählt werden. Da sie dies allerdings verpasste, kündigte die Bernerin rund 20 Tage vor den Bundesratswahlen ihre Kandidatur an – noch bevor die Fraktion offiziell beschlossen hatte, eine Kandidatur einzureichen. Nach einer solchen Richtungswahl, wie es die eidgenössischen Wahlen gewesen seien, könne man nicht einfach zur Tagesordnung übergehen, erklärte sie gegenüber der Presse. Sie wolle für die Menschen und die Natur Verantwortung übernehmen. Ihr Angriff gelte aber nur dem FDP-Sitz von Ignazio Cassis. Würde sie für ein anderes Regierungsmitglied gewählt, würde sie die Wahl nicht annehmen – so die Bernerin. Die Fraktion der Grünen gab dann allerdings tags darauf bekannt, dass es nicht um die Person, sondern um die Übervertretung der FDP gehe. Ein Angriff auf Karin Keller-Sutter schien damit nicht wirklich ausgeschlossen. Die nach aussen als wenig abgesprochen erscheinende Strategie für die Ansage der Kampfwahl brachte der GP Kritik ein. Die Partei zeige sich «unbeholfen» und der Start sei «misslungen», urteilte etwa die NZZ. Auch die Weltwoche redete von einem «verpatzten Start» und die Sonntagszeitung sprach gar von dilettantischem Vorgehen. Es sei, als wären die Grünen ein Sprinter, der kurz vor dem Ziel auf die Uhr schaue und sich hinknie, um die Schuhe zu binden, so die Zeitung weiter.

Eine medial oft diskutierte Frage im Vorfeld der Wahlen war, welche Parteien die Grünen in ihrem Anliegen unterstützen würden. Klar schien, dass die FDP nicht Hand bieten würde. Auch die SVP würde – wenn überhaupt – die GP nur auf Kosten der SP unterstützen. Die CVP bzw. die neue Mitte-Fraktion (CVP zusammen mit BDP und EVP) entschied, Rytz nicht einmal zu einem Hearing einzuladen. Man sei nicht gegen eine grüne Vertretung in der Regierung, es sei aber «etwas zu früh», liess sich CVP-Parteipräsident Gerhard Pfister (cvp, ZG) in der Sonntagszeitung zitieren. Die GLP und die SP gaben bekannt, Rytz vor den Wahlen anhören zu wollen. Für Schlagzeilen sorgte dabei SP-Parteipräsident Christian Levrat (sp, FR), der die CVP aufforderte, mitzuhelfen, die Grünen in die Regierung zu hieven. Die Schweiz wäre sonst die einzige Demokratie, in der Wahlen keine Auswirkungen auf die Regierungszusammensetzung hätten. Zudem würde sich die Weigerung der CVP wohl über kurz oder lang rächen. Bei der GLP zeigte sich das Dilemma zwischen ökologischem und liberalem Gedankengut. Insbesondere in der Europafrage fanden sich die GLP und der amtierende Aussenminister eher auf der gleichen Linie. Für Rytz spreche das ökologische Anliegen, gegen sie ihre eher linke Ausrichtung, erklärte Tiana Moser (glp, ZH) dann den Entscheid für Stimmfreigabe der GLP. Zudem würde Rytz ohne Absprache mit den Grünliberalen den «Sitz der Ökokräfte» für sich beanspruchen. Letztlich stellte sich einzig die SP-Fraktion offiziell hinter Rytz. Die eher laue Unterstützung und der Versuch der amtierenden Regierungsparteien, die eigene Macht zu zementieren, mache das Unterfangen «grüne Bundesrätin» für Regula Rytz zu einer «mission impossible», fasste die Zeitung Le Temps die Situation dann kurz vor den Wahlen zusammen.

Nicht die Medien, nicht Umfragen und «nicht die Wahlprozente» (NZZ), sondern die Vereinigte Bundesversammlung bestimmt freilich letztlich, welche Parteien in der Regierung vertreten sein sollen. Und diese Entscheidung brachte das Resultat, das viele im Vorfeld aufgrund der Aussagen der verschiedenen Parteien auch erwartet hatten: die Wiederwahl aller Amtierenden und das Scheitern des Angriffs der Grünen. Auch die Ansprachen der Fraktionschefinnen und -chefs im Vorfeld der einzelnen Wahlen – die Erneuerungswahlen finden in der Reihenfolge der Amtszeit der Bundesratsmitglieder statt – machten dies bereits deutlich. Die CVP plädierte für Konkordanz und Stabilität und die SVP betonte, dass zum Erfolgsmodell Schweiz die angemessene Vertretung der Landesteile in der Regierung gehöre – die Diskriminierung der kleinsten Sprachregion durch die Grüne Partei sei abzulehnen. Die GLP erklärte, dass die Stärkung der ökologischen Anliegen und der Wähleranteil der Grünen zum Vorteil für Rytz gereiche, ihre Positionierung am linken Rand und der fehlende Anspruch von links-grün auf drei Sitze aber gegen sie spreche. Die SP erklärte, die Zauberformel sei keine exakte Wissenschaft, aber die beiden stärksten Parteien sollten zwei Sitze und die restlichen jeweils einen Sitz erhalten, was für Regula Rytz spreche. Die Fraktion der Grünen geisselte den Umstand, dass die Regierungsparteien während der Legislatur Sitze «austauschten» und so bewusst verunmöglichten, dass das Parlament die Resultate nach eidgenössischen Wahlen berücksichtigen könne. Die FDP schliesslich wollte sich einer künftigen Diskussion um eine Anpassung der Zusammensetzung des Bundesrats nicht verschliessen, amtierende Regierungsmitglieder dürften aber nicht abgewählt werden.

Der Angriff der Grünen folgte bei der fünften Wahl, auch wenn der Name Regula Rytz schon bei der Bestätigungswahl von Simonetta Sommaruga auftauchte. Gegen die 145 Stimmen, die Ignazio Cassis erhielt, war Regula Rytz jedoch chancenlos. Sie erhielt 82 Stimmen, was in den Medien als schlechtes Abschneiden kommentiert wurde, hätten doch die Grünen (35 Stimmen) und die SP (48 Stimmen) in der Vereinigten Bundesversammlung gemeinsam über 83 Stimmen verfügt. Weil darunter sicherlich auch ein paar CVP- und GLP-Stimmen seien, müsse dies wohl so interpretiert werden, dass einige SP-Parlamentarierinnen und -Parlamentarier die grüne Konkurrenz fürchteten; Ignazio Cassis könne hingegen zufrieden sein. Von den 244 Wahlzetteln waren 6 leer geblieben und 11 enthielten andere Namen als «Rytz» oder «Cassis».
Schon zuvor hatten die meisten Parlamentsmitglieder auf Experimente verzichtet. Bei der ersten Wahl wurde der amtsälteste Bundesrat, Ueli Maurer, mit 213 von 221 gültigen Wahlzetteln gewählt. 23 der 244 ausgeteilten Bulletins waren leer geblieben und acht auf Diverse entfallen. Beim Wahlgang für Simonetta Sommaruga entfielen 13 Stimmen auf Regula Rytz und 13 Stimmen auf Diverse. Da ein Wahlzettel ungültig war und 25 leer blieben, durfte sich die künftige Bundespräsidentin über 192 Stimmen freuen. Alain Berset erhielt 214 Stimmen. Bei ihm waren 14 Wahlzettel leer geblieben und 16 auf Diverse entfallen. Die Anzahl ungültige (1) und Leerstimmen (39) wuchs dann bei Guy Parmelin wieder an, so dass der Wirtschaftsminister noch 191 Stimmen erhielt – 13 Stimmen entfielen auf Diverse. Einen eigentlichen «Exploit» (Tages-Anzeiger) erzielte Viola Amherd bei der sechsten Wahl. Mit 218 Stimmen erhielt sie die zweitmeisten Stimmen der Geschichte; nur Hans-Peter Tschudi hatte 1971 mehr Stimmen erhalten, nämlich 220. Elf Stimmen blieben leer und 14 entfielen auf Diverse. Eingelangt waren nur noch 243 Wahlzettel. Ein etwas seltsames Gebaren zeigt sich bei der letzten Wahl. Karin Keller-Sutter wurde zwar auch hier im Amt bestätigt, sie erhielt aber lediglich 169 Stimmen, da von den 244 ausgeteilten Wahlzetteln 37 leer und einer ungültig eingelegt wurden und 21 Stimmen auf Marcel Dobler (fdp, SG) sowie 16 auf Diverse entfielen. In den Medien wurde spekuliert, dass dies wohl eine Retourkutsche vor allem von Ostschweizer SVP-Mitgliedern gewesen sei, weil Keller-Sutter sich im St. Galler Ständeratswahlkampf zugunsten von Paul Rechsteiner (sp, SG) ausgesprochen habe.

Der Angriff der Grünen sei zwar gescheitert, dies könne für die Partei aber auch befreiend sein, könne sie nun doch Oppositionspolitik betreiben und mit Hilfe der direkten Demokratie den Druck auf die anderen Parteien erhöhen, urteilte Le Temps nach den Wahlen. Ihr Anspruch auf einen Bundesratssitz sei nach diesen Bundesratswahlen nicht einfach vom Tisch, kommentierte Balthasar Glättli. In zahlreichen Medien wurde zudem die Stabilität des politischen Systems betont – auch der Umstand, dass es zu keinem Departementswechsel kam, obwohl kurz über einen Wechsel zwischen Alain Berset und Ignazio Cassis spekuliert worden war, wurde als Indiz dafür gewertet. Doch Stabilität bedeute nicht Stillstand; die neuen Mehrheiten im Nationalrat müssten sich auch auf die Diskussionen um eine neue Zauberformel auswirken – so die einhellige Meinung der Kommentatoren. An einem vor allem von der CVP geforderten «Konkordanzgipfel» sollten Ideen für die künftige Zusammensetzung der Landesregierung beraten werden. Entsprechende Gespräche wurden auf Frühling 2020 terminiert.

Gesamterneuerungswahlen des Bundesrats 2019
Dossier: Élection du Conseil fédéral depuis 2008

Im Dezember 2019 nahm sich der Nationalrat einer parlamentarischen Initiative Weibel (glp, ZH) an, welche nach dem Ausscheiden Weibels aus der grossen Kammer von Martin Bäumle (glp, ZH) übernommen worden war und eine Gebühr für Bagatellfälle in der Spitalnotfallaufnahme zum Gegenstand hatte. Bäumle, Kommissionssprecher Nantermod (fdp, VS) sowie Kommissionssprecherin Bertschy (glp, BE) erklärten, mit der geforderten Gebühr werde darauf abgezielt, dass die betroffenen Personen bei Bagatellfällen zuerst den Hausarzt respektive die Hausärztin, den 24-Stunden-Notfall-Dienst oder eine Apotheke aufsuchen, bevor sie sich in den Spitalnotfall begeben. Dadurch könnte nicht nur das Kostenwachstum im Gesundheitswesen abgeschwächt, sondern auch die Notfallstationen in den Spitälern entlastet werden, was für die Behandlung tatsächlicher Notfälle essentiell sei. Im Kanton Aargau würden sogenannte Walk-in-Gebühren beispielsweise bereits diskutiert. Dafür bedürfe es allerdings einer entsprechenden gesetzlichen Grundlage auf Bundesebene, welche durch die vorliegende parlamentarische Initiative geschaffen werden solle. Von den Gebühren ausgenommen werden sollen Patientinnen und Patienten unter 16 Jahren, solche mit einer Zuweisung einer Ärztin oder eines Arztes sowie Personen, die in der Folge stationär behandelt werden müssen. Eine Minderheit rund um Yvonne Feri (sp, AG), welche beantragte, dem Anliegen keine Folge zu geben, hielt dieser Argumentation entgegen, dass eine solche Gebühr primär eine Belastung für Arme, ältere Personen sowie chronisch Kranke darstelle. Ferner könne sie gegebenenfalls auch Fehlanreize schaffen, indem die Patientinnen und Patienten darauf bestünden, stationär behandelt zu werden. Diene die Gebühr zur Abschreckung, werde dadurch auch die freie Arzt- und Spitalwahl untergraben. Viele Menschen hätten zudem keinen Hausarzt oder keine Hausärztin mehr – gerade auf dem Land sei es schwierig, einen entsprechenden Arzt oder eine entsprechende Ärztin zu finden. Bezüglich der Kapazitäten für tatsächliche Notfälle meinte Feri, die Krankenhäuser hätten in der Notfallaufnahme bereits vor einiger Zeit ein Triagesystem eingeführt, das zwischen leichten, mittelschweren und schweren Notfällen unterscheide. Den Nationalrat vermochten die Worte der Kommissionsmehrheit anscheinend mehr zu überzeugen und so sprach er sich mit 108 zu 85 Stimmen (bei 1 Enthaltung) für Folgegeben aus.

Gebühr für Bagatellfälle in der Spitalnotfallaufnahme (Pa.Iv. 17.480)

Wie in vielen anderen Kantonen, kandidierten auch im Kanton Graubünden deutlich mehr Personen bei den Nationalratswahlen 2019 als noch vier Jahre zuvor. 100 Kandidierende auf 20 Listen bewarben sich dieses Jahr auf einen der fünf zu vergebenden Bündner Sitze. Der Frauenanteil unter den Kandidierenden betrug 35 Prozent.

Bei den Wahlen 2015 hatte die SVP auf Kosten der GLP einen zweiten Sitz gewonnen. EMS-Chefin Magdalena Martullo-Blocher schaffte damals neben dem kantonalen SVP-Parteipräsident Heinz Brand den Einzug in den Nationalrat. Die SP, die CVP und die BDP hatten je einen Sitz einnehmen können. Im Vorfeld der Wahlen 2019 war die spannendste Frage, ob die SVP ihre beiden Sitze verteidigen könne. Um dies zu schaffen, trat die Partei mit 5 Listen – darunter eine Liste Blocher und eine Liste Brand – jedoch ohne Listenverbindung mit anderen Parteien an. Die im Kanton Zürich wohnhafte Martullo-Blocher kandidierte somit erneut in Graubünden. Im Vorfeld war darüber spekuliert worden, ob sie womöglich in Zürich antreten würde. Dort hätte sie einen Sitz praktisch auf sicher gehabt, während sie im Kanton Graubünden um die Wiederwahl bangen musste. Die SVP schaffte ausserdem eine interne Sonderregelung ab, die besagt hatte, dass in allen Fällen die kandidierende Person mit den meisten Kandidatenstimmen gewählt sei, unabhängig von der Verteilung der Listenstimmen. Neu galt auch bei der SVP, dass die Person mit den meisten Kandidatenstimmen auf der Liste mit den meisten Listenstimmen gewählt wird. Wie schon vor vier Jahren, schlossen sich die FDP, CVP und BDP in einer Listenverbindung der Mitte-Parteien zusammen. Die FDP zielte nach ihrer historischen Schlappe vor acht Jahren auf die Rückeroberung eines Bündner Nationalratssitzes, den sie zwischen 1919 und 2011 ununterbrochen gehalten hatte. Dafür präsentierte die FDP eine Hauptliste ohne expliziten Spitzenkandidaten und bekam Unterstützung von der Jungparteienliste und zwei «Supporterlisten» mit bekannten Vertretern aus den Gemeinden und dem Gewerbe. Eine ganz andere Ausgangslage zeigte sich derweil bei der BDP: Nachdem sie schon 2015 rund sechs Prozentpunkte Wähleranteil verloren hatte, ruhten die Hoffnungen dieses Jahr fast ausschliesslich auf ihrem Spitzenkandidaten und bisherigen Nationalrat Duri Campell. Wie die BDP hatte auch die dritte Mitte-Partei im Bunde, die CVP, in Martin Candinas einen klaren Spitzenkandidaten. Die Christdemokraten sorgten im Wahlkampf mit ihrer Online-Kampagne für einen Aufreger. Auf einer Website wurden Politiker anderer Parteien für ihre Positionen und ihren Leistungsausweis kritisiert, darunter auch namhafte Politiker aus Parteien mit denen die CVP eine Listenverbindung eingegangen war, was der CVP einiges an Kritik einbrachte. Die GLP war erneut nicht in der Listenverbindung der Mitte-Parteien vertreten. Stattdessen entschied sie sich mit der SP und den Bündner Grünen (Verda), die nach ihrer Absenz bei den letzten eidgenössischen Wahlen wieder mit einer eigenen Liste antraten, zusammenzuspannen. Die GLP erhoffte sich dadurch, zum zweiten Mal nach 2011 einen Nationalrat stellen zu können. Der damals gewählte Josias Gasser trat dabei selber zur Wiederwahl an. Neu konnte auch die GLP auf die Unterstützung einer Jungparteienliste zählen. Die SP war die einzige Partei, welche einen Rücktritt zu verkraften hatte: die bisherige Nationalrätin Silva Semadeni zog sich nach drei Legislaturen im Nationalrat aus der nationalen Politik zurück. Dass der Bündner SP-Sitz trotzdem nie gefährdet schien, hing einerseits mit den guten Resultaten bei den kantonalen Wahlen im vergangenen Jahr zusammen. Andererseits hatte die SP auf ihrer mehrheitlich weiblichen Hauptliste mit Jon Pult, der auch für den Ständerat kandidierte, ein Zugpferd, so dass die Partei schon leise von einem zusätzlichen Sitz zu träumen anfing.

Der Wahlsonntag entwickelte sich zu einem Triumph für die Sozialdemokraten. Zwar büsste die SP leicht Wähleranteile ein (-0.5 Prozentpunkte; neu: 17.1%), doch vor allem dank dem guten Resultat der Verda, die aus dem Stand heraus 5.5 Prozent erzielte, eroberte die SP einen zweiten Sitz. Jon Pult und Sandra Locher Benguerel schafften so den Einzug in die grosse Kammer. Ebenfalls triumphieren konnten die Freisinnigen. Mit Anna Giacometti schaffte eine Vertreterin der FDP den erstrebten Wiedereinzug in den Nationalrat. Auf der überaus ausgeglichenen FDP-Hauptliste setzte sich Giacometti gut 100 Stimmen vor Andreas Züllig an die Spitze. Die CVP verteidigte ihren Sitz souverän. Martin Candinas wurde wiedergewählt und schrammte dank zahlreichen Panaschierstimmen nur knapp am besten Wahlresultat aller Kandidaten vorbei. Als einzige noch mehr Kandidatenstimmen bekam Magdalena Martullo-Blocher, die sogar ein noch besseres Resultat erzielte als vor vier Jahren. Für sie persönlich war es ein grosser Erfolg, nachdem im Vorfeld häufig ihre Abwahl prophezeit wurde. Ihre Partei, die SVP konnte ihren Wähleranteil zudem gar leicht ausbauen und ist mit 29.9 Prozent der Wählerstimmen weiterhin klar die stärkste Partei im Kanton. Trotzdem ging die SVP insgesamt eher mit negativen Gefühlen aus diesen Wahlen hervor, verlor sie doch ihren zweiten Sitz. Der Alleingang bei den Listenverbindungen trug entscheidend dazu bei, dass die SVP es nicht schaffte, den Sitz in den eigenen Reihen zu halten. Heinz Brand, der im Falle einer Wiederwahl Nationalratspräsident 2021 geworden wäre, verlor sein Nationalratsmandat und kündigte daraufhin seinen baldigen Rückzug aus der Politik an. Ein eigentliches Desaster erlebte die BDP. Sie verlor 5.4 Prozentpunkte und wies neu nur noch einen Wähleranteil von 9.1 Prozent auf. Zudem verlor sie den Sitz von Duri Campell und war somit nicht mehr in Bern vertreten. Dies war auch ein herber Schlag für die BDP Schweiz, da die Kantonalsektion Graubünden aufgrund der BDP-Gründungsgeschichte als wichtiges Standbein galt. Auch für die GLP war der Wahlsonntag eher enttäuschend. Sie schaffte es ganz knapp nicht von der guten Ausgangslage der «Klimawahl» zu profitieren und verpasste den angestrebten Sitzgewinn. Nur knapp über 60 Stimmen fehlten am Schluss um, anstelle der SP, den zweiten Sitz der «Klima-Allianz» einzufahren. Da half es auch nicht dass GLP-Spitzenkandidat Josias Gasser von allen Kandidaten am drittmeisten Panaschierstimmen erhalten hatte. Somit waren drei der fünf Gewählten das erste Mal Teil der Bundesversammlung. Der Frauenanteil steigerte sich auf 60 Prozent. Die Zusammensetzung der Bündner Nationalräte lautete neu: 2 SP, 1 FDP, 1 CVP, 1 SVP. Die Stimmbeteiligung fiel gegenüber 2015 um 3.1 Prozentpunkte auf 42.9 Prozent.

Nationalratswahlen 2019 – Graubünden
Dossier: Elections fédérales 2019 - aperçu

Um die derzeitigen Bürokratiehürden bei der Installation von neuen Solaranlagen zu verringern, forderte Nationalrat Martin Bäumle (glp, ZH) mittels Postulat einen Bericht, der verschiedene Möglichkeiten aufzeigt, wie die derzeitigen Rahmenbedingungen für Neuinstallationen verbessert und vereinfacht werden könnten. Konkret schlug er die Prüfung einer sogenannten One-Stop-Shop-Lösung vor, die das System insoweit vereinfachen würde, als nur noch ein einzelnes digitales Formular ausgefüllt werden müsste, welches die einzelnen föderalen Behörden durchlaufen würde. Das Begehren erfuhr im Nationalrat grossen Zuspruch. Die grosse Kammer nahm das Postulat in der Herbstsession 2019 diskussionslos und stillschweigend an, nachdem auch der Bundesrat schon für dessen Annahme plädiert hatte.

Reduktion der Bürokratie. One-Stop-Shop-Lösung für Solaranlagen (Po. Bäumlin 19.3509)

Als Erstrat trat der Nationalrat im Herbst 2019 ohne Gegenstimmen auf die Debatte zum Entwurf zur Präzisierung der Regelungen für Umweltverträglichkeitsprüfungen ein. Die Forderung von Initiant Albert Rösti (svp, BE) und der Kommission, die einzuhaltenden Umweltverträglichkeitsprüfungen bei Neukonzessionierungen von bestehenden Wasserkraftanlagen auf die bestehenden Ist-Verhältnisse und nicht mehr auf die ganz ursprünglich vorliegenden Gegebenheiten vor dem Bau der Anlagen zu fundieren, entfachte in der grossen Kammer eine lange Diskussion. Auf der einen Seite plädierten die Kommissionsmehrheitsvertreter Jacques Bourgeois (fdp, FR) und Mike Egger (svp, SG) für die Annahme des von der Kommissionsmehrheit in die Vernehmlassung geschickten Vorentwurfs, wonach der Soll-Zustand bei bestehenden Anlagen, wie von Rösti verlangt, mit dem Ist-Zustand definiert werden soll. Auf der anderen Seite verlangte eine Minderheit der UREK-NR unter Stefan Müller-Altermatt (cvp, SO), dem Antrag des Bundesrates zu folgen, wonach die Soll-Zustandsdefinition – nach Ermessen des jeweiligen Kantons – zusätzlich mit zu leistenden Massnahmen zugunsten der Natur ergänzt werden kann.
In der Ratsdebatte argumentierten die Verterter der Kommissionsmehrheit, dass durch diese Gesetzesanpassung Rechtssicherheit geschaffen werde und die derzeit bestehenden Wasserkraftanlagen gesichert werden könnten. Der Vorschlag, den Müller-Altermatt präsentierte, behalte hingegen die Rechts- und Planungsunsicherheit bei, da aufgrund der Beurteilung des jeweiligen Kantons unklar sei, wie hoch die Kosten für ergänzende Umweltmassnahmen bei der Neukonzessionierung ausfallen würden. Die Wasserkraft sei zudem das zentrale Rückgrat der Schweizer Stromproduktion, stelle ein wichtiges Element der Energiestrategie 2050 dar und dürfe deshalb nicht mit zusätzlichen Kosten gefährdet oder behindert werden. Es sei des Weiteren unmöglich zu beurteilen, wie der Zustand der Natur beispielsweise vor 80 Jahren ausgesehen habe, als viele Wasserkraftwerke gebaut worden seien – nach aktuellem Vorgehen müsste der Umweltzustand vor dem Bau der Anlagen eruiert werden –, argumentierte etwa der Initiant Albert Rösti. Etwas anders beurteilte dies beispielsweise Silva Semadeni (sp, GR), die die SP-Fraktion vertrat und für den Minderheitsantrag Müller-Altermatt plädierte. Sie bezeichnete die Forderung der Kommissionsmehrheit als schlauen Vorschlag, um die Pflicht zur Aufwertung der natürlichen Lebensräume zu umgehen, indem auf die gesetzlichen Bestimmungen aus den 50er und 60er Jahren zurückgegriffen werde, in welchen noch keine Umweltvorschriften vorgesehen waren. Minderheitssprecher Müller-Altermatt selbst relativierte seinen Antrag im Rat mit dem Argument, dass er eine Anpassung der Soll-Zustandsdefinition auf den Ist-Zustand grundsätzlich befürworte, den Kantonen aber, basierend auf der Vernehmlassungsantwort des Kantons Wallis, einen föderalen Ermessensspielraum zukommen lassen möchte, indem diese nach Möglichkeit der Verhältnismässigkeit entsprechend und nach Vereinbarung Massnahmen zum Schutz von Natur und Landschaft anordnen könnten.
In der Abstimmung zeigte sich mit 115 zu 71 Stimmen bei 3 Enthaltungen ein Links-Rechts-Graben, wobei sich die Mehrheit der CVP-Fraktion gegen ihren Nationalrat Müller-Altermatt stellte und sich zusammen mit der BDP-Fraktion für die Variante der Kommissionsmehrheit aussprach, die keine Klausel für zusätzliche Massnahmen zugunsten der Natur vorsah. In der Gesamtabstimmung blieben die Fronten ähnlich bestehen und eine Mehrheit, bestehend aus den SVP-, FDP-, CVP- und BDP-Fraktionen, setzte sich mit 123 zu 63 Stimmen bei 3 Enthaltungen durch und nahm den Entwurf der Kommissionsmehrheit an.

Anpassung der Umweltverträglichkeitsprüfung bei Neukonzessionierungen von Wasserkraftanlagen (Pa.Iv 16.452)
Dossier: Mesures de sécurité pour la préservation de la production d'électricité hydraulique en Suisse à partir de l'année 2015
Dossier: Hydroélectricité: renouvellement des concessions et mesures environnementales
Dossier: Expansion et préservation des énergies renouvelables versus protection de l'environnement

En dernière lecture, le Conseil national s'est une nouvelle fois écharpé sur les quatre divergences restantes. Après avoir siégé, la CEATE-CN a proposé à sa chambre de suivre le Conseil des Etats sur deux aspects, tandis que deux propositions de minorités allaient dans le sens de la chambre haute. Au final, la chambre du peuple a décidé de s'aligner sur deux points avec sa chambre sœur.
Tout d'abord, et à une voix près (92 contre 91 et 2 abstentions), l'autorisation de chasser le loup dans les districts francs – appelés dans la nouvelle loi «zones de protection de la faune sauvage» – lorsque diverses conditions sont remplies a été entérinée. Franz Ruppen (udc, VS) a défendu cette proposition de minorité, argumentant que les loups risquaient de se réfugier et de se multiplier dans ces zones s'il était décidé d'en faire des lieux intouchables. Le loup doit pouvoir être régulé et ceci sur tout le territoire, a-t-il avancé. Sans quoi, on ne pourrait pas atteindre les objectifs de régulation. Silva Semadeni (ps, GR) a défendu une position radicalement différente, dénonçant les partisans d'une éradication des loups. Pour elle, la solution est à chercher dans une protection accrue des troupeaux; mesures qui ont fait leurs preuves selon l'élue socialiste. Une majorité de la commission s'était pourtant prononcée pour le maintien de la divergence, principalement pour des raisons politiques, celle-ci redoutant le lancement d'un référendum. Mais également pour une raison d'ordre scientifique: ces zones de protection étant explicitement prévues pour la reproduction des proies et des prédateurs, un équilibre naturel peut se créer, comme expliqué par le député Müller-Altermatt (pdc, SO).
Ensuite, par 91 voix contre 86 et 1 abstention, les député.e.s ont suivi l'avis de la majorité qui proposait de s'aligner sur la décision du Conseil des Etats qui ne souhaitait pas imposer au Conseil fédéral l'obligation de consulter les milieux concernés en cas de dégâts provoqués par des espèces protégées. Celui-ci ne devra que consulter les cantons touchés, comme inscrit dans le droit en vigueur.
Le Conseil national a, au contraire, décidé de maintenir deux divergences qui devront donc être résolues dans le cadre d'une conférence de conciliation.
Il s'agit, premièrement, de l'article 4 de la LChP qui traite des conditions d'obtention du permis de chasse. La chambre basse continue de souhaiter une relative harmonisation de celles-ci entre les cantons, ce que la chambre des cantons n'a cessé de refuser. De plus, une proposition émanant de Lorenz Hess (pbd, BE) souhaitait abroger l'alinéa 3 du droit en vigueur qui prévoit l'octroi d'une autorisation de chasse de quelques jours. Ces deux points ont été acceptés tacitement par les élu.e.s. Pour Simonetta Sommaruga, conseillère fédérale en charge du dossier, cette décision est à voir comme une tentative de compromis à l'égard du Conseil des Etats. Et deuxièmement, les député.e.s ont décidé de soutenir, par 99 voix contre 74, la proposition de la minorité Ruppen de conserver la lettre c de l'article 7a, alinéa 2 qui précise que des animaux protégés peuvent être régulés à des fins de «préservation de populations sauvages adaptées au niveau régional».
Durant ce débat, Silva Semadeni ainsi que Bastien Girod (verts, ZH) ont annoncé que leurs groupes respectifs – le PS et les Verts – rejetteraient la présente révision.

Modifications de la loi sur la chasse (MCF 17.052)
Dossier: Changement de loi fédérale sur la chasse et la protection des mammifères et oiseaux sauvages

Mittels parlamentarischer Initiative forderte Silva Semadeni (sp, GR) die Ergänzung des Artikels 17 des SpoFög durch das fakultative Referendum für die finanzielle Unterstützung Olympischer Spiele durch den Bund. Damit griff sie die Debatte auf, die sie zum Projekt Sion 2026 im Nationalrat lanciert hatte. Es solle eine klare Ausgangslage für künftige Olympische Spiele geschaffen werden, so die Initiantin. Sie zweifle die nationale Bedeutung Olympischer Spiele nicht an, trotzdem bedürfe es nicht nur der Zustimmung der betroffenen Gemeinden und Kantone, sondern auch der Unterstützung der ganzen Schweizer Bevölkerung. Durch das fakultative Referendum gewännen zudem allfällige, in Zukunft stattfindende umstrittene Olympische Spiele in der Schweiz an demokratischer Legitimation.
Ende Juni 2019 befasste sich die WBK-NR mit der parlamentarischen Initiative. Während die Mehrheit der Kommissionsmitglieder dem Geschäft mit der Begründung zustimmte, solche kostspieligen Anlässe erforderten die Zustimmung der gesamten Bevölkerung, unterstützte eine Minderheit den Vorstoss nicht, da die Schweiz durch diese zusätzliche Hürde und ihre organisatorischen Folgen gegenüber konkurrierenden Ländern benachteiligt würde. Mit 15 zu 7 Stimmen sprach sich die Kommission für die parlamentarische Initiative aus.

Fakultatives Referendum für die Unterstützung Olympischer Spiele durch den Bund

Über die Zukunft von Feldschiessen und historischen Schiessen nach 2020 und über allfällige Subventionen befand der Nationalrat in der folgenden Sommersession. Der Minderheitsantrag Semadeni (sp, GR) auf Nichteintreten wurde von der Bündnerin gleich selbst vertreten. Sie stellte klar, dass Nichteintreten oder die Ablehnung der Vorlage nicht zum Aussterben historischer Schiessanlässe führen würde, sondern lediglich einen Einfluss auf die Bundessubventionen für diese Veranstaltungen nach 2020 hätte. Nach ihrem Ermessen sei die zweimalige Erstreckung der Frist für bauliche Massnahmen im Bereich der Kugelfänge ausreichend gewesen, um den Anlässen und ihren Veranstaltern entgegenzukommen. Es sei auch festzustellen, dass zahlreiche Anlagen die geforderten Bodenschutzmechanismen eingebaut hätten. Ein Beispiel aus ihrem Heimkanton Graubünden zeige ferner, dass der Einsatz von mobilen Kugelfängen möglich und zumutbar sei.
Die Befürworterinnen und Befürworter der Anpassung stammten vor allem aus den Reihen der SVP, zu der auch der Urheber der dieser Gesetzesänderung zugrunde liegenden parlamentarischen Initiative, Adrian Amstutz (svp, BE), gehört. Bereits während der Eintretensdebatte wurde deutlich, dass die Volkspartei nicht klein beigeben würde; sie zeigte sich auch gegenüber der anwesenden Umweltministerin angriffs- und fragefreudig. Eintreten wurde letztlich mit 129 zu 47 Stimmen klar beschlossen, die SP- und die Grünen-Fraktion stimmten geschlossen dagegen.
In der Detailberatung wurden drei Varianten diskutiert. Der Kommissionsmehrheit standen zwei Minderheitsanträge gegenüber, eine Minderheit I Rösti (svp, BE) und eine Minderheit II Vogler (csp, OW). SVP-Präsident Rösti wollte nicht nur die sogenannten historischen Schiessen berücksichtigen, sondern auch alle Feldschiessen einbeziehen. Dabei sollte gleichwohl präzisiert werden, dass nur bereits etablierte Anlässe unterstützt werden sollen. Deswegen sei nicht zu befürchten, dass die Anzahl derartiger Anlässe auf einmal drastisch zunehme, erklärte er. Er machte von dieser Änderung jedoch geradezu die Zukunft solcher Schiessanlässe abhängig. Die Minderheit Vogler stellte eine Präzisierung zur Debatte, wonach nur eine einmalige Sanierung finanziell unterstützt werden solle und nicht – nachdem wieder in den Boden geschossen worden sei – zusätzliche Sanierungen finanziert werden könnten. Ersterer Minderheitsantrag wurde der Kommissionsmehrheit vorgezogen. In einer zweiten Abstimmung entschied sich das Ratsplenum ebenfalls für die Variante Rösti und erteilte der Minderheit II mit 114 zu 67 Stimmen eine Abfuhr. Mit einem Gesamtabstimmungsresultat von 124 zu 57 Stimmen wurde das Geschäft der Ständekammer zur Weiterbearbeitung übertragen.

Feldschiessen und historische Schiessen auch nach 2020 ermöglichen
Dossier: Le tir en Suisse

Le Conseil national s'empare, à son tour, de la modification de la loi sur la chasse. Lors de ce débat fleuve divisé en trois blocs en plus des discussions sur l'entrée en matière, le Conseil national adopte le projet du Conseil des Etats agrémenté de quelques modifications qui feront l'objet d'un règlement des divergences.
La CEATE-CN proposait à sa chambre d'accepter l'entrée en matière de la modification d'une loi datant de 1986 – à une époque où les enjeux étaient différents, comme argumenté par le rapporteur francophone de la commission, Pierre-André Page (udc, FR) durant les débats introductifs. Selon ce dernier, trois raisons expliquent la nécessité de modifier cette loi: premièrement, la présence de plus en plus importante du loup; deuxièmement, la réponse du Conseil fédéral au postulat Landolt (pbd, GL) 14.3818 qui souhaite une reconnaissance nationale des permis de chasse; et troisièmement, la volonté de changer la dénomination «districts francs» en «zones de protection de la faune sauvage». Une minorité s'est toutefois formée au sein de la commission, celle-ci souhaitant que le projet soit renvoyé au Conseil fédéral pour qu'il en élabore une meilleure mouture. Représentant la voix de la minorité, Silva Semadeni (ps, GR) est particulièrement critique envers l'allègement des possibilités d'abattage du loup prévu dans ces modifications. Reprenant les propos de gardes-forestiers, elle postule que le loup a fait sa place, les forêts sont plus saines. Le loup n'est donc pas à considérer uniquement comme un problème. La minorité combat également le principe de précaution permettant aux autorités d'abattre des animaux qui pourraient potentiellement être problématiques pour les activités humaines. Le parti socialiste, les Verts ainsi que le parti vert libéral soutiennent le renvoi au Conseil fédéral, le président des verts-libéraux, Martin Bäumle (pvl, ZH), précisant que sans amélioration du projet de loi, son parti soutiendrait le lancement d'un référendum. Les autres partis souhaitent, eux, débattre du présent projet. C'est à une large majorité que les députées et députés rejettent la proposition de la socialiste Silva Semadeni (126 voix contre 58).
Dans le premier bloc mis en discussion (principes, autorisation de chasser, protection des espèces), l'ensemble des propositions émanant des majorités de la commission sont acceptées par la chambre basse, à une exception près. Tant les propositions minoritaires provenant de parlementaires de droite que de gauche ne réussissent à convaincre une majorité des élu.e.s. Ainsi est accepté le changement de dénomination de «districts francs» par «sites de protection de la faune sauvage», les modifications de l'article 4 sur l'examen cantonal de chasse telles que proposées par le Conseil fédéral (ne suivant ainsi pas sa chambre sœur qui ne souhaitait pas de ces modifications), la suppression de l'assentiment jusqu'ici obligatoire de l'OFEV si un canton souhaite écourter temporairement les périodes de protection des espèces (l'office sera simplement écouté). Seule la proposition de la minorité Hess (pbd, BE) de biffer un alinéa émanant du Conseil des Etats concernant la non-possibilité de faire recours contre les décisions des autorités cantonales portant sur les espèces pouvant être chassées a été acceptée grâce à un soutien faisant fi des appartenances partisanes.
Dans le deuxième bloc (régulation des populations), la discussion tournait principalement autour du cas du loup, du lynx, du castor ainsi que des périodes durant lesquelles la chasse est autorisée selon les espèces. Ainsi a-t-il été décidé de refuser la proposition de la minorité Semadeni que les cantons obtiennent tout d'abord le feu vert de l'OFEV avant d'instaurer des périodes de chasse pour le bouquetin, le loup ainsi que le castor – pour ce dernier le vote était serré, 95 parlementaires le souhaitant sur la liste, contre 91 et 4 abstentions, suivant ainsi la proposition de la minorité. Les cantons devront ainsi simplement demander l'avis de l'office fédéral de l'environnement avant d'effectuer ces modifications. Le Conseil national refuse toutefois d'inclure dans cette liste le lynx, le héron cendré ainsi que le harle bièvre. Dans ce même bloc, il accepte de rajouter une lettre c à l'alinéa 2 de l'article 7a, selon la proposition du député tessinois Fabio Regazzi (pdc, TI) qui souhaitait autoriser les cantons à réguler les espèces protégées si celles-ci constituent un danger pour la faune sauvage locale. Toutes les autres propositions émanant de minorités sont rejetées. Une majorité du parlement refuse donc que le danger pour l'abattage d'espèces protégées soit «concret» pour l'homme ou que les dégâts soient «importants», comme formulé dans le projet du Conseil fédéral. Il suffira qu'un tel animal présente un comportement attirant l'attention, ce qui est, selon l'élue verte Adèle Thorens (verts, VD), représentatif du changement de paradigme intervenant dans cette révision. Les autorités pourront à l'avenir agir de manière préventive, alors qu'auparavant, des dégâts avérés du spécimen en question devaient avoir été commis.
Dans le troisième bloc (protection de la faune sauvage, prévention), seule la minorité Vogler (pcs, OW) passe la rampe, celle-ci proposant que la Confédération soutienne par des subventions la conservation des espèces et des milieux naturels dans les réserves d'oiseaux et les districts francs.
Lors du vote sur l'ensemble, la chambre basse accepte le texte par 115 voix contre 67 et 3 absentions. Malgré le rejet de ce projet par 6 parlementaires PLR ainsi qu'un élu UDC – rejoignant la gauche sur ce vote –, une opposition gauche-droite est clairement visible. Le texte retourne aux mains de la chambre haute afin de régler les divergences.

Modifications de la loi sur la chasse (MCF 17.052)
Dossier: Changement de loi fédérale sur la chasse et la protection des mammifères et oiseaux sauvages

Eine Mehrheit des Nationalrates votierte in der Sondersession im Mai 2019 mit 119 zu 63 Stimmen gegen eine parlamentarische Initiative Flach (glp, AG), die forderte, AKWs nach zwei Jahren Stillstand die Betriebsbewilligung automatisch zu entziehen. Während Initiant Beat Flach und Kommissionsminderheitsvertreter Martin Bäumle (glp, ZH) vergebens auf die Sicherheitsfrage und auf ihr Vorbild Frankreich verwiesen, wo genau diese Praxis angewandt werde, führte Kommissionssprecherin Géraldine Marchand-Balet (cvp, VS) die bestehenden und ihrer Meinung nach ausreichenden rechtlichen Regelungen an.

Klarheit und mehr Sicherheit für stillstehende AKWs (Pa.Iv. 17.487)

Im Frühjahr 2019 veröffentlichte das Zentrum für Demokratie Aarau (ZDA) die Ergebnisse einer 2018 vom BAK in Auftrag gegebenen Studie zur Wirkung der Bundesfinanzhilfen an den Kanton Graubünden hinsichtlich der Erhaltung und Förderung der rätoromanischen und italienischen Sprache und Kultur im Kanton. Der Evaluationsbericht sollte zum einen als Entscheidungsgrundlage für die Förderperiode 2021–2024 und zum anderen zur Beantwortung des Postulats Semadeni (sp, GR; Po. 15.4117) beigezogen werden. Im Bericht wurde die aktuelle Situation des Rätoromanischen und des Italienischen sowohl für das angestammte als auch das erweiterte Sprachgebiet aufgezeigt und Hand zu Verbesserungsmöglichkeiten für das Förderinstrumentarium geboten. Für die Studie waren zunächst 54 Angehörige der rätoromanischen und italienischen Zivilgesellschaft sowohl im Kanton Graubünden als auch in der restlichen Schweiz mittels eines Fragebogens zur Nützlichkeit und Angemessenheit der ergriffenen Massnahmen befragt worden. Im Anschluss waren elf Interviews mit Expertinnen und Experten aus der Wissenschaft, der Politik und den involvierten Institutionen durchgeführt worden.
Die Untersuchungsergebnisse liessen auf deutliche Unterschiede zwischen den beiden Sprachminderheiten schliessen: Während das Italienische im angestammten Sprachgebiet als Amts-, Arbeits- und Alltagssprache weiterhin unangefochten sei, stelle das Verhältnis der Italienischsprechenden zu den behördlichen Instanzen und den staatsnahen Betrieben eine grosse Herausforderung dar. Dadurch werde die Gleichwertigkeit des Italienischen als Amtssprache innerhalb des kantonalen Staatswesens bisweilen erheblich beeinträchtigt. Das Rätoromanische hingegen werde bereits mittelfristig mit der Gefahr einer Zurück- bzw. Verdrängung konfrontiert sein, da es schon heute teilweise in seinen traditionellen Verbreitungsgebieten als Amts-, Arbeits- und Alltagssprache vom Deutschen abgelöst werde.
Eine wesentliche Schwäche deckte die Studie in der Umsetzung des im Grundsatz minderheitenfreundlichen kantonalen Sprachengesetzes auf. Die Hauptverantwortlichkeit zur Erhaltung und Förderung der beiden Minderheitensprachen im Kanton Graubünden werde vom Kanton selbst nur zögerlich wahrgenommen. Damit zusammenhängend offenbarte sich ein weiterer Schwachpunkt im für die Sprachförderung relevanten Bereich des Sprachunterrichts: Von verschiedener Seite sei moniert worden, dass die Lehrmittel für die beiden Minderheitensprachen qualitativ den deutschsprachigen Lehrmitteln nachstünden und oft auch erst mit Verspätung erschienen. Fehlende finanzielle Mittel führten zudem zu einer Kürzung bzw. Streichung des Romanisch- und Italienischunterrichts an Mittelschulen, wodurch das Bildungsangebot auf verschiedenen Stufen unterbrochen oder zumindest ausgedünnt werde. In der Folge bestehe eine reale Gefahr, dass insbesondere die Romanischkenntnisse weiter sänken, weniger Lehrpersonal ausgebildet werde und die Sprache auszusterben drohe.
Um diesen Entwicklungen entgegenzuwirken, gaben die Studienverantwortlichen vier Hauptempfehlungen ab: Erstens erfordere es einen konzentrierten Einsatz finanzieller Mittel im Bildungssektor, besonders hinsichtlich der kritischen Situation des Rätoromanischen. Dadurch solle ein durchgängiges Angebot an Romanischunterricht von der Krippe bis zur Hochschule gewährleistet werden und auch das Modell der zweisprachigen Kindergärten und Primarschulen auf mehr deutschsprachige Gemeinden ausgeweitet werden. Zweitens müssten Massnahmen auch über die Kantonsgrenze hinaus ergriffen werden, indem die Förderung von Bildungsangeboten, insbesondere zweisprachiger Schulen (Rätoromanisch/Deutsch), nicht nur in den deutschsprachigen Gebieten innerhalb des Kantons, sondern auch in anderen Kantonen anvisiert werde. Drittens müsse man die Mehrsprachigkeit in der kantonalen Verwaltung stärken, insbesondere hinsichtlich des Italienischen. Die deutschsprachigen Mitarbeitenden sollten bessere Italienischkenntnisse erlangen und italienischsprachige Bewerbungen nicht wegen fehlender Deutschkenntnisse benachteiligt werden. Als letzte Empfehlung wurden sowohl der Kanton Graubünden als auch der Bund dazu angehalten, ihre Governance in diesem Bereich zu überdenken. Auch wenn sich die Leistungsvereinbarung als Sprachförderungsmittel bewährt habe, müsse man diese in ihrer Ausgestaltung konkretisieren, einzelne Massnahmen und Zuständigkeiten präzisieren sowie ein stärkeres Monitoring vorsehen, um die strategischen und operativen Verantwortungen nicht zu verwischen.

Massnahmen zur Erhaltung und Förderung der rätoromanischen und der italienischen Sprache und Kultur im Kanton Graubünden

Feldschiessen und historische Schiessen sollen nach dem Willen des Parlaments auch nach 2020 noch möglich sein, wobei im Fokus der Debatte eine Anpassung im Bereich der Subventionierung von Umweltschutzmassnahmen stand, die nach 2020 eingestellt würden. Dafür bedurfte es jedoch einer Anpassung im Umweltschutzgesetz (USG), wofür die UREK-NR im Juli 2018 eine Vernehmlassung eröffnete. Den Unterlagen war nicht nur zu entnehmen, was genau die anvisierten Änderungen waren, sondern auch die Ablehnung aus links-grünen Kreisen: Diverse Minderheitsanträge, darunter ein Antrag Semadeni (sp, GR) auf Nichteintreten, waren bereits im Revisionsentwurf abgedruckt.
Die Revision, die auf Anregung von Adrian Amstutz (svp, BE) an die Hand genommen worden war, soll es den Betreibern ermöglichen, weiterhin Bundesabgeltungen für die Sanierung von Schiessanlagen zu beziehen. Dies soll nach Ende 2020 nicht mehr möglich sein, wenn nicht sichergestellt ist, dass keine Geschosse in den Boden gelangen. Bei Schiessanlässen, die ausserhalb von Schiessplätzen stattfinden und an denen daher nur ausnahmsweise und an speziellen Anlässen geschossen wird, könne dies nicht verhindert werden, wurden argumentiert. Einige solcher ausserordentlichen Schützenfeste könnten deswegen dereinst nicht mehr organisiert werden, so die Argumentation von Amstutz. Der vorgelegte Entwurf sieht eine Sonderregelung für Standorte, an denen höchstens ein historisches Schiessen oder Feldschiessen pro Jahr stattfindet, vor. Deren Sanierung soll weiterhin subventioniert werden können. Ferner soll die neue Regelung nur auf jene Feste anwendbar werden, die bereits vor Ende 2020 regelmässig stattgefunden haben und deswegen quasi als etabliert gelten.
Die angesprochene Minderheit der UREK-NR zeigte sich mit der Gesetzesrevision nicht einverstanden, sie war der Ansicht, es solle überhaupt nicht mehr in den Boden geschossen werden. Im Wesentlichen warnte sie vor einer zu grossen Belastung der Böden durch Schwermetalle.

In der Vernehmlassung wurde der Entwurf ambivalent beurteilt. Die Schützen befürworteten die Anpassungen weitgehend und beschränkten ihre Änderungsvorschläge auf Begriffspräzisierungen. Auf Ablehnung stiess die Vorlage bei der Mehrheit der Kantone und bei den linken Parteien SP und Grüne. Deren Antrag ans Parlament war Nichteintreten. Wichtigste Kritikpunkte waren die Vereinbarkeit mit den Grundsätzen des USG und dem Vorsorge- und Verursacherprinzip. Ferner fürchteten einige Kantone insgesamt eine Verschlechterung beim Umweltschutz. Den Schützenvereinen und Veranstaltern solcher Schiessanlässe standen also mit den Kantonen wichtige Akteure gegenüber. Mit diesen Differenzen musste sich die UREK-NR also noch befassen, bevor ihr Entwurf zur Änderung des USG im Parlament behandelt werden konnte.

Feldschiessen und historische Schiessen auch nach 2020 ermöglichen
Dossier: Le tir en Suisse

Eine parlamentarische Initiative Flach (glp, AG) forderte, dass Kernkraftwerken, welche zwei Jahre oder länger stillstehen, die Betriebsbewilligung (zumindest vorübergehend) automatisch entzogen wird. Der Initiant begründete sein Anliegen damit, dass durch die lange Ausserbetriebnahme gewisse Komponenten funktionsuntauglich werden könnten, wichtiges Know-how und Fachkräfte verloren gehen könnten und eine grosse Ungewissheit für die allgemeine Stromversorgung vorliege. Zudem bestünde auch seitens der Betreiberfirma ein buchhalterisches Interesse, das AKW nicht gänzlich abzuschreiben, endgültig stillzulegen und somit womöglich grosse Verluste in der Erfolgsrechnung auszuweisen, sondern dieses für längere Zeit im vorübergehenden Ausserbetriebsstand zu belassen. Das ENSI selbst verfüge in einem solchen Fall auch nicht die Macht, die Betriebsbewilligung auszusetzen oder die Stilllegung anzuordnen, um der Ungewissheit ein Ende zu setzen. Bei seiner Argumentation verwies der Initiant explizit auf das Kernkraftwerk Beznau I und fundierte sein Anliegen mit Erfahrungen, welche das Nachbarland Frankreich in diesem Bereich bereits gemacht hatte. Eine Mehrheit (17 zu 8 Stimmen) der vorprüfenden UREK-NR erkannte keinen Handlungsbedarf und unterstrich, dass unter geltendem Recht ein AKW nur in Betrieb sein dürfe, wenn die durch das ENSI zu überprüfenden Sicherheitsvorgaben gewährleistet seien. Eine Minderheit Bäumle (glp, ZH) beantragte die Annahme der Initiative mit dem Vermerk, dass für eine Wiederinbetriebnahme eine umfassendere Beurteilung der allgemeinen Betriebstüchtigkeit nötig sei, wie sie derzeit bei der erstmaligen Inbetriebnahme durchgeführt werde.

Klarheit und mehr Sicherheit für stillstehende AKWs (Pa.Iv. 17.487)

Im Nationalrat hatten beide parlamentarischen Initiativen (17.446 und 18.417), welche die Einführung eines Finanzreferendums forderten, keine Chance. Weil beide Vorstösse praktisch identisch waren, fand nur eine Abstimmung statt, bei der sich eine Mehrheit von 115 zu 79 Stimmen bei einer Enthaltung gegen Folge geben aussprach. Zu den Minderheiten-Stimmen aus den Fraktionen der Urheber gesellten sich je drei CVP- und BDP-Stimmen. Neben den Voten der Kommissionssprecher sowie der Urheber der Vorstösse – Adrian Amstutz (svp, BE) für die SVP-Fraktion bzw. Martin Bäumle (glp, ZH) – verlangte niemand das Wort. Die Idee eines Finanzreferendums dürfte damit wieder eine Weile vom Tisch sein.

Finanzreferendum (Pa.Iv. 17.446 und Pa.Iv. 18.417)
Dossier: Instauration d'un référendum financier au niveau national

Das Finanzreferendum war nicht nur im Ständerat ein Thema, sondern auch in der grossen Kammer. Dort zielten gleich zwei parlamentarische Initiativen darauf ab, Bundesbeschlüsse, die Ausgaben über einem bestimmten Betrag zur Folge haben, dem fakultativen Referendum zu unterstellen. Der Vorstoss der SVP-Fraktion (Pa.Iv. 17.446) wurde mit dem Umstand begründet, dass sich die direkte Demokratie positiv auf die Finanzdisziplin auswirke. In jenen Kantonen, in denen die Stimmbevölkerung mittels Finanzreferendum die Möglichkeit habe, hinsichtlich der Ausgaben auf die Bremse zu treten, seien Steuern und Ausgaben tiefer als in den anderen Kantonen. Martin Bäumle (glp, ZH) argumentierte in seiner parlamentarischen Initiative (Pa.Iv. 18.417) mit dem potenziellen Gewinn an Legitimation. Er verwies auf das Beispiel der Beschaffung einer neuen Kampfjet-Flotte oder den Kohäsionsbeitrag an die EU. In beiden Fällen wird darüber diskutiert, ob nicht die Stimmbevölkerung mitentscheiden soll, um so bei einem Ja die jeweiligen Ausgaben zu legitimieren.
In ihrem Bericht von Mitte August 2018 sprach sich die SPK-NR knapp mit 13 zu 11 Stimmen gegen Folge geben beider Anträge aus. Sie verwies in ihrem Entscheid auf den Umsetzungsprozess einer parlamentarischen Initiative der SVP aus dem Jahr 2003 (03.401), bei dem sich in der Vernehmlassung eine deutlich ablehnende Haltung gezeigt habe, weshalb dieser Prozess damals abgebrochen worden sei. Es sei nicht anzunehmen, dass sich diese negative Haltung seit damals grundlegend geändert habe. Man befürchte eine Übersteuerung, weil theoretisch zwei Mal gegen ein Gesetz das Referendum ergriffen werden könnte, da meist bereits bei der Gesetzgebung beschlossen werde, mit welchem Betrag der Bund sich finanziell engagieren müsse. Übersteige dieser Betrag dann aber die von einem fakultativen Referendum vorgesehene Hürde, dann müsste eigentlich ein zweites Referendum gegen das gleiche Gesetz ermöglicht werden. Vielfach sei zudem auch nicht bereits zum vornherein klar, ob ein Betrag überschritten werde oder nicht. Darüber hinaus dürften direktdemokratische Instrumente nicht mit Zielvorgaben – hier die Ausgabendisziplin – verknüpft werden. Direkte Demokratie sei ein Wert an sich. Budgetdisziplin werde auf Bundesebene schliesslich bereits mittels Ausgaben- und Schuldenbremse erreicht. Die starke, insbesondere aus SVP-Mitgliedern bestehende Minderheit, hob hervor, dass das Bedürfnis der Bevölkerung zur Mitbestimmung bei Projekten mit hohen Ausgaben wachse.

Finanzreferendum (Pa.Iv. 17.446 und Pa.Iv. 18.417)
Dossier: Instauration d'un référendum financier au niveau national

Dass die Schweiz haushälterischer mit ihrem Kulturland umgehen muss, darüber war man sich auch im Nationalrat, der die Zersiedelungsinitiative der Jungen Grünen in der Sommersession 2018 als Zweitrat beriet, einig. Gleichwohl stiess sich die Grossmehrheit der Parlamentarierinnen und Parlamentarier der grossen Kammer – ähnlich wie ihre Kolleginnen und Kollegen im erstberatenden Ständerat – insbesondere an der starren Forderung zum Einfrieren der Bauzonen. Darüber hinaus zeigte man bis in die Reihen der SP Unverständnis für den Zeitpunkt der Lancierung eines solchen Anliegens. Ein befristetes Bauzonenmoratorium – und somit eine etwas weniger radikale Forderung – sei ja Gegenstand der Landschaftsinitiative gewesen, die dann angesichts des als griffig erachteten indirekten Gegenvorschlags in Form der ersten RPG-Teilrevision zurückgezogen worden sei, so Beat Jans (sp, BS). Die Kantone hätten nun noch immer ein Jahr Zeit, Massnahmen gegen die Baulandhortung umzusetzen und bis dahin gelte faktisch ein Bauzonenmoratorium.
Während sich alle Fraktionen mit Ausnahme der Grünen geschlossen gegen das Anliegen stellten, gab sich die SP gespalten. Silva Semadeni (sp, GR) etwa äusserte ihren Unmut gegen die Verwässerung des revidierten RPG in kleinen Schritten, wie dies jüngst etwa durch die Schaffung von Ausnahmen für die Pferde- und die Kleintierhaltung sowie für Hotels geschehen sei. Im Raum hing auch die Befürchtung, dass im Rahmen der 2. Teilrevision des RPG die Bestimmungen zum Bauen ausserhalb der Bauzonen gar noch gelockert werden könnten, weswegen einige SP-Vertreterinnen und -Vertreter mit Zustimmung zur Initiative ein Zeichen zu setzen gedachten. Als Folge dieser Unstimmigkeiten beschloss die SP Stimmfreigabe. Zusammen mit Roger Nordmann (sp, VD) und Kommissionsmitgliedern der Grünen Fraktion beantragte die Bündner SP-Nationalrätin jedoch in einem Minderheitsantrag die Annahme der Initiative.
Die GLP attestiert der Bevölkerung Sympathien für den Landschaftsschutz und schlug deswegen als Gegenmassnahme einen direkten Gegenvorschlag zur Initiative vor, um diesem Anliegen zum Bodenschutz anders zu begegnen als der 2012 vom Volk knapp befürworteten Zweitwohnungsinitiative. Konkret beantragte die Partei im Namen einer Kommissionsminderheit Bäumle (glp, ZH), eine der drei in der Initiative enthaltenen Anliegen aufzunehmen, und verlangte – abweichend vom Initiativbegehren –, dass die Gesamtfläche an Bauten ausserhalb der Bauzonen nicht vergrössert werden dürfe.
Ganz woanders anzusetzen gedachte die SVP. Gemäss der Volkspartei ist die zentrale Ursache der Zersiedelung bei der Zuwanderung zu suchen. Verschiedene Redner der Fraktion versuchten die Diskussion in diese Richtung zu lenken, wobei SVP-Präsident Albert Rösti (svp, BE) Werbung für die hauseigene Begrenzungsinitiative betrieb. Gemäss dem St. Galler Nationalrat Brunner (svp, SG) wäre die Einschränkung der Zuwanderung «der beste Bodenschutz». Grünen-Nationalrat Girod (gp, ZH) entgegnete diesem Argument mit einem Vergleich der Stadt Zürich und der Stadt St. Gallen. Während Zürich bevölkerungsmässig wachse, bleibe die verbaute Fläche dank Förderung des verdichteten Bauens konstant. Anders in St. Gallen: Dort stagniere die Bevölkerung zwar, die Siedlungsfläche nehme aber dennoch zu.
Nach mehrstündiger und teils hitziger Debatte waren die Fronten zum Schluss dann doch ziemlich klar. Mit 135 zu 33 Stimmen bei 22 Enthaltungen – grösstenteils aus der SP-Fraktion – beschloss der Nationalrat, dem Volk die Zersiedelungsinitiative zur Ablehnung zu empfehlen. Unterstützung erhielten die Grünen durch eine knappe Mehrheit der SP-Fraktion. Auch der von der Minderheit Bäumle eingebrachte Antrag, der Initiative einen direkten Gegenvorschlag zur Einschränkung des Bauens ausserhalb der Bauzonen entgegen zu stellen, erlangte mit 44 zu 146 Stimmen (0 Enthaltungen) eine deutliche Abfuhr. Neben der GLP und den Grünen stimmte lediglich eine knappe Mehrheit der SP-Fraktion sowie die Nationalrätin und der Nationalrat der EVP für den Gegenvorschlag.

Am Ende der Sommersession 2018 verabschiedete der Ständerat seinen ablehnenden Antrag zur Zersiedelungsinitiative mit 34 zu 3 Stimmen bei 7 Enthaltungen. Das Schlussergebnis im Nationalrat lautete 143 zu 37 Stimmen (18 Enthaltungen) zu Ungunsten der Volksinitiative.

Volksinitiative "Zersiedelung stoppen – für eine nachhaltige Siedlungsentwicklung (Zersiedelungsinitiative)"

Die geplanten Teilrevisionen diverser Verordnungen im Kernenergiebereich sorgten in der Vernehmlassung für viel Aufruhr. Geplant waren einerseits Änderungen in den Kriterien zur Störfallanalyse und der dazugehörigen Ausserbetriebnahme und andererseits neue Regelungen zur Abklinglagerung von radioaktiven Abfällen. Für viel Zündstoff sorgte hierbei vor allem die erste Änderung – auch bekannt unter dem Namen «Lex Beznau».

Die Betreiberfirmen von Kernkraftwerken sind verpflichtet, deterministische Störfallanalysen durchzuführen. Störfälle werden dabei in drei Kategorien unterteilt: Schwerwiegende naturbedingte Fälle, die jedoch nur sehr selten eintreten, erhalten die Ziffer drei. Mit der Ziffer zwei versehen werden schwerwiegende naturbedingte Störfälle, die etwas häufiger vorkommen als jene in Kategorie drei. Leichtere und häufige naturbedingte Störfälle bekommen die Ziffer eins. Zudem erhalten die jeweiligen Störfälle maximale Dosisgrenzwerte – also Richtlinien, wie viel Radioaktivität bei einem Störfall maximal austreten dürfte – zugeteilt.
Unklar formuliert war bisher jedoch die Kategorisierung der in der Natur auftretenden Ereignisse, die durchschnittlich einmal alle 10'000 Jahre stattfinden. Gemäss Zeitungsberichten beziehe sich dies vor allem auf schwerere Erdbeben. Diese seltenen Erdbeben bildeten in Art. 123 Abs. 2 der Strahlenschutzverordnung (StSV) den Übergang zwischen der Kategorie zwei, für die ein strenger Dosisgrenzwert von 1 mSv (Millisievert) pro Jahr gilt, und der Kategorie drei, für die ein viel höherer Grenzwert von 100 mSv pro Jahr gilt. Unklar war deshalb, zu welcher Kategorie und zu welchem Grenzwert die oben beschriebenen seltenen Erdbeben gehören. Dass hier eine rechtliche Unsicherheit bestand, erkannte die KNS bereits im Jahr 2012 und beantragte Klärungsbedarf. Mit einer Konkretisierung, dass für solche Ereignisse die einfacher einzuhaltende Kategorie drei gelten sollte, wollte der Bundesrat die bisherige Praxis in den Verordnungen verankern.
Anwohner rund um die Kernkraftwerke Beznau I und II sowie drei Umweltorganisationen hatten aber schon im Jahr 2015 beim ENSI ein Gesuch eingereicht mit dem Ziel, solche Ereignisse der Kategorie zwei und somit dem strengeren Dosisgrenzwert 1 mSv pro Jahr zuzuordnen. Bei einer solchen Zuordnung müssten beide Anlagen in Beznau bis zu einer allfälligen Nachrüstung vom Netz genommen werden, da sie diesen Grenzwert nicht einhalten könnten. Mittels einer Verfügung hatte das ENSI dieses Begehren jedoch abgelehnt und den Entscheid damit begründet, dass dies weder der bisherigen Praxis noch der ursprünglichen Regelungsabsicht des Bundesrates entspreche und womöglich sämtliche AKWs der Schweiz unmittelbar bei der Zuteilung zur Kategorie zwei vom Netz genommen werden müssten. Diese Verfügung war danach beim Bundesverwaltungsgericht angefochten worden. Zu erwarten ist auch ein allfälliger Weiterzug des noch ausstehenden Bundesverwaltungsgerichtsentscheids an das Bundesgericht.

In der Vernehmlassung, die bis Mitte April 2018 andauerte, meldeten sich sowohl Regierungen diverser Schweizer Kantone und Städte, als auch diverse Organisationen, Kommissionen, Parteien und Dachverbände aus der Schweiz und Deutschland, sowie viele Einzelpersonen aus der Schweiz, Deutschland und Frankreich zu Wort. So liess beispielsweise der Regierungsrat des Kantons Aargau – also dem Kanton, wo sich die Anlagen Beznau I und II sowie Leibstadt befinden – verlauten, dass er die Präzisierungen in den Verordnungen als sinnvoll erachte. Ähnlich klang es in den Stellungnahmen der Kantone Basel-Land, Freiburg und Graubünden. In den Kantonen Luzern, Appenzell-Ausserrhoden und Zürich erachtete man die Präzisierungen als sinnvoll, äusserte aber Bedenken an der Herabsetzung der Schutzbestimmungen und betonte deshalb die Wichtigkeit des Postulats Müller (fdp, LU, Po. 18.3175). Klar oder mehrheitlich klar gegen die genannte Konkretisierung/Herabsetzung der Sicherheitsanforderungen von 1 mSv auf 100 mSv äusserten sich die Regierungen der Kantone Appenzell-Innerrhoden, Basel-Stadt, Genf, Jura, Neuenburg, Schaffhausen, Schwyz, Tessin, Uri, Waadt und Wallis – sowie Bern und Solothurn, die Standortkantone der anderen beiden Atomkraftwerke.
Nebst den Kantonsregierungen liessen auch diverse Parteien von sich hören. Aussergewöhnlich war hierbei der einstimmige Tenor unter diversen Parteien von links bis rechts betreffend die zeitliche Komponente. Sowohl die SP, die Grünen und die GLP als auch die FDP und die SVP störten sich am Zeitpunkt der Vernehmlassung. Die SP und die GLP forderten eine Sistierung des Vorhabens bis zum Gerichtsentscheid aus St. Gallen. Auch die Grünen kritisierten, dass der Bundesrat das gerichtliche Verfahren nicht abwarte, verlangten aber darüber hinaus einen generellen Verzicht auf die Revision. Die FDP erklärte, die Beschwerde sei kein Grund, um die Vernehmlassung zu verzögern, jedoch sei die Dringlichkeit dieser Verordnungsanpassung zu wenig ersichtlich. Die SVP schrieb in einer kurzen Stellungnahme, dass wohl erst durch das Gerichtsverfahren Anpassungen in Angriff genommen worden seien. Die KNS habe ja schon im Jahr 2012 bemerkt, dass ein gewisser Klärungsbedarf bestehe. Eine Ausnahme im Tenor bildete die BDP. In ihrer offiziellen Stellungnahme erwähnte sie die mögliche Problematik betreffend den Rechtsstreit nicht. Sowohl die SP als auch die Grünen äusserten sich generell ablehnend zu den Verordnungsänderungen, was sie auch deutlich kundtaten. «Wir lehnen die vorgelegten Verordnungsänderungen mit Nachdruck ab und kritisieren die vorgeschlagenen inhaltlichen Anpassungen sowie das gewählte Vorgehen scharf», schrieb etwa die SP. Die Grünen gingen einen Schritt weiter und beschuldigten den Bundesrat, mit dieser Lex Beznau die Grundlagen schaffen zu wollen, um die alten Anlagen in Beznau weiter in Betrieb halten zu können. Die FDP und die SVP zeigten sich mit den Änderungen grundsätzlich einverstanden. Gemäss FDP würden die Anpassungen selber keine Abstriche bei der Sicherheit mit sich bringen sondern nur die heutige Praxis auf Verordnungsebene präzisieren. Nicht offiziell zur Vorlage äusserte sich die CVP, was Martin Bäumle (glp, ZH) in einer Anspielung im Tages-Anzeiger als Unterstützung für ihre Energieministerin Doris Leuthard wertete.
Eine weitere brisante kritische Stellungnahme kam schliesslich von André Herrmann, dem ehemaligen Präsidenten der Eidgenössischen Kommission für Strahlenschutz (KSR). Er warf dem Bundesrat vor, das Vorsorgeprinzip zu verletzen: Die Kommission empfehle, solchen Ereignissen einen Grenzwert von 20 bis 50 mSv zuzuordnen und nicht 100 mSv, wie dies der Bundesrat vorsah.

Revidierte Kernenergieverordnung / Lex Beznau
Dossier: Rapports d’activité de la Commission fédérale de sécurité nucléaire CSN
Dossier: Résistance remise en service Beznau 2018 - Les changements de réglementation dans l'énergie nucléaire - Lex Beznau

Der Stellenabbau und die Restrukturierung bei der SDA kamen auch in der nationalrätlichen Frühjahrssession 2018 während der Fragestunde zur Sprache. So wollte Fathi Derder (fdp, VD) wissen, ob das Verfassen von Agenturmeldungen nicht der SRG übertragen werden könnte, da die SDA ihre Service-public-Aufgabe offensichtlich nicht länger wahrnehmen wolle (Fra. 18.5128). Matthias Aebischer (sp, BE) fragte, ob der Bundesrat nach wie vor plane, die «neue, gewinnorientierte SDA» – was sich an der Dividendenausschüttung zeige – mit jährlich CHF 2 Mio. aus dem Topf der Radio- und Fernsehabgabe zu finanzieren, wie dies mit der Revision der Radio- und Fernsehverordnung (RTVV) geplant sei (Fra. 18.5035). Als Angehörige sprachlicher Minderheiten zeigten sich Marco Romano (cvp, TI; Fra. 18.5039) und Silva Semadeni (sp, GR; Fra. 18.5101) besonders besorgt über den Erhalt der Nachrichten-Grundversorgung in ihrer sprachlichen Vielfalt und wollten vom Bundesrat wissen, welche Bedeutung er dieser Leistung beimesse. In ihren Antworten betonte die UVEK-Vorsteherin Doris Leuthard, dass die SDA ein privates Unternehmen sei, das keinen gesetzlich verankerten Service-public-Auftrag habe. Sie hielt aber auch fest, dass die finanzielle Unterstützung der SDA an ihre konkreten publizistischen Leistungen geknüpft werde und nicht als Unterstützung «der SDA oder ihrer Aktionäre an sich» gedacht sei. Mit der revidierten RTVV würden auch die Grundlagen geschaffen, um eine Leistungsvereinbarung mit Nachrichtenagenturen einzugehen.

Bund will Leistungsvereinbarung mit der SDA

Zwischen der Behandlung der Initiative im Parlament im September 2017 und der Volksabstimmung im März 2018 riss die Berichterstattung und die Debatte über die Initiative zur Abschaffung der Billag-Gebühren nicht mehr ab. Insbesondere nachdem Medienministerin Doris Leuthard im Oktober 2017 die neue Radio- und Fernsehabgabe von 365 Franken pro Jahr präsentiert hatte, gab es für die Medien kein Halten mehr. Diskutiert wurden in der Folge alle möglichen Aspekte der Vorlage. Relativ schnell beschrieben war der Inhalt der Initiative: Die Empfangsgebühr für Radio und Fernsehen soll abgeschafft werden und der Bund soll in Friedenszeiten keine Radio- und Fernsehstationen betreiben oder subventionieren dürfen. Stattdessen soll er entsprechende Konzessionen versteigern. Welche Auswirkungen eine solche Änderung hätte, wer sie befürwortete oder bekämpfte und wer wie davon betroffen wäre, sorgte in der Folge in Medien und Gesellschaft für viel Gesprächsstoff und wurde in über 7'000 Presseartikeln und 68'000 Tweets, Letztere gemäss (Fög) alleine zwischen anfangs Januar und Mitte Februar 2018, diskutiert.

Zu Beginn des Abstimmungskampfes besonders interessant war die Frage nach den Initianten und Befürwortern der Vorlage. Diese stellten gemäss Le Temps eine «alliance de circonstance» zwischen verschiedenen Akteuren vor allem aus der Deutschschweiz dar: neoliberale Rechte insbesondere aus der Zürcher SVP; junge Libertäre, die dadurch ihre Vision einer ultraliberalen Welt verbreiten wollten, sowie private Verleger, die sich Vorteile aus der Initiative erhofften. Die Hauptakteure der No-Billag-Komitees kamen folglich mit Olivier Kessler, Co-Initiator der Initiative und einstigem Präsidenten der Jungen SVP Schwyz, mit Thomas Juch, No-Billag-Co-Präsident und Vizepräsident der Jungfreisinnigen, mit Andreas Kleeb, Kommunikationsstratege und ehemaligem Parteipräsidenten der FDP Zug, und mit den Präsidenten der Unterstützerkomitees der Romandie, dem Jungfreisinnigen Nicolas Jutzet, und des Tessins, dem SVP-Gemeinderat von Lugano, Alain Bühler, aus dem Umfeld junger Libertärer. Deren Bewegung erlangte in der Folge durch Zeitungsinterviews und Auftritte in Diskussionsrunden einige mediale Aufmerksamkeit.
Anfangs sprach sich neben den Initianten kaum jemand für die Initiative aus; unterstützt wurde sie lediglich von der Zürcher SVP und vom Gewerbeverband, die beide relativ früh die Ja-Parole beschlossen hatten. Auch die Aktion Medienfreiheit, eine Gruppe privater Verleger präsidiert von Natalie Rickli (svp, ZH), sprach sich für die Vorlage aus, da ihr die Aktivitäten der SRG zu weit gingen. Lange fragten sich die Medien, was die SVP machen werde: Es seien bei ihr zwar schon immer Sympathien für die Initiative zu spüren gewesen, aber die Partei sei diesbezüglich gespalten. Eine Halbierung der Gebühr, wie es ihr Gegenvorschlag vorgesehen hatte, wäre von den meisten Exponentinnen und Exponenten bevorzugt worden, war zu lesen. Ebendiese Forderung anstelle der radikaleren Nullforderung hatte Nationalrätin Rickli den Initianten bereits vor Lancierung des Volksbegehrens nahegelegt. Die Medien erklärten die Zurückhaltung der SVP damit, dass es sich beim Thema der Initiative nicht um ein Kernanliegen der SVP handle und die im Januar 2018 lancierte Begrenzungsinitiative viele Ressourcen binde. Im Laufe der Kampagne sprachen sich jedoch immer mehr Mitglieder der SVP für die Initiative aus, unter ihnen auch alt-Bundesrat Christoph Blocher und Nationalrätin Magdalena Martullo-Blocher (svp, GR). Kurz vor der Abstimmung empfahl die SVP schliesslich mit 242 zu 17 Stimmen ein Ja zur Initiative. Zudem fassten die EDU und die Unabhängigkeitspartei up! die Ja-Parole.
Da zu Beginn der Kampagne noch unklar war, ob sich die SVP oder der Gewerbeverband finanziell beteiligen würden, setzten die Befürworter der Initiative auf Crowdfunding. Dieses sorgte für Aufmerksamkeit, nachdem der Betreiber der Crowdfunding-Seite erklärt hatte, die Sammelaktion für die Initiative zu stoppen und die bereits erhaltenen Gelder zurückzubezahlen. Die No-Billag-Initiative sei schlecht für die Kohäsion der Schweiz und als privates Unternehmen habe man das Recht, den Auftrag zu verweigern, erklärte die Geschäftsleitung. Olivier Kessler wertete dies als Sabotage und Affront gegen die Leute, die bereits insgesamt CHF 11‘500 für die Initiative gespendet hätten. Knapp 24 Stunden später startete das Crowdfunding auf einer privaten Seite erneut und erzielte nun – aufgrund von Solidaritätsbekundungen oder Gratiswerbung – mehr Spendengelder als zuvor: In den ersten 48 Stunden erhielten die Befürworter Spenden über CHF 22‘000, bis Ende Dezember 2017 nahmen sie insgesamt CHF 86‘000 mittels Crowdfunding ein.

Das Lager der Initiativgegner war relativ breit aufgestellt. Von den Parteien gaben die SP, die Grünen, die CVP, die BDP, die GLP, die EVP und die CSP die Nein-Parole heraus, genauso wie zum Beispiel Operation Libero, die Schweizerische Bischofskonferenz, die KdK und die Westschweizer Regierungskonferenz. Zögerlicher zeigten sich Economiesuisse und FDP. Die Freisinnigen fassten zwar mit 204 zu 82 Stimmen klar die Nein-Parole, machten aber an der Delegiertenversammlung ihrem Unmut gegenüber der SRG Luft. FDP-Präsidentin Petra Gössi (fdp, SZ) fasste die Position der Partei entsprechend zusammen: «Es braucht Anpassungen, aber keine Revolution.» Auf deutliche Ablehnung stiess die Initiative hingegen bei der CVP, von den Medien häufig als «SRG-Partei» bezeichnet. Mit 50 zu 0 Stimmen beschloss der Parteivorstand die Nein-Parole entsprechend deutlich; die CVP übernahm zudem die Leitung der Kampagne. Trotz ihrer ablehnenden Haltung gegenüber dem Volksbegehren geizten zahlreiche Initiativgegner nicht mit Kritik an der SRG und betonten, dass sie für den Gegenvorschlag gestimmt hätten, wenn dieser zustande gekommen wäre.
In Übereinstimmung mit der breiten Gegnerschaft der Initiative entstanden zahlreiche verschiedene Contra-Komitees. Dazu gehörten ein überparteiliches Komitee «Nein zu No Billag», dem sich über 140 nationale Parlamentarierinnen und Parlamentarier anschlossen, der Verein «Nein zum Sendeschluss», dem verschiedene zivilgesellschaftliche Akteure, darunter der Schriftsteller Pedro Lenz, der Direktor der Schweizer Journalistenschule und ehemalige SRF-Chefredaktor Diego Yanez sowie die Co-Präsidentin von Operation Libero Laura Zimmermann, angehörten. Operation Libero engagierte sich auch in einer eigenen Kampagne und erhoffte sich, mit Crowdfunding CHF 280‘000 zu erhalten, was dem Betrag entspricht, den die Bewegung bereits für ihre Kampagne gegen die Durchsetzungsinitiative auf dieselbe Weise erzielen konnte. Dieses Ziel erreichte Operation Libero im Dezember 2017 nach lediglich einer Woche Sammelaktion: Nachdem eine Vorumfrage der Sonntagszeitung einen deutlichen Vorsprung der Befürworter gezeigt hatte, schossen die Spenden durch die Decke. Zudem setzten sich das Komitee «NEIN zu No-Billag», bestehend aus engagierten Personen aus der Zivilgesellschaft, das Schweizer Syndikat Medienschaffender (SSM) mit der Kampagne «Made in Switzerland», Kulturschaffende mit dem «Aufruf der Kulturschaffenden gegen No-Billag» und der «Verein für die Rettung meiner Lieblingssendung», der eigens für diese Kampagne ins Leben gerufen worden war, gegen die Initiative ein. Zudem entstanden verschiedene Regionalkomitees in der Romandie, dem Tessin und im Bündnerland.

Breit diskutiert wurden in den Medien auch die Argumente der Befürworter und Gegner der Initiative. Die Initianten argumentierten, durch die Abschaffung der sogenannten «Zwangsgebühren» könne die Bevormundung der Bürger durch den Staat zumindest im Medienbereich gestoppt werden. Die Bürger sollten die Freiheit haben, zu wählen, was sie sehen und bezahlen wollen, erklärte Nicolas Jutzet. Dies betreffe insbesondere die jüngere Generation, die kaum noch lineares Fernsehen nutze: Untersuchungen des Fög sowie von Mediapulse und Vimentis verdeutlichten, dass nur noch 14 Prozent der 18- bis 24-Jährigen Fernsehen als Hauptinformationsquelle nutzen, die Marktanteile insbesondere von SRF 1 in dieser Altersgruppe deutlich niedriger liegen als für ältere Gruppen und Junge unzufriedener sind mit der SRG als ältere Personen.
Überdies würden die Gebühren einen fairen Wettbewerb und damit die Entstehung eines «vielseitigen und qualitativ hochstehenden Fernsehmarktes in der Schweiz» verhindern, argumentierte Mitinitiant Sebastian Frehner (svp, BS). Eines der prominentesten Argumente der Befürworter bezog sich demnach auf die Rolle der SRG. Die Befürworter der Initiative erachteten die No-Billag-Initiative als Möglichkeit, die Übermachtstellung der SRG zu brechen und dadurch die privaten Medienunternehmen zu stärken. Die SRG ruiniere mit ihren Gebührenmilliarden und einer aggressiven Wettbewerbsstrategie die privaten Medienhäuser, da sie durch den Startvorteil der Gebührenfinanzierung die Privaten am Werbemarkt unter Preisdruck setze und einfacher in neue Geschäftsfelder vorstossen könne, wurde argumentiert. Mit dieser Meinung standen die Initiativbefürworter nicht alleine da. Bis weit ins gegnerische Lager pflichtete man den Initianten bei, dass die SRG die Presse und die privaten Sender konkurriere, obwohl sie dies rechtlich nicht dürfe. Eine finanzielle Unterstützung der SRG sei nötig, erklärten hingegen die übrigen Initiativgegner. Dass bei den Medien der freie Markt, den die Initianten forderten, nicht spiele, könne man am Beispiel der Zeitungen sehen, erklärte Martin Candinas (cvp, GR). Daher bedürfe es bei Produktion und Verteilung von politischen und kulturellen Inhalten eines staatlichen Eingriffs, war in Le Temps zu lesen. Ohne staatliche Unterstützung könnten die Kosten zur Bereitstellung dieser Informationen nicht gedeckt werden. Da es sich für die grossen Medienunternehmen nicht lohnen würde, sich an der Versteigerung der Konzessionen zu beteiligen, käme eine Ersteigerung einzig für Milliardäre in Frage, betonte Roger Nordmann (sp, VD) zudem. Folglich käme es bei Annahme der Initiative zu einer sogenannten «Berlusconisierung» der Medienlandschaft: Einzelne finanzstarke Personen oder Unternehmen würden zukünftig den Medienmarkt und damit die Meinungsbildung dominieren.
Welche direkten Folgen eine Annahme der Initiative für die SRG hätte, war sehr umstritten und entwickelte sich immer mehr zur Glaubensfrage. Während Medienministerin Leuthard sowie mehrere Exponenten der SRG betonten, dass eine Annahme der Initiative das Ende der SRG bedeuten würde, bezweifelten dies die Initianten. Leuthard erklärte, dass die Initiative so klar formuliert sei, dass der Bundesrat sie per Verordnung umsetzen würde – das entsprechende Gesetz könne wohl kaum rechtzeitig erarbeitet werden. Man würde daher die Gebühren innerhalb eines Jahres zurückfahren. Auch SRG-Präsident Jean-Michel Cina, SRG-Generaldirektor Gilles Marchand sowie SRF-Direktor Ruedi Matter betonten, dass es bei einer Annahme zu einem Lichterlöschen bei der SRG und zu einer sukzessiven Entlassung der 6'000 Mitarbeitenden kommen würde. Insbesondere da bei Annahme der Initiative ein Grossteil der Bürger sofort aufhören würde, Gebühren zu bezahlen, wodurch die SRG in kürzester Zeit Liquidationsprobleme bekäme. Danach gäbe es in der Schweiz nur noch hoch kommerzielles Fernsehen mit viel Werbung. Dieser Darstellung widersprachen die Initianten: Sendungen mit hohen Einschaltquoten liessen sich über den Werbemarkt weiterhin finanzieren, betonte zum Beispiel Andreas Kleeb. Die SRG würde durch die Initiative zu einem gewöhnlichen Medienunternehmen, das sich am Markt bewähren müsste, erklärte auch Christoph J. Walther, Fachjournalist für Medien. Die Weltwoche rechnete aus, dass die SRG CHF 310 Mio. einnehmen könnte, wenn nur ein Viertel aller heutigen SRG-Nutzerinnen und -Nutzer die SRG-Programme zukünftig abonnieren würde. Da man bezüglich Werbung freier wäre, könnte man den Zuschauerrückgang durch längere Werbefenster sowie Werbung in Internet und Radio kompensieren. Auch der emeritierte Rechtsprofessor Rainer J. Schweizer hielt die Darstellung eines abrupten Endes der SRG für übertrieben. Er erklärte, die SRG würde vorläufig ihren Programmauftrag behalten und könnte weiter existieren, bis das Parlament das RTVG angepasst habe, weil dieses eine stärkere rechtliche Wirkung habe als die Ausführungsbestimmungen der Initiative. Um die Diskussionen zur Zukunft der SRG bei Annahme der Initiative auf eine solidere Basis zu stellen, hatte die KVF-NR bereits im April 2017 einen Bericht des BAKOM zu zwei Budgetvarianten der SRG gefordert, der im Juni 2017 erschien.
Nicht nur die SRG, auch die 21 respektive 13 regionalen Radio- und Fernsehstationen würde eine Annahme der Initiative vor grosse Probleme stellen, gaben Letztere zu bedenken. Diese erhalten ebenfalls CHF 68 Mio., zukünftig sogar CHF 81 Mio., aus dem Gebührentopf und sind zu etwa 50 Prozent gebührenfinanziert. Ohne diese Unterstützung könnten sie somit kaum überleben. Silvio Lebrument, Geschäftsführer der Somedia, erklärte, auch für den Radio- und Fernsehsender Südostschweiz würde eine Annahme der Initiative das Aus bedeuten. Folglich kritisierte auch der Verband der Schweizer Regionalfernseher Telesuisse die Initiative stark.
Eine Annahme der Initiative hätte schliesslich gemäss den Initiativgegnern auch negative Konsequenzen für die (Sprach-)Minderheiten. So erklärte Medienministerin Leuthard im Dezember, dass die Initiative diese deutlich stärker treffen würde als die Deutschschweiz. Heute fände eine Quersubventionierung der französisch- und italienischsprachigen Sender durch die Deutschschweizer Gebührenzahlenden statt: RSI zum Beispiel erhält 20.5 Prozent der Gebühreneinnahmen für 8.1 Prozent der Einwohnerinnen und Einwohner. Ohne diese Umverteilung könnten Radio- und Fernsehsender in anderen Sprachregionen kaum produziert werden, da die Märkte zu klein seien, erklärte Pascal Crittin, Direktor von RTS. Ausschliesslich werbefinanziert liesse sich hochwertiges Fernsehen nicht produzieren, bei einem Ja müsse RTS daher schliessen. Entsprechend kritisch zeigten sich die Medien und Akteure in der Romandie bezüglich der Initiative. Relativ lange war die Diskussion zur Initiative in den Westschweizer Medien deutlich weniger virulent als in der Deutschschweiz, die Initiative galt als chancenlos. Zudem sei das Westschweizer Fernsehen gemäss Peter Rothenbühler, langjährigem Chefredaktor von Le Matin, dank verschiedener hervorragender Informationssendungen in der Bevölkerung fest verankert. Aufgrund ausgewogener Informationsveranstaltungen und kontroverser Diskussionen sei auch der Vorwurf, die Sender seien politisiert, nie aufgekommen. Diese positive Einstellung zur SRG zeigte sich auch in der von Année Politique Suisse untersuchten Inseratekampagne: Im Vergleich zu früheren Vorlagen wurden in den französischsprachigen oder zweisprachigen Kantonen überdurchschnittlich viele Contra-Inserate publiziert, jedoch beinahe keine Pro-Inserate.
Speziell war die Lage für den Kanton Tessin, wo RSI mit 1100 Stellen, 500 Stellen bei Zulieferern und einer Wertschöpfung von CHF 213 Mio. gemäss einer Studie des Wirtschaftsforschungsinstituts BAK Basel einer der grössten Arbeitgeber des Kantons ist. RSI-Direktor Maurizio Canetta betonte entsprechend die Gefahr der Vorlage für den Südkanton. Da das Tessin aktuell dreimal mehr Geld aus dem Gebührentopf erhalte, als es einzahle, würden bei Annahme der Initiative nur noch kommerzielle Gewinne zählen, die Regionalität ginge verloren. Mittelfristig müsse RSI schliessen, dann könnten nur noch italienische Sender empfangen werden. Trotz oder gerade wegen der starken Lage von RSI entwickelte sich im Tessin eine überaus starke Befürworterkampagne zur Initiative. Mit fast 60 Inseraten im untersuchten Zeitraum und den untersuchten Zeitungen – von denen jedoch mehr als die Hälfte in der Lega-nahen Zeitung «Il Mattino della Domenica» erschienen waren – legten sich die Befürworter mächtig ins Zeug, wie die Auswertung von Année Politique Suisse zeigte. Hauptsächlich kritisierten sie darin die Grösse der SRG und die staatliche Kontrolle des Fernsehens.
Ebenfalls besonders stark betroffen war der Kanton Graubünden als einziger dreisprachiger Kanton. Martin Candinas erklärte, die Vorlage sei ein Frontalangriff auf das rätoromanische Radio- und Fernsehangebot und ein Kahlschlag für den Medienplatz Schweiz. Der Kanton Graubünden würde bei einer Annahme der Initiative aus den Medien verschwinden, berichtet werden würde nur noch über Naturkatastrophen, ergänzte Nationalrätin Silva Semadeni (sp, GR). Die Initiative müsse klar abgelehnt werden, damit ein deutliches Signal für eine starke SRG gesendet werden könne, die in der Lage wäre, Minderheitensprachen, Berggebiete und periphere Regionen zu berücksichtigen. Im Laufe der Kampagne wurden die Initiativgegner immer deutlicher, Ständerat Stefan Engler (cvp, GR) etwa sprach vom Verlust eines Stückes Identität der Rätoromanen und von «einer Katastrophe für den Kanton Graubünden». Entsprechend aktiv zeigten sich die Bündner Initiativgegner auch in der Kampagnenphase – in keinem anderen Kanton zählte Année Politique Suisse mehr Contra-Inserate.
Das Argument der Sprachminderheiten war jedoch auch in der Deutschschweiz relevant. Hier sahen die Initiativgegner nicht nur die Schweizer Medienlandschaft, sondern mit ihr gar die nationale Kohäsion gefährdet. Diese beruhe nämlich gemäss NZZ unter anderem auf der Bereitschaft, die kleineren Sprachregionen mit Nachrichten und Unterhaltung zu bedienen und die kulturelle Vielfalt zu fördern. Durch die Initiative würde «einer der letzten Stützpfeiler unseres gemeinsamen Schweizer Dachs» verloren gehen, erklärte Nationalrat Christoph Eymann (lpd, BS).
Gegen eine solche «Überhöhung» der SRG wehrten sich wiederum die Befürworter der No-Billag-Initiative: Die Initiativgegner würden die SRG zur Rettung der vierten Gewalt und die No-Billag-Abstimmung zur Schicksalsfrage für die Schweiz hochstilisieren, kritisierte Nationalrat Lukas Reimann. Dabei hätten Umfragen gezeigt, dass selbst von den Initiativgegnern eine Mehrheit nicht glaube, dass die SRG mit Annahme der Initiative untergehen würde. Schliesslich bestritten die Befürworter der Initiative nicht nur die Darstellung der Medienministerin und der SRG-Verantwortlichen, wonach die SRG bei Annahme der Initiative nicht überleben könne, sie kritisierten insbesondere auch deren Weigerung, einen Plan B vorzulegen. Die SRG-Führung habe die Pflicht, den Fortbestand des Unternehmens sowie die Fortbeschäftigung der Mitarbeitenden unter allen Umständen zu sichern, erklärte unter anderem Nationalrat Gregor Rutz (svp, ZH). Dies veranlasste Andreas Kleeb, aber auch den Verleger der AZ Medien, Peter Wanner, zu Spekulationen, wonach die SRG über einen Plan B verfüge, diesen aber aus taktischen Gründen nicht kommuniziere.

Die Kampagnen zur No-Billag-Initiative konzentrierten sich stark auf Onlinekommentare und soziale Medien. Die Twitter-Aktivitäten zu No-Billag starteten anfangs Oktober und stiegen bis Ende Februar stetig an. Das Fög zählte von Januar bis Mitte Februar 2018 insgesamt 68'000 Tweets. Die Untersuchung des Fög bestätigte auch die oftmals geäusserte Vermutung, dass es bei den Twitter-Aktivitäten zu einer Bildung von Informations-Filterblasen komme: Grösstenteils bekamen die Nutzer nur Inhalte zu Gesicht, die mit ihren eigenen Ansichten übereinstimmten. Ausserordentlich stark tobte der Abstimmungskampf auch in den Medien. Das Fög bezeichnete die No-Billag-Initiative als «Sonderfall», da die Initiative über die ganze Kampagnendauer überdurchschnittlich viel Aufmerksamkeit in den Medien erzielt hatte. Das Fög zählte in den 14 Wochen vor der Abstimmung in den untersuchten Zeitungen 1049 inhaltliche Artikel zur Vorlage – insgesamt war die Rede von über 7000 Artikeln –, deutlich mehr als bei anderen vielbeachteten Vorlagen wie der Unternehmenssteuerreform III, der Durchsetzungsinitiative, der Masseneinwanderungsinitiative oder gar beim RTVG. Die Tonalität bezüglich der Initiative war in beinahe allen untersuchten Medien negativ, einzig die Weltwoche berichtete mehrheitlich positiv darüber. Vergleichsweise gut schnitt die Initiative auch bei der Aargauer Zeitung, 20 Minuten, der BaZ und der Sonntagszeitung ab. Überdurchschnittlich viel Resonanz erhielten gemäss dem Fög die Pro-Akteure jedoch neben der Weltwoche auch in den untersuchten Programmen der SRG. Während die Kampagne somit im inhaltlichen Teil der Zeitungen überdurchschnittlich stark vertreten war, zeigte sich in den Inseratespalten kein auffälliges Bild: Die Komitees schalteten im Vergleich mit Abstimmungen der vergangenen vier Jahre nur durchschnittlich viele Zeitungsinserate.

Am häufigsten porträtiert wurde die Position von Vertretern der Zivilgesellschaft, wie die Studie des Fög zeigte. Diese gehörten gemäss Fög überdies zu den grössten Kritikern der Initiative. So meldeten sich im Laufe der Kampagne zahlreiche zivilgesellschaftliche Organisationen zu Wort; Diego Yanez, Vorstandsmitglied des Komitees «Nein zum Sendeschluss», sprach von einem «Ruck, der durch die Zivilgesellschaft» ging. Bekämpft wurde die Vorlage von vielen Seiten: Der Gehörlosenbund zum Beispiel sprach sich gegen die Initiative aus, da man auf Sendungen mit Untertiteln oder in Gebärdensprache angewiesen sei. Bereits das heutige Angebot sei ungenügend, eine Annahme der Initiative würde aber die Situation noch verschlechtern, erklärte Corinne Parrat, die gehörlose Miss-Handicap 2009. Auch die Sportfans und -organisatoren meldeten sich zu Wort. Sie sorgten sich, dass nach Annahme der Initiative kaum noch Sportübertragungen im Free TV zu sehen sein würden. Seit Beginn der Erhebung 2013 waren die zehn meistgeschauten Sendungen im SRF Sportübertragungen, von den Top 100 beinhaltete fast jede zweite Sendung Sport. Insbesondere Anhänger von Nischensportarten waren besorgt: Private würden wohl kaum Berichte zu über 100 verschiedenen Sportarten ausstrahlen, wie es die SRG tue, war zu vernehmen. Auch Swiss Olympic beteiligte sich an der Diskussion: Die SRG sei einer «der wichtigsten Sportförderer der Schweiz», sowohl für Elite- als auch für Breitensport. Ein Ja wäre daher das Ende von mehr als nur der SRG.
Auch von kultureller Seite wurde Kritik an der Initiative laut. Die Interessengemeinschaft Volkskultur, der 33 Verbände und 400‘000 Aktivmitglieder angehören, fasste einstimmig die Nein-Parole. Präsident Albert Vitali (fdp, LU) erklärte, bei Annahme der Initiative sei zum Beispiel die Übertragung von Schwing- und Jodelfesten in Gefahr, weil Private die Kosten der Übertragung nicht stemmen könnten. Die Nein-Parole erliessen auch der Blasmusikerverband sowie der Eidgenössische Jodelverband. «Für die Freunde der Volkskultur ist die Initiative ein Affront», betonte die Präsidentin des Jodelverbands Kathrin Niederberger. Für Brauchtumsfeste sei die SRG ein unverzichtbarer Partner.
Anders sah es hingegen lange Zeit bei der Schweizer Musikbranche aus. Noch im November 2017 kritisierte die Sonntagszeitung, dass sich diese nicht zur Vorlage äusserte, obwohl die SRG die Karrieren der Schweizer Musiker entscheidend gefördert habe. So würden jährlich CHF 300 Mio. von der SRG zu den Künstlern fliessen, was für einige mehr als 40 Prozent des Einkommens ausmache. Da Privatradios einen deutlich niedrigeren Anteil an Schweizer Musik spielten als die SRG-Kanäle, seien die Musiker auf Letztere angewiesen. Ähnlich sehe es bei der Filmbranche aus, betonten die Medien. Die SRG habe in den letzten 30 Jahren CHF 300 Mio. in die Filmförderung investiert und unterstütze zudem jährlich Schweizer Filme mit CHF 30 Mio. bis 40 Mio. Dieser Aufruf zeigte Ende 2017 Wirkung, als unter dem Motto «Nein zum Blackout – Nein zu No Billag» Werbespots mit zahlreichen verschiedenen Schauspielerinnen und Schauspieler ausgestrahlt wurden. Finanziert wurden diese vom Dachverband der Schweizer Film- und Audiovisionsbranche Cinésuisse, der darauf hinweisen wollte, dass zahlreiche Filme wie «Die Schweizermacher» oder «Heidi» ohne die enge Partnerschaft mit der SRG nicht hätten realisiert werden können.
Diese Solidaritätsbekundungen lösten jedoch nicht nur Begeisterung aus. Die Weltwoche sah sich in ihrer Kritik bestätigt: Durch die Initiative würden die Verflechtungen der SRG sichtbar; diese mache sich die Abhängigkeiten zahlreicher Akteure für ihre Zwecke zu Nutze. Dabei kritisierte die Weltwoche insbesondere die Printmedien, welche die SRG über die Jahre abhängig gemacht habe. Zum Beispiel zahle sie jährlich mehrere Millionen Schweizerfranken an die Somedia, die NZZ-Gruppe sowie die AZ-Medien und insgesamt flössen jährlich CHF 67.5 Mio. an private Radio- und Fernsehstationen. Das erkläre auch, warum von dieser Seite nur leichte Kritik an der SRG geäussert würde. Diejenigen, die auf diese Weise von der SRG profitierten, hätten sich nun auch gegen die Initiative ausgesprochen, erklärte die Weltwoche. Allgemein blieb die Haltung der Zeitungen zur Initiative jedoch unklar. Der Verlegerverband (VSM) mochte anfangs keine klare Ja- oder Nein-Parole fassen, empfahl schliesslich aber trotz bestehender Differenzen die Ablehnung der Initiative. Zwar sei man für die Gebührenfinanzierung, mache aber die Stärke des Engagements von den Zugeständnissen der SRG abhängig, erklärte Geschäftsführer Andreas Häuptli. Die SRG solle demnach langfristig ohne Werbung und Sponsoring auskommen und die Kommerzialisierung des Angebots reduzieren, wurde gefordert. Auch der Westschweizer Verband Médias Suisses sprach sich gegen die Initiative aus, wollte aber die Contra-Kampagne nur unterstützen, wenn die SRG auf zielgerichtete Werbung verzichte und aus der Admeira austrete.

Unter besonderer Beobachtung standen auch während der Kampagnenphase die SRG und ihre Mitarbeitenden: Vielfach wurde befürchtet, dass sie aufgrund der für sie weitreichenden Konsequenzen der Initiative nicht würden neutral bleiben können. Mitte Oktober definierte die SRG interne Leitlinien, die es ihren Mitarbeitenden erlaubten, ihre Position über soziale Netzwerke zu vertreten und das Programmangebot und die Werte der SRG proaktiv zu betonen. Die Mitarbeitenden durften hingegen keine direkten Abstimmungsempfehlungen abgeben. In ihren Sendungen nahm die SRG gemäss Fög eine klar kritische Haltung zu der Initiative ein, die negative Tonalität von SRF und RTS entsprachen jedoch der durchschnittlichen Haltung der Medien, erklärte das Fög weiter. Überdurchschnittlich grosse Resonanz erhielten jedoch die Statements der Befürworter bei der SRG. Diese zeigten sich jedoch mit dem Verhalten der SRG und ihrer Mitarbeitenden im Rahmen des Abstimmungskampfes nicht zufrieden und kritisierten deren «breit angelegte Informationskampagne», wie es der Bote der Urschweiz formulierte. Insbesondere Sendungen zur Initiative selbst, vor allem die Arena respektive ihr Moderator Jonas Projer wurden kritisiert. Olivier Kessler beschuldigte Projer als SRG-Angestellten und «Zwangsgebühren-Profiteur» zu wenig unabhängig zu sein, um die Sendung zur No-Billag-Initiative fair zu leiten. Er habe die Sendung einseitig moderiert und die Initiativbefürworter deutlich häufiger unterbrochen als die Gegner, ergänzte Kessler auf seinem Blog. Auf diese Anschuldigungen entgegnete Projer, dass die wichtigsten Themen beider Seiten angesprochen worden seien und die Redezeit ausgeglichen gewesen sei – man habe dies absichtlich gemessen. Unterstützung erhielt Projer im Nachhinein von SRG-Ombudsmann Roger Blum, der die Sendung aufgrund zahlreicher Beschwerden überprüfte. Demnach habe Projer Kessler deutlich weniger kritische und mehr unkritische Fragen gestellt als Bundesrätin Leuthard, habe diese aber nie, Kessler sowie Joachim Eder als Vertreter der Initiativgegner aber gleich häufig unterbrochen. Insgesamt seien die Befürworter zwar deutlich häufiger unterbrochen worden, eine «förmliche Diskriminierung» habe der Ombudsmann aber nicht festgestellt. Das hatten einige Zuschauer freilich anders wahrgenommen, in den sozialen Medien gingen die Wogen hoch. In einer Twitter-Nachricht wurden Projer und seine Kinder gar mit dem Tod bedroht, worauf dieser Strafanzeige einreichte.
Die SRG wurde jedoch nicht nur wegen dem Inhalt ihrer Sendungen, sondern auch wegen deren Kampagnenfinanzierung kritisiert. Die Initiativbefürworter befürchteten, die SRG setze Gebührengelder für den Abstimmungskampf ein, was zum Beispiel Stefan Ammann, Präsident der Jungfreisinnigen, als Beeinflussung wertete. Entsprechende Anfragen von Sylvia Flückiger-Bäni (A. 17.5446) und Lukas Reimann (A. 17.5455) im Parlament ergaben, dass die SRG zwar nicht über ein Budget für die Abstimmungsdebatte verfügte, wohl aber Geld für Medienanfragen aus dem Budgetposten «Public Affairs» bereitgestellt hatte. Dieser betrug fürs Jahr 2016 CHF 400‘000. Der Bundesrat erklärte diesbezüglich, die Trägerschaft der SRG habe das Recht und die Pflicht, Diskussionen über den Service public zu führen, jedoch müssten die Auftritte sachlich und transparent sein. Gemäss den Initiativ-Befürwortern war hingegen auch das äusserst heikel, da dadurch Arbeitszeit von Personen mit gebührenfinanzierten Löhnen in Anspruch genommen werde. Ferner brauche die SRG keine Plakate mehr zu finanzieren, weil sie stattdessen auf bereits bekannte Gesichter setzen könne.

Volksinitiative "Ja zur Abschaffung der Radio- und Fernsehgebühren" (No Billag-Initiative)

Das Salär eines Bundesrates ist immer mal wieder Gegenstand medialer Debatten. Zudem war der Durchschnittslohn der Magistratinnen und Magistraten auch Gegenstand in der Debatte um die Kaderlöhne in bundesnahen Betrieben. Die Kosten eines Bundesratsmitglieds bemessen sich aus seinem an die Teuerung angepassten Lohn, der – Stand Januar 2017 – CHF 445'163 beträgt, und einer Spesenpauschale von CHF 30'000 pro Jahr. Der Bundespräsident oder die Bundespräsidentin erhalten zusätzlich CHF 12'000. Darüber hinaus übernimmt der Bund die Kosten für Festnetzanschluss, Mobilteleton und PC und die Magistratinnen und Magistraten dürfen ein Repräsentations- und ein Dienstfahrzeug nutzen, bezahlen für deren private Nutzung allerdings 0.8 Prozent des Neupreises pro Monat. In den Leistungen inbegriffen sind zudem ein SBB-Generalabonnement für die erste Klasse und ein GA für die Schweizer Seilbahnen.
Zu reden gibt aber insbesondere die Rente, die zurückgetretene Bundesrätinnen und Bundesräte auf Lebenszeit erhalten. Sie beträgt CHF 220'000 pro Jahr, also rund die Hälfte des ursprünglichen Lohnes. Nur wenn ein ehemaliges Bundesratsmitglied nach seinem oder ihrem Rücktritt mehr verdient als im Amt, wird die „Versorgung der Magistratspersonen” entsprechend gekürzt. Der Tages-Anzeiger rechnete aus, dass ein Grund für das Wachstum des Personalaufwandes der Bundesverwaltung ebendiese Ruhegehälter sind, deren Reserve laut Staatsrechnung stark aufgestockt werden musste. 2017 waren 20 Personen – neben den Exekutivmitgliedern erhalten auch ehemalige Bundeskanzlerinnen und -kanzler sowie Bundesrichterinnen und -richter eine Rente – bezugsberechtigt. 17 dieser 20 Personen und drei Witwen erhielten eine Rente, wobei nicht bekannt gegeben wird, um wen es sich dabei handelt. Der Tages-Anzeiger mutmasste, dass Christoph Blocher, Ruth Metzler und Joseph Deiss die Rente nicht beziehen. Insgesamt wurden laut Staatsrechnung 2016 CHF 10.67 Mio. an pensionierte Richterinnen und Richter und CHF 4.28 Mio. an ehemalige Magistratspersonen, Kanzlerinnen und Kanzler sowie Bundesratswitwen ausbezahlt. Diese Summe wurde verschiedentlich als zu hoch betrachtet. Thomas Burgherr (svp, AG) kündigte eine parlamentarische Initiative an, mit der nur noch jene Alt-Bundesrätinnen und Alt-Bundesräte ein Ruhegehalt beziehen sollen, die im Pensionsalter abtreten.

Kosten eines Bundesrates
Dossier: Retraites des magistrat.e.s

Ranglisten haben etwas Eingängiges: Mit ihrer Hilfe lassen sich vermeintliche Unterschiede fest- und darstellen. So versuchen öfters auch die Medien Parlamentarierinnen und Parlamentarier einzuordnen und zu vergleichen. 2017 präsentierte die Sonntagszeitung ein Parlamentarierrating, mit welchem der Einfluss aller Parlamentsmitglieder gemessen werden sollte, und die NZZ wartete mit ihrem jährlichen Links-Rechts-Rating auf.
Der Einfluss wurde in der Sonntagszeitung anhand der Kommissionszugehörigkeit, der in den Räten vorgebrachten Voten, der Anzahl erfolgreicher politischer Vorstösse, der Ämter im Rat und in der Partei, der Medienpräsenz und dem ausserparlamentarischen Beziehungsnetz gemessen. Zwar wies die Zeitung nicht aus, wie sie diese Elemente miteinander verknüpfte und gewichtete, die Rangliste diente ihr aber als Grundlage für immerhin drei ganze Zeitungsseiten. Laut den Berechnungen war SP-Parteipräsident Christian Levrat (FR) in den Jahren 2015–2017 der einflussreichste Parlamentarier, gefolgt von Pirmin Bischof (svp, SO) und Gerhard Pfister (cvp, ZG). Die «Flop 15» – so die Sonntagszeitung – wurden angeführt von Géraldine Marchand-Balet (cvp, VS), Hermann Hess (fdp, TG) und David Zuberbühler (svp, AR). Die Rangierungen verleiteten die Zeitung zu weiteren Analysen: So sei der Einfluss der SVP und der FDP, gemessen am Anteil Fraktionsangehöriger unter den Top 50, verglichen mit dem Rating 2014 gestiegen und der Einfluss des Kantons Zürich gesunken. Mit einem Vergleich der Rangliste hinsichtlich Medienpräsenz und dem Gesamtrang konnte die Zeitung zudem «die grössten Blender» ausmachen. Zwar häufig in den Medien, aber sonst nur wenig einflussreich waren laut dieser Berechnung etwa Tim Guldimann (sp, ZH), Andreas Glarner (svp, AG) oder Benoît Genecand (fdp, GE). Einzelne Regionalzeitungen diskutierten in der Folge «ihre» kantonalen Vertreterinnen und Vertreter. Solche Ratings seien nicht entscheidend, aber es fühle sich immer gut an, wenn man vorne sei, beurteilte Christian Levrat die Auswertung.

Wichtigste Erkenntnis der von der NZZ präsentierten Links-Rechts-Positionierung, die seit 1999 jährlich auf der Basis von in den Räten durchgeführten Abstimmungen von der Forschungsstelle Sotomo durchgeführt wird – auch in der NZZ wurde die Methode zur Messung von Links und Rechts lediglich sehr kryptisch mit den Begriffen «D-Nominate» und «Alpha-Nominate» angedeutet und dem Hinweis versehen, dass diese Methode für den amerikanischen Kongress entwickelt worden seien und die ideologische Position der Abgeordneten messe –, war die zunehmende Fraktionsdisziplin. Der Druck, auf Fraktionslinie zu stimmen, habe dazu geführt, dass es kaum noch Überlappungen in der ideologischen Positionierung zwischen den einzelnen Parteien gebe. Vor allem die CVP – sie variiert auf der Gesamtskala von -10 (links) bis +10 (rechts) zwischen 0.2 (Gerhard Pfister) und -1.7 (Barbara Schmid-Federer, ZH) – sei wesentlich geschlossener als früher, als sie noch Fraktionsmitglieder gehabt habe, die sich am rechten Rand bei der Position von (linken) FDP- und SVP-Mitgliedern befunden und am linken Rand die «rechten Ausläufer der SP» berührt hätten. Die FDP-Mitglieder, die Positionen zwischen 0.3 (Christa Markwalder, BE) und 2.4 (Bruno Pezzatti, ZG) einnahmen, sowie die SVP-Mitglieder (Jean-Pierre Grin, VD: 6.1 bis Erich Hess, BE: 10.0) lagen ziemlich weit auseinander. Der Median des gesamten Nationalrats verlief genau zwischen der CVP und der FDP. Auf der Ratslinken gab es mehr ideologische Gemeinsamkeiten: Zwar war die SP insgesamt etwas linker als die Grünen – die Werte variierten bei den Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten zwischen -8.2 (Chantal Galladé, ZH) und -9.9 (Silvia Schenker, BS) und bei den Grünen zwischen -9.4 (Lisa Mazzone, GE) und -7.8 (Bastien Girod, ZH) –, aber die Durchmischung war wesentlich stärker als im Block der Bürgerlichen. Die grösste Geschlossenheit wies die GLP auf, bei der sich Kathrin Bertschy (BE) und Tiana Angelina Moser (ZH) mit einem Wert von -3.0 ideologisch nur marginal von Martin Bäumle (ZH, -2.7) entfernt positionierten. Die BDP wies mehr Varianz auf: Sowohl Rosmarie Quadranti (ZH, -1.6) als auch Hans Grunder (BE, -0.2) fanden sich ideologisch leicht links der Mitte. Interessant war, dass sich die Kleinstparteien am Rand ihrer Fraktionen ansiedelten. Sowohl die Lega und das MCG bei der SVP-Fraktion, als auch die EVP bei der CVP-Fraktion wiesen im Rating ideologische Differenzen zu ihrer Fraktion auf.
Im Ständerat waren zwar die verschiedenen Parteien ebenfalls voneinander getrennt, es kam aber zwischen CVP und FDP zu Überlappungen und die Gesamtvarianz der Positionen in der kleinen Kammer war geringer. Sie reichte von Liliane Maury Pasquier (sp, GE; -8.3) bis Peter Föhn (svp, SZ; 9.8), wobei sich Letzterer am rechten Rand ziemlich alleine auf weiter Flur befand, gefolgt von Werner Hösli (svp, GL; 7.6). Bei der FDP gesellten sich Fabio Abate (TI, -0.2) und vor allem Raphaël Comte (NE; -1.6) zum Lager der CVP, das von -2.4 (Anne Seydoux-Christe, JU) bis 0 (Isidor Baumann, UR) reichte. Am rechten Rand der FDP politisierte Philipp Müller (AG, 3.4) und lag damit nahe bei Thomas Minder (SH, 4.8), der als Parteiloser der SVP-Fraktion angehört. Von der SP sassen mit Pascale Bruderer (AG, -5.2) , Claude Janiak (BL, -5.5), Hans Stöckli (BE, -5.6) und Daniel Jositsch (ZH, -5.6) vier im Vergleich zum Nationalrat ziemlich gemässigte Genossinnen und Genossen in der kleinen Kammer.

Nationalratsrating

Ob Feldschiessen und historische Schiessen auch nach 2020 noch erlaubt bleiben sollen, beschäftigte den Nationalrat im Dezember 2017. Die parlamentarische Initiative von Adrian Amstutz (svp, BE) sorgte schon mehrfach für Gesprächsstoff. Nachdem sich das Geschäft zunächst auf gutem Wege befand und beide Kommissionen ihr Einverständnis gegeben hatten, kam die UREK der Volkskammer noch einmal auf ihren Entscheid zurück und wollte das Geschäft abschreiben, vor allem wegen Bedenken bezüglich der Umweltverträglichkeit. Eine Kommissionsminderheit Imark (svp, SO) stellte sich dagegen, weswegen nun das Plenum darüber zu befinden hatte. Und dieses drehte den Daumen nach oben: Die Initiative wurde nicht gebodigt, mit 117 zu 73 Stimmen und einer Enthaltung sprach sich die grosse Kammer für solche Schiessanlässe aus.
Dem Verdikt war jedoch eine längere Debatte vorausgegangen: Der Initiant selbst äusserte sein Erstaunen über die Diskussion, die sein Vorstoss ausgelöst hatte; man mache aus einer Mücke einen Elefanten, erklärt er. Kommissionssprecher Bäumle (glp, ZH) konnte mit der Kommissionsmeinung offensichtlich nur eine Minderheit des Rates überzeugen. Obwohl sich die UREK mit verschiedenen Lösungsansätzen befasst hatte – vorwiegend waren finanzielle Subventionen diskutiert worden, die jedoch so kleine Beträge umfassten, dass es sich nicht lohnte, dafür ein neues Gesetz zu erlassen – war sie zum Schluss gekommen, die Initiative fallen zu lassen. Die historischen Schiessen erachtete sie nicht als gefährdet und Standorte für die Feldschiessen seien weitgehend mit den nötigen Massnahmen ausgestattet. Amstutz (svp, BE) konnte sein Geschäft dann selber „verteidigen”, da der Minderheitssprecher Imark (svp, SO) abwesend war. Es ginge nicht um Umweltschutz, so der Berner, sondern um die Kostenfrage. Schiessen dürfe man ohnehin. Es blieb jedoch vorerst eine gewisse Unklarheit im Raume stehen, weil Bäumle und Amstutz mit unterschiedlichen Beträgen zwischen wenigen tausend Franken (Bäumle/Kommission) und knapp einer Million (Amstutz) argumentierten. Eine genaue Auflösung dieser divergierenden Ansichten wurde nicht vorgenommen und der Rat folgte der Kommissionsminderheit. Die offenen Fragen zum Finanzbedarf bei Schiessplatz-Sanierungen dürfte bei der Ausarbeitung des Gesetzesentwurfs also noch für Gesprächsbedarf sorgen.

Feldschiessen und historische Schiessen auch nach 2020 ermöglichen
Dossier: Le tir en Suisse

Ein Postulat Semadeni (sp, GR), mit dem klangvollen Titel „Allegra, Romanisch und Italienisch sollen leben!“, erbittet vom Bundesrat einen Bericht, in welchem aufgezeigt werden soll, wie es rund zwanzig Jahre nach der Verankerung des Sprachenartikels in der Bundesverfassung um die Förderung der Minderheitensprachen in der Schweiz steht. Obwohl es ersichtliche Bemühungen zum Erhalt des Romanischen und Italienischen in der Schweiz gebe, stünden die Minderheitensprachen noch immer unter grossem Druck. Die Tatsachen, dass das Italienische auf ein angestammtes Sprachgebiet marginalisiert wird und das Romanische aufgrund vermehrter Gemeindefusionen und einer latenten Inakzeptanz des Rumantsch Grischun immer stärker an Boden verliert, können nicht ignoriert werden. Der offensichtliche Wandel hinsichtlich der demografischen Entwicklung in den alpinen Tälern sowie Verstädterungstendenzen und eine fortschreitende Globalisierung würfen nun auch die Frage auf, ob Bund, Kantone, Gemeinden sowie Sprachorganisationen in puncto Engagement den heutigen Entwicklungen genügend Rechnung tragen. Daher solle der Bericht die aktuelle Situation des Romanischen und Italienischen sowie adäquate Verbesserungen der Förderinstrumente aufzeigen.
Der Bundesrat seinerseits beantragte das Postulat zur Ablehnung. Alain Berset wies die Postulantin darauf hin, dass über die Situation der Minderheitensprachen in der Schweiz bereits im Rahmen der Europäischen Charta der Regional- oder Minderheitensprachen Bericht erstattet werde. Die eingeforderten Punkte würden zudem bereits im Rahmen der Botschaft zur Förderung der Kultur 2016–2020 mit einer Reihe geplanter Erneuerungen aufgegriffen. Der Bundesrat sei sich durchaus über die themenspezifischen Herausforderungen im Klaren, jedoch sei hierbei auch zu bedenken, dass die Förderungssteuerung über eine Leistungsvereinbarung mit den Kantonen Graubünden und Tessin erfolge. Für die Periode 2017–2020 wird im Rahmen der Vereinbarungsausarbeitung auch eine Analyse der Situation sowie der bestehenden Massnahmen durchgeführt. Daher sei es in den Augen des Bundesrates noch zu früh, einen zusätzlichen Bericht über die Verbesserungsmöglichkeiten zu erstellen.
Die nationalrätliche Abstimmung zum Postulat während der Herbstsession 2017 sollte dem bundesrätlichen Votum aber nicht beipflichten: Die Vertreterinnen und Vertreter der grossen Kammer schlugen sich mit 126 zu 58 Stimmen bei 4 Enthaltungen auf die Seite der Postulantin und stimmten dem Vorstoss zu.

Allegra, Romanisch und Italienisch sollen leben! (Po. 15.4117)