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  • Pezzatti, Bruno (fdp/plr, ZG) NR/CN

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75 Kandidierende auf 25 Listen bewarben sich bei den Nationalratswahlen 2019 im Kanton Zug auf einen der drei begehrten Zuger Nationalratssitze – deutliche neue Höchstwerte. Ursprünglich war sogar noch eine zusätzliche Liste gemeldet, doch nach der Überprüfung durch die Staatskanzlei wurde die Liste «PARAT – Partei für Rationale Politik, Allgemeine Menschenrechte und Teilhabe» für ungültig erklärt, da sie die benötigten 100 gültigen Unterschriften nicht einreichen konnte. Der Frauenanteil unter den Kandidierenden betrug 49.3 Prozent. In keinem anderen Kanton mit Proporzwahlen war der Frauenanteil unter den Kandidierenden so hoch wie im Kanton Zug. Die Chancen waren also durchaus intakt, dass der Kanton nach dieser Wahl von der Liste der Kantone, die noch nie durch eine Frau im Bundesparlament vertreten waren, gestrichen werden könnte.

Einer der drei Bisherigen, Bruno Pezzatti (fdp), hatte bereits im Januar angekündigt, dass er nicht erneut zur Wahl antreten werde. Pezzatti hatte 2015 zusammen mit Gerhard Pfister, Präsident CVP Schweiz, und Thomas Aeschi, Präsident SVP Zug, Fraktionspräsident der SVP und ehemaliger Bundesratskandidat, seinen Sitz problemlos verteidigt. Angeführt von Spitzenkandidatin Karen Umbach, zielte die FDP darauf, den Sitz in den eigenen Reihen zu halten. Sie ging hierfür zudem eine Listenverbindung mit der CVP ein. Letztere schien nicht in Gefahr, den Sitz von Pfister zu verlieren und konnte den Wahlkampf deshalb einigermassen entspannt angehen. Vor vier Jahren hatte sich auch die GLP mit den beiden etablierten bürgerlichen Mitteparteien verbunden. Dieses Jahr ging die GLP einzig zusammen mit ihrer Jungpartei an den Start. Ebenfalls ohne überparteiliche Listenverbindungen trat die SVP an. Doch wie die CVP durfte sich auch die SVP dank ihres grossen Wähleranteils und des bekannten Spitzenkandidaten Aeschi ihres Sitzes relativ sicher sein. Die linken Parteien witterten nach Pezzattis Rücktritt eine Chance auf einen Sitzgewinn. Da die Bisherigen relativ sicher im Sattel zu sitzen schienen, setzten sie sich deshalb auch eindeutig die Eroberung des freigewordenen FDP-Sitzes zum Ziel. Die SP, die «Alternative – die Grünen» (alg) und die EVP, welche dieses Jahr zum ersten Mal antrat, verbanden dazu ihre Listen. Vor allem die ALG hatten hohe Ambitionen für die Wahlen, nachdem sie vor vier Jahren noch einen Wähleranteilverlust von acht Prozentpunkten hatten einstecken müssen. Sie traten dieses Jahr unter dem Namen «Alternative – die Grünen und CSP» gleich mit fünf Listen an – ein Wert der nur noch von den sieben Listen der SP übertroffen wurde. Die Hoffnungen lagen auf den drei Kandidierenden der Hauptliste, namentlich der Zuger Stadträtin Vroni Straub-Müller (csp), der Alt-Regierungsrätin Manuela Weichelt-Picard (alg) und dem Parteipräsidenten Andreas Lustenberger (alg).

Am Wahlsonntag durfte sich die Alternative – die Grünen in der Tat als Wahlsiegerin feiern lassen. Sie fuhr erdrutschartige Wähleranteilgewinne ein (+12.0 Prozentpunkte, neu 19.2%), überholte damit sowohl die SP als auch die FDP und wurde neu drittstärkste Kraft im Kanton. Dieses hervorragende Resultat reichte zu einem Sitzgewinn – trotz Einbussen der ALG-Listenpartnerin SP (-4.5 Prozentpunkte). Am meisten Stimmen auf der Hauptliste der ALG holte Manuela Weichelt-Picard, die damit als erste Frau den Kanton Zug in Bundesbern vertreten wird. Von der grünen Welle profitieren konnte auch die GLP, die 1.9 Prozentpunkte zulegte (neu: 5.5%). Für einen Sitzgewinn reichte es dennoch deutlich nicht. Leidtragende des Erfolgs der Grünen war am 20. Oktober die FDP. Sie büsste 2.9 Prozentpunkte ein (neu: 14.7%) und vermochte ihren Sitz nicht zu verteidigen. Die enttäuschte Karen Umbach machte vor allem die zögerliche Umweltpolitik ihrer Partei für die Niederlage verantwortlich, freute sich aber dennoch über den erstmaligen Einzug einer Zugerin in den Nationalrat. Auch die CVP (-2.6 Prozentpunkte) und die SVP (-3.9 Prozentpunkte) mussten Verluste hinnehmen. Dennoch wurden ihre beiden bisherigen Nationalräte wiedergewählt. Thomas Aeschi holte dabei am meisten Stimmen aller Kandidaten (15'359), während Gerhard Pfister am meisten Stimmen von veränderten Listen auf sich vereinte (12'157 seiner 13'872 Stimmen). Die Stimmbeteiligung betrug 52.1 Prozent, ein leichter Rückgang von 1.6 Prozentpunkten gegenüber 2015.

Nationalratswahlen 2019 – Zug
Dossier: Elections fédérales 2019 - aperçu

Im April 2019 lancierte das Komitee «Vorsorge Ja – aber fair» die Volksinitiative «Für eine generationengerechte Altersvorsorge (Vorsorge Ja – aber fair)». Sie verlangt als allgemeine Anregung, dass die finanzielle Stabilität von AHV und beruflicher Vorsorge langfristig und «unter Wahrung der Generationengerechtigkeit» sichergestellt wird. Die Altersrenten der beruflichen Vorsorge sollen demnach laufend an Anlageerträge, Anlagerisiko, Demografie und Teuerung angepasst werden. Auch laufende Altersrenten der beruflichen Vorsorge sollen «in moderaten Schritten» gesenkt oder erhöht werden können. Überdies soll die berufliche Vorsorge weiterhin im Kapitaldeckungsverfahren erfolgen müssen und die Leistungen nicht nach Nominalwert der Rente, sondern zur Sicherung des Lebensstandards festgelegt werden. Zudem soll das Referenzrentenalter unter Berücksichtigung der Lebenserwartung regelmässig angepasst werden.
Kopf des Komitees ist Josef Bachmann, der 17 Jahre lang Geschäftsführer der Pensionskasse des Beratungsunternehmens PWC war, bevor er in Rente ging. Diese Pensionskasse war es auch, die ein Modell schaffen wollte, bei dem die laufenden Renten – wie in der Initiative vorgesehen – hätten steigen oder sinken können, damit jedoch vor Bundesgericht scheiterte. Bachmann begründete seine Initiative damit, dass die ursprüngliche Idee der Pensionskasse, dass jeder sein eigenes Alterskapital anspart, heute nicht mehr gegeben sei. Stattdessen subventionierten die Aktiven die Renten der Pensionierten. Zukünftig sollten die Renten daher wenn nötig reduziert werden, wobei Rentnerinnen und Rentner mit zu tiefer Rente durch Ergänzungsleistungen unterstützt werden sollten. Die übrigen Mitglieder des Komitees seien gemäss Bachmann Personen, «die sich beruflich oder ehrenamtlich mit Pensionskassen beschäftigen», darunter auch die Nationalräte Franz Grüter (svp, LU), Bruno Pezzatti (fdp, ZG), Thomas Weibel (glp, ZH) und der ehemalige Nationalrat Toni Bortoluzzi (svp, ZH).
Auf grosse Ablehnung stiess das Anliegen beim Gewerkschaftsbund, da viele Rentnerinnen und Rentner auf eine sichere und fixe Rente angewiesen seien. Diese «verantwortungslose Initiative» greife das Fundament der Pensionskassen an. Diese dienten nämlich auch dazu, die Schwankungen der Kapitalmärkte langfristig über alle Versicherten zu verteilen. Auch der Pensionskassenverband Asip zeigte sich nicht begeistert von der Initiative und nannte sie eine Gefahr für die Verlässlichkeit des Systems.
Die Sammelfrist dauert vom 2. April 2019 bis zum 2. Oktober 2020.

Eidgenössische Volksinitiative «für eine generationengerechte Altersvorsorge (Vorsorge Ja – aber fair)»
Dossier: Initiatives populaires concernant la prévoyance vieillesse (depuis 2015)

Le 22 mars 2019, au dernier jour de la session de printemps, les conseillers et conseillères nationales ont dû se prononcer sur le classement de l'initiative parlementaire Romano, qui visait à introduire des allocations en cas d'adoption d'un enfant, dont le délai avait déjà été prolongé en 2017. La majorité (grâce à la voix prépondérante du président) de la CSSS-CN s'opposait au projet ficelé par l'administration, qui prévoit un congé de deux semaines lors de l'adoption d'un enfant en dessous de quatre ans, financé par le régime de l'allocation perte de gains (APG). Le coût total de l'opération est estimé à 200'000 francs suisses par année. La majorité de la commission estimait que la décision d'adopter était d'ordre privé et que l'État n'avait pas à intervenir, les parents adoptant devant être capables de s'organiser et d'investir du temps pour le bien de leur futur enfant. De plus, contrairement à une naissance biologique, la santé de la mère ne nécessite pas d'interruption de travail devant être indemnisée.
Bruno Pezzatti (plr, ZG), rapporteur de la commission, ajoute qu'il existe déjà pour les cantons la possibilité de légiférer sur le sujet. La minorité Roduit a rétorqué qu'il était important d'avoir à l'esprit le bien de l'enfant, qu'il soit adopté ou non. De plus, le nombre d'adoptions a fortement reculé: 173 en 2013 contre 82 en 2016 et 53 en 2017, ce qui souligne la nécessiter d'encourager la démarche au niveau fédéral. Malgré le court débat, les arguments de la minorité ont fait mouche, puisque le Conseil national a refusé de classer l'initiative, par 102 voix contre 93 avec 2 abstentions. Les adversaires du projet sont à chercher dans les rangs de l'UDC et du PLR.

Introduire des allocations familiales en cas d'adoption (Iv. pa. 13.478)

Im März 2019 behandelte der Nationalrat eine Motion seiner SGK zur Erhöhung der ordentlichen Franchise auf CHF 500. Die Kommission hatte argumentiert, dass eine höhere Kostenbeteiligung die Eigenverantwortung stärken, mehr Anreize für kostenbewussteres Verhalten schaffen und dadurch gemäss einer Auswertung des Bundesrates im Rahmen der Interpellation Landolt (bdp, GL; Ip. 15.3132) eine Prämiensenkung um mindestens CHF 430 Mio. oder 1.7 Prozent ermöglichen würde. Die Mehrbelastung für kranke Erwachsene sei hingegen «vertretbar», betonte die Kommission, da die entsprechenden Personen Prämienverbilligungen und teilweise EL sowie Hilflosenentschädigungen erhielten.
Der Bundesrat verwies auf die im internationalen Vergleich sehr hohe Kostenbeteiligung der Versicherten in der Schweiz und bezeichnete eine Anhebung der ordentlichen Franchise um 66 Prozent als «unzumutbar». Zudem widerspreche die Vorlage dem Bundesratsgeschäft zur Anpassung der Franchisen an die Kostenentwicklung (BRG 18.036) sowie der angenommenen Motion Weibel (glp, ZH; Mo. 15.4222) zur Beibehaltung der Wahlfranchisen.

In der Frühjahrssession 2019 befasste sich der Nationalrat am Tag vor der geplanten Besprechung der Motion mit einem Ordnungsantrag Clottu (svp, NE) auf Rückweisung an die Kommission. Nach Annahme des Geschäfts zur Anpassung der Franchisen an die Kostenentwicklung durch den Ständerat mache es keinen Sinn, jetzt eine Erhöhung der Franchisen auf CHF 500 zu diskutieren, argumentierte er. Fabian Molina (sp, ZH) stellte Clottu die Frage, ob dies ein Versuch sei, die Motion bis nach den Wahlen zu verschieben, um vorher keine unpopulären Entscheidungen treffen zu müssen, was dieser jedoch verneinte. Mit 131 zu 33 Stimmen (bei 22 Enthaltungen) lehnte der Nationalrat den Ordnungsantrag ab, lediglich bei einer Mehrheit der CVP- und einer Minderheit der SVP-Fraktion fand er Zustimmung.
Tags darauf folgte die Behandlung der Motion. Diese nutzte die SP, um den Kommissionssprechern Bruno Pezzatti (fdp, ZG) und Raymond Clottu einige unangenehme und Minderheitensprecherin Feri (sp, AG) die SP-Position bestätigende Fragen zu stellen. Unter anderem verwies Roger Nordmann (sp, VD) darauf, dass beide Kommissionssprecher – und somit 100 Prozent aller Kommissionssprecher in dieser Sache, wie Nordmann betonte – in einer Denkfabrik («groupe de réflexion») der Krankenkasse Groupe Mutuel seien, bei der sie für zwei bis drei Sitzungen jährlich CHF 10'000 pro Jahr erhielten. Pezzatti entgegnete, dass er als Beirat dieser Krankenkasse in seinen Entscheidungen frei sei. Nach insgesamt 40 Wortmeldungen schritt das Parlament zur Abstimmung und entschied sich deutlich gegen die Motion: Einzig die Grünliberalen sowie Minderheiten der SVP, der FDP und der BDP sprachen sich für die Änderung aus, mit 162 zu 21 wurde diese aber deutlich abgelehnt.

Motion für eine Erhöhung der ordentlichen Franchise auf CHF 500 (Mo. 18.4096)
Dossier: Assurance-maladie: Interventions parlementaires relatives aux franchises à option

Les deux chambres n'ont pas réussi à s'accorder sur le classement de la motion Pezzatti. Suivant les recommandations de la CSEC-CN, le Conseil national était d'avis que les recherches sur la drosophile du cerisier devaient être poursuivies avec une stratégie durable allant au-delà de 2020, une position non partagée par le Conseil fédéral et le Conseil des Etats. Lors du règlement des divergences, les deux chambres ont maintenu leur position, la chambre haute estimant que les projets en cours pour lutter contre ce ravageur sont suffisants, comme expliqué par le rapporteur de la CSEC-CE Ruedi Noser (plr, ZH). Cette décision aura donc signé le classement du texte.

Kirschessigfliege (Mo. 14.3721)

Malgré le fort soutien dont a bénéficié la motion Pezzatti devant la chambre du peuple, la CEATE-CE propose aux sénateurs et sénatrices de la rejeter. Le rapporteur de la commission, Martin Schmid (plr, GR), justifie cette position par le fait que, comme présenté par le Conseil fédéral dans sa prise de position, un système de reconnaissance mutuelle existe déjà aujourd'hui avec l'UE en ce qui concerne les autorisations de mise sur le marché des biocides. Il précise également que, contrairement aux dires du motionnaire, le travail ne se duplique pas lorsqu'une entreprise souhaite mettre son produit sur le marché d'un autre pays, celui-ci devant simplement contrôler que le biocide respecte les normes indigènes. Bien que reconnaissant que les émoluments demandés en cas de contrôle d'un produit ou de renouvellement de mise sur le marché peuvent s'avérer élevés pour les PME, la commission a obtenu de l'administration fédérale la garantie que ceux-ci n'allaient pas augmenter ces prochaines années. Comme rappelé par Alain Berset, ces émoluments sont, de plus, relativement bas, en comparaison aux pays voisins. Le président de la Confédération note également qu'en cas d'acceptation de la motion et de reconnaissance automatique des biocides au niveau national, ce serait aux cantons de se charger de voir si des adaptations de ces produits seraient encore nécessaires pour respecter les normes nationales; un transfert de tâches que les autorités fédérales ne souhaitent pas. La motion est tacitement rejetée par la chambre haute.

Autoriser les biocides et produtis phytosanitaires

In der Frühjahrssession 2018 behandelte der Nationalrat die Reform der Ergänzungsleistungen, die er ob ihrer Länge in drei Blöcke unterteilte. Er schuf zahlreiche Differenzen zum Ständerat, insbesondere bezüglich der Voraussetzungen für den EL-Bezug. So beantragte die SGK-NR die Einführung einer Vermögensschwelle in der Höhe von CHF 100'000 für Alleinstehende, CHF 200'000 für Verheiratete und CHF 50'000 bei Kindern: Übersteigt das Vermögen diese Schwelle, sollen keine Ergänzungsleistungen beantragt werden können. Davon ausgeschlossen sollen jedoch von den Betroffenen oder ihren Partnern bewohnte Liegenschaften sein, sofern die Betroffenen ein hypothekarisch gesichertes Darlehen zulasten des Wohneigentums und zugunsten der EL-Stelle aufnehmen. Silvia Schenker (sp, BS) sprach sich in ihrem Minderheitsantrag gegen eine solche Änderung aus – nicht weil sie eine Vermögensschwelle prinzipiell ablehne, sondern weil dieser Antrag nicht in der Vernehmlassung war und daher noch zahlreiche Fragen dazu offen seien. Mit dieser Ansicht standen die SP- und die Grünen-Fraktion jedoch alleine da, mit 137 zu 52 Stimmen nahm der Nationalrat die Einführung einer Vermögensschwelle an. Eine weitere Differenz bei den Voraussetzungen schuf der Nationalrat, indem er gegen zwei Minderheitsanträge einem Antrag der SGK-NR folgte, wonach ein Verbrauch von mehr als 10 Prozent des Vermögens pro Jahr ab Entstehung des Anspruchs auf EL bei der IV, bei der AHV ab zehn Jahren vor der Pensionierung, als Vermögensverzicht gelten solle, sofern der Verbrauch „ohne wichtigen Grund“ erfolge (94 zu 86 Stimmen bei 9 Enthaltungen; 136 zu 53 Stimmen bei 1 Enthaltung). Für den Bezug von Ergänzungsleistungen beantragte die Mehrheit der SGK-NR überdies eine zehnjährige Karenzfrist, während der sich die Betroffenen ununterbrochen in der Schweiz aufgehalten haben müssen. Es setzte sich jedoch eine Minderheit I Aeschi durch, die den Bezug stattdessen von einer mindestens zehnjährigen Beitragsdauer in die AHV abhängig machen wollte (104 zu 83 Stimmen, 4 Enthaltungen).

Auch bezüglich der anerkannten Ausgaben schuf der Nationalrat einige Differenzen zum Schwesterrat. Gegen eine Minderheit Feri nahm er den Vorschlag der SGK-NR auf Reduktion der Finanzierung des allgemeinen Lebensbedarfs für Kinder unter zwölf Jahren sowie ab dem zweiten Kind um ein Sechstel an (137 zu 53 Stimmen). Bezüglich der Mietzinsen bestätigte der Nationalrat zwar die vom Ständerat beschlossene Schaffung verschiedener Regionen, strich jedoch auf Antrag einer Minderheit II Pezzatti die dritte Region und reduzierte die vom Ständerat beschlossenen Beträge zur Erstattung von Mietzinsen für Alleinstehende sowie für zusätzliche im Haushalt lebende Personen (139 zu 53 Stimmen). Deutlich löste der Rat für den Antrag auch die Ausgabenbremse (187 zu 3 Stimmen bei 3 Enthaltungen). Der Nationalrat stimmte auch dem Antrag der Minderheit Clottu zu (102 zu 90 Stimmen), wonach diese Mietzins-Beträge von den Kantonen um 10 Prozent gekürzt werden können und der Bundesrat die Einteilung überprüfen muss, wenn sich der Mietpreisindex um 10 Prozent verändert. Eine Minderheit Quadranti hatte diesbezüglich eine regelmässige Überprüfung nach zwei Jahren gefordert, war jedoch deutlich gescheitert (133 zu 58 Stimmen, 1 Enthaltung). Stark umstritten war im Ständerat die Frage gewesen, welche Kosten bei den Krankenkassenprämien angerechnet werden sollen. Dabei wurden vier verschiedene Optionen diskutiert: Die Mehrheit der SGK-NR wollte dem Bundesrat folgen und die kantonalen Durchschnittsprämien anrechnen, solange diese die effektiven Kosten nicht übersteigen; der Ständerat hatte entschieden, die Prämie des drittgünstigsten Krankenversicherers im Kanton zu vergüten; eine Minderheit I Carobbio befürwortete die Auszahlung von Durchschnittsprämien, selbst wenn diese die effektiven Kosten aufgrund von Prämienverbilligungen übertreffen; und eine Minderheit II Humbel setzte auf die massgebende Prämie des Kantons. Letztere Option setzte sich gegen den Antrag der Kommissionsmehrheit durch (138 zu 53 Stimmen), nachdem dieser zuvor gegenüber der Minderheit I bevorzugt worden war (138 zu 53 Stimmen). Nicht nur auf der Ausgaben-, auch auf der Einkommensseite nahm die grosse Kammer Korrekturen vor: Zwar war man sich mit dem Ständerat darüber einig, dass das Erwerbseinkommen von Ehegattinnen und -gatten, die selber keine Rente beziehen, stärker angerechnet werden soll als bisher. Der Nationalrat folgte jedoch entgegen dem Antrag der Minderheit Barrile, die wie der Ständerat nur 80 Prozent anrechnen wollte, der Kommissionsmehrheit: Neu soll das Einkommen der Ehepartner vollständig angerechnet werden (103 zu 87 Stimmen bei 1 Enthaltung).

Bezüglich der Finanzierung der EL respektive der Massnahmen zur Reduktion der Anzahl EL-Bezügerinnen und -Bezüger hatte sich im Ständerat die Frage nach der Möglichkeit auf Kapitalbezug in der zweiten Säule als besonders umstritten gezeigt. Anders als der Erstrat wollte die Mehrheit der SGK-NR den Versicherten die Möglichkeit offenlassen, ihre Pensionskassengelder zur Hälfte als Kapitalabfindung zu beziehen. Dagegen wehrte sich eine Minderheit I Humbel, die dem Ständerat folgen wollte, während eine Minderheit II Sauter das geltende Recht, das den Bezug eines Viertels des Altersguthabens als Kapitalleistung erlaubt, bevorzugte. Letztere Position setzte sich in der grossen Kammer deutlich durch (Mehrheit vs. Minderheit I: 139 zu 49 Stimmen bei 1 Enthaltung; Mehrheit vs. Minderheit II: 14 zu 170 Stimmen bei 4 Enthaltungen). Um jedoch der im Ständerat vielfach betonten erhöhten Gefahr, durch einen Kapitalbezug später auf Ergänzungsleistungen angewiesen zu sein, zu reduzieren, beantragte die Kommissionsmehrheit, die Leistungen bei einem teilweisen oder vollständigen Kapitalbezug um 10 Prozent pro Jahr zu kürzen. Der Nationalrat unterstützte diesen Antrag gegen zwei Minderheitsanträge (106 zu 83 Stimmen; 119 zu 66 Stimmen bei 1 Enthaltung). Auch bei der Auszahlung der Pensionskassengelder für Firmengründungen schuf die grosse Kammer eine Differenz zum Ständerat, indem sie einem Minderheitsantrag de Courten folgte, der keine Einschränkungen der Auszahlungen beabsichtigte. Deutlich sprach sich die grosse Kammer auch für einen Minderheitsantrag Humbel aus, wonach rechtmässig bezogene Leistungen aus dem Nachlass der Leistungsbezügerinnen und -bezüger – bei Ehepaaren aus dem Nachlass des Zweitverstorbenen – zurückzuerstatten seien, sofern und inwieweit dieser CHF 50'000 übersteige (181 zu 7 bei 1 Enthaltung).

In der Gesamtabstimmung nahm der Rat seine neue Version zur Reform der Ergänzungsleistungen mit 125 zu 53 Stimmen bei 13 Enthaltungen an. Unzufrieden zeigten sich die SP- und die Grünen-Fraktion, während sich ein Drittel der CVP-Fraktion sowie einzelne Mitglieder der GLP- und der BDP-Fraktion der Stimme enthielten.

Reform der Ergänzungsleistungen (BRG 16.065)
Dossier: Révisions de l'LPC concernant le montant maximal du loyer
Dossier: Réforme des PC (2016-2019) et les objets y conduisant

Le conseiller national Bruno Pezzatti (plr, ZG) souhaite, par le biais d'une motion, que les biocides (produits destinés à la destruction de tout organisme nuisible aux cultures) autorisés à la commercialisation au sein de l'Union européenne, soient automatiquement autorisés en Suisse. Cela permettrait, selon le motionnaire, d'éviter un surplus administratif, vu que les critères appliqués par l'UE sont proches de ceux appliqués par la Suisse. Cela impliquerait une réduction des émoluments dont les entreprises doivent actuellement s'acquitter pour mettre un nouveau biocide sur le marché ou pour renouveler son autorisation.
Le Conseil fédéral, par la voix de son président, Alain Berset recommande à la chambre du peuple de rejeter cette motion. En effet, l'exécutif estime que le système actuel de reconnaissance mutuelle avec l'Union européenne est suffisant et que les émoluments à payer sont parmi les plus bas, en comparaison aux pays voisins. Malgré tout, une majorité assez nette formée des partis de droite et du centre accepte, par 132 voix contre 59 et une abstention, cette motion qui passera devant la chambre haute.

Autoriser les biocides et produtis phytosanitaires

Ranglisten haben etwas Eingängiges: Mit ihrer Hilfe lassen sich vermeintliche Unterschiede fest- und darstellen. So versuchen öfters auch die Medien Parlamentarierinnen und Parlamentarier einzuordnen und zu vergleichen. 2017 präsentierte die Sonntagszeitung ein Parlamentarierrating, mit welchem der Einfluss aller Parlamentsmitglieder gemessen werden sollte, und die NZZ wartete mit ihrem jährlichen Links-Rechts-Rating auf.
Der Einfluss wurde in der Sonntagszeitung anhand der Kommissionszugehörigkeit, der in den Räten vorgebrachten Voten, der Anzahl erfolgreicher politischer Vorstösse, der Ämter im Rat und in der Partei, der Medienpräsenz und dem ausserparlamentarischen Beziehungsnetz gemessen. Zwar wies die Zeitung nicht aus, wie sie diese Elemente miteinander verknüpfte und gewichtete, die Rangliste diente ihr aber als Grundlage für immerhin drei ganze Zeitungsseiten. Laut den Berechnungen war SP-Parteipräsident Christian Levrat (FR) in den Jahren 2015–2017 der einflussreichste Parlamentarier, gefolgt von Pirmin Bischof (svp, SO) und Gerhard Pfister (cvp, ZG). Die «Flop 15» – so die Sonntagszeitung – wurden angeführt von Géraldine Marchand-Balet (cvp, VS), Hermann Hess (fdp, TG) und David Zuberbühler (svp, AR). Die Rangierungen verleiteten die Zeitung zu weiteren Analysen: So sei der Einfluss der SVP und der FDP, gemessen am Anteil Fraktionsangehöriger unter den Top 50, verglichen mit dem Rating 2014 gestiegen und der Einfluss des Kantons Zürich gesunken. Mit einem Vergleich der Rangliste hinsichtlich Medienpräsenz und dem Gesamtrang konnte die Zeitung zudem «die grössten Blender» ausmachen. Zwar häufig in den Medien, aber sonst nur wenig einflussreich waren laut dieser Berechnung etwa Tim Guldimann (sp, ZH), Andreas Glarner (svp, AG) oder Benoît Genecand (fdp, GE). Einzelne Regionalzeitungen diskutierten in der Folge «ihre» kantonalen Vertreterinnen und Vertreter. Solche Ratings seien nicht entscheidend, aber es fühle sich immer gut an, wenn man vorne sei, beurteilte Christian Levrat die Auswertung.

Wichtigste Erkenntnis der von der NZZ präsentierten Links-Rechts-Positionierung, die seit 1999 jährlich auf der Basis von in den Räten durchgeführten Abstimmungen von der Forschungsstelle Sotomo durchgeführt wird – auch in der NZZ wurde die Methode zur Messung von Links und Rechts lediglich sehr kryptisch mit den Begriffen «D-Nominate» und «Alpha-Nominate» angedeutet und dem Hinweis versehen, dass diese Methode für den amerikanischen Kongress entwickelt worden seien und die ideologische Position der Abgeordneten messe –, war die zunehmende Fraktionsdisziplin. Der Druck, auf Fraktionslinie zu stimmen, habe dazu geführt, dass es kaum noch Überlappungen in der ideologischen Positionierung zwischen den einzelnen Parteien gebe. Vor allem die CVP – sie variiert auf der Gesamtskala von -10 (links) bis +10 (rechts) zwischen 0.2 (Gerhard Pfister) und -1.7 (Barbara Schmid-Federer, ZH) – sei wesentlich geschlossener als früher, als sie noch Fraktionsmitglieder gehabt habe, die sich am rechten Rand bei der Position von (linken) FDP- und SVP-Mitgliedern befunden und am linken Rand die «rechten Ausläufer der SP» berührt hätten. Die FDP-Mitglieder, die Positionen zwischen 0.3 (Christa Markwalder, BE) und 2.4 (Bruno Pezzatti, ZG) einnahmen, sowie die SVP-Mitglieder (Jean-Pierre Grin, VD: 6.1 bis Erich Hess, BE: 10.0) lagen ziemlich weit auseinander. Der Median des gesamten Nationalrats verlief genau zwischen der CVP und der FDP. Auf der Ratslinken gab es mehr ideologische Gemeinsamkeiten: Zwar war die SP insgesamt etwas linker als die Grünen – die Werte variierten bei den Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten zwischen -8.2 (Chantal Galladé, ZH) und -9.9 (Silvia Schenker, BS) und bei den Grünen zwischen -9.4 (Lisa Mazzone, GE) und -7.8 (Bastien Girod, ZH) –, aber die Durchmischung war wesentlich stärker als im Block der Bürgerlichen. Die grösste Geschlossenheit wies die GLP auf, bei der sich Kathrin Bertschy (BE) und Tiana Angelina Moser (ZH) mit einem Wert von -3.0 ideologisch nur marginal von Martin Bäumle (ZH, -2.7) entfernt positionierten. Die BDP wies mehr Varianz auf: Sowohl Rosmarie Quadranti (ZH, -1.6) als auch Hans Grunder (BE, -0.2) fanden sich ideologisch leicht links der Mitte. Interessant war, dass sich die Kleinstparteien am Rand ihrer Fraktionen ansiedelten. Sowohl die Lega und das MCG bei der SVP-Fraktion, als auch die EVP bei der CVP-Fraktion wiesen im Rating ideologische Differenzen zu ihrer Fraktion auf.
Im Ständerat waren zwar die verschiedenen Parteien ebenfalls voneinander getrennt, es kam aber zwischen CVP und FDP zu Überlappungen und die Gesamtvarianz der Positionen in der kleinen Kammer war geringer. Sie reichte von Liliane Maury Pasquier (sp, GE; -8.3) bis Peter Föhn (svp, SZ; 9.8), wobei sich Letzterer am rechten Rand ziemlich alleine auf weiter Flur befand, gefolgt von Werner Hösli (svp, GL; 7.6). Bei der FDP gesellten sich Fabio Abate (TI, -0.2) und vor allem Raphaël Comte (NE; -1.6) zum Lager der CVP, das von -2.4 (Anne Seydoux-Christe, JU) bis 0 (Isidor Baumann, UR) reichte. Am rechten Rand der FDP politisierte Philipp Müller (AG, 3.4) und lag damit nahe bei Thomas Minder (SH, 4.8), der als Parteiloser der SVP-Fraktion angehört. Von der SP sassen mit Pascale Bruderer (AG, -5.2) , Claude Janiak (BL, -5.5), Hans Stöckli (BE, -5.6) und Daniel Jositsch (ZH, -5.6) vier im Vergleich zum Nationalrat ziemlich gemässigte Genossinnen und Genossen in der kleinen Kammer.

Nationalratsrating

Im Juni 2017 hatte der Bundesrat angekündigt, dass die durch höhere Franchisen erhältlichen Maximalrabatte nach Franchisenhöhe abgestuft und bei den höchsten Franchisen bei 50 Prozent des zusätzlich übernommenen Risikos begrenzt werden sollen. In der Folge reichten die SGK-NR und die SGK-SR zwei gleich lautende Motionen (Mo. 17.3633 bzw. Mo. 17.3637) ein, welche beantragten, die Maximalrabatte bei allen Wahlfranchisen bei 70 Prozent zu belassen. Durch die Bestrafung derjenigen Personen, die höhere Franchisen wählten, entsprechend eigenverantworlich handelten und durch ihren Solidaritätsbeitrag substanziell zur „nachhaltigen Finanzierung des Gesundheitssystems” beitrügen, würde der Anreiz zur Eigenverantwortung geschwächt. Der Bundesrat berief sich jedoch auf seinen Bericht in Erfüllung des Postulats Schmid-Federer, der verdeutlicht hatte, dass nur die ordentliche und die Maximalfranchise attraktiv seien. Um den Versicherten eine möglichst grosse Wahlfreiheit mit echter Auswahl zu präsentieren, müssten die Rabatte aller Franchisen versicherungsmathematisch den Einsparungen entsprechen, die aufgrund der niedrigeren Kosten für die Krankenkassen durch die höheren Kostenbeteiligung der Versicherten, nicht aber durch die üblicherweise gute Gesundheit der Personen mit hohen Franchisen, entstehen. Eine Annahme dieser Motion würde aber entsprechende Diskussionen um die Franchisenstufen im Rahmen anderer Geschäfte (Mo. Bischofberger, pa.Iv. Brand) torpedieren, weshalb sie der Bundesrat zur Ablehnung empfahl.

In der Debatte im Nationalrat betonte Bruno Pezzatti (fdp, ZG), dass der bundesrätliche Vorschlag die Solidarität überstrapaziere und zu „kontraproduktiven Auswirkungen auf die Gesundheitskosten” führen könne. Im Namen der SP sah Marina Carobbio Guscetti (sp, TI) die Kommissionsmotion als weiteren Versuch, durch die Stärkung der individuellen Verantwortung die Solidarität zwischen gesunden und kranken Menschen zu schwächen. Zudem könnten gemäss KVG nur Rabatte gewährt werden, die aus versicherungstechnischer Sicht sinnvoll sind – Gesundheit alleine sei somit kein Grund für einen Rabatt. Bundesrat Berset betonte abschliessend noch einmal, dass eine Annahme dieser Motion einer „Betonierung eines Systems” mit faktisch nur zwei Franchisenstufen gleichkomme und bat die grosse Kammer entsprechend erneut um Ablehnung der Motion. Diesem Votum folgte der Nationalrat jedoch nicht, er stimmte der Motion – und damit gleichzeitig der Motion der SGK-SR – mit 118 zu 54 Stimmen (bei 5 Enthaltungen) gegen den Widerstand von SP und Grünen zu.

Maximalrabatte bei Wahlfranchisen. Keine Bestrafung von eigenverantwortlich handelnden Versicherten (Mo. 17.3633)
Dossier: Assurance-maladie: Interventions parlementaires relatives aux franchises à option

Eine Studie zeigte 2015 auf, dass die Fraktionsgeschlossenheit in den letzten rund 30 Jahren in der Schweiz auch aufgrund einer Professionalisierung der Parteien zugenommen hatte. Am deutlichsten haben sich dabei die Polparteien SP und SVP, aber auch die FDP diszipliniert. Im Vergleich zu anderen westeuropäischen Parlamenten sei die Fraktionsdisziplin in der Schweiz aber nach wie vor gering.
In den Medien wurde die Studie breit aufgenommen. Das St. Galler Tagblatt wusste zu berichten, dass die Fraktionen Regeln einführten, um die Fraktionsdisziplin zu erhöhen. Bei der FDP würden etwa Geschäfte als strategisch erklärt, was für die Fraktionsmitglieder bedeute, dass entweder mit der Mehrheit gestimmt oder sich der Stimme enthalten werden müsse. Auch die CVP und die BDP würden solche Regeln kennen, wobei eine Zweidrittelmehrheit (bei der BDP eine einfache Mehrheit) bestimme, ob ein Geschäft strategisch sei. Bei den Polparteien gebe es keine solche Regeln, sie stimmten «naturgemäss» geschlossener, oder der soziale Druck oder allenfalls persönliche Gespräche mit potenziellen Abweichlern würden hier reichen.
Allerdings beschrieb der «Blick» einen Vorfall, bei dem ein SVP-Parlamentarier von Fraktionschef Adrian Amstutz (BE) im Parlament lautstark in die Schranken gewiesen worden sei, weil er als einziger anders als die Fraktion abgestimmt habe. Das Boulevardblatt zitierte einen Passus im Fraktionsreglement der Volkspartei, nach dem Mitglieder, die den Interessen der SVP zuwiderhandelten, ausgeschlossen würden. Bei den Grünen wiederum herrsche der Grundsatz, dass eine abweichende Position vorgängig transparent gemacht werde, kommentierte die Aargauer Zeitung.

Mitte Oktober 2017 wertete der «Blick» aus, wie häufig Nationalrätinnen und Nationalräte von der Fraktionsmeinung abweichen. Wenig überraschend waren dies jene Parlamentarierinnen und Parlamentarier, deren Partei zu klein war für eine eigene Fraktion. So wies die Analyse Marianne Streiff-Feller (evp, BE; bei 78.5% der Abstimmungen gleicher Meinung wie die Fraktion) und Maja Ingold (evp, ZH; 80%), die als EVP-Mitglieder der CVP-Fraktion angehören, sowie Roberta Pantani (lega, TI; 88.2%), die sich als Lega-Mitglied der SVP-Fraktion angeschlossen hatte, als häufigste Abweichlerinnen aus. Interessanterweise fanden sich unter den Top 10 auch fünf FDP-Mitglieder. Allerdings stimmten Walter Müller (fdp, SG: 89.4%), Hans-Ulrich Bigler (fdp, ZH; 89.5%), Philippe Nantermod (fdp, VS: 89.9%), Hans-Peter Portmann (fdp, ZH: 91.4%) und Bruno Pezzatti (fdp, ZG: 91.7%) noch immer bei 9 von 10 Abstimmungen wie die Mehrheit ihrer Fraktion. Abweichler seien wichtig, so der «Blick», weil mit ihnen Allianzen über die Parteigrenzen hinweg geschmiedet würden. Unter den zehn fraktionstreusten Parlamentsmitgliedern fanden sich je vier GLP-Mitglieder (Tiana Angelina Moser, ZH: 99.7%; Beat Flach, AG: 99.6%; Thomas Weibel, ZH: 99.5% und Kathrin Bertschy, BE: 99.5%) sowie fünf SP-Mitglieder (Martin Naef, ZH: 99.5%; Claudia Friedl, SG: 99.5%; Martina Munz, SH: 99.4%; Silvia Schenker, BS: 99.4% und Yvonne Feri, AG: 99.4%). Sie alle stimmten – wie auch Sibel Arslan (basta, BS: 99.4%) von der Fraktion der Grünen – in mehr als 99 von 100 Abstimmungen wie die Mehrheit ihrer Fraktionen.

Fraktionsdisziplin

Deutlich umstrittener als im Ständerat waren die Nachträge I und Ia zum Voranschlag 2017 im Nationalrat. So hiess der Nationalrat den Nachtrag Ia über die Bürgschaft für die Hochseeflotte lediglich mit 104 zu 69 Stimmen bei 14 Enthaltungen gut. Der Grossteil der Gegenstimmen stammte von der SVP-Fraktion, während die SP-Fraktion ihren Unmut vor allem durch Enthaltungen kund tat. Vom Ständerat abweichende Voten gab es bei verschiedenen weiteren Nachtragskrediten. So entschied sich der Nationalrat in Übereinstimmung mit der FK-NR gegen zusätzliche Gelder für die Bundesanwaltschaft. Einerseits kritisierte die FK-NR, dass der Nachtragskredit für die Bundesanwaltschaft den Entscheid des Parlaments beim Voranschlag 2017 rückgängig machen würde, andererseits wollte Nationalrat Pezzatti (fdp, ZG) ein Präjudiz verhindern. Trotz dem eindringlichen Aufruf von Hanspeter Uster als Vertreter der Aufsichtsbehörde über die Bundesanwaltschaft (AB-BA), auf die Kürzungen zu verzichten, um geplante IT-Investitionen nicht zu verhindern und der grossen Reduktion der Personalkosten bei der Bundesanwaltschaft um 4.5 Prozent pro Stelle Rechnung zu tragen, sprach sich der Nationalrat mit 111 zu 73 Stimmen (1 Enthaltung) gegen den entsprechenden Nachtragskredit aus. Beim FISCAL-IT-Projekt kritisierte die Mehrheit der FK-NR, dass noch unklar sei, welcher Teil des Nachtragskredits dem Technologiefortschritt und welcher den zu optimistischen Einschätzungen der Kosten geschuldet sei und welche Auswirkungen die Ablehnung des Nachtragskredits auf das Projekt haben würde. Franz Grüter (svp, LU) betonte mit Verweis auf einen KPMG-Untersuchungsbericht vor allem die Sorge vor ausufernden Kosten: Der Bericht skizzierte drei Szenarien, die für das Projekt zwischen CHF 43.7 Mio. und 75 Mio. Restkosten vorsehen. Aufgrund zahlreicher offener Fragen bevorzuge seine Fraktion daher eine Behandlung des Kreditantrags im Rahmen des Voranschlags 2018, wenn mehr Informationen vorhanden sein werden. Alois Gmür (cvp, SZ) hingegen betonte, dass selbst die kritische Mehrheit der FK-NR den zusätzlichen Finanzbedarf des Projektes nicht bestreite. Eine Annahme des Nachtragskredits würde entsprechend Sicherheit schaffen und zu einer speditiven Fortführung des Projekts beitragen. Die Mehrheit des Nationalrats – bestehend aus der SVP-, FDP- und Teilen der BDP-Fraktion – folgte jedoch der Finanzkommission und lehnte den Nachtragskredit des FISCAL-IT-Projekts mit 96 zu 89 Stimmen (0 Enthaltungen) ab.

BRG Nachtrag I zum Voranschlag 2017
Dossier: Aperçu des finances fédérales 2017: Budget et comptes d'Etat

In der Wintersession 2016 behandelte der Nationalrat als Erstrat den Entwurf zu den parlamentarischen Initiativen Humbel (10.407) und Rossini (13.477) zur finanziellen Entlastung der Familien bei den Krankenversicherungsprämien. Zuvor hatte die SGK-NR die Einwände des Bundesrates umgesetzt und auf eine Entlastung der 26-35-Jährigen verzichtet. In der Eintretensdebatte erhielt das Geschäft grösstenteils Zuspruch. Einzig Toni Brunner (svp, SG) sprach sich gegen Eintreten aus, da eine zusätzliche Reduktion der Kinderprämien eine weitere Erhöhung der übrigen Prämien zur Folge hätte. Dies sei in Zeiten eines starken Prämienanstiegs nicht zu rechtfertigen. Dennoch trat der Nationalrat mit 116 zu 60 Stimmen (bei 13 Enthaltungen) auf die Vorlage ein.
Inhaltlich entschied sich die grosse Kammer mit 125 zu 64 Stimmen (bei 2 Enthaltungen) gegen den Widerstand von SP, Grünen, Grünliberalen und vereinzelten Mitgliedern der SVP- und der FDP-Fraktion für die Ausnahme der Prämien von Kindern (unter 19 Jahren) aus dem massgebenden Versichertenbestand des Risikoausgleichs. Zudem sollen die Versicherer beim Risikoausgleich für Versicherte zwischen 19 und 25 Jahren entlastet werden. Dies würde nicht nur die Prämien der Jugendlichen um etwa CHF 90 pro Monat senken, sondern auch die total ausbezahlten Prämienverbilligungen der Kantone. Ob Letztere jedoch verpflichtet werden sollen, die dadurch frei werdenden Gelder für eine Erhöhung der Prämienverbilligungen von Kindern aus Haushalten mit unteren oder mittleren Einkommen einzusetzen, war äusserst umstritten. Hier entschied sich der Nationalrat nur knapp mit 96 zu 91 Stimmen bei 4 Enthaltungen für eine Erhöhung der Prämienverbilligungen von Kindern um mindestens 80 Prozent und gegen den Antrag von Bruno Pezzatti (fdp, ZG), der den Handlungsspielraum der Kantone nicht weiter einschränken wollte und entsprechend für den Status Quo plädierte.

Mittels einer parlamentarischen Initiative sollen Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene bei den Krankenkassenprämien entlastet werden (Pa.Iv. 13.477)
Dossier: Réduction de primes

Anders als die SGK-SR und das Ständeratsplenum, das die Vorlage zum neuen Tabakproduktegesetz zurückgewiesen hatte, wollte die SGK des Nationalrates den Gesetzesentwurf beraten und die Rückweisung ablehnen. Nicht so eine Kommissionsminderheit Pezzatti (fdp, ZG), sie beantragte, dem ständerätlichem Votum zu folgen und den Bundesrat eine neue Vorlage ausarbeiten zu lassen.
Kommissionssprecherin Ingold (evp, ZH) stellte eingangs der Debatte klar, dass es sich um eine politisch wichtige Grundsatzfrage handle, um eine Auseinandersetzung zwischen dem Gesundheitsschutz der Bevölkerung und den Interessen der Wirtschaft. Mit 12 zu 10 Stimmen (2 Enthaltungen) wollte die Kommission also auf die Vorlage eintreten und sie dem Ständerat zur Beratung zurückgeben. Unter anderem wurde ein drohender Rückstand in der Gesetzgebungsphase als Argument gegen eine Rückweisung angeführt. Anders sah es die Kommissionsminderheit, deren Begründung weitgehend den bereits im Ständerat gehörten Argumenten folgte. In der Debatte zeichnete sich eine geteilte Haltung innerhalb des bürgerlichen Lagers ab, die Abstimmung verdeutlichte dies. Die SVP- und die FDP-Liberalen-Fraktion stimmten fast geschlossen für die Rückweisung, die CVP-Fraktion war gespalten und SP, Grüne, GLP und BDP stimmten gegen die Rückweisung. Insgesamt sprachen sich 101 gegen 75 Nationalrätinnen und Nationalräte bei 14 Enthaltungen für eine Rückweisung aus. Ein neues Tabakproduktegesetz konnte also vorerst noch nicht konkretisiert werden.
In der Tagespresse wurde die Bestätigung der Rückweisung durch den Nationalrat kritisch kommentiert. Die Rückweisung sei falsch (SGT), ein Rückschlag für die Prävention (Nordwestschweiz) und man habe sich von Lobbyisten leiten lassen (Liberté). Im Tages-Anzeiger, aber auch in der NZZ, wurde der Entscheid als Niederlage für Bundesrat Berset interpretiert, auch wenn Letztere die Ablehnung eines Werbeverbots nicht grundsätzlich kritisierte.

Später wurde bekannt, dass tatsächlich einige Zeit verstreichen wird, bis ein neuer Entwurf vorliegen wird. Das BAG sah vor, Ende 2017 eine neue Vernehmlassung zu eröffnen. Die Inkraftsetzung des dereinst neuen TabPG wird nicht vor 2022 erwartet.

Tabakproduktegesetz (BRG 15.075)
Dossier: Loi sur les produits du tabac

Ende November erschien das NZZ-Parlamentarierrating 2016 und bildete das erste Jahr nach den Wahlen 2015 ab. Der Rechtsrutsch der Wahlen zeichnete sich im Rating deutlich ab. Der Median der Positionen aller Parlamentarierinnen und Parlamentarier, die aufgrund paarweiser Vergleiche des Abstimmungsverhaltens während der vier vergangenen Sessionen errechnet werden, rückte auf der Skala von -10 (absolut links) bis + 10 (absolut rechts) von 0.8 (2015) auf 1.7. Gleich drei SVP-Fraktionsmitglieder nahmen die rechte Extremposition (10) ein: Marcel Dettling (SZ), Erich Hess (BE) und, wie bereits 2015, Pirmin Schwander (SZ). Lisa Mazzone (gp, GE) positionierte sich mit einem Wert von -9.6 am linken Extrempol.
Vom Rechtsrutsch habe – gemessen an der Anzahl gewonnener Abstimmungen im Rat – vor allem die FDP, kaum aber die SVP profitiert, so die Studie. Bei den Parteien zeigten sich insgesamt nur leichte Verschiebungen. So hatte sich die SVP noch einmal nach rechts verschoben und nahm insgesamt den Wert 8.0 ein (2015: 7.7.). Jean-Pierre Grin (VD) besetzte mit 6.3 die moderateste Position in der Volkspartei. Damit war er dennoch ziemlich weit vom am meisten rechts stehenden FDP-Fraktionsmitglied entfernt: Bruno Pezzatti (ZG) erreichte einen Wert von 3.4. Den linken Rand der FDP, die sich im Vergleich zu 2015 nicht verändert hatte und fraktionsübergreifend konstant bei 2.2 blieb, nahm erneut Christa Markwalder mit 1.4 ein. Damit war die Bernerin leicht linker positioniert als Daniel Fässler (AI), der mit 1.9 den rechten Rand der CVP besetzte. Den Gegenpol bei den Christlichdemokraten nahm Barbara Schmid-Federer (ZH) mit -0.9 ein. Auch die CVP blieb im Vergleich zu 2015 konstant bei 0.6. Innerhalb des Spektrums der CVP-EVP-Fraktion fand sich die BDP (0.9: Hans Grunder, BE bis -0.5: Rosmarie Quadranti, ZH), die leicht nach links gerutscht war (0.2). Deutlich am linken Rand der CVP-Fraktion positionierte sich die EVP mit Maja Ingold (ZH, -2.8) und Marianne Streiff-Feller (BE, -3.1). Einen Linksrutsch verzeichnete auch die GLP, die sich bei -2.7 positionierte und sich wie schon 2015 sehr geschlossen zeigte. Nur gerade 0.5 Skalenpunkte trennten Kathrin Bertschy (BE, -2.8) von Martin Bäumle (ZH, -2.3). Etwas geschlossener als 2015 zeigte sich auch die SP, die fraktionsübergreifend bei -8.3 zu liegen kam. Chantal Galladé (ZH, -6.6) fuhr dabei den sozialliberalsten Kurs. Gleich drei Fraktionsmitglieder positionierten sich beim linken Extremwert der SP, bei -9.1: Bea Heim (SO), Susanne Leutenegger Oberholzer (BL) und Silvia Schenker (BS). Die Grünen schliesslich positionierten sich insgesamt bei -9.0 und die Fraktionsmitglieder überlappten sich stark mit der SP: Daniel Brélaz (VD, -7.9) zeigte sich dabei sogar noch etwas rechter als die gesamte SP.
Die Forschungsstelle Sotomo, welche das Rating durchführte, wertete auch 2016 den Ständerat aus. Erneut zeigte sich eine geringere Polarisierung als in der grossen Kammer. Zwar lagen auch in der kleinen Kammer die Extremwerte weit auseinander, Lilian Maury Pasquier (sp, GE, -9.5) und Peter Föhn (svp, SZ, 9.8) fanden sich aber ziemlich alleine auf weiter Flur. Alle anderen Ständeratsmitglieder befanden sich zwischen -6.2 (Christian Levrat, sp, FR) und 7.3 (Hannes Germann, svp, SH).

Nationalratsrating

Rund ein Jahr, nachdem sich der Ständerat ausführlich mit der Reform der Altersvorsorge 2020 beschäftigt hatte, lag der Ball beim Nationalrat. Die Aufmerksamkeit war gross, das SRF übertrug die Eintretensdebatte live. Nationalrat Aeschi (svp, ZG) stellte einen Antrag, die Vorlage in verschiedenen Teilen zu beraten und damit dem Volk die Möglichkeit zu geben, einzeln zu den Reformelementen Stellung zu nehmen. In einem ersten Paket sollen demnach die gemäss dem Antragsteller unbestrittenen Elemente wie die Erhöhung des Rentenalters der Frauen auf 65 Jahre oder die Flexibilisierung des Referenzalters behandelt werden. Die übrigen Fragen sollten an die Kommission zurückgewiesen werden, die diese in einem zweiten und dritten Massnahmenpaket weiterführen sollte. Nach dem „voraussehbaren Nein an der Urne” – so der Antragsteller – wüsste man sonst wieder nicht, welche Elemente das Volk befürworte, respektive ablehne. Der Freiburger Nationalrat Jean-François Steiert (sp, FR) hingegen argumentierte, dass durch diese „Salamitaktik” das Rentenalter der Frauen angehoben würde, ohne dass ihre durchschnittlich um CHF 250'000 tiefere Rente kompensiert werde. Dies könne lediglich durch die Behandlung der Vorlage als Gesamtpaket verhindert werden. Der Nationalrat lehnte den hauptsächlich von Parlamentarierinnen und Parlamentariern der SVP unterstützten Antrag Aeschi mit 54 zu 129 Stimmen (bei 10 Enthaltungen) ab.

Die Eintretensdebatte war geprägt von der Abstimmung zur AHVplus-Initiative, die nur Tage zuvor mit 41 zu 59 Prozent abgelehnt worden war. Insbesondere wurde darüber gestritten, ob dieses „Nein” als allgemeine Ablehnung einer Erhöhung der AHV-Rente – als welche sie zum Beispiel Bruno Pezzatti (fdp, ZG) oder Lorenz Hess (bdp, BE) darstellten – verstanden werden kann oder nicht. In der Detailberatung, bei der die Vorlage in sieben thematischen Blöcken behandelt wurde, schuf der Nationalrat zahlreiche Differenzen zum Ständerat. Im ersten Block wurden insbesondere das Referenzalter und die Flexibilisierung des Rentenalters sowie die Bestimmungen zur Berechnung der AHV-Rente behandelt. Besonders umstritten war hier die Frage der Erhöhung des Referenzalters für Frauen. Zwei Minderheiten Feri (sp, AG) beantragten dem Nationalrat, auf diese Erhöhung zu verzichten, was die Antragstellerin damit begründete, dass Männer beim flexiblen Rentenalter bevorzugt würden, weil Frauen ihr Leben lang unbezahlte Arbeit leisteten und für die bezahlte Arbeit schlechter entlohnt würden. Dies solle durch die Beibehaltung des Referenzalters von 64 Jahren für Frauen anerkannt werden. Der Nationalrat entschied sich jedoch mit 137 zu 57 Stimmen (0 Enthaltungen) für die Angleichung des Referenzalters der Frauen auf 65 Jahre, wobei sich – im Unterschied zum Ständerat – die SP- und Grünen-Fraktionen geschlossen gegen die Erhöhung aussprachen.

Im zweiten Block unterschieden sich die Mehrheiten im Nationalrat mehrmals von denjenigen im Ständerat: So beschloss der Nationalrat, Personen mit Anrecht auf Altersrenten keine Kinderrenten auszuzahlen sowie Witwen- und Witwerrenten nur noch auszubezahlen, wenn eine Person ein Kind mit Anspruch auf Waisenrente hat. Die Waisenrenten an Pflegekinder schränkte er insofern ein, als sie in Zukunft nur noch ausbezahlt werden, wenn die Pflegekinder ihren Wohnsitz und gewöhnlichen Aufenthalt in der Schweiz haben.

Hitzig diskutiert wurde vor allem der dritte Block, in dem sich der Nationalrat der Zusatzfinanzierung der AHV, dem Interventionsmechanismus und dem Bundesbeitrag – gemäss Ruth Humbel (cvp, AG) die Kernpunkte der Vorlage – widmete. Den Bundesbeitrag legte der Nationalrat bei 20 Prozent der jährlichen Ausgaben der Versicherung fest, während sich der Ständerat noch für den bisherigen Betrag von 19.55 Prozent ausgesprochen hatte. Diese Erhöhung machte eine Abstimmung zur Schuldenbremse nötig, wobei das qualifizierte Mehr erreicht wurde. Anschliessend folgten die Abstimmungen zum Sargnagel der Vorlage, wie es wiederum Ruth Humbel formuliert hatte: dem Interventionsmechanismus. Zur Überwachung des finanziellen Gleichgewichts lagen verschiedene Massnahmen vor. So stand eine Zustimmung zum Beschluss des Ständerats – also zu einer einstufigen Verpflichtung zu nicht-automatischen Stabilisierungsmassnahmen, wenn der Stand des AHV-Ausgleichsfonds unter 80 Prozent einer Jahresausgabe sinken sollte – (Mehrheit der SGK-NR), eine Ergänzung dieses einstufigen Vorgehens durch einen automatischen Solidaritätsbeitrag der Rentner und Rentnerinnen sowie durch eine temporäre Beitragserhöhung (Minderheit I Humbel), eine Ergänzung durch eine automatische Erhöhung des Referenzalters pro Kalenderjahr um 6 Monate auf maximal 24 Monate (Minderheit III de Courten (svp, BL)) sowie eine gänzliche Streichung des Interventionsmechanismus (Minderheit II Weibel (glp, ZH)) zur Debatte. Der Einzelantrag Pezzatti (fdp, ZG) sah zudem vor, den Interventionsmechanismus in eine separate Vorlage auszulagern, um die Gesamtvorlage nicht zu gefährden. Die Minderheit II (Weibel), geschlossen unterstützt von der BDP und GLP, war gegenüber dem bundesrätlichen Vorschlag chancenlos (180 zu 14 Stimmen). Dieser unterlag jedoch genauso wie die Minderheiten I (Humbel, unterstützt von SP, GPS, CVP und BDP) und III (de Courten, unterstützt von der SVP) dem Mehrheitsantrag (grösstenteils unterstützt von FDP und SVP). Vor die Wahl gestellt, den Interventionsmechanismus im Rahmen der Altersvorsorge 2020 oder in einer separaten Vorlage umzusetzen, entschied sich der Nationalrat grossmehrheitlich für letztere Option und nahm den Einzelantrag Pezzatti mit 187 zu 9 (GLP- oder CVP-) Stimmen an. Als letzte Frage dieses Blocks wurde die maximal mögliche Höhe der Anhebung der Mehrwertsteuersätze behandelt. Hier schwankten die Vorschläge zwischen 0.3 Prozentpunkten (Minderheit II Frehner (svp, BS)), 0.6 Prozentpunkten (Mehrheit der SGK-NR) und 1 Prozentpunkt (Ständerat, Minderheit I Humbel). Der Nationalrat entschied sich für den Mittelweg und schuf mit der Erhöhung um 0.6 Prozentpunkte erneut eine Differenz zum Ständerat.

Der vierte Block umfasste Massnahmen in der zweiten Säule, konkret den Mindestumwandlungssatz und die Ausgleichsmassnahmen im BVG. Dabei pflichtete der Nationalrat dem Erstrat mit 141 zu 51 Stimmen (3 Enthaltungen) gegen den Willen der SP und der Grünen deutlich bei und senkte den Mindestumwandlungssatz von 6.8 auf 6 Prozent. Um eine Kompensation des tieferen Umwandlungssatzes innerhalb des BVG zu ermöglichen, entschied sich der Nationalrat relativ knapp zur Abschaffung des Koordinationsabzugs (100 zu 89 Stimmen bei 7 Enthaltungen) sowie für eine Reduktion der gestaffelten Altersgutschriften auf zwei Ansätze (25-44: 9%, 45-Referenzalter: 13.5% des versicherten Lohns). Letztere soll zusätzlich der Diskriminierung älterer Arbeitnehmenden auf dem Arbeitsmarkt entgegenwirken. Hingegen verzichtete er trotz Anpassung des Mindestumwandlungssatzes auf eine Garantie des Leistungsniveaus der Übergangsgeneration (Personen über 40 (Bundesrat) respektive 50 Jahren (Ständerat)) im Rahmen des Sicherheitsfonds.

Im fünften Block standen die Ausgleichsmassnahmen in der AHV sowie der Ehepaarplafonds zur Debatte. Bei der Höhe der Vollrenten sprach sich der Nationalrat für die Beibehaltung des geltenden Rechts aus und schuf damit eine gewichtige Differenz zum Ständerat, der die Altersrente als Kompensation für die Reduktion des Umwandlungssatzes um 70 Franken erhöhen wollte. Auch die Erhöhung des Ehepaarplafonds von 150 auf 155 Prozent (Ständerat, Minderheiten I (Humbel) und IV (Feri)) respektive auf 160 Prozent (Minderheit II Humbel), die sowohl von Befürwortern als auch von Gegnern im Nationalrat als Reaktion auf die Volksinitiative gegen die Heiratsstrafe empfunden wurde, lehnte die grosse Kammer ab. Um dem Lohnunterschied zwischen den Geschlechtern gerecht zu werden, hatte die Mehrheit der SGK-NR zudem vorgeschlagen, die Summe der Erwerbseinkommen der Frauen mit einem Zuschlag zu belegen, „der dem nach objektiven Kriterien nicht erklärbaren Anteil am allgemeinen Lohnunterschied entspricht”. Dies scheiterte jedoch am Widerstand von FDP.Die Liberalen und SVP sowie vereinzelten anderen Parlamentarierinnen und Parlamentariern.

Der sechste Block beinhaltete institutionelle Massnahmen, der siebte Block weitere zu klärende Details. Hier entschied sich der Nationalrat unter anderem dafür, Risikobeiträge nach individuellen Grundsätzen zu berechnen (139 zu 53 bei 1 Enthaltung), während der Ständerat einen Passus zu kollektiven Grundsätzen ergänzt hatte. Des Weiteren lehnte der Nationalrat eine Erhöhung der Beiträge der Selbständigerwerbenden mit 129 zu 65 Stimmen ab.

In den Gesamtabstimmungen zu den drei Vorlagen (Bundesgesetz über die Reform der Altersvorsorge 2020, Bundesbeschluss über die Zusatzfinanzierung der AHV durch eine Erhöhung der Mehrwertsteuer und Bundesbeschluss über die Wahrung des finanziellen Gleichgewichts der AHV) zeigten sich nur die FDP.Die Liberalen und die Grünliberalen mit allen drei Vorlagen einverstanden. Die Reform der Altersvorsorge 2020 lehnten die Fraktionen der SP und der Grünen in der Gesamtabstimmung ab, da der Nationalrat gemäss Silvia Schenker (sp, BS) in den letzten Tagen ein Massaker angerichtet habe. Auch bei der CVP- und BDP-Fraktion fand die Vorlage kaum noch Zustimmung, ein Grossteil von ihnen enthielt sich der Stimme. Die Zusatzfinanzierung der AHV durch eine Mehrwertsteuererhöhung hingegen wurde von einer Minderheit der SVP-Fraktion abgelehnt, die meisten übrigen SVP-Parlamentarierinnen und -Parlamentarier enthielten sich zusammen mit denjenigen der SP und der Grünen der Stimme. Am umstrittensten war der Bundesbeschluss zum finanziellen Gleichgewicht der AHV, bei dem es um den Interventionsmechanismus ging: Hier standen sich 99 Ja-Stimmen aus der SVP-, FDP- und GLP-Fraktion und 90 Nein-Stimmen aus der SP-, CVP-, GPS- und Teilen der BDP-Fraktion gegenüber. Somit entschied sich der Nationalrat auch hier insgesamt knapp für die zuvor beschlossenen Änderungen.

Reform «Altervorsorge 2020» (BRG 14.088)
Dossier: Débats sur l'âge de la retraite des femmes
Dossier: Hausse de l’âge de la retraite à 65 ans
Dossier: Déduction de coordination et seuil d'entrée LPP

2014 beantragte Bruno Pezzatti (fdp, ZG) mittels einer Motion, dass der Bezug von Ergänzungsleistungen den Ausländerbehörden gemeldet werde, da die Migrationsbehörden wissen müssten, ob jemand über ausreichende finanzielle Mittel verfüge, um für sich und seine oder ihre Familie zu sorgen. Der Bezug von Ergänzungsleistungen sei diesbezüglich aussagekräftig. Nachdem Silvia Schenker (sp, BS) die vom Bundesrat zur Annahme empfohlene Motion bekämpft hatte, stimmte der Nationalrat in der Sommersession 2016 mit 133 zu 51 Stimmen für das Anliegen.
In Übereinstimmung mit dem Antrag der SGK-SR, die Motion abzulehnen, weil der Bundesrat den darin enthaltenen Auftrag bereits im Rahmen der Umsetzung der Masseneinwanderungsinitiative erfüllt habe, sprach sich der Ständerat hingegen stillschweigend gegen die Motion aus.

Ergänzungsleistungen und Datenübermittlung

Am 8. September 2016 reichte die Finanzkommission des Nationalrats die Motion „Keine Aufweichung der bewährten Schuldenbremse" ein. Diese beauftragt den Bundesrat, durch eine Präzisierung der gesetzlichen Bestimmungen zur Schuldenbremse eine Aufweichung der bisherigen Regelung zu verhindern. Als nötig erachtete die FK-NR diese Motion, weil sie befürchtete, dass der Bundesrat aufgrund des Tiefzinsumfeldes Überschüsse im Bundeshaushalt nicht mehr zwingend und vollständig für den Schuldenabbau einsetzen möchte. Anzeichen für eine solche Lockerung waren gemäss den Zuger Nationalräten Aeschi (svp, ZG) und Pezzatti (fdp, ZG) mehrfach vorhanden: der Auftrag des Bundesrates an das EFD, eine „symmetrische Bewirtschaftung des Ausgleichskontos" vertieft zu prüfen; der Antrag des Bundesrates beim Voranschlag 2016, Migrationsausgaben von CHF 400 Mio. als ausserordentlich zu verbuchen; sowie die Motion Müller (cvp, LU), die forderte, dass künftige Überschüsse auch für die Mitfinanzierung von budgetierten Mehrausgaben im Bereich der Sozialversicherung verwendet werden können. Eine Lockerung der Schuldenbremse würde jedoch gemäss FK-NR beim Staat jährlich Mehrausgaben von bis zu CHF 1 Mrd. nach sich ziehen und damit zu einer weiteren Vergrösserung der Ausgaben zulasten der nächsten Generation führen.

Demgegenüber argumentierte der Bundesrat, dass sein Auftrag an das EFD die Schuldenbremse selbst nicht tangiere. So bestehe das Ziel der Schuldenbremse in einem dauerhaften Gleichgewicht zwischen Ausgaben und Einnahmen, sie verlange entsprechend eine Stabilisierung der nominellen Schulden. Stattdessen seien aber seit 2006 dank strukturellen Überschüssen Schulden in der Höhe von CHF 20 Mrd. abgebaut worden. Diese systembedingten Budgetunterschreitungen hofft der Bundesrat in Zukunft für andere Zwecke als ausschliesslich für die Schuldenreduktion verwenden zu können. Er beantragte entsprechend die Ablehnung der Motion, da diese der Prüfung dieser Frage durch das EFD vorgreifen würde. Thomas Weibel (glp, ZH) ergänzte, dass neben der Stabilisierung der nominellen Schuld auch die konjunkturpolitische Stabilisierung zu den Hauptfunktionen der Schuldenbremse gehöre. Dadurch, dass aber zu hohe Fehlbeträge im Ausgleichskonto innerhalb dreier Jahre abgetragen werden müssen, während Überschüsse nicht verwendet werden können, werde „die konjunkturpolitische Wirkung der Schuldenbremse torpediert". Von dieser Argumentation liess sich der Nationalrat jedoch nicht überzeugen und pflichtete mit seinem Votum zur Annahme der Motion dem Argument von Albert Vitali (fdp, LU) bei, wonach sich das Parlament frühzeitig gegen eine Aufweichung der Schuldenbremse positionieren müsse.

Der Ständerat liess sich hingegen nicht auf eine inhaltliche Beratung der Motion ein, sondern nahm einen Ordnungsantrag Graber Konrad (cvp, LU) mit 34 zu 9 Stimmen bei 1 Enthaltung an. Dieser verlangte die Sistierung der Behandlung der Kommissionsmotion, bis die WAK-SR den Bericht des Bundesrates „Zukunftsperspektiven für die Schweiz", der auf einem Postulat Grabers beruht, beraten konnte. Der Luzerner Ständerat hatte argumentiert, dass er mit seinem Ordnungsantrag vor allem verhindern möchte, dass dieselbe Diskussion zweimal geführt werden müsse.

Keine Aufweichung der bewährten Schuldenbremse (Mo. 16.3634)
Dossier: Frein à l'endettement

Der Kanton Zug hatte bei den Nationalratswahlen weiterhin drei Sitze zu Gute, woran auch das starke Bevölkerungswachstum der letzten Jahre nichts änderte. Trotz oder gerade wegen dieser wenigen begehrten Sitze, sprengte die Kandidatenzahl mit deren 50 für die Wahlen 2015 alle Rekorde. Auch mit den insgesamt 17 verschiedenen Listen wurde eine noch nie zuvor gesehene Zahl erreicht. Dies mochte einem regen politischen Interesse und den eher einfach zu besetzenden Dreierlisten geschuldet sein. Ob ein Antreten mit ganzen fünf Listen – so wie es die Sozialdemokraten taten – besonders viel Sinn ergab, sei dahin gestellt. Mit einem Frauenanteil von 40% waren die Listen zumindest relativ ausgeglichen besetzt, wiewohl es bis anhin keine weibliche Vertreterin aus dem Kanton Zug nach Bern geschafft hatte.

Wie auch in anderen Innerschweizer Kantonen präsentierte sich in Zug für die linken Parteien eine schwierige Ausgangslage. Die Grünen – in Zug als „Alternative“ antretend – hatten anlässlich der Wahlen 2011 ihr Mandat verloren, welches sie über Jahre mit ihrem national bekannten Aushängeschild Jo Lang besetzt hatten. Durch die hohe natürliche Wahlhürde im Kanton – bedingt durch die kleine Sitzzahl – ist für einen linken Wahlerfolg generell ein sehr gutes Wahlergebnis und ein rot-grünes Zusammenspannen vonnöten. Zumindest Letzteres war mit der Listenverbindung zwischen der SP und den Grünen schnell beschlossene Sache. Ins Boot holte man zudem die erstmals antretende Piratenpartei.
Auf bürgerlicher Seite stellten sich alle Amtsinhaber zur Wiederwahl. Für die CVP war dies Gerhard Pfister, für die FDP Bruno Pezzatti und für die SVP Thomas Aeschi. Zwischen den Freisinnigen und den Christdemokraten waren angesichts einer anstehenden Listenverbindung über schwierige Verhandlungen berichtet worden. Angeblich sei die Unterstützung des CVP-Regierungsratskandidaten in Frage gestellt worden und zum Streitpunkt in Sachen nationale Wahlen mutiert. Nichtsdestotrotz entschieden sich die beiden Parteien zum erwarteten Schulterschluss und liessen das mutmassliche Vorspiel unkommentiert. Die SVP zog gezwungenermassen – aber ohne allzu grossen Missmut – alleine in die Wahlen. Angesichts ihres beträchtlichen und kaum gefährdeten Wähleranteils musste sie sich auch kaum um einen allfälligen Sitzverlust Sorgen machen. Eine weitere bürgerliche Partei – die GLP – entschied sich dieses Mal dem CVP-FDP Verbund beizutreten. Reelle Wahlchancen ergaben sich für sie nicht. Ihr Entscheid machte jedoch die Aufgabe für das linke Bündnis nochmals bedeutend schwieriger.
Im Allgemeinen wurde dem Status Quo in Zug die besten Chancen auf ein Weiterbestehen eingeräumt. Das schlechte Abschneiden der Grünen in anderen Kantonen sowie die nationale Trendvorhersage nach rechts boten wenig Aussicht auf einen besonders spannenden Wahlkampf, da eine linke Rückeroberung eines Sitzes noch am ehesten ein Szenario für Veränderung geboten hätte. Für ernsthafte bürgerliche Konkurrenz waren die Grünliberalen ihrerseits zu klein.

Ohne Mühe verteidigten denn auch die drei bisherigen Nationalräte Gerhard Pfister, Thomas Aeschi und Bruno Pezzatti am Wahltag ihre Sitze. Somit bleibt die Zuger Delegation aus einem CVP-, einem FDP- und einem SVP-Mitglied bestehen. Das stärkste bürgerliche Resultat erzielten die SVP und die CVP. Erstere knackte mit 30.5% (+2.2 Prozentpunkte) erstmals die 30%-Marke. Letztere setzte – entgegen dem nationalen Partei-Trend – ihre Erfolgsgeschichte im Kanton Zug fort und erreichte 26.5%, womit sie ebenfalls um 2.2 Prozentpunkte zulegte. Die FDP musste hingegen einen Verlust hinnehmen und hält 17.7% Wähleranteil (-1.5 Prozentpunkte). Vom Stimmvolk eine geradezu schallende Ohrfeige verpasst erhielten die Grünen. Sie schrumpften auf 7.2% und büssten damit 8.2 Prozentpunkte ihres Wähleranteils ein. Der krasse Verlust auf der einen Seite erklärt jedoch das Abschneiden der eigentlichen Wahlsiegerin auf der anderen Seite. Die SP legte nämlich um ebenso eindrückliche 8.4 Prozentpunkte zu und lag schliesslich in der Wählergunst bei 13.7%. Da dies (nur) einer Wachablösung im linken Lager gleichkam, konnte der Wahlsieg jedoch in kein zählbares Resultat umgemünzt werden. Als mögliche Erklärung für die linke Verschiebung wurde der Sexskandal um die ehemalige grüne Kantonsrätin Jolanda Spiess-Hegglin sowie das Fehlen eines grünen Spitzenkandidaten bemüht. Bei den kleineren Parteien hatte sich der Wähleranteil der GLP beinahe halbiert auf noch 3.6% (-3.2 Prozentpunkte). Die Piratenpartei kam bei ihrem ersten Auftritt nicht über 1% hinaus. Eine Frauenvertretung blieb im Kanton Zug weiterhin aus, während die Wahlbeteiligung mit 53.7% etwas tiefer lag als noch 2011 (55.1%).

Kanton Zug -Nationalratswahlen 2015
Dossier: Résultats des élections au Conseil national 2015 (par canton)

Auch der Ständerat entschied, die Motion Pezzatti (fdp, ZG) für vermehrte Investitionen in die Forschung zur Bekämpfung der Kirschessigfliege anzunehmen. Das Anliegen war unumstritten und die Statements der WBK-Sprecherin Géraldine Savary (sp, VD) und des Bundesrates thematisierten vor allem die Dringlichkeit des Vorhabens. Die Kirschessigfliege habe im vergangenen Jahr rund 10% der Trauben- und 30% der Steinobsternte unbrauchbar gemacht, so Bundesrat Johann Schneider-Ammann, weshalb es wichtig sei, das Problem nicht zu unterschätzen. Mit der Zusage des Ständerates wird die Forderung folglich von beiden Räten unterstützt und kann somit an den Bundesrat übergeben werden.

Kirschessigfliege (Mo. 14.3721)

Das Bundesgesetz über das elektronische Patientendossier fand im Nationalrat grundsätzlichen Anklang, sämtliche Fraktionen wollten auf den Entwurf eintreten. Die SGK empfand den Gesetzesentwurf jedoch als zu wenig griffig, respektive verpflichtend. Ihr Sprecher Frehner (svp, BS) legte dar, dass das elektronische Patientendossier nur dann eine Wirkung entfalte, wenn alle „Player” im Gesundheitswesen mitmachen. Deswegen wurde von der Kommission vorgeschlagen, alle Leistungserbringer zur Verwendung elektronischer Dossiers zu verpflichten und es nicht bei einer freiwilligen Anwendung zu belassen. Ausgenommen blieben jedoch die Patientinnen und Patienten, für sie bliebe die Freiwilligkeit aufrechterhalten.

In der Detailberatung gab es erste Anpassungsvorschläge bezüglich der Kompetenz zur Bearbeitung der elektronischen Dossiers. Während die Kommissionsmehrheit eine Ausweitung der Bearbeitungsberechtigten vorgesehen hatte – es sollen auch Personen auf die Dossiers zugreifen können, die für öffentlich-rechtliche Einrichtungen tätig sind oder öffentlich-rechtliche Aufgaben ausüben –, stellte sich eine Minderheit Cassis (fdp, TI) dagegen. Sie befürchtete, damit in den Kompetenzbereich der Kantone einzugreifen. Der Gegenantrag wurde jedoch abgelehnt. Ein zweiter Gegenantrag Gilli (gp, SG) wollte einen vom Ständerat gestrichenen Passus wieder im Gesetz verankert wissen: Ein Widerruf des Einverständnisses von Patienten, ein Dossier zu führen, solle ihm oder ihr keine Nachteile schaffen. So wollte es ursprünglich auch der Bundesrat. Gilli argumentierte mit der hohen Sensibilität medizinischer Daten. Es dürfe nicht sein, dass Patientinnen schlechter behandelt würden, wenn sie sich entschieden, dass für sie kein elektronisches Dossier mehr geführt werden solle. Auch dieser Antrag blieb erfolglos. Für die Kommission berichtigte Frehner, dass keineswegs eine Zweiklassenmedizin angestrebt werde und es noch weniger das Ziel sei, dass Personen ohne elektronisches Dossier absichtlich eine schlechtere medizinische Versorgung erhielten. Es liege aber quasi in der Natur der Sache, dass wenn ein Arzt beispielsweise nicht die gesamte Krankengeschichte kenne, dieser möglicherweise eine nicht optimale Therapie veranlasse. Gillis Antrag enthalte überdies eine gefährliche Formulierung, ergänzte Cassis, aus der vielleicht sogar eine Haftbarkeit abgeleitet werden könnte.

Kernpunkt der Debatte war dann die sogenannte „doppelte Freiwilligkeit”, also dass sowohl Ärztinnen und Ärzte als auch die Behandelten auf die Anwendung elektronischer Patientendossiers verzichten können. Die Kommissionsmehrheit wollte für die Leistungserbringer ein Obligatorium einführen und damit entgegen dem bundesrätlichen Vorschlag, der auch vom Ständerat gestützt wurde, die elektronischen Dossiers flächendeckend einführen. Den Patientinnen und Patienten bliebe jedoch frei, ob für sie persönlich ein Dossier angelegt würde. Eine Minderheit Pezzatti (fdp, ZG) wollte das nicht mittragen. Zwar seien die Antragsstellenden auch für eine rasche Einführung der Dossiers, jedoch sei eine Verpflichtung der Leistungserbringer der falsche Weg, es regten sich Widerstände dagegen. Der Kommissionsantrag ging in dieser Sache also weiter, als Regierung und Ständerat vorgesehen hatten. Für die CVP-Fraktion – sie stand mit dieser Meinung nicht alleine da –, war ein Obligatorium zumutbar. Mit der doppelten Freiwilligkeit werde die gewünschte Wirkung kaum erzielt, so ihre Sprecherin Humbel (cvp, AG). Die Generation älterer Ärztinnen und Ärzte, die sich gegebenenfalls gegen die Anwendung der Dossiers wehren würde, dürfte bis zum Inkrafttreten des Gesetzes nicht mehr praktizieren und den jüngeren Generationen sei es zuzumuten. Die SP schlug in die gleiche Kerbe: Nur wenn die Ärzteschaft die Rahmenbedingungen schaffte, hätten die Patienten überhaupt die Chance „mitzumachen” und so von den verhofften Qualitätsvorteilen zu profitieren. Unaufgeregt äusserte sich auch die SVP für die obligatorische Einführung. Bortoluzzi (svp, ZH) ging sogar soweit vorzuschlagen, das Obligatorium einzuführen, um es dann der Bevölkerung zu überlassen, ob sie dagegen ein Referendum ergreifen wolle. Die Grünen zeigten sich, wie die FDP-Liberale Fraktion, eher zurückhaltend bis skeptisch. Das Obligatorium gleiche einer Bevormundung der Ärzteschaft, meinte Yvonne Gilli (gp, SG), selber Ärztin, und e-Health würde nicht darob scheitern, wenn die Patientendossiers freiwillig blieben. 114 Nationalrätinnen sprachen sich dann für das Obligatorium aus, 62 dagegen (3 Enthaltungen), womit der Vorlage eine gewichtige Neuausrichtung gegeben wurde.
Mit 175 zu 4 Stimmen wurde das Gesamtpaket gutgeheissen und dem Ständerat zur Differenzbereinigung überwiesen.

Bundesgesetz über das elektronische Patientendossier (BRG 13.050)
Dossier: Système de santé et numérisation

Mit der einhelligen Verabschiedung einer Motion Pezzatti (fdp, ZG) beschloss der Nationalrat im Dezember, in die Bekämpfung der sogenannten Kirschessigfliege zu investieren. Diese Fruchtfliegenart, welche sich seit 2011 in der Schweiz ausbreitet, hatte bereits im vergangenen Sommer erhebliche ökonomische Schäden verursacht. Der Motionär, welcher zugleich Vorstandsmitglied des Schweizerischen Obstverbandes ist, erklärte, dass sich die Kirschessigfliege in den nächsten Jahren noch stärker ausbreiten werde. Dank zunehmend milder Winter seien insbesondere Betriebe mit biologischem Landbau oder integrierter Produktion durch einen Befall gefährdet. Da bis anhin noch keine nachhaltig wirksame Gegenmassnahme gefunden worden sei, müsse der Bund schnellstmöglich zusätzliche Gelder in die Forschung und Beratung stecken. Der Bundesrat erklärte sich mit diesem Vorschlag einverstanden. Bevor die Massnahmen umgesetzt werden können, wird die zweite Kammer jedoch noch ihr Einverständnis geben müssen.

Kirschessigfliege (Mo. 14.3721)

Nachdem beide Kommissionen ihr im Jahr 2012 Folge gegeben hatten, gelangte eine parlamentarische Initiative Pelli (fdp, TI) zu einer Änderung des Zivilgesetzbuches (ZGB) in der Herbstsession 2014 in den Nationalrat. Der Vorstoss bezweckt eine Stärkung der Wohlfahrtsfonds mit Ermessensleistungen durch einen Abbau von Vorschriften. Das ZGB unterstellt die Fonds unter zahlreiche Bestimmungen des Gesetzes über die berufliche Vorsorge BVG. Bei der Beratung und dem Beschluss des BVG sei aber kaum an den speziellen Charakter der Fonds gedacht worden, weshalb sich der administrative Aufwand für deren Unterhalt stark erhöhe. Dieser massive Aufwand bringe viele Stiftungsräte dazu, ihren Fonds zu liquidieren, was aus sozialer und volkswirtschaftlicher Sicht nicht wünschenswert sei. Der Vorstoss listet konkret jene Bestimmungen auf, die für Wohlfahrtsfonds mit Ermessensleistungen zukünftig nicht mehr anwendbar sein sollen. Die Subkommission BVG der Kommission für soziale Sicherheit und Gesundheit des Nationalrates (SGK-NR) hatte nach Beratungen mit den betroffenen Kreisen und der Bundesverwaltung einen Erlassentwurf ausgearbeitet, den die Kommission einstimmig angenommen und in die Vernehmlassung geschickt hatte. Nach mehrheitlich positiven Antworten wurden nur noch kleine Änderungen vorgenommen und das Resultat dem Bundesrat vorgelegt. Dieser hiess den Entwurf grundsätzlich gut, da er bestehende Rechtsunsicherheiten beseitige und zum Erhalt der Wohlfahrtsfonds beitrage. Er beantragte jedoch, die Transparenzbestimmungen auch weiterhin auf Wohlfahrtsfonds mit Ermessensleistungen anzuwenden und regte an, die Rahmenbedingungen für die Steuerbefreiung der Fonds zu präzisieren. Aufgrund zeitlich eng beieinander liegender Termine war es der SGK nicht möglich gewesen, alle Vorschläge des Bundesrates bis zur Parlamentsdebatte zu beraten, weshalb der Sprecher auf die Möglichkeit der weiteren Abklärung und Bearbeitung durch die Kommission des Zweitrats hinwies. Eintreten war unbestritten. In der Detailberatung wurden drei Minderheitsanträge gestellt, zwei von Silvia Schenker (sp, BS) und einer von Bruno Pezzatti (fdp, ZG), welche beim Rat allesamt keine Zustimmung fanden. Anlass zur Diskussion bot das Verhältnis zur AHV: Die Kommissionsmehrheit strebte an, dass nur jener Personenkreis, der der AHV unterstellt ist, von Leistungen aus den Wohlfahrtsfonds profitieren kann. Damit sollte eine Umgehung des drei-Säulen-Prinzips verhindert werden, da Wohlfahrtsfonds zur beruflichen Vorsorge und somit zur 2. Säule gehören. Die Minderheit Pezzatti hatte sich aus Vereinfachungsgründen für eine Streichung der entsprechenden Bestimmung ausgesprochen, was der Rat mit 94 zu 83 Stimmen ablehnte. Für Annahme des Minderheitsantrags setzten sich die Fraktionen der SVP, FDP und BDP ein. Der erste Minderheitsantrag Schenker griff das Transparenzthema auf und plädierte für die Version des Bundesrates. Die Kommissionsmehrheit hatte sich dafür ausgesprochen, die Transparenzbestimmungen nicht auf der Liste jener Bestimmungen zu führen, die für die Wohlfahrtsfonds nach wie vor gelten sollten, denn die Einhaltung des Transparenzstandards generiere einen überproportionalen administrativen Aufwand. Mit ihrem zweiten Antrag forderte die Minderheit, dass Wohlfahrtsstiftungen mit Ermessensleistungen, um steuerbefreit zu werden, den Grundsatz der Angemessenheit und Gleichbehandlung berücksichtigen müssen. Dies sei nicht nur aus Fairnessgründen wichtig, sondern insbesondere im Zusammenhang mit dem Fatca-Abkommen zwischen der Schweiz und den USA relevant, da die Wohlfahrtsfonds ansonsten von den USA als Mittel zum Steuermissbrauch verstanden werden könnten. Es gelte, eine Infragestellung des Abkommens für alle Vorsorgeeinrichtungen zu verhindern. Auch in diesem Punkt ging die Minderheit mit dem Bundesrat einig. Die Kommissionsmehrheit betonte dagegen, ihr würde betreffend Fatca das nötige Fachwissen fehlen – dieses liege bei der Kommission für Wirtschaft und Abgaben (WAK) – und man wolle die Beurteilung deshalb dem Zweitrat überlassen. Die Minderheitsanträge wurden mit 129 zu 59 bzw. 130 zu 59 Stimmen abgelehnt, wobei sich jeweils die bürgerlichen Fraktionen gegen Links-grün durchsetzten. In der Gesamtabstimmung sprachen sich 133 Nationalratsmitglieder für den Entwurf aus. Es gab keine Gegenstimmen und der Beschluss gilt damit als einstimmig, obwohl sich 55 Mitglieder aus der SP- und der grünen Fraktion der Stimme enthielten. Die Beratung im Ständerat wird für das Jahr 2015 erwartet.

Stärkung der Wohlfahrtsfonds mit Ermessensleistungen

L'Assemblée fédérale a approuvé la ratification de la Convention n° 189 de l'Organisation internationale du Travail concernant la protection des travailleurs domestiques, souvent des femmes et des migrants. Dans son message du 28 août 2013, le Conseil fédéral s'était prononcé en faveur de cette nouvelle convention internationale du travail datant de l'année 2011, notant qu'il s'agissait là du respect des droits fondamentaux et d'une protection sociale minmale. Cette convention contient des dispositions relatives aux conditions de vie et de travail, à la rémunération ainsi qu'à la sécurité et la santé au travail et a pour but de garantir les droits fondamentaux des travailleuses et des travailleurs domestiques ainsi que la protection sociale minimale. Le Conseil fédéral avait noté que cette nouvelle norme marquait une étape importante pour combattre la vulnérabilité des travailleurs domestiques sur les plans sociaux et économiques.
En janvier 2014, la Commission de la sécurité sociale et de la santé publique du Conseil des Etats (CSSS-CE) a voté en faveur de la convention par 9 voix contre 0 (2 abstentions). À l’instar de la CSSS-CE, la Commission de la sécurité sociale et de la santé publique du Conseil national (CSSS-CN) s'est également prononcé en faveur de la ratification de la convention par 13 voix contre 11.
Le 20 mars, le Conseil des Etats a adopté la norme à l'unanimité, suivi du Conseil national le 12 juin (114 voix contre 73). Il a été souligné que le droit suisse n'aurait pas à être modifié pour la ratification, puisque déjà conforme à la convention n° 189 de l'OIT, mais qu'il s'agissait d'un geste important de solidarité envers les 50 millions de travailleurs domestiques dans le monde (chiffre de l'OIT). Lors du vote final pendant la session d'été, les deux chambres ont adopté l'arrêté. Le Conseil des Etats encore une fois à l'unanimité, le Conseil national par 114 voix contre 83. Lors des délibérations au National, une importante minorité (Borer (udc, SO), Bortoluzzi (udc, ZH), Cassis (plr, TI), Clottu (udc, NE), de Courten (udc, BL), Frehner (udc, BS), Moret (plr, VD), Parmelin (udc, VD), Pezzatti (plr, ZG), Stahl (udc, ZH) et Stolz (plr, BS) a contesté la nécessité de la convention en déclarant que toute législation supplémentaire était superflue puisque la catégorie de travailleurs visés benéficiait déjà d'une protection suffisante et que les employeurs étaient contre. Le conseiller fédéral Johann Schneider-Ammann a alors rappelé que cette ratification allait dans le sens de la politique générale de la Suisse et que Berne ratifiait les traités de l'OIT lorsque le droit suisse est déjà conforme.

Convention n° 189 de l'Organisation internationale du Travail

Anfang 2013 hatte der Bundesrat seine Botschaft zur Änderung des Heilmittelgesetzes (HMG) publiziert, zu einer Behandlung der Vorlage kam es jedoch erst in der Sondersession des Nationalrats im Mai 2014. Das Heilmittelgesetz dient dem Schutz der Gesundheit von Mensch und Tier und soll gewährleisten, dass nur sichere, qualitativ hochstehende sowie wirksame Heilmittel auf den Markt gebracht werden können. Es bestehe jedoch noch Handlungsbedarf beim Zugang der Bevölkerung zu Arzneimitteln, bei der Überwachung des Marktes durch die Behörden, bei der Regelung der geldwerten Vorteile und beim Vollzug; deswegen wurde diese 2. Etappe der Heilmittelgesetzrevision lanciert.
Inhaltlich betreffen die Änderungen unter anderem die vereinfachte Zulassung von synthetischen Arzneimitteln, sowie auch von Komplementär- und Phytoarzneimitteln. Ebenfalls sollen die Bestimmungen über die Abgabe von Arzneimitteln angepasst und die Marktüberwachung verstärkt werden. Auch bei der Arzneimitteltherapie in der Kinderheilkunde sollen Verbesserungen herbeigeführt werden. Zudem sollen Anpassungen bei den Datenschutzbestimmungen und den Regelungen in den Bereichen Straf- und Verwaltungsstrafrecht vorgenommen werden. Mit der präsentierten Vorlage sollen die Aufträge von Parlament und Bundesrat umgesetzt werden. Gleichzeitig gelte es, die höchst unterschiedlichen Ansprüche von Industrie, Handel und Fachpersonen sowie der Patientinnen und Patienten zu berücksichtigen, ohne dabei die Interessen der Gesellschaft an einem funktionierenden Gesundheitssystem zu vernachlässigen. Die komplexe Gesetzesrevision wurde für die Beratungen im Parlament in sechs Blöcke eingeteilt, welche in der Folge chronologisch wiedergegeben werden.
Die vorberatende SGK des Nationalrates hatte 2013 und bis Anfang 2014 in mehreren Sitzungen das HMG besprochen und gelangte mit einer Reihe von Änderungsanträgen ans Ratsplenum. Eintreten war unbestritten, merkten doch auch alle Fraktionsvertreter an, die Revision des HMG sei nötig und zielführend. Gleichwohl galt es in der Detailberatung über zahlreiche Anträge zu befinden. Zunächst wurde ein Antrag Fässler (cvp, AI) deutlich gutgeheissen. Gegenüber dem Bundesratsentwurf wurde damit die Selbstdispensation, also die Medikamentenabgabe durch Ärztinnen und Ärzte (im Gegensatz zum Apothekermonopol) gefestigt. Etwas weniger deutlich fand ein Kommissionsantrag den Weg ins Gesetz. Dieser sah vor, dass Arzneimittel, die bereits am 1. Januar 2002 in einem Kanton zugelassen waren und sich zum Zeitpunkt des Inkrafttretens der HMG-Revision immer noch in Verkehr befinden, entsprechend zu kennzeichnen sind und ausschliesslich im betreffenden Kanton vertrieben werden dürfen. Eine Minderheit Carobbio (sp, TI) und mit ihr eine Mehrheit der FDP-Liberalen und der Grünen Fraktion wehrten sich vergebens gegen den Kommissionsvorschlag. Andere Minderheitsanträge, ebenfalls aus SP-Kreisen, betrafen mehrere Regelungen zum Unterlagenschutz, der vom Bundesrat grundsätzlich auf zehn Jahre festgelegt wurde. Im einen Fall wollte die Kommissionsminderheit vergeblich einen Mehrheitsantrag verhindern, der den Unterlagenschutz auch bei Arzneimitteln, die durch bedeutende präklinische oder klinische Prüfungen zugelassen wurden, auf zehn Jahre festlegen wollte. In einem weiteren Fall unterlag die Minderheit gegen den Antrag, den Unterlagenschutz zu streichen, der auf Antrag gewährt werden kann, wenn es sich um wichtige Arzneimittel für seltene Krankheiten handelt, die in Übereinstimmung mit dem pädiatrischen Prüfkonzept entwickelt wurden. Diskussionslos wurde auch eine Anpassung im Bereich der vereinfachten Zulassung von Arzneimitteln beschlossen: Zusätzlich zu den in der Regierungsvorlage geschilderten Gründe für eine vereinfachte Zulassung sollten in der Schweiz auch Arzneimittel vereinfacht auf den Markt gebracht werden können, deren Wirkstoffe in mindestens 5 Ländern der EU und EFTA seit mindestens 10 Jahren in zugelassenen Arzneimitteln (Referenzpräparate) verwendet werden. Ebenfalls unter die vereinfachte Zulassung fallen sollen Arzneimittel, die seit mindestens 30 Jahren verwendet werden, wobei für mindestens 15 Jahre davon auch eine Zulassung in Ländern der EU und EFTA nachgewiesen werden muss. Eine Regelung zur Verschreibungspflicht (Ausstellen von Rezepten) wurde auf Antrag Humbel (cvp, AG) geändert. Ruth Humbel schlug vor, den Artikel mit der Möglichkeit für Patientinnen und Patienten zu ergänzen, auf das Ausstellen eines Rezepts in Papierform zu verzichten. Dies sei vor allem dann naheliegend, wenn die Arzneimittel direkt beim behandelnden Arzt bezogen würden. Ein Gegenantrag Pezzatti (fdp, ZG) wollte die Verschreibungspflicht aufheben, blieb jedoch gegen den Antrag Humbel chancenlos. Zum Versandhandel von Medikamenten wurde ein Einzelantrag Gilli (gp, SG) angenommen, wonach bei Bestellungen von rezeptpflichtigen Arzneimitteln das Rezept nicht eingeschickt werden muss (wie ursprünglich von der Kommission vorgeschlagen). Erfahrungen zeigten, dass dies nicht praktikabel sei. Weiter soll die Bewilligungen erteilende Behörde nach wie vor der Kanton sein und nicht, wie vom Bundesrat vorgeschlagen, das Heilmittelinstitut. Dieser Minderheitsantrag de Courten (svp, BL) kam mit 92 zu 91 Stimmen bei 4 Enthaltungen hauchdünn durch. Letztlich wird damit der Status quo beibehalten. Die übrigen Kommissionsanträge, vorwiegend unumstrittene Präzisierungen gegenüber der Regierungsvorlage, wurden angenommen.
In einem zweiten Block wurden Anpassungen besprochen, welche auch das Krankenversicherungsgesetz tangieren. Regierung und Kommission schlugen vor, Medikamentenrabatte zu verbieten. Auf Antrag Humbel (cvp, AG) wurde dieser Passus jedoch anders formuliert: Zwischen Kassen und Pharmafirmen ausgehandelte Rabatte sollen erlaubt bleiben, wenn sie an die Patientinnen und Patienten weitergegeben oder für Forschung und Qualitätsverbesserung im Gesundheitsbereich verwendet werden.
Block drei umfasste die Behandlung diverser Punkte im Bereich der Marktüberwachung und Meldepflicht. Zwar wurden die Anträge gründlich besprochen, am Ende obsiegte jedoch die Kommissionsmehrheit mit ihren Anträgen, die die Regierungsvorlage vorwiegend ergänzten, nicht jedoch inhaltlich substanziell abänderten. Einzig ein von der SGK vorgeschlagenes Informationssystem "Antibiotika in der Veterinärmedizin" wurde auf Antrag Frehner (svp, BS) mit 90 zu 87 Stimmen knapp nicht in das Gesetz aufgenommen.
Nach intensiver Debatte über einen ganzen Tag hinweg überwies der Nationalrat die veränderte Vorlage dem Ständerat mit 139 zu 43 Stimmen zur Konsultation. Geschlossen gegen die Vorlage stand die SP-Fraktion, von der alle 43 Gegenstimmen stammten. Namens ihrer Fraktion konstatierte Silvia Schenker (sp, BS), dass das Patientenwohl – erklärtes Ziel der Vorlage – nicht mehr im Zentrum stehe, sondern die Frage, wessen Taschen besser gefüllt werden könnten. Sie SP wolle nicht Hand bieten zu einer „Gesetzesrevision, die wenigen, aber mächtigen Interessengruppen dient, statt allen Patientinnen und Patienten mehr Sicherheit zu geben.“ Insbesondere die Ablehnung des Antibiotika-Informationssystems stiess den Sozialdemokraten sauer auf, weil dies ein Instrument zur Kontrolle von Antibiotikaresistenzen hätte werden können.

In der Wintersession kam das Geschäft in den Ständerat, wo es ebenfalls über zwei Tage hinweg besprochen wurde. Die SGK-SR gelangte mit einer Vielzahl an Änderungsanträgen an das Ratsplenum, sowohl bezüglich der Regierungsvorlage, als auch bezüglich der im Nationalrat beschlossenen Version. Jedoch ist festzuhalten, dass die Anträge der SGK-SR mit relativ deutlichen Mehrheiten zustande gekommen waren und nur wenige Minderheitsanträge im Raum standen. Eintreten war unbestritten und Ständerat Felix Gutzwiller (fdp, ZH) lobte die Vorarbeit des Nationalrates. Die Änderungen gingen in die richtige Richtung, so Gutzwiller. Er honorierte jedoch auch die Arbeit der SGK des Ständerates, welche die Vorlage seiner Einschätzung nach nochmals weiterentwickelt habe. Die Detailberatung begann mit der Definition verschiedener Begrifflichkeiten. Der Nationalrat hatte in Ergänzung zur Bundesratsvorlage zahlreiche zusätzliche Begriffe per Gesetz definiert. Viele davon wollte die Mehrheit der SGK-SR wieder eliminieren, einerseits weil diese Definitionen in der betreffenden Verordnung geregelt werden können, und andererseits, weil eine Definition per Gesetz verhindere, das neue Erkenntnisse aus Forschung und Praxis unmittelbar angewendet werden könnten. Eine Minderheit Bischofberger (cvp, AI) beantragte, die Anpassungen des Nationalrates beizubehalten. Dezidierte Auffassung der Minderheit war es, dass die vom Nationalrat eingeführten Begriffe zu weiterführenden Themen wie der Übernahme von einschlägigen EU-Gesetzesänderungen, Herstellungsbewilligungen für Arzneimittel, wissenschaftlichen Entwicklungen und vor allem der Selbstdispensation in der Verantwortung des Parlamentes sein müssen, und somit im Gesetzestext und nicht in der Verordnung ihren Niederschlag finden sollten. Entsprechend sollten allfällige Änderungen tatsächlich vom Parlament beschlossen werden müssen. In die gleiche Richtung argumentierte Felix Gutzwiller (fdp, ZH) der zwar anmerkte, dass eine Begriffsdefinition in einem Bundesgesetz etwas sonderbar sei, es jedoch richtig fand, neue, noch nicht definierte Begriffe erstmals zu umschreiben. Kommissionssprecherin Lilian Maury Pasquier (sp, GE) ersuchte das Ratsplenum nochmals im Sinne der bestmöglichen Legiferierung der Mehrheit zu folgen, eine Differenz zum Nationalrat einzugehen und dadurch in der Folge die Möglichkeit offen zu halten, abermals über diese Definitionen zu befinden. Ihr Appell zeigte jedoch nicht die erhoffte Wirkung: Mit 22 zu 21 Stimmen folgte der Rat der Minderheit und beliess damit die Übernahme des Definitionenkatalogs im HMG.
Bezüglich Unterlagenschutz wurde zwar nur wenig diskutiert, jedoch ergaben sich Differenzen zum Nationalratsentwurf. Der Schutz geistigen Eigentums und der Schutz, aber auch die Förderung der Forschung waren nicht umstritten. Dagegen seien die Schutzdauer und deren Ausgestaltung, insbesondere bezüglich seltener Krankheiten und Kinderkrankheiten, noch nicht zufriedenstellend geklärt, so Kommissionspräsidentin Liliane Maury Pasquier. Sogleich wurden Präzisierungen und Änderungen dahingehend vorgeschlagen, dass eine Schutzdauer auf 10 Jahre festgelegt werden könne, wenn ein bedeutender klinischer Nutzen gegenüber bestehender Therapien erwartet werden kann und die Therapie durch umfangreiche klinische Prüfungen gestützt wird. Es gehe der SGK-SR darum, einen klinischen Nutzen zu definieren, und nicht einfach nur den Aufwand, wie dies in der nationalrätlichen Version der Fall sei, führte Felix Gutzwiller (fdp, ZH) aus. Es gehe nicht darum, Konkurrenzpräparate zuzulassen oder nicht, sondern den Unterlagenschutz für echte Innovationen zu gewährleisten. Entsprechend wurde dieser Antrag im Plenum gutgeheissen. Weiter gab eine Anpassung in der Norm zur vereinfachten Zulassung von Arzneimitteln Anlass zu Diskussionen. Der Nationalrat hatte beschlossen, in der EU zugelassene Medikamente in der Schweiz unter gegebenen Umständen vereinfacht zuzulassen, was die Kommissionsmehrheit des Ständerates wieder streichen wollte. Eine Minderheit Bruderer Wyss (sp, AG) wollte diesen Passus in abgeschwächter Formulierung beibehalten. Begründet wurde dies mit der Höhe der Hürde, die nicht dem eigentlichen Ziel, der Zulassungsvereinfachung, diene. Zudem schaffe eine Differenz zum Nationalrat nochmals die Chance, sich vertieft mit dem Thema auseinanderzusetzen. Die Ständerätinnen und Ständeräte folgten diesem Antrag jedoch mit 26 zu 13 Stimmen nicht. In weiteren Punkten folgte der Ständerat seiner Kommission, die mehrheitlich die Version des Nationalrates unterstützte. Erst bei der Behandlung der Verschreibmodalitäten und der Arzneimittelabgabe gab es erneut Minderheitsanträge. Besonders die Frage um die Pflicht, den Patientinnen und Patienten Rezepte ausstellen zu müssen, war umstritten. Im Sinne der Patientensicherheit sprach sich wiederum eine Minderheit Bruderer Wyss (sp, AG) für die nationalrätliche Fassung aus. Die Kommissionsmehrheit dagegen sah in der Rezepte-Ausstellungspflicht einen unnötigen bürokratischen Aufwand und wollte den Passus streichen. Stellvertretend gab Felix Gutzwiller (fdp, ZH) zu bedenken, dass mit der Selbstdispensation ein Ausstellen von Rezepten hinfällig sei. So unterlagen die Minderheitsanträge erneut mit 26 zu 18 bzw. 27 zu 16 Stimmen. Nach einwöchigem Unterbruch griff der Ständerat die langwierige und komplizierte Revision des HMG noch in der Wintersession wieder auf, um die Beratung abzuschliessen. Eine gewichtige Differenz schuf der Ständerat an diesem zweiten Beratungstag, indem er das im Nationalrat zuerst lange besprochene, dann gestrichene "Informationssystem Antibiotika in der Veterinärmedizin" wieder in die Vorlage aufnahm. Wichtig war dies dem Ständerat auch aufgrund des Auftrags einer 2013 überwiesenen Motion Heim (sp, SO), welche eine Antibiotikastrategie auch für die Veterinärmedizin gefordert hatte. Grundsätzlich ging es aber mit diesem Schritt explizit darum, Antibiotikaresistenzen in den Griff zu bekommen. Zu weiteren Diskussionen gab die Aufgabengestaltung zur Informationstätigkeit des Heilmittelinstituts und insbesondere die Normen zur Führung eines Arzneimittelverzeichnisses Anlass. Einige Absätze wurden daraufhin vom Ständerat aus der Vorlage gestrichen. Abschliessend wurde ein Einzelantrag Fetz (sp, BS) zur Präzisierung der Strafbestimmungen im Zusammenhang mit der Inumlaufbringung von Arzneimitteln gutgeheissen und diverse Änderungen bisherigen Rechts abgesegnet, teilweise in Ergänzung des nationalrätlichen Entwurfs. In der Gesamtabstimmung wurde die Vorlage mit 40 Stimmen einstimmig dem Nationalrat zur Differenzbereinigung zurückgegeben. Die grosse Kammer wird sich im Jahr 2015 mit den vorgenommenen Änderungen auseinandersetzen müssen.

Heilmittelgesetz