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  • Schneider-Schneiter, Elisabeth (mitte/centre, BL) NR/CN

Processus

  • Objet du conseil fédéral
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Da der Ständerat den vom Nationalrat geforderten Artikel zum Erlass autonomer Sanktionen abgelehnt hatte, musste sich der Nationalrat in der Herbstsession 2022 im Rahmen der Differenzbereinigung ein zweites Mal mit der Änderung des Embargogesetzes auseinandersetzen. Zur Debatte stand weiterhin ebenjener fragliche Artikel, mit dem der Bundesrat ermächtigt werden sollte, eigenständig Personen und Entitäten, die an schwerwiegenden Verletzungen des humanitären Völkerrechts oder der Menschenrechte beteiligt sind, zu sanktionieren. Eine knappe Mehrheit der APK-NR empfahl der grossen Kammer, dem Beschluss des Ständerats zuzustimmen, während eine Minderheit Molina (sp, ZH) weiterhin an besagtem Artikel festhalten wollte. Fabian Molina warf dem Ständerat vor, die Schweizer Neutralität mit Teilnahmslosigkeit und «völliger Indifferenz» gleichzustellen und forderte den Nationalrat dazu auf, die Diskussion über eigenständige, personenbezogene Sanktionen weiterzuführen.

Die Fraktionssprecherinnen und -sprecher der FDP-Liberalen, der Mitte und der SVP drückten alle ihre Sorge darüber aus, dass ein Ja zu eigenständigen Sanktionen eine grundlegende Veränderung der Schweizer Neutralität nach sich ziehen würde, ohne dass eine Vernehmlassung oder eine ausführliche Diskussion über die Neutralitätspolitik stattgefunden hätte. Mehrmals wurde von dieser Seite auch kritisiert, dass eigenständige Sanktionen wenig wirksam seien. Bundesrat Parmelin sprach sich ebenfalls gegen eigenständige Sanktionen der Schweiz aus, die nicht nur die Sanktionspolitik des Landes neu ausrichten würden, sondern das Land auch stark exponieren und dessen Neutralität bedrohen würden. Zudem verfügten die zuständigen Stellen des Bundes nicht über die nötigen Kapazitäten, um autonome Sanktionen umzusetzen, so Parmelin.
Dem hielten die SP, die Grünen und die Grünliberalen entgegen, dass die Schweiz eine gewisse Verantwortung bei schweren Verbrechen und Menschenrechtsverletzungen wahrnehmen müsse. Personen und Organisationen, die in schwerer Weise das Völkerrecht verletzen, sollten mittels einer eigenständigen, kohärenten und proaktiven Sanktionspolitik verfolgt werden. Der eigenständige Erlass von Sanktionen würde auch nicht bedeuten, dass die Schweiz mit diesen Sanktionen alleine auf weiter Flur dastehen würde. Man könne derartige Ausweitungen beispielsweise mit der EU vorbesprechen, so das Argument der Minderheit.

Mit 103 zu 83 Stimmen folgte der Nationalrat dem Antrag der Mehrheit und stimmte dem Beschluss des Ständerats zu. Hauptgrund für den Meinungswandel war das Umschwenken der Mitte-Fraktion, die bei der ersten Beratung der Revision noch die Idee eigenständiger Sanktionen unterstützt hatte. Fraktionssprecherin Elisabeth Schneider-Schneiter (mitte, BL) betonte jedoch, dass man den Bundesrat mit dem Nein nicht aus der Pflicht nehme, eine zeitgemässe Sanktionspolitik zu prüfen und verwies auf eine hängige Motion der APK-NR (Mo. 22.3395). Mit dem Einschwenken des Nationalrats auf die Linie des Ständerats sollte das Embargogesetz also bloss geringfügig angepasst werden. Die Schweiz kann weiterhin nur Sanktionen der UNO, der EU und der OSZE übernehmen. Ausgebaut werden sollte nur die Kompetenz des Bundesrats, bereits übernommene Zwangsmassnahmen teilweise oder vollständig auf weitere Staaten und Personen ausweiten zu können, sofern das Interesse des Landes dies erfordert.

In der Schlussabstimmung stimmte die kleine Kammer einstimmig für die Annahme der Revision. Ganz anders der Nationalrat, der den Entwurf mit 118 zu 70 Stimmen (bei 5 Enthaltungen) ablehnte. Die SVP, die im Verlauf der Herbstsession immer wieder die Übernahme der EU-Sanktionen gegen Russland kritisiert und eine Rückkehr zur integralen Neutralität gefordert hatte, wich von ihrem tags zuvor getroffenen Entscheid ab und versenkte die Revision gemeinsam mit der SP und den Grünen.

Änderung des Embargogesetzes (BRG 19.085)
Dossier: Sanctions prises par la Suisse à l'encontre d'autres états
Dossier: Réaction de la Suisse aux agressions russes en Ukraine (dès 2014)

Die APK-NR begann im Juni 2021 mit der Vorberatung der Änderung des Embargogesetzes. Der Bundesrat beantragte mit der Gesetzesänderung, das Verbot der Einfuhr von Feuerwaffen, Waffenbestandteilen und Munition sowie weiterer Güter für militärische Zwecke aus Russland und der Ukraine aufrechtzuerhalten. Darüber hinaus schlug er eine gesetzliche Grundlage vor, um in vergleichbaren Fällen nicht auf Basis der Bundesverfassung Entscheide fällen zu müssen. Die Kommission beschloss, sich mittels Anhörungen vertieft mit der Sanktionspolitik der Schweiz auseinanderzusetzen und die Beratung des Entwurfs auf einen späteren Zeitpunkt zu verschieben. In einer weiteren Sitzung im August 2021 entschied sie sich, die neusten Erwägungen der bundesrätlichen Koordinationsgruppe Sanktionspolitik abzuwarten, um den bundesrätlichen Entwurf dann gemeinsam mit der themenverwandten parlamentarischen Initiative Molina (sp, ZH; Pa.Iv. 19.501) zu behandeln. Erst im Mai 2022 stimmte die APK-NR der Revision des Embargogesetzes mit 19 zu 6 Stimmen zu. Eine Mehrheit sah darin die Möglichkeit einer kohärenten und ganzheitlichen Schweizer Sanktionspolitik, während eine Minderheit eine Verletzung des Neutralitätsgebots und eine Bedrohung für die Glaubwürdigkeit der Schweiz befürchtete.

In der Sommersession 2022 befasste sich der Nationalrat mit dem Geschäft, das für allerlei Diskussionen sorgte. APK-NR-Sprecher Gerhard Pfister (mitte, ZG) verwies auf die lange Vorberatung in der Kommission, die dem sich wandelnden Kontext geschuldet gewesen sei. Der Kriegsausbruch im Februar 2022 habe die Beratungsweise des Geschäfts verändert und neue Fragen hinsichtlich der Kompatibilität mit der Neutralität und einer eigenständigen Sicherheitspolitik aufgeworfen. In Abweichung zur Vorlage des Bundesrats und der Erweiterung, die der Ständerat geschaffen hatte, schlug die Kommission ihrem Rat daher einen weiteren Absatz vor. Durch diesen sollte der Bundesrat ermächtigt werden, eigenständig Sanktionen gegen Personen oder Entitäten erlassen zu können, die schwere Verletzungen des humanitären Völkerrechts, der Menschenrechte oder ähnliche Verbrechen angeordnet oder begangen haben. Der Bundesrat hatte ursprünglich nur vorgeschlagen, Sanktionen auch auf Staaten ausweiten zu können, die bisher nicht von den Zwangsmassnahmen betroffen gewesen sind, sofern die Interessen der Schweiz dies erforderten. Der Ständerat hatte diesen Geltungsradius in der Folge auf «Personen oder Entitäten» ausgeweitet, wovon die APK-NR mit ihrem neuen Absatz zum autonomen Sanktionserlass deutlich abwich und stattdessen das Anliegen der oben erwähnten parlamentarischen Initiative Molina (Pa.Iv. 19.501) aufnahm.
Zahlreiche Ratsmitglieder nutzten die Eintretensdebatte, um allgemeine Überlegungen zur Schweizer Neutralität anzustellen. Elisabeth Schneider-Schneiter (mitte, BL) meinte, dass die Möglichkeit zu eigenständigen Sanktionen die Handlungsfähigkeit des Landes erhöhe, und sah darin keinen Widerspruch zur Neutralität. Die Schweiz könne als vernetztes Land nicht zuschauen, denn auch ein neutraler Staat müsse Partei ergreifen, wenn die Demokratie und ihre Grundwerte bedroht würden. Diesen Standpunkt vertrat auch Sibel Arslan (basta, BS) im Namen der Grünen. Die grüne Fraktion sähe «keine Missachtung des Neutralitätsgebotes», wenn es dem Bundesrat frei stehe, Sanktionen Dritter auf Akteure seiner Wahl auszuweiten. Stattdessen erlaube die Vorlage eine kohärente und ganzheitliche Sanktionspolitik unter «Wahrung einer Neutralität, die Unrechtmässigkeit nicht duldet». Und auch FDP-Fraktionssprecherin Petra Gössi (fdp, LU) plädierte für Eintreten, da das Neutralitätskonzept des Bundes von 1993 eine Sanktionsteilnahme erlaube. Sie forderte, dass die Schweiz als neutrales Land eine Interessenabwägung machen müsse, statt eine Maximepolitik zu betreiben. Kritisch gegenüber dem Bundesrat zeigte sich Nationalrat Molina, der den ursprünglichen Entwurf der Revision als «Minireförmli» bezeichnete, die der gegenwärtigen Lage nicht gerecht werde. Tiana Angelina Moser (glp, ZH) vertrat die Meinung, dass die Revision eigentlich der Einhaltung und Sicherstellung der Neutralität diene, denn die eigenständige Anpassung eines Sanktionsregimes sei unter Umständen im Landesinteresse, insbesondere in Fällen, in denen die Neutralität ansonsten verletzt würde. Die SVP-Fraktion, allen voran Roger Köppel (svp, ZH), forderte hingegen eine Rückbesinnung auf die bewaffnete und umfassende Neutralität der Schweiz. Wirtschaftssanktionen seien mit dieser Neutralität nicht vereinbar, stattdessen schade man im Endeffekt allen Parteien, da Russland die Schweiz auch nicht mehr als Vermittlerin akzeptiere.
Eine Minderheit Nidegger (svp, GE) verlangte, überhaupt nicht auf die Änderung des Embargogesetzes einzutreten. Laut Nidegger sind Sanktionen nur dann zu rechtfertigen, wenn sie zur Einhaltung des Völkerrechts beitragen, so wie in Artikel 1 des Embargogesetzes festgehalten. Er argumentierte, dass die vorgeschlagenen Änderungen der Kommission zur Folge hätten, dass Sanktionen auf Staaten ausgeweitet werden könnten, die das Völkerrecht gar nicht verletzt hätten. Denn da die Schweiz sowieso die Sanktionen der UNO und ihrer wichtigsten Handelspartner (also der EU) übernehme, sei es aus seiner Sicht unmöglich, dass zusätzliche von der Schweiz sanktionierte Staaten überhaupt gegen das Völkerrecht verstossen würden. Dadurch würde man also unschuldige Staaten bestrafen, weshalb die Vorschläge der APK-NR gegen Artikel 1 des Embargogesetzes verstiessen. Die grosse Kammer beschloss jedoch mit 131 zu 51 Stimmen, gegen den Widerstand der SVP, auf das Geschäft einzutreten.

In der Detailberatung musste sich der Nationalrat mit mehreren Minderheitsanträgen auseinandersetzen. Zwei davon stammten von Yves Nidegger, der die Bewahrung der Neutralität als gewichtigsten Faktor beim Erlass von Sanktionen festlegen lassen wollte. Darüber hinaus beantragte er auch die Streichung des von der APK-NR vorgeschlagenen Absatzes, mit dem der Bundesrat die Kompetenz zum eigenständigen Sanktionserlass erhalten hätte, sowie in einem Einzelantrag die Streichung des vom Bundesrat eingebrachten Artikels zur Ausweitung von Sanktionen. Zwei weitere Minderheiten Portmann (fdp, ZH) richteten sich ebenfalls gegen den neu vorgeschlagenen Artikel der APK-NR. Portmann wollte den Erlasstext insofern präzisieren, dass eine Ausweitung von Sanktionen nur möglich sein sollte, wenn die Schweiz unmittelbar bedroht ist oder mutmassliche Völkerrechtsvergehen vorliegen. Des Weiteren verlangte er, dass der Bundesrat den zuständigen Parlamentskommissionen im Falle einer Sanktionsausweitung einen Analysebericht zur Kompatibilität seiner Entscheidungen mit der schweizerischen Neutralität vorlegen müsse. Nationalrat Portmann warnte davor, das Embargogesetz drastisch zu ändern, bevor nicht eine ausführliche Debatte über die Neutralitätsfrage geführt worden ist. Schliesslich sei die Neutralität für die Schweizer Bevölkerung ein parteiübergreifender Grundwert, den man nicht ohne darüber zu sprechen «in den Kübel werfen» sollte. Eine letzte Minderheit Fischer (glp, LU) forderte schliesslich die Streichung eines vom Ständerat eingefügten Artikels, wonach Schweizer Unternehmen bei der Umsetzung von Sanktionen im internationalen Vergleich nicht benachteiligt werden dürfen. Diese Minderheit Fischer deckte sich mit der Forderung von Bundesrat Parmelin, der bereits im Ständerat vergeblich gegen diesen Artikel angekämpft hatte. Der WBF-Vorsteher sprach sich zudem gegen den Vorschlag der Kommission aus, dem Bundesrat die Kompetenz eigenständiger Sanktionserlasse zu verleihen, da dies eine radikale Änderung der Schweizer Sanktionspolitik bedeuten würde. Er lehnte sämtliche Minderheiten ab und empfahl die Annahme des bundesrätlichen Originalentwurfs.
In der Folge lehnte der Nationalrat sämtliche Minderheitsanträge ab. Den Minderheitsanträgen von Yves Nidegger stimmte jeweils nur die SVP-Fraktion zu, einzig beim Antrag zur Streichung der eigenständigen Sanktionserlasse erhielt die SVP Unterstützung durch die FDP, blieb mit 107 zu 82 Stimmen aber dennoch erfolglos. Auch der Minderheitsantrag Fischer wurde abgelehnt – jedoch mit umgekehrter Rollenverteilung – entgegen dem Willen der SP, der Grünliberalen und der Grünen. Die zwei Minderheiten Portmann wurden zwar von der SVP unterstützt, dies reichte jedoch gegen die geschlossene Ablehnung der Ratslinken und der Mitte nicht aus.
In der Gesamtabstimmung nahm der Nationalrat den Vorschlag seiner aussenpolitischen Kommission mit 136 zu 53 Stimmen an und schuf damit eine Differenz zum Ständerat, der sich somit ein zweites Mal mit dem Entwurf befassen musste.

Änderung des Embargogesetzes (BRG 19.085)
Dossier: Sanctions prises par la Suisse à l'encontre d'autres états
Dossier: Réaction de la Suisse aux agressions russes en Ukraine (dès 2014)

In der Frühjahrssession 2022 wurde das Abkommen mit dem Vereinigten Königreich über die Mobilität von Dienstleistungserbringenden im Nationalrat beraten. APK-NR-Sprecherin Elisabeth Schneider-Schneiter (mitte, BL) erklärte, dass die Aussenpolitischen Kommissionen beider Räte im Dezember 2020 der vorläufigen Anwendung des Abkommens zugestimmt hätten. Dieses werde seit Anfang 2021 umgesetzt und garantiere trotz der fehlenden Personenfreizügigkeit einen möglichst weitgehenden gegenseitigen Marktzugang für Dienstleistungserbringende unter Einhaltung der flankierenden Massnahmen. Schneider-Schneiter bemängelte im Namen ihrer Kommission, dass das derzeitige Abkommen nur Personen mit Qualifikationen auf universitärem Niveau abdecke und damit die Schweizer Berufsbildung unzureichend berücksichtige. Sie merkte aber zufrieden an, dass der Bundesrat versprochen habe, diesbezüglich weitere Verhandlungen führen zu wollen. Der anwesende Bundesrat Parmelin teilte der grossen Kammer mit, dass sich das Vereinigte Königreich dazu bereit erklärt habe, die Anerkennung von Berufsbildungsabschlüssen zu prüfen. Diplome der höheren Fachschulen würden zudem bereits anerkannt. Die Konsultation der Sozialpartner und Kantone habe überdies eine einstimmige Befürwortung des Abkommens ergeben, insbesondere weil dessen Befristung eine Bestandsaufnahme vor einer allfälligen Verlängerung erlaube. Der Nationalrat nahm das Abkommen einstimmig an.
Auch in den Schlussabstimmungen ergaben sich in beiden Räten einstimmige Resultate, die zur Annahme des Entwurfs führten.

Abkommen zwischen der Schweiz und dem Vereinigten Königreich zur Mobilität von Dienstleitungserbringern
Dossier: La stratégie «Mind the Gap» après le Brexit

Etwa anderthalb Stunden diskutierte der Nationalrat in der Herbstsession 2021 über die Freigabe des zweiten Kohäsionsbeitrags an die EU. Die APK-NR empfehle, den Vorschlag des Bundesrats anzunehmen und mit dem Entscheid einem «konstruktiven Ansatz in der Europapolitik Raum zu geben», teilte Kommissionssprecher Nussbaumer (sp, BL) zu Beginn der Debatte mit. Die Kommission wolle den Bundesbeschluss zur Freigabe der Kohäsionsmilliarde jedoch dahingehend ergänzen, dass Verpflichtungen auf Grundlage des Kohäsionskredits erst eingegangen würden, nachdem der Bundesrat die Finanzierungsbotschaft zur Schweizer Teilnahme an Erasmus plus vorgelegt hat. Um diesen Prozess zu beschleunigen, hatte die APK-NR Anfang September 2021 eine entsprechende Kommissionsmotion eingereicht.
Obwohl sich alle Fraktionen mit Ausnahme der SVP für die Annahme des Bundesbeschlusses aussprachen, benötigten die Mitglieder des Nationalrats in der Folge viel Sitzfleisch, bis sie eine Entscheidung treffen konnten. So wehrte sich die SVP-Fraktion vehement gegen das Anliegen der Kommissionsmehrheit, wobei ihre Mitglieder zahlreiche Fragen an die Rednerinnern und Redner stellten und dem Rat mehrere Minderheitsanträge vorlegten. Thomas Aeschi (svp, ZG) etwa wollte von Kommissionssprecher Nussbaumer wissen, weshalb die APK-NR trotz weiterer Diskriminierungen die Freigabe unterstütze. Er beklagte die fehlende Assoziierung an Horizon Europe und an Erasmus plus sowie die Probleme im gesamten Strombereich und beim Mutual Recognition Agreement (MRA). Nussbaumer erklärte die Entscheidung der Kommission damit, dass man mit dem Entscheid ein neues Kapitel in den bilateralen Beziehungen aufschlagen könne. Zwei Minderheitsanträge von Roger Köppel (svp, ZH) verlangten, nicht auf das Geschäft einzutreten respektive keine Verpflichtungen auf Grundlage des Rahmenkredits einzugehen, bis die Schweiz an Horizon Europe assoziiert sei oder die Börsenäquivalenz wiederhergestellt worden sei. Eine Minderheit Nidegger (svp, GE) wollte die Vorlage an den Bundesrat rücküberweisen und ihn beauftragen, die Kohäsionsmilliarde für die Sanierung der AHV zu verwenden. Franz Grüter (svp, LU) schlug mit seinem Einzelantrag vor, den Beschluss dem fakultativen Referendum zu unterstellen.
Überdies legten die Sprecherinnen und Sprecher aller Fraktionen deren Position ausführlich dar. So warf etwa Sibel Arslan (basta, NR) für die Grüne Fraktion sowohl der Schweiz wie auch der EU vor, Fehler gemacht zu haben, sah den finalen Fehltritt aber auf Schweizer Seite, und zwar im Abbruch der Verhandlungen über das Rahmenabkommen. Die Freigabe der Kohäsionsmilliarde erachtete sie als einen Schritt zur Normalisierung und als Erfüllung eines längst gemachten Versprechens. Da die Motion der APK-NR zur Finanzierungsbotschaft von Erasmus plus bereits angenommen worden war, forderte sie in einem Minderheitsantrag die Streichung der entsprechenden Bedingung. Ähnlich tönte es auch von SP-Sprecher Molina (sp, ZH), der das Ende der Verhandlungen ebenfalls als «verantwortungslos» kritisierte. Auch aus Sicht der GLP sei der Verhandlungsabbruch ein «grosser Fehler» gewesen, meinte Roland Fischer (glp, LU). Die Schweiz profitiere enorm vom europäischen Binnenmarkt und zahle im Verhältnis zu Norwegen sehr wenig für den Zugang. Die FDP setze sich für die Freigabe des Kohäsionsbeitrags ein, um die Negativspirale im Verhältnis zur EU zu durchbrechen, erklärte Christa Markwalder (fdp, BE). Auch sie sprach das überaus günstige Kosten-Nutzen-Verhältnis an, dass die Schweiz im Hinblick auf die Verflechtung mit dem Binnenmarkt aufweise. Eine Verringerung der wirtschaftlichen und sozialen Ungleichheiten wirke sich über die europaweiten Bildungs-, Forschungs- und Kulturkooperationen auch positiv auf die Schweiz aus. Mitte-Nationalrätin Elisabeth Schneider-Schneiter (mitte, BL) hob die Bedeutung der Kohäsionszahlung für das Vorankommen im Horizon-Dossier hervor. Die Nichtassoziierung der Schweiz sei zwar diskriminierend und die Verknüpfung mit der Kohäsionsmilliarde «unschön», doch rechtlich gesehen stehe die EU nicht in der Pflicht, Abkommen mit der Schweiz zu aktualisieren. Auch die Mitte-Fraktion unterstütze die Freigabe des Beitrags sowie den Minderheitsantrag Arslan, gab sie bekannt. Nationalrat Grüter vertrat schliesslich die Ansicht, dass die Schweiz der EU nichts schulde, da die EU massiv von der Schweiz als Handels- und Wirtschaftspartnerin profitiere. Er bemängelte zudem, dass der Bundesbeschluss der Schweizer Bevölkerung nicht zur Abstimmung vorgelegt worden war.
Der im Rat anwesende Aussenminister Cassis drängte die grosse Kammer zur Freigabe der Zahlung, weil man nur so eine positive Verhandlungsdynamik schaffen und Fortschritt in anderen Dossiers erzielen könne. Für die plötzliche Kehrtwende trotz andauernder Diskriminierung der EU im Rahmen der aberkannten Börsenäquivalenz habe der Bundesrat zwei Gründe, erklärte Cassis: Einerseits hätten die Schutzmassnahmen für die Schweizer Börseninfrastruktur die Situation entspannt, andererseits sei die Rechtsgrundlage für den zweiten Kohäsionsbeitrag auf Ende 2024 befristet. Den Einzelantrag von Franz Grüter empfahl er zur Ablehnung, da Finanzgeschäfte gemäss Parlamentsgesetz in Form von einfachen Bundesbeschlüssen erlassen würden – so etwa auch 2019, als das Parlament die Rahmenkredite der zweiten Kohäsionszahlung genehmigt hatte.
Die grosse Kammer lehnte in der Folge sämtliche Minderheitsanträge der SVP ab, strich aber gemäss der Forderung von Sibel Arslan die Verknüpfung mit der Finanzierungsbotschaft für Erasmus plus. Spätabends wurde der Entwurf in der Gesamtabstimmung mit 131 zu 55 Stimmen (bei 1 Enthaltung) gegen den Willen der SVP-Fraktion und einiger Fraktionsmitglieder der Mitte angenommen.

Der zweite Schweizer Beitrag an ausgewählte EU-Mitgliedstaaten (Zweite Kohäsionsmilliarde)
Dossier: Contribution de la Suisse à l'UE élargie

Wie im Ständerat einige Wochen zuvor, wurde in der Herbstsession 2021 auch im Nationalrat ein Ordnungsantrag zur Anpassung der Bundesbeschlüsse über den zweiten Schweizer Beitrag an ausgewählte EU-Mitgliedstaaten eingereicht. Der Antragsteller Christian Wasserfallen (fdp, BE) verlangte, die Behandlung des Geschäfts vorzuziehen und dieses – wie der Ständerat – bereits in der Herbstsession zu behandeln. Er argumentierte, dass die APK-NR das Geschäft bereits vorberaten und eindringlich studiert habe, weshalb es reif für die Beratung während der Herbstsession sei. Das Parlament müsse endlich aktiv werden, um Chancen für den Schweizer Bildungs- und Wirtschaftsstandort zu öffnen. Kommissionsmitglied Schneider-Schneiter (mitte, BL) war hingegen der Ansicht, die bevorstehende Annahme des Beschlusses durch den Ständerat sei bereits «ein deutliches Zeichen in Richtung Brüssel». Für sie würde die vorgezogene Behandlung keinen Mehrwert schaffen, «sondern lediglich Frustration und kontraproduktive Effekte» nach sich ziehen. Sie kritisierte zudem den Bundesrat für die lange Wartezeit zwischen dem Abbruch der Verhandlungen über das InstA und der Publikation der Botschaft zur Freigabe der Kohäsionsmilliarde. Nationalratspräsident Aebi (svp, BE) kündigte vor der Abstimmung an, im Falle einer Annahme würde der Nationalrat die Vorlage am Abend des vorletzten Sessionstags nach dem Ständerat beraten. Eine knappe Mehrheit des Nationalrats nahm den Ordnungsantrag mit 93 zu 88 Stimmen (bei 4 Enthaltungen) an. Gegen den Antrag stimmte die SVP-Fraktion sowie Mitglieder der Mitte- und der FDP.Liberalen-Fraktionen.

Der zweite Schweizer Beitrag an ausgewählte EU-Mitgliedstaaten (Zweite Kohäsionsmilliarde)
Dossier: Contribution de la Suisse à l'UE élargie

In der Frühjahrssession 2021 beriet der Nationalrat über den Bericht zur Aussenwirtschaftspolitik 2020 und den Bericht über zolltarifliche Massnahmen 2020. Die APK-NR hatte empfohlen, von den beiden Berichte Kenntnis zu nehmen und die drei Bundesbeschlüsse anzunehmen, mit denen die Genehmigung der Änderung der Liste LIX-Schweiz-Liechtenstein, die Änderungsbeschlüsse der Pan-Europa-Mittelmeer-Präferenzursprungsregeln und die Genehmigung zolltarifarischer Massnahmen geplant waren. Kommissionssprecher Roland Fischer (glp, LU) hob vor allem die im Bericht beschriebenen verhältnismässig geringen negativen Effekte der Covid-Pandemie auf die Schweizer Wirtschaft hervor. Dies sei vor allem den umfangreichen Unterstützungsprogrammen von Bund und Kantonen zuzuschreiben. Er betonte aber auch, wie wichtig der diskriminierungsfreie, entwicklungsfähige Zugang zu ausländischen Märkten für die Schweiz sei. Die Kommission monierte freilich, dass dem Rahmenabkommen mit der EU im Bericht angesichts der grossen Bedeutung einer Unterzeichnung beziehungsweise Nichtunterzeichnung zu wenig Aufmerksamkeit gewidmet worden sei. Dennoch beantragte die Kommission einstimmig, von den beiden Berichten Kenntnis zu nehmen.
Fabian Molina (sp, ZH) bemängelte im Namen der SP, dass die Schweiz Themen wie Nachhaltigkeit im Handel aber auch Umweltstandards und den Schutz von Menschenrechten vernachlässige. Nationalrätin Elisabeth Schneider-Schneiter (mitte, BL) drängte vor allem auf die Erhaltung der bilateralen Beziehungen mit der EU und vermisste eine umfassende Strategie gegenüber China in Bezug auf den Balanceakt zwischen Wirtschaftsbeziehungen und Menschenrechten. Auch die Fraktionen der FDP und der GLP schlossen sich dem Ruf nach einer stabilen bilateralen Vertragsbasis mit der EU an. Trotz dieser Kritik nahm der Nationalrat Kenntnis von den beiden Berichten und nahm die drei Bundesbeschlüsse einstimmig an.

Bericht zur Aussenwirtschaftspolitik 2020 (BRG 21.008)
Dossier: Rapports sur la politique économique extérieure

Anfang Februar 2021 legte der Bundesrat den Räten seine Botschaft zum UNO-Migrationspakt vor und beantragte zugleich die Abschreibung dreier inhaltlich identischer Motionen (Mo. 18.4093; Mo. 18.4103; Mo. 18.4106), welche den Bundesrat damit beauftragt hatten, dem Parlament den Antrag auf Zustimmung zum Migrationspakt in Form eines Bundesbeschlusses zu unterbreiten. Der Bundesrat hatte beschlossen, dies in Form eines einfachen Bundesbeschlusses zu tun, da es sich beim Migrationspakt nicht um einen völkerrechtlichen Vertrag handelt und dieser somit nicht dem fakultativen Referendum untersteht. Der Migrationspakt, ein Soft-Law-Instrument, war im Dezember 2018 von der UNO-Generalversammlung verabschiedet worden und will durch gemeinsam getragene Prinzipien und Zielsetzungen die weltweite Migration künftig sicherer machen und geordneter steuern. Laut Botschaft entsprechen die Grundsätze des Pakts – Partnerschaft und internationale Zusammenarbeit bei gleichzeitig souveräner nationalstaatlicher Migrationssteuerung – der Ausrichtung der Schweizer Migrationspolitik und stünden auch in Einklang mit der Aussenpolitischen Strategie 2020-2023 sowie der Strategie Nachhaltige Entwicklung 2016-2019. Der Bundesrat legte in der Botschaft dar, dass die 23 Ziele des Migrationspakts grundsätzlich mit der Schweizer Rechtsordnung und Praxis kompatibel seien und nur punktuell Abweichungen bestünden. Da diese aber ausschliesslich freiwillige Umsetzungsinstrumente beträfen, entständen mit der Zustimmung zum Migrationspakt weder ein innenpolitischer Handlungszwang noch finanzielle Verpflichtungen. Aus Sicht des Bundesrats entsprächen Ziele wie die Bekämpfung von Menschenhandel, Rückkehr und Reintegration oder auch sichere Grenzen den Interessen der Schweiz und seien zudem für die Erreichung der UNO-Nachhaltigkeitsziele von Bedeutung. Die Schweiz sei angesichts der volatilen Migrationslage auf internationale Zusammenarbeit angewiesen. Die Botschaft legte dar, dass sich viele migrationspolitische Herausforderungen der Schweiz auf inadäquate Systeme und fehlende Kapazitäten auf Seiten der Herkunftsländer zurückführen liessen. Daher sei auch die Stärkung der Migrationspolitik anderer Länder für die Schweiz von grossem Interesse. Ein Verzicht auf Zustimmung hätte für die Schweiz langfristig negative Folgen, befürchtete der Bundesrat. Insbesondere die bilateralen Beziehungen mit Ländern wie Nigeria, Tunesien oder Marokko, welche den Migrationspakt als Referenzpunkt für ihre eigene Migrationspolitik verwenden werden, könnten sich dadurch verschlechtern. Auch auf multilateraler Ebene würde ein Verzicht die Schweiz benachteiligen, da sie ihre Interessen in multilateralen Gremien schlechter vertreten könnte und die Rolle des internationalen Genfs geschwächt würde. Der Bundesrat gab zu bedenken, dass die Schweiz in diesem Fall auch keine Möglichkeit hätte, einzelne Themen weiterzuentwickeln, die im UNO-Migrationspakt nur ungenügend ausgeführt wurden.
Bereits vor Beginn der parlamentarischen Beratungen kündigte sich allen voran bei den bürgerlichen Parteien Widerstand gegen das internationale Übereinkommen an. In der NZZ äusserte sich Nationalrat Kurt Fluri (fdp, SO) besorgt über die politische Verbindlichkeit des Pakts und befürchtete, dass dieser die Migration insgesamt fördere. Auch die SVP kritisierte das Abkommen und bezeichnete dieses als «realitätsfremde internationale Vereinbarung», die schädlich sei für die Schweiz. Die Partei zweifelte auch an der Unverbindlichkeit des Soft-Law-Instruments. Die Erfahrung zeige, dass aus derartigen Vereinbarungen Rechtsansprüche abgeleitet würden, gab die SVP zu bedenken. Laut Elisabeth Schneider-Schneiter (mitte, BL) zeige die Diskussion über den Migrationspakt vor allem, dass Handlungsbedarf in Bezug auf den Umgang mit Soft Law bestehe. Gemäss geltendem Recht besässen die Räte nämlich gar keine Kompetenz, um über den Beitritt zum Migrationspakt zu entscheiden, so die Mitte-Nationalrätin. Nationalrat Sommaruga (sp, GE) – ein Befürworter des Migrationspakts – zeigte sich damit unzufrieden, dass der Bundesrat die Unterzeichnung des Vertrags von der Zustimmung des Parlaments abhängig macht. Er warf Bundesrat Cassis daher vor, dass dieser es verpasst habe, dem Bundesrat die Unterzeichnung aufzuzwingen. Die Schweiz riskiere bei einer Ablehnung durch das Parlament den Unmut der anderen Staaten.

Botschaft zum UNO-Migrationspakt
Dossier: Pacte de l'ONU sur les migrations