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  • de Quattro, Jacqueline (fdp/plr, VD) NR/CN
  • Cottier, Damien (fdp, NE) NR/CN

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Jahresrückblick 2021: Aussenpolitik

Nach dem Jahr 2020, das auch im Bereich der Aussenpolitik mehrheitlich von der Covid-19-Pandemie dominiert worden war, kehrten 2021 wieder andere Themen ins Scheinwerferlicht zurück. Allen voran gewannen die Beziehungen zur EU aufgrund unvorhergesehener Ereignisse an Salienz. Die Zeitungsanalyse 2021 von Année Politique Suisse unterstreicht diese Entwicklung eindrücklich: Zeitungsartikel zu den Beziehungen zwischen der Schweiz und Europa machten im vergangenen Kalenderjahr rund die Hälfte aller Artikel im Themenbereich Aussenpolitik aus (vgl. Abbildung 2 der APS-Zeitungsanalyse 2021 im Anhang).

Hauptgrund für die Prominenz der bilateralen Beziehungen in den Medien dürfte das Ende der Verhandlungen über das Rahmenabkommen mit der EU im Mai 2021 gewesen sein. Zwar widerspiegelte der mediale Tonfall nach dem Treffen zwischen Bundespräsident Parmelin und EU-Kommissionspräsidentin von der Leyen Ende April die Hoffnung, dass sich die Verhandlungen in eine weitere Runde würden retten können, doch die Reaktionen aus Politik und Wirtschaft zeigten die verhärteten Fronten in der Diskussion in der Schweiz auf. Auch das Parlament übte Ende April/Anfang Mai zunehmend Druck auf den Bundesrat aus, endlich neue Ansätze in die seit längerem blockierten Verhandlungen zu bringen. Ein Abbruch der Verhandlungen schien für den Bundesrat schliesslich angesichts der bestehenden Differenzen unvermeidlich, wobei die einseitige Entscheidung von der EU überhaupt nicht begrüsst wurde. Verschiedene politische und zivilgesellschaftliche Akteure wie die SP und die Operation Libero drängten nach dem Verhandlungsabbruch auf neue Lösungsansätze, der polarisierendste zielte gar auf einen EU-Beitritt ab. Eine in der Folge rasch ergriffene Massnahme betraf die seit 2019 blockierte zweite Kohäsionsmilliarde, die auf Initiative des Bundesrats in der Herbstsession von beiden Räten freigegeben wurde. Nachdem dieser zweite Schweizer Beitrag aufgrund der Nichtverlängerung der Börsenäquivalenz 2019 blockiert worden war, erhoffte sich der Bundesrat von der Freigabe nun die Assoziierung an Horizon Europe.

Die Verschlechterung der Beziehungen zur EU hatte sich zu Beginn des Jahres noch nicht unbedingt abgezeichnet. Im März hatte der Bundesrat die Botschaft zur Prümer Zusammenarbeit und dem Eurodac-Protokoll veröffentlicht und damit die Grundlage für eine vertiefte Kooperation mit der EU in Sachen Kriminalitätsbekämpfung gelegt. Diese waren in den beiden Räten unbestritten und wurden einstimmig angenommen. Auch ein weiteres Geschäft im Rahmen der Schengen-Weiterentwicklung, die Interoperabilität zwischen den EU-Informationssystemen, fand im Ständerat eine grosse Mehrheit. Etwas umstrittener gestalteten sich die Ratsdebatten über die Schweizer Beteiligung an der Weiterentwicklung von Frontex und über eine dafür nötige Revision des AIG. Da die Räte und die vorberatenden Kommissionen der EU-Migrationspolitik kritisch gegenüberstanden, brachten sie Ausgleichsmassnahmen in die Vorlage ein, um der humanitären Tradition der Schweiz gerecht zu werden. In der Folge wurde vor allem über deren Ausgestaltung diskutiert und weniger über den Frontex-Beitrag, der personelle und finanzielle Mittel umfasste und aufgrund der drohenden Beendigung der Schengen-Assoziierung bei einer Nichtübernahme unbestritten schien.

Deutlich positiver als die EU-Politik liest sich die Bilanz der Schweiz im Hinblick auf die Kooperation mit einzelnen europäischen Staaten. Die bilateralen Beziehungen zum Vereinigten Königreich im Nachgang des Brexit nahmen 2021 weiter Form an. Im Januar nahm der Ständerat als Zweitrat eine Motion Cottier (fdp, NR) an, die eine vertiefte Handelsbeziehung im Rahmen der «Mind the Gap-Strategie» des Bundesrats verlangte. Zudem veröffentlichte der Bundesrat im Juni die Botschaft zum Abkommen mit dem Vereinigten Königreich über die Mobilität von Dienstleistungserbringenden, durch das die Schweiz einen vereinfachten Zugang zum britischen Arbeitsmarkt erhalten soll. Dieses nahm die kleine Kammer in der Wintersession einstimmig an. Auch die Nutzung des französischen Satellitensystems «Composante Spatiale Optique» wurde von beiden Räten ohne grösseren Widerstand angenommen.

Auch in der Aussenwirtschaftspolitik ereignete sich im vergangenen Jahr einiges, angefangen mit der Abstimmung über das Freihandelsabkommen mit Indonesien, welches die Schweizer Bevölkerung im März mit 51.6 Prozent Ja-Stimmen knapper als erwartet annahm. Deshalb werteten auch die unterlegenen Gegner und Gegnerinnen des Abkommens dieses Resultat als Erfolg, insbesondere im Hinblick auf das Freihandelsabkommen mit dem Mercosur, welches gemäss geltender Gesetzgebung automatisch dem fakultativen Referendum unterstellt werden soll. Erwähnenswert war im Kontext des Aussenhandels auch die Anpassung des Embargogesetzes, durch die das Einfuhrverbot von Feuerwaffen, Waffenbestandteilen, Munition und weiteren Gütern aus Russland und der Ukraine fortgeführt werden konnte und die es dem Bundesrat erlaubt, in vergleichbaren Situationen nicht mehr die Bundesverfassung für ein Embargo bemühen zu müssen.

Deutlich weniger Veränderungen als in anderen Jahren gab es bei den Beziehungen zu internationalen Organisationen. Hervorzuheben ist hier die Sistierung des UNO-Migrationspakts durch den Ständerat, welcher die Ergebnisse der Subkommissionen der aussenpolitischen Kommissionen zum Thema «Soft Law» abwarten wollte. Ebenfalls von Bedeutung waren die Bewilligung der von der WAK-SR geforderten ständigen parlamentarischen Delegation bei der OECD durch die beiden Räte in der Herbstsession und die Ratifikation der ILO-Übereinkommen 170 und 174.

Einen Bedeutungsaufschwung erlebten die bilateralen Beziehungen der Schweiz mit China, was sich in einer Vielzahl an parlamentarischen Vorstössen äusserte. Auslöser für die rege Tätigkeit des Parlaments war die mit Spannung erwartete Publikation der Schweizer China-Strategie im März. Diese wurde unter anderem für ihren unklaren Umgang mit den chinesischen Menschenrechtsverletzungen kritisiert, weshalb die aussenpolitischen Kommissionen der Räte selbst aktiv wurden. Bereits vor Veröffentlichung der China-Strategie hatte die APK-NR in der Frühjahrssession einen Bericht zur Umsetzung des bilateralen Menschenrechtsdialogs eingefordert – mit diesem sollte die China-Strategie beurteilt werden. Auch die Situation der tibetischen Exilgemeinschaft in der Schweiz, die laut APK-NR unter der zunehmenden Einflussnahme Chinas leidet, wurde in der Frühjahrssession thematisiert. Kurz darauf engagierte sich die APK-NR auch in diesem Themenfeld: Mittels Motion forderte sie einen stärkeren Fokus der Schweiz auf die Förderung der Menschenrechte in China, der auch in der Schweizer China-Strategie zum Ausdruck kommen sollte. Die Motion wurde vom Nationalrat zwar befürwortet, aber vom Ständerat abgelehnt. Die APK-NR war es auch, die den Bundesrat im Sommer mit einem Postulat ins Schwitzen brachte, das die Prüfung von vertieften Beziehungen mit Taiwan – unter anderem auf politischer Ebene – forderte, was ganz und gar nicht zur Ein-China-Politik der Schweiz passte und vom Bundesrat daher abgelehnt wurde. Anders sah dies der Nationalrat, der das Postulat überwies. Etwas allgemeiner ging die APK-SR vor, die in einer von ihrem Rats bereits unterstützten Motion eine Institutionalisierung des zwischenstaatlichen Austauschs und der Koordination von Schweizer Akteuren mit China verlangte, um die politische Kohärenz der China-Politik sicherzustellen.

Zu kleineren Ausschlägen in der APS-Zeitungsanalyse 2021 führten zudem die Guten Dienste der Schweiz (vgl. Abbildung 1). Im Juni fand in Genf das viel beachtete Treffen zwischen US-Präsident Biden und dem russischen Präsidenten Putin statt, das von den Bundesräten Cassis und Parmelin genutzt wurde, um die Bedeutung des internationalen Genfs als Standort für interdisziplinäre Kooperation hervorzuheben. Im August verstärkte sich die Berichterstattung in diesem Themenbereich aufgrund der durch die Machtübernahme der Taliban ausgelösten Krise in Afghanistan. In deren Wirren evakuierte die Schweiz ihr DEZA-Kooperationsbüro in Kabul und vergab den lokalen Mitarbeitenden der Schweizer Aussenstellen insgesamt 230 humanitäre Visa. Im Bereich der Menschenrechte hatte der Bundesrat noch vor diesen beiden Grossereignissen die Leitlinien Menschenrechte 2021-2024 publiziert.

Die vorübergehenden Lockerungen der globalen Corona-Massnahmen machte sich im EDA vor allem anhand der Auslandreisen von Aussenminister Cassis bemerkbar. Nach einem mageren 2020 schien der EDA-Vorsteher 2021 einiges nachzuholen und reiste in mehrere Länder, die im Fokus der Schweizer MENA-Strategie standen, darunter Algerien, Mali, Senegal, Gambia, Irak, Oman, Libanon, Libyen und Saudi-Arabien. Von besonderer Bedeutung war der Staatsbesuch in der Ukraine, den Cassis zum Anlass nahm, um den Vorbereitungsprozess für die Ukraine-Reformkonferenz 2022 einzuläuten.

Jahresrückblick 2021: Aussenpolitik
Dossier: Rétrospective annuelle 2021

Eine im Sommer 2021 von der Grünen Fraktion eingereichte parlamentarische Initiative forderte die Präzisierung der Definition der «terroristischen Aktivität» im Bundesgesetz über polizeiliche Massnahmen zur Bekämpfung von Terrorismus (PMT). Gemäss der Definition im neuen Antiterrorgesetz reiche bereits die «Verbreitung von Furcht und Schrecken» aus, um von «terroristischer Aktivität» zu sprechen. Dadurch bestehe ein gewisser Interpretationsspielraum bezüglich der Rolle von Gewalt in diesem Gefüge sowie des Anwendungsbereichs des Begriffs, argumentierte die initiierende Fraktion. Im Abstimmungskampf zum PMT sei zwar immer wieder beteuert worden, dass das neue Gesetz keine Ausweitung des Begriffes der terroristischen Gewalt – beispielsweise auf politische Aktivisten und Aktivistinnen oder Medienschaffende – zum Ziel habe und dass die «Verknüpfung mit Gewalt auf der Hand liege»; da die Bevölkerung den Abstimmungsentscheid jedoch auf der Grundlage dieser Begriffsinterpretation gefällt habe, müsse die Definition im Gesetz nun um die Aspekte der Gefahr gegen Leib und Leben sowie der Freiheit präzisiert werden, so die Forderung der Grünen. Die SPK-NR lehnte die Initiative mit der Begründung ab, dass das Gesetz im ersten Halbjahr 2022 in Kraft treten werde und erst einmal erste Praxiserfahrungen gesammelt werden sollten, bevor Änderungen daran vorgenommen würden. Zudem würde die vorgeschlagene Änderung dem Zweck der Gesetzesänderung zuwiderlaufen, da diese auch auf die Verfolgung von gewaltfreien terroristischen Aktivitäten ausgerichtet sei, so Kommissionssprecherin Jacqueline de Quattro (fdp, VD) im Ratsplenum. Es sei jedoch niemals darum gegangen, das Gesetz auf politische Aktivistinnen und Aktivisten auszurichten, schrieb die Kommission zudem in ihrem Bericht. In der Wintersession 2021 folgte der Nationalrat der Kommissionsmehrheit und gab der parlamentarischen Initiative mit 104 zu 83 Stimmen keine Folge.

Präzisierung der Definition der «terroristischen Aktivität» im Bundesgesetz über polizeiliche Massnahmen zur Bekämpfung von Terrorismus (Pa.Iv. 21.455)

Im September 2020 reichte die Fraktion der Grünen eine parlamentarische Initiative ein, mit welcher ein durch ein Losverfahren bestimmter Klimarat geschaffen werden soll. Dieser Klimarat würde aus 200 rein zufällig ausgelosten Personen bestehen, womit die Geschlechter, Altersgruppen, Sprachregionen und weitere Kriterien adäquat abgebildet werden sollten. Um in der aktuellen globalen Klimakrise für mehr Klimaschutz und -gerechtigkeit zu sorgen, soll der Rat politische Rechte ausüben können. So soll er beispielsweise Motionen zu Handen des Parlaments einreichen und mit einer Zweidrittelmehrheit Volksinitiativen vorschlagen können, welche analog einer zustande gekommenen Volksinitiative zur Abstimmung gelangen würden.
Die SPK-NR prüfte die Initiative im Oktober 2021 und gab ihr keine Folge. Es bestünden keine guten Gründe, ein solches Gremium zu schaffen, argumentierte die Kommissionsmehrheit. Zum einen würde dieser Rat das Parlament schwächen. Zum anderen wäre er demokratisch nur ungenügend legitimiert. Insbesondere deshalb wäre es sehr problematisch, wenn «dieser befugt sein soll, Volk und Ständen Verfassungsänderungen zu unterbreiten, wie dies auch 100'000 Bürgerinnen und Bürger tun können». Ausserdem bestünden für die Bevölkerung bereits genügend direktdemokratische Instrumente, um im politischen Prozess mitzuwirken.
Die grosse Kammer behandelte das Geschäft in der Wintersession 2021. Nachdem die beiden Mitglieder der Grünen Partei, Balthasar Glättli (gp, ZH) und Greta Gysin (gp, TI), sowie die beiden Kommissionssprechenden, Damien Cottier (fdp, NE) und Marianne Binder-Keller (mitte, AG), ihre schon aus dem Kommissionsbericht bekannten Argumente noch einmal vorgelegt hatten, schritt die grosse Kammer zur Abstimmung. Der Nationalrat folgte seiner Kommission und gab der Initiative mit 136 zu 33 Stimmen bei 19 Enthaltungen keine Folge. Das Anliegen vermochte nebst den Grünen nur vereinzelte Mitglieder der SP-Fraktion zu überzeugen.

Als Antwort auf die Klimakrise die Demokratie erweitern: Einen durchs Los bestimmten Klimarat schaffen (Pa. Iv. 20.467)

Konzernverantwortungsinitiative, Begrenzungsinitiative, Initiative für «eine vernünftige Hanfpolitik» oder gar Milchkuhinitiative: Titel von Volksbegehren dürfen zwar nicht irreführend sein – in diesem Fall müsste die Bundeskanzlei vor der Lancierung einer Initiative eingreifen –, sie seien aber häufig einseitig und «einer sachlichen und faktenbasierten demokratischen Diskussion nicht förderlich», argumentierte Damien Cottier (fdp, NE) in der Wintersession 2021, um für seine parlamentarische Initiative zu werben, mit der er neutrale Titel für Volksinitiativen forderte. Cottier erhielt Unterstützung von Kurt Fluri (fdp, SO), der sich ebenfalls dagegen aussprach, dass Titel von Volksinitiativen reine «Marketingelemente» sein dürfen. Sowohl Cottier als auch Fluri zitierten ein staatsrechtliches Gutachten von Andreas Auer, das eine möglichst neutrale Titelgebung für Volksinitiativen empfahl und auf das Beispiel von Kalifornien verwies, wo alle Begehren lediglich mit einer Nummer verzeichnet werden. Die Ratsdebatte war nötig geworden, weil die SPK-NR dem Vorstoss mit 19 zu 5 Stimmen keine Folge hatte geben wollen. Für die Kommission ergriff Gerhard Pfister (mitte, ZG) das Wort: Neutralität sei in der Politik kaum zu erreichen, auch die damit beauftragte Bundeskanzlei würde sich wohl politisch exponieren, müsste sie einen neutralen Titel finden. Initiativkomitees müsse es vorbehalten sein, normativ mit der Titelsetzung bereits Kommunikation zu betreiben. Im Abstimmungskampf würden ja nicht selten auch die Gegnerinnen und Gegner eines Begehrens dieses dann anders benennen, um damit auf Schwächen der Initiative hinzuweisen – in der Debatte wurde auf den Begriff «Kündigungsinitiative» hingewiesen, der für die Begrenzungsinitiative verwendet wurde. Die Stimmbevölkerung sei genügend kompetent, um zu verstehen, was hinter dem Namen eines Volksbegehrens stehe. Es sei zudem gar zu befürchten, dass die Medien reisserische Titel verwenden würden, wenn die Initiativen lediglich mit Nummern bezeichnet würden. Die Mehrheit des Nationalrats folgte ihrer Kommission und gab der Initiative mit 157 zu 28 Stimmen keine Folge. Lediglich die geschlossen stimmende FDP.Liberalen-Fraktion sprach sich für Folgegeben aus.

Neutrale Titel für Volksinitiativen (Pa.Iv. 20.470)

Weil der Ständerat auf einer Entschlackung der Legislaturplanung beharrt hatte, musste die parlamentarische Initiative von Damian Müller (fdp, LU) auch vom Nationalrat noch einmal beraten werden. Die SPK-NR empfahl freilich nach wie vor, der Initiative keine Folge zu geben. Auch die Argumente waren noch immer die gleichen: Der Vorstoss komme einer Entmachtung des Parlaments gleich. Wenn es den Bericht zur Legislaturplanung lediglich zur Kenntnis nehmen könne, komme es seiner Mitwirkungspflicht nicht nach. In der letzten Beratung der Legislaturplanung habe die neu gewählte Bundesversammlung im Bereich der Gleichstellung oder der Klimapolitik durchaus Akzente gesetzt. Eine Kommissionsminderheit aus FDP-Mitgliedern argumentierte in der Debatte während der Wintersession 2021 vergeblich, dass das aktuelle Vorgehen nicht befriedigend sei und eine neue Lösung gesucht werden sollte. Wenn das Parlament der parlamentarischen Initiative Folge gebe, könne eine solche alternative Lösung mindestens gesucht werden: «Wenn Sie heute Folge geben, können Sie am Ende des Verfahrens immer noch Nein sagen, wenn Sie wirklich denken, dass es sich um keine gute Lösung handelt», argumentierte etwa Damien Cottier (fdp, NE). Und Kurt Fluri (fdp, SO) fragte, ob denn Motionen und parlamentarische Initiativen nicht «präzisere und schärfere Waffen» seien als die Legislaturplanung. Die Entgegnung von Kommissionssprecher Gerhard Pfister (mitte, ZG), dass man das Instrument der Legislaturplanung bei Interesse an scharfen Instrumenten eben nicht noch stumpfer machen solle, schien auch die Meinung der nationalrätlichen Mehrheit zu sein: Mit 166 zu 26 Stimmen versenkte die grosse Kammer die parlamentarische Initiative Müller definitiv. Einzig die fast geschlossen stimmende FDP.Liberalen-Fraktion unterstützt von Roger Köppel (svp, ZH) sprach sich für Folgegeben aus.

Fitnesskur für das Parlament – Entschlackung der Legislaturplanung (Pa.Iv. 20.446)
Dossier: Programme de la législature - procédure

Nach dem Abbruch der Verhandlungen über das institutionelle Rahmenabkommen mit der EU verlangte Damien Cottier (fdp, NE) mit einem Postulat im Juni 2021 vom Bundesrat einen Bericht zu Evaluation, Prioritäten, Sofortmassnahmen und nächsten Schritte in der Europapolitik. Unter anderem verlangte Cottier die Neubeurteilung der Vor- und Nachteile verschiedener europapolitischer Instrumente unter der Berücksichtigung der Veränderungen seit der Publikation des Berichts in Erfüllung des Postulats Markwalder (fdp, BE; Po. 09.3560). Als Grundlage sollten die im Europabericht 2006 aufgestellten Kriterien zur Weiterführung des bilateralen Wegs dienen. Des Weiteren soll der Bundesrat einen Prioritäten-Katalog mit konkreten Massnahmen für die zukünftige Europapolitik festlegen, mit dem die Ziele des Legislaturprogramms 2019-2023 erreicht werden könnten. Überdies sollte der Bundesrat auch künftige Schritte zur Konsolidierung und Weiterentwicklung der bilateralen Beziehungen unter Einbezug der Erwartungen aus Wirtschaft, Bildung, Forschung und Zivilgesellschaft darlegen. Cottier befürchtete, dass der bilaterale Weg ohne Aktualisierung und Entwicklung zerfallen könnte – und das, obwohl sich eine Mehrheit der Bevölkerung stabile Beziehungen zur EU wünsche.
Der Bundesrat verkündete in seiner Stellungnahme, dass er in Erfüllung der Postulate Aeschi (svp, ZG; Po. 13.3151), Naef (sp, ZH; Po. 17.4147) und der Fraktion der Grünen (Po. 14.4080) einen Bericht über die Beziehungen mit der EU erarbeite. Dieser werde neben einer Beurteilung auch Massnahmen zur Sicherstellung des Zugangs zum EU-Binnenmarkt und einer guten Zusammenarbeit enthalten. Da dieser Bericht auch die im Postulat gestellten Fragen beantworten werde, beantragte der Bundesrat die Annahme desselben.
Der Nationalrat nahm das Postulat in der Herbstsession 2021 stillschweigend an.

Evaluation, Prioritäten, Sofortmassnahmen und nächste Schritte in der Europapolitik.
Dossier: Développement des relations bilatérales avec l'UE après l'échec de l'accord-cadre

Etant donné les conséquences économiques de la crise du Covid-19 sur le tourisme helvétique, Damien Cottier (plr, NE) recommande un programme d'impulsion pour garantir la compétitivité de la Suisse sur ce marché hautement concurrentiel. Dans les détails, il préconise l'utilisation d'instruments existants, comme la Nouvelle Politique Régionale (NPR), Innotour, Suisse Tourisme ou les crédits hôteliers (SCH), et la mise en avant de la numérisation et de la durabilité.
Le Conseil fédéral a soutenu la motion. Au Conseil national, elle a été acceptée par 125 voix contre 49 et 10 abstentions, malgré l'opposition de l'UDC (5 voix dissidentes) incarnée par la voix d'Andreas Glarner (udc, AG). La motion a été acceptée, à l'inverse de la motion 21.3018 qui visait également la mise en place d'un programme d'impulsion pour le tourisme.

Le tourisme suisse a besoin d'un programme de soutien rapide, efficace et axé sur la durabilité (Mo. 21.3278)
Dossier: Covid-19 – Tourisme

Im August 2021 gründeten bürgerliche Exponentinnen und Exponenten unter der Bezeichnung «Allianz Sicherheit Schweiz» eine neue sicherheitspolitische Organisation. Die Allianz erhielt professionelle Strukturen und eine permanente Geschäftsstelle, was sie von ihrer Vorgänger-Organisation, dem «Verein für eine sichere Schweiz», unterscheidet. Die Gründerinnen und Gründer wollten die Allianz damit ausdrücklich auch als Gegengewicht zur GSoA positionieren. Der Bedarf nach einer solchen Organisation auf bürgerlicher Seite sei unter anderem dadurch deutlich geworden, dass in der Volksabstimmung vom September 2020 die vor allem von armeekritischer Seite bekämpfte Beschaffung neuer Kampfjets um ein Haar gescheitert wäre. Als eines ihrer Ziele formulierte die Allianz Sicherheit Schweiz denn auch, «eine jederzeit einsatzbereite und schlagkräftige Fach- und Kampagnenorganisation [bereitzustellen], die permanent und proaktiv die sicherheitspolitische Meinungsbildung im parlamentarischen Prozess und in der Öffentlichkeit prägt sowie Abstimmungskampagnen führt». Die Allianz wollte sich dabei nicht bloss auf Armeefragen beschränken, sondern die Verbindung von innerer und äusserer Sicherheit gesamtheitlich bearbeiten – also etwa auch Felder wie Wirtschaftsspionage, Cybersicherheit oder Versorgungssicherheit abdecken.
Gründungspräsident der Allianz wurde der Ständerat und designierte FDP-Präsident Thierry Burkart (fdp, AG), der bereits dem Vorgängerverein «für eine sichere Schweiz» vorgestanden hatte. Auch die Liste der weiteren Vorstandsmitglieder liest sich wie ein Who is Who aus bürgerlichen Parteien und wirtschaftlichen sowie sicherheitspolitischen Interessenvereinigungen. So gehören dem Vorstand aus der Politik auch die Mitte-Ständerätin Brigitte Häberli (mitte, TG), der Tessiner Lega-Staatsrat Norman Gobbi (TI, lega), die FDP-Nationalrätin Jacqueline de Quattro (fdp, VD) sowie der SVP-Nationalrat Franz Grüter svp, LU) an. Aus der Wirtschaft und armeenahen Verbänden sassen im Gründungsvorstand der Arbeitgeberverbands-Präsident Valentin Vogt, Swissmem-Direktor Stefan Brupbacher, der Swissmem-Ressortleiter der Rüstungssparten Matthias Zoller, Markus Niederhauser vom Westschweizer Rüstungsindustrie-Verband Groupe romand pour le matériel de Défense et de Sécurité (GRPM), die Präsidentin der Waadtländer Industrie- und Handelskammer (CVCI) Aude Pugin, der Präsident der Schweizerischen Offiziersgesellschaft Stefan Holenstein, Paul Röthlisberger vom Schweizer Schiesssportverband und Max Rechsteiner von der Landeskonferenz der militärischen Dachverbände (LKMD). Offen war zunächst, inwieweit sich auch der Schweizerische Gewerbeverband beteiligen würde. Geschäftsführer wurde Marcel Schuler, der vorher als Kampagnenleiter für die FDP Schweiz gearbeitet hatte.

Allianz Sicherheit Schweiz gegründet

Es handle sich um eine «sehr simple, aber doch wirksame Anpassung» des Parlamentsgesetzes, gab Kommissionssprecher Gerhard Pfister (mitte, ZG) bei der Debatte zum Differenzbereinigungsverfahren bei Motionen im Nationalrat zu Protokoll. Die Kommission habe sich – nachdem sie dieser parlamentarischen Initiative von Beat Rieder (mitte. VS) bereits vor zwei Jahren zugestimmt habe – mit dem Entwurf der ständerätlichen Kommission nicht mehr ausführlich auseinandergesetzt. Die vorliegende Lösung, mit der der Erstrat eine durch den Zweitrat veränderte Motion entweder verändert übernehmen könne, auf der ursprünglichen Version beharren könne (dies war bisher nicht möglich) oder aber die Motion gänzlich ablehnen könne, sei von einer 19 zu 4-Stimmenmehrheit der SPK-NR aber als «gut, schlank und effizient» erachtet worden. Der Nationalrat müsse an dieser Lösung auch deshalb interessiert sein, weil er im Vergleich zur kleinen Kammer wesentlich mehr Vorstösse einreiche: Pfister vermutete gar, dass sich die Chancen der zahlreicheren nationalrätlichen Vorstösse mit dem neuen Verfahren erhöhen würden, weil die Zusammenarbeit zwischen den Räten damit insgesamt verbessert werde.
Eine Kommissionsminderheit – vertreten durch Damien Cottier (fdp, NE) – beantragte allerdings Nichteintreten. Die vorgesehene Lösung würde zu einer Verlängerung des Prozesses führen und damit die Arbeitslast des Parlaments noch weiter erhöhen. Zudem sei dieses Differenzbereinigungsverfahren nicht geeignet, um eine bessere Kommunikation zwischen den beiden Kammern zu etablieren, weil es keine Möglichkeit eines Kompromisses eröffne, sondern nach wie vor nur ein «Entweder-oder» zulasse. Zudem würden insgesamt nur etwa 10 Prozent aller Motionen modifiziert, was zeige, dass eine neue Regelung nicht notwendig sei. Das Ratsplenum war anderer Meinung und trat nicht nur mit 146 zu 28 Stimmen (1 Enthaltung) auf die Vorlage ein – die Gegenstimmen stammten aus der geschlossenen FDP-Fraktion –, sondern hiess sie anschliessend ohne Diskussion in der Gesamtabstimmung mit 150 zu 27 Stimmen (2 Enthaltungen) gut.
Die Opposition der FDP zeigte sich auch in den Schlussabstimmungen noch: Der Nationalrat nahm die Revision des Parlamentsgesetzes mit 165 zu 28 Stimmen (2 Enthaltungen) an, der Ständerat sprach sich mit 44 zu 0 Stimmen (keine Enthaltung) einstimmig dafür aus.

Differenzbereinigung bei Motionen (Pa.Iv. 18.458)

Christian Dandrès (sp, GE) forderte im Dezember 2020 in seiner parlamentarischen Initiative, dass die Unterstützungsmassnahmen für Freischaffende in Theater und Film ausgebaut werden. Konkret verlangte der Sozialdemokrat, dass die Rahmenfristen für die Beitragszeit und für den Leistungsbezug für die Betroffenen von zwei auf vier Jahre verdoppelt werden sollen und die ersten 60 Tage der Beitragszeit bei befristeten Stellen doppelt gezählt wird.
Der Kultursektor sei einer der am stärksten durch die Massnahmen gegen die Corona-Pandemie betroffenen Bereichen, wie Dandrès in der Nationalratsdebatte in der Sommersession 2021 argumentierte. Trotz der Öffnungsschritte bleibe die Zukunft der Schweizer Kulturszene ungewiss, Planung sei quasi unmöglich. Dies werde nach Dandrès dazu führen, dass Kulturschaffende defacto bis zu zwei Jahre nicht arbeiten könnten, was starke Auswirkungen auf ihren Anspruch auf Arbeitslosenhilfe gehabt habe und haben werde. Dabei sei zu betonen, dass die Situation von Freischaffenden im Kultursektor bezüglich Arbeitslosenversicherung bereits vor Corona prekär gewesen sei, wie bereits im Postulat Maret (mitte, VS) anerkannt wurde.
Die WBK-NR beantragte mit 16 zu 9 Stimmen, der parlamentarischen Initiative keine Folge zu geben, da die aktuellen Unterstützungsmassnahmen bereits ausreichten und die in der Initiative vorgeschlagenen Massnahmen zu einer Ungleichbehandlung der verschiedenen von der Krise betroffenen Sektoren führen würde. Eine Minderheit Piller-Carrard (sp, FR) beantragte die Annahme der Initiative, weil dadurch die prekäre Situation der Freischaffenden in Theater und Film, welche die Pandemie ans Tageslicht gebracht habe, dauerhaft verbessert werden könne.
Die grosse Kammer folgte der WBK-NR und lehnte die parlamentarische Initiative mit 120 zu 69 Stimmen deutlich ab. Einzig die Fraktionen der SP und der Grünen stimmten geschlossen für Annahme, unterstützt wurden sie von Jacqueline de Quattro (fdp, VD) und Benjamin Roduit (mitte, VS).

Unterstützungsmassnahmen für Freischaffende in Theater und Film. Für die Rettung der Kultur und der Kulturschaffenden

Interessanterweise entbrannte in der Sommersession 2021 im Nationalrat eine vor allem in italienischer und französischer Sprache geführte Eintretensdebatte zur Revision der Parlamentsverwaltungsverordnung, die von der SPK-NR auf der Basis einer parlamentarischen Initiative von Marco Chiesa (svp, TI) ausgearbeitet worden war. Neu sollen im Internet neben den Kurz-CV der Parlamentsmitglieder allfällige zusätzliche Staatsangehörigkeiten aufgelistet werden. Von den 14 Eintretensvoten wurden sechs in italienischer und drei in französischer Sprache geführt. Dabei wurde auf der einen Seite darum gestritten, ob der Vorschlag in der Tat mehr Transparenz bringe oder aber eher Diskriminierung bedeute. Eine links-grüne Kommissionsminderheit hatte den Antrag auf Nichteintreten gestellt, weil es hier – anders als bei Interessenbindungen – keine direkte Verbindung zwischen Staatsangehörigkeit und Politik gebe. Greta Gysin (gp, TI) befürchtete gar, dass die Änderung zwei Kategorien von Bürgerinnen und Bürgern schaffe, weil man insgeheim befürchte, dass eine doppelte Staatsbürgerschaft zu einem Loyalitätskonflikt führe – so habe es etwa im Kanton Zug, aber auch schon in diesem Rat, Forderungen gegeben, Bürgerinnen und Bürger mit Doppelbürgerschaft von der Politik auszuschliessen («escludere i cittadini con la doppia cittadinanza dalla politica»). Auf der anderen Seite forderte eine weitere Kommissionsminderheit, dass die Forderung auch auf die Mitglieder des Bundesrats ausgeweitet werde. Diese starke, nur aufgrund des ablehnenden Votums des Kommissionspräsidenten zustande gekommene, von Damien Cottier (fdp, NE) angeführte Minderheit machte geltend, dass Transparenz nicht nur in der Legislative, sondern auch in der Exekutive von Interesse sei.
Eintreten wurde in der Folge mit 102 zu 62 Stimmen (1 Enthaltung) beschlossen. Lediglich die geschlossenen Fraktionen von GP und SP wollten nicht auf die Vorlage eintreten. Mit 96 zu 79 Stimmen (1 Enthaltung) wurde der Vorschlag der Minderheit Cottier angenommen. Die geschlossene Opposition der Fraktionen von GP und SP wurde erfolglos von einer Mehrheit der Mitte-Fraktion unterstützt. Eine breite Mehrheit von 175 zu 4 Stimmen hiess sodann einen schriftlichen Antrag des Büro-NR gut, nicht mehr die Postadresse, sondern nur noch die elektronische Adresse der Ratsmitglieder zu veröffentlichen. Die Kommunikation erfolge heute vorwiegend auf elektronischem Weg, wohingegen die Veröffentlichung der Postadresse ein zunehmendes Sicherheitsrisiko darstelle und die Privatsphäre der Parlamentarierinnen und Parlamentarier bedrohe. In der Gesamtabstimmung zeigte sich schliesslich noch einmal die Opposition von Links-Grün: Mit 115 zu 64 Stimmen (1 Enthaltung) wurde der Vorschlag an den Ständerat zur Beratung weitergereicht.

Staatsangehörigkeit transparent machen (Pa.Iv. 18.406)

Immer mehr Amtsträgerinnen und Amtsträger würden Ziel von «propos haineux, d'insultes, de calomnie, ou encore de menaces» (Beschimpfungen, Verleumdungen und Drohungen), berichtete Jacqueline de Quattro (fdp, VD) in der Sommersession 2022. Eine Umfrage von RTS habe gezeigt, dass fast 60 Prozent der Parlamentsmitglieder schon einmal oder mehrmals bedroht worden seien oder sich bedroht fühlten und 78 Prozent angegeben hätten, regelmässig beschimpft zu werden. Drohungen und Gewalt gegen Behörden würden zwar bestraft, insbesondere der Schutz vor «Hate Speech» sei jedoch ungenügend. Der Staat müsse – so die Forderung der Motionärin – auch unmittelbar eingreifen, wenn Amtspersonen ausserhalb ihrer Behördentätigkeiten bedroht würden, und zwar unabhängig davon, ob die bedrohte Person Strafanzeige einreiche.
Der Bundesrat beantragte die Ablehnung der Motion und warnte vor einem solchen Automatismus. Es müsse der bedrohten Person überlassen bleiben, ob sie Strafanzeige einreichen wolle, weil ein Strafverfahren auch mit Nachteilen verbunden sei. Justizministerin Karin Keller-Sutter machte in der Debatte deutlich, dass mit einem Strafverfahren auch die Privatsphäre tangiert werde und die Veröffentlichung des Verfahrens zu Nachahmungen führen könne. Gezielte Drohungen könnten bei einem Automatismus gar zur Folge habe, dass etwa Richterinnen und Richter mit Drohungen gezielt dazu gezwungen werden könnten, in den Ausstand treten zu müssen, wenn sie ein laufendes Verfahren gegen die drohende Person leiteten. Aus diesen Gründen würden Magistratspersonen sehr häufig auf eine Strafanzeige verzichten. Mit 96 zu 77 Stimmen (bei 7 Enthaltungen) verwarf der Nationalrat die Motion. Die geschlossen stimmende SP-Fraktion und eine Mehrheit der Fraktion der Grünen unterstützten das Anliegen. Alle Mitglieder der SVP-Fraktion und Mehrheiten der GLP- und der Mitte-Fraktion lehnten sie ab. Die FDP.LIberale-Fraktion war gespalten.

Schutz vor «Hate Speech» (Mo. 20.4357)

In der Sondersession im Mai 2021 nahm der Nationalrat ein Postulat der SPK-NR zur Protokollierung bei Einbürgerungsverfahren mit 122 zu 54 Stimmen bei einer Enthaltung an. Darin hatte die Kommission eine Evaluation der konkreten Umsetzung der Protokollführung bei Einbürgerungsgesprächen sowie die Erarbeitung von Lösungen zusammen mit betroffenen Kantonen gefordert. Das Postulat ging auf eine 2018 eingereichte und später abgelehnte parlamentarische Initiative Wermuth (sp, AG; Pa.Iv 18.478) zurück, welche die Einführung einer Protokollierungspflicht gefordert hatte. Das nun zur Beratung stehende Postulat habe ihr gegenüber den Vorteil, dass es nicht in kantonale Kompetenzen eingreife, sondern die Umsetzung des Bundesgesetzes durch die Kantone evaluiere und mit diesen das Gespräch suche, erklärte Wermuth als Kommissionssprecher im Ratsplenum. Wie Damien Cottier (fdp, NE) ebenfalls im Namen der Kommission anmerkte, müssten negative Entscheide bei Einbürgerungsgesuchen ausreichend begründet werden. Dies werde durch eine ungenügende oder fehlende Protokollierung, insbesondere in Fällen, bei welchen die Entscheidungsgrundlage im Gespräch liege, deutlich erschwert. In diesen Fällen könne folglich die «ordnungsgemässe Anwendung des Bundesgesetzes und die Achtung des Rechts der Einbürgerungsbewerber auf ein faires Verfahren» nicht gewährleistet werden. Der Bundesrat hatte das Postulat zur Ablehnung empfohlen. Das bestehende Akteneinsichtsrecht für die betroffenen Personen bedinge bereits, dass ein umfassendes Einbürgerungsdossier mit allen entscheidrelevanten Informationen, so auch dem Inhalt des Einbürgerungsgesprächs, geführt werden müsse. Zudem lege sie im Bereich der ordentlichen Einbürgerung grossen Wert auf die kantonale Autonomie, betonte die Regierung.

Protokollierung bei Einbürgerungsverfahren (Po. 20.4344)

Nachdem der Bundesrat im Januar 2021 den Entwurf der SPK-NR zur Änderung des Asylgesetzes (AsylG), gutgeheissen hatte, widmete sich der Nationalrat in der Sondersession 2021 als Erstrat dem Entwurf. Konkret schlug die SPK-NR vor, dem SEM das Recht zu erteilen, im Rahmen des Asyl- oder Wegweisungsverfahrens die mobilen Datenträger von Asylbewerbenden zu verwenden, deren Identität nicht anders festgestellt werden kann. Die Feststellung der Identität, der Staatsangehörigkeit und des Fluchtweges sei ein wichtiger Faktor für die Geschwindigkeit der Asylverfahren, insbesondere bei Personen, die keine Papiere mit sich tragen – was auf 70 bis 80 Prozent der Asylbewerbenden zutreffe. Die Möglichkeit zur Nutzung von Mobiltelefonen im Rahmen der Mitwirkungspflicht würde diesen Vorgang und somit das gesamte Verfahren beschleunigen, was wünschenswert sei, erklärte Marco Romano (mitte, TI) im Namen der Kommissionsmehrheit. Der zweite Kommissionssprecher, Damien Cottier (fdp, NE), erläuterte weiter, dass es das Ziel dieses Entwurfes sei, eine Brücke zu schlagen zwischen dem nötigen Zugang zu verlässlichen Informationen über die Identität der Antragstellenden und deren Privatsphäre. Letztere werde unter anderem dadurch sichergestellt, dass die Herausgabe der Datenträger nur als Ultima Ratio vorgesehen sei. Weiter solle die betroffene Person über die genauen Massnahmen und die Vorgehensweise informiert werden und in Begleitung eines Rechtsbeistandes bei der Auswertung persönlich anwesend sein. Ausserdem dürfe die Aushändigung nicht erzwungen werden und der Bundesrat solle nach drei Jahren eine Evaluation dieser Massnahmen vornehmen und einen entsprechenden Bericht veröffentlichen. Gregor Rutz (svp, ZH), auf dessen parlamentarische Initiative dieser Gesetzesentwurf zurückging, betonte im Namen der SVP-Fraktion, dass die Daten dabei helfen könnten, den Kampf gegen Schlepper-Netzwerke voranzubringen, und vielleicht sogar dabei, Kriegsverbrechen aufzudecken. Auch der Bundesrat sprach sich für die beantragte Gesetzesrevision aus, wobei er insbesondere die Regeln zur Wahrung der Verhältnismässigkeit und des Datenschutzes befürworte, wie Bundesrätin Karin Keller-Sutter ausführte.
Eine Minderheit um Balthasar Glättli (gp, ZH) wollte nicht auf die Vorlage eintreten, weil es das offensichtliche Ziel dieser Vorlage sei, dass Asylsuchende leichter abgewiesen und zurückgeführt werden können. Daten aus Deutschland zeigten, dass das Auswerten von mobilen Datenträgern fehleranfällig sei und oft nicht den gewünschten Effekt bringe. So habe nur in seltenen Fällen ein Widerspruch zu den Aussagen der betroffenen Personen aufgedeckt werden können. Für einen solch kleinen «materiellen Bonus» sei das Verfahren schlicht zu teuer und zu aufwendig, wie Glättli erklärte. Ada Marra (sp, VD) ergänzte, es sei höchst problematisch, dass mit dieser Gesetzesänderung den Asylsuchenden faktisch mehr Privatsphäre abgesprochen werde als Schwerverbrecherinnen und Schwerverbrechern; um die Daten der mobilen Datenträger in einem Strafverfahren durchsuchen zu dürfen, sei nämlich ein richterlicher Entscheid nötig, was hier nicht vorgesehen sei. Ähnlich schien es auch das UNHCR zu sehen, welcher sich in einer Stellungnahme kritisch zur vorgeschlagenen Gesetzesänderung geäussert hatte. Das Hochkommissariat hatte moniert, der starke Eingriff in die Privatsphäre der Schutzsuchenden, welche völkerrechtlich sowie durch die Bundesverfassung geschützt sei, werde zu wenig gut geregelt. Des Weiteren sei es – mit Blick auf die auch von Balthasar Glättli angesprochenen Evaluationen aus Deutschland – zu bezweifeln, dass die Massnahme wirklich das gewünschte Ziel erreiche. Gegen den Widerstand von Links-Grün trat der Nationalrat schliesslich mit 122 zu 65 Stimmen auf die Vorlage ein.
In der Detailberatung forderte Gregor Rutz, dass die mobilen Geräte bei Asylverfahren und Wegweisungsverfahren für fünf Tage zwangsweise entzogen werden dürfen, sollte eine betroffene Person diese nicht freiwillig abgeben. Rutz argumentierte, dieser Zwang könne auch präventiv wirken und die Gesuchstellenden dazu bewegen, von selbst aktiv mitzuwirken. Da dies lediglich die Klärung der Identität betreffe, gehe dieser Vorschlag zu weit, fand jedoch Kurt Fluri (fdp, SO), insbesondere da bereits die Verweigerung per se in den Asylentscheid mit einfliessen werde. Céline Widmer (sp, ZH) fügte an, dass auch der EDÖB klar vermerkt habe, dass die Durchsuchung der Daten nie unter Zwang geschehen dürfe. Und auch der Bundesrat habe in seiner Stellungnahme deutlich gemacht, dass ein Zwang die Verhältnismässigkeit verletzen würde, die nötig ist, um ein Grundrecht einzuschränken, führte Damien Cottier weiter aus. In der Folge lehnte der Nationalrat diese Forderung mit 117 zu 70 Stimmen bei einer Enthaltung ab, wobei sich neben der geschlossenen SVP-Fraktion auch die Hälfte der Mitte-Fraktion sowie einzelne Stimmen aus der FDP.Liberalen-Fraktion dafür aussprachen. Auf der anderen Seite versuchte Ada Marra ebenso erfolglos, die Regelung, dass Mobiltelefone beim Asylverfahren oder bei Rückweisungen genutzt werden dürfen, ganz zu streichen. Unterstützung erhielt sie aus der eigenen sowie der Grünen Fraktion. Ihre beiden Einzelanträge wurden somit mit 121 zu 65 Stimmen bei einer Enthaltung abgelehnt.
In einem zweiten Block wurde in insgesamt fünf Anträgen geklärt, welche Daten erhoben, wie lange sie gespeichert und wie sie verarbeitet werden dürfen. Auch hier lehnte der Nationalrat alle Minderheiten und Einzelanträge ab und stimmte somit dem Entwurf der SPK-NR unverändert zu. Gregor Rutz forderte etwa zum einen, dass die Notwendigkeit und die Verhältnismässigkeit des Verfahrens nicht in jedem Einzelfall neu geprüft werden müssen, und zum anderen, dass die betroffene Person nicht über das Verfahren aufgeklärt werden muss. Das Verfahren solle laut Rutz nicht zuletzt im Sinne der Betroffenen «fair, korrekt, aber auch effizient» sein, weshalb diese zeitintensiven Bedingungen zu streichen seien. Ausserhalb der Fraktionen der SVP und der Mitte erhielten die Anträge von Rutz allerdings keine Zustimmung. Es sei wichtig, dass die Menschen verstünden, worum es gehe und was mit ihren Daten passiere, verteidigte Kommissionssprecher Cottier die Auflagen. Céline Widmer (sp, ZH) übernahm zudem zwei Minderheitsanträge von Angelo Barrile (sp, ZH) für eine Verstärkung des Datenschutzes, die allerdings ebenfalls ausschliesslich von Mitgliedern der SP-, der Grünen- und der Grünliberalen-Fraktion unterstützt wurden und somit mit 111 zu 79 Stimmen abgelehnt wurden.
In der Gesamtabstimmung nahm der Nationalrat den Entwurf der SPK-NR mit 123 zu 65 Stimmen gegen den Willen der SP- und der Grünen-Fraktion sowie einem Mitglied der Grünliberalen an. Damit ging das Geschäft weiter an den Ständerat.

Mitwirkungspflicht im Asylverfahren. Überprüfungsmöglichkeit bei Mobiltelefonen (Pa. Iv. 17.423)

Le conseiller national neuchâtelois Damien Cottier (plr, NE) a déposé en décembre 2020 un postulat co-signé par 20 autres parlementaires. Ce postulat demande au Conseil fédéral d'élaborer un rapport sur le fonctionnement du fédéralisme durant la crise du Covid-19, notamment au niveau de la coordination entre les cantons et la Confédération. Les possibles améliorations institutionnelles et organisationnelles devront être examinées sous le prisme des avantages et inconvénients de l'organisation actuelle.
Le Conseil fédéral a proposé d'accepter ce postulat, précisant que ses demandes seront prises en compte dans le cadre de l'évaluation de la gestion de crise pendant la 2e phase de la pandémie de COVID-19.
Le Conseil national a adopté le texte sans discussion.

Le fédéralisme à l'épreuve des crises. Les leçons à tirer de la crise du Covid-19 (Po. 20.4522)
Dossier: Capacité institutionnelle du Conseil fédéral à faire face aux crises

Die uneingeschränkte und möglichst rasche Einführung der Covid-19-Schnelltests sowie deren Finanzierung durch den Bund verlangte Jacqueline de Quattro (fdp, VD) im Oktober 2020 in einer Motion. So müsse die Schweiz mehr Covid-19-Tests durchführen, was durch die Einführung der Schnelltests ermöglicht werde. Entsprechend störte sie sich an der Vorgabe des Bundesrates, Schnelltests nur bei Symptomen und für Personen, die keiner Risikogruppe angehören, zuzulassen. Mit einer uneingeschränkten Zulassung – wie sie zum Beispiel Deutschland und Frankreich kennen – könne die Pandemie eingedämmt werden, wovon sowohl die Wirtschaft als auch das Gesundheits- oder Bildungspersonal profitieren würden. Der Bundesrat erläuterte in seiner Stellungnahme die verschiedenen Ausweitungen der Testkapazitäten und der Kostenübernahme, welche er in den letzten Monaten vorgenommen hatte, und erachtete die Motion mit diesen Massnahmen als erfüllt. Der Nationalrat lehnte die Motion in der Frühjahrssession 2021 stillschweigend ab.

Einsatz von Schnelltests ohne Einschränkung

Die Teilrevision des Bundesgesetzes über das Öffentlichkeitsprinzip, die von der SPK-NR aufgrund einer parlamentarischen Initiative von Edith Graf-Litscher (sp, TG) ausgearbeitet worden war, wurde in der Frühjahrssession 2021 im Nationalrat debattiert. Der Vorschlag sah vor, dass für den Zugang zu öffentlichen Dokumenten keine Gebühren mehr erhoben werden dürfen, es sei denn der Verwaltungsaufwand sei besonders hoch. In der Vorlage wurde hierzu ein Maximalbetrag von CHF 2'000 festgelegt, wogegen zwei Minderheitenanträge eingereicht worden waren: Die Minderheit Damien Cottier (fdp, NE) wollte, dass die Tarife wie bisher vom Bundesrat per Verordnung festgelegt werden sollen, und die von Jean-Luc Addor (svp, VS) angeführte Minderheit schlug vor, selbst bei aufwändigen Verfahren überhaupt keine Gebühr zu verlangen, wenn das öffentliche Interesse für die Anfrage gross ist.
Bevor über die Gebührenerhebung diskutiert werden konnte, musste die Volkskammer freilich über Eintreten beschliessen. Eine Minderheit der SPK-NR hatte nämlich dafür plädiert, gar nicht auf die Vorlage einzutreten. Für diese Minderheit argumentierte Marco Romano (mitte, TI), dass ein Paradigmenwechsel, wie er hier angestrebt werde, nicht nötig sei. Kostenlosigkeit sei zudem ein falsches Signal. Solche Anfragen verursachten immer Kosten, die letztlich von der Allgemeinheit getragen werden müssten. Bei unverhältnismässig hohen Kosten dürften diese sehr wohl auf die Verursachenden abgewälzt werden. Dies funktioniere mit der aktuell geltenden Regelung ja bereits gut und Gebühren würden nur mit der nötigen Zurückhaltung verlangt. Die Sprecherinnen und Sprecher der Fraktionen liessen erkennen, dass Eintreten kaum umstritten sein würde. Hervorgehoben wurde die Bedeutung der Transparenz der Staatsbehörden für die Demokratie, die mit dem Öffentlichkeitsprinzip bedeutend erhöht werden könne. Damien Cottier (fdp, NE) gab hingegen bekannt, dass sich die FDP.Liberalen-Fraktion der Minderheit Romano anschliesse. Es müsse vermieden werden, dass die Verwaltung mit zeitintensiven Gesuchen eingedeckt werde. Die 55 Stimmen, die gegen Eintreten votierten, stammten denn auch aus der geschlossen stimmenden FDP.Liberalen-Fraktion und aus der grossen Mehrheit der Mitte-Fraktion. Gegen die 135 Stimmen für Eintreten aus allen anderen Fraktionen reichten sie freilich nicht aus.
In der Folge wurden beide Minderheitenanträge abgelehnt. Mit 139 zu 51 Stimmen sprach sich der Nationalrat gegen die Minderheit Addor aus, die lediglich Unterstützung aus der SVP-Fraktion erhielt. Trotz des Antrags von Bundesrätin Karin Keller-Sutter, es vor allem bei grossem Aufwand dem Bundesrat zu überlassen, wie hoch die Gebühren sein sollen, weil «Jahr für Jahr [...] mehr Zugangsgesuche bei den Bundesbehörden» eingingen, wurde auch die Minderheit Cottier mit 121 zu 68 Stimmen – Letztere aus den geschlossen stimmenden Fraktionen der Mitte und der FDP und einem Teil der SVP-Fraktion – abgelehnt. Ebenfalls nicht auf Gehör stiess der Antrag des Bundesrats, den Passus zur Informationspflicht aus der Vorlage zu streichen. Der Entwurf sah vor, dass die Gesuchstellenden informiert werden müssen, wenn die Verwaltung eine Gebühr zu erheben gedenkt, wobei auch die Höhe der Gebühr (maximal CHF 2'000) kommuniziert werden müsste. Mit 190 zu 1 Stimme wurde die Informationspflicht jedoch deutlich gutgeheissen. Einzig Kurt Fluri (fdp, SO) unterstützte den Antrag der Regierung. Mit 136 zu 54 Stimmen bei 3 Enthaltungen bei der Gesamtabstimmung schickte der Nationalrat die Vorlage an die kleine Kammer. Die Gegenstimmen stammten erneut von den Fraktionen der FDP.Liberalen und der Mitte.

Öffentlichkeitsprinzip (Pa.Iv. 16.432)
Dossier: Transparence de l'administration fédérale

Dans un climat sociétal tendu lié à la pandémie de Covid-19, l'année 2020 a fait l'objet d'une recrudescence du nombre de menaces proférées à l'encontre de parlementaires et des autorités fédérales. Selon des données de Fedpol publiées par Le Temps et l'Aargauer Zeitung, 885 messages «litigieux» ont été enregistrés, soit trois fois plus qu'en 2019. Parmi ceux-ci, 64 missives ont été considérées comme des «dangers potentiels». Dans le Temps, la porte-parole de Fedpol soulignait qu'au-delà de l'augmentation, c'est «le ton qui est devenu beaucoup plus agressif». La police fédérale tente en général d'entrer en contact avec les auteurs et autrices de ces lettres lorsqu'elle l'estime nécessaire. Cependant, il revient aux parlementaires de déposer de leur propre chef une plainte pénale en cas de menaces considérées comme graves. Ce fut le cas de la conseillère nationale vaudoise Isabelle Chevalley. Au soir du refus de l'initiative sur les multinationales responsables, qu'elle combattait, la verte-libérale recevait des menaces de mort par courriel: «Sie werden Weihnachten nicht mit ihrer Familie verbringen. Wir werden Sie fesseln, Ihre Knochen zerquetschen und Ihr Blut trinken» ainsi que «Nehmen Sie diese Worte ernst, Sie haben noch nie einen Feind wie ich gekannt». Devant la violence de ces propos, elle portait plainte. L'auteur des menaces, un employé de vente de 23 ans déjà condamné auparavant pour des faits similaires, a rapidement été retrouvé par la police et condamné à une amende de CHF 300 et une peine pécuniaire de CHF 1500 avec sursis. Le cas d'Isabelle Chevalley n'est pas isolé et les témoignages ne manquent pas. Selon le Temps, plusieurs membres du Conseil fédéral auraient déjà été menacés de mort. Une enquête de la RTS réalisée en 2019 révélait que 58 pour cent des parlementaires disaient avoir déjà reçu des menaces, à différents degrés de gravité, alors que 78 pour cent affirmaient se faire couramment insulter, que ce soit via des lettres, par courriel ou sur les réseaux sociaux. Si le problème ne date pas d'hier, il semble s'accentuer lorsque certains thèmes divisant l'opinion public se retrouvent sur le devant de la scène politique et médiatique. Durant la crise migratoire de 2015 et 2016, Fedpol avait en effet déjà constaté un nombre important de messages de haine à l'encontre du corps politique.
En 2020, les restrictions liées à la pandémie auraient ainsi provoqué le ras-le-bol de la population et l'augmentation des menaces. Les tensions n'ont pas disparu avec le passage à la nouvelle année. Au contraire, elles semblent avoir été attisées par les nouvelles restrictions imposées en janvier par le Gouvernement. Le 12 février 2021, Magdalena Martullo-Blocher reprochait dans la NZZ au Conseil fédéral d'avoir «introduit une dictature». Les multiples critiques envers le Conseil fédéral, qui émanaient en particulier du PLR et de l'UDC, poussaient Karin Keller-Sutter et Guy Parmelin à prendre conjointement la parole dans une interview accordée à la Schweiz am Wochenende. Ils y soulignaient la dangerosité de «s'attaquer aux personnes et aux institutions», soulignant que cela met la démocratie à mal. Des parlementaires confiaient au Temps craindre que ces joutes verbales, parfois violentes, poussent certaines personnes à passer à l'acte, mentionnant les événements survenus en janvier 2021 aux États-Unis lors de l'attaque du Capitole. Selon le journal romand, la police fédérale aurait en tout cas sensiblement renforcé la sécurité des membres du Gouvernement.
Pour assurer une meilleure protection des membres du Conseil fédéral, du Parlement ainsi que des tribunaux fédéraux et des procureurs du Ministère public, la conseillère nationale Jacqueline De Quattro a déposé en novembre 2020 une motion demandant la poursuite d'office des auteurs et autrices de menaces. Cela est actuellement le cas seulement si les menaces sont proférées dans le cadre d'un événement officiel. Parmi les cosignataires de la motion figure Isabelle Chevalley.

Menaces à l'encontre des politiciens
Dossier: réglementation des réseaux sociaux et plateformes de communication

Nachdem die APK-SR die Motion Cottier (fdp, NR) «Von der Mind-the-Gap-Strategie zur Build-the-Bridge-Strategie wechseln» im Januar 2021 einstimmig zur Annahme beantragt hatte, beriet sie der Ständerat in der darauffolgenden Frühjahrssession. Die Motion verlangte vom Bundesrat die Erarbeitung einer neuen Strategie für vertiefte Handelsbeziehungen mit dem Vereinigten Königreich. Kommissionssprecher Damian Müller (fdp, LU) sprach im Namen der Kommission dem Freihandelsabkommen «der zweiten Generation», das neben dem Güterverkehr auch Dienstleistungen, Investitionen, geistiges Eigentum etc. regulieren soll, die Unterstützung aus. Müller zufolge stimmte die Kommission dem Bundesrat aber dahingehend zu, dass ein derart umfassendes Abkommen erst dann umsetzbar sei, wenn der Brexit-Austrittsvertrag zuvor vertieft analysiert worden sei. Auch Bundesrat Guy Parmelin betonte im Anschluss mit Nachdruck, dass Sondierungsgespräche für die Ermittlung der bilateralen Interessen nötig seien, bevor man mit der Verhandlung eines derartigen Abkommens beginnen könne. Der Gesamtbundesrat wünsche sich zudem eine gewisse formelle und inhaltliche Flexibilität bei der Erarbeitung des Abkommens. Die kleine Kammer nahm die Motion stillschweigend an.

Von der Mind-the-Gap Strategie zur Build-the-Bridge-Strategie wechseln (Mo. 20.3127)
Dossier: La stratégie «Mind the Gap» après le Brexit

Delegationen und Vertretungen des Parlaments haben unter anderem die Aufgabe, die Schweiz zu vertreten. Da diese Delegationen hinsichtlich der Geschlechter häufig nur sehr einseitig und vor allem männlich zusammengesetzt seien, wiederspiegelten sie ein «veraltetes Gesellschaftsbild» und suggerierten, dass Frauen in der Schweizer Politik nicht vertreten seien. Mit dieser Begründung forderte Claudia Friedl (sp, SG) mittels parlamentarischer Initiative eine Mindestquote von 30 Prozent jeden Geschlechts in diesen Gremien.
Ein ausgewogenes Geschlechterverhältnis in parlamentarischen Vertretungen sei zwar ein berechtigtes Anliegen, befand eine 12 zu 10-stimmige Mehrheit (1 Enthaltung) der SPK-NR, es sei aber nicht mittels gesetzlicher Regelung umzusetzen. Bei der Zusammensetzung parlamentarischer Vertretungen müssten bereits mehrere Kriterien – Fraktionsstärke, Amtssprache, Landesregion – berücksichtigt werden. Eine Geschlechterregelung würde die Besetzung nicht nur verkomplizieren, sondern unter Umständen auch verunmöglichen – etwa wenn eine Fraktion nicht genügend Frauen stellen könnte. Mit den letzten eidgenössischen Wahlen sei die 30-Prozent-Quote zudem praktisch bereits erreicht worden.
In der Debatte zeigte sich die Kommissionsminderheit, vertreten durch Ada Marra (sp, VD) erstaunt, dass über dieses Thema überhaupt gesprochen werden müsse, sässen im Parlament doch mittlerweile 38.7 Prozent Frauen. Die Zahlen zeigten allerdings auch, dass in sechs der elf Delegationen ein Frauenanteil von 30 Prozent eben nicht erreicht würde. Ein zusätzliches Argument brachte Pierre-Alain Fridez (sp, JU) in die Debatte ein: Im Europarat werde eine 30-Prozent-Quote eingeführt und für diese Delegation aus der Schweiz müsse also sowieso eine entsprechende Regel gefunden werden. Kommissionssprecher Damien Cottier (fdp, NE) wies in der Folge darauf hin, dass sich die Kommission lediglich gegen eine gesetzliche Regelung wende; einer Absprache zwischen den einzelnen Fraktionen stehe aber freilich nichts im Weg. Mit einer formellen und starren Quote – so auch Barbara Steinemann (svp, ZH) ebenfalls für die Kommission – würden mehr Probleme entstehen als gelöst. Dies sahen 105 Parlamentsmitglieder anscheinend ebenso, womit der parlamentarischen Initiative keine Folge gegeben wurde. Immerhin 83 Stimmen aus den geschlossenen Fraktionen der SP, der GP und der GLP, unterstützt von drei FDP-Nationalrätinnen (Jacqueline de Quattro (fdp, VD), Anna Giacometti (fdp, GR), und Susanne Vincenz-Stauffacher (fdp, SG)), hatten die Idee einer Quote gutgeheissen. Drei weitere FDP-Nationalrätinnen (Doris Fiala (fdp, ZH), Christa Markwalder (fdp, BE) und Isabelle Moret (fdp, VD)) und SVP-Vertreterin Céline Amaudruz (GE) enthielten sich der Stimme.

Ausgewogenes Geschlechterverhältnis in parlamentarischen Vertretungen (Pa.Iv. 19.472)

In der Herbstsession 2020 beugte sich der Nationalrat als Zweitrat über den von der SPK-SR ausgearbeiteten indirekten Gegenvorschlag zur Transparenzinitiative, mit dem mehr Transparenz bei der Politikfinanzierung geschaffen werden soll. Nicht weniger als 40 Wortmeldungen zeugen von der Bedeutung, die der Vorlage auch in der grossen Kammer entgegengebracht wurde. Die beiden Sprecher der SPK-NR – Andri Silberschmidt (fdp, ZH) und Damien Cottier (fdp, NE) – plädierten für Eintreten und warben für einige von ihrer Kommission vorgenommene gewichtige Änderungen des ständerätlichen Vorschlags: Die Mehrheit der Kommission stelle sich, anders als von der kleinen Kammer vorgeschlagen, gegen jegliche Offenlegung des Namens von Spenderinnen und Spendern, verlange aber nebst der Offenlegung der Einnahmen auch jene der Ausgaben von politischen Akteuren, jedoch ohne dass hier erhaltene Zuwendungen offengelegt werden müssten. Ebenfalls abweichend zum Ständerat schlage die Mehrheit der Kommission vor, dass bei Abstimmungen und Wahlen bereits Kampagnenbudgets von CHF 50'000 offengelegt werden – der Ständerat hatte hier eine Obergrenze von CHF 250'000 vorgesehen und auch die Initiative sah eine höhere Obergrenze von CHF 100'000 vor. Schliesslich – so die beiden Kommissionssprecher – müsse diese Offenlegungspflicht nicht nur für Kandidierende für den Nationalrat, sondern auch für jene für den Ständerat gelten.
Zuerst wurde über Eintreten verhandelt. Eine Kommissionsminderheit bestehend aus Mitgliedern der SVP-Fraktion begründete ihren Nichteintretensantrag mit den zu komplizierten Transparenzregeln, die vom Vorschlag vorgesehen seien; das Vertrauen in die Politik würde so eher geschwächt als gestärkt. Gregor Rutz (svp, ZH) bezeichnete die Vorlage gar als «Absurdität»: Es bestehe kein Handlungsbedarf und der Vorwurf, die Schweizer Politik sei korrupt, – Rutz nahm Explizit auf die Vorwürfe der GRECO Bezug – sei «Unsinn». Transparenz brauche man dort, wo demokratische Defizite bestünden, was in der Schweiz nicht der Fall sei. Nadine Masshardt (sp, BE), ihres Zeichens Co-Präsidentin des Trägervereins der Transparenz-Initiative, plädierte für die SP-Fraktion für Eintreten: Die SPK-NR habe den Gegenvorschlag wirkungslos gemacht, was insbesondere hinsichtlich der Offenlegung der Spenderinnen und Spender wieder zu korrigieren sei. Ins gleiche Horn stiess Irène Kälin (gp, AG) für die Fraktion der Grünen. Ohne Offenlegung von Spenden könne nicht von Transparenz gesprochen werden. Ihre Fraktion sei deshalb für Eintreten, um hier Korrekturen anzubringen. Auch die Mitte-Fraktion plädierte via ihre Sprecherin Marianne Binder-Keller (cvp, AG) für Eintreten, auch wenn die CVP sowohl gegen die Initiative als auch gegen den hier vorliegenden Vorschlag sei. Dies einerseits, weil die Bestrebungen letztlich auf eine staatliche Parteienfinanzierung hinausliefen, und andererseits, weil eine Forderung der CVP nicht erfüllt sei, nämlich die Offenlegung von indirekten Spenden und Querfinanzierungen beispielsweise durch Gewerkschaften und Wirtschaftsverbände. Doris Fiala (fdp, ZH) sprach von «Zeitgeist», der im Moment mehr Transparenz fordere. Allerdings sei diese Forderung in einem Milizsystem umsichtiger umzusetzen als bei einem System mit Profipolitikerinnen und -politikern – Fiala nahm Bezug auf ihr Mandat im Europarat, bei dem sie einer sehr strengen Offenlegungspflicht unterworfen sei. Auch die FDP wolle keine staatliche Parteienfinanzierung und die Wahrung der Privatsphäre auch bei politischen Zuwendungen. Der Trend für mehr Transparenz werde «auch vor den Türen der Schweizer Parteien keinen Halt machen», vermutete Corina Gredig (glp, ZH) und plädierte für ihre GLP-Fraktion nicht nur für Eintreten, sondern auch für die Offenlegung der Namen von Spenderinnen und Spendern. Vor der Abstimmung über Eintreten meldete sich auch Justizministerin Karin Keller-Sutter zu Wort. Sie erinnerte daran, dass ein gänzlicher Verzicht der Offenlegung von Spenden ein Kernstück der Transparenzinitiative entfernen würde. Der wesentlich tiefere Schwellenwert von CHF 50'000 für die Offenlegung von Kampagnen wiederum ziehe wohl vor allem bürokratischen Aufwand nach sich. Zudem sei die Forderung nach einer Offenlegung der Kampagnenzuwendungen von Ständeratskandidierenden deshalb heikel, weil ja eigentlich die Kantone für die Wahlen in die kleine Kammer verantwortlich seien. Sie bat den Rat aber auch deshalb um Eintreten, weil es sinnvoller sei, eine Regelung auf Gesetzesstufe anzubringen als in der Verfassung. Wie aufgrund der Sprecherinnen und Sprecher nicht anders zu erwarten war, stimmte die Mehrheit der anwesenden Nationalrätinnen und Nationalräte für Eintreten. Die 57 Nein-Stimmen stammten aus der SVP- (52 Stimmen) und der FDP-Fraktion (5 Stimmen), hatten aber gegen die 136 Ja-Stimmen keine Chance.

In der Folge ging es um die bereits in der Eintretensdebatte angekündigten Änderungsanträge. Eine Mehrheit von 135 zu 56 Stimmen folgte dem Kommissionsvorschlag, dass Parteien nicht nur wie vom Ständerat vorgesehen ihre Einnahmen, sondern auch ihre Ausgaben offenlegen müssen. Der SVP-Minderheitsantrag, der dem Ständerat folgen wollte, scheiterte also deutlich. Wesentlich knapper scheiterte der Minderheitsantrag Streiff (evp, BE), mit dem die Offenlegung von Spenden gefordert worden wäre, nicht aber wie vom Ständerat vorgesehen mit einer Obergrenze von CHF 25'000, sondern mit einer Obergrenze von CHF 10'000. Die 94 Stimmen der geschlossenen Fraktionen von SP und Grünen, unterstützt von 15 Stimmen der Grünliberalen – einzig Martin Bäumle (glp, ZH) sprach sich für die Mehrheit aus, die die Offenlegung der Spenden ganz streichen wollte – sowie von 9 Stimmen aus der Mitte-Fraktion und den 2 SVP-Stimmen von Mike Egger (svp, SG) und Lukas Reimann (svp, SG) reichten gegen die 96 Stimmen für die Kommissionsmehrheit nicht aus. Der Vorschlag der Kommission obsiegte auch bei der Frage nach der Höhe der Kampagnenausgaben. Nicht CHF 250'000 wie vom Ständerat und einer Minderheit Bircher (svp, AG) vorgesehen (130 zu 60 Stimmen), aber auch nicht CHF 100'000, wie von der Minderheit Streiff vorgeschlagen (171 zu 18 Stimmen), sondern Kampagnenausgaben von CHF 50'000 sollen neu eine Offenlegung zwingend machen. Angenommen wurde auch der Vorschlag, dass die einzureichenden Dokumente stichprobenweise zu kontrollieren seien.
Da damit aber keiner der Minderheitsanträge eine Mehrheit gefunden hatte und die von praktisch allen Fraktionen kritisierte, von der SPK-NR ziemlich verwässerte Vorlage so insgesamt zu viele Gegnerinnen und Gegner hatte, kam es bei der Gesamtabstimmung wenig überraschend zu einer deutlichen Abfuhr. Lediglich noch 17 Stimmen aus der FDP-Fraktion sowie eine Stimme aus der Mitte-Fraktion (Martin Landolt (bdp, GL)) unterstützten die Vorlage; standen aber gegen die 168 Gegenstimmen (9 Enthaltungen) auf verlorenem Posten. Damit wird der Ball dem Ständerat zurückgespielt.

Transparenz in der Politikfinanzierung (Pa. Iv. 19.400)
Dossier: Financement de la vie politique
Dossier: Initiative sur la transparence et contre-projet - Revision de la loi fédérale sur les droits politiques

In der Herbstsession 2020 kam die Motion Cottier (fdp, NE) «Von der Mind-the-Gap-Strategie zur Build-the-Bridge-Strategie wechseln» im Nationalrat zur Debatte. Motionär Cottier wiederholte bei dieser Gelegenheit seine Forderung, die bilateralen Beziehungen zwischen der Schweiz und dem Vereinigten Königreich zu intensivieren. Welche Form das Abkommen schlussendlich erhalte, sei von den Verhandlungen zwischen dem Vereinigten Königreich und der EU abhängig. Für Cottier stand diese Forderung auch im Einklang mit der Legislaturplanung 2019-2023, die eine Vertiefung der bilateralen Wirtschaftsbeziehungen vorsieht. Fabian Molina (sp, ZH), welcher die Motion in der Sommersession 2020 bekämpft hatte, sprach sich zwar für die temporäre Fortführung der Personenfreizügigkeit Schweiz-UK und die Erarbeitung neuer politischer und wirtschaftlicher Beziehungen aus. Die SP wehre sich jedoch gegen einen Freihandelsvertrag, der «primär der Bankenindustrie am Zürcher Paradeplatz und der Londoner City» nütze, so Molina. Die Deregulierung des Finanzplatzes, was nach Ansicht von Molina das Ziel der Motion sei, würde die europäischen Standards der Bankenregulierung schwächen und die Beziehung der Schweiz zur EU belasten. Für Molina sei ein solches Freihandelsabkommen nur im Rahmen der EFTA annehmbar, daher forderte er die Ablehnung der Motion. Bundesrat Parmelin unterstützte die Forderungen der Motion hingegen, wies aber darauf hin, dass anstelle eines umfassenden Freihandelsabkommens auch mehrere sektorale Abkommen denkbar wären. Der Nationalrat folgte der Empfehlung des Bundesrats und nahm die Motion mit 122 zu 69 Stimmen deutlich an.

Von der Mind-the-Gap Strategie zur Build-the-Bridge-Strategie wechseln (Mo. 20.3127)
Dossier: La stratégie «Mind the Gap» après le Brexit

Die beiden parlamentarischen Initiativen, mit denen eine ausgewogene Vertretung der Geschlechter auf Wahllisten gefordert wurde (Pa.Iv. 19.440 von Irène Kälin (gp, AG) sowie Pa.Iv. 19.460 von Jürg Grossen (glp, BE)), wurden in der Herbstsession 2020 vom Nationalrat gemeinsam beraten. Die SPK-NR hatte mit je 15 zu 10 Stimmen beantragt, den beiden Initiativen keine Folge zu geben. In der Debatte machten sich die Initiantin und der Initiant für ihre Anliegen stark. Die eidgenössischen Wahlen 2019 hätten gezeigt, dass es eine Rolle spiele, wie viele Frauen auf den Wahllisten vertreten seien. Der neue Frauenanteil in der grossen Kammer von etwas über 40 Prozent entspreche praktisch dem Anteil von Frauen auf den Listen, so Irène Kälin. 40 Prozent sei zwar besser als 30 Prozent – der Anteil vor den eidgenössischen Wahlen 2019 – aber eine ausgewogene Vertretung der Geschlechter sei damit nach wie vor nicht Realität, obwohl dies von der Verfassung gefordert werde. Auch Jürg Grossen hob den Anstieg des Frauenanteils nach den Wahlen hervor, betonte aber auch, dass die weibliche Hälfte der Bevölkerung «im Bundeshaus nach wie vor deutlich untervertreten» sei. Die Erfahrung zeige zudem, dass der Frauenanteil rasch wieder erodiere, wenn die Forderung von Parität nicht umgesetzt werde oder dauernd wieder erkämpft werden müsse. Dabei seien nicht fixe Quoten anzustreben, sondern Anreize zu schaffen: Nur noch jene Parteien sollen Fraktionsbeiträge erhalten, die hinsichtlich Geschlecht mit ausgewogenen Wahllisten antreten. Marianne Binder-Keller (cvp, AG) nahm für die Kommission Stellung und bezeichnete die beiden Anlegen als «mutierte Varianten bereits abgelehnter Vorstösse, die Quoten auf Wahllisten forderten». Sie wies darauf hin, dass sie als Frau gerade aus Gleichstellungsüberlegungen gegen «diese Form von Kandidierendenobligatorium» sei. Die beiden Initiativen würden implizieren, dass Frauen nicht in der Lage seien, sich selber durchzusetzen. Frau sein, sei kein Programm und es wäre ja dann auch die Frage, was passieren würde, wenn es eine Mehrheit von Frauen im Parlament gebe. Die Mehrheit der Kommission sei überdies nicht der Meinung, dass Gleichstellung heute verhindert werde. Es werde ja niemand an einer Kandidatur gehindert und letztlich sei es der Souverän, dem zugetraut werden dürfe, dass er nicht auf die Wahl von Frauen verzichte, «nur weil sie Frauen sind». Hingegen sehe es die Mehrheit der Kommission als «undemokratische Einmischung», wenn den Parteien vorgeschrieben würde, wen sie bei Wahlen nominieren müssten. Fraktionsbeiträge von der Gestaltung der Listen abhängig zu machen, erachte die SPK-NR zudem als sachfremd, zentralistisch und unliberal.
Wie zu erwarten war, wurden die beiden Vorstösse von den geschlossenen Fraktionen der SP und der GP sowie zumindest bei der Initiative Grossen auch von der Mehrheit der GLP unterstützt. Die 80 Stimmen (gegen 114 Gegenstimmen) bei der parlamentarischen Initiative Kälin bzw. die 83 Stimmen (gegen 109 Gegenstimmen) bei der Initiative Grossen – beide Male ohne Enthaltungen – reichten aber nicht aus und die Anliegen wurden versenkt. Über die Lager der Initiantin und des Initianten hinaus vermochten die Anliegen praktisch nicht zu mobilisieren, insbesondere nicht bei den Nationalrätinnen des bürgerlichen Lagers: Nur Céline Amaudruz (svp, GE) und Marianne Streiff-Feller (evp, BE) unterstützten den Vorschlag von Jürg Grossen und Jacqueline de Quattro (fdp, VD) die Idee von Irène Kälin.

Ausgewogene Vertretung der Geschlechter auf Wahllisten (Pa.Iv. 19.460 und Pa.Iv. 19.440)
Dossier: Efforts pour des quotas de femmes dans les institutions politiques, les commissions et l’administration
Dossier: Part de femmes au parlement

Im März 2020 reichte FDP-Nationalrat Damien Cottier (fdp, NE) eine Motion mit dem Titel «Von der Mind-the-Gap-Strategie zur Build-the-Bridge-Strategie wechseln» ein. Zwar habe der Bundesrat den Status quo, welcher vor den Brexit-Wirren herrschte, durch den Abschluss neuer Abkommen mit Grossbritannien erhalten können, doch diese «Mind-the-gap-Strategie» ginge gemäss Cottier nicht weit genug. Schliesslich habe der Bundesrat in seinem Bericht zur Aussenwirtschaftspolitik 2019 selber die Möglichkeit «explorativer Gespräche zur Weiterentwicklung der Handelsbeziehungen» erwähnt. Die Motion beauftragte den Bundesrat daher mit der Erarbeitung einer neuen Strategie hinsichtlich der Handelsbeziehungen mit dem Vereinigten Königreich. Gemeinsam mit anderen EFTA-Partnern oder gegebenenfalls alleine solle die Schweiz ein «Freihandelsabkommen der zweiten Generation» aushandeln, so die Forderung des Motionärs. Die wirtschaftlichen Beziehungen müssten in Zukunft noch vertieft werden, um Bereiche wie den Umweltschutz, Investitionserleichterungen, den Schutz des geistigen Eigentums und technische Handelshemmnisse zu regeln.
In seiner Stellungnahme hielt der Bundesrat fest, dass die Ziele der Motion denjenigen der «Mind the gap Plus»-Strategie des Bundes entsprächen, wobei auch eine vertiefte Zusammenarbeit im Polizei- und Justizbereich und den Finanzdienstleistungen vorgesehen sei. Beide Länder seien an einem modernen und umfassenden Handelsabkommen interessiert, jedoch hänge dessen Verhandlung vom Loslösungsprozess zwischen dem Vereinigten Königreich und der EU ab. Aufgrund der kohärenten Zielformulierung beantragte der Bundesrat die Annahme der Motion.
Der Nationalrat hätte die Motion eigentlich in der Sommersession 2020 behandeln sollen, jedoch wurde diese von Fabian Molina (sp, ZH) bekämpft und die Ratsdebatte aus diesem Grund verschoben.

Von der Mind-the-Gap Strategie zur Build-the-Bridge-Strategie wechseln (Mo. 20.3127)
Dossier: La stratégie «Mind the Gap» après le Brexit

Nachdem die eidgenössischen Räte den indirekten Gegenvorschlag zur Volksinitiative «Ja zum Verhüllungsverbot», das Bundesgesetz über die Gesichtsverhüllung, mit der Bereinigung aller Differenzen auf Kurs gebracht hatten – die Schlussabstimmungen standen aufgrund des pandemiebedingten Abbruchs der Frühjahrssession indes noch aus –, beriet der Nationalrat in der Sommersession 2020 die Volksinitiative an sich. Der Ständerat hatte schon im Herbst 2019 über die Initiative debattiert und sie zur Ablehnung empfohlen. Die Volkskammer als Zweitrat hatte die Diskussion zur Initiative seinerzeit ausgesetzt, bis die Beratungen zum Gegenvorschlag abgeschlossen sein würden, und nahm sie nun ein knappes Jahr später in Angriff. Die SPK-NR beantragte ihrem Rat mit 14 zu 9 Stimmen bei 2 Enthaltungen, die Initiative zur Ablehnung zu empfehlen. In der mehrstündigen, emotionalen Ratsdebatte standen sich das befürwortende – bestehend aus der SVP-Fraktion sowie einem grossen Teil der Mitte-Fraktion – und das gegnerische Lager – bestehend aus allen anderen Fraktionen – unverrückbar gegenüber. Als «Dialog der Gehörlosen» bezeichnete «Le Temps» die Diskussion, in der nur die bereits bekannten, festgefahrenen ideologischen Positionen zu den Frauenrechten und zum «Kulturkampf» («Le Temps») vorgetragen wurden. Die Befürworterseite argumentierte im Kern, das Verhüllungsverbot setze ein klares Zeichen gegen die Unterdrückung der Frau und stärke die offene Gesellschaft sowie die Sicherheit in der Schweiz. Die Gegenseite betonte in erster Linie die Unvereinbarkeit eines solchen Verbots mit der liberalen Gesellschaftsordnung. 91 Wortmeldungen später entschied der Nationalrat mit 114 zu 76 Stimmen bei 3 Enthaltungen, die Initiative Volk und Ständen zur Ablehnung zu empfehlen. Für die Initiative standen neben der geschlossenen SVP-Fraktion zwei Drittel der Mitte-Fraktion sowie zwei Stimmen aus der FDP- (de Quattro/fdp, VD; Dobler/fdp, SG) und eine aus der GLP-Fraktion (Chevalley/glp, VD) ein. Abschliessend billigte die Volkskammer, dass ihre Kommission die Petition 15.2044 für die Ungültigkeitserklärung der Initiative aus Gründen der Einheit der Materie zur Kenntnis genommen hatte. Wie Kommissionssprecher Damien Cottier (fdp, NE) im Ratsplenum erläuterte, war die Kommission der Ansicht gewesen, dass die Volksinitiative die Einheit der Materie wahre, indem sie ein einziges Thema, nämlich das Verbot der Gesichtsverhüllung in der Öffentlichkeit, betreffe.

In den Schlussabstimmungen zwei Tage darauf wurde der Bundesbeschluss, mit dem das Parlament die Volksinitiative zur Ablehnung empfahl, im Nationalrat mit 113 zu 77 Stimmen bei 7 Enthaltungen angenommen, wobei die befürwortenden und ablehnenden Stimmen dieselben geblieben waren wie bei der inhaltlichen Beratung. Der Ständerat stimmte dem Bundesbeschluss mit 36 zu 7 Stimmen bei 2 Enthaltungen zu; hier bestand die Opposition aus der geschlossenen SVP-Fraktion und CVP-Vertreter Beat Rieder (cvp, VS).

Weil sie aufgrund des Sessionsabbruchs nicht mehr in der Frühjahrssession 2020 stattgefunden hatten, standen auch die Schlussabstimmungen zum Bundesgesetz über die Gesichtsverhüllung in der Sommersession 2020 auf der Agenda der eidgenössischen Räte. Den indirekten Gegenvorschlag zur Volksinitiative «Ja zum Verhüllungsverbot» nahm der Nationalrat mit 104 zu 85 Stimmen bei 9 Enthaltungen an. Während sich die Mitte-Fraktion hier grossmehrheitlich dafür aussprach, stimmten neben der geschlossenen SVP- eine breite Mehrheit der Grünen Fraktion sowie einige Angehörige der FDP- und der Mitte-Fraktionen dagegen. Der Ständerat verabschiedete das Bundesgesetz über die Gesichtsverhüllung mit 35 zu 8 Stimmen bei 2 Enthaltungen, wobei auch hier alle SVP- und zwei Mitte-Stimmen ablehnend waren.

Volksinitiative «Ja zum Verhüllungsverbot» und indirekter Gegenvorschlag (19.023)
Dossier: Interdiction nationale de la burqa