Angesichts der Vorarbeiten des Nationalrats konnte das Asylgesetz im Ständerat relativ zügig beraten werden. Gut hiess die kleine Kammer insbesondere den neuen Status der Schutzbedürftigen. Den Zusatz des Nationalrates, dass auch Personen Schutz gewährt werden soll, welche allgemeiner Gewalt sowie systematischer und schwerer Verletzung der Menschenrechte ausgesetzt sind, strich sie mit 32 zu 3 Stimmen allerdings wieder aus der Vorlage. Den Beschluss der grossen Kammer, wonach sich Schutzgewährung und Asylantrag ausschliessen, weichte sie hingegen insofern auf, als dass auch bei der gruppenweisen Aufnahme von Schutzbedürftigen die Einreisenden individuell befragt werden. Zudem sollen Schutzbedürftige mit sistiertem Asylverfahren nach fünf Jahren (und nicht erst nach Auslaufen der Schutzgewährung) Anspruch auf ein Asylverfahren haben.
Gegenüber dem Anliegen der Frauenorganisationen, der Asylhilfe und dem rot-grünen Lager, frauenspezifische Fluchtgründe in das Gesetz aufzunehmen, zeigte sich der Ständerat ebenfalls aufgeschlossener. Bei der Definition der ernsthaften Nachteile, welche den Flüchtlingsstatus begründen können, fügte er den Nachsatz ein, dass den frauenspezifischen Fluchtgründen Rechnung zu tragen sei. Kommissionssprecher Frick (cvp, SZ) betonte, damit mache der Ständerat keinen Kniefall vor dem Zeitgeist. Schreckliche Erfahrungen im jugoslawischen Bürgerkrieg, wo Frauen gezielt vergewaltigt und geschwängert worden seien, machten diesen Akzent nötig. Die kleine Kammer lehnte hingegen einen bereits im Nationalrat unterlegenen Antrag ab, wonach die Befragungen von Asylbewerberinnen allein von Frauen durchzuführen seien. Sowohl die Antragstellerin Brunner (sp, GE) wie auch ihre CVP-Kollegin Simmen (SO) argumentierten vergeblich, in Gegenwart von Männern würden gerade durch sexuelle Übergriffe traumatisierte Frauen oft stumm, weshalb dies praktisch einer Verweigerung der Anhörung gleichkomme. Bundespräsident Koller entgegnete, schon heute würden Frauen ausschliesslich von Frauen befragt, wenn es unter anderem um sexuelle Übergriffe gehe. Liege die Flucht aber in der Religion oder in der politischen Anschauung begründet, gebe es mit einer obligatorischen Frau-zu-Frau-Befragung nur einen zusätzlichen administrativen Aufwand.
In einem wesentlichen Punkt des Verfahrens nahm der Ständerat allerdings eine einschneidende Verschärfung vor. Um Missbräuche zu bekämpfen, schuf er, ähnlich der alten Forderung der SVP, einen neuen Nichteintretensgrund: Verweigerung des Asylverfahrens soll dann möglich sein, wenn sich die Betreffenden bereits mehrere Tage illegal in der Schweiz aufgehalten haben, und es für sie zumutbar gewesen wäre, das Gesuch früher zu stellen. Die Wegweisung soll allerdings ausgeschlossen sein, wenn sie gegen das völkerrechtliche Verbot des Non-refoulement verstossen würde. Abgelehnt wurde demgegenüber ein noch restriktiverer Antrag Brändli (svp, GR), der allen Asylsuchenden, die keine Papiere über ihre Identität vorweisen können, die Einreise verweigern wollte. Das Verschwindenlassen von Papieren sei zwar in der Tat ein Ärgernis, entgegnete Koller. Er erinnerte aber an den Bundesgerichtsentscheid von 1995, wonach jeder Asylsuchende Anspruch auf Durchführung eines Asylverfahrens hat, auch dann, wenn er sich ohne Papiere bei den Behörden meldet. Bereits heute werde nicht auf das Gesuch eingegangen, wenn man dem Asylbewerber nachweisen könne, dass er seine Papiere absichtlich habe verschwinden lassen. Die von Brändli geforderte Beweislastumkehr sei aber unzulässig.
In der Frage der pauschalen Übertragung der Fürsorge an die Kantone folgte der Ständerat dem Nationalrat. Bei den Arbeitsbedingungen übernahm er die 10%ige Abgabe an einen Sicherheitsfonds und die Möglichkeit für Schutzbedürftige, bereits nach drei Monaten eine Arbeit aufnehmen zu können, allerdings fügte er den Zusatz der Arbeitsmarkt- und Wirtschaftsverträglichkeit ein. Das revidierte Asylgesetz passierte schliesslich mit 38 zu 1 Stimmen viel deutlicher als im Nationalrat.
Totalrevision des Asylgesetzes
Dossier: Révision totale sur le loi d'asil 94-98